Krieger der Winde von Silver-DragonX (Teil 1 - Der Gesetzlose) ================================================================================ Kapitel 4: Morgendämmerung -------------------------- Winter Es schneit Alles ist weiß Und es ist kalt Winter Der Wind trug erneut dicke Schneeflocken mit sich. Seit Tagen schneite es nun ununterbrochen. Villeroy kam nur schleppend voran. Bis zur Hüfte war er im Schnee versunken und bahnte sich seinen Weg durch die weiße Pracht. Sein dicker Umhang war bereits steif gefroren. Ihm war kalt, seine Lippen färbten sich allmählich blau. Seit er vor einem halben Jahr aus seiner zerstörten Heimatstadt geflohen war, hatte er harte Zeiten durchgemacht. Es gab Tage, da hatte er einen Kanten Brot zu essen gehabt, Tage, an denen er unter freiem Himmel schlafen musste. Jetzt war es ein Tag, an dem er sich durch tiefen Schnee kämpfen musste, weil er von Soldaten einer kleinen Stadt verfolgt wurde. Er hatte einen Teller Suppe gestohlen und eben jenen Mantel, der nun seinen Körper umwickelte. Ein bisschen Geld war auch dabei. »Verdammt«, keuchte Villeroy und eine dichte Atemwolke entschwebte. Sein Fuß verfing sich in einer Wurzel, die unter dem Schnee begraben war. Der junge Mann fiel in die weiße Pracht und feinster Puderschnee stob in alle Richtungen davon. Mühselig kam er wieder auf die Beine und setzte seinen Weg fort. Doch er kam nicht weit. Seine Sehkraft hatte seit geraumer Zeit stark abgenommen, seine Kräfte ließen nach. Erneut strauchelte er und fiel hin. Diesmal jedoch war die Anstrengung zu groß. Müdigkeit übermannte ihn. Die Kälte des Winters kroch nun gänzlich in seine Knochen. Schon in wenigen Stunden würde ihn hier niemand mehr finden. Villeroy grinste mit aller Anstrengung. »Hätte nicht gedacht, dass ich so sterbe.« Er wälzte sich auf den Rücken und starrte in den wolkenverhangenen Himmel. Der schneidende Wind war verschwunden, die Schneeflocken fielen sanft auf die Welt. Eine ganze Weile lag er regungslos da, dann wurde alles weiß. Der moosgrüne Umhang wehte wild umher. Seit Stunden schneite es nicht mehr. Die Schneeschuhe leisteten gute Arbeit und verhinderten, dass er einsank. Das dicke Pelzwams verhinderte, dass er erfror. Zwar war er Strapazen gewöhnt, aber Schnee war er schon lange nicht mehr begegnet. Normalerweise pflegte er in wärmeren Umgebungen seine Aufträge zu erfüllen. Dieses Mal hatte Kurek von Sechling ihn in den Norden Sadyykas geschickt. Sein nächstes Ziel war der Barbarenführer Hurda, ein brutaler Nordmann, der sein eigenes Volk verraten hatte, um Herrscher zu werden. »Hundewetter«, schnauzte er. Doch scheinbar war er nicht der erste, der sich durch den Winterwald quälte. Tiefe Rillen zogen sich durch den Schnee. Ohne Schneeschuhe zu wandern war tödlich. "Törichter Mensch", dachte er. Plötzlich endete die Spur. Ein großes Loch war im Schnee. Neugierig schaute er hinein, doch das Loch war leer. Er zuckte mit den Schultern und ging weiter. Die Schwertscheide war an seiner Hüfte festgefroren. Er musste sich beeilen, denn allzu lange würde selbst er in dieser Eishölle überleben. Feuerschalen erhellten und heizten die große Halle gleichzeitig. Siebzig an der Zahl, zu beiden Seiten des Thrones. Sie verbanden den hölzernen Sitz des Herrschers mit dem großen Eichentor. Von außen und innen reich verziert, die Geschichte des Landes widerspiegelnd. In der Mitte der Halle war eine riesige Feuerstelle, über den ein Eber an einem eisernen Spieß briet. Hurda schritt zu seinem Thron und ließ sich nieder. Sein massiger Körper schien das Holz zu zerdrücken. Jedoch bestand er zum größten Teil aus Muskeln und Sehnen, durch das rauhe Klima und viele Kämpfe geformt. Zu seiner Rechten stand eine gigantische Kriegsaxt. Die zwei scharfen Blätter hatten schon viele Köpfe gespalten und Bäuche ausgeschlitzt. Doch die kriegerischen Zeiten des Barbarenfürsten waren vorbei. Sein Haar war ergraut, das Alter zeigte sich langsam in seinem Gesicht wieder. Die Stirn lag tief in Falten, der lange, wilde Bart war schlohweiß. Trotzdem war er noch immer eine imponierende Gestalt. Eine Augenklappe bedeckte sein rechtes Auge, eine Narbe entstellte seinen Hals. »Wie geht es dem Jungen?« Seine tiefe, kratzige Stimme war durchdringend, aber warm. Er war kein grober Schlächter, zumindest, wenn er nicht durch Feinde gezwungen wurde. Seinen Stamm regierte er mit Milde und Güte und war ein beliebter Herrscher. »Er will Euch sehen, Hurda.