Rising Sun - Bis(s) das Licht der Sonne erstrahlt von -DesertRose- (Fortsetzung von Bis(s) zum Ende der Nacht) ================================================================================ Kapitel 11: Was ist Liebe? -------------------------- Disclaimer: => Ich verdiene kein Geld mit meiner Fanfiction. => Alle Charaktere gehören Stephenie Meyer mit Ausnahme einiger Schüler und Lehrer, die ich selbst erfunden habe. Weitere Infos zur FF, Trailer, Cover & mehr [UPDATE] http://renesmee-und-jacob.de.vu/ Weiterhin Danke das ihr so fleissig lest. =) Ich will euch auch nach der langen Wartezeit nicht weiter auf die Folter spannen. Here we go... ^_^ --------- Kapitel 11: Was ist Liebe? Der Wind bließ durch meine bronzenen gelockten Haaren, als ich auf Jacobs Rücken durch den Wald getragen wurde. Er war schneller als ich es zu Fuß je hätte sein können, ja sogar schneller als mein Vater konnte er auf seinen vier Pfoten rennen. Die Bäume flogen an uns vorbei, selbst für meine Sinne waren sie schwer auszumachen. Rotes Sonnenlicht drang an einigen Stellen durch das dichte Blätterdach des Waldes und schien auf den mit grünem Moos und dunkler Erde bedeckten Waldboden. Auch das braune Laub des letzten Herbstes lag dort. New Hampshire, der Bundesstaat in dem wir lebten, war prozentual gesehen, der am zweitmeisten bewaldete der 50. Bundesstaaten. Dies war mitunter einer der Gründe, weswegen wir hierher gezogen waren. In den weiten großen Wäldern konnten wir großflächig Jagen und vielen dabei nicht so sehr auf, wie wenn wir in einem kleineren Wald alle drei Kilometer ein Tier erlegen mussten oder gar auf einer Lichtung mehrere auf einmal herumlagen. Wir waren stets bedacht darauf gewesen nicht aufzufallen und mussten bei der Jagd besondere Sorgfalt walten lassen. Gelegentlich war es vorgekommen, dass ich mich im Eifer der Jagd zu weit von meiner Familie entfernt hatte und dabei fast auf Wanderer gestoßen war. Insbesondere in Forks. Hier war dies seltener der Fall. Dennoch hatten wir schon die ein oder anderen Probleme bekommen. Allerdings nicht genau wir, sondern eher Jacob. Es war unvermeintlich, dass er mal Spuren hinterließ, besonders wenn es erst geregnet hatte oder wenn Schnee lag. Und selbstverständlich hatte man die Beute der gesamten Familie ihm angerechnet, selbst wenn die Tiere über mehrere Kilometer verstreut lagen. Einmal war sogar der Förster zu unserem Anwesen gekommen um uns vor dem „unbekannten überdurchschnittlich großen Tier“ zu warnen, da wir sehr nahe am Waldrand wohnten. Das Interessanteste daran war immernoch gewesen, das Jacob ihm die Tür geöffnet hatte. Bei dem Gedanken musste ich Grinsen, obwohl man mir immer wieder gesagt hatte wie gefährlich es für uns alle war wenn wir entdeckt würden. Trotzdem konnten wir Jake ja schlecht einsperren, genauso wenig konnten wir aufhören Tiere zu jagen. Und Jake fand das Ganze übrigens auch sehr amüsant, er war zwar immer bedacht darauf nicht gesehen zu werden von Augen die es nicht durften, doch er war gewiss niemand der sich deswegen den Kopf zerbrach. Das hatte ich ja in der Schule und in der Sache mit David vor der Schulkantine festgestellt. Als Jake indes langsamer wurde und schließlich stehen blieb, wurde ich aus meinen Gedanken zurück in die Wirklichkeit gerissen. Kurz tastete ich mit meinen Sinnen die Umgebung ab und stellte rasch fest, was Jakes Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte. Einige Meter vor uns, hinter dichtem Gestrüpp befand sich ein einzelner Hirsch. Nun wanderten meine Augen wieder langsam zu Jake, der neben mir eine leicht kauernde Haltung eingenommen hatte. Ja, dies war der Beginn eines kleinen Wettstreits, einen den ich schon in meiner frühen Kindheit mit Jake bestritten hatte. Wer die Beute als Erstes fing, hatte gewonnen und durfte natürlich auch seinen Hunger an ihr stillen. Früher hatte ich immer gewonnen. Ich konnte nicht sagen ob er sich nun verstellt hatte und mich stets gewinnen ließ oder ob ich wirklich mit der Zeit besser im Jagen geworden war. So oder so machte mir die diese Art der Jagd immer einen Heidenspaß und so begab auch ich mich in die Angriffshaltung. Doch ehe wir los spurteten, tat ich noch etwas, dass ich mit den Jahren immer seltener getan hatte: ich legte eine meiner Hände sanft an Jakes Körper und ließ ihn an meinen Gedanken und Entfindungen teilhaben. In diesen Sekunden durchströmte ihn das Bild meines Sieges. Ich wie ich das Tier aussog, dass noch ahnungslos im Wald stand. Er brummte nur einmal kurz und leise. Ich konnte diesen Laut als „das werden wir ja sehen“ deuten. Ich antwortete nicht, sondern grinste ihn noch einmal