Der ewige Göttername von Flordelis ================================================================================ Kapitel 20: Begegnung mit Yumiko -------------------------------- Seit vielen Jahren schon hatte Nozomu das Meer nicht mehr gesehen, weswegen er den Anblick des tiefblauen Wassers umso mehr genoss. Sogar Rehme staunte, als sie von ihrem Zimmer aus auf den Ozean sahen. „Wow, es glitzert so schön und dieses Zimmer ist so toll und-“ „Schon gut“, unterbrach Nozomu sie. „Nebenbei finde ich dieses Zimmer eher kitschig als schön.“ Er sah sich um. Sowohl der Bettbezug, als auch das Sofa und die schweren Vorhänge zeigten Blumen auf beigefarbenen Untergrund. Der Boden war mit einem dunkelblauen Teppich verlegt, der jedes Geräusch verschluckte. Wenn er das richtig verstanden hatte, gehörte dieses kleine Hotel auf der Klippe der Familie von Yumiko (die er immer noch nicht gesehen hatte). Aber die Einrichtung stammte noch von dem Vorbesitzer. Da das Gebäude schon knapp hundert Jahre alt war, war diese Einrichtung vermutlich zu erwarten. Aber dennoch... „Geschmacklos.“ Rehme schnaubte. „Du hast einfach keinen Geschmack.“ Sie setzte sich auf den Tisch und begann sich an dem Inhalt der Kristallschüssel, der aus verschiedenen Bonbons bestand, zu bedienen. „Mhm, die sind so lecker.“ „Pass auf, dass du nicht zu dick wirst“, ermahnte er sie. „Sonst siehst du am Ende aus wie Nozomis Shinjuu.“ Rehme schnitt ihm eine Grimasse und aß weiter. Es klopfte an der Tür. „Nozomu-chan, hier ist Nozomi.“ „Komm rein.“ Lächelnd betrat sie das Zimmer. Sie trug bereits einen blauen Badeanzug, ein grün gemustertes Tuch war um ihre Hüfte geschlungen. In ihren Armen hielt sie ein Handtuch. „Und wie gefällt dir dein Zimmer, Nozomu-chan?“ Er reagierte nicht. Irgendwie fällt mir auf, dass Nozomi ziemlich kleine Brüste hat... „Nozomu... du bist auch nur ein Mann, nicht?“ Was erwartest du denn sonst? „Nozomu-chan?“ Er schreckte hoch. „Was?“ Sie wiederholte ihre Frage nach dem Zimmer. Er schmunzelte. „Es ist kitschig.“ „Ja, das ist es. Aber ich finde, es hat auch einiges an Charme.“ Nozomi lachte leise. „Wollen wir an den Strand gehen? Dieses Hotel hat einen Privatstrand.“ Er überlegte nicht lange. „Klar doch. Ich ziehe mich nur schnell um.“ Wenige Minuten später befanden sie sich bereits am nahezu verlassenen Strand unterhalb der Klippe. Nozomu ließ den Blick schweifen. Schade, ich hatte gehofft, es würde ein paar gutaussehende Frauen in Bikinis geben... „Nozomu!“ Was denn? Nur weil ich depressiv bin – oder war –, heißt das nicht, dass ich nicht gern schöne Frauen ansehe. Aber das Hotel ist allgemein ziemlich leer, kein Wunder bei der Einrichtung. Rehme seufzte in seinen Gedanken. Nozomi lächelte. „Der Sand fühlt sich wirklich gut an zwischen den Zehen, nicht?“ „Ja. So etwas habe ich schon lange nicht mehr gefühlt.“ Im Krankenhaus hatten sie hin und wieder Beachvolleyball in einer Halle gespielt, aber das war kein Vergleich zu einem echten Strand gewesen. Nozomi legte ihre Sachen in einem Strandkorb ab, Nozomu tat es ihr nach. Gemeinsam begaben sich die beiden ins Wasser, das außerordentlich erfrischend war. Schon lange hatte der Junge sich nicht mehr so lebendig gefühlt – er konnte sich für einen Augenblick sogar vorstellen, selbst an den Strand zu ziehen, auch wenn das mit seiner bisherigen Lebensplanung nicht konform ging. Aber was in den letzten Wochen ging damit schon konform? Schließlich gab Nozomi ihm zu verstehen, dass sie wieder an den Strand zurückgehen sollten. Er machte sich auf den Rückweg – und wurde unversehens von jemandem angefallen, noch bevor er den Strand erreicht hatte. „Nozomu-chan!