Tückische Zwillingsmaske von Midwintermidnight (Du kannst nicht dahinter sehen) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Sie zittert. Doch nicht die Nachtluft ist es, die es sie frieren lässt oder gar der Umstand, dass sie hier in ihrem Kleid steht. Es ist keine äußerliche Kälte. Sie kommt aus dem Inneren und hält sie umklammert, als wolle sie nie mehr wichen. Als wäre es ein griff für die Ewigkeit. Doch wie lange dauert sie, die Ewigkeit? Vor kurzem hätte sie noch eine Antwort gewusst. Vor kurzem als Matteo noch an ihrer Seite gewesen ist. Doch seitdem sie nicht mehr zusammen sind schien die Ewigkeit viele Formen anzunehmen. Sie ist der Zeitraum, als sie nach der Trennung starb. Sie ist es die die glückliche Zeit in so weite Ferne rückt. Die Glücklichsein zu einer Erinnerung werden lässt, nicht mehr als ein Bild hinter dem Nebel, der sich wie ein Schleier um alles gelegt hat. In zitternden Fingern dreht sie die Maske. Die Maske, die sie zeitgleich liebt und hasst wie den Tod. Sie bedeutet alles für die junge Frau und gleichzeitig ist sie ihr Untergang. Anfang und Ende. Den Anfang nahm es als Matteo sie ihr zum gemeinsamen Maskenball geschenkt hatte , am Tag zuvor. Auch wenn er es nicht zugeben wollte wusste sie , dass er sie extra für sie angefertigt hatte . "Für meinen wahrgewordenen Traum," hatte er lächelnd gesagt. "Du scherzt," hatte sie ebenfalls lächelnd geantwortet. "Manchmal. Aber hierbei? Niemals!" erst blickten seine haselnussbraunen Augen sie an, als er sich neben ihr auf die Bank sinken ließ. "Sie ist wunderschön," andächtig fuhren ihre Finger das goldene Muster nach. Die feinen eingearbeiteten Steine glitzerten im Sonnenlicht, das sich darin fing. "Sie gefällt dir also?" fragte er. "Ich weiß nicht womit ich das verdient habe," antwortete sie statt auf seine Frage einzugehen und legte den Kopf auf seine Schulter. "Keine Idee?" er klang verwirrt. Sie hob den Kopf. "Nein?! Sollte ich?" Matteo lachte leise und blickte auf den Kanal, in dem die Gondeln für den heutigen Tag ihre letzte Fahrt antraten. "Was ist so lustig?" unsicher sah sie ihn an. Er bemerkte ihre Sorge. Ihre Stimme die sonst ein sanftes Glockenspiel im Wind war klang dann hektisch als würde ein Sturm durch eben dieses Glockenspiel wehen und es erklang dann eine Oktave zu hoch. Die Harmonie verlor ihr Gleichgewicht und ihre Augen, die die Farbe des Meeres an einem Sommertag hatten wurden zu einer grauen See in den Wintermonaten. "Es verwundert mich, dass du dich selbst so wenig zu kennen scheinst." Verständnislos legte sie den Kopf schief. Er schmunzelte. "Du bist die ... ," er brach ab. Wie konnte er etwas beschreiben für das es offensichtlich keine Worte gab? Es war ihre Natur. Ihre Seele. Sie war... . ".... wie ein Diamant. Verstehst du was ich meine?" In ihren Augen sah er die Wolken sich verziehen. "Es ist einfach nicht zu fassen," fuhr er fort, "ich weiß nicht wie ich es sagen soll," er seufzte resigniert auf. "Ich glaube ich verstehe dich," murmelte sie auf die Maske blickend, bevor sie ihn ansah und Matteo in zwei sonnen durchflutete Saphire blicken sah. Er nickte. "Aber eines hast du mir nicht verraten." "So was denn?" "Als was verkleidest du dich morgen Abend? Ich kann ja schlecht hinter zwei tausend Masken blicken." "Und dabei ist es schon schwierig genug hinter ein zu blicken." Die Brünette sah schweigend sein Profil an. Was meinte er damit? Seine Züge glichen einer Maske. "Matteo?" Sie mochte es nicht wenn sein Gesicht so war. Er schien dann fremd und unnahbar, als kenne sie ihn nicht. Es war wie die Masken, die er fertigte. Es konnte soviel