Patient X von Seraphin ================================================================================ Kapitel 20: Prozessbeginn ------------------------- Kapitel 20: Prozessbeginn Am Morgen des Prozessbeginns, Lord Voldemort würde also vermutlich noch acht Tage zu leben haben, ging Hermine nicht ins Krankenhaus. Man hatte ihr am Vorabend gesagt, dass der Gefangene am frühen Morgen schon von den Auroren abgeholt werden würde. Während der Verhandlung dürfe sie auch nicht zu ihm gehen. Erst nach der Verhandlung, wenn er seine letzten Stunden im Krankenhaus abwarten sollte, dürfe sie ihren lieben Feind wahrscheinlich wiedersehen. Dort würden sie dann warten, bis er endgültig gehen musste. Hermine hatte ihre Eltern unter einem Vorwand eingeladen. Ihr Therapeut hatte sie dazu ermutigt, sich Hilfe zu holen. Sie hatte schon so lange stark sein müssen und war dabei ganz auf sich alleine gestellt, etwas moralische Unterstützung angesichts der kommenden Ereignisse würde ihr gut tun. Wirklich gut war Hermines Vorwand nicht. Ihre Eltern glaubten bestimmt nicht wirklich, dass sie ihnen unbedingt ihr Zimmer im Tropfenden Kessel zeigen musste, jedoch klang die junge Frau so verzweifelt am Telefon, dass Mr Und Mrs Grangers, zutiefst beunruhigt, kurzfristig ihre Praxis schlossen und zwei Wochen lang zu ihrer Tochter nach England reisten. Da ihr ach-so-interessantes Zimmer in Toms Wirtshaus jedoch zu klein war, um weitere Gäste zu beherbergen, boten sich die Weasleys an, Hermines Eltern in diesen zwei Wochen bei sich im Fuchsbau aufzunehmen. Eigentlich klappte das sehr gut. Arthur Weasley war selig, soviel Muggel-Know-How um sich herum zu haben und die Grangers waren froh, soviel über die magische Welt lernen zu können. Doch wie würde die Stimmung wohl sein, wenn Ron, Harry und Hermine an diesem Abend nach Hause kamen? xXx Es war erst acht Uhr am morgen. Alles, was offiziell bestätigt worden war, war, dass die nächsten Tage ein Prozess gegen einen einzelnen Todesser stattfinden würde, dessen Verurteilung schnellstmöglich erwirkt werden sollte. Dass man die Identität geheim hielt, ließ viel Platz ließ für allerlei Spekulationen. Hermine betrat mit wackligen Knien den großen kreisrunden Sitzungssaal. Einem Hörsaal oder einem Kinosaal gleich, stiegen die hölzernen Sitzreihen nach oben hin an, so dass das „Publikum“ auf die freie, kreisrunde Fläche in der Mitte blicken konnte. Nein, ein Kinosaal, das war falsch. Heute war der Gerichtssaal die Arena des Colosseums in Rom, gleich würde man die wilde Bestien hereinbringen, die die Auroren wie Gladiatoren zur Volksunterhaltung vor aller Augen besiegen sollten. Dann würde Cäsar, in diesem Falle der neue Zaubereiminister und oberste Richter des Zaubergamotts, den Daumen senken und für Lord Voldemort den Todesstoß anordnen. Viel mehr Leute als sonst drängten an diesem Morgen in das Ministerium. Die Stimmung war voll von ängstlicher Angespanntheit. Es war nicht der erste Todesserprozess, doch natürlich war vielen, die diese Prozesse beobachtet hatten, nicht entgangen, dass alle Angeklagten namentlich genannt worden waren und nur dieser spezielle Gefangene namenlos war. Rita Kimmkorn hatte den Angeklagten in ihrer Samstagsausgabe „Er-dessen-Namen-nicht-genannt-werden-darf“ genannt. Eine Anspielung, mit der sie natürlich genau ins Schwarze traf. Immer wieder, eigentlich schon seit dem Ende der Schlacht, hatte es in der letzten Zeit Gerüchte über Lord Voldemorts Ende bei der Schlacht gegeben. Das Ministerium verweigerte eine Stellungnahme, was mit der Leiche geschehen war. Ja, was war damals geschehen? Ben hatte ihnen gesagt, dass der Fluch, der auf Voldemort zurück gefallen war, ein abgeschwächter „Streifschuss“ gewesen war. Offenbar hatte er es im letzten Moment geschafft die volle Wucht des Avada Kedavras abzuschwächen und von seinem Körperzentrum wegzuleiten. Aber auch in dieser abgeschwächten Form war der Fluch stark genug gewesen, um seinen Urheber lebensgefährlich zu schwächen. Was in der großen Halle zu Boden zu Boden gefallen war, war keine Leiche, sondern etwas, das knapp davor gestanden war, eben dieses zu werden. Der grüne Blitz hatte den Dunklen Lord getroffen, er war zu Boden gegangen, mehr wurde in der Halle von der feiernden Menge nicht beachtet oder gar unternommen. Eine ärztliche Untersuchung war erst in der Abstellkammer durchgeführt worden, in die man ihn nach der Schlacht gebracht hatte. Kingsley Shacklebolt war hinzugeholt worden und einige ethisch höchst unangenehme Minuten lang war überlegt worden, ob man den Schwerverletzten nicht einfach liegen lassen und den Dingen ihren Lauf lassen sollte. So lange, bis Shacklelbolt die Idee kam, wie rein man den Namen des Landes doch waschen könnte, wenn man das Leben des Mörders retten würde, um es dann später in aller Öffentlichkeit auszulöschen. Ein Meuchelmord hätte den bitteren Nachgeschmack des Barbarischen hinterlassen, doch Menschen zu töten, die dazu ordnungsgemäß verurteilt worden waren, das war Gerechtigkeit. Sechs Menschen waren in der Abstellkammer, etwa zwölf Mitarbeiter des Krankenhauses wussten, wer im Keller gepflegt, oder besser, weggesperrt wurde, sechzehn verschiedene Auroren wechselten sich mit der Wache im Krankenhaus ab. Offenbar waren diese insgesamt vierunddreißig Menschen nicht ganz so verschwiegen und vorsichtig, wie sie es hätten sein sollen. Entweder rutschte dem einen oder anderen eine unbedachte Bemerkung heraus, manche Berichte wurden von den falschen Augen gelesen, manche Gespräche von den falschen Ohren belauscht. Alles zusammen reichte das auch, um immer wieder neue Gerüchte in Umlauf zu bringen, wonach der Dunkle Lord noch lebte. Doch es gab ja so viele Geschichten. Da das Ministerium am Tod Voldemorts fest hielt, blieben diese Informationen Gerüchte. Am Wochenende gab das Ministerium zum ersten mal genauere Informationen heraus, doch die Zeitungen wurden am Montagmorgen bis acht Uhr, dem Beginn der Verhandlung, zurückgehalten. Zu groß war die Angst vor einer Massenpanik oder Unruhen, die den Sitzungsbeginn behindert hätten. Doch, wie erwähnt, es gab Gerüchte. Wie bei anderen Todesserprozessen auch, mussten sich die Leute, die zuschauen wollten, einige Tage vorher in Listen eintragen, die im Ministerium ausgehängt wurden. Sicherheitsvorkehrungen, um Blutrache zu vermeiden. Außerdem war der Saal nicht groß genug, um alle Menschen, die mit den Todessern offene Rechnungen hatten, aufnehmen zu können. In diesem Fall, bei diesem Prozess, wurde die Zuschauerzahl darüber hinaus zusätzlich begrenzt und gesiebt. Dem ausgewählten Publikum wurde am Abend des vorherigen Tages eine Erlaubniserklärung per Eulenpost zugesandt. Nur mit dieser Erklärung in der Hand durfte man den Saal betreten. Die anderen warteten in den überfüllten Gängen des Ministeriums, ob sich die Gerüchte in Gewissheit verwandeln würden. Am Eingang mussten alle Zugelassenen, ihrer größten Verwunderung zum Trotz, die Zauberstäbe an eigens dafür zuständige Ministeriumsmitarbeiter abgeben, die lange Pergamentrolle vor sich aufgebaut hatten, in denen sie die Eigenschaften eines jeden Zauberstabes genau notierten, um sie später an die richtigen Besitzer zurück geben zu können. Hermine hatte eine Erlaubnis bekommen, Ron auch, ebenso wie zahlreiche andere bekannte Gesichter, die die drei Gryffindors von ihrem Platz her erkannten. Die meisten waren aktiv im Kampf gegen Voldemort beteiligt gewesen. Allein schon die Auswahl des Publikums ließ Rückschlüsse auf die Identität des Angeklagten zu. Diejenigen, die als Zuschauer ausgewählt worden waren, bekamen nummerierte Sitzplätze zugewiesen. So viel Ordnung wie möglich sollte im Vorfeld geschaffen werden. Die Zeugen saßen noch im Raum, sollten nun doch erfahren, gegen wen sie aussagen sollen, würden aber später hinausgeschickt. Erst dann würde man ihnen den genauer Termin ihrer Aussage mitteilen. Wer den Sitzungssaal kannte, wurde überrascht. Die vorderen Sitzreihen waren magisch entfernt worden. Die „Bühne“, so konnte man es nennen, wo das nun folgende Schauspiel abgehalten werden