kurz verstohlen an, dann spurteten wir gleichzeitig los. Niemand zählte uns ab, niemand gab ein Startsignal und doch wussten wir beide wann wir zu laufen hatten. Als wir dann beide mit einem Mal durch das Gebüsch auf den Hirsch sprangen, hechtete das Tier geschwind zur Seite. In Sekundenbruchteilen hatten auch Jake und ich die Laufrichtung gewechselt. Natürlich hatte das Tier keine Chance und wenn wir wirklich wollten, dann wäre es wahrscheinlich schon bei unserem ersten Sprung verendet, doch wollten wir beide unser Spiel nicht so schnell enden lassen. So schnell seine langen Beine es trugen spurtete der Hirsch, welchen ich dank der weißen Unterseite seines kurzen Schwanzes nun als Weißwedelhirsch identifzierte, zwischen zwei engen Bäumen davon. Jake rannte an ihnen links vorbei, ich spurtete hindurch und hatte damit nun einen kleinen Vorsprung. Als ich ihn fast eingeholt hatte, schlug meine Beute mit einem mal kurz vor einem Baum einen Haken und rannte nun rechts davon. Ich machte mir nicht die Mühe jetzt groß zu wenden, sondern spurtete schnurrstracks auf den Baum zu, sprang an den dicken Stamm und presste mich mit den Füßen von ihm ab, so dass ich nun wie eine Rakete zielsicher an den Bäumen vorbei durch den Wald flog. Erst als ein Baum direkt in meine Flugbahn kam, war ich gezwungen zu halten. Ich klammerte mich am Stamm fest und wartete die nächsten wenigen Sekunden auf meine Beute, die so schnell gar nicht reagierte und immernoch auf mich zulief. Mit einem weiteren Sprung hatte ich den Weißwedelhirsch dann gepackt und zu Boden gedrückt. Ich biss ihm mit meinen messerscharfen Vampirzähnen in den Hals. Warmes, frisches Blut durchströmte meine Kehle, das Tier erschlaffte und ich stillte meinen Hunger. Noch während ich trank huschte Jacob zügig an mir vorbei und verschwand tiefer im Wald. Er musste sich eine neue Beute suchen, denn ich hatte unseren Wettstreit gewonnen. Als ich den Hirsch völlig ausgesogen hatte, war es um mich herum bereits Dunkel geworden. Im Licht des Mondes konnte ich jedoch noch geringfügig mehr als ein normaler Mensch sehen, jedoch bei weitem nicht so gut wie Jacob oder meine Familie. Ich zog ein weißes Taschentuch aus meiner Hosentasche und wischte mir das Blut vom Mund. Es war nicht viel, aber ich mochte es nicht das klassische Bild eines Vampirs mit blutverschmiertem Mund abzugeben. Da spürte ich wie jemand näher kam. „Hallo Alice“, sagte ich freundlich in die Richtung aus der ich sie vermutete. Und tatsächlich, zwischen den Bäumen kam nun Alice hevor, dicht gefolgt von Jasper. „Na schon wieder gewonnen?“, fragte er heiter und ich nickte. „Gar kein Problem,“ antwortete ich und grinste dabei überdeutlich. „Und ihr? Hat´s geschmeckt?“ „Aber natürlich.“ Nun hörte ich ein Lachen das immer näher kam und Emmett kam mit meinen Eltern und Rosalie zwischen den Sträuchern hervor. „Boah“, jauchzte er. „Das war mal wieder einsame Spitze!“ Fragend sah ich zu ihnen auf, denn ich saß noch immer auf dem Boden, neben meinem Opfer. „Was war denn?“ „Emmett und dein Vater haben sich um einen Schwarzbären gezankt“, meinte meine Mutter und lächelte dabei. Auch ich musste lächeln. Da diese Tiere um diese Zeit eher noch im Gebirge als im Wald oder an den Flüssen waren, erwischte man nicht soviele davon und da mein Vater hier keine Pumas fand, waren sie für ihn die einzige wirklich gute Abwechslung zu Rehen, Hirschen und was es hier sonst noch so gab. „Und wer hat ihn bekommen?“, wollte ich wissen. „Edward war schneller, aber das hat Emmett nicht auf sich sitzen lassen und die Beiden haben sich ein bisschen aneinander ausgetobt.“ Die ruhige Stimme meiner Mutter verriet mir, dass es wohl alles nur Spaß war, trotzdem mochte ich solche Situationen nicht. „Ihr habt gekämpft?!“, schrie ich die Beiden fast an und diese starrten mich verwundert an. „Ach Nessie“, sagte Emmett. „Ein bisschen Spaß muss sein.“ „Ja, aber doch nicht so!“ „Wie dann? „Keine Ahnung..“, jetzt musste ich grübeln. „Vielleicht.. könnten wir mal wieder Baseball spielen..? Emmett zuckte mit den Schultern und wand sich dann zu Alice. „Alice?“ Diese schüttelte den Kopf. „Ich hab kein Gewitter in den nächsten Wochen in Sicht.“ Ich seufzte. „Okay.. dann schlagt euch halt die Köpfe ein..“ Nun spazierten auch Carlisle und Esme zu uns, ganz wie ein fröhliches Ehepaar beim Spazierengehen, traten sie aus der fernen Finsternis zu uns. Inzwischen war es so dunkel im Wald, dass ich schon Probleme bekam, aber ich konnte sie noch gut riechen. „Ihr seid auch schon alle satt?“, fragte sie freundlich, dicht gefolgt von einem „Gut.