dahinter liegen ohne dass man wusste was es war. "Matteo?" zaghaft legte sie eine Hand auf seine Schulter. Durch den dünnen Stoff spürte sie wie er sich verspannte. "Entschuldige-bitte?" Es schien so als hätte sie ihn von einer Reise zurückgeholt, einer Reise auf die sie ihn nicht begleiten konnte. "Worüber hast du nachgedacht?" "Nichts von Bedeutung." Und obwohl er lächelte straften seine Augen ihn lügen. "Was wolltest du denn von mir wissen als ich sträflicher weise nicht zugehört hatte?" versuchte er sie abzulenken, als er ihre Skepsis bemerkte. "Ich..." sein plötzlicher Sinneswandel warf sie so aus der Bahn, als dass sie prompt über ihre Worte stolperte. Wie eine Maske! schoss es ihr durch den Kopf. "Ich also... ich wollte dein Kostüm für morgen wissen." "Ach so. Es soll ...-moment," er bückte sich und zog einen in schwarzes Leder gebundenen Block hervor und blätterte darin. "Hier." Er zog ein Blatt hervor und reichte es ihr. Stumm und mit großen Augen betrachtete sie die Zeichnung, die das Gesicht eines Harlekin zeigte. Mit den Fingern fuhr sie die Konturen nach. "Es ist wundervoll." "Danke." Sie blickte auf. "Die trägst du morgen?" "Ja, wenn heute Abend alles klappt." "Sie sieht wunderschön aus," mit diesen Worten reichte die junge Frau ihm das Bild, so dass ihr Gegenüber es wieder in den Block packen konnte. "Bist du mir eigentlich böse wenn ich jetzt schon gehe? Also wegen der Maske?", fragte Matteo, als er sich aufrichtete. Sie schüttelte den Kopf:" Nein, nein... ich muss auch noch was erledigen.", antwortete sie und stand auf. "Bis morgen Abend." "Ja bis morgen," er stand nun ebenfalls.Die flüchtige Berührung seiner Finger, obwohl sie kaum mehr zu spüren gewesen waren als ein Windhauch oder der Schlag eines Schmetterlingsflügels, hinterließ er dennoch eine angenehme Wärme. Sie blickte ihm nach, bis er um die nächste Ecke verschwunden war. Am nächsten Tag es war gerade Mittag zog sie den letzten Spitzensatz an den vorgesehenen Platz. Gähnend streckte sie sich. Ihre Muskeln protestierten. Hatte sie doch fast die ganze Zeit am Schneidertisch gesessen. Kritisch richtete sie nun ihr Augenmerk wieder auf den Rock. Es hatte langer Zeit bedurft ihn fertigzustellen und noch länger hatte sie bedenken gehabt ihn überhaupt jemals fertig zu bekommen. Noch einmal fuhr sie mit den Fingern über das dunkelblaue Samt, das nun weich und angenehm durch ihre Finger floss. Ein Blick auf die große Standuhr verriet ihr, dass sie noch drei Stunden hatte bis das die Kutsche sie abholen würde.Über eine geschwungene hölzerne Wendeltreppe betrat sie ihr Schlafzimmer und ging zu der Kommode, auf der diverse Spangen und Kämme lagen. Sie griff nach dem perlmuttfarbnem Kamm und fuhr sich durch ihr kastanienbraunes Haar, das sie anschließend hoch steckte und dann von einem Netz aus Perlen gehalten wurde. Es dämmerte schon als sie die Corsage fertig geschnürt hatte und den Rock vorsichtig glatt strich. Fehlte nur noch Matteos Maske, die auf dem Überwurf auf ihrem Bett lag. Ihre Finger schlossen sich um das kühle Metall des Stabes als sie ihn hoch hob. Mit hoch gehaltener Maske trat sie vor den Spiegel und erschrak. Sie blinzelte einmal- zweimal. War das sie? Die große schlanke Frau in dem dunkel blauen Kleid, die Haare zu sanften Wellen hoch gesteckt. und der goldenen Maske? Probehalber ließ sie die Maske sinken und ihr Gesicht erschien im Spiegel. Als hätte Matteo die Maske auf sie und ihr Kleid abgestimmt. Doch da war das Problem, dass er es wohl oder übel nicht wusste. Das Klopfen an der Tür ließ sie aus ihren grüblerischen Gedanken aufschrecken. "Ich