Rising Sun - Bis(s) das Licht der Sonne erstrahlt von -DesertRose- (Fortsetzung von Bis(s) zum Ende der Nacht) ================================================================================ Kapitel 26: Der weiße Wolf -------------------------- Disclaimer: => Ich verdiene kein Geld mit meiner Fanfiction. => Alle Charaktere die schon in den Twilight-Bänden ihren Auftritt hatten, gehören Stephenie Meyer. Alle Anderen, wie etwa Schüler, Lehrer und vor allem Renesmees und Jakes Kinder, habe ich selbst erfunden. Weitere Infos zur FF, Trailer, Cover & mehr http://www.renesmee-und-jacob.de.vu --------- Kapitel 26: Der weiße Wolf Als ich an diesem Morgen mit William auf dem Schoß aus dem Fenster sah, hatte ich – wie so oft in letzter Zeit – ein ganz mulmiges Gefühl. Draußen sah man jetzt wieder Gras unter den inzwischen matschigen Überresten der Schneedecke. Der Winter musste dem Frühling weichen. Die Sonne ließ sich auch immer öfter blicken. Trotzdem herrschte in unserem Anwesen eine eisige Stimmung.... Der Klang von zerberstendem Glas schreckte mich auf. Ruckartig drehte ich mich um. Hinter mir standen Anthony und Mariella und warfen eingeschüchterte Blicke zu mir. Sie wussten immer genau, wenn sie etwas falsch gemacht hatten. Aber ich brachte es nicht um mich, sie deswegen auszuschimpfen. Es war einfach eine Zumutung für drei kleine Kinder niemals ins Freie zu dürfen. Zwei Monate war es jetzt her, seit Rosalie im Wald angefallen worden war. Seitdem waren die Kleinen nicht mehr alleine gewesen. Es war immer jemand da, niemals waren weniger als drei Personen hier. Ich selbst war auch nicht mehr jagen gewesen. Ich aß zusammen mit meinen Kindern am Tisch. Jake gab sich alle Mühe es uns gleich zu tun, aber er konnte kaum still sitzen und fühlte sich am wohlsten, wenn er in Wolfsgestalt ums Haus herum patrouillieren konnte. Und er war auch nicht mehr allein... Ich erinnere mich noch genau an den Sonntag vor etwas weniger als zwei Monaten, als es plötzlich an der Tür klingelte. Die Tatsache, dass Alice dies nicht sehen konnte, hatte uns allein schon verunsichert. Als dann plötzlich Leah und Seth nervös auf der Türschwelle standen, waren wir alle überrascht gewesen – obwohl es eigentlich nichts unrealistisches war. „Wir haben von dem großen Wolf erfahren“, hatte Seth gesagt. „Wir müssen Sam regelmäßig Bericht darüber erstatten. Er konnte nicht mit uns kommen, weil er für seine Familie sorgen muss, aber er ist sich sicher, dass ihr allein klar kommt und das regelt.“ „Hat Sam eine Idee wer oder was der weiße Wolf sein könnte?“, hatte Jacob dann gefragt. Seth hatte nur den Kopf geschüttelt. „Nein.“ „Aha“, antwortete daraufhin Emmett. „Und wenn ihr euch sicher seid, dass wir allein klar kommen, warum hängt ihr dann hier rum?“ Daraufhin waren ihre Augen direkt zu mir gewandert. Was für eine Frage... „Nessie..“, hatte Seth dann vorsichtig angefangen. „Wir wissen, dass es dir nicht sonderlich gefällt, was passiert ist..“ - „.. ist schon in Ordnung“, unterbrach ich ihn rasch. Ich hatte nur verdutzte Blicke geerntet, doch Leah und Seth hakten nicht weiter nach. Sie waren einfach nur froh, dass sie nun bei Will und Mariella sein konnten. Und ich war auch froh darüber. Wenn sie nicht gerade wie jetzt durch den Wald liefen, waren sie in der Tat eine große Hilfe. Sie hatten immerzu ein Auge auf die Kleinen und halfen auch bei deren Versorgung mit. Sie spielten mit ihnen, gaben ihnen zu Essen und lasen ihnen vor dem Schlafengehen Geschichten vor. Das Einzige was mich bei der Sache nur noch störte, war die, dass sie sich wirklich fast nur auf „ihr“ Kind konzentrierten. Seth sah immerzu nach Mariella und Leah bekam ihre Augen nicht von Will. Als ich das bemerkt hatte, hatte ich für mich selbst entschieden, mich umso mehr um Ani zu kümmern. Ich war mir sicher, dass er sich wie das fünfte Rad am Wagen vorkommen musste, denn mit seinen Geschwistern wurde immerzu gespielt und er wurde teilweise sogar eiskalt ignoriert. Die Art und Weise, wie die geprägten Werwölfe auf die Kleinen fixiert waren, war wirklich über alle Maße abnormal. Ich konnte mich gar nicht daran erinnern, ob es bei mir auch so war, oder ob es jetzt noch so ist. Vielleicht sah ich aber auch nur Gespenster und es kam mir nur so vor, als ob sie meinen Jüngsten wie Luft behandelten. Inzwischen hatte ich mich auch mehr oder weniger damit abgefunden. Es war schon seltsam.. zuerst hatte ich mich darüber aufgeregt, dass sie sich geprägt hatten, jetzt war ich sauer, weil eines meiner Kinder keinen hatte, der sich auf es geprägt hatte... Ich setzte den inzwischen fast sechs Monate alten Will in seinen Laufstall, wo er langsam immer zielstrebiger durch die Gegend trippelte und lief zu den anderen Beiden. Das zerbrochene Etwas zwischen