Bad Boy von Karma (Duke x Ryou) ================================================================================ Phase Eins ---------- "Und ihr beide wollt wirklich ausgerechnet da rein? Seid ihr euch da wirklich ganz sicher?" Skeptisch wanderte Bakuras Blick von einem seiner Begleiter zum anderen. Zwei braune Augenpaare – eins ebenso dunkel wie das seine, das zweite ein paar Nuancen heller – blickten zurück und als sowohl sein Freund Joey als auch sein jüngerer Bruder Ryou geradezu begeistert nickten, gab der Dreiundzwanzigjährige sich schließlich abgrundtief seufzend geschlagen. "Aber nur wegen Ryou", grummelte er aus Prinzip, ließ aber trotzdem zu, dass die beiden Jüngeren sich jeder auf einer Seite bei ihm einhakten und ihn voller Enthusiasmus in den Club hineinschleiften, der eigentlich so ganz und gar nicht das war, was er selbst sich für diesen Abend vorgestellt hatte. Aber was tat man als großer Bruder nicht alles, um seinen heißgeliebten kleinen Bruder glücklich zu machen? Solange der Kleine seinen Spaß hatte, war es das wert. Glücklicherweise, stellte Bakura innerlich aufatmend fest, nachdem sie es ohne Probleme am Türsteher vorbei in den Club hineingeschafft hatten, war das Ambiente im Inneren wesentlich angenehmer, als es von außen den Anschein gemacht hatte. Es herrschte schummriges Halbdunkel und auch die Musik war zumindest einen winzigen Tick besser, als er erwartet hatte. Es war zwar nicht unbedingt seine Welt, aber alles in allem, dachte der Dreiundzwanzigjährige bei sich, hätte er es wohl wesentlich schlechter treffen können. Außerdem, und das war das Wichtigste, schien es seinem jüngeren Bruder hier wirklich zu gefallen. Der Neunzehnjährige, der sich an diesem Abend im Gegensatz zu den beiden Älteren für eine komplett weiße Garderobe entschieden hatte – Bakura trug wie üblich Schwarz, während dessen Freund Joey eine braune Lederhose mit einem dazu passenden Netzshirt kombiniert hatte –, lächelte jedenfalls und sah sich gleichermaßen neugierig wie begeistert im Club um. "Ich glaub, Ryou mag den Club", sprach Joey die Gedanken seines Freundes laut aus und dieser nickte. "Sieht ganz danach aus", erwiderte er und der Blondschopf grinste triumphierend, denn er hatte das unausgesprochene "Ist auch besser für dich" des Älteren durchaus verstanden. Immerhin war es ja auch seine Idee gewesen, an diesem Abend mit den beiden Weißhaarigen wegzugehen. Normalerweise blieb Ryou in solchen Fällen zwar meistens zu Hause – er sagte immer, er wolle nicht stören –, aber für den heutigen Abend hatte er sich ausnahmsweise tatsächlich einmal dazu überreden lassen, sein selbstgewähltes Asyl in seinem Schneckenhaus aufzugeben und die beiden Älteren zu begleiten. Diesen Umstand, das wusste Joey im Gegensatz zu seinem Freund ganz genau, hatten sie zwar nur einigen geschickten Manipulationen seinerseits, gepaart mit seinem unwiderstehlichen Bettelblick, der selbst Bakura zuweilen in die Knie zwingen konnte, zu verdanken, aber das war ja eigentlich nebensächlich. Wichtig war nur, dass Ryou an diesem Abend tatsächlich mitgekommen war. Dass er selbst dafür eigentlich nur einen ganz bestimmten Namen hatte fallen lassen müssen, behielt der Blondschopf allerdings für sich. Wenn sein Freund erführe, was Ryou und er gemeinsam hinter seinem Rücken ausgeheckt hatten, würde es nämlich Krieg geben, so viel stand fest. Ryou, der von den Gedankengängen seines Quasi-Schwagers nicht wirklich etwas mitbekam, ließ seinen Blick unterdessen interessiert durch den Club schweifen. Joey hatte wirklich nicht zu viel versprochen. Die Einrichtung aus dunklem Holz war angenehm anzusehen, das Licht war nicht zu grell und auch wenn die Musikauswahl hier nicht unbedingt hundertprozentig seinem Geschmack entsprach, fühlte er sich dennoch gleich auf Anhieb ganz wohl hier. Der Neunzehnjährige war sich durchaus dessen bewusst, dass besonders sein älterer Bruder mehr als froh darüber war, dass er sich entschlossen hatte, sich zumindest einen Abend lang nicht mehr so einzuigeln, wie er es in den letzten anderthalb Jahren