Krieger der Winde von Silver-DragonX (Teil 1 - Der Gesetzlose) ================================================================================ Kapitel 10: Vom Jagen und Fressen --------------------------------- Die letzten Wolken hatten sich bei ihrer Ankunft verzogen, fahl stand der Vollmond am Himmel und erhellte das ganze Dörfchen. Unheimliche Stille war ihnen gefolgt, selbst der Wind hatte mit dem Wehen aufgehört. Gut zwanzig Stiefel wirbelten Staub auf, als die Reiter abstiegen. Pferde schnaubten, ein Mann bellte Befehle. Die Rüstungen der Soldaten waren schwarz und rot. Rote Umhänge fielen den meisten über die Schultern. Die Helme waren blank poliert und liefen spitz zu. An jeder Hüfte baumelte ein Langschwert in einer schwarzen Scheide. Die Knaufe hatten die Form eines Rabenkopfes. Ein Mann trug ein Banner, ein schwarzer Rabe auf rotem Hintergrund. Das Zeichen des Königs. Die Wappen, die der Rabe in beiden Klauen hielt, beide zeigten zwei sich kreuzende Schwerter, gaben den Rang des Trupps an. Sie alle gehörten zu den Besten der Besten. Einige Soldaten trugen schwere Hellebarden, die ohne Umhänge hatten Köcher mit Pfeilen auf den Rücken geschnallt. Vier Bogenschützen verschwanden in kleinen Seitengassen. Die restlichen Soldaten nahmen vor der Kneipe Aufstellung, richteten ihre Bögen und Hellebarden auf die Eingangstür und erwarteten weitere Befehle. Zwei weitere Pferde wieherten laut, schwere Stiefel trafen auf den Boden. Ein großer, bulliger Mann schob sich zwischen den zwei Reihen hindurch. Seine Kleidung war abgenutzt, die blonden Haare kurz geschnitten. Das Gesicht war unrasiert, die Narbe auf der Stirn pulsierte. Ein dürrer, bleicher Mann mit langen schwarzen Haaren folgte ihm. Der schwarzrote Umhang flatterte im Wind, Rüschen zierten seine Gewänder, die ihm einen adligen Schein gaben. Ein langer Degen baumelte an seiner Hüfte. Die tiefschwarzen Augen huschten ungeduldig hin und her, die Wangenknochen, die deutlich unter der Haut hervortraten, zuckten beständig. »Kommt heraus, wo immer ihr auch seid!«, rief der Dürre mit einer Stimme, die man ihm nicht zugetraut hätte. »Die werden bestimmt nicht kommen, Siriom«, sagte der Große und zog seine gewaltige Streitaxt, die auf seinem Rücken baumelte. Siriom verdrehte die Augen. »Weiß ich doch, Bruder. Ich wollte uns nur ankündigen. Ein Überraschungsangriff wäre doch arg langweilig.« Der Große donnerte den Griff der Axt in den Staub der Straße. »Und was machen wir jetzt? Warten?« »Geduld, Madak. Du wirst dich schon noch früh genug austoben können.« Siriom blickte zu vier Hausdächern, die nahe der Kneipe lagen. Ein zufriedenes Grinsen ließ seine Mundwinkel zucken. »Es ist keine Falle. Wir können loslegen.« »Gut«, rief Madak, wuchtete seine Axt und marschierte zielstrebig auf die Tür zu. Holz flog durch die Gegend, von ohrenbetäubendem Lärm begleitet brach die Tür in sich zusammen. Die weinigen Gäste in der Kneipe waren aufgesprungen und hatten ihre Waffen gegriffen. Schon am späten Nachmittag war der Trupp in Sicht des Dorfes gewesen, genug Zeit, um sich vorzubereiten. »Lasst die Waffen fallen und ergebt euch«, säuselte Siriom, zog seinen Degen blank und richtete ihn auf den vordersten Mann. »Ihr seid nicht die, die wir suchen. Ergebt euch und es wird euch nichts geschehen.« Trotziger Hohn war die Antwort auf die Forderung. »Ihr verdammten Hunde haltet euer Wort doch sowieso nicht. Wir haben schon genug Erfahrungen mit den Soldaten des Königs gehabt. Schaut euch doch unsere Wiesen und Felder an. Allesamt von eurer Bande niedergebrannt.« Der Degen ragte so rasch aus dem Nacken des Mannes heraus, dass man nicht einmal blinzeln konnte. Röchelnd brach er zusammen und krümmte sich noch eine Weile auf dem Boden. Siriom säuberte die Klinge mit einem Tuch und warf es den anderen vor die Füße. »Noch jemand?