sollte, war vergrößert worden. Der Raum wurde von zahlreichen Fackeln und Leuchtfeuern erleuchtet. In der Mitte des Raumes, dort, wo das freie Feld war, wo die Angeklagten verhört wurden, war ein Mosaik in den Boden eingelassen, das die magischen Geschwister darstellte. Der steinerne Boden, die mit Marmor verkleideten, dunklen, fensterlosen Wände des Kellergewölbes und das echoähnliche Nachhallen, das jedes Geräusch in dem weiträumigen Raum erzeugte, sowie der leicht modrige Geruch des fensterlosen Raumes, ließen diesen Saal wie eine große, kalte Gruft erscheinen. Hermine erschauderte bei diesem Vergleich. Natürlich war hier schon lange niemand mehr zum Tode verurteilt worden, davon war man schon vor über hundert Jahren abgekommen, doch die Zauberwelt war keine barmherzige, sondern wurde mit strenger Faust regiert und Strafen war oft unverhältnismäßig hart und grausam. Die Richter- und Anklageplätze schlossen sich in das Kreisrund der Zuschauerbänke ein, waren jedoch durch Steinwände abgetrennt. Einer Opernloge gleich saßen die Leute hier komfortabler, geräumiger auseinander, hatten jedoch alle Tische vor sich. Ein thronartige Stuhl, auf den man den Angeklagten fesseln würde, war zu ihnen hin ausgerichtet. Hermine saß neben Ron und Harry auf mittleren Rängen am linken Ende des Saales. Der Stuhl, auf den der Angeklagte geschnallt werden würde, stand ihnen schräg gegenüber. Sie würde ihn genau im Blick haben. War das nun gut oder schlecht? Harry wippte nervös aus seinem Platz vor und zurück. Mit fahrigen Fingern fummelte er an dem zerknitterten Brief herum, den er vor ein paar Wochen vom Ministerium erhalten hatte. Sein ganzer Körper bebte, er hechelte fast vor Nervosität. Natürlich hatte auch er die Gerüchte gehört, aber es waren eben nur Gerüchte. Da er nun kein Horkrux mehr war, war auch die Verbindung zu Voldemort abgerissen. Und er hatte ihn doch sterben gesehen, oder nicht? Da aber niemandem im Saal sonst einfallen wollte, wer der Angeklagte sein könnte, war die Atmosphäre schon zu Beginn erfüllt von ängstlichen Vermutungen. Überall murmelte es „Hast du nicht gehört? Vielleicht stimmt es ja“ und sofort beruhigende Einwände wie: „Aber er starb doch während der Schlacht, man sah ihn doch umfallen“. Auf der gegenüberliegenden Seite saßen Neville und Augusta Longbottom. Luna Lovegood und ihr Vater saßen, dank des Presseausweises, einige Reihen weiter vorne. Hermine wollte sich gar nicht vorstellen, was Xenophilius in seiner Zeitung über diese Enthüllung schreiben würde. Auch Professoren aus Hogwarts waren da. Hermine nickte ihnen mit verunglücktem Lächeln zu. Wenn es sich vermeiden ließ, würde sie auf gar keinen Fall mit einem von ihnen reden. Nicht heute. Auch nicht mit Hagrid, der, das hatte sie von Harry erfahren, ebenfalls als Zeuge aussagen würde. Kingsley Shacklebolt sammelte um sich herum zahlreiche hochrangige Regierungsmitglieder. Offenbar wohnten auch Vertreter ausländischer Regierungen dem Prozess bei. Ihre Umhänge wurden an der linken Seite von aufgenähten Flaggen ihres Landes geziert. Die Tür öffnete sich und zwanzig Auroren betraten den Saal, die sich kreisrund um den Anklagestuhl aufstellten. Rote Blitze schossen aus den Zauberstäben der Auroren, die kreisrund um die Sitzplätze zu rotglühenden Gitterstäben verschmolzen, um das, was dort hineinkommen würde, von den Zuschauern und den Richtern zu trennen. Zusätzlich wurden Protego-Schutzschilde um die Richterloge beschworen. Die Türen wurden ebenfalls mit zusätzlichen Bannen belegt. Der ganze Raum glich nun einem Zirkuszelt, in dessen Mitte ein Raubtiergehege aufgebaut worden war. Die Menge wurde zusehend nervöser. Warum diese verschärften Sicherheitsmaßnahmen? Hermine stieß Ron in die Seite und deutete nach vorne. Auch Harry drehte sich um. Draco, Lucius und Narcissa Malfoy hatten einen Platz in der ersten Reihe zugewiesen bekommen. Sie würden nachher, wie Harry und die anderen Zeugen, hinausgehen müssen. Die Familie Malfoy schien von einer großen Unruhe überkommen. Ihre Gesichter glänzten schweißnass, während sie immer wieder ihre Köpfe zusammensteckten und tuschelten, flüsterten sich wohl gegenseitig Vermutungen zu, wer der nächste Angeklagte sein könnte. Die Auroren verengten den Kreis um den Anklagestuhl und belegten den noch leeren Sitz mit zusätzlichen Bannen und Flüchen. Nachdem dies erledigt war, erweiterte sich der Kreis der Beschützer wieder, so weit wie möglich, wichen sie zu den Zuschauerbänken nach hinten zurück, als würden sie dem, der sich dort niederlassen sollte, nicht einen Zentimeter zu nah kommen wollen. Das Raunen der Menge wurde immer lauter. Bisher waren doch die Vorsichtsmaßnahmen ausreichend und einfallsreich gewesen. Was würde auf die Anwesenden wohl zukommen, dass all diesen zusätzlichen Aufwand rechtfertigte? Erneut hoben die Auroren die Zauberstäbe und senkten den Lärmpegel. Durch das Drehen ihrer Zauberstäbe konnten sie die Stimmlautsärken der Menschen im Raum leiser dimmen, bis nur noch Wispern die aufgeregt schwatzenden Münder verließ. Doch dieses Geflüsterte von den rund fünfhundert Menschen im Saal ließ die Atmosphäre nur noch gespenstischer wirken. Ankläger wie Richter, allesamt wirkten sie angespannt. Manche weiß, manche rotfleckig im Gesicht. Nervös zur Tür schielend, saßen sie schwer atmend an ihren Plätzen und wirkten unsicher, ob sie ihrer Neugier nachgeben und Richtung Tür sehen sollten, oder ob sie nicht doch lieber die Sicherheit vorgehen lassen und sich unter ihren Tischen verstecken sollten. Doch irgendwann war die Anspannung, die darauf folgte nicht mehr zu ertragen. Nun musste es beginnen. Shacklelbolt nickte der Anklagehexe zu, die sich daraufhin so wacklig auf ihre Beine erhob, dass sie fast auf ihren Assistenten gefallen wäre. Doch sie richtete sich erneut auf, begradigte sich und verkündete mit lauter, überraschend selbstsicher wirkender Stimme: „Nächster Verhandlungspunkt, der Staat gegen Tom Marvolo Riddle.“ Wenige, ganz wenige Menschen, in der Menge, waren bei der Erwähnung dieses Namens kreidebleich geworden. Doch konnte Hermine in all ihren Gesichtern die Hoffnung erkennen, dass dies ein Missverständnis war und eine andere Person mit ähnlich klingelndem Namen gemeint war. Die meisten jedoch schienen entweder nicht auf ihre Worte geachtet zu haben oder sie konnten sich nicht vorstellen, was an diesem Riddle denn schon besonders sein sollte. Er war ja nicht einmal ein bekannter Todesser. Harry und Ron, eben noch in ein Gespräch vertieft, sahen sich verwundert um. Schienen nicht zu begreifen, was die ratlosen Gesichter bedeuten sollten. Ebenso die Malfoys, vor lauter Herumrätseln, wer der Angeklagte sein könnte, hörten den Namen gar nicht, den die Anklägerin eben aufrief. Mafalda Hopfkirch erbat sich erneut absolute Stille im Saal, als sie weitersprach. „Holen Sie den Angeklagten jetzt herein.“ Die große, schwere Ebenholztür des Saales schwang auf und vier weitere Auroren betraten den Saal. Den Angeklagten hatten sie in die Mitte genommen, schatteten ihn mit ihren Körpern vorne, hinten, rechts und links von den Blicken der Zuschauer ab. Einzig ein schwarzer Umhang, war durch die Körper hindurch zu erkennen. Ein schwarzer Umhang, der von einem relativ großen Mann getragen wurde, dessen Gesicht jedoch merkwürdig unscharf wirkte und auch bei genauem Hinsehen nicht zu erkennen war. Ein spitzer Schrei und eine Frau wurde ohnmächtig. Ron und Harry sprangen von ihren Sitzen auf. „Kannst du was sehen? Was ist denn mit der Frau passiert?