“, ich nahm also an, dass sie alle genickt hatten. „Fiedo fehlt noch“, fügte Rosalie hinzu und ich konnte nicht ummich kurz zu grummeln, wurde jedoch ignoriert. „Ja..“, ergriff Carlisle nun das Wort. „Der hat es doch tatsächlich geschafft einen Elch zu reißen.“ „Wir sind an ihm vorbei gelaufen beim Rückweg“, sagte Esme freundlich. Erstaunen ging nun durch die Gruppe um mich und mein totes Tier herum und mit einem Mal marschierte der ganze Zirkel in die Richtung aus der Esme und Carlisle vorher gekommen waren und ich huschte schnell hinterher. Es war selbst für mich eher ungünstig um diese Zeit allein durch die Dunkelheit zu laufen. Keine fünf Minuten später hörten wir schon eher unheimliche Fresslaute und im fahlen Licht des Mondes erblickte ich gerade noch so den Fellberg der sich da an einem Kadaver labte. Ich hatte eigentlich nichts gegen Tot und Blut, aber irgendwie war ich trotzdem froh, den Elch nicht genau sehen zu können. Zerstückelte Tiere waren einfach nicht das Selbe wie einfaches Blut. Ich wusste es passte nicht zusammen, so etwas nicht sehen zu wollen, aber andererseits selbst Tiere zu erlegen, aber bei mir passte sowieso schon vieles nicht zusammen. Nun hörte ich nur noch wie Jake das restliche Fleisch von den Knochen abschabte und gelegentlich knackte mal ein Knochen oder zersplitterte komplett. „Der Elch wärs jetzt gewesen“, meinte Emmett. „Das sagst du doch nur weil du den Bären nicht haben konntest“, kam es von Rose. „Möglich.. aber die Viecher sind eben so selten hier..“ Ich schüttelte nur den Kopf. Mir war es meistens egal was ich später verspeiste, Tierblut kam sowieso nicht an Menschenblut heran. Schnell schüttelte ich den Gedanken davon, ich musste diese Tatsache vergessen. Von nun an, gab es für mich nur noch Tierblut, Menschenblut war jetzt für mich tabu und das für den Rest meines ewigen Lebens. Wenn meine ganze Familie dies schaffte, warum sollte ich es dann nicht auch können? Als ich nachdachte, bemerkte ich, wie mir langsam die Augen zufielen und ich war froh als Jake sich endlich wieder erhob. Kurz schleckte er sich noch die Pfote ab, dann kam er zu mir herüber und gab mir einen kleinen Stubser mit der Schnauze. „Sorry, bin etwas müde..“, gab ich zurück. Er machte eine leichte Kopfbewegung, eine Einladung auf seinen Rücken zu steigen. „Danke.“ Er machte sich etwas kleiner, so dass ich wieder auf seinen Rücken steigen konnte. Es war angenehm. Obwohl meine Familie relativ zügig nach Hause kam, lief Jake schön langsam. Ich sank immer tiefer, bis ich letztlich auf ihm lag. Seine Laufbewegung, das sanfte Auf und Ab bei jedem Schritt und seine angenehme Körpertemperatur die meiner gleichkam, machten mich schläfrig. Ich fühlte mich so wohl und schloss zufrieden meine Augen. Nur noch die sanften Geräusche des Waldes vernahm ich, dann schlief ich gänzlich ein.... *** Am nächsten Morgen wurde ich unsanft von meinem Handy geweckt. Es war so eingestellt, dass es nur Werktags bimmelte. Der Ton war zwar Polyphon trotzdem empfand ich ihn als unglaublich nervig. Selbst wenn es einen schönen Song spielen würde, würde ich es sicherlich morgens gern gegen die Wand pfeffern. Bisher blieb ihm das aber erspart und so griff ich danach und drückte auf die Tastatur. „Nur noch fünf Minuten..“, nuschelte ich und kuschelte mich wieder in meine Decke. Aber moment mal? Hatte man mich gestern tatsächlich ins Bett tragen müssen? Das war mir schon lange nicht mehr passiert, schließlich war ich ja alt genug und hatte zwei Beine zum Laufen. Es waren kaum 9 Minuten vergangen und ich wollte gerade wieder im Traumland versinken, da ertönte wieder mein furchtbarer Klingelton. Verdammte Schlummerfunktion... Jetzt schälte ich mich doch noch aus meinem Bett und trottete hinunter in die Küche. Wo an diesem Morgen niemand saß. Seufzend lief ich zum Kühlschrank. Die kalten Fließen unseres Küchenbodens waren für meine nackten Füße kein Problem. Ich kramte mir die Orangensaftflasche aus dem Schrank und nahm einige Schlücke. Gegessen hatte ich ja schon und das war wohl auch der Grund weswegen Jake nicht hier war. Nach einem ganzen Elch war selbst er mal satt. „Na fit?“, vernahm ich die freundliche Glockenstimme meiner Mutter und drehte mich zu ihr um. Sie sah wieder mal wunderhübsch aus in ihrer beigen Bluse und der Jeans. „Ja..“, antwortete ich. „Ich denke schon... ihr habt mich ins Bett gebracht?“ „Nun.. dein Vater hat dich von Jakes Rücken genommen und in dein Bett getragen, ja.“ „Oh...“ „Nicht weiter schlimm, Kleines.“ „Ich weiß.. trotzdem komisch.“ Meine Mutter lächelte mich an. Einen kurzen Augenblick sagte niemand etwas. „Oh.. du musst los.