ihnen war mal das Trinkglas auf meinem Nachttisch gewesen. „Geht bitte mal zur Seite, Mama muss das wegmachen“, sagte ich zu ihnen und Mariella und Anthony liefen wortlos einige Schritte zurück, sahen mich aber immer noch traurig an. Ich wollte gerade den Staubsauger anmachen, um die Splitter aufzusaugen, da entdeckte ich eine kleine Spur aus roten Blutflecken. Sie führte direkt zu Ani. Wenn Mariella nicht die diamantene Haut eines Vampirs geerbt hätte, so wie ich sie von meinem Vater hatte, hätte sie vielleicht auch eine Blutspur hinterlassen. So war es aber nur Ani, der sich hätte schneiden können. Ich hätte auch einfach ein paar Minuten warten können, dann wäre die Wunde spurlos verschwunden gewesen, aber ich zog es vor, sie mir anzuschauen. Wenn sie zuwuchs und sich darin noch ein Splitter befand, würde das sicher Folgen haben. „Hast du das Glas angefasst?“, fragte ich vorsichtshalber nochmal nach, als ich mir den kleinen Schnitt ansah. Ich kniete mich vor ihn, so dass ich auf Augenhöhe mit ihm war. Anthony und Mariella waren inzwischen körperlich so weit wie zwei Kindergartenkinder. Geistig waren sie aber schon deutlich weiter. Mein Sohn schüttelte den Kopf. „Ich hab es nicht kaputt gemacht“, versicherte er mir, mit seiner ruhigen sanften Stimme. „Ist schon in Ordnung, du hast es nicht kaputt gemacht, aber hast du es angefasst?“ Er antwortete nicht, schien zu überlegen, ob er mit der Wahrheit herausrücken sollte oder nicht. Gerade in solchen Momenten, fiel mir auf, wie weit meine Kinder schon waren. Normalerweise sagten Kinder meistens frei heraus, was sie gerade dachten, insbesondere Anthony wog alles immer ziemlich genau ab. Ich musste unweigerlich an Grandpas Aussage denken, Ani sei „ein bisschen unheimlich“. „Wolltest du die Scherben aufsammeln?“, fragte ich dann. Jetzt nickte er. Ich lächelte ihn an, woraufhin sich sein Gesichtsausdruck zwar nicht wirklich veränderte, aber ich spürte, dass er sich etwas entspannte. „In ein paar Minuten tut es nicht mehr weh“, sagte ich dann. „Aber du musst trotzdem aufpassen.“ Anthony nickte zustimmend. Carlisle hatte gesagt, es war wichtig Ani früh beizubringen, dass er mit seinen Heilungskräften nicht machen konnte, was er wollte und das Wunden auch für ihn Konsequenzen hatten und nichts Gutes bedeuteten. Kleine Schnitte und Schrammen verschwanden wieder. Doch wir wussten nicht, wie sein kleiner Körper auf Größeres reagierte – und um ehrlich zu sein, wollte ich das auch gar nicht wissen. Nicht auszudenken, wenn dieses weiße Monstrum eins meiner Kinder erwischt hätte.... „Ich habe da so eine Vermutung...“, kamen mir Vaters Worte wieder in den Sinn. Er hatte die Arme verschränkt, eine Hand ans Kinn gelegt und war gedankenverloren durch den Raum gelaufen. „Seht nach draußen“, fuhr er fort. „Ihr werdet feststellen, dass wir Vollmond haben.“ „Du glaubst also, dass es ein echter Werwolf war?“, hakte Emmett nach. - „Genau das.“ „Die Volturi haben die Werwölfe schon vor hunderten von Jahren getötet. Der letzte lebende bekannte Werwolf wurde von James in Sibirien gejagt“, sagte Carlisle. „Genau“, fügte Emmett hinzu. „Es hieß doch die seien ausgestorben!“ - „Und die Menschen sagen von uns, dass wir Mumpitz sind.. trotzdem stehen wir hier.“ Vaters Argument hatte die Durchschlagskraft eines Ambosses auf einer Hängematte. Einen langen Moment war es still. Niemand sagte etwas und niemand rührte sich, dann ergriff Emmett abermals das Wort. „Also schön... wenn es keiner von Jacobs Leuten ist, dann können wir ihn ja einfach platt machen.“ Seine Lippen formten sich zu einem mordlustigen Lächeln und seine dunklen Augen funkelten. „So einfach geht das nicht“, sagte mein Vater. „Wir müssen erst herausfinden wer es ist und was ihn zu uns geführt hat.“ - „Und in der Zwischenzeit macht das Vieh sich in aller Seelenruhe Kollegen?“ „Wir müssen einfach mehr auf der Hut sein“, versuchte mein Vater seinen Plan zu erklären. „Wir müssen die Nachrichten hier und in der Umgebung besser verfolgen und wir müssen selbst offener sein. Spuren und Fährten suchen.“ „Lustig...“, röchelte Jake dann von hinten aus seinem Bett heraus. „Wir haben die Menschen vor euch beschützt. Jetzt beschützt ihr die Menschen vor uns.“ „Ja, irgendwie schon“, gröhlte Onkel Emmett. „Unsinn!“, fuhr ich dann dazwischen. „Dieses... Tier... war nicht wie du. DAS war etwas vollkommen anderes.“ Jacob lächelte müde. „Ist schon gut, Liebes.