getan hatte. Welchen Grund sein Hiersein allerdings wirklich hatte, behielt er lieber für sich. Wenn Kura wüsste, warum ich heute eigentlich wirklich hergekommen bin, würde er mich unter Garantie gleich wieder nach Hause schleifen – und mich da wahrscheinlich in meinem Zimmer einschließen und nie wieder rauslassen, dachte Ryou bei sich, während er sich durch die anderen Gäste in Richtung der hinter der Tanzfläche gelegenen Tische schlängelte. Er wusste, sein Bruder und dessen Freund würden ihm folgen oder ihn notfalls schon irgendwie wiederfinden, wenn sie sich doch aus den Augen verlieren sollten. Aus diesem Grund sah er sich gar nicht erst nach den beiden um, sondern quetschte sich blitzschnell auf einen freien Platz an einem für vier Personen ausgelegten Tisch, bevor ihm jemand anderes zuvorkommen konnte. Sobald Bakura und Joey sich zu ihm gesetzt hatten, strahlte Ryou die beiden Älteren abwechselnd an. "Das war echt eine ganz tolle Idee, Joey!", lobte er den Blonden und dieser grinste zufrieden. "Ich bin wirklich froh, dass ihr mich dazu überredet habt, heute Abend mit hierher zu kommen", fügte der Neunzehnjährige noch hinzu und Joey stieß seinem Freund seinen Ellbogen in die Seite, während sein Grinsen noch eine Spur breiter wurde. "Was hab ich dir gesagt, Kura? Ich wusste doch gleich, dass es Ryou hier gefallen würde!", triumphierte er und der Älteste in der Runde schnaubte genervt. "Schön für dich", grollte er, doch das beachteten die beiden Jüngeren gar nicht. Stattdessen brachen sie nach einem kurzen Blickwechsel über den Tisch hinweg einfach nur in fröhliches Gelächter aus – was Bakura wiederum dazu veranlasste, grummelnd aufzustehen und mit einem gemurmelten "Wenn ich das hier überleben soll, brauch ich unbedingt was zu trinken" in Richtung der Bar zu verschwinden. Ryou sah seinem Bruder nach, bis dieser außer Sicht- und Hörweite war. Dann beugte er sich halb über den Tisch und warf Joey einen fragenden Blick zu. "Und du bist absolut sicher, dass er heute hier sein wird?", erkundigte er sich und der Blondschopf nickte hektisch. "Hundertpro. Freitags und Samstags kommt er immer her. Das weiß ich aus absolut zuverlässiger Quelle", erwiderte er selbstsicher, ohne seine Quelle näher zu spezifizieren, und lehnte sich dann seinerseits etwas näher zu dem Jüngeren. "Hast du denn alles dabei?", wollte er wissen und nun war es an Ryou zu nicken. "Ja, hab ich. Aber was ist mit Kura? Wenn der ihn sieht, dann gibt's ein Massaker", unkte er, doch Joey winkte ab. "Mach dir deshalb mal keine Sorgen. Ich kümmere mich schon um deinen Bruder. Halt du dich einfach nur an den Plan, dann kann nichts schief gehen", gab er zurück, ließ seinen Blick über die Gäste des Clubs schweifen und grinste, als er in einer Ecke nicht allzu weit von ihrem Tisch entfernt tatsächlich denjenigen erblickte, über den Ryou und er gerade sprachen. "Er ist übrigens schon da. Gleich da hinten an dem Ecktisch", informierte der Blonde den Neunzehnjährigen und hielt dessen Kinn fest, als er sich umdrehen und sich selbst davon überzeugen wollte. "Nicht hinsehen. Er soll doch jetzt noch nichts merken, oder? Und Kura auch nicht", ermahnte er den Jüngeren und warf einen raschen Blick über dessen Schulter zu der kleinen Gruppe, bei der sich auch das Objekt der Begierde des Neunzehnjährigen befand. "Außerdem ist er auch nicht alleine hier." "Wie nicht anders erwartet." Ryou seufzte leise, schenkte Joey allerdings gleich ein beruhigendes Lächeln, als dieser ihn besorgt ansah – eine Geste, für die der Ältere ihm gleich freundschaftlich auf die Schulter klopfte. "Keine Panik, Kleiner. Du schaffst das schon. Du musst dich nur an den Plan halten, das ist alles. Den Rest – also Kura – lass einfach meine Sorge sein, ja?", bat er und lächelte dem Jüngeren seinerseits aufmunternd zu. Er konnte deutlich sehen, dass der Neunzehnjährige gerade dabei war, ein bisschen Angst vor seiner eigenen Courage zu bekommen – etwas, das er um jeden Preis verhindern musste, also rückte er auf den Platz gleich neben dem Weißhaarigen und legte ihm