“ Rasch starrte ich auf die Uhr über der Tür. Es war wirklich Zeit. Ich spurtete die Treppen hinauf, machte mich fertig und begab mich mit meiner Schultasche zu meinem Wagen. Es überraschte mich kaum, als ich Jake mal wieder an ihm lehnen sah. Freudig lief ich auf ihn zu. „Na Schneewittchen, aufgewacht?“ „Ja, aber mein Prinz war leider nicht da um mich wachzuküssen.“ „Tut mir Leid“, sagt er und sein Tonfall war wirklich absolut niedlich. „Kann ich das jetzt nachholen oder ist das zu spät?“ „Es ist nie zu spät...“, hauchte ich, stellte mich etwas auf die Zehenspitzen, schloss die Augen und nährte mich ihm, bis unsere Lippen sich sanft berührten. Seine Hände streichelten meine Haare und meinen Rücken. Ich spürte wie erneut ein Verlangen in mir aufkam, spürte das Kribbeln in meinem Bauch und die Hitze in mir aufsteigen. Doch es war nicht der rechte Zeitpunkt. Langsam löste ich mich wieder von ihm und blickte dann in seine dunklen Augen. Ich konnte in ihnen versinken wie im tiefsten Ozean. „Ich.. muss dann..“, flüsterte ich sanft. Er nickte nur und streichelte meine Wange. „Bis später, Nessie.“ Kaum eine halbe Stunde später stand ich in meinem weißen Auto auf dem Schulparkplatz und meine Hände griffen in meine Tasche, dann zog ich die Pralinenschachtel heraus. In dem gelben Band das um sie herum gewickelt war hing zusammengefaltet der Brief den ich ihm geschrieben hatte. War das, was ich in begriff war zu tun, wirklich richtig? Noch immer hatte ich Zweifel. Langsam faltete ich das Papier ausseinander und las noch einmal was ich mit meiner schönen eleganten Schrift auf es geschrieben hatte... [size=small][font=Times New Roman][align=center]David.. Es tut mir Leid, dass ich dir falsche Hoffnungen gemacht habe. Ich war mir meiner eigenen Gefühle nicht bewusst. Jetzt bin ich es. Und ich hoffe du wirst lernen meine Entscheidung zu akzeptieren. Ich denke nicht, dass wir je wieder Freunde werden können, auch wenn ich es mir wünschen würde, aber ich bitte dich, mich und meinen Freund in Ruhe zu lassen. Renesmee [/align][/font][/size] Ich hob meinen Blick und sah hinaus auf den Parkplatz. Es waren kaum noch Schüler hier. Seufzend faltete ich den Brief wieder klein und klemmte ihn unter das goldenen Band, dann wanderte die Schachtel wieder in meine Tasche und ich stieg aus meinem Wagen. Als ich langsamen Schrittes durch die Gänge ging, nahm ich die Menschen die an mir vorbei kamen kaum war. Meine Gedanken waren immernoch woanders. Ich malte mir Horroszenarien aus. In meinen Kopf schossen Bilder. Ich sah David ausflippen, weil er nicht bekommen hatte, was er wollte. Er war derart in Rage das Jacob keinen anderen Weg sah als ihm den Kopf abzureissen. Just im Moment spürte ich eine Hand auf meiner Schulter und zuckte erschrocken zusammen. „Huch.. Ren!“, sagte Hannah daraufhin, die ihre Hand rasch wieder von meiner Schulter nahm. „Tut mir Leid.“ „Schon okay..“, antwortete ich leise und lief weiter. Sie lief neben mir her. „Was war denn los? Du bist nach der Cafeteria nicht in den Unterricht gekommen.“ „Lange Geschichte...“ „Mhm..“, meinte sie und senkte den Blick. Sie schien zu überlegen, was sie als Nächstes sagen sollte, dann sah sie mich wieder an. „Hast du denn wenigstens ein Schreiben von deinen Eltern oder ein ärztliches Attest dabei?“ Ich schüttelte zur Antwort den Kopf. Ich hatte das total vergessen, dabei wäre es so einfach gewesen Beides zu bekommen. „Das ist schlecht...“ „Ich weiß“, antwortete ich und seufzte leise. „Ähm Hannah?“ „Ja?“ „Weißt du ob David heute da ist?“ „Ich denke schon, warum nicht?“ „Ach.. nur so.“ Sie sah mich fragend an, doch ich wand mich von ihr ab und betrat das Klassenzimmer. Sofort erblickte ich den blonden Jungen, der gedankenverloren aus dem Fenster sehen zu schien. Ich machte einige Umwege zu meinem Tisch, damit ich nicht direkt an ihm vorbei musste. Als Hannah einmal laut los lachte während sie mit Sophie sprach, einem ruhigen Mädchen mit Brille und schwarzen leichten Locken, wurde David aus seiner Gedankenwelt gerissen und sah sich langsam im Klassenzimmer um, bis er bei mir hängen blieb. Ich bückte mich rasch und kramte einige Stifte, Bücher und Papier aus meiner Schultasche, nur damit ich ihn nicht ansehen musste, doch ich spürte seinen Blick die ganze Zeit auf mir. Ob Geschichte, Literatur, Biologie, Chemie oder Mathematik. Er wand sich nur selten ab. Selbst in den Pausen kam er nicht, sondern starrte mich nur an. Es war mir unheimlich. Ich hatte mir da doch fast eher gewünscht, dass er mich angebrüllt hätte, so wie das letzte Mal. Nun aber durchbohrte mich nur sein Blick. Seine klaren blauen Augen, frassen mich förmlich auf. Jeder normale Mensch würde seinen Blick abwenden, wenn man ihn direkt ansah. Er aber nicht. Als ich einige Stunden später mit Hannah in der Cafeteria saß, wanderten meine Augen erst einmal durch den ganzen Raum. Ich sah unzählige Schüler ihr Essen auf ihr Tablett laden, sah manche am Getränkeautomaten herumfummeln, sogar Papier das unachtsam oder mit Absicht fallen gelassen wurde entging mir nicht. Doch David sah ich nirgendwo und ich spürte eine ungemeine Erleichterung. „Ren? Alles in Ordnung?