“ Überrumpelt versuchte er, sich zu befreien, aber stattdessen wurde er von der Person noch fester umklammert. „Oh, Nozomu-chan, ich habe dich so vermisst!“ „J-ja, gut, aber könntest du mich loslassen?“ „Yumiko-chan, lass ihn los, bitte!“, konnte er Nozomis Stimme hören. Tatsächlich ließ die Person ihn wieder los, so dass er sie näher betrachten konnte. Das Mädchen vor ihm hatte hellbraunes Haar, ebensolche Augen – und sie trug einen weißen Bikini, der Nozomus Blick direkt auf ihren Körper lenkte. Ihre Haut schien völlig makellos und - „Nozomu! Hör endlich auf, so etwas zu denken!“ Was denn!? Ich kann doch nichts dafür, dass sie gut aussieht... Sie lächelte. „Nozomu-chan, erinnerst du dich an mich? Ich bin Yumiko!“ „Äh... na ja... tut mir Leid...“ Enttäuscht sah sie ihn an. „Oh, das ist aber nicht schön. Aber ich verzeihe dir, weil du eine schwere Zeit durchgemacht hast, ai!“ Erneut umarmte sie ihn. „Oh, mein Nozomu~ Ich bin so froh, dich wiederzusehen, ai!“ Vorsichtig tätschelte er ihren Kopf. „Können wir dann mal aus dem Wasser raus?“ „Aber natürlich!“ Sie ergriff seine Hand und zog ihn hinter sich her. Nozomi lächelte, aber Nozomu wusste genau, dass sie damit nur ihr Zähneknirschen verbarg. „Schön, dass ihr euch so gut vertragt. Wollen wir uns nicht setzen?“ Zu dritt setzten sie sich in den Strandkorb, Nozomu wurde von den Mädchen in der Mitte platziert. „Also, Nozomu-chan, soll ich dir etwas erzählen, damit du dich wieder an mich erinnerst?“, fragte Yumiko. „Äh... okay, klar.“ Sie lächelte vergnügt. „Wir haben uns das erste Mal im Kindergarten getroffen. Du warst so heldenhaft, als du Nozomin vor den anderen Jungs verteidigt hast, ai.“ Nozomi nickte. „Daran erinnere ich mich auch noch. Du warst so tapfer, Nozomu-chan!“ Daran erinnere ich mich. Die Jungen haben Nozomi geärgert und ihr das Spielzeug weggenommen. Aber Yumiko... war da nicht dabei. „Und dann waren wir mal zusammen in den Bergen“, erzählte Yumiko weiter. „Ein großer Hund hat uns angegriffen und Nozomu-chan hat uns gerettet!“ Nozomi nickte wieder eifrig. Daran erinnere ich mich auch – aber auch hier war Yumiko nicht dabei. Er dachte wieder an Salles' Worte zurück. Wer immer diese Person war, die Nozomu mittels dieser Taktik auf seine Seite ziehen wollte, er hatte nicht unbedingt gute Arbeit geleistet. Warum hatte er die Erinnerungen aller verändert, nur nicht die von Nozomu selbst. Oder hatte er das und lediglich Rehme, deren Erinnerung als Shinjuu nicht beeinflusst werden konnte, hatte Nozomus echtes Gedächtnis gerettet? Er wusste es nicht, aber wenn er Yumiko so ansah – und das tat er fast unterbrochen, seit er sie getroffen hatte – war es ihm auch ziemlich egal. Wer immer sie ausgewählt hatte, besaß einiges an Geschmack, das musste er zugeben. Yumiko schmiegte sich an Nozomu, was Nozomi nicht zu gefallen schien. Allerdings sagte sie nichts dazu, sondern runzelte nur missbilligend ihre Stirn. Nozomu dagegen fand es gar nicht schlecht. Er konnte ein genervtes Seufzen von Rehme hören. „Wie lange wollt ihr bleiben?