einen Arm um die Schultern. "Du willst doch nicht etwa jetzt noch kneifen, oder, Ryou?", erkundigte der Blondschopf sich und Ryou fuhr ertappt zusammen. Für einen Moment hatte er tatsächlich mit dem Gedanken gespielt, den ganzen Plan doch noch abzublasen und einfach aufzugeben, aber der eindringliche Blick Joeys ließ ihn innehalten. Tief durchatmend warf der Neunzehnjährige einen schnellen Blick in die Richtung, in die der Freund seines Bruders vorhin gesehen hatte. Und als er dort tatsächlich denjenigen erblickte, wegen dem er überhaupt erst hergekommen war, schüttelte er mit etwas Verspätung den Kopf als Antwort auf Joeys Frage. Er konnte nicht aufgeben! Er musste es wenigstens versuchen. Das war er sich selbst einfach schuldig. "Nein, das will ich nicht. Das will ich ganz bestimmt nicht." Die Stimme des Jüngeren war leise, klang aber dennoch entschlossen, so dass Joey gleich wieder zu grinsen begann. "So ist's richtig!", lobte er und rutschte wieder auf den Stuhl zurück, auf dem er zuvor gesessen hatte, als er sah, wie sein Freund sich mit drei Gläsern bewaffnet in Richtung ihres Tisches durchkämpfte. "Was ist denn hier los?" Bakura stellte die mitgebrachten Drinks auf die Tischplatte aus dunklem Holz, ließ sich auf einen der beiden freien Stühle fallen und sah seinen Freund und seinen Bruder abwechselnd misstrauisch an. Was hatte er in der Zeit, die er an der Bar verbracht hatte, verpasst? So, wie Ryou aussah, war es offenbar etwas Wichtiges gewesen. Ob irgendjemand den Kleinen geärgert hatte? Falls ja, dann hatte dieser Kerl die längste Zeit gelebt, so viel stand schon mal fest. Niemand ärgerte seinen süßen kleinen Bruder und überlebte das. "Nichts, nichts. Ich hatte nur etwas ... Ich bin das nur einfach nicht gewöhnt, Kura, das ist alles. Hier sind so wahnsinnig viele Leute – und das, obwohl der Abend gerade erst angefangen hat", log Ryou und warf einen Rundblick durch den vollen Club – hauptsächlich, um seinem großen Bruder nicht in die Augen sehen zu müssen. Er war noch nie ein besonders guter Lügner gewesen – gerade gegenüber Bakura nicht – und befürchtete daher sicher nicht zu Unrecht, dass der Ältere ihn durchschauen könnte. "Mach dir mal keine unnötigen Sorgen, Kura. Der Kleine hat nur ein bisschen Muffensausen. Das hier ist schließlich nicht seine Uni. Er kennt hier ja niemanden außer uns. Aber das wird schon", sprang Joey gleich auf den Zug mit auf und griff nach dem Glas, das sein Freund für ihn mitgebracht hatte. Ihm war zwar ebenso wie Ryou nicht ganz wohl dabei, Bakura zu belügen – hauptsächlich deshalb, weil der Dreiundzwanzigjährige bei so etwas absolut keine Gnade kannte, wenn er es herausfand –, aber in diesem speziellen Fall ging es eben nicht anders. Das, was Ryou sich mehr als alles andere wünschte, würde sein großer Bruder niemals gutheißen oder gar erlauben. Nein, das mussten sie schon heimlich in die Wege leiten, ob sie wollten oder nicht. Darüber, wie sie es Bakura beibringen würden, falls ihr Plan tatsächlich aufging, konnten sie sich auch dann noch Gedanken machen, wenn es erst einmal soweit war. Ryou zog ebenfalls den Cocktail, den sein Bruder ihm mitgebracht hatte, heran, schob sich den Strohhalm zwischen seine Lippen und nahm einen tiefen Schluck von der fruchtig-süß schmeckenden Flüssigkeit. Ganz offensichtlich hatte Bakura ihm auch etwas leicht Alkoholisches mitgebracht, und der Neunzehnjährige war entgegen seiner sonstigen Gewohnheit sogar ausnahmsweise dankbar dafür. Wenn er das, was Joey und er geplant hatten, wirklich durchziehen wollte, würde er sich vorher ganz sicher zumindest ein bisschen Mut antrinken müssen. Genau das tat der Neunzehnjährige auch. In der nächsten Stunde, die sein Bruder und dessen Freund größtenteils für Zungenakrobatik und Fummeleien auf der Tanzfläche oder am Tisch nutzten, gönnte Ryou sich nach und nach noch drei weitere Cocktails von der Sorte, die Bakura ihm zu Beginn mitgebracht hatte. Dabei beobachtete er die beiden Älteren immer mal wieder mit neidischen Blicken. Obwohl sie inzwischen schon seit fast achtzehn