“ wollte Harry von Ron wissen, während er sich seine Brille an seinem Umhang abwischte, offenbar der Meinung, dass nur die Brille daran schuld war, dass der Angeklagte nicht zu erkennen war. „Nein, nichts. Ich seh gar nichts…als ob sie den Typ eingenebelt hätten. Der ist total verschwommen“, entgegnete der Rothaarige enttäuscht, während er jedoch angestrengt weiter versuchte, doch etwas mehr als nur schwarzen Nebel zwischen den Auroren erkennen zu können. Ein weiterer panischer Schrei, und noch einer. Obwohl es den Menschen im Saal durch den Flüsterzauber unmöglich war, laut zu werden, war doch von allen Seiten ein aufgewühltes Raunen zu vernehmen. Die Spannung im Saal war nicht mehr auszuhalten. Der Angeklagte und seine Aufpasser erreichten den Anklagestuhl und wandten sich der Richterloge zu. In dem Moment, als die Auroren, die vorne und hinten standen, beiseite traten, um sich zu ihren Kollegen rechts und links neben dem Gefangenen aufzustellen, löste sich der Unkenntlichkeitszauber. Das eben so unscharfe Bild wurde zunehmend schärfer, allmählich konnte man jetzt die Konturen des Körpers immer besser, und letztendlich auch das Gesicht des Mannes erkennen. Dort, hochgewachsen, schwarzgekleidet und geisterhaft bleich stand der gefürchtetste Mann der Welt. Der Unsägliche, dessen Namen nicht genannt werden durfte, der gefährlichste Schwarzmagier aller Zeiten. Lord Voldemort. Panik drohte im Saal auszubrechen. Stühle wurden umgeworfen, Menschen fielen von ihren Plätzen, einige warfen sich auch absichtlich zu Boden und der ganze Raum war nun erfüllt vom Geräusch umfallender Stühle, leisen, furchterfüllten Schreien und hellen Blitzen, das nicht von Flüchen, sondern von hunderten von Kameras verursacht wurde, mit denen die Pressemitarbeiter so eifrig Fotos schossen, als ginge es um ihr Leben. Zweifellos würden Rita Kimmkorn und Co im Laufe des Tages erste Berichte und Bilder abgeben, so dass der „Abendprophet“ nun schon am Mittag oder Nachmittag veröffentlicht werden konnte. Damit ihn alle im Land sehen konnten, den totgeglaubten, nun gefesselten Dunklen Lord. Todesangst wehte durch den Saal, steckte, einer hochinfektiösen Krankheit gleich, alle an, die den bleichen Mann erblickten. Alle, ausnahmslos alle, kramten und wühlten hektisch in ihren Umhängen und Taschen, voll Panik hatten sie vergessen, dass sie ihre Waffen, die Zauberstäbe, nicht mehr bei sich trugen. Ein einziger Mann, gefesselt und umringt von 24 Auroren, ließ in hunderten von Menschen das Gefühl vollkommener Schutzlosigkeit aufkommen. Lord Voldemort stand aufrecht, stolz, überheblich grinsend vor seinen Anklägern, wirkte über die Aufregung, die bei seinem Erscheinen ausgebrochen war, eher amüsiert. Das Menschen bei seinem Anblick in Panik ausbrachen, war ihm vermutlich ein wohl bekannter Anblick. Die Hände hinter dem Rücken magisch gefesselt, vierundzwanzig Zauberstäbe der Auroren direkt auf ihn gerichtet war er vollkommen gelassen, zeigte nicht den geringsten Anflug von Furcht. Sein Anblick war befremdlich für Hermine, weil er so vertraut war. Das war der Mann, den sie noch vor einem halben Jahr töten wollten. Genauso hatte er bei der Schlacht um Hogwarts ausgesehen. Unwirklich war die Erinnerung an den zum Gerippe abgemagerten, hilflosen Mann, dem sie Anfang Mai im Krankenhaus begegnet war.Seit dem hatte er über fünfzehn Kilo zugenommen, wodurch er nun wieder eher sehnig als dürr aussah. Die Wunden in seinem Gesicht und auf seiner Haut waren abgeheilt, sodass er weder schwächlich noch hilflos erschien. Das war auch nicht mehr das panische Nervenbündel, zu dem ihm die Todesangst noch vor ein paar Tagen gemacht hatte. Vielleicht hatte er sich ja wirklich mit seinem Schicksal abgegeben, aber natürlich war er vor allen Dingen auch zu stolz, um hier bei seinem letzten Auftritt Schwäche zu zeigen. Hermines Aufmerksamkeit wurde von der Familie Malfoy gefangen. Narcissa war, soweit in dem Gedränge überhaupt möglich, mit einem gellenden Angstschrei drei Schritte nach hinten geflüchtet und hielt Draco festumklammert an sich gedrückt, der kreidebleich war und die entwürdigende, ihn zum Kleinkind degradierende Behandlung seiner Mutter gar nicht zu bemerken schien. Lucius Malfoys graublaue Augen trafen sich mit den rotglühenden, unheilvoll funkelnden Augen seines Meisters, wurden von dem flammenden Blick gefesselt und verbrannt…bis Lucius dem nicht mehr gewachsen war und er bewusstlos neben Frau und Sohn zusammenbrach. Eine alte Hexe, die Lucius´ Zusammenbruch bemerkte, sprang überraschend schnell von ihrem Platz auf, kletterte auf ihren Stuhl und schrie, während sie mit ausgestrecktem Finger auf den Angeklagten zeigte: „Er hat ihn umgebracht!“ Doch Lucius erwachte schon wieder und ließ sich von Frau und Sohn auf die Beine stellen. Voldemort selbst belohnte dies Schauspiel mit einem spöttischen Grinsen. Genüsslich glitten seine Blicke über die drei Malfoys, während seine Lippen einen stummen, abgrundtief bösartigen Gruß formten. Hermine kannte diesen Blick, wären die Auroren nicht hier, nur einige weniger, die Malfoys und alle um sie herum würden keine weitere Minute mehr zu leben haben. Lucius Zusammenbruch, wie kam das? Voldemort hatte doch nicht etwa…nein, das war doch nicht möglich. Hoffentlich. Einen Verteidiger hatte der Angeklagte nicht. Noch ein Detail, das den Zaubererstaat fragwürdig erscheinen ließ. Anwälte, im Sinne der Muggel, gab es eigentlich nicht. Nur Ankläger. Es gab zwar Leute die Angeklagten gegen Bezahlung Tipps und Hilfe anbieten konnten, doch im Gerichtssaal waren sie allein. Kein Wunder, dass Angeklagte fast automatisch auch Verurteilte waren. Voldemorts totenkopfähnliches Gesicht wendete sich langsam von rechts nach links, schien auf den Schultern und dem langen Hals zu kugeln, während er mit wachsamen Blick die Zuschauermenge nach bekannten Gesichtern durchforstete. Meist höhnisch grinsend, nickte er ehemaligen Opfer, kaum wahrnehmbar, zu. Als seine Blick ihm zur Linken, bei Hermine, ankamen, gefror das Grinsen. Hermine schluckte, spürte wie Wärme und Röte in ihrem Gesicht aufsteigen, einen Moment überlegte sie was zu tun sei, doch dann zwang sie sich zu einem aufmunternden Lächeln und nickte ihrem gefangenen Freund zu. Ein paar Sekunden sah er sie, ja, zweifellos sie, mit ausdrucksloser Miene an, dann verzogen sich die schmalen Lippen zu etwas, das „Hermine“ bedeuten könnte, nickte mit halbgeschlossenen Augen in ihre Richtung und drehte sich wieder zur Richterbank um. Ungläubig starrten die, die das beobachtet hatten, zu Hermine. Das waren nicht wenige. Die Augen der Menschen glitten von ihr zu ihm, wieder zurück zu ihr, zu ihm, zu ihr und sie schüttelten mit ungläubigem Entsetzen in den Augen, die Köpfe. Harry und Ron keuchten, japsten und quetschten sich nach hinten in ihre Bänke…doch dann fiel ihr Blick auf Hermine, die da wohl als einzige im Saal ruhig und kerzengerade wie zur Salzsäule erstarrt, neben ihnen saß. Und sie wussten, ohne dass ein weiteres Wort nötig war, wussten sie um Hermines Geheimnis. Wissend sahen sie zu ihrer Freundin hin und rückten unwillkürlich einige Zentimeter von ihr weg, brauchten Abstand und Platz, um die Situation, die sich ihnen so eben offenbarte, in vollem Umfang begreifen zu können. Ron hustete, sein Gehirn war zu einem gewaltigen Knoten verschlungen und nur in Zeitlupe schienen die sich langsam ordnenden Windungen das, was sie eben wahrgenommen hatten, verarbeiten zu können. Ungläubig, als wäre sie eine Halluzination sah Ron zu Hermine, dann zu Voldemort, zurück zu Hermine und dann hilfesuchend zu Harry. Der presste sich die Hand an die Narbe…eigentlich dürfte es diese Verbindung nicht mehr geben, aber vielleicht war es ja auch nur sein Körper, der ihm einen bösen Streich spielte, indem er ihn beim Anblick seines Erzfeindes mit Phantomschmerzen zum Narren halten wollte. Wie gebannt konnte der schwarzhaarige junge Mann seine Augen nicht von dem Menschen vor ihm abwenden, der sein ganzes Leben bestimmt hatte. Der Angestarrte quittierte den Schock seines ehemaligen Opfers, indem er ihm voll Häme, mit breitem, bedrohlichem Haifischgrinsen, zurücklächelte. Hermine stockte, suchte nach Worten, wollte sich entschuldigen oder zumindest erklären, doch Ron hörte nicht zu. Schien gar nicht wirklich neben ihr zu sitzen, zu tief war er in seinen Erinnerungen versunken bis er sich schließlich, langsam und vorwurfsvoll an Hermine wandte. „Ich verstehe.