“ Ich hatte ihn nur traurig angesehen. Fühlte er sich etwa schuldig? Für etwas, das er nicht getan hatte? Und so verfolgten wir nun Vaters Plan. Alle kundschafteten abwechselnd fast 24 Stunden am Tag die Umgebung aus und sämtliche Radiosender, TV-Nachrichten und Zeitungen wurden von ihnen regelmäßig überwacht und kontrolliert. Mir hatten sie verboten in irgendeiner Form zu helfen. Ich durfte nicht ohne mindestens drei Begleiter aus dem Haus. Aber ich nutzte diese Art von „Ausgang“ kaum. Meine Kinder durften das Haus fast gar nicht verlassen und ich zog es vor bei ihnen zu bleiben, um ihnen die Zeit des Eingesperrt Seins angenehmer zu machen. Das da beim Spielen Gegenstände kaputt gingen war normal. Ich verstand auch, dass sie nicht heraus durften. Ich selbst hatte panische Angst vor dem Gedanken, ihnen könnte was passieren. Trotzdem, je länger wir hier drin waren, desto größer wurde in mir der Wunsch, wir hätten doch nach Emmetts Willen gehandelt. Das wir damit auch ein Menschenleben auslöschten, wurde von mir mehr und mehr verdrängt. Meine Kinder wuchsen so schnell. Ihnen würden später die Erinnerungen an eine schöne Kindheit mit viel spielen im Freien fehlen... Und die Hochzeit war auch erst mal in den Hintergrund gerückt... Niemals vergaß ich den wunderschönen Ring an meinem Finger, doch weder redeten wir darüber, noch machten wir uns geistig an irgendwelche Vorbereitungen. Alle unsere Themen kreisten, in der ganzen Familie, nur noch um den geheimnisvollen weißen Wolf. Wenn wir mal alle zusammen am Tisch saßen,wurden meistens Neuigkeiten darüber ausgetauscht, ob man irgendetwas neues von ihm wusste. Am Interessantesten war dabei natürlich die jeweilige Mondphase. Wir hatten noch immer keine Ahnung was der Wolf war. Beim zweiten Vollmond war er zumindest nicht aufgetaucht und wir konnten nicht wirklich sagen, ob die Spuren ,die man von ihm gefunden hatte, davor oder danach hinterlassen wurden. Als wir nun also an diesem Abend am Tisch saßen, war ich, ob der Tatsache, dass es kaum ein anderes Thema gab, ziemlich überrascht, mit einem konfrontiert zu werden. „Nessie?“, fragte mein Vater über den langen Tisch hinweg. Er saß fast ganz hinten, während ich mit meinen Kindern und Jake, Seth und Leah vorne saß. „Ja?“, fragte ich und wand meinen Blick von Leah ab, die William fütterte. „Was hältst du davon wieder in die Schule zu gehen?“ Mir klappte fast der Mund auf. „Was?“ Zuerst durfte ich kaum vor die Tür und jetzt sollte ich in die Schule? „Letzte Nacht war Vollmond. Wir haben wieder frische Spuren entdeckt und sind uns nun ziemlich sicher, dass es tatsächlich ein echter Werwolf ist, kein Gestaltwandler.“ „Bedeutet das, dass die Kleinen wieder raus dürfen?“ „Ja“, antwortete er mit einem Lächeln. „Unter Aufsicht.. nach wie vor... aber sie dürfen. Wir glauben nicht, dass er für den Rest des Monats eine Gefahr darstellt. Es ist nur schwer mehr über ihn zu erfahren, wenn er nur so kurz auftaucht. In den Nachrichten kam auch nichts nennenswertes... jetzt wäre es interessant zu wissen, ob die Bürger an sich irgendwelche Gerüchte aufgeschnappt haben. Da wir aber hier draußen kaum Kontakt zu irgendwem haben, ist es schwer, davon was mit zu kriegen. Carlisle Patienten haben auch nichts erzählt. Vielleicht sind die jüngeren Bewohner ja redseliger.“ „Dann könntest du doch einfach in die Schule gehen?“, meinte ich. „Schon“, sagte er, abermals lächelnd. „Aber wir dachten, dir täte etwas frische Luft gut.“ „Und das Auffrischen der Dinge, die du sowieso schon weist“, fügte Jake grinsend hinzu. Ich streckte ihm spielerisch die Zunge raus. Die Neuigkeiten ließen offenbar auch ihn entspannen. Ich warf einen Blick zu Anthony, der in seinem Essen herumstocherte. „Wer passt dann auf die Kinder auf?“ Nun bekam ich von allen Seiten typische „Blöde Frage“-Blicke zugeworfen und grinste verlegen. „Schon gut...“ „Also?“, hakte mein Vater nach. - „Okay.. ist meine „Krankheit“ denn schon überstanden?“ „Ja, ist sie“, sagte Carlisle freundlich. „Kommst du dann auch wieder mit auf die Schule?“, sagte ich zu meinem Vater gewandt. „Natürlich... ich muss in der Schule noch meinen Abschluss machen.“ „Sehr witzig“, antwortete ich. So war es dann also beschlossene Sache. Ich würde wieder mit meinem „Bruder“ die Schulbank drücken. Schon in zwei Wochen würde es soweit sein, dann nämlich wären gerade die Ferien vorbei und der Einstieg war etwas leichter. Ich hatte nur noch eine kleine Entscheidung zu treffen. Entweder ich ertrug das ganze Kennenlern-Prozedere nochmal in einer neuen Klasse und wiederholte die verpassten 9 Monate oder ich legte eine Prüfung ab und ging zurück in meine alte Klasse. Ich entschied mich für Letzteres. Selbst wenn ich in einer anderen Klasse wäre, würde ich meinen alten Klassenkameraden doch über den Weg laufen und sie würden ihre Fragen stellen, warum also nicht direkt. Wer war schon groß da, an dem ich mich störte? Hannah hatte die Angewohnheit gehabt sich meistens ihre Gedanken zu machen, gelegentlich zu lästern, aber ansonsten die Klappe zu halten und nicht permanent zu nerven und David war ja fort. Die nächsten Tage machte ich mir aber keine Gedanken darüber. Den Prüfungsstoff lernte ich problemlos nebenbei und ansonsten kümmerte ich mich um meine Kleinen. Am letzten Abend vor dem ersten Schultag, war ich noch mit Jake und den Kleinen auf der Wiese vor unserem Haus. Ausnahmsweise ohne Leah und Seth. Nur wir fünf. Jake hielt mich im Arm, hatte seine Lippen an meine Schläfe gelegt und küsste mich, während er mir sanft über den Oberarm streichelte. Ich saß im Schneidersitz auf der inzwischen schneefreien Wiese und hatte William im Arm. „Ich liebe dich“, flüsterte er mir leise ins Ohr. Ich lächelte meinen Jacob an. „Ich dich auch“, flüsterte ich und legte meine Hand an seine Wange. „So sehr...