Romeo und Julius von Remy ================================================================================ Erstes, viel zu kurzes Treffen ------------------------------ Kapitel 1 – Erstes, viel zu kurzes Treffen Noch im Halbschlaf und somit nur in seinem Schlafshirt und Boxershorts öffnete der blonde Junge die Haustür und schon schallte ihm die fröhliche Stimme seiner Freundin Sina entgegen. „Guten Morgen, Reno!“, rief sie. Da hatte der aber auch schon auf den Hacken kehrt gemacht und stapfte in Richtung Küche. Das braunhaarige Mädchen schloss nur noch schnell die Tür und lief Reno hinterher, der es sich schon am Küchentisch mit einer Tasse Kaffee gemütlich gemacht hatte. Eigentlich lag er schon fast mit dem Kopf auf der Tischplatte und er war schon wieder kurz vorm Einschlafen. Im Gegensatz zu seiner Freundin war er ein typischer Morgenmuffel. Früh aufstehen war noch nie etwas für ihn gewesen. Lieber schlief er den ganzen Vormittag. Und manchmal passierte ihm das sogar im Unterricht. „Reno. Könntest du einmal etwas glücklich sein, wenn du mich siehst?“ Mürrisch zog das Mädchen die Augenbrauen zusammen. „Du bist doch mindestens eine Stunde zu früh“, murmelte der Blonde nur und schlürfte an seinem Kaffee. Irgendwie musste er wach werden. Obwohl das natürlich einfacher wäre, wenn er noch etwas schlafen hätte können. „Nur eine dreiviertel Stunde“, kommentierte Sina grinsend, „aber auch nur, weil ich gestern etwas vergessen hatte, dir zu sagen.“ Verschlafen hob Reno jetzt eine Augenbraue. „Und da konntest du natürlich nicht einfach noch 45 Minuten warten und mich dann wecken. ... Ich geh wieder ins Bett.“ Der Junge stand auf und tapste hinaus in den Gang. Etwas irritiert blickte die Braunhaarige ihm hinterher. Sonst schlief er lieber auf dem Tisch ein, als irgendetwas Neues von ihr nicht zu hören. „Ach Reno!“ Sina lief ihm hinterher und konnte ihn noch davon abhalten, dass er die Treppe nach oben ging. „Lass mich schlafen“, murrte er aber auch schon los und wollte sich aus ihrem Griff befreien. Doch da konnte Renos beste Freundin hart sein. Wie ein kleines Klammeräffchen konnte sie sich auch schon aufführen. „Ok. Ich hör dir ja schon zu.“ Der Blonde sank auf die unterste Treppenstufe und sank mit dem Kopf auch gleich an das Geländer. Vielleicht könnte er so schlafen. Sina machte es sich neben ihm bequem und fing gleich an zu erzählen: „Ich war ja gestern am Lehrerzimmer“ - Langsam nickte der Junge. - „Und da hab sich zwei Lehrer unterhalten – frag mich jetzt nicht wer das war – und ich hab mitbekommen, dass sie darüber geredet haben, dass wir heute einen Neuen in die Klasse bekommen sollen.“ - Leicht hob Reno den Kopf und hob leicht eine Augenbraue. - „Ein Kerl! Vielleicht mal was für dich. Unsere Jungs passen dir ja so gar nicht.“ „Ist einfach keiner so recht mein Typ.“ Der Kopf des Blonden sank wieder ans Treppengeländer und beinahe wäre er wohl wirklich wieder eingeschlafen, hätte Sina ihn nicht einfach leicht angestupst. Immer wieder. „Du solltest dich mal beeilen. Wir müssen doch bald los.“ Das Mädchen zog ihn am Arm hoch und schlief ihn in das obere Stockwerk. Hier kannte sie sich gut genug aus. Schon oft war sie hier und hing häufig einfach nur mit Reno rum. „Wir haben noch eine halbe Stunde“, murmelte der Blonde, als er aufs Bett gefallen war und sich dort in die Bettdecke einrollte. Nur wollte ihm die Sina schon wieder wegziehen, wenn er sich nicht krampfhaft daran geklammert hätte. „Mann, Reno! Jetzt mach schon!