Walk the line von abgemeldet (Das Leben geht weiter) ================================================================================ Kapitel 2: Part 2 ----------------- Der Mond stand rund und in einem kaum zu begreifenden Silberton am Himmel und tauchte den See, der sich unter Tala Valkovs Fenster befand in ein ebenso überirdisches Glitzern. Wie die Tränen einer Göttin. Und obwohl er an jenem Fenster saß und sein Blick nach draußen glitt, hatte der Rothaarige keinen Blick für all das; seine Gedanken waren weit weg. Seine Erinnerungen hatten ihn in der Zeit Jahre und Jahre zurückbefördert, in eine Zeit, über der für ihn inzwischen trotz aller Schmerzen ein seltsam glücklicher Schleier aus Mondlicht lag. Wenn man ihn gefragt hätte, hätte er das nicht zugegeben, aber es war die Wahrheit. Und diese Vergangenheit, war für ihn momentan genauso real, und vielleicht um einiges wichtiger, als die Gegenwart, denn in der Gegenwart war er zu dem geworden, was er nie wieder sein wollte: Ein niemand. Er war bereit gewesen sich aufzugeben um nicht in Vergessenheit zu geraten und hat jetzt eventuell genau das geschafft. Aber es nützte nichts. Wenn nichts passierte, würde er Ewigkeiten hier bleiben, auf jeden Fall zumindest viel zu lange. Eigentlich kannte er diese Melancholie nicht von sich, aber er war auch nie so mutlos gewesen, oder wusste zumindest nicht mehr wann. Die Angst vor der Leere, die in ihm herrschte, war zu einer schwachen passiven Furcht geworden, gegen die er weder ankämpfen, noch sie verschlimmern konnte. Er hing einfach in der Luft und daran würde sich vermutlich auch nicht allzu schnell etwas ändern. Jetzt, wo seine Gedanken zu den üblichen Trivialitäten zurückkehrten, musste er auch wieder an dieses Projekt denken. Dieses Projekt. Dieses Projekt! Wie er es doch hasste! Doch auch, wenn er mit aller Kraft seines Unterbewusstseins versuchte es zu lassen, endete es wie jeden Abend. Er schlief, ohne es zu bemerken, mit Wolborg in der Hand ein und würde ihn morgen, ebenfalls ohne es zu bemerken, wieder ihn seine Schublade zurücklegen. „...Das ist doch nicht euer Ernst.“, war der einzige, zugegebenermaßen ziemlich tonlose Kommentar, den Tala zu dem Thema abgeben konnte. Klar, eigentlich hätte er sich über einen freien Tag freuen sollen, und vermutlich tat er das auch, aber wie zur Hölle sollte er jetzt diesen verdammten Mittwoch rum bringen?! Anstatt weiter auf dem Flur zu stehen und die ein wenig eingeschüchtert wirkende, dunkelhaarige Michelle anzustarren, machte er kurz entschlossen auf dem Absatz kehrt, und verließ das Gebäude in Richtung des Sees, der auf der anderen Seite des Internats, genau unter seinem Fenster lag. Er hasste Langweile, in letzter Zeit wahrscheinlich mehr als alles andere. Wenn er sich langweilte, dann begann er nachzudenken, und das wollte er um jeden Preis vermeiden. Tatsache war nämlich, auf eine gewisse Art, war er nie so auf sich selbst gestellt gewesen. Natürlich, er konnte für sich selbst sorgen, er hatte früher als die meisten anderen gelernt wie hart das Leben in Wirklichkeit war, und obwohl er soviel durchgemacht hatte, hatte dieser eine Moment, alles in Zweifel gezogen. Hatte er etwa so falsch gelegen? Jetzt dachte er doch wieder daran!