“ Er lächelte mich warm an und gab mir einen sanften Kuss. „Ich werde es vermissen, dich den ganzen Tag um mich zu haben.“ - „Und ich werde dich vermissen... und unsere Drei.“ Mein Blick wanderte über die Wiese, wo Mariella und Ani weiter hinten zusammen spielten. „Ich werde schon gut auf sie acht geben“, sagte Jake, als er meinen Blick sah. „Ich weiß“, antwortete ich. „Sie wachsen nur so schnell. Ich will nicht hinterher das Gefühl haben, etwas verpasst zu haben.“ „Warum gehst du dann dorthin?“, fragte Jake. „Du bist intelligenter als alle Schüler dort zusammen, du brauchst das nicht.“ Ich lachte etwas bitter. „Danke... aber es geht ja nicht darum sich Wissen anzueignen. Es ging doch immer mehr darum 'normal' zu wirken und ein halbwegs normales Leben zu führen. Und jetzt geht es in erster Linie darum, Informationen zu beschaffen.“ In Jakes Blick sah ich nun einen ganz leichten Anflug von Zorn. „Ich weiß nicht, was dieser Wolf war, aber er war definitiv“, sagte er eindringlich. „Definitiv, KEIN Quileute.“ „Es gibt vielleicht noch andere Stämme die sich verwandeln können“, meinte ich. „Das kann schon sein, aber was ich damit sagen wollte war, dass er nicht wie ich war.“ Ich lächelte meinen Verlobten ganz leicht an. „Ich weiß.“ Dann kehrte ein Moment der Stille ein, ehe ich wieder etwas sagte. „Und trotzdem...“, begann ich dann. Jakes gesenkter Blick hob sich und er sah mich erwartungsvoll an. „Ich meine etwas menschliches in seinen Augen gesehen zu haben.“ „Dieses 'Ding'“, sagte Jake fast empört. „Hatte rote Augen.“ Jetzt war ich die, die ihn anstarrte und ihn etwas finster ansah. Ich hatte das Gefühl mein Blick war für ihn fast so wirksam, als hätte ich ihn angebrüllt, denn er hob beschwichtigend die Hände. „Um Gotteswillen, nein, ich hab nichts gegen rote Augen!“ Ich sah wieder hinunter zu Will und schüttelte ganz leicht den Kopf. „Zumindest... n-nicht mehr. Nessie?“ „Mhm..?“, murmelte ich, ohne ihn anzusehen. „Du glaubst mir doch... oder?“ Jetzt sah ich ihn wieder an. „Natürlich.“ *** Knapp 14 Tage später vernahm ich dann wieder das altbekannte Klingeln der Schulglocke. Ich musste zugeben, ich hatte es NICHT vermisst. Trotzdem war es ein seltsames Gefühl durch die Gänge zu wandern. Meine Prüfung hatte ich vor einigen Tagen abgelegt und mit Bravour bestanden. Jetzt kam der für mich schwierigerer Part: ich musste mich meiner alten Klasse stellen. Ich hatte mir den Moment, in dem ich durch die Tür kam und den, an dem ich erklären musste, wo ich die letzten neun Monate ab geblieben war, schon so oft im Geiste ausgemalt. War zig Eventualitäten durchgegangen. Trotzdem fürchtete ich mich, als ich den Türknauf berührte. Ich hatte jedoch keine Wahl... und je eher ich es tat, desto eher war es hinter mir. Ich öffnete die Tür und trat dann langsam ein. In der Klasse war der Lärmpegel noch sehr hoch, weil der Lehrer wohl noch nicht da war und so kam es dann auch, dass mich im ersten Moment niemand wahrnahm. Ich sah mich um und erblickte einige bekannte Gesichter. Alles Menschen deren Namen ich kannte, von denen ich aber ansonsten kaum mehr wusste, als ihren Beliebtheitsgrad in der Klasse oder die Häufigkeit ihrer Meldungen im Unterricht. Nur von Zweien hatte ich mehr gewusst. Und eine davon, rief nun meinen Namen. „Ren!“, vernahm ich direkt Hannahs Stimme. Wie damals, saß sie auch heute, in der hinteren Reihe und nun da sie gerufen hatte, hatten auch andere mich bemerkt und sahen mich mehr oder weniger verwundert an. Ich lächelte leicht, dann ging ich nach hinten zu Hannah und setzte mich neben sie. „Da bist du ja wieder!“, sagte sie ganz aufgeregt. „Ich dachte schon, du würdest gar nicht mehr kommen. Geht’s dir denn nun wieder gut genug?“ Ich nickte. „Ja, gut genug um die Schulbank zu drücken.“ „Das ist großartig!