komme sofort!" Keine Minute später fuhr die Kutsche klappernd über das holprige Kopfsteinpflaster. Die junge Frau hatte die Augen geschlossen und lauschte, den Kopf an die weiche Polsterung gelehnt dem gleichmäßigen Klappern der Pferdehufe. Es hatte eine beruhigende Wirkung auf sie, sodass hätte die Fahrt noch länger gedauert sie eingeschlafen wäre. Der abrupte Halt warf sie etwas unsanft nach vorne. Als sie die Kutsche verließ, fand sie sich direkt vor dem großen Marktplatz wieder, auf dem sich schon unzählige Menschen tummelten. Wie sollte sie denn Matteo hier wieder finden? Kein Dutzend Schritte später fand sie sich in mitten der Tanzfläche wieder. Suchend blickte sie sich um. Bis sie ihn entdeckte. Den weißen Harlekin. Groß und leuchtend hob er sich aus der ganzen Menge hervor, die bunt schillernd um ihn herum tanzte. "Matteo!" Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und begann zu winken. "Matteo!" Doch er sah nicht zu ihr herüber. Seine ganze Aufmerksamkeit galt etwas anderem, dass ihn so zu fesseln schien, sodass er nichts anderes mehr wahrnahm. "Matteo!" versuchte sie es noch noch einmal. Keine Reaktion. Verwirrt suchte sie die Ursache und fand sie schließlich. Es war eine junge Frau, in einem rot goldenen Kleid, die dort küssend mit Eliano stand, Matteos bestem Freund und Partner des Maskenladens. An sich nichts ungewöhnliches, doch das Schlimme war, sie trug die Kopie der Maske in ihren Händen. Die Kopie der Maske, die Matteo ihr am Vortag geschenkt hatte. Das war es also. Matteo glaubte, dass sie... Nein! Matteo. Sie blickte zu ihm zurück und sah dass er gerade im Begriff war den Marktplatz zu verlassen. "Matteo!" So gut es ging folgte sie ihm, doch die immer dichter werdende Menschenmasse war wie das Netz einer Spinne. Verzweifelt stemmte sie sich gegen den Strom doch die Entfernung zu Matteo wurde mit jedem Schritt immer größer. Und als sie endlich an den Rand des Platzes trat sah sie gerade noch wie er in einer dunklen Straße verschwand. Stolpernd lief sei ihm nach. "Nein!... Nein!! ... Nein!!!.... MATTEO!" Ihre Stimme wurde immer lauter. "Matteo." warf das Echo immer leiser werdend zurück und ihr verzweifelter Schrei hallt in den Gassen Venedigs wieder. Sie hatte ihn verloren. Die aufkeimende Gewissheit nagte an ihr und fraß sich immer tiefer in ihr Innerstes. Ziellos ging sie weiter. In der Dunkelheit der Gassen stolperte sie weiter vorwärts, immer weiter irgendwohin,- nirgendwohin- bis sie sich an der Stelle des Kanals wiederfand, wo sie sich immer mit Matteo getroffen hatte. Die schwarzen Gondeln schaukelten im dunklen Wasser, welches gegen das Holz schwappte. Es war das einzige Geräusch in der vollkommenen Stille, die sie umgab. Verloren stand sie dort - ohne zu wissen wohin- und es fühlte sich so falsch an. Es war nicht richtig jetzt hier allein zu sein. Sie zitterte. Der Winter hielt Einzug in ihrem Herzen und fegte erbarmungslos über sie hinweg. Ein Pfeifen zerriss die Stille und kurz darauf erhellten bunte Farbenspiele den Himmel. Um diese Zeit vor genau sieben Jahren hatten sie sich kennen gelernt auf dem Maskenball, den sie jeweils mit ihren Eltern besucht hatten. Sie hatte sich fürchterlich vor ihm erschrocken und doch waren sie seit jenem Tag unzertrennlich. Waren.. hallte dieses Wort in ihrem Innersten wieder und stumme Tränen liefen über ihre Wangen und starben auf dem schwarzen Samt. Von stummen Weinkrämpfen geschüttelt sank sie auf der Bank hinter ihr zusammen. Die Bank auf der sie am Tag zuvor noch mit ihm gesessen hatte. sollte das jetzt vielleicht für immer vorbei sein? Sie schüttelte den Kopf