“, fragte Hannah mit besorgtem Unterton und einem ebensolchen Blick. „Ja.. ja..“, antwortete ich, blickte mich aber immernoch einige Male um. „Du wirkst.. als ob du verfolgt würdest..“, sagte sie nun und runzelte die Stirn. „Oh.. wirklich?“, fragte ich, wohlwissend das es so war. Sie nickte nur stumm und sah mich weiter an. „Hannah?“ „Mhm?“ „Hat David dir irgendwas erzählt?“ „Was?“ „Über mich.. über letzte Woche.. irgendwas.“ Sie biss sich auf die Lippe. „Hannah?“ Immernoch keine Antwort. „Hannah, bitte!“ Sie seufzte. „Schon okay...“ Erwartungsvoll sah ich sie an. „Ren... du musst wissen. Dave war schon immer sehr beliebt. Sowohl bei den Jungs wie auch bei den Mädchen. Ich mag ihn auch und er sieht ja auch sehr gut aus.“ Bei den letzten Worten kicherte sie leicht und ich verdrehte nur die Augen. „Schon gut, schon gut...“, fuhr sie fort. „Jedenfalls... Es gab nie ein Mädchen, dass ihn abgewiesen hätte. Er konnte jede haben, schon immer.“ Ich klopfte mit den Nägeln leicht auf den Tisch. Etwas derartiges hatte ich ja schon lange vermutet, schließlich hatte Hannah sich auch gewundert wie ich ihn abweisen konnte. „Du bist die Erste. Und das macht ihm zu schaffen.“ Eine Weile schwiegen wir. Ich starrte auf die weiße Tischplatte. „Aber er wird sich nichts antun?“, hakte ich weiter nach. „Ich denke nicht“, antwortete Hannah. „Und er wird mir auch nichts tun?“ Nun kam die Antwort nicht so schnell. „Ich hoffs mal..“ „Du hoffst?!“, entfuhr es mir lauter als gewollt. „Pscht..!“, zischte sie. „Ich kenn ihn ja schon seit Jahren, aber er ist wirklich komisch....“ „Ich merks...“, antwortete ich leicht genervt. „Er sieht ein bisschen wahnsinnig aus und lässt mich nicht mehr aus den Augen.“ „Naja...“, sagte Hannah. „Er will nicht begreifen, warum du ihn ihm vorziehst.“ „Ihn?“, wollte ich wissen. „Deinen Freund.“ „Er hat es dir erzählt?“ „Ja..“ „Warum hast du dann so scheinheilig gefragt, was los war?“ „Was hätte ich denn tun solln? 'Hey Ren, ich hab gehört dein bulliger Freund hätte Dave fast zusammengeschlagen höhö'? Jetzt war ich es, die sich auf die Unterlippe biss. „Wer weiß noch davon?“ „Keine Ahnung“, antwortete sie schulterzuckend. „Ich denke mal nur ich.“ „Gut.. bitte erzähl es nicht rum.“ „Geht klar.“ „Hannah?“ „Jaja... ich versprechs.“ Ich versuchte sie leicht anzulächeln und irgendwie gelang es mir sogar. Als wir uns wieder in unsere Kurse begeben hatten fuhr Dave fort wie zuvor und starrte mich fast permanent an. Irgendwie schien es der Lehrer nicht zu merken oder es interessierte ihn nicht, denn nichts hinderte ihn daran mich weiter anzuschaun obwohl ich schräg hinter ihm saß. Gegen Ende der Stunde kramte ich meinen Stundenplan aus meiner Federmappe. Zwischen Geografie und Sozialkunde hatten wir eine Hohlstunde. Ich nahm mir vor ihm die Schachtel dort zu geben und faltete meinen Plan wieder zusammen. Ein flüchtiger Blick nach vorn verriet mir, dass er mich noch immer beobachtete. Wie konnte ein Mensch nur so einen bösen Blick haben? Und da fürchteten sich die Leute vor Vampiren.. mir machte Dave fast mehr Angst als jeder Vampir oder jeder Werwolf es je könnte. Nach der Stunde packte ich meine Sachen extra langsam ein. Nach und nach verschwanden alle aus dem Raum. Hannah saß noch immer neben mir und musterte mich. „Geh ruhig vor. Ich komme gleich nach“, sagte ich zu ihr, ohne sie dabei anzuschaun. Meine Augen hatte ich auf Dave gerichtet, der als Letzter abgesehen von uns auf seinem Platz saß und ausnahmsweise mal stur nach vorn schaute. Ich schüttelte nur den Kopf. Dieser Kerl war furchtbar. Meine Hand wanderte in meine Tasche und kaum das Hannah das Zimmer verlassen hatte, zog ich die Pralinenschachtel heraus, nahm meine Schultasche und ging nach vorn zu Dave, dem ich die Schachtel auf den Tisch legte. „Schließ damit ab, David“, riet ich ihm, dann verließ ich zügig den Raum. Ich hoffte er würde jetzt endlich von mir ablassen, doch glauben tat ich nicht daran. „Was hast du ihm gesagt?“, wollte Hannah kurz darauf auf dem Schulhof wissen. Meine Augen wanderten durch die Menschenmenge hier, doch David war nicht darunter. „Das er nicht mehr weiter hoffen brauch.