“ Vorwurfsvoll und anklagend war sein Blick nun, doch er konnte nicht weitersprechen. Er konnte Hermine nicht einmal anschreien oder sie irgendetwas beschuldigen, hätte er das getan, so hätte er ja vielleicht eine Antwort auf eine Frage erhalten, vor der es ihm grauste. Hermine rutschte näher, wollte ihn umarmen, wollte irgendetwas tun um ihm Nahe zu sein, doch er rückte weiter von ihr weg, schlug ihren Arm weg, wandte sich von ihr ab. Ron beachtete ihr stummes Betteln um Verständnis und Vergebung nicht. Ungläubig den Kopf schüttelnd, nicht fähig, seine Ängste als seine eigenen Gedanken zu akzeptieren, stand er auf, und tauschte den Platz mit Harry, der nun als menschliche Barriere zwischen ihnen saß. Harry selbst, starrte immer noch fassungslos auf den Mann, für dessen Tod er sich verantwortlich gefühlt hatte, der ihm nun offensichtlich hämische Worte zuflüsterte. Unhörbar für jeden in Raum, doch Hermine wusste, wie bedrohlich, deutlich und nah Voldemorts Beschwörungen nun in Harrys Kopf erklangen. Ein breitschultriger, blonder Auror, tippte Voldemort mit dem Zauberstab auf die Schulter. Dem plötzlichen Zucken, das für einen winzigen Moment den bleichen, vom schwarzen Umhang verborgenen Körper erbeben ließ, zufolge, wurde der Gefangene mit stromstoßähnlichen Flüchen zur Ordnung gerufen. Der Kontakt zwischen Harry und Voldemort brach ab. Kurz, ganz kurz, einen Herzschlag nur, schien Harry versucht, sich zu Hermine umzuwenden, und sie mit Millionen von Fragen und Vorwürfen zu bombardieren, wollte den Kopf zu ihr wenden, doch hielt in der Bewegung inne, erstarrte, gebot sich selbst Einhalt, wandte sich stattdessen Ron zu. Sie hörte nicht, worüber die jungen Männer sich unterhielten. Sie flüsterten, doch immer wieder fielen Blicke Hermine hinüber, und diese Blicke, sie waren nicht freundlich. Die junge Frau schrumpfte zu etwas zusammen, sie fühlte sich kaum wertvoller als der Dreck am Boden, der an ihren Schuhsohlen haften blieb. Es dauerte Minuten bis die Sicherheitskräfte und Gerichtsdiener die Panik im Saal soweit beschwichtigt hatten, dass die Menge ihre Aufmerksamkeit erneut der Anklägerin zuwenden konnte. Mit magisch verstärkter, jedoch unbestreitbar aufgewühlt klingender Stimme, wandte sie sich an den dunklen Lord. „Sind Sie Tom Marvolo Riddle? Geboren am 31.12.1925 in London?“ Voldemort nickte. „Ja.“ Die Anklagehexe wagte es die Brauen hochzuziehen, dem Angeklagten direkt in´s Gesicht zu blicken und fragte: „Tom, oder doch Thomas?“ Voldemirt grinste süffisant und antwortete und antwortete bitter-süß: „Nein, nur Tom.“ Shacklebolt ergriff das Wort, er stand auf und Mafalda setzte sich. „Mr. Riddle. Ist es richtig, dass Sie in der Welt besser unter dem Pseudonym Lord Voldemort bekannt sind?“ Voldemort nickte abermals, mehr gelangweilt als aufmerksam scheinend. „Ja, diesen Namen trage ich seit meiner Schulzeit“ erklang die kräftige, durchdringende und schauderhaft kalte Stimme im Raum. Gänsehaut wurde bei diesem Klang wie Blütenpollen im Wind durch den Saal geweht. Shacklebolt versuchte, streng und autoritär auszusehen, doch schien ihn Voldemorts aufrechte Haltung zu verunsichern. Möglicherweise dachte er gerade daran, wie er selbst bei der Schlacht von Hogwarts mit Hilfe von Minerva McGonagall und Flitwick auch zu dritt keine Chance gegen den gefürchteten Schwarzmagier gehabt hatte, obwohl sie alle drei zu den fähigsten Zauberern des Kontinents zählten. „Mr. Riddle. Ich teile Ihnen mit, dass das Gericht nicht gewillt ist diese Bezeichnung zu akzeptierten. Sie ist selbst gewählt, entbehrt jeder Grundlage und steht für jahrzehntelangen Terror, der nun beendet ist. Das Gericht wird dies nicht unterstützen, indem es sich Ihres selbstgewählten Namens unterwirft. Sie werden für den Rest der Verhandlung mit Mr. Riddle angesprochen werden.“ Shacklebolt musste sich die verschwitzte Stirn abtupfen, bevor er weitersprechen konnte. „Mr. Riddle, ist Ihnen bewusst, dass Sie in unserer Welt seit der Schlacht von Hogwarts für tot gehalten wurden?“ „Ja. Es wurde mir gesagt“, gab der Angeklagte nach wie vor vollkommen ruhig zurück. „Dann wird ich Ihnen und dem Volk nun erklären, warum.“ Shacklebolt, ein hünenhafter, schwarzer Mann faltete die Hände andächtig, schien einen Moment zu brauchen, um sich zu sammeln, und erläuterte dann die Umstände, die ihn zu der Geheimhaltung bewogen hatten. „Nachdem Sie bei der Schlacht von Hogwarts erneut von einem Fluch getroffen wurden, hielt man sie für tot. Bei einer nachfolgenden ärztlichen Untersuchung konnten jedoch Vitalfunktion festgestellt werden. Sie wurden weggebracht und Ihr Überleben geheim gehalten, da man Ihnen nicht die Möglichkeit geben wollte, unangemessene Aufmerksamkeit zu erregen oder Anhänger an sich zu binden. Sie werden Ihren gegenwärtigen Aufenthaltsort, der dem Gericht bekannt ist, geheim halten.Ich werde Ihnen nicht erlauben, ihre Position in irgendwelchen Interviews dazulegen.“ Drohende Blicke trafen die zutiefst enttäuscht wirkende Rita Kimmkorn, wanderten dann hinüber zu anderen Pressevertretern, die allesamt Gesichter machten, als ob Weihnachten und Geburtstage für die nächsten 30 Jahre ausfallen würden. „Sie haben vor Gericht auszusagen und sonst nirgendwo anders. Sie hatten genug Zeit, die Welt mit ihren Drohungen und Wahnideen einzuschüchtern, dies ist nun vorbei.“ Die Bombe war geplatzt, doch jetzt musste für Sicherheit gesorgt werden. Die Zauberstäbe weiterhin erhoben, traten nun zwei der Auroren aus der Menge heraus, richteten ihre Waffe gegen Voldemorts Kopf und ließen aus der Spitze ihrer Stäbe zwei schwarze Stoffbahnen schiessen, die, als sie vor Voldemorts Gesicht zusammentrafen, zu einem einzigen, glatten schwarzen Band verschmolzen und sich danach zu einem etwa 5cm breiten Streifen aufrollten, der ihm von unsichtbarer Hand um die Augen gebunden wurde. Dies erfüllte gleich einen doppelten Zweck. Zum einen wurde damit natürlich verhindert, dass er durch Augenkontakt von anderen Menschen Besitz ergriff oder in ihren Geist eindrang, zum anderen schien es aber auch für alle Anwesenden eine Erleichterung darzustellen, wenn die gefürchteten roten Augen verborgen waren. Er wirkte nicht mehr ganz so beängstigend. Shacklebolt setzte sich, tupfte sich erneut die Stirn ab, überlegte wohl, was als nächstes anstand, dann nickte er Mafalda Hopfkirch, der Vorsteherin magischer Strafverfolgung, auffordernd zu „Bitte verlesen sie nun die Anklage“. Erneut erhob sich Mafalda Hopfkirch. Die Augen auf die Pergamentrolle in ihren Händen gerichtet, begann sie die anstehenden Punkte aufzuzählen. „Der Zauberstaat von England, ergänzt durch Abgeordnete der internationalen magischen Union (IMU), erheben Anklage gegen Tom Marvolo Riddle. Anklagepunkte sind • Völkermord • Verbrechen gegen die Menschlichkeit: • Bildung und Leitung eines Terrorregimes internationalen Ausmaßes. Ausführung und Anstiftung zu Mord, Folter und Vergewaltigung in ungezählten Fällen. •ildung und Anleitung einer kriminellen und terroristischen Vereinigungen im Ausland; Erweiterter Verfall und Einziehung • Volksverhetzung • Ethnozid an der Muggelgemeinschaft. Genauer ausgeführt, die Verleumdung, Schmähung und Diskriminierung der nichtmagischen Mitmenschen. • Psychische Misshandlung und Folter unzähliger Opfer. • Menschenraub und Freiheitsberaubung in unzähligen Fällen. • Verbreitung von Apartheid. • Massenmorde an magischen Geschöpfen, sowie deren Folterung. • Versklavung magischer Geschöpfe. • Anwendung sowie Weiterentwicklung schwarzer Magie: Insbesonders Herstellung von sieben Horkruxen, sowie Verwendung der unverzeihlichen Flüche. • Anleitung zu den Unverzeihlichen Flüche in ungezählten Fällen. • Anleitung zu schwarzer Magie. • Ausführung und Anstiftung zur Anwendung der Unverzeihlichen Flüchen in ungezählten Fällen. • Ungerechtfertigte Festnahmen und Gerichtsurteile ohne rechtliche Basis. • Vertreibungen von Halbblütern, Muggelgeborenen und nichtmagischen Menschen. • Sturz der Gewählten Regierung. Putsch. • Nötigung der Gefolgsleute, gegen ihren Willen Verbrechen zu begehen. • Nötigung minderjähriger Zauberer, die oben genannten Verbrechen zu begehen. • Untergrabung der inländischen Wirtschaft. • Entwendung wertvoller, magischer Gegenstände sowie Zerstörung staatlichen Eigentums. •Mißbrauch von Titeln, Berufsbezeichnungen und Abzeichen • Zudem weisen all diese Verbrechen Grausamkeit bisher unbekannten Ausmaßes vor. Haben Sie das verstanden?