« Die Stimme klang fauchend und herausfordernd. Wütend und laut brüllend stürmten die übrigen Männer auf Madak und Siriom zu. Beile, Schwerter, aber auch Hacken schwangen sie. Madak wirbelte seine Streitaxt umher und trennte zwei Angreifern die Köpfe ab. Einem dritten trieb er das Blatt zwischen die Schulterblätter. Siriom tänzelte regelrecht zwischen den Bauern und Handwerkern hindurch, fügte blitzschnell mehrere tödliche Stiche zu und drosch einem weiteren die Parierstange ins Gesicht. Ein feiner Blutnebel hing in der Luft, als auch der letzte Dorfbewohner zusammenbrach. Übrig blieben nur noch der Wirt und der Stallbursche. »Verschwindet hier«, raunte Siriom, doch ehe sie auch nur einen Schritt machen konnten, brachte Madak sie zu Fall. Seine Augen, vom Blutrausch weit geöffnet, glänzten nahezu fiebrig, Schweiß lief ihm die Schläfen und den Hals hinunter, auch seine Arme waren nass. Sein Körper bebte wild, ein Knurren und Schnaufen war zu vernehmen. »Beruhige dich, Bruder«, sagte Siriom, wischte erneut seine Klinge sauber und ließ sie in der Scheide verschwinden. »Du wirst deinen Spaß schon noch bekommen, aber wenn du jetzt durchdrehst, dann müssen wir uns vorerst zurückziehen. Du weißt selbst am besten, was beim letzten Mal passiert ist.« Die Worte seines Bruders schienen ihre Wirkung nicht zu verfehlen. Madak ließ sich auf einem Stuhl nieder und säuberte seine Axt. »Holen wir sie uns!« Allmählich ging die Sonne weit im Osten auf. Aus einigen Häusern stiegen dünne Rauchsäulen zum Himmel empor. Erst als die Flammen durch das Holz brachen, wurden die Säulen dick und schwarz. Kein Haus hatten die Soldaten ausgelassen, kein Leben im Dorf verschont. Einem Mahnmal gleich, hatten sie den Bewohnern die Köpfe abgeschlagen und sie auf Spießen am Rande der einstigen Siedlung aufgestellt. Madak und Siriom waren dem Trupp vorausgeritten. Dämpfig hatte der Tag begonnen, einige Rauchschwaden folgten ihrer Fährte. »Wie in drei Gottesnamen wussten sie, dass wir kommen«, fluchte der Große und knallte beide Fäuste aufeinander. »Ich war mir sicher, dass sie sich sicher fühlen würden.« »Vielleicht hat sie ja dein Gestank verjagt.« Siriom studierte die Karte der Region, sein Pferd fand den Weg allein. »Was ist euer Ziel?«, grübelte er, rollte das Pergament schließlich zusammen und zügelte sein Pferd. »Wir warten hier!« »Auf die Soldaten?« »Auf die Nacht. Du weißt, dass ich das Tageslicht nicht so gut wegstecke wie du! Und hier ist es schön schattig.« In der Tat spendete dichtes Blattwerk wohligen Schatten. Die Sonne stand schon fast im Zenit, es wurde schnell heiß auf den Ebenen südlich des kleinen Gebirgszuges. Außerdem kam man der großen Westwüste immer näher. Als die Soldaten sie eingeholt hatten, fiel die Nacht über das Land. Ein kühler Luftzug umwehte die Gruppe, eine Pause wurde den Soldaten nicht gegönnt. Es war Madak und Siriom ziemlich egal, ob einer der Männer vor Erschöpfung zusammenbrach. Eine Jagd konnte man nur erfolgreich beenden, wenn man der Beute keine Erholung gönnte. »Wenn man von Verfluchungen spricht«, frohlockte der Dürre erfreut, als er einen dumpfen Aufschlag und heiseres Stöhnen hörte. »M … Meister«, stammelte ein Soldat. »Wir brauchen dringend eine Pause. Seit gut vier Tagen verfolgen wir sie jetzt ununterbrochen. Wenn wir …« Weiter kam er nicht. Siriom drehte sich hasserfüllt im Sattel um, zog in einer flüssigen Bewegung seinen Degen und hieb dem Mann mühelos den Kopf ab. Das Pferd scherte aus und galoppierte mit dem hin und her wippenden Torso durch den Wald davon. »Keine Ruhepause«, grölte er und seine Stimme klang mehr wie ein wildes Fauchen. Wutentbrannte, dunkle Augen funkelten jeden einzelnen Mann an und wenn Blicke töten könnten, dann wären sie allesamt vom Pferd gefallen. Sirioms Muskelstränge im Gesicht drangen unter der Haut hervor. Wild fletschte er die Zähne und wäre Madak nicht eingeschritten, er hätte bestimmt noch weitere Männer enthauptet. Kaum war wieder Ruhe eingekehrt, da hallte schallendes Gelächter zwischen den Bäumen umher. »Jetzt bist es aber du, der sich beruhigen muss, Bruder.