Monaten ein Paar waren, schafften sie es kaum mal für fünf Minuten, die Finger voneinander zu lassen – ein ungemein deprimierender Anblick für jemanden, der schon seit gut anderthalb Jahren Single war. Um sich von diesen Gedanken abzulenken, wollte Ryou aufstehen, zur Bar gehen und sich dort noch einen vierten Cocktail bestellen. Als ihn jedoch bereits beim Aufstehen ein leichter Schwindel erfasste, beschloss er, auf den Alkohol zu verzichten und stattdessen kurz auf der Toilette zu verschwinden. Dort brachte er sich mit einem Schwall kalten Wassers wieder einigermaßen in Schwung und lächelte seinem Spiegelbild probehalber zu, nachdem er sich das Gesicht wieder abgetrocknet hatte. Obwohl das Lächeln längst nicht so siegessicher ausfiel, wie er es sich erhofft hatte, warf der Neunzehnjährige das Papierhandtuch weg und verließ die Toilette wieder, um seinen und Joeys Plan endlich in die Tat umzusetzen. Solange der Blondschopf seinen Bruder beschäftigte, konnte dieser ihn nämlich nicht im Auge behalten und das, was er zu tun gedachte, verhindern – eine Gelegenheit, die Ryou nicht ungenutzt verstreichen lassen konnte und wollte. Immerhin hatte er schließlich eine Mission, die es zu erfüllen galt. Vor der Tür der Toilette stellte der Weißhaarige sich kurz auf die Zehenspitzen, um einen Rundblick durch den Club zu werfen und so auszuloten, wo sich das Objekt seiner Begierde in diesem Augenblick befand. Als er den Gesuchten schließlich auf der Tanzfläche entdeckte, legte sich ein zufriedenes Lächeln auf seine Lippen. Der Schwarzhaarige war zwar im Augenblick nicht alleine, aber das hatte Ryou auch nicht ernsthaft erwartet. Allerdings brachte der Anblick desjenigen, wegen dem er überhaupt hergekommen war, seinen Herzschlag vollkommen aus dem Takt. Jetzt reiss dich zusammen, verdammt noch mal!, schalt Ryou sich selbst, atmete noch einmal tief durch und straffte sich dann. Er hatte nicht die ganze Nacht Zeit, um das Objekt seiner Begierde aus der Ferne anzustarren. Dafür war er ganz bestimmt nicht hergekommen. Nein, er war hier, weil er einen Plan hatte, den umzusetzen es wirklich höchste Zeit wurde. Aus diesem Grund begann der Weißhaarige schließlich doch endlich damit, sich durch den inzwischen recht vollen Club zur Tanzfläche durchzukämpfen. Dabei wirkte er äußerlich wesentlich selbstsicherer, als er sich innerlich fühlte. Er war nervös wie selten zuvor in seinem Leben, doch er verdrängte die Aufregung, so gut es eben ging. Die ganze Zeit behielt er das Objekt seiner Begierde im Blick und registrierte zu seiner Zufriedenheit, dass dessen Tanzpartner nach einem Wortwechsel, der wegen der Lautstärke der Musik nicht zu verstehen war, augenscheinlich recht wütend die Tanzfläche verließ. Perfekt! Das war genau die Gelegenheit, auf die er gewartet hatte! Anstatt den Schwarzhaarigen allerdings direkt anzusteuern, suchte der Neunzehnjährige sich einen freien Platz in seiner Nähe, von dem aus er ihn weiterhin beobachten konnte, und stürzte sich voller Enthusiasmus ins Getümmel. Getanzt hatte er schon immer gerne, aber er war bisher meistens zu schüchtern gewesen, um sich außerhalb seiner eigenen vier Wände so weit gehen zu lassen. Jetzt allerdings, mit seinem Alkoholpegel und dem Plan im Hinterkopf, war es ihm vollkommen egal, wer ihm beim Tanzen zusah. Das Einzige, was ihn jetzt interessierte, war, dass er Spaß hatte und auf seine Kosten kam. Und dafür würde er schon sorgen. Mach dich auf was gefasst!, drohte Ryou dem Objekt seiner Begierde lautlos und öffnete noch schnell sein weißes Hemd bis auf einen einzelnen Knopf in der Mitte, denn er wollte seinen potentiellen Tanzpartnern schließlich zeigen, was er zu bieten hatte. Der schüchterne, unschuldige Ryou, den der Schwarzhaarige vor zwei Jahren kennen gelernt hatte, war heute Nacht nicht hier. Die heutige Nacht, dachte der Weißhaarige mit einem kleinen Lächeln, während er sich vollkommen von der Musik gefangen nehmen ließ, war die erste Nacht im Leben des neuen Ryou – ein Geburtstag, der gefeiert werden musste. Lange dauerte es nicht, bis