“ „JA!“ erklang die kalte Stimme des Dunklen Lords, der bei der Verlesung seiner Verbrechen tatsächlich gegähnt hatte. Und immer noch stand er da, aufrecht und ohne ein Anzeichen von Furcht oder Reue im Gesicht. Hermine hätte ihn am liebsten getreten. Wie konnte er nur gähnen? Und das hatten doch auch noch andere gesehen. Stumme Finger zeigten auf ihn, ungläubiges Murmeln erfüllte den Saal, Kopfschütteln und angewiderte Blicke. Aber wenn Hermine die Blicke der anderen Menschen sah, wäre sie schon fast wieder gerne nach vorne gerannt und hätte ihren…was auch immer…in den Arm genommen. Ihn geschützt vor soviel Hass. Aber gleichzeitig wusste sie auch, dass all die, die ihn hassten, dies aus gutem Grund taten. Er kommt da nicht mehr lebend raus, auf keinen Fall. Das, so dachte Hermine, ist unmöglich. „Gut“ einen winzigen Moment schien die Anklagehexe den Faden verloren zu haben, Voldemorts Lippen begannen sich spöttisch zu kräuseln…er konnte doch nicht tatsächlich seine Anklägerin manipuliert haben? Hermine war entsetzt über soviel Dreistigkeit. Doch dann fing sich die blonde Frau mit dem Pagenkopf wieder, rückte unsicher ihre Brille zurecht, fand das Blatt Papier, das sie wohl tatsächlich vergessen hatte, zwischen ihren Fingern wieder und sprach mit immer noch leicht wirrer Stimme weiter „Ich erkläre den Prozessablauf. Die Anklage hat vierzig Zeugen vorgeladen, die diese, so eben zur Last gelegten, Verbrechen mit ihren Aussagen bestätigen sollen. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass dies nur exemplarische Fälle sind. Hunderttausende, vielleicht sogar Millionen, könnten ähnliches erzählen. All diese Zeugen stehen jedoch für bestimmte Perioden aus ihrem Leben, Mr. Riddle. Am Ende der Aussagen haben sie die Möglichkeit sich zu den Vorwürfen zu äußern und Stellung zu nehmen. Wir möchten nun alle Zeugen bitten, sich aus dem Gerichtssaal zu entfernen und zu warten, bis sie aufgerufen werden. Wir beginnen mit Mr. Lucius Malfoy.“ Mafalda blickte von ihrem Pergament auf, hob die Hand und deutete Lucius an, sich in den Zeugenstand zu begeben. Einige Momente herrschte wieder reges Treiben. Die Menschen, die als Zeugen berufen waren, erhoben sich von ihren Plätzen, schoben sich durch die übervollen Sitzreihen hindurch, wobei sie nicht wenige Zuschauer aus Versehen anrempelten und umstießen, und verließen, geleitet von ein paar Auroren, den Saal. Hermine saß wieder direkt neben Ron. Dieser jedoch, schien den freien Platz, Harry musste ja auch gehen, gar nicht zu bemerken. Er knetete die Hände, ließ seine Augen ab und zu über die Menge schweifen und lächelte traurig einigen bekannten Gesichtern zu, die er im Raum erkannte, Neville Longbottom zum Beispiel. Erneut glaubte Hermine, das Herz oder die Seele würden ihr vor so vielen widersprüchlichen Gefühlen und Gedanken zerspringen. Sie hatte es doch gewusst. Sie hatte es gewusst, seit sie mit elf Jahren zum ersten Mal ein Buch über die magische Welt gelesen hatte. Seit sie miterlebt hatte, wie Harry verfolgt wurde. Seit sie selbst, und alle anderen „Schlammblüter“, von ihm verfolgt worden waren, seit das ganze Land von ihm bedroht worden war. Seit Dumbledore alle vor ihm gewarnt hatte, seit Harry seine Geheimnisse enthüllt hatte. Seit sie sich aufgemacht hatten, um ihn zu vernichten und vor allem, seit sie ihm, dem Mörder, zum ersten Mal begegnet war. Sie wusste, dass da der böseste Mensch der Welt, ohne einen Anflug von Reue bei der Auflistung seiner zahlreichen Schandtaten, in der Anklagebank stand. Und dennoch…dennoch konnte sie es nicht glauben. Zu gegenwärtig waren die mitleidserregenden Bilder der letzten Monate, waren die durchaus nicht unangenehmen Stunden mit ihm, war die Art, wie sie ihn persönlich kennengelernt hatte. Monster waren niemals die Menschen, die einem so nahe waren. Solche Großkriminellen gab es nur in der Zeitung. Das konnte doch nicht der Mann getan haben, den sie zu Beginn wie ein Baby hatte versorgen müssen, der ihr so bereitwillig Lehrstunden gegeben hatte, der sich von ihr – wie sie mittlerweile zugeben musste- mit fast überirdischer Geduld durch Aromatherapie, McDonald's-Essen und ihren Gitarrenkünsten hatte quälen lassen. Der manchmal vor lauter Todesangst keine Luft mehr bekam. Wie konnte der Mann, den sie kennen gelernt hatte, der den Kater fütterte, der stundenlang den passenden Moment abwartete, um Hermine, wie beiläufig, über die Wange streicheln zu können und der von einem simplen Schnupfen zur Verzweiflung gebracht worden war, wie konnte dieser gleiche Mann erbarmungslos Menschen getötet, gefoltert und…daran wollte sie erst gar nicht denken, vergewaltigt, haben? Immerhin hatte man ihm angemessene Kleidung gegeben. Keineswegs jedoch, um seine Würde vor Gericht zu wahren, sondern um seinen Widererkennungswert durch die schwarze Robe zu erhöhen. Alle sollten sehen, erkennen, begreifen, dass ER der Schrecken war, der diese Welt bedrohte und erzittern ließ. „Setzen Sie sich“, wandte sich Hopfkirch nun wieder an den Gefangenen. Seine Handfesseln wurden gelöst, dann wurde er auf den Stuhl gesetzt und an Händen, Beinen, Armen, Knien, Brustkorb und Taille mit rotglühenden Zauberflüchen festgekettet. Mafalda Hopfkirch verschränkte die Hände vor ihrem Schoss, als wolle sie beten. Ihr Blicke flogen durch den Raum, voll Mitgefühl für all die Leute, die dort versammelt waren, und für die, die nichts vom Prozess wissen konnten, weil sie tot waren. „Bevor wir mit der Vernehmung beginnen, wollen wir in einer Schweigeminute all den Opfern des Terrors gedenken, die nicht mehr aussagen oder dem Prozess beiwohnen können, weil sie tot sind. Wir widmen diesen Prozess all denen, denen wir die Gerechtigkeit nur nachträglich gewähren können, deren Leid wir nicht mehr lindern können und deren Schmerzen wir nicht mehr stillen können. Lassen Sie uns eine Minute schweigen und hoffen, dass wir zumindest den Hinterbliebenen einen gewissen Trost bieten können, wenn wir ihren Schmerz anerkennen und das Unrecht, das ihnen widerfahren ist, verurteilen und bestrafen.“ Traurig senkten alle Menschen im Saal den Blick, dachten an ihre verstorbenen Familienmitglieder, Freunde, Kollegen und Nachbarn. Graue Gesichter, wo immer man hinsah. Der Saal glich eher einer großen Leichenhalle denn einem Gerichtssaal. Eine Beerdigung, bei der man versuchte, Unrecht zu begraben. Eine Prozess, bei dem der Tod in Gestalt des Dunklen Lords selbst angeklagt war. Auch Hermine schwieg, senkte den Blick und beobachtete ihre Hände, während sie an Dumbledore und alle anderen dachte, die nun nicht mehr lebten. Seinetwegen… des Mannes wegen, der - das konnte doch nicht wahr sein – während der Schweigeminute scheinbar einige Auroren dazu gebracht hatte, sich ihm zuzuwenden und fast hätten sie ihm die Fesseln gelöst, währen sie von Kollegen nicht zurück gehalten worden. Entsetzte Blicke wurden ausgetauscht, in ihrer Intensität nur von der Belustigung in seinem Gesicht übertroffen. Niemand war in seiner Nähe sicher. Das hatte er nun bewiesen…so wie er ebenfalls bewiesen hatte, dass man ihn gar nicht schnell genug töten konnte. Der Gedanke war nicht zu ertragen. Leise schluchzend rückte sie etwas seitlich, in die Nähe von Ron. Doch gerade als sie Anstalten machte, sich zu erheben, um sich auf den freien Platz zwischen ihnen zu setzen, sah sie, wie Ron sich nur noch weiter von ihr wegdrängte. Sein Nebenmann schubste ihn schon verärgert von sich, so weit war Ron von ihr weggewichen. Würdigte sie weiterhin keines Blickes, sondern schloss die Augen, presste die Lippen aufeinander und wiegte sich wie unter Krämpfen auf seinem Platz vor und zurück. Hermine streckte die Hand aus, wollte ihn trösten, doch als er ihre Berührung spürte, schlug er ihre Hand mit angewidertem Gesichtsausdruck weg. Ihre Augen trafen sich, ganz kurz nur, doch in Rons Blick lag nur noch kalte Verachtung, wie er sie unsagbar enttäuscht mit seinen Blicken verurteilte. Unfähig ein Wort zu sagen, schüttelte er nur den Kopf und drehte sich von ihr weg. Jeder Millimeter seines Körpers schien „Wie konntest du nur?