“, antwortete Hannah freudig. Die kommende Schulstunde verlief dann weniger schlimm als ich befürchtet hatte. Der neue Klassenlehrer hatte mich kurz vorgestellt und knapp erklärt, warum ich gefehlt hatte und wie es nun dazu kam, dass ich wieder da war. Weder musste ich mich selbst vorstellen – was ich auch gut fand – noch wurde ich mit Fragen durchlöchert. Sie akzeptierten einfach, dass ich 'krank' gewesen war und ließen es gut sein und ich war ihnen für ihre nicht vorhandene Neugier sehr dankbar. Lediglich Hannah konnte es nicht lassen mich während des Unterrichts mit Neuigkeiten zu bombardieren. Hauptsächlich erzählte sie irgendwas von Jungs mit denen dieses oder jenes nicht geklappt hatte. Ich hörte nur auf einem Ohr zu. Auch als wir in die Mensa gingen, quatschte sie noch immer. „... und dann hab ich ihm gesagt, er sei ein Idiot und solle doch lieber eine Jukebox heiraten!“, ließ sich Hannah bei mir aus. „Ich meine, wie kann man einem Mädchen bitte einen Korb geben, weil es eine 'Band' nicht kennt? Man kann doch Dinge kennenlernen! Also wirklich! Ich finde das...“ Und dann verschwand sie vollkommen aus meiner Wahrnehmung. Ich hörte nichts mehr von dem was sie sagte und ich sah sie auch nicht mehr. Ich sah auch Niemanden mehr sonst. Selbst die Wände und Stühle verschwanden. Ich sah nur noch nach vorn und erblickte ein mir bekanntes Gesicht, dass mich leicht lächelnd anblickte. Es war ein verschmitztes Lächeln. Viele Andere wären dahin geschmolzen. Die durchdringenden blauen Augen, dass helle blonde Haar. David. „Warum... hast du mir nicht gesagt, dass er auch wieder hier ist“, sagte ich tonlos zu ihr. „Und dann hab ich - wie?“ Hannah hielt mitten in ihrer Entrüstung inne. „Ach so... das wollte ich dir noch sagen.“ Noch ehe sie irgendwie eine Erklärung vom Stapel lassen konnte, war Dave bei uns angelangt. Er überragte uns noch immer. „Hallo schöne Frau.“ Ich konnte einen Moment nichts sagen, dann brachte ich ein tonloses „Hallo“ heraus. Nicht aus Unhöflichkeit, sondern viel eher aus Überraschung. „Das muss eine göttliche Fügung sein oder so was“, meinte er dann. „Wie?“, fragte ich. „Naja... heute ist mein erster Schultag seit neun Monaten. Kommt dir das nicht irgendwie bekannt vor?“ Ich nickte kaum merklich, sagte jedoch nichts. Er lächelte noch immer. „I-ich.. ich dachte du hättest die Schule gewechselt.“ Er schüttelte bitterlich lächelnd den Kopf. „Nein, habe ich nicht. Nicht wirklich. Zumindest nicht diese.. 'Art' von Schule. Lange Geschichte.“ „... die du mir... nicht erzählen willst?“ „Oh doch“, antwortete er. „Unter vier Augen, bei einem Teller Pasta... gern.“ Jetzt war ich die, die lächelte. „Dann muss ich mit der Wissenslücke leben.“ „Dachte ich mir schon“, sagte er und fixierte mich immer noch. Ich musterte ihn noch kurz, dann drehte ich mich um und Hannah dackelte mir hinterher. Erst ein paar Gänge weiter, sprach ich wieder mit ihr. „Weißt du irgendwas?“ „Wie? Was?“ Ich lief so zügig, dass ich mich erst etwas abbremste, als ich merkte, wie Hannah außer Atem kam. „Nein, er redet nicht mehr sonderlich viel mit mir. Er ist auch so einer von denen, die mich zur Weißglut treiben...“ Jetzt erst fiel mir ein, warum ich eigentlich hier war. „Sag mal Hannah... gibt es – abgesehen von den Kerlen – eigentlich noch irgendwas anderes interessantes?“ - „Was meinst du?“ „Ich weiß nicht.. irgendwas... vielleicht was, was sich die Leute in der Stadt erzählen?“ Hannah schüttelte den Kopf. „Ich weiß nichts.“ Okay.. wenn sie es nicht wusste, wer sonst? Wenn es irgendwo was zu Tratschen gab, war sie immer direkt vorn dabei. Jetzt nachdem ich Dave wieder gesehen hatte, war ich mir nicht mehr so sicher, ob sich der Aufwand lohnte. Ich konnte dem Ganzen nichts Gutes mehr abgewinnen. Ich verpasste die Kindheit meiner Kleinen, ich verpasste die Zeit mit Jake, unsere Hochzeit verschob sich nach hinten, ich musste Dave wieder jeden Tag sehen und ertragen, wie er mich mit Blicken taxierte und Informationen würde ich wahrscheinlich ohnehin keine bekommen. All diese Gedanken schossen mir durch den Kopf, während ich am Steuer saß und über die Landstraße zurück zu unserem Anwesen preschte. Jake hatte ich angerufen und gesagt er bräuchte mich nicht abholen, weil ich nicht wusste, wann ich Schulschluss hatte. Ich war zu sehr in Rage, als dass ich ihm direkt unter die Augen treten könnte. Knapp eine Stunde nach meiner normalen Zeit ,fuhr ich in die Einfahrt. Ich hatte mir gerade Gedanken darüber gemacht, was ich Jacob und den Anderen sagen sollte, warum ich so miese Laune hatte, aber dann... dann rannte mir Mariella in die Arme, noch ehe ich über die Türschwelle getreten war und alles fiel von mir ab, als sei es nie dagewesen. „Mommy!“, rief sie freudig und knuddelte sich an mich. „Hey meine Kleine“, sagte ich sanft. „Hast du die Mama vermisst?“ Mariella nickte und streichelte mir durch mein langes Haar. „Ich hab euch auch vermisst“, antwortete ich. „Ganz doll.