die ersten Männer auf der Tanzfläche auf den Neunzehnjährigen aufmerksam wurden. Sein reinweißes Outfit alleine ließ ihn in einem Club, in dem die meisten Gäste dunkle Kleidung bevorzugten, schon hervorstechen, aber seine weißen Haare und die dunklen Augen, die er halb geschlossen hatte, um sich besser auf die Musik konzentrieren zu können, verliehen ihm eine ungemein anziehende und faszinierende Ausstrahlung, die zu ignorieren nur den Wenigsten gelang. Der erste Arm, der sich um seine Taille legte, gehörte, wie der Weißhaarige mit einem raschen Seitenblick feststellte, allerdings leider nicht dem Objekt seiner Begierde. Aber der braungebrannte junge Mann mit den platinblonden Haaren und den lavendelfarbenen Augen, die ihn einer mehr als interessierten Musterung unterzogen, war auf jeden Fall auch einen oder mehrere sündige Gedanken wert. Aus diesem Grund beschwerte Ryou sich auch nicht, sondern lächelte seinen neuen Tanzpartner stattdessen an und drehte sich mit einer geschmeidigen Bewegung in dessen Armen um, so dass er ihn von unten herauf ansehen konnte. "Hi", wurde der Neunzehnjährige gegrüßt und er triumphierte innerlich, als er erkannte, dass er den nur wenig Größeren schon einmal gesehen hatte – und zwar an dem Tisch, an dem auch das Objekt seiner Begierde sich zu Beginn aufgehalten hatte. Na, wenn das mal kein glücklicher Zufall ist, dachte Ryou und schlang seine Arme um den Nacken des Platinblonden. Dabei schenkte er diesem ein verführerisches Lächeln, warf aber gleichzeitig aus dem Augenwinkel einen Blick zu dem Schwarzhaarigen, mit dem er eigentlich sogar noch wesentlich lieber getanzt hätte. Aber man konnte ja nicht alles haben. Und außerdem ... Was nicht ist, kann ja noch werden, motivierte der Weißhaarige sich selbst und überließ seinem Tanzpartner nur zu bereitwillig die Führung. Ebenso bereitwillig schmiegte er sich an ihn und erlaubte sogar, dass die Hände des Platinblonden, dessen Namen er bis jetzt noch nicht kannte, auf Erkundungstour über seinen Körper gingen. Während der ganzen Zeit war Ryou sich der Tatsache, dass das wirkliche Objekt seiner Begierde keine zwei Meter von ihm entfernt war, mehr als bewusst. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals, aber nach außen hin gelang es ihm nicht zuletzt durch seinen Alkoholpegel, der ihn lockerer machte als gewöhnlich, sich nichts von seiner Nervosität anmerken zu lassen. Zwei Lieder verbrachte der Neunzehnjährige gemeinsam mit dem Platinblonden auf der Tanzfläche. Gerade als der dritte Song jedoch eingesetzt hatte und die Hände seines Tanzpartners immer weiter in Richtung seines Pos wanderten, wurde dieser urplötzlich von ihm weggerissen und als Ryou seine bis zu diesem Zeitpunkt geschlossenen Augen wieder öffnete, erblickte er seinen älteren Bruder, der dem Platinblonden gerade mit einem Knurren einen Arm auf den Rücken gedreht hatte und sich anschickte, ihn so von der Tanzfläche zu bugsieren. "Fass meinem kleinen Bruder noch mal an den Arsch und du kannst deine Zähne einzeln vom Boden aufsammeln. Haben wir beide uns da verstanden, Freundchen?", grollte er dabei drohend, doch die Erwiderung des Platinblonden konnte Ryou schon nicht mehr verstehen, denn Bakura schob sein Opfer unbarmherzig vor sich her. Seufzend schüttelte der Neunzehnjährige den Kopf und drehte der peinlichen Szene den Rücken zu. Warum konnte sein Bruder ihm denn nicht einfach mal ein kleines bisschen Spaß gönnen? Manchmal übertrieb er es mit seinem Beschützerinstinkt wirklich ganz furchtbar. "Armer Malik", riss eine Stimme, die dem Weißhaarigen mehr als vertraut war, auch wenn er sie schon lange nicht mehr gehört hatte, aus seinen Gedanken. Ryou blickte auf und blinzelte überrascht, als er sich dem Objekt seiner Begierde gegenübersah, fing sich aber schnell wieder und nickte einfach nur. "Dein Bruder ist wohl immer noch auf dem Trip, dass er jeden Kerl von dir fernhalten muss, was?", erkundigte sich der Schwarzhaarige und der Neunzehnjährige nickte erneut. "Allerdings", bestätigte er und seufzte abgrundtief, bevor er noch ein "Leider" hinterher schob. "Bakura ist manchmal einfach ein furchtbarer Spielverderber", beschwerte er sich, obwohl ihm eigentlich eher zum Jubeln zumute war. Der Schwarzhaarige hatte ihn tatsächlich wiedererkannt – und das, obwohl sie erstens vor knapp anderthalb Jahren zum letzten Mal wirklich miteinander gesprochen hatten und obwohl er ihn zweitens eigentlich nur in Bluejeans und dem alten blau-weiß geringelten Shirt kannte, das sein Bruder ihm vor Jahren geschenkt hatte und das auch heute noch sein Lieblingsshirt war. "Ich hoffe nur, Kura verprügelt ihn draußen jetzt nicht auch noch. Immerhin hat dieser ... Malik, sagtest du?" Fragend wurde der Schwarzhaarige angesehen. "Malik hat ja nun wirklich nichts getan, was ich nicht gewollt hätte", fuhr Ryou fort, nachdem der Andere genickt hatte. "Eigentlich hätte er, wenn es nach mir gegangen wäre, auch gerne noch etwas weitermachen können. Manchmal sind ältere Brüder wirklich totale Spaßbremsen." Bei diesen Worten wanderte eine schwarze Augenbraue in die Höhe und die grünen Augen des Schwarzhaarigen weiteten sich überrascht. Solche Töne ausgerechnet von Ryou, der, als sie sich das letzte Mal gesehen hatten, noch die Unschuld und Schüchternheit in Person gewesen war? Was war denn in den vergangenen zwei Jahren mit dem Weißhaarigen passiert? "War dein Bruder nicht schon immer so?" Diese Frage ließ Ryou nicken und seufzen. "Ja, leider. Ich meine, es ist ja nett von ihm, dass er mich beschützen will, aber muss er das auch dann machen, wenn ich eigentlich gar keinen Schutz brauche?", murrte er, schüttelte dann jedoch den Kopf, um diese ganze Sache abzutun. Eigentlich kam ihm Bakuras Beschützerinstinkt ja sogar recht gelegen, denn immerhin war er dadurch mit dem Objekt seiner Begierde ins Gespräch bekommen. "Keine Ahnung", bekam der Weißhaarige zur Antwort. Daraufhin neigte er seinen Kopf leicht zur Seite und sah seinen Gesprächspartner neugierig an. "Hast du auch Angst vor meinem Bruder oder traust du dich, mit mir zu tanzen, Duke?", wollte er von dem Schwarzhaarigen wissen und grinste, als dessen grüne Augen zu funkeln begannen. Ganz offenbar, stellte Ryou überaus zufrieden fest, hatte sich an der Abenteuerlust des Älteren nichts geändert. Perfekt! "Als ob ich mir das entgehen lassen würde." Duke grinste ebenfalls, als der Weißhaarige sich nach einer schwungvollen Drehung rücklings an ihn schmiegte und ihn über seine Schulter hinweg provozierend anblickte. "Du hast dich ganz schön verändert, Ryou", konstatierte er und der Angesprochene zwinkerte ihm frech zu. "Was hast du denn erwartet, Duke? Dass ich immer siebzehn bleiben würde?", fragte er keck und lehnte seinen Kopf an die Schulter des Schwarzhaarigen, als dessen Hände kurz über seinen Bauch strichen, bevor sie schließlich auf seiner Hüfte zu liegen kamen. Wie bei seinem Tanz mit dem Platinblonden, dessen Name, wie er inzwischen wusste, Malik lautete, überließ Ryou auch jetzt seinem Tanzpartner die Führung. Mit geschlossenen Augen gab er sich ganz in die Hände des Älteren und ließ sich von diesem ebenso führen wie von der Musik. Dabei konnte er nicht umhin zuzugeben, dass es ein absolut berauschendes Gefühl war, dem Objekt seiner Begierde nach endlosen zwei Jahren wieder so nah sein zu können. Allerdings mahnte ihn eine kleine Stimme in seinem Kopf nicht nur zur Vorsicht, sondern erinnerte ihn auch gleichzeitig daran, dass er immer noch einen Plan hatte, den er um keinen Preis gefährden durfte – vor allem nicht jetzt, wo es gerade so gut für ihn lief. Genau aus diesem Grund drehte Ryou sich schließlich auch zu seinem Tanzpartner um, schlang die Arme um seinen Nacken und schenkte ihm ein verführerisches Lächeln, bevor er den Schwarzhaarigen etwas zu sich zog, um an seinem Ohrläppchen knabbern zu können. "Tust du mir einen Gefallen, Duke?", raunte er dem Älteren dabei ins Ohr und registrierte zufrieden dessen Erschauern. Ganz offenbar machte er das, was er gerade tat, genau richtig. "Kommt ganz darauf an, was für ein Gefallen das ist", erwiderte Duke heiser und wanderte seinerseits