“ „Mhm“, murmelte sie nur und damit war die Sache auch schon gegessen. Ich wusste zwar, dass sie gern weiteres gefragt hätte, aber ich war ihr dankbar das sie dies nicht tat. Im Sozialkundeunterricht war ich nun diejenige die David anstarrte. Immer wieder wanderte mein prüfender Blick zu ihm, doch auch wenn ich nicht hinsah, spürte ich, dass er mich nicht musterte. Ein kleines Erfolgserlebnis. Ich hoffte er würde es nun dabei belassen und lief nach dem Unterricht mit einem erleichterten Gefühl zum Parkplatz wo Jacob in gewohnter Pose an meinem Alfa lehnte und mich anlächelte. Als ich näher kam, zog er mich zu sich heran, beugte sich herab und wollte mich küssen, doch ich wand mich ab. „Nicht hier“, flüsterte ich leise und schob ihn von mir weg. „Warum nicht?“, fragte er ungläubig. „Ich will nicht noch mehr erklären müssen...“ „Okay“, sagte er unbegeistert und nahm auf dem Beifahrersitz platz. Die Fahrt über schwiegen wir und wieder wippte Jake neben mir nervös mit dem Bein. Doch ich hielt mich zurück, schließlich gab ich ihm ja wieder allen Grund nervös zu sein. Es war nicht richtig mich so vor der Welt zu verstecken. Was war denn schon falsch daran einen Freund zu haben? Das hatten andere in meinem Alter doch genauso und nur weil wir ein ungleiches Paar waren mussten wir uns doch noch lange nicht verstecken. Im heimischen Hof zog ich den Schlüssel aus dem Autoschloss, nahm die Hände vom Lenkrad und seuftzte. „Nessie was-“ Noch ehe er zu Ende fragen konnte hatte ich meine Arme schnell um ihn geschlungen und meine Lippen auf seine gelegt. Einen Moment schien er noch perplex zu sein, dann schloss auch er die Augen, legte seine Hände an meine Hüften und hob mich ohne den geringsten Kraftaufwand über die Gangschaltung hinweg auf seinen Schoß. Seine Hände wanderten weiter hinauf und streichelten unter meinem Shirt meinen Rücken. Sofort wurde mein ganzer Körper von einem wohltuenden Kribbeln erfasst und ich stöhnte leise auf ohne meine Lippen von ihm zu lassen. Meine rechte Hand wanderte am Stuhl herab. Während ich ihm mit der Anderen über seine Wange strich, drehte ich an dem Rad am Autositz und ließ diesen langsam herab. Als er letztlich komplett lag, küssten wir uns noch einen langen Moment. Erst dann ließen wir voneinander ab und ich legte meinen Kopf auf seine Brust. Er umschloss mich mit seinen Armen und drückte mich sanft. Ich fühlte mich unendlich wohl und geborgen. Dann strich er mir mit der rechten Hand durch die Haare. Ich genoss jede seiner Berührungen und schloss meine Augen. Ich wollte am liebsten für immer hier so liegen bleiben. *** Am nächsten Morgen in der Schule musterte ich David gelegentlich um mich zu vergewissern das er noch immer nach vorn schaute. Und das tat er. Als ich vor dem Kunstunterricht gegen Ende des Schultages gemeinsam mit Hannah auf der Bank im Flur vor dem Kunstsaal saß und mich den ganzen Tag über nicht beobachtet gefühlt hatte zeichnete sich ein kleines triumphierendes Lächeln auf meinem Gesicht ab. Der Brief hatte anscheinend doch Wunder gewirkt. Als Mrs. Floralys hektisch wie immer die Tür öffnete strömte die Menge in den Saal, Hannah und ich trotteten hinterher und gingen zu unseren Plätzen ganz hinten. Die Tische im Raum waren Hufeisen-Förmig an der Wand angeordnet. Zwischen uns an einem offenen Ende des Hufeisens und den Schülern am Anderen waren einige Meter Platz in denen unsere Lehrerin nun langsam hin und her trippelte und dabei mit Notizblock und Stift bewaffnet jeden Schüler einzeln ansprach. Hannah erschien nun neben mir mit ihrer Skulptur, die ich bis heute nicht identifizieren konnte. Hannah nannte das „abstrakte Kunst“ und hoffte trotzdem noch eine gute Zensur zu kriegen. „Was?“, fragte sie misstrauisch, als sie bemerkte wie ich ihre „Kunst“ musterte. „Ach.. ich hab nur grad wieder versucht mir was darunter vorzustellen, aber es will mir einfach nicht gelingen.“ „Aha..“, antwortete sie mit einem beleidigtem Unterton. „Und wo ist deine Skulptur?“ Erst jetzt viel mir ein, dass sich meine ja gar nicht im Regal befand. Erschrocken klatschte ich mir meine Hand auf die Stirn und fuhr mir danach damit durchs Haar. „Oh oh..“ „Oh oh?“, hakte meine Freundin nach. „Du hast sie nicht?“ Geradeaus starrend schüttelte ich den Kopf. Just im Moment kam Mrs. Floralys an Hannahs Tisch und begutachtete ihr Werk. Sie hielt sich dabei immer das Kinn und machte die ein oder andere Notiz. Manchmal auch einen Haken auf ihrem Blatt oder sie strich etwas durch. „Sehr fein,“ war alles was sie dazu zu sagen hatte, dann rückte sie einige Zentimeter weiter zu mir und sah mich durch ihre dicke Brille an. Ihre Augen sahen bei weitem größer aus als sie es letztlich waren. „Und wo ist Ihre Arbeit, Miss Cullen?