“ zu schreien. Seine ganze Haltung brachte zum Ausdruck, dass sie in diesem Moment nicht nur ein freier Sitzplatz, sondern ganze Welten trennten. „Wir rufen Mr. Lucius Malfoy in den Zeugenstand!“, hallte die nun viel sicherere, kältere Stimme von Mafalda Hopfkirch durch den Saal. Ein Gerichtsdiener erhob sich und ging zu dem blonden, elegant wirkenden Mann, den er zu seinem Platz unterhalb der Richterloge führte. So wie ihn alle kannten, kühl, arrogant, überheblich, so war Lucius Malfoy nicht mehr. Zumindest nicht heute. Lucius stolperte bei jedem zweiten Schritt, weil er die vor Angst geweiteten Augen nicht von seinem ehemaligen Meister nehmen konnte und dabei seine eigenen Füße zu vergessen schien. Dem dumpfen Gepolter seiner schweren Schritte folgten so immer wieder trippelnde, schnellere Trommelschläge, wenn er gestolpert war und sich aufzufangen versuchte. Den Zeugenstand befand sich seitlich, neben der Richterloge. Lucius würde also direkt zu Voldemort hinsehen, wenn er aussagen musste. Durch die gedämpfte Stille, die dank des Lärmregelzaubers im Raum herrschte, wirkten Lucius röchelnde Atemzüge wie das unnatürlich rasselnde Schnaufen der Dementoren. Zweifellos hätte dieser Zeuge einen Dementor dem Angeklagten vorgezogen. Allzu offensichtlich war die Annahme richtig, dass die Zeugen massenhaft überraschend verreisen oder angeblich versterben würden, wenn man ihnen vorher gesagt hätte, gegen wen sie aussagen sollten. Keiner wäre vor Gericht erschienen. Lucius Mundwinkel bebten, seine Augen huschten immer wieder von Voldemort zur Tür, dann wieder zu Voldemort, dann wieder zur Tür…er schien zu überlegen, ob er im Falle eines Angriffes in Sicherheit kommen könnte. Da er jedoch, ganz auf der linken Seite saß, die Tür rechts war, dürften seine Karten schlecht ausgesehen haben. Jedoch, Voldemort war, so wie es schien, ausreichend gesichert. Schicksalsergeben seufzte der blonde Schulrat und sackte so sehr in sich zusammen, dass er auf diesem Stuhl um die Hälfte seiner Körpergröße zu schrumpfen schien. Lucius hustete, nestelte nervös an seinem Anzug herum und drückte sich noch mehr auf seinem Stuhl zusammen. „Mr. Malfoy, ist der Mann im Raum, der unter dem Namen Lord Voldemort bekannt ist? Wenn Sie ihn sehen, bitte zeigen Sie mit dem Finger auf ihn“, fuhr die Anklägerin fort. Lucius, den Blick zu Boden gesenkt, deutet mit ausgestrecktem, zitternden Arm in Richtung des Gefangenen. Er zog ihn dann so rasch wieder zurück, als habe er sich in der Luft an irgendetwas verbrannt. Durchaus möglich, dass er tatsächlich Schmerzen hatte, dachte Hermine. Es wäre Voldemort zuzutrauen, dass er dies bewirkt hatte. „Guten Morgen, Lucius. So, du willst mich nun also verraten?“, hallte die kalte, klare Simme des Angeklagten im Raum wieder. Der fast lippenlose Mund Lord Voldemorts schien die Breite eines Untertellers anzunehmen, als er sich zu einem höhnischen Grinsen verzog. Die Augenbrauen erhoben, leckte sich Voldemort über die Zähne und nickte in die Richtung seines ehemaligen Gefolgsmannes. Lucius zuckte wie von etwas Spitzen gestochen zusammen, hob die Schultern als wolle er seinen Kopf dahinter verstecken und warf flehentliche Blicke zum Richterpult. Er schien zu hoffen, dass es sich Shacklebolt durch diese „Drohung“ anders überlegen und ihn nach Hause schicken würde. „Mein Lord, ich…ich würde Euch nie, ich musste…Ihr wisst doch das…“ stammelte Lucius Malfoy angsterfüllt, der nun endgültig alle Würde hinter sich zu werfen schien. Den Kopf in den Nacken werfend lachte sein ehemaliger Gebieter auf. Obwohl nicht sonderlich laut, schien dieses Geräusch den ganzen Raum auszufüllen, sodass selbst die Wände Lucius Verlegenheit zu verspotten schienen. Ein dumpfer Hammerschlag auf dem Richterpult jedoch, beendete den gespenstischen Laut. „Mr. Malfoy, Sie haben den Angeklagten nur mit Mr Riddle anzusprechen. Das Gericht verbietet Ihnen, unter Androhung einer Ordnungsstrafe, irgendwelche der vielen Bezeichnungen, die dieser Mann im Umlauf gebracht hat, zu verwenden. Ist das klar?“ Kingsley Shacklebolts Stimme war laut und bestimmend, er schien nicht gewillt, die Sache aus dem Ruder laufen zu lassen. Lucius schrumpfte, wenn überhaupt möglich, noch mehr auf seinem Sitz zusammen, ängstlich immer die Augen abwechselnd vom Angeklagten, dessen Lippen voller Häme Worte wie „Lucius, Lucius“ zu bilden schienen, hinauf zum Richterpult, wo er von Shacklebolt drohend angefunkelt wurde. Ein Nicken, dann senkte er ergeben den Blick. Diesen kurzen Moment, indem sich Zeuge und Richter ansahen, ließ erahnen, wie groß Lucius Angst vor dem war, was kommen könnte, wenn er sich Shacklebolt wiedersetzte. Dies wiederum, Hermine konnte nicht umhin ihm zuzustimmen, bedeutete, dass Lucius seinen Meister zwar fürchtete, ihn jedoch als besiegt erkannte, denn die Angst vor Askaban war größer als die Angst vor Lord Voldemort. Shacklebolt donnerte erneut mit dem Hammer auf den Pult, hob diesen dann drohend, wie einen Zauberstab zum Angeklagten und wollte auch hier klare Grenzen setzen. „Und Sie Mr. Riddle, Sie haben zu schweigen, bis Sie gefragt werden. Sie haben nicht das Recht, selbst das Wort an die Zeugen zu richten, um Sie einzuschüchtern. Glauben Sie ja nicht, dass man Ihnen den Rest nicht noch unangenehmer gestalten könnte. Wir haben Wege…“ Eine kurze, bedeutungsvolle Pause ließ dem ungerührten Angeklagten, den schadenfrohen Zuschauern und der schaudernden Hermine Zeit zu überlegen, was der oberste Richter mit „den Rest“ und „noch unangenehmer“ gemeint haben könnte. Der jedoch donnerte mehrmals mit seinem schweren Hammer auf das Pult. „Sie haben Gelegenheit, sich nachher zu Mr Malfoys Aussage zu äußern. Bis dahin schweigen Sie.“ Spöttisch, herablassend und kalt war das Lächeln, das der Richter zur Antwort bekam. Shacklebolt lies diese Geste wie ein zweijähriges Kind aussehen, das seinen Vater während eines Trotzanfalles angeschrien hatte. Doch immerhin, er war nun ruhig und lauschte, voll Vergnügen, wie es schien, Lucius Aussage. Und Lucius erzählte. Erzählte, von den Massenmorden an Muggeln, die der Lord seinen Anhängern befohlen hatte. Erzählte vom Mord an Rufus Scrimgeour. Erzählte von den Strafen die der Dunkle Lord über seine Anhänger verhängte, wenn diesen Fehler unterliefen. Natürlich berichtete er auch von der Nacht, als er und die anderen Todesser in die Mytseriumsabteilung eingebrochen waren, von der Schlacht um Hogwarts und welche Schrecken Voldemort und seine Anhänger im Ausland verbreitet hatten. Lord Voldemort selbst schenkte Lucius ein gönnerhaftes Lächeln und kommentierte diese Aussage mit: „Eigentlich sollte Lucius froh sein so viele Aufträge erhalten zu haben. Bei einem solchen Versager wie ihm grenzt es an einem Wunder, dass er auch nur die Hälfte seiner Handlungen überlebt hat“. Danach durfte der blonde Ex-Todesser, sichtlich erleichtert, immer noch zu leben, den Zeugenstand verlassen. Andere Zeugen warteten schon, oder besser, mussten warten. Freiwillig wollte wirklich niemand dort sitzen und einen Mann ansehen, dessen Namen niemand auszusprechen wagte. Draco, der, wenn überhaupt möglich, noch verunsicherter und ängstlicher aussah, als sein Vater, folgte diesem. Unzweifelhaft war ihm klar geworden, von welchem gemeinsamen Bekannten Hermine bei ihrer letzten Begegnung gesprochen hatte. Egal, wie groß die Abneigung war, die Hermine dem snobistischen jungen Mann gegenüber empfand, heute bedauerte Hermine selbst ihn, wie er dort saß, als er mit zitterndem ausgestreckten Finger auf den Angeklagten deuten musste, der ihn wie ein hungriges Raubtier von seinem Stuhl aus belauerte. Stockend, leichenblass und mit Tränen in den Augen berichtete er, wie ihm Lord Voldemort gedroht hatte seine Familie zu töten, falls er selbst nicht Dumbledore töten würde. Beschämt erzählte er weiter, dass der Dunkle Lord diese Aufgabe jedoch auch Snape angetragen hatte, da der Auftrag Dracos Tod, und damit Lucius Strafe sein sollte. Doch Draco hatte Dumbledores Tod, den Plänen seines Meisters zum Trotz, überlebt, nur um als sein neustes Folterinstrument missbraucht zu werden. Jede Sekunde musste der arme Junge in Todesangst verbracht haben, voll Verachtung für sich selbst, wenn er im Namen seines Gebieters andere Menschen quälte. Vielleicht auch tötete…und Draco musste darüber sprechen, nur so konnte er beweisen, dass all diese Verbrechen nicht sein eigener Wille waren. Ja, Hermine tat er leid, und sie verachtete den Angeklagten für das, was ihre Ohren zwar hören, doch ihr Herz nicht glauben wollte. Der Angeklagte selbst, Lord Voldemort, kommentierte seine Verbrechen an und durch Draco, sowie dessen geplanten Tod als Strafe für Lucius mit einem lakonischen: „Nun, zu irgendetwas musste der Junge ja nütze sein.