-... Aber es nützte nichts, er konnte nicht anders. Warum war das ganze nicht so einfach zu vergessen wie er gehofft hatte? Das war alles Kai Hiwataris Schuld! Frustriert versetzte Tala dem Baum, der ihm gerade am nächsten stand einen recht schwächlichen Tritt und ließ sich dann mit gekreuzten Beinen auf den Boden fallen. Hatte das denn alles überhaupt keinen Sinn? Wie konnte es sein, dass er sich an diese Szene, die ein halbes Jahr zurücklag, besser erinnerte, als an seine letzte Unterrichtsstunde am Dienstagnachmittag? Nach wie vor, alles Kai Hiwataris Schuld. Damals hatte er Kai zum letzten Mal gesehen. Der Zug kam nicht. Immer noch nicht, und langsam wurde Tala nervös. Er hätte schon vor einer halben Stunde da sein müssen, aber das hier war das richtige Gleis, ganz sicher. Wenn er nun gar nicht kam? Dazu später mehr, aber zuerst tauchte jemand anderes auf. Jemand der weitaus weniger erwartet wurde... Mit einem Mal saß Tala kerzengerade da, als er bemerkte wer da unverschämt gelassen, wenn auch aufmerksam, auf seine charakteristische Art durch die Menge spazierte. Als Kai den Rothaarigen erkannte verschloss seine Miene sich automatisch noch mehr, aber Tala kannte ihn gut genug, um auch ohne sonderlich einfühlsam zu sein, zu erkennen wie es hinter der Stirn des Jüngeren arbeitete. Trotzdem, kam er genau in Talas Richtung. Der seinerseits stand von seinem Platz auf, er hasste es zu Leuten hochsehen zu müssen, wie ein unartiges Grundschulkind. „Tala“, sagte Kai tonlos Nein, schon falsch... er sagte 'Valkov'... genau... „Komm mit, ich muss mit dir reden.“ „Da hättest du früher kommen müssen.“, war Talas unterkühlte Antwort; er war gereizt, denn es fiel ihm auf die Nerven wenn jemand sich verspätete. Sogar- oder eher vor allem, wenn es ein ganzer Zug war. „Aber jetzt bist du noch hier.“ Ohne eine weitere Erläuterung, packte Kai ihn kurzerhand an der Schulter und komplimentierte ihn ein wenig abseits. Erst dann riss Tala sich los. Vielleicht wollte er es nicht zugeben, aber er war doch neugierig, was denn so wichtig war, dass der Master of mystery sich dazu herabließ mit ihm zu reden. „Was soll das bitte, Kai?! Wenn ich deinetwegen den Zug verpasse, dann kannst du zusehen, wie ich nach San-“ „Ach, sei still.“ Diese Erwiderung war so ungewohnt, dass Tala ein paar Sekunden nur dastand uns sein gegenüber anstarrte. „Warum?“, fragte er schließlich und in seiner Stimme klang echte Neugierde mit. „Ich wollte dir nur eine Frage stellen.“ „Eine wichtige Frage?“ „Eine wichtige Frage.“ Kai grinste kurz, und auf eine seltsam unverschämte Art. Und dann hatte er... „Hey Valkov, schon auf die Liste geguckt?“ Völlig desorientiert schreckte Tala auf, als sich jemand neben ihn fallen ließ. „Wir sind in einem Team!“ Das blonde Mädchen vor ihm, hatte ein so sonniges, infantiles Lächeln aufgesetzt, das Tala für einen kurzen Moment, den er noch in der Vergangenheit verbrachte, ganz sicher war diesen Amerikaner von den Bladebreakers vor sich zu haben. Dann war er zurück in der Realität und der Augenblick war vergessen. „Welches Fach?“, fragte er knapp und seine Augen wurden ein wenig schmal. Sie seufzte und verzog das Gesicht. „Erdkunde. Dabei bin ich froh wenn ich mein Zimmer finde!“ Und so begann das Projekt, das inoffizielle Projekt, das ihn zum ersten Mal, seit einem halben Jahr mühelos in der Gegenwart halten sollte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)