“ Ich schluckte und schüttelte den Kopf. „Nicht hier?“ „Zuhause..“, sagte ich leise. „Ja, da liegt sie gut“, antwortete sie forsch und machte einen kompletten Strich über das Papier, danach tippelte sie zur Tischreihe gegenüber. Kaum eine Viertelstunde später bekam jeder von uns einen kleinen Zettel. Auf meinem lachte mir ein überdimensionales F entgegen. Mürrisch lief ich nach dem Unterricht mit der schlechten Zensur in der Hand durch den Flur. Ich wollte am liebsten meinen Wagen nehmen und mit Volldampf über die nächste Autobahn preschen. „Was ist es?“ Die mir bekannte Stimme ließ mich abrupt stoppen. An der Wand zu meiner Rechten lehnte David mit verschränkten Armen. Ich hatte ihn glatt übersehen. „Ein F“, antwortete ich geladen. „Das mein ich nicht“, antwortete er immernoch mit ruhigem Ton. „Was hat er was ich nicht habe?“ „David-“, wollte ich ansetzen, wurde jedoch direkt wieder unterbrochen. „Ist es weil er besser gebaut ist? Kein Problem ich kann trainieren.“ Traurig sah ich ihn nun an. „Nein, das ist es nicht, David. Das spielt doch absolut keine Rolle für mich. Ich liebe ihn doch nicht, weil er gut aussieht.“ „Warum dann?“ Ich antwortete nicht und sah ihn einfach nur an. Er schien die Antwort wirklich wissen zu wollen und in seinem Blick lag keine Aggression. Auch sonst ging eine merkwürdige ruhige Aura von ihm aus. Eine Weile sahen wir uns nur an, dann ergriff ich endlich das Wort. „David.. Es gibt Dinge in dieser Welt die lassen sich weder mit Worten beschreiben, noch kann man sie mit ihnen erklären. Ich kann dir keine Gründe für meine Liebe nennen. Wenn man jemanden wirklich liebt, dann tut man dies von Innen heraus. Nur bedingungslose Liebe ist wahre Liebe, wenn man liebt ohne den Grund dafür zu kennen, wenn man einfach nur liebt, dann liebt man wirklich und aufrichtig. So liebe ich Jacob und daher kann ich dir auch keine Antwort auf deine Frage geben.“ Ich verstummte und wartete auf eine Reaktion. Machte mich schon auf einen Ausraster gefasst, doch mein Gegenüber löste nur seine Arme, ließ sie nun neben sich baumeln und senkte den Blick. „Aber eine Bitte habe ich an dich“, sagte ich langsam. „Mhm?“, machte er und sah mir wieder in die Augen. „Tu was ich dir gesagt habe. Vergiss mich.“ Er senke erneut seinen Blick, schüttelte kaum merklich den Kopf und lief dann davon. Ich sah ihm noch hinterher und starrte auf die Stelle an der er um die Ecke gebogen war. Erst nach einigen Minuten ging ich langsam mit gesenktem Blick zum Parkplatz. Dort wartete Jake natürlich auf mich. „Hey Schatz!“, begrüßte er mich und strahlte mich an, doch sein Lächeln verschwand kaum das ich mich ihm genähert hatte. „Was ist denn los?, wollte er wissen. „Ach..“, sagte ich und hob ihm den Zettel hin. Ich hielt es für besser die Sache mit David zu verschweigen und meine schlechte Laune einzig auf meine miese Zensur zu schieben. „Für was hast du das denn kassiert?“ „Kunst.. wir sollten eine Skulpur machen, aber ich konnte meine nicht vorzeigen.“ „Und warum nicht? Wo ist sie denn?“ „Sie liegt zuhause..“ „Oh..“, sagte er betroffen und starrte nun ebenfalls auf den Asphalt. „Moment mal..“ Mit einem Mal fiel mir ein, dass mein Wölfchen ja eigentlich nicht Zuhause war. Wenn ich Glück hatte befand es sich noch immer im Handschuhfach meines Vaters. „Was?“, fragte Jake nun. „Keine Zeit für Erklärungen. Komm mit“, antwortete ich, nahm ihn bei der Hand und zog ihn hinter mir her ins Schulgebäude. „Nessie? Nessie.. was-?“ Er verstummte als wir vor einer Tür stehen blieben. Wenn ich nicht falsch lag, war mein Vater in diesem Raum. Daddy? fragte ich in Gedanken. Bitte komm kurz raus, ich brauch deine Autoschlüssel. Keine zwei Minuten später öffnete sich die Tür und mein Vater trat heraus. Jake schien ein wenig überrascht zu sein. Glücklicherweise laß mein Vater zügig mein Vorhaben in meinen Gedanken. Jedwede Frage erübrigte sich deshalb und so nickte er nur, griff in seine Hosentasche und gab mir den Schlüssel seines Volvos. „Aber mach schnell, ich hab erzählt ich bin auf dem Klo.“ „Alles klar, Dad“, antwortete ich lächelnd, nahm die Schlüssel und lief mit Jake zügig wieder nach draußen. Als ich auf den kleinen Knopf auf dem Schlüssel drückte, machte der silberne Wagen meines Vaters piepend auf sich aufmerksam und war schnell gefunden. Erwartungsvoll öffnete ich die Beifahrertür und schließlich das Handschuhfach. Und tatsächlich: mein Vater hatte sie nicht weggeräumt und ich hatte sie glücklicherweise darin vergessen, obwohl ich mir vorgenommen hatte sie rauszuholen. „Klasse“, sagte ich zufrieden und schloss den Wagen wieder ab. Jake sah mich immernoch fragend an. Ich hatte mir eigentlich eine romantischere Situationen gewünscht in der ich ihm meine Statue zeigen konnte, aber wenn ich sie ihm jetzt nicht zeigte wäre dies sicherlich nicht von Vorteil gewesen und er hätte sich übergangen gefühlt. „Das ist sie“, sagte ich zu ihm und hob ihm mein Wölfchen entgegen. „Die Skulptur für die ich das F bekommen habe.