mit seinen Lippen zum Hals des Weißhaarigen, um dort ein paar leichte Küsse zu hinterlassen. Dabei fragte er sich insgeheim, was in den vergangenen zwei Jahren mit dem kleinen, niedlichen, unschuldigen Ryou passiert war, den er gekannt hatte. Es war nicht so, dass dieser jetzt weniger hübsch war als mit siebzehn. Nein, das war ganz und gar nicht der Fall. Der Kontrast der weißen Haare und der dunkelbraunen Augen war immer noch mehr als einen flüchtigen Blick wert. Trotzdem war irgendetwas an ihm nicht mehr so wie damals. Es dauerte allerdings einen Moment, bis Duke dämmerte, dass die unschuldige Ausstrahlung, die Ryou vor zwei Jahren gehabt hatte, sich verändert hatte. Er wirkte inzwischen wesentlich selbstsicherer und selbstbewusster als früher – etwas, das ihn vielleicht sogar noch anziehender machte als damals. Nichts gegen unschuldige Jungs, aber mit denen, die ganz genau wussten, was sie wollten, konnte man seiner Erfahrung nach doch wesentlich mehr Spaß haben. "Nichts Schlimmes", versicherte Ryou murmelnd und seufzte genießerisch. An die Lippen des Schwarzhaarigen erinnerte er sich noch sehr gut – mindestens ebenso gut wie an die überaus geschickten Finger, die gerade von seinem Rücken abwärts in Richtung seines Pos strichen und ihn dabei so sanft und zärtlich streicheln, dass sich auf seinem ganzen Körper eine Gänsehaut ausbreitete. Diese Berührungen und die Nähe zu Duke machten es dem Weißhaarigen schwer, sich zu zusammenzureißen, aber er biss sich auf die Unterlippe und zwang sich, sich auf den Plan zu konzentrieren. Wenn er jetzt einen Fehler machte, dann würde er nicht nur alles verlieren, sondern Joey und er hatten Bakura auch noch völlig umsonst angelogen. Und das durfte auf gar keinen Fall passieren! Dafür war das hier viel zu wichtig. "Ich wollte dich nur bitten, Malik meine Nummer zu geben." Mit diesen Worten löste Ryou sich ein wenig von seinem Tanzpartner und zog eine leicht angeknitterte Visitenkarte aus der Tasche seiner Lederhose. Diese reichte er dem Schwarzhaarigen und sah ihn bittend an. "Ich würde sie ihm ja selbst geben, aber ich glaube nicht, dass er nach der Begegnung mit Kura vorhin heute noch mal hier reinkommt. Und Kura wird mich ganz sicher nicht aus den Augen lassen, wenn er erst mal wieder hier ist. Aber wenn du Malik sowieso kennst, könntest du das doch sicher machen, oder? Das wäre wirklich nett von dir, Duke." Etwas verdutzt nahm der Angesprochene die Visitenkarte entgegen, warf einen kurzen Blick darauf und sah den Jüngeren dann wieder an. "Und warum sollte ich das tun?", wollte er wissen und im nächsten Moment packte Ryou die rote Krawatte, die der Ältere zu seinem schwarzen Hemd trug, und zog ihn daran zu sich. "Weil ich dich ganz, ganz lieb darum bitte", murmelte der Weißhaarige, als seine Lippen nur noch wenige Millimeter von denen des Größeren entfernt waren. "Und weil du selbstverständlich auch eine Belohnung bekommst, wenn du so nett bist und mir diesen winzigkleinen Gefallen tust", fuhr er fort und hauchte einen federleichten Kuss auf die Lippen des Schwarzhaarigen, zog sich aber gleich wieder zurück, bevor dieser den Kuss vertiefen konnte. "Versprichst du es mir?" Ryou paarte einen unwiderstehlichen Augenaufschlag mit seinen besten Bettelblick und lächelte, als Duke nach kurzem Zögern schließlich mit einem Nicken sein Einverständnis zeigte. "Danke!", strahlte der Weißhaarige den Älteren daraufhin an, ließ seine Krawatte los und trat wieder einen Schritt näher. Dabei schob er seine Hände dreist in die hinteren Hosentaschen des Schwarzhaarigen, schmiegte sich an ihn und blickte ihn von unten herauf provozierend an. "Willst du dann jetzt schon deine Belohnung haben?" Dieses mit einer Mischung aus Unschuld und Verführung vorgebrachte Angebot brachte Duke zum Grinsen. "Hier? Mitten auf der Tanzfläche?", fragte er zurück, kam jedoch nicht dazu, noch mehr zu sagen. Ehe der Schwarzhaarige so recht wusste, wie ihm geschah, hatte Ryou sich schon etwas gereckt, versiegelte die verführerischen Lippen mit seinen eigenen und öffnete gleich den