“ Kann bitte jemand vorgehen und diesem Irren den Mund zuhalten, flehte Hermine innerlich. Natürlich sprachen nur die bekannteren Opfer und Gefolgsleute…wer in diesem Land hätte keinen Grund gehabt, ihm irgendetwas vorzuwerfen. Es gab wohl keiner Familie, der er nichts angetan hatte, die nicht in irgendeiner Form von ihm bedroht, zerstört oder gequält worden war. Auch zahlreiche Zeugen aus anderen Ländern berichteten ebenfalls von grauenhaften Erlebnissen. Vor allem nach seiner Wiederkehr auf dem Friedhof hatte er wohl seine internationalen Tätigkeiten verschärft. Aus allen Ecken der Welt wurden Hexen und Zauberer ausgegraben, die sich in ihren Gruselgeschichten gegenseitig zu übertrumpfen suchten. Eigentlich hätte man über den offensichtlichen Eifer der Menschen da vorne, die jeweils absolut schlimmste Sache der Welt erlebt zu haben, laut lachen können. So sehr gaben sich alle Mühe, grausige Details auszugraben und ihre Reden mit unheilvollen Adjektiven auszuschmücken. Aber natürlich lachte niemand und auch Hermine nicht, die kaum noch die Tränen zurück halten konnte. Es war ja alles wahr. Ja er hatte schon als jugendlicher Schüler getötet, hatte seine erste Tätigkeit dazu genutzt, um Menschen, deren wertvolle Besitztümer er haben wollte, zu töten, hatte ständig andere für seine Schandtaten verantwortlich gemacht. All die Berichte aus seinen Jugendjahren als er in der Welt herumgereist war, Todesser angeheuert und so viele Menschen wie möglich gequält hatte, um seine neuen Anhänger von seiner Macht zu überzeugen…das stimmte doch. Und ja, auf dem ersten Höhepunkt seiner Macht setzte schon damals alles daran, so viele „Schlammblüter“ und Muggel wie möglich zu töten. Er suchte doch gezielt nach den schlimmsten Taten, die denkbar waren, um sie für seine Horkruxe verwenden zu können. Nach seiner Rückkehr, als er umso mächtiger geworden war und letzten Endes als Schattenminister das ganze Land regierte, die Dinge, die er getan hatte waren so erschreckend, das Hermine irgendwann rausgehen musste, um Luft zu schnappen, weil sie diese bitteren Wahrheiten nicht mehr ertragen konnte. Seine Grausamkeit machte nicht einmal vor seinen Anhängern halt, die Berichte, was er seinen „Freunden“, oder wohl eher seinen Dienern, angetan hatte, waren einfach nur schrecklich und zeichneten das Bild eines Menschen, der diese Bezeichnung schon lange nicht mehr verdient hatte. Weinen saß Hermine im Sitzungssaal. Die Kehle schmerzhaft von unsichtbarer Hand zugeschnürt, Eisenketten um die Brust, ihr Kopf schmerzte, ihr war speiübel und wie sehr sie auch versuchte sich zu beherrschen, sie konnte nicht aufhören zu weinen. Die Tränen flossen und flossen, wie ein Fluss, aus ihr heraus, der nicht versiegen wollte. Ron hatte sich, so weit es ging, von ihr weggeschoben und tat sein Bestes, sie zu ignorieren. Die Verhandlung wurde in Überlange geführt. Man begann morgens um acht Uhr und verhörte die Zeugen bis zehn Uhr in der Nacht. Während der ganzen Zeit schniefte und schluchzte es Hermine von allen Seiten entgegen. Bei jeder neuen Geschichte schienen andere Menschen um sie herum weinend zusammenzubrechen. Selbst die sonst so zynische, selbstsichere Rita Kimmkorn saß leise wimmernd in ihrer Ecke, wiegte sich unglücklich vor und zurück und versuchte, den ihr recht nahe sitzenden, bleichen, schwarz gekleideten Mann nicht anzusehen. Doch die Blicke der Reporterin fielen immer wieder in seine Richtung, wie alle anderen auch, fuhr sie bei jeder kleinsten Bewegung des Angeklagten erschrocken zusammen. All die Zeugen, so sehr sie sich auch um die Schrecklichkeit ihrer Berichte bemühten, alle sprachen leise und mussten immer wieder dazu aufgefordert werden, sich verständlich, lauter und weniger nuschelnd auszudrücken. Offenbar dauernd in der Angst, dass der Dunkle Lord sie nur mit seinen Gedanken schon töten könnte. Hermine wünschte sich so sehr, zum Anklagestuhl gehen und den Gefangenen verprügeln zu können. Zorn flammte in Hermine auf, nein, sie war kochend heiß vor Wut, Demütigung und Enttäuschung über dieses Schauspiel. Er benahm sich einfach entsetzlich. Wobei, er benahm sich wie immer, das traf es wohl eher. Oder besser, wie vorher. Aberforth Dumbledor, als eines der letzten vernehmungsfähigen Phönixmitglieder, berichtete von der Zeit, als Voldemort zum ersten Mal mächtig gewesen war. Dinge, die sein Bruder Albus ihm berichtet hatte oder die er selbst erfahren hatte. Er berichtete von Entführungen, Folterungen und von zahlreichen Menschen, die einfach verschwunden waren. Aber auch von den Longbottoms, die mehrere Male gegen den Dunklen Lord persönlich im Kampf bestanden hatten. Aberforth war kein gebildeter Mann, manche Sätze fielen ihm schwer, oft musste er Pausen machen, um die Antworten richtig zu formulieren. Voldemort saß während dieser Zeit unruhig da, trippelte gelangweilt bis ungeduldig mit den Finger und holte geräuschvoll Luft, um zu zeigen, wie genervt er von Aberforths Langsamkeit war. Aberforth, der den Angeklagten im Blickfeld hatte, wurde von Sekunde zu Sekunde nervöser, stockte oft, was dem dunklen Lord hämisch gekräuselte Lippen entlockte. Obwohl die Zuschauerstimmen leiser gehext worden waren, hörte man doch Augusta Longbottoms Wimmern, als Aberforth von ihren Kämpfen und der Folterung ihres Sohnes und seiner Frau durch Bellatrix Lestrange berichtete. Der Gefangene hatte wohl gute Ohren, denn als ein besonders herzzerreißender Schluchzer zu ihm vordrang, fing er auf einmal laut an zu lachen. Natürlich wurde er gerügt, doch was nützte es? Er sollte in wenigen Tagen hingerichtet werden. Womit konnte man ihm noch wirklich drohen? So fuhr er damit fort, alle Aussagen entweder gelangweilt oder amüsiert zu verfolgen. Besonders grausame Taten ließen unverhohlenen Stolz erkennen. War das jetzt der Erfolg von Hermines monatelangen Therapiebemühungen? Während die mittlerweile recht betagten, ehemaligen Arbeitgeber Tom Riddles, Burgin und Borkes, von seinem Treiben während seiner Anstellung berichteten, verbesserte er sie sogar und zählte noch weitere Flüche auf, die er ausgeführt hatte, um an wertvolle, magische Gegenstände zu kommen. Aber an viele Dinge erinnerte er sich natürlich auch nicht. Der Auror Dawlish berichtete von Anschlägen, bei denen hunderte von Muggeln um´s Leben kamen. Daraufhin forderten Mafalda Hopfkirch ihn dazu auf, Stellung zu nehmen. Der Dunkle Lord zog, soviel konnte man trotz der Augenbinde erkenne, ratlos Augenbrauen und Schultern hoch, seufzte gelangweilt und kommentierte gelassen „Vermutlich stimmt es. Ich weiß es nicht so genau. Schreiben Sie es auf, ich kann mir solche Dinge doch nicht alle einzeln merken.