“, fragte Yumiko. „Ihr könnt so lange bleiben, wie ihr wollt, ai!“ Nozomi lächelte wieder. „Wir können leider nicht so lange bleiben, eigentlich nur diese Woche, dann müssen wir wieder zurück. Nozomu-chan muss an der Kendo-Meisterschaft teilnehmen.“ „Wirklich?“ Yumikos Augen leuchteten begeistert. „Nozomu-chan, du bist so toll!“ Verlegen winkte er ab. „Ach was, bin ich nicht.“ „Doch, bist du! Gaaaaaanz toll, ai!“ Nozomu lachte. „Ach komm~“ Yumiko ergriff seinen Arm und klammerte sich daran. „Dann wollen wir eine ganz tolle Woche haben, ja? Nur wir drei, genau wie früher, ai!“ Er lächelte wieder. Ja, diese Woche wird mir gefallen. Zetsu seufzte schwer. Mann, wie ich Nozomu beneide... Bestimmt sitzt er jetzt an einem Strand mit vielen schönen Mädchen – und ich verbringe meinen Tag genervt bei der Arbeit. Der Silberhaarige saß über den Tresen zusammengekauert und langweilte sich. Yuuto, der neben ihm saß, erging es ähnlich. „Mann, wie langweilig. Im Sommer ist hier echt nichts los.“ Erstaunlicherweise hatte Yuuto denselben Job angetreten wie Zetsu, kurz nachdem dieser den Kellner-Posten in dieser Bar ergattert hatte. Wie zuvor war der Silberhaarige fest davon überzeugt, dass Yuuto das alles nur tat, um sich seine Freundschaft zu erschleichen. Wenngleich er auch nicht wusste, weswegen. „Immerhin kriegen wir Geld“, erwiderte Zetsu. „Fürs Nichtstun, wie spannend.“ „Nein, nein, du siehst das völlig falsch. Wir passen auf die Bar auf – dafür kriegen wir Geld.“ Yuuto schmunzelte. „Du hast eine interessante Art, die Welt zu sehen.“ „Ja, finde ich auch.“ „Aber wenn ich nicht bald ein Gast kommt, gehe ich schwimmen.“ Zetsu lachte. Die Tür öffnete sich, automatisch fuhren beide herum. Der Silberhaarige lächelte. „Überlass das nur mir.“ Er stand auf und verneigte sich leicht. „Willkommen, Leana. Schön, dich als unseren Gast begrüßen zu dürfen.“ Verwirrt sah sie ihn an – und seufzte schließlich. „Oh nein, nicht du schon wieder. Warum treffe ich dich dauernd? Das darf doch nicht wahr sein.“ Er schmunzelte. „Unsere Herzen sind eben miteinander verbunden und finden sich stets gegenseitig.“ „Kannst du einmal in deinem Leben vielleicht nicht so ein kitschiges Zeug reden?“ „Vielleicht ein andermal. Also, was führt dich hinterher?“ Seufzend setzte sie sich an einen Tisch und breitete den Inhalt ihrer Tasche darauf aus. Es waren verschiedene Bücher, Mappen und Dokumente, die nach viel Arbeit aussahen. „Ich wollte eigentlich hier ein wenig lernen, weil ich noch Probleme mit dem Schriftsystem habe. Ich konnte ja nicht ahnen, dass du hier herumsitzt.“ Zetsu wollte anmerken, dass sie trotzdem sitzenblieb, beließ es aber beim Gedanken daran. „Was darf ich dir bringen?“ „Einen Tee, bitte, schwarzen.“ „Kommt sofort.“ Zetsu huschte hinter den Tresen. Yuuto sah ihn besorgt an. Der Silberhaarige ignorierte den Blick zuerst, doch als das nicht aufhörte, seufzte er schließlich. „Was ist los?“ „Na ja... ich weiß nicht, ob ich dir das sagen kann. Besonders nicht, wenn sie dabei ist.