“ Wenn seine beste Freundin erst einmal sauer wurde, dann war nicht mehr mit ihr zu spaßen. So musste er sich notgedrungen aus dem Bett kämpfen. „Anziehen kann ich mich mit dir hier drin aber nicht“, meinte der Blonde, als er zum Schrank tapste um sich frische Sachen herauszunehmen. „Du bist schwul. Also kann ich schon.“ Die Braunhaarige hatte sich im Schneidersitz auf das Bett von Reno gesetzt und wartete erwartungsvoll. Zwar wusste sie, dass er nie etwas mit ihr anfangen würde – einmal homo, immer homo –, aber zumindest an seinen knackigen Hintern konnte sie sich gelegentlich einmal erfreuen. „Raus hier!“, zischte der Blonde jedoch nur. Im Gegensatz zu seiner Freundin hatte er wohl doch ein gewisses Schamgefühl, das jetzt wieder in ihm hochkam. Da legte aber Sina nur ihren üblichen Betelgesichtsausdruck auf. Meistens konnte sie Reno damit zu allem zwingen. Nur heute Morgen nicht. „Raus!“, knurrte er und widerwillig erhob sich die Braunhaarige und marschierte zur Tür, wo sie noch einmal inne hielt. „Ich kann dich durchs Schlüsselloch beobachten." Da flog ihr aber schon ein Shirt um die Ohren. Somit verzog sie sich doch nach draußen auf den Gang. Nach über einer halben Stunde war der Blonde dann endlich auch fertig. Zwar immer noch genauso verschlafen, wie davor, aber angezogen. Somit hieß es ab in die Schule und das für ihn auch noch mit einer dreiviertel Stunde weniger Schlaf als sonst. „Ich kann mir kaum vorstellen, dass dieser Typ wirklich gut aussehen könnte“, murmelte Reno, als Sina eigentlich schon angefangen hatte zu erzählen, was sie am gestrigen Tag noch alles so gemacht hatte. Es kam oft vor, dass er sie damit unterbrach, dass er mit einem völlig anderen Thema anfing. Somit regte sie sich schon gar nicht mehr deswegen auf. „Ich dachte ja nur. Es gibt ja nicht überall solche Enten, wie bei uns hier in Pismo. Wer weiß wo der her kommt. Irgendwo in L. A. oder San Francisco gibt es sicherlich auch hübsche Jungs, die dir gefallen.“ Reno gab bei dieser Aussage seiner besten Freundin nur ein Seufzen von sich. Wie lange war er denn schon mit niemand mehr zusammen gewesen? Zwei Jahre? Sein erster fester Freund war das damals. Und der hatte sich nur schwul gestellt. Eigentlich wollte der den Blonden damals nur vor der ganzen Schule bloßstellen, als er mit ihm Schluss gemacht hatte. Ein paar Wochen darauf war der Junge dann mit seiner Familie weggezogen. Er konnte irgendwo in einer anderen Stadt neu anfangen, während es Reno in diesem Kaff weiter aushalten sollte. Es war eine Qual für ihn, wenn in die Leute angafften. Die meisten wussten, dass er auf Jungs stand und somit wurde über ihn geredet. Oder wohl eher gelästert. Zumindest stand ihm aber Sina bei und die Leute von der Theater-AG. Das Ein und Alles für Reno. Nur dort konnte er sich ausleben. Vielleicht hatten sie ihn deswegen auch letzten Monat zu ihrem Leiter gewählt, auch wenn er anfangs gar nicht wollte. Aber der, der es im vergangenen Jahr gemacht hatte, schlug ihn schon zum Ende des Schuljahres vor, da er seinen Abschluss machen würde und es somit nicht mehr selbst machen könnte. Nur jemand, der das Schauspielern liebte, könnte sie leiten, hatte er zu Reno gesagt. Nur deswegen hatte der Blonde überhaupt angenommen, auch wenn es eine Menge Arbeit war. Erst vor ein paar Tagen war er auch überhaupt damit fertig geworden, zu entscheiden, welches Stück sie dieses Jahr aufführen würden. Er wollte etwas Besonderes