Romeo und Julius von Remy ================================================================================ Reden wir doch -------------- Kapitel 15 – Reden wir doch Ein leichter Nieselregen hatte eingesetzt, als sie es sich in einem kleinen Park unter einem Baum gemütlich gemacht hatten. Hier würden sie nicht so schnell nass werden und könnten sich in Ruhe unterhalten, während der Regen sich an den Rändern des Blätterdaches herunter kämpfte. Reno lehnte am Baumstamm und hatte die Beine an den Körper gezogen, wohingegen sich Juan lieber im Gras lang machte und darauf wartete, dass der andere zu erzählen anfangen würde. Doch gerade jetzt kam ihm nichts mehr über die Lippen. Er wollte das jetzt lieber genießen. Einfach etwas Ruhe und keinen Stress, so wie es Timo immer predigte. Viel zu selten nahm er sich das zu Herzen. Leise seufzte Juan und rückte etwas weiter zu dem anderen, der ihn kaum noch wahr nahm und eigentlich nur ins Leere starrte. Über irgendetwas dachte er wohl doch ziemlich angestrengt nach. Es war, als würde er Juan doch spüren, da er sich abrupt an ihn lehnte, als er direkt neben ihm saß. „Ich bin ein absoluter Vollidiot und ein Nichtsnutz... Sagt mein Dad manchmal zu mir....“ Mehr gab er nicht von sich, als ob er es erst wirken lassen wollte. Doch so war es nichts. Ihm viel einfach nicht mehr ein. Vielleicht reichte es aber auch schon, da Juan einen Arm um ihn legte und ihn vorsichtig an sich zog. Viel zu gut verstand er. Manchmal hatten ihn die Männer, die seine Mutter angeschleppt hatte, auch so genannt. Doch irgendwann hatte es aufgehört ihn zu interessieren. Sollten sie doch reden, was sie wollten. Sie wussten doch gar nichts. Nichts über ihn. Genauso wenig wie seine Mutter. Juans Verhältnis zu seiner Mutter war nicht unbedingt schlecht, aber sie hatten sich dennoch auseinander gelebt. Er ging schon lange seinen eigenen Weg und wollte nicht mehr, dass sie etwas von seinem Leben unbedingt erfuhr – zumindest, solange es nicht nötig wäre. Das er nicht unbedingt nur auf Mädchen stand, musste sie erst recht nicht wissen. Es ging sie auch gar nichts mehr an. Vorsichtig kuschelte sich Reno etwas enger an den Größeren. Er kannte Juan noch nicht lange und doch spürte er etwas. Er spürte, dass er ihm vertrauen konnte. Etwas, dass er schon lange nicht mehr bei jemanden gefühlt hatte – ausgenommen vielleicht bei Sina. „Du bist ja richtig anhänglich“, meinte Juan grinsend und schob Reno ein Stück von sich weg. Er mochte so viel Nähe nicht und brauchte sie auch nicht. Seine Mutter hatte ihn früher auch oft in den Arm genommen. Das war lange her. Abrupt fuhr Reno hoch. „Wir sollten wohl doch wo anders hin...“, meinte er und lächelte den immer noch im Gras sitzenden Juan scheu zu. Doch da hatte dieser ihn schon an der Hand genommen und zog ihn wieder zu sich herunter. Hilflos kniete Reno nun vor dem blonden Jungen, der ihn – im Gegensatz zu ihm selbst – fröhlich und unbeholfen anlächelte. „Wir haben doch so viel Zeit.“ Natürlich hatten sie die, aber Reno wollte gerade nicht mehr. Irgendetwas trieb ihn weg von hier, doch er wusste selbst nicht, was es war. Abrupt richtete er sich wieder auf. „Schon... Aber hier werden wir nur nass...“, murmelte er und wollte sich schon zum Gehen abwenden. Juans Blick wanderte nach oben. Die Krone des Baumes schirmte sie perfekt vom Regen ab, nur am Rand drang Wasser darin hindurch und auch nur das Gras darunter war etwas feucht. Doch bis das bis zu ihnen vordringen würde, verginge noch etwas Zeit. „Bleib einfach hier.“ Erneut zog Juan Reno zu sich, der sich nun etwas widerspenstig neben ihn setzte. Leise immer wieder schnaufend zog Reno die Beine an den Körper und legte einen Arm auf die Knie. „Du hast's gut mit deiner Mutter... Sie versteht es...“ Verwirrt blickte Juan zu ihm und hob leicht eine Augenbraue. „Was versteht sie?“, wollte er wissen, als der andere ihm schon einen kurzen Blick zu warf. „Na ja, das du... ach du weißt schon...“ Leise seufzte Juan. „Sie versteht gar nichts... Sie weiß ja nicht mal was davon...“, murmelte schließlich Juan. Wieder wanderte der Blick des Blonden zu ihm. „Sie weiß es nicht?“, bohrte er und Juan nickte sofort. „Gar nichts... Sie glaubt, dass ich bis jetzt nur was mit Mädchen hatte...“ Kurz lachte er tonlos auf. Lachte sich womöglich selbst aus. „Immer noch besser, als das sie dich dafür hasst...“ Leise seufzte Reno und senkte den Kopf. „Deine Eltern wissen also davon?