“ Mit dem Kopf deutete er zu Leana hinüber, die sich bereits in ihre Bücher vertieft hatte. „Dann wird es wohl nicht so wichtig sein“, erwiderte Zetsu. Er war sich im Klaren darüber, dass das Mädchen etwas vor ihm verbarg, auch wenn er nicht wusste, was das war. Und irgendwo tief in seinem Inneren fürchtete er, dass es etwas Schlimmes war. Deswegen wollte er es gar nicht hören, besonders nicht von Yuuto Takamine. Dieser seufzte. „Wenn du meinst.“ Zetsu brachte Leana den fertigen Tee. „Hier, bitte.“ Sie bedankte sich ohne aufzusehen. Der Silberhaarige schmunzelte. „Wirst du die ganzen Ferien über lernen?“ „Ja. Nicht jedem fällt das Wissen in den Schoß, so wie dir.“ Er legte eine Hand auf sein Herz. „Owww, das hat mich getroffen.“ Sie seufzte. „Tut mir Leid, ich bin nur ein wenig genervt. Diese Sprache macht mich wahnsinnig.“ Ohne Aufforderung setzte er sich ebenfalls an den Tisch. „Soll ich dir helfen?“ Überrascht sah sie ihn an. „Das würdest du tun?“ „Aber klar. Ich habe ohnehin nichts Besseres zu tun.“ Sie lächelte leicht. „Danke, Zetsu.“ „Also, wo hast du Probleme?“ Zu dritt gingen sie wieder ins Hotel zurück, wo sie wie zuvor von Stille empfangen wurden. Doch Yumikos Lachen erfüllte die Halle. „Also, falls etwas ist, könnt ihr euch jederzeit an mich wenden. Mein Zimmer ist im Stockwerk über eurem, der Name steht dran.“ Die beiden nickten, Yumiko schmunzelte. „Und wenn du nicht schlafen kannst, Nozomu-chan, kannst du auch jederzeit zu mir kommen.“ „Ja, danke.“ Das sollte ich mir tatsächlich überlegen... „Nozomu!“ Schon gut, hör auf zu schreien, das war doch nur ein Witz. Nozomi schnaubte kurz, lächelte aber sofort wieder. „Sehen wir uns denn beim Abendessen?“ „Klar“, antwortete sie vergnügt. „Ich freue mich schon.“ Damit ging sie davon, Nozomu sah ihr noch eine Weile hinterher, bevor er von Nozomi in den Arm gezwickt wurde. „Starr sie nicht immer so an! Das ist unhöflich.“ Er lachte verlegen. „Tut mir Leid.“ „Also, wir sollten uns jetzt für das Abendessen umziehen. Ich hole dich dann nachher ab.“ Nozomu nickte und suchte sein Zimmer auf. Das Abendessen verlief ohne aufregende Ereignisse oder gar Streitereien. Yumiko schien sich hauptsächlich auf das Essen zu konzentrieren, was Nozomu ein wenig seltsam fand, Nozomi dagegen kümmerte sich gar nicht darum. Wieder zurück in seinem Zimmer fiel der Junge in sein Bett. „Ah, hier gefällt es mir.“ Rehme setzte sich auf seine Brust. „Wann darf ich schwimmen gehen?“ „Solange Yumiko da ist, wahrscheinlich gar nicht.“ Das Shinjuu seufzte. „Wie gemein~ Ich will auch schwimmen gehen.“ „Tut mir Leid, vielleicht ein andermal.“ Tröstend tätschelte er ihren Kopf, was sie mit einem Lächeln zur Kenntnis nahm. „Wollen wir dann schlafen?“, fragte er. „Jetzt schon? Bist du so müde?“ Er nickte, worauf sie seufzte. „Okay, dann lass uns schlafen – oder es zumindest versuchen.“ Zufrieden schloss Nozomu die Vorhänge, die es tatsächlich schafften das gesamte einfallende Licht zu verbergen. Im Schlafanzug legte er sich schließlich in das Bett. Doch der erholsame Schlaf kam nicht. Stattdessen döste er vor sich hin. Im Halbschlaf glaubte er, Schritte und leise Stimmen auf dem Gang zu hören. Rehme dagegen schlief tief und fest neben ihm. Ihre gleichmäßigen und ruhigen Atemzüge halfen Nozomu schließlich selbst in einen traumlosen Schlaf zu fallen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)