“ Mariella lächelte mich an. Man musste sie einfach lieb haben. Genau wie ihre beiden Brüder. Mein „Gute-Laune-Schub“ hielt noch bis zum Abendessen an. Erst als mein Vater auf das Thema „Erster Schultag“ zu sprechen kam, kam alles wieder hoch. „Ich... ich glaub ich geh da nicht mehr hin“, sagte ich etwas beklemmt und erntete einen Haufen überraschter Blicke. „Warum denn?“, wollte meine Mutter wissen. „Ich hab ein paar Leute gefragt und niemand weiß irgendwas. Ich denke nicht, dass da noch was kommt... außerdem... außerdem fühl ich mich da nicht so wohl.“ „Kamen unangenehme Fragen?“, hakte Großvater nach. Ich schüttelte den Kopf. „Nein, das nicht. „Was ist es denn dann?“, fragte Alice nun. „Ich... ach... ich kommt mit den Leuten da nicht so klar.“ Die Antwort war mehr als schwammig, aber sie hakten nicht mehr weiter nach. Lediglich Jake schaute mich skeptisch an, dann widmete er sich wieder Wills Babybrei. „Nun... ich denke wir können dich nicht dazu zwingen...“, sagte Carlisle dann. „Es tut mir Leid...“, sagte ich dann bedrückt. „Ich dachte eigentlich auch, dass es eine gute Idee ist, aber... jetzt noch nicht... irgendwie hab ich das Gefühl, ich verpasse etwas, wenn ich das jetzt mache. Ich kann ja wieder gehen, wenn die Drei älter sind.“ Carlisle und Esme lächelten verständnisvoll. Nahezu alle Anderen taten es den Beiden gleich. „Ich denke, besonders lange wirst du da nicht warten müssen“, mutmaßte Jasper. Und er sollte Recht behalten... In die Schule ging ich anschließend nicht mehr. Ich wusste nicht, was Carlisle wieder erzählt hatte, aber ich zweifelte nicht daran, dass er gut darin war, seine Lügen glaubhaft rüber zu bringen.Ich dachte auch nicht mehr darüber nach, ich war einfach nur froh, wieder bei meinen Kleinen zu sein. Der eine Tag, ohne sie, hatte mir praktisch schon gereicht. Sie wuchsen so schnell, dass jede Sekunde eine verlorene Sekunde für mich war, wenn ich sie nicht mit ihnen verbrachte. Hannah rief noch einige Male an und fragte nach wie es mir ging, wann ich wieder kam und ob sie mich über Hausaufgaben und dergleichen informieren sollte, aber ich winkte freundlich ab. Danach meldete sich niemand mehr. Zu meiner Erleichterung auch David nicht. Knapp drei Wochen später hatte Will einen kleinen Wachstumsschub bekommen. Er plapperte jetzt die ersten Worte und begann sicherer zu laufen. Seine beiden Geschwister waren ebenfalls schon wieder gewachsen. Anthony war nun größer als Mariella. Geistig waren sie jedoch gleichauf. Und während Ani sich auch mit Menschennahrung zufrieden gab, verschmähte seine ältere Schwester sie noch immer. Es war ein ruhiger Nachmittag. Jake war unterwegs. Ich nahm an, dass er wieder häufiger fort sein würde. Er hatte es sich in den Kopf gesetzt, unsere Eheringe genauso wie den Verlobungsring mit eigenem Geld zu kaufen und ging dementsprechend regelmäßig jobben. Und ich lag allein auf unserem Bett und las ein Buch, als plötzlich die Tür aufging und mein Töchterchen im Türrahmen stand. „Mariella?“, fragte ich. „Was ist los?“ „Mommy, ich hab Hunger“, kam es flehend zurück. Sie hatte einen zuckersüßen Blick aufgesetzt und es fiel mir schwer dem zu widerstehen. „Aber du hast deine heutige Blutkonserve schon gekriegt, mein Schatz.“ „Trotzdem Hunger“, sagte sie etwas schmollend. „Ähm..“, murmelte ich nun und überlegte einen Moment, dann nahm ich ihre Hand. „Sag mal meine Kleine, wie wäre es, wenn du und Mama nun raus in den Wald gehen und zur Abwechslung mal ein Tierchen jagen?“ Mariella sah mich etwas perplex an. Ein Tier jagen? Bisher hatte sie immer nur Spenderblut bekommen. Eingeschenkt in Tassen und Becher. Ein Tier zu jagen, zu töten und auszusaugen, war für sie noch etwas sehr neues. „Na?“, hakte ich nach. Mariella schüttelte skeptisch den Kopf. „Aber das macht Spaß und es schmeckt gut. Mama macht auch mit.“ „Mommy macht auch mit?“, wiederholte sie. Ich nickte sie freundlich an. „Darf ich auch?“ Die dritte Stimme aus dem Off ließ mich kurz hochschrecken. Ani stand plötzlich knapp einen Meter links von uns und ich konnte beim besten Willen nicht sagen, wie er dort hingekommen war. Ich versuchte mich zu sammeln und mir nicht anmerken zu lassen, dass er mich erschreckt hatte. Mariella hingegen schien absolut nicht verwundert zu sein. Wusste sie etwas, was ich nicht wusste? „Ja, natürlich darfst du auch mitkommen.“ Bisher hatte er sich mit normaler menschlicher Nahrung immer begnügt, aber in ihm schlummerte genauso ein Vampir wie in Mariella oder mir und deswegen hielt ich es für gut, sein Interesse an Tierblut zu fördern. Früher oder später, würde er sicher mehr wollen, als Menschennahrung und da war Tierblut die beste Alternative. Ich spazierte also mit meinen beiden Kindern in den Wald. Es dauerte eine ganze Weile bis wir tiefer im Wald waren, denn meine Tochter ließ sich gern von Blumen und kleinen Tieren ablenken. Letztlich waren wir dann aber an einem Ort, der für mich tief genug im Wald erschien. Es war helllichter Tag und ich hatte keine Lust Wanderern zu begegnen. Ich konnte mich gar nicht so wirklich daran erinnern, wie man mir das Jagen beigebracht hatte. Ich hoffte einfach auf die einfachste Lernart: Zuschauen und Lernen und anschließendes 'Learning by doing'. „So.. also...