“ Große Reden schwang er, wenn man ihn nach den Gründen für seine Pläne fragte. Voll Stolz und Inbrunst erklärte er seine Taten für gerechtfertigt. Klug und rhetorisch begabt wie Tom Riddle war, klangen selbst wahllose Massenmorde aus seinem Mund wie politisch notwendige Schachzüge. Es war grauenhaft. Hermine brannte darauf, zu ihm zu gehen, ihn zu schütteln, zu ohrfeigen und zu schlagen. Es war, als würde er sie mit diesen Aussagen persönlich beleidigen. Das tat er ohnehin, durch seine Statements über Schlammblüter und Muggel, die er unverhohlen als minderbemittelte Tiere bezeichnete. Wie viel deutlicher konnte er den noch beweisen, dass er von Reue etwa soweit entfernt war wie Aberforth vom Nobelpreis? Und natürlich schämte sich Hermine auch entsetzlich vor Ron und vor allen anderen, die nun wussten, welche Blüten ihre Bemühungen getragen hatten. Er und Reue? Lachhaft, so lachhaft, dass der angeklagte Mann aus dem höhnischen Grinsen gar nicht mehr heraus kam, als er Hagrid sprechen hörte. Was hatte sie schon erreicht? Nichts! Aber leider, etwas hatte sich geändert. Denn die junge Gryffindor konnte nicht umhin zuzugeben, dass das alles nicht so grauenhaft zu erleben wäre, wenn sie selbst sich nicht geändert hätte und ihre Gefühle sich nicht so tiefgreifend für ihn gewandelt hätten. Vielleicht hatte Ron mit seinen stummen, anklagenden Blicken ja Recht, mit seinen Andeutungen, die er all die vergangenen Wochen und Monate immer wieder hatte einfließen lassen. Vielleicht war er ja wirklich mehr, als nur „ihre Aufgabe“ geworden? Er, der Mann, der vorne auf seiner Bühne saß und im Brustton der Überzeugung erläuterte, dass Albus Dumboledore ein alter Narr gewesen sei, weil er „Kreaturen“, nein, Menschen sagte er nicht, wie Hagrid und Lupin in seiner Schule beschäftigte. Hagrid, der aussagte und seinen Namen rein waschen ließ in dem er Thomas Marvolo Riddle des Mord an der maulenden Myrte entlarvte, diesen Halbriesen bezeichnete er als geistig zurückgeblieben und ebenso überflüssig wie die maulende Mytre selbst, weshalb er auch alles zugab, aber so gelassen daherplapperte, dass man meinen könnte, er sei betrunken. BETRUNKEN? Ob seine seltsam heitere Stimmung vielleicht das Resultat weiterer Beruhigungsmittel war? Beruhigungsmittel, die man ihm ständig gab, weil er vor zwei Wochen noch wie ein Kleinkind weinend in Hermines Schoß gelegen war, weil er während seiner Anfälle nicht mehr gewusst hatte, wo er war, und an Verfolgungswahn gelitten hatte? Dieses nervliche Wrack, das nun vollkommen gelassen, doch wohl artikuliert, erklärte, dass die Beseitigung von Muggeln, dem Wohle der magischen Gemeinschaft gedient habe? Möglicherweise hatte man ihm, um weitere Nervenzusammenbrüche vor Gericht zu vermeiden, etwas zu viel des Guten getan, und ihn bis oben hin mit Drogen voll gepumpt. Etwas glasig hatten seine Augen ja schon ausgesehen, als er Hermine begrüßt hatte. Vermutlich hatte er auch Veritaserum bekommen. So bereitwillig wie er alles, aber auch wirklich alles, zugab und ausführlich antwortete. Hoffentlich ist er high, bettelte Hermine stumm, und nicht wirklich einfach nur Stolz auf seine Gräueltaten. Ja, zweifellos. In manchen Dingen hatte er sich geändert. Vor allem in seinem Verhalten zu ihr, dem Schlammblut, Hermine. Sexuell fand er sie anziehend, das hatte er in den letzten Wochen oft genug zu verstehen gegeben. Immerhin, niemals grob, sondern sogar auf recht angenehme Weise. Die Art, wie er sie vor seinem psychischen Untergang behandelt hatte ließ sogar vermuten, dass er sie, im Rahmen seiner bescheidenen Möglichkeiten, ehrlich mochte. Und dann, als er jeden Tag elender und ängstlicher wurde, wie er sich an sie geklammert hatte… Der jungen Frau blutete das Herz, wenn sie an diese unglückliche Kreatur zurückdachte. Und jetzt saß er da und erklärte, wie er seine Todesser zu Morden und Entführungen instruiert habe. Wie genüsslich sein Kopf in die Richtung ruckte, wo er Luius Malfoys entsetztes Keuchen hörte. Wie er immer wieder schadenfroh auf Malfoy verwies, wenn es darum ging, Folterungen zu beschreiben. Man solle doch Lucius fragen und nicht ihn, Lucius habe sich zumindest als äußerst geschickter Folterknecht erwiesen. Dennoch, sie würde zu ihm gehen, nach der Sitzung. Auf jeden Fall, Hermine wollte bei ihm sein bis…ob sich an dem Urteil vielleicht doch etwas ändern würde? Aber so reuelos und stolz wie er hier auftrat, wer hätte denn schon wirklich gewollt, dass dieser Mann NICHT sterben musste? Sie, Hermine. Sie wollte es nicht. Aber mit diesem Wunsch war Hermine wohl alleine auf der Welt. Er erweckte den Anschein, als ob er sich selten so amüsiert hätte wie hier. Als würde er sich wie ein Kind über eine Gute-Nacht-Geschichte freuen, wenn ihm die Zeugen seine Schandtaten berichteten. Hermine war in Tränen aufgelöst. Es war unmöglich zu sagen, was am schmerzvollsten war. … Die Tatsache, dass alle ihren Schützling hassten? … Dass sie seinetwegen vielleicht ihre Freunde verloren hatte und sich mit ihrer Familie zerstritt? … Das Leid der vielen Menschen, die ihn hassten? Die sie so gut verstehen konnte, so schrecklich wie dieser Mann war. … Dass der Dunkle Lord auf all die Gräueltaten von denen Berichtet wurde, nach wie vor mit unverhohlenem Stolz oder Gleichgültigkeit zurücksah? … Dass sie dieses Untier mochte, dass sie in ein paar Tagen hergeben musste? Einfach so…chancenlos, aussichtslos etwas anderes zu hoffen. Bitte, so flehte sie, bitte lass ihn unter Drogen stehen. Bitte, zumindest das. Bitte lass ihn zumindest nicht vollkommen für sein Verhalten vor Gericht verantwortlich sein. Ron, der neben Hermine saß war kreidebleich. Kalter hass und Ekel standen ihm ins Gesicht geschrieben. Vor wem ekelte ihm wohl mehr, vor dem dunklen Lord, oder ihr, seiner Freundin? Die Sitzung wurde alle zwei Stunden für zwanzigminütige Pausen unterbrochen. Gegen zwanzig Uhr wollten Ron und Harry gehen. Harry kam gegen zwanzig Uhr, während einer Pause, zurück zu Ron und sagte ihm, dass er das Ministerium verlassen dürfe. Erst vor wenigen Minuten war wohl den verbleibenden Zeugen mitgeteilt worden, an welchen Tagen und zu welcher Uhrzeit ihre Aussage angesetzt wurde. Ron nickte stumm und erhob sich. Sie forderten Hermine nicht auf, mitzugehen, doch sie tat es. Ron und Harry mit versteinerten Mienen vorne raus, die unglückliche Hermine mit gesenktem Kopf und hängenden Schultern hinterher. Voldemort wurde bei jeder dieser Pausen aus dem Saal gebracht. Wohin? Sie wusste es nicht. Während sie sich durch die Menge der nun wissenden Menschen zum Aufzug durchkämpften, huschten ihre Augen scheu in dem überfüllten Flur herum. Hier draußen, wo die Menschen nicht leise sein mussten, hörte sie überall erregte Rufe, Schreie, Siegesbekundungen, ängstliches Schluchzen und sah betroffene Gesichter. Menschen, die nicht damit gerechnet hatten, mit ihrem ehemaligen Peiniger konfrontiert zu werden. Auch Helen, auch sie war wohl nach der Arbeit zu dem Prozess geeilt. Nein, sie konnte Hermine jetzt am allerwenigsten ertragen. Schnell, bevor sie erkannt wurde, folgte sie den nach vorne drängelnden jungen Männern. Sie mussten fünfzehn Minuten warten, bis sie einen Aufzug nach oben erwischten. Zu viele Menschen drängten den Sitzungssaal hinaus und hinein. Als sie es dann doch schafften, wurde Hermine immer noch nicht von ihren beiden Begleitern beachtet. Auch nicht, als sie in der großen Eingangshalle des Ministeriums einen Kamin zur Heimreise aufsuchten. Hier waren noch mehr Menschen. Hermine packte Rons Pullover, um ihn nicht aus der Sichtweite zu verlieren. Ihr Freund ging einfach weiter, obwohl Hermine knapp davor war, ihm im Gedränge den Pullover zu zerreißen. Magisch verstärkte Stimmen erfüllten das Forum, berichteten alle bekannten Einzelheiten von Voldemorts, vorübergehendem - das Wort benutzten sie - Überleben der Schlacht. Überlebensgroße Bilder wurden an die Wand geworfen. Bilder von ihm. Rotglühende Augen, wo immer sie hinsah. So beschloss die junge Gryffindor, ihre eigenen Augen zu schließen und stolperte mit einer Hand an Rons Pullover, einer Hand an Harrys Ärmel, ihren besten Freunden hinterher, die sie selbst dann nicht beachteten, als sie sich zu dritt in den Kamin zwängten. Aber nun würden sie zu den Weasleys kommen. Was würde sie erwarten? Eine Aussprache? Wie würden ihre Eltern reagieren? Die Weasleys hatten doch sicher gesagt, WER Voldemort war, was er getan hatte und…vermutlich hatte Mr Weasley auch Einzelheiten zu Hermines Job bekannt gegeben, die sie selbst bisher geheim halten musste. Unendlich allein war Hermine, als sie den überfüllten Fuchsbau betrat. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)