“ Auf seinem Gesicht breitete sich ein Grinsen aus. „Der Wahnsinn.“ Er nahm sie in die Hand, drehte sie langsam und musterte die Details. „Das.. das bin ja ich“, stellte er leise flüsternd fest. „Aber natürlich. Du bist der Wolf dem mein Herz gehört. Die Skulptur wollte ich dir eigentlich schenken, aber sie ist nie fertig geworden.. leider.“ „Mhm... Ich bin mir sicher, dass deine Lehrerin dir trotzdem eine sehr gute Note dafür geben wird. Du hast ja fast mehr Talent als ich.“ „Dankeschön“, sagte ich. „Aber jetzt müssen wir schnell los.“ Ich nahm Jake wieder bei der Hand und lief mit ihm zurück zu meinem Dad, der auf der Bank im Flur saß. „Danke“, sagte ich rasch und gab ihm ein Küsschen auf die Backe. „Nichts zu danken“, antwortete er gelassen und ging wieder zurück in den Unterricht. Ich hingegen ging mit Jake in die Tür gegenüber. Ich hatte wieder einmal Glück: der Saal war offen und Mrs. Floralys saß an ihrem Pult. Die Glubschaugen hatte sie in ein dunkelblaues Buch vertieft. Auf dem Umschlag erkannte ich beim näher kommen einen Mond, Sterne, eine Pflanze und ein Dörfchen sowie die Überschrift „Werke von van Gogh“. Selbst als wir kurz vor dem Pult standen bemerkte die kleine Frau uns nicht. „Die Sternennacht.. ein schönes Bild“, sagte Jake mit einem Mal und ich sah ihn verwundert an. Seit wann kannte er sich mit Kunst aus? Mrs. Floralys sah überrascht auf. Zuerst starrte sie auf Jake, dann wanderte ihr Blick zu mir. Sie legte ein Stück Papier, welches sie offenbar als Lesezeichen verwendete, in das Buch und klappte es zu. „Was kann ich für Sie tun?“ „Nun..“ begann ich langsam. „Wegen meiner Skulptur.. sie war nicht Zuhause. Ich hatte sie nur im Auto vergessen. Wenn ich sie jetzt vorzeige, ändern sie dann die Note?“ Ich wurde aus ihrem Blick nicht schlau. Sie schien zu überlegen und musterte dabei nochmal Jacob, dann mich. „Ich.. denke die Note steht fest, Miss Cullen. Es wäre unfair den anderen Gegenüber. Ich hab heute benotet, Ihre Arbeit war nicht da. Punkt. Aus. Ende.“ Ich antwortete nichts, nickte nur kaum merklich und ließ die Schultern wieder hängen. Alles umsonst. „Aber Madame..“, meldete sich nun mein Freund zu Wort. „Kunst ist doch Zeitlos und sie wollen doch richtige Kunst bewerten, oder nicht? Ich denke, es ist vollkommen egal wann sie bewertet wurde oder ob es unfair gegenüber jemandem ist. Wenn ihre Arbeit gut ist, verdient sie eine entsprechende Auszeichnung.“ Nun kam ihr Entschluss wohl ins Wanken. Sie überlegte erneut und kratzte sich dabei langsam am Kopf, der von einer kurzen gräulich-braunen Oma-Frisur mit leicht gekräuselten Haaren bedeckt wurde. „Nun gut.. zeigen sie mal her.“ Das ließ Jake sich nicht zweimal sagen und stellte das Wölfchen auf die Tischplatte. Mrs. Floralys große Augen weiteten sich noch weiter und ihr kleiner Mund klappte auf. „Ich war ja schon vorher sehr angetan von Ihrer Arbeit, Miss Cullen. Aber nun in ihrer Vollendung finde ich kaum Worte dafür. Sie haben sehr viel Gespür für Details und es steckt Gefühl und Leidenschaft in dieser Arbeit.“ Ich lächelte und freute mich über das Lob. Jake legte einen Arm um meine Schülter. „Geben Sie mir bitte Ihren Zettel.“ Bereitwillig tat ich wie mir geheißen und gab meiner Kunstlehrerin den Zettel mit dem dicken roten F. Sie kritzelte kurz darauf herum, dann gab sie ihn mir wieder. Nun las ich darauf ein großes schwarzes A und strahlte über beide Ohren. „Oh danke danke!“, bedankte ich mich euphorisch und wäre ihr am liebsten um den Hals gefallen. Noch während der Heimfahrt musterte Jacob sein kleines Ebenbild lächelnd. „Du sag mal, Nessie“, sagte Jake dann. „Mhm?“, fragte ich ohne den Blick von der Straße abzuwenden. „War ich da gerade Jagen? Da klebt Blut im Gesicht.“ „Nein“, antwortete ich. „Das war ein Versehen.“ „Achso.. naja.. ich finde es so ganz gut. Auch Versehen können mal was Gutes bewirken.“ „Ja..“ war das Einzige was ich antwortete. Weiter wollte ich über den Vorfall nicht nachdenken. Aber irgendwo hatte er Recht. Versehen gehörten eben zum Leben dazu und sie waren auch nicht immer schlecht. Genauso war es mit Rückschlägen. Und ich hoffte, dass das Andere auch bald verstehen würden.... - Ende Kapitel 11 - Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)