konnte es nicht glauben, wollte es nicht glauben. Denn das was ihr Kopf begriffen zu haben schien, dessen widersetzte sich ihr Herz umso mehr. Sie seufzte und fuhr sich durch die Haare. Beim laufen hatte sich die Kette gelöst, sodass ihr dunkelbraunes Haar ihr jetzt wieder in weichen Wellen über die Schulter fiel. Der Verlust des Schmuckstückes war ihr relativ egal. Sie hätte ihren gesamten Schmuck und mehr eingetauscht, wäre er nur hier bei ihr, doch er war fort. Erneut rannen Tränen über ihr Gesicht, tropften von den Wangen, fielen bis sie auf blauem Samt landeten. Es wurden immer mehr, ein nicht enden wollender Strom ihrer Trauer und des Schmerzes, der sie erneut wie eine Flutwelle überrollte. Die plötzlich aufkeimende Panik lässt sie aufspringen. Es ist der Ort von dem sie nun flieht, denn eines ist ihr klar, weder vor Erinnerungen noch vor Gefühlen kann man fliehen. Diese Erfahrung musste sie in der Vergangenheit zu oft machen, als dass sie es hätte vergessen können. Immer weiter geht sie ungeachtet der Zeit, der Zeit die dabei verstreicht. Alles ist besser als sich an das zu erinnern was geschah. Es dämmerte bereits als sie sich vor einem Laden wiederfand. Bunte Masken schmückten die Fenster. Sie sind violett, rot und gold, grün mitPerlen besetzt, das ganze Gesicht bedeckend oder nur zur Hälfte. Lange betrachtete sie im Licht der aufgehenden Sonne die verschiedenen Gesichter, die jedes eine eigene Geschichte zu erzählen scheinen. Wie von selbst legte sich ihre Hand auf die Türklinke und sie umschloß den Griff fester, drückte ihn nach unten, sodass sie leise aufschwang. Ein Glockenspiel erklang und sie betrat den Laden. Es war dunkler als draußen und auch hier waren die Masken. Ihr Blick schweifte über die Regale zur einzigen Tür in dem Zimmer. Die Tür zu der Werkstatt, zögernd ging sie darauf zu, zögernd aus Angst vor dem was sie dort erwartet. Sie legte die Hand auf das schwere Holz und sofort gab es nach und schwang nach Innen hin auf. Eine Person an der Werkbank, doch es ist nicht Matteo. "Hallo, schön dich zu sehen," Eliano kam lächelnd auf sie zu, verstummte aber als er ihre roten Augen sah. "Du liebe Güte! Was ist passiert?" "Bitte Eliano. Ist Matteo da?" "Nein ich habe seit gestern nichts mehr von ihm gehört." Sie nickte und senkte den Kopf, dabei fiel ihr Blick auf etwas weißes neben der Werkbank. Sie ging darauf zu und hob es auf. Der Harlekin. Matteos Maske. Sie ist unnatürlich kalt. Die sonst so glatte Porzelanoberfläche zieren Risse, die das einst glückliche Gesicht weinen lassen. Stumme Tränen von dem, was sie gesehen haben. Mit einem klaren Ton zerspringt die Maske auf dem Boden. Stunden ist dies nun her. Eine weitere Ewigkeit. Eine Ewigkeit seitdem sie ge- flohen ist aus der Werkstatt. Immer wieder zieht das Gesicht des weinenden Harlekins auf. Immer wieder stirbt sie den gleichen Tod. Langsam begreift sie seine Worte. Es ist schwierig genug hinter eine Maske zu blicken und doch können wir uns nie dessen sicher sein was wir sehen. Doch der Harlekin war es. Er hatte die goldene Maske gesehen und nicht mehr. Es war so leicht zu täuschen und noch leichter war es sich täuschen zu lassen, sodass man manchmal gar nicht weiter nachfragt.. Abermals sieht sie auf die Maske in ihren Händen. Vor ihrem geistigen Auge erscheint neben ihrer Maske der Harlekin und es ist als würde er weinen, ihre Tränen aus Blut, die rote Flecken auf dem weißen Porzellan hinterlasse. sie kneift die Augen zusammen versucht das Bild zu verdrängen als die Turmuhr ein letztes Mal schlägt. ,,Sofia!´´ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)