machen. Etwas, was es davor noch nie gab. Und das hatte er auch geschafft. Dachte er zumindest. Das Original musste er für seine Zwecke etwas ändern. War aber auch nicht schwer. Es war zum Glück nicht so viel. „Du hast mir immer noch nicht erzählt, was wir dieses Jahr spielen werden“, meinte da Sina auf einmal zu ihm und blickte ihn bittend an. „Du wirst es früh genug erfahren“, erwiderte er aber nur etwas schroff. Da sich die AG erst morgen treffen würde, wollte er ihr auch noch nichts sagen. Sina war zwar niemand, der Geheimnisse nicht für sich behalten konnte, aber er wollte sie auch nicht bevorzugen. Also musste sie auch aushalten. „Ach komm schon, Reno, sag es doch zumindest mir“, bettelte sie da aber schon los. Doch er blieb hart. Er würde nichts erzählen. Keinen Ton. Noch einen Tag würde Sina auch aushalten. Obwohl es so aussah, als ob sie vor Spannung sterben würde. Meistens überlebte sie so etwas schon. „Nein, du wirst warten.“ Somit blieb er stur. Da könnte sie schmollen was sie wollte. Und durchsetzen wollte sich Reno ohnehin schon lange einmal gegen sie. Sonst machte er immer alles, was sie wollte. „Oh Mann, Reno!“, maulte das Mädchen los, als sie gerade durch das Schultor gingen. Die Masse an Schülern, die sich dort sammelte, war schon erschreckend, aber für keinen aus der Gegend noch groß ungewöhnlich. „Wir sehen uns nachher.“ Knapp umarmte der Blonde seine beste Freundin und ging mit schnellen Schritten auf das Schulgebäude zu, während Sina noch zu ein paar Mädchen rannte. Das übliche Ritual. Immer trennten sie sich hier. Obwohl Reno auch nicht früher im Klassenzimmer sein wollte. Aber um da draußen herumzustehen war er einfach nicht der Typ. Von allen beobachtet. Der Kerl, der sich ausnutzen ließ. Nein. Da wollte er nicht draußen sein. „Hey, suchst du was?“ Der Blonde legte den Kopf auf die Schulter eines Jungen mit schulterlangem schwarzen Haar, der etwas hilflos in der Aula stand und immer wieder auf einen Block blickte, den er in der Hand hielt. „Das Sekretariat“, erwiderte der Fremde ohne auch nur ein Gefühl in der Stimme laut werden zu lassen. Er schüttelte aber auch Reno nicht von seiner Schulter ab. „Gerade aus und den zweiten Gang links, dann stehst du schon fast davor.“ Der Blonde deutete direkt vor sich und hob langsam den Kopf. Natürlich warf er aber noch einen Blick auf den Block vor in der Hand des Jungen. Juan O'Conner stand ganz oben auf dem ersten Blatt, den Rest konnte der Blonde nicht mehr lesen, da der andere sich, nachdem er ihm gedankt hatte, schnell von ihm entfernte. Reno traute sich an Fremde aber auch immer gleich auf so eine Nähe heran. Wenn andere Abstand wollten, dann suchte er gerade zu nach der kleinstmöglichen Entfernung. „Der roch richtig gut“, murmelte Reno noch, bevor er sich auch in Bewegung setzte. Nur musste er in eine andere Richtung. Erste Stunde Mathe. Zumindest ein halbwegs schönes Fach. Für ihn. Andere hassten es aus seinem Kurs. Sina gehörte auf alle Fälle dazu. Sich genüsslich streckend sank Reno im Matheraum auf einen der hinteren Plätze. Langsam ließ er den Kopf in den Nacken fallen und blickte starr auf einen fiktiven Punkt irgendwo an der Decke. Vielleicht könnte er noch seinen versäumten Schlaf nachholen, bevor die Stunde begann. Aber da stupste ihn schon jemand an der Schulter an. Gelangweilt ließ der den Kopf in die Richtung schweifen. „Morgen Gwen“, murmelte er. Fast wäre er wieder in süße Träume abgedriftet. „Na, schon was für Morgen geplant?