“, begann ich dann mit meiner Jagdlernstunde. „Mommy wird jetzt ein Tier aufspüren und anschließend wird sie es fangen. Ihr braucht aber keine Angst zu haben. Tiere jagen ist für uns okay. Wir beschützen damit die Menschen.“ Das war zwar so nicht direkt korrekt, aber auch nicht falsch und ich war der Meinung, meine Erklärungen seien in sich schlüssig. Mariella und Anthony sahen mir aufmerksam zu und sogen die Informationen wie ein Schwamm auf. Auch als ich los spurtete um das vorher gewitterte Häschen zu fangen, beobachteten sie mich noch. Es war nur eine sehr schnelle kurze Jagd, damit sie mir nicht durch das Unterholz folgen mussten. Als ich dann das tote Tier vor mir liegen hatte, sahen sie mich noch immer stumm an. Ich lächelte sie an und bot ihnen mit einer Geste den Hasen an. Mariella kam näher und legte ihre kleinen Hände an den Pelz und im nächsten Moment sog sie bereits das Blut aus dem toten Körper. Ich sah ihr mit gemischten Gefühlen dabei zu. Ich hätte es gern gehabt, dass sie nur Menschennahrung zu sich nahm, so wie es William tat, aber ich wusste, dass dies angesichts der Tatsache, dass ich ein Halbvampir war, nicht ungewöhnlich war und wir würden sicher gut mit ihrem Durst zurechtkommen. Die Bedenken der Volturi waren nicht mehr von Belang, denn ich wusste, dass meine Tochter genauso harmlos und lernfähig war wie ich. Von Will brauchte ich gar nicht erst anfangen. Lediglich unser Jüngster gab uns noch einige Rätsel auf, aber ich vertraute darauf, dass alle Geheimnisse ans Licht kommen würden, wenn er älter war. In Windeseile hatte Mariella fertig gespeist und sah mich zufrieden an. Sie hatte nicht mal gekleckert. Ein Naturtalent. Genau wie ich damals. Ani hatte sie genau beobachtet, doch dann drehte er seinen Kopf plötzlich in eine bestimmte Richtung und ich wusste auch warum, denn dort war eben erneut ein Tier vorbeigehuscht. Ich hatte Angst ihn jagen zu lassen, denn bisher hatte er nur Menschennahrung gehabt. Wenn er jetzt auf den Geschmack kam, würde er vielleicht nicht mehr aufhören wollen. Andererseits hatte ich kein Recht es ihm zu verweigern, während ich es seiner Schwester gewährte. „Schnapp es dir ruhig, Anthony“, spornte ich ihn an. Und ich konnte gar nicht so schnell gucken, da war er schon verschwunden. Selbst für mein übernatürliches Auge, war er sehr schnell, besonders wenn man sein Alter und seine Größe miteinbezog. Ich gab mir jedoch alle Mühe ihm zu folgen und dabei Mariella nicht zu verlieren. Einige Sekunden hetzten wir so durchs Unterholz. Das Kaninchen rannte um sein Leben, Ani um seine Nahrung und ich rannte einfach nur meinem Kind hinterher. Er hatte das Tier gerade gepackt und ich wollte ihn beglückwünschen, als plötzlich irgendwas an mir vorbei huschte und mich von den Füßen riss. Ich knallte ins Laub und starrte einen Moment auf die Baumkronen über mir, die langsam wieder Blätter bekamen und bald nicht mehr so viel Sonnenlicht durchscheinen lassen würden. Als ich mich wieder aufstützte, wagte ich es kaum, mich zu bewegen, so geschockt war ich. Wenige Meter vor mir stand jemand, mit dem ich absolut nicht gerechnet hatte. Ich hatte gehofft, ich würde ihn nicht mehr sehen müssen, aber vor der Schule fernbleiben, schien keine Lösung dafür gewesen zu sein. Was mich aber noch mehr verwunderte, war die Tatsache, dass ich ihn nicht gerochen hatte. Ich hatte ihn gar nicht bemerkt und er hatte es zudem geschafft mich umzuwerfen. Doch all das war für mich nichtig, als ich sah, dass er mein Kind festhielt. „David“, flüsterte ich geschockt. Er nickte mit einem Grinsen, dass ich in diesem Augenblick nicht anders als hinterhältig und gemein deuten konnte. „Lass ihn los“, zischte ich, während ich mich erhob. Anthony bewegte sich gar nicht, er war wie erstarrt in Davids Griff. „LASS IHN LOS!“, fuhr ich ihn dann an. „Na na..“, mahnte Dave und festigte seinen Griff nur noch mehr. „Jetzt fahren wir einen Gang zurück und sind.. leiser...“, er betonte das Wort, „andernfalls ist der Kleine bald nicht mehr so fit wie jetzt.“ Ich stand einfach nur da und fixierte David. Ich wusste nicht was ich tun sollte. „Was willst du?“ - „Och.. nur ein bisschen Smalltalk betreiben.“ „Smalltalk?