« »Bringt ihn zu mir.« Zwei Krieger führten ihn vor den Fürsten. »Dein Name?« Hurda hasste es die Sprache des Südens zu sprechen. Er beherrschte sie nicht besonders gut und sie klang in seinen Ohren wie das Geschwätz eines verweichlichten Elfen. Zu oft hatte er die Elfensprache vernommen und auch sie hasste er abgrundtief. »Vill«, antwortete der Junge. »Woher kommst du?« »Ich weiß es nicht.« Der Junge log. Dessen war sich Hurda sicher. Seit Jahren konnte er fühlen, wenn jemand die Wahrheit sagte und wenn jemand log. »Du bist ein elendiger Lügner, Bursche. Vergiss nicht, dass dich meine Männer aus dem Schnee gezogen haben und ich dich wieder aufgepäppelt habe.« Der Junge starrte ihn fragend an. »Lügner«, sagte Hurda erneut, als er sich bewusst wurde, dass er in seiner Sprache gesprochen hatte. »Meine Männer haben dich gerettet, also sag mir die Wahrheit.« Der Junge schüttelte den Kopf. »Bringt ihn in sein Gemach«, befahl Hurda in seiner Landessprache und die Wachen führten den Jungen ab. Seit Stunden hockte er auf dem Balken dicht unter dem Dach der großen Halle. Der Rauch der erlöschten Feuerstelle zog an ihm vorbei, atmen war beinahe unmöglich. Unter ihm lag die Halle im Dunkeln. Sämtliche Feuerschalen waren gelöscht worden. Er wurde unruhig. In der Linken wirbelte er ein Messer umher. Immer wieder patrouillierte ein Krieger durch die Halle. Ein Kinderspiel. An einem Seil festgebunden, ließ er sich fallen, schnitt es unmittelbar über dem Boden durch und landete fast lautlos. Dem wachsamen Krieger entging das Geräusch jedoch nicht. Rasch war er an der Feuerstelle und betrachtete das Seil. Aus dem Dunkel zuckte der Dolch hervor und drang in den ungeschützten Hals des großen Mannes ein. Zwei Hände fingen und legten ihn behutsam auf den Hallenboden, damit die Rüstung die anderen Krieger nicht warnte. Er schloss die Augen des Toten und schlich zu einer Tür in der linken Flanke der Halle. Sie ließ sich geräuschlos öffnen. Immer wieder suchte er hinter Statuen und Wandteppichen Schutz, um den Kriegern zu entgehen. Zwei weitere tötete er auf dieselbe Weise, wie er mit dem ersten verfahren war, dann stand er vor der Tür zur Schlafkammer des Fürsten. Er öffnete nur einen Spalt, zwängte sich hindurch und fand sich, umgeben von Äxten und Keulen, in einem erhellten Raum wieder. Hurda strahlte ihn siegessicher an. »Du bist in meine Falle getreten, Assassine«, höhnte er und ging auf ihn zu. Der Barbarenfürst riss ihm die Kapuze aus dem Gesicht, starrte ihn erst einige Zeit fraglos an, dann fing er laut an zu lachen. »Du bist jetzt der Lakai Kureks?« Amüsiert setzte er sich auf die Kante des hölzernen Himmelbettes. »Wie tief bist du nur gesunken, Tsvirai.« »Du?« Hinter einigen Soldaten tauchte ein junger Mann auf. Er ging auf Tsvirai zu und starrte ihn fassungslos an. »Du hast mich damals vor den Männern gerettet«, sagte der Junge. »In den Katakomben, weißt du noch?« Tsvirai starrte den Jungen an. Vor seinem inneren Auge sah er die Bilder des Kampfes und der toten Familie. »Das ist interessant«, sagte Hurda, ging auf den Jungen zu und packte ihn am Kinn. »Der große Tsvirai rettet einem unbedeutenden Wurm das Leben. Wann bist du so weich geworden, Assassine?« Tsvirai spuckte ihm vor die Füße. »Lass ihn.« »Warum sollte ich? Du bist mein Gefangener und nicht in der Lage, mir Befehle zu erteilen!« Er warf den Jungen in eine Ecke und widmete seine Aufmerksamkeit wieder Tsvirai. »Und jetzt zu dir, geschätzter Freund. Beenden wir, warum du hier bist.« Tsvirai grinste bloß und zeigte mit dem Kopf in Richtung des Jungen. »Ich bin wegen ihm hier.« Hurdas Blick fiel auf ein kleines Amulett, das den Mond darstellte. »Ich bin hier um ihn zu holen«, sagte Tsvirai. »Ich habe keinen Auftrag von Kurek erhalten.« »Die Mondkinder«, hauchte der Barbarenfürst bloß. Seine Krieger leisteten keinen Widerstand, als sich Tsvirai aus ihrem Griff befreite. Er ging zu dem Jungen, half ihm auf die Beine und gab ihm das Amulett. »Ich bringe den Jungen jetzt zu Seinesgleichen.« Hurda neigte sein stattliches Haupt, als Tsvirai und der Junge an ihm vorbeigingen. Sämtliche Krieger gingen in die Knie. »Wann wollt Ihr uns verlassen?«, fragte der Barbarenfürst ehrfürchtig. »Wir gehen mit der Morgendämmerung.« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)