“ Das Mädchen mit den kurzen, schwarzen Haaren hatte es sich auf seinen Tisch bequem gemacht. „Wir können uns höchstens auf die Rollenverteilung konzentrieren.“ Wieder lag sein Kopf in seinem Nacken und vergeblich versuchte er den Punkt an der Decke wieder zu finden, auf den er noch vor einer Minute geblickt hatte. Die Stelle hatte etwas dunkler gewirkt, als das restliche Weiß. War wahrscheinlich nur Einbildung. „Ich hab von Sina gehört, dass du nicht einmal ihr erzählt hast, was wir dieses Jahr spielen“, plapperte Gwen einfach weiter und strich sich dabei eine der rabenschwarzen Strähnen hinters Ohr, wo sie aber nicht hielt und ihr schon im nächsten Augenblick wieder im Gesicht hin. „Einmal will ich euch überraschen.“ Ein Grinsen zeichnete sich auf den Lippen des Blonden ab. Es sollte dieses Mal ein Meisterwerk werden. Noch in ein paar Jahren würden sich die Schüler daran erinnern. Damit würde er in die Schulgeschichte eingehen. Nein. Die ganze Theater-AG. „Dabei hasse ich Überraschungen“, murrte Gwen leicht genervt und ließ sich auf dem Platz neben Reno nieder. „Du wirst es überleben“, erwiderte der Junge nur trocken darauf. Binnen weniger Minuten hatte sich der Raum mit den anderen Schülern gefühlt. Nur Sina schien noch zu fehlen, als auch der Lehrer endlich kam. Ein großgewachsener junger Mann war er mit strohblondem Haar und immer trug er eine Brille mit pechschwarzem Gestell. Kontaktlinsen würden ihm, nach Renos Meinung, besser stehen. Das hatte er Mr Bennington auch schon einmal eiskalt ins Gesicht gesagt. Etwas nervös blickte der junge Lehrer auf die Uhr. „Eigentlich sollte ja ein Neuer hier sein“, meinte er mehr zu sich selbst, als zur Klasse. „Und Sina auch“, grummelte Reno leise vor sich hin. Da klopfte es aber schon an der Tür. Dadurch, dass es noch nicht einmal gegongt hatte, etwas unangebracht. Etwas zaghaft wurde die Tür geöffnet und der schwarzhaarige Junge, dem Reno in der Aula den Weg zum Sekretariat erklärt hatte, betrat etwas unsicher den Raum. „Entschuldigen Sie, aber ist das der Mathekurs? Ich bin Juan O'Conner...“ „Und der Neue. Ich weiß“, unterbrach Mr Bennington den Jungen, der sich schüchtern umsah. Seine schmale Statur ließ aber auch nicht auf sehr viel Selbstbewusstsein schließen. Dabei war er aber auch nicht unbedingt klein. Man könnte ihn jedoch auch nicht als extrem groß bezeichnen. Etwas durchschnittliches schon eher. Hinter ihm stürmte auf einmal Sina ins Zimmer. „Sorry, Mr Bennington, ich bin zu spät.“ Sie beachtete Juan schon gar nicht, als sie sich überschwänglich anfing bei dem Lehrer zu entschuldigen. Nervös stand der Neue nur neben ihr und biss sich krampfhaft auf die Unterlippe. „Ja, sei ruhig und setzt dich“, knurrte der Lehrer und wendete sich an Juan: „Du kannst dich da hinten auf den freien Platz setzen.“ Knapp bejahte der Schwarzhaarige das und schlurfte durch die schmalen Gänge auf den Platz, der ihm zugewiesen worden war. Die anderen Schüler wollten schon zu tuscheln beginnen, als Mr Bennington sie schon zum Stillsein aufforderte. So konnten sie gar nicht anfangen. Kurz blickte Reno den Neuen prüfend an. In der Aula sah er noch nicht so schüchtern aus. Nur etwas verloren. Einen Moment sah Juan zu Reno und lächelte ihm zaghaft zu, bevor er sich schließlich an den Tisch direkt neben dem Blonden setzte. Leicht legte dieser den Kopf schief. Ein wenig seltsam war der Neue für ihn schon. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)