“, fragte ich skeptisch. Er nickte abermals. Seine strahlend blauen Augen schienen jeden Zentimeter von mir genau zu studieren. Er erwartete wahrscheinlich, dass ich auf ihn zusprang, doch ich hatte zu viel Angst, dass meinem Kind dabei etwas passieren könnte. Dann vernahm ich plötzlich, dass noch jemand hier war. Davids Augen wanderten ebenfalls hinter mich, wo nun Mariella eingeschüchtert stand. „Mommy?“, fragte sie ängstlich. Ich hob die Hände und deutete ihr an, nicht näher zu kommen. „Bleib weg, Schatz. Geh nach Hause, bitte ja?“ Sie sah mich besorgt an, dann wanderten ihre Augen zu ihrem Bruder. „Bitte geh nach Hause“, wiederholte ich. Sie rührte sich nicht und starrte Ani immer noch an. Er erwiderte ihren Blick, blieb aber ansonsten sehr ruhig. „Mariella... geh... nach Hause...“ Diesmal war mein Ton fordernder und sie machte einige Schritte zurück. Mariellas Augen wanderten von Anthony ausgehend nach oben. Sie musste sich unweigerlich fragen, wer dieser Mann war, der ihren Bruder so grob festhielt und ich spürte förmlich, wie die Wut auch in mir aufkeimte. „Du kannst mit mir machen was du willst, David“, sagte ich dann wieder an ihn gewandt. „Aber bitte... bitte lass den Kleinen los.“ „Och“, sagte er in gespielt mitleidigem Ton. „Wer ist denn der Zwerg, dass er dir so wichtig ist?“ Ich wollte gerade den Mund aufmachen, da fuhr er fort, „Ah.. ich weiß! Hat die Kleine dich nicht eben 'Mommy' genannt? Sie hat auch deine Augen. Und ich wette der Zwerg hier, ist ihr Bruder. Aber halt... du warst nur neun Monate weg... wie kann das sein?“ „I-ich...“, setzte ich erneut an, doch wieder unterbrach er mich. „Halt... du musst mir nichts erklären... ich WEISS es bereits.“ Ich sah ihn nun einfach nur an, wusste nicht, was ich sagen oder tun sollte und er schien sich von meiner Starre auch nicht beirren zu lassen. Im Gegenteil. Er ließ nun meinen Sohn los und ging auf mich zu. Ich sah wie David auf mich zu kam, nahm aber dafür kaum wahr, was meine Kinder taten. Im Augenwinkel bekam ich noch mit, wie Ani zu Mariella ging, dann verschwanden sie beide eilig zwischen den Sträuchern und eine Last fiel von mir ab. Mir war es egal, was nun passieren würde, Hauptsache meine Kinder würden nicht mit reingezogen werden. „Noch nie zuvor...“, begann Dave wie in Trance säuselnd. „Ist mir etwas so schönes begegnet, wie du.“ Er war nun nur noch wenige Zentimeter vor mir, hob eine Hand und strich damit über meine Wange. „Du bist.. perfekt. Und was anderes, als DIE perfekte Frau, wollte ich nie. Und ich wusste, es würde niemals eine geben, die besser wäre als du.“ Er strich mir durch mein langes Haar und am Hals entlang. „Aber du wolltest mich nicht. Zum ersten Mal in meinem Leben, wollte mich jemand nicht. Das war bitter“, sagte er gespielt weinerlich. „Aber noch bitterer war die Erkenntnis, WAS du mir vorgezogen hattest. Zu Anfang hielt ich ihn einfach nur für einen Bodybuilder.. einen Anabolikaschrank... aber dann bemerkte ich, dass etwas nicht mit ihm stimmte. Er war unnatürlich. Genau wie du. Und ich wollte mehr darüber erfahren. Dann habe ich nach und nach in Erfahrung gebracht, dass ihr doch nicht so gleich wart. Er mochte unnatürlich gewesen sein, aber nicht auf die selbe Art und Weise wie du. Es lag also nicht daran, dass ich anders war als du. Ich war dir einfach nicht gut genug... du wolltest etwas unnatürliches... Und als ich dann im letzten Sommer im Urlaub war, bei meiner Familie in Russland, kam mir das Schicksal zur Hilfe. In einem kleinen Dorf in Sibirien, erzählte man sich Legenden von Menschen, die zu Wölfen würden. Besonders in diesem Dorf, war dieser Wolf sehr aktiv. Und ich hoffte, dass er mir erklären konnte, was dein ominöser Freund war. Leider lernte ich den Menschen hinter dem Wolf – oder das, was davon übrig war – nie wirklich kennen. Ich lernte aber dafür das Gebiss des Wolfes kennen – und spürte den Schmerz. Diesen Schmerz, der etwas anderes aus mir machte, etwas übernatürliches. Ich bin monatelang durch die Wildnis geirrt, weil ich vergessen hatte, wer ich war und was ich mal wollte. Aber nach und nach, kamen die Erinnerungen zurück. Und damit auch du. Jetzt bin ich nicht mehr länger nur der schwächliche Mensch. Jetzt bin ich dir ebenbürtig.“ Während er sprach, wurde sein Ton immer sehnsüchtiger und wahnsinniger. Seine Augen funkelten und leuchteten vor Begeisterung. Ich hatte es ganz klar mit Jemandem zu tun, der den Verstand verloren hatte und zu meiner Besorgnis, war dieser Jemand nicht einfach nur ein Mensch, sondern ein waschechter Werwolf. „Jetzt kannst du mich nicht mehr abweisen, weil ich ein Mensch bin, Ren“, flüsterte er. Seine Nase berührte fast die Meine und ich wagte nicht, mich zu bewegen. Im nächsten Augenblick legte er seine rechte Hand an meinen Hinterkopf und presste seine Lippen gegen meine, während seine Hand an meiner Hüfte lag und mich festhielt. - Ende Kapitel 26 - Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)