« Man sah ihm deutlich an, dass er seinen Spaß hatte und mit den Tränen kämpfte. »Wenn du so weiter machst, dann haben wir bald keine Gefolgsleute mehr.« »Halt dein dummes Maul«, fauchte Siriom ihn an, gab dem Pferd die Sporen und preschte dem toten Reiter hinterher. Bald darauf ertönte abartiges Schmatzen. »Er muss nur seinen Heißhunger stillen«, kommentierte Madak die Geräusche, als er die angsterfüllten Mienen der Soldaten sah. »In wenigen Minuten hat er sich wieder beruhigt.« Wieder lachte er und da nur er sich lustig fand, lachte er eben allein weiter. »Dunkel waren die folgenden Tage. Meine Knochen verrieten mir das Unwetter. Schon Stunden vorher roch es nach Regen, der Wind frischte merklich auf und als die ersten Blitze auf die Länder niederfuhren, brüllten die Götter ihren Zorn heraus. Der Regen peitschte über die Dächer, Donnerschläge betäubten die Ohren, die Blitze blendeten jedes Auge. Der Tag war schwärzer als die Nacht. Noch nie habe ich solch Unwetter erlebt und es waren nicht Wenige in meinem Leben. Trotzdem gönnten sie sich keine Pause, wie sie mir später erzählten. Man kann einer Jagdgesellschaft nur entkommen, wenn man bis zum Äußersten geht.« -Der alte Prophet- -aus: Anekdoten eines alten Mannes- Sturm peitschte die Wiesen und Wälder, Blitze zuckten nieder, die Schleusen des Himmels waren gesprengt. Nur wenige Meter weit konnte man blicken, dann verschwamm alles hinter einem nassen Schleier. Fahles Licht flackerte an den Wänden und in den Feuerschalen. Die kalten Steine der Burgmauern waren trüb und trostlos. Sämtliche Pracht, die Wandteppiche, die Gemälde, die prunkvollen Kerzenhalter, sie alle waren verschwunden. Eine dicke Pechnase rann die Wand herunter, ein Loch in der Decke war mit der schwarzen Flüssigkeit zugeschmiert. Es zog tierisch in den Gemäuern, sämtliches Personal trug dicke Wintermäntel. Graf Kurek von Sechling stand an einem großen Fenster, biss herzhaft in einen Apfel und starrte hinaus. Ein schweres Fieber hatte ihn vor wenigen Tagen ereilt, seinem Leibarzt verdankte er sein Leben. »Mein Herr«, ertönte eine Stimme im hinteren Teil des Zimmers. In einer dunklen Ecke kauerte ein Mann, das Gesicht mit einem Tuch verhüllt. Ein pechschwarzer Umhang hing von den Schultern herab. Darunter kam eine silbrig glänzende Rüstung zum Vorschein. Der Graf drehte sich vom Fenster weg, schlenderte eine Weile durch den Raum und warf dem Mann schließlich ein Ledersäckchen zu. Goldmünzen klimperten darin. »Er hat seinen Auftrag nicht erfüllt.« »Du bist dir sicher?« »Natürlich«, antwortete der Mann, dessen Stimme roh und wild klang. Hörte man genauer hin, erkannte man den schweren Dialekt der Wüstensöhne. »Hurda lebt. Er rüstet sein Volk zum Krieg. Drei weitere Länder haben sich den nördlichen Ländern angeschlossen. Es dauert nicht mehr lange und ihr Schlag gegen das Königreich wird kommen.« »Das darf nicht passieren.« Kurek schlug mit der geballten Faust auf das kleine Tischchen zwischen ihm und dem Mann. »Eile zu Hurda. Es ist noch nicht an der Zeit. Halte ihn auf.« »Und was mache ich mit Ihm?« »Finde ihn. Töte ihn.« Heiseres Gelächter erklang unter dem schweren Tuch. »Mein Wille ist Euer Befehl, mein Herr.« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)