“ Reno nickte auf Juans Frage. So oft wünschte er sich, dass sie es nicht wüssten, dass er damals die Klappe gehalten hätte. Aber jetzt war es auch nicht zu ändern. Er hatte es nun einmal getan. Leicht lehnte er sich unbewusst an Juan, der zuerst leicht zusammen zuckte, dann aber einen Arm um den Kleineren legte. „Man Vater kann mich deswegen nicht ausstehen... Ich bin führ ihn überhaupt nichts mehr wert“, flüsterte Reno nach einiger Zeit, als er sich noch enger an Juan drückte. Es war ihm früher – als er noch klein war – immer sehr wichtig gewesen, dass sein Vater auf ihn stolz war. Immer wollte er der Beste sein, auch wenn es ihm kaum möglich war. Er war klein und schmächtig gewesen, wodurch er im Sport nie gut war. Doch er hatte sich angestrengt und sein Vater war trotzdem stolz. Jetzt würde er das nie wieder sein, egal wie sehr er sich Mühe geben würde. Er war einfach nichts mehr wert für ihn. Nicht mehr als ein Stück Dreck. „Und deine Ma?“, wollte Juan wissen. Es war normalerweise nicht seine Art, jemanden über irgendetwas auszufragen. Doch so bekam er ihn zum Reden. Alles in sich hineinzufressen konnte doch gar nicht gut für ihn sein. „Sie will es sich mit meinem Vater nicht verscherzen...“, murmelte er nur und drückte sich enger an den Größeren. Mit Sina könnte er eigentlich über alles reden, doch bei diesen Thema schwieg er sonst immer bei ihr. Er wollte gar nicht darüber reden. Wieso er es Juan überhaupt erzählt hatte, wusste er nicht. Ein Gefühl hatte ihm gesagt, dass er es tun sollte. „Wir sollten wohl doch langsam gehen...“, meinte da auf einmal Juan und erhob sich, wobei er Reno mit hochzog. Leicht verwirrt blickte der ihn an. Auf einmal wollte er weg. Wurde es ihm doch etwas zu nass? „Wohin wollen wir denn?“ Juan kannte sich noch nicht gut genug es, eigentlich war es sinnlos ihn zu fragen, wohin sie jetzt gehen könnten. Doch da lächelte er schon. „Sag du es mir“, meinte er. Es dauerte nicht lange, bis sie in einem kleinen Café zusammen saßen. Zwar klitschnass, aber glücklich. Zumindest fühlte sich Reno so, auch wenn er nicht wusste wieso. Womöglich da ihm diese Last von den Schultern gefallen war. Es gab jemanden, mit dem er wirklich über seine Probleme reden wollte und nicht immer so fröhlich tun musste. „Macht dich alles ganz schön fertig... Hm...?“, murmelte Juan irgendwann, nachdem sie sich beide etwas Warmes zu trinken bestellt hatten. Kaffee und heiße Schokolade, Reno konnte Kaffee nicht ausstehen. Langsam nickte der Blonde und senkte auch schon betrübt den Kopf. Schon viel zu lange nahm es ihn mit das sein Vater ihn hasste. Es war nur noch Hass, der zwischen ihnen herrschte, auch wenn Reno eigentlich immer wieder einmal versuchte, es zu ändern. Ohne großen Erfolg. „Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie meine Mutter darauf reagieren würde, wenn sie davon erfährt, dass ich schon mal was mit Jungs hatte...“ Jetzt senkte auch Juan den Kopf und eine ganze Weile schwiegen sie. „Ich könnte mir vorstellen, dass sie es ganz gut verkraftet“, meinte Reno irgendwann und hob den Blick wieder, wobei ein sanftes Lächeln auf seinen Lippen lag. Leicht beugte sich Juan über den Tisch, legte den Kopf leicht schief und sagte: „Irgendwie... siehst du süß aus...“ Abrupt wurde Reno rot, als ihm der andere schon mit dem Zeigefinger auf die Nase tippte. „So aber noch etwas mehr!“ Grinsend sank Juan wieder zurück. Nur einen Moment später brachte auch die Bedienung ihre Getränke. Wieder schwiegen sie eine ganze Weile. „Es hört gar nicht auf zu Regnen...“, murmelte Juan schließlich und seufzte einen Augenblick darauf betrübt. Er mochte zwar keine übermäßig heißen Tage, doch Regen konnte er auch nicht leiden. Irgendwie machte es ihn immer etwas traurig. „Können wir zumindest noch etwas hier bleiben“, erwiderte Reno, nachdem er einen Schluck seines Getränks getrunken hatte. Mit der Zeit wärmte sich sein Körper wieder auf, auch wenn seine Kleider noch nass waren. Bis sie wieder gingen, wären aber auch die wieder trocken. „Ich würde meiner Mutter auch gerne sagen, dass ich nicht so bin, wie sie glaubt... Ich hab nur vor ihrer Reaktion Angst.“ Reno blickte auf, der Ausdruck in Juans Augen erinnerte ihn an etwas. Nein! An jemanden. Womöglich an sich selbst? Hatte er nicht auch schon oft genau so geschaut? Abrupt wanderte sein Blick wieder zu Boden. „Ich muss gehen...“, meinte er auf einmal und stand auf. Ohne darüber nachzudenken rannte er nach draußen in den Regen, zurück zu der Stelle, wo sie zuvor zusammen gesessen hatten. Ihm wurde wieder kalt, doch jetzt wollte er nicht mehr zurück. Zitternd sank er unter dem Baum ins nasse Gras. Sein Atem raste gerade zu. Wieso war er einfach weggelaufen? Vor irgendetwas hatte er plötzlich Angst bekommen. Aber vor was nur? Langsam richtete er sich wieder auf und strich sich die nassen Strähnen aus dem Gesicht. Ein seltsames Gefühl machte sich in ihm breit. Eines, das er schon lange nicht mehr hatte und er wollte es gar nicht. Alles nur heiße Luft. Und jetzt war es ohnehin noch viel zu früh, er konnte gar nicht so fühlen, wollen tat er es ohnehin nicht. Nie wieder! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)