Mund, als die Zunge des Älteren nach kurzer Überraschung über seine Lippen strich. Ohne zu zögern ging der Weißhaarige auf das Zungenspiel ein, das der Größere begann, und seufzte leise in den Kuss hinein. Wie lange hatte er darauf gewartet? Wie oft hatte er in den vergangenen zwei Jahren davon geträumt? Ryou verlor sich vollkommen in dem Kuss. Für die halbe Ewigkeit, die er Duke so nah war, hörte der Rest der Welt einfach auf zu existieren. Absolut gar nichts war mehr wichtig – nichts außer dem Schwarzhaarigen. Nachdem Duke den Kuss beendet hatte – schließlich mussten sie beide ja auch noch atmen –, brauchte Ryou ein paar Sekunden, um wieder in der Realität anzukommen. Dann jedoch lächelte er den Älteren an, zog seine Hände aus dessen Hosentaschen zurück und brachte etwas Abstand zwischen sie beide. Zu viel Nähe war, wie er gerade festgestellt hatte, wirklich ganz und gar nicht gut für ihn, denn sie brachte ihn dazu, alles um sich herum zu vergessen. Und genau das konnte er sich im Augenblick nicht leisten. Nicht, wenn sein Plan wirklich aufgehen sollte. "Übrigens hätte ich absolut nichts dagegen, wenn du dich auch mal bei mir melden würdest, Duke. Die Nummer kannst du dir ja abschreiben, wenn du willst. Ich hab heute nämlich leider nur eine Visitenkarte dabei. Ich konnte ja nicht wissen, dass ich gleich zwei so tolle Männer treffen würde." Der Weißhaarige gab seiner Stimme einen bedauernden Klang und wurde dafür mit einem Lächeln belohnt, das, in Verbindung mit dem Kuss, seine Knie weich werden und sein Herz flattern ließ. "Das mach ich ganz bestimmt. Darauf kannst du dich verlassen, Ryou", versprach Duke, dessen Laune sich durch diese Worte, die in seinen Ohren wie eine Einladung klangen, gleich noch etwas verbessert hatte. Er hatte zwar bereits den süßen, unschuldigen und naiven Ryou gemocht, den er vor zwei Jahren kennen gelernt hatte, aber dieser neue Ryou, der offenbar ganz genau wusste, was er wollte, gefiel ihm gleich noch ein ganzes Stück besser. Wer sagte denn, dass es zwischen Expartnern immer böses Blut geben musste – auch wenn die Trennung damals nicht unbedingt einvernehmlich gewesen war? Aber darüber war der Weißhaarige inzwischen offenbar einerseits hinweggekommen und andererseits schien er auch in keinster Weise nachtragend zu sein. Immerhin hätte er dieses überaus verlockende Angebot ja sonst wohl kaum gemacht, oder? Ryou, der dem Schwarzhaarigen seine Gedankengänge förmlich ansehen konnte, schmunzelte ganz leicht. Phase Eins wäre damit schon mal abgeschlossen, dachte er zufrieden und warf einen kurzen Blick in Richtung des Tisches, an dem sein Bruder und dessen Freund saßen. Im Augenblick hockte Joey auf Bakuras Schoß und lenkte diesen ausgesprochen effektiv von dem Geschehen auf der Tanzfläche ab. Lange hält Kura das ganz bestimmt nicht mehr aus, sinnierte der Neunzehnjährige, als er sah, wie ungeduldig sein Bruder den Po des Blonden knetete. "Sieht so aus, als müsste ich langsam los", murmelte er daher in Dukes Richtung und deutete ein Nicken zu seinen beiden Begleitern an. "Kura wird gleich nach Hause wollen, um Joey flachzulegen. Und wenn ich nicht riskieren will, dass er deinetwegen auch noch mal so einen Aufstand macht wie vorhin, dann sollte ich jetzt besser gehen", fügte er erklärend hinzu und seufzte, lächelte aber gleich darauf wieder. "Ich will ja schließlich nicht, dass er auch noch auf dich losgeht, wenn er herkommt, um mich abzuholen." "Schade", gab Duke zurück und das ehrliche Bedauern, das in seiner Stimme mitschwang, ließ Ryous Lächeln gleich noch etwas tiefer werden. "Aber ich hab ja jetzt deine Nummer. Ich melde mich auf jeden Fall bei dir", wiederholte der Schwarzhaarige sein Versprechen und zog den Jüngeren zu sich, um sich noch einen zweiten Kuss von diesem stehlen zu können – den letzten Kuss für diesen Abend, aber ganz sicher nicht den letzten überhaupt, nahm er sich dabei vor, als er spürte, wie der Weißhaarige förmlich dahinschmolz. "Das will ich doch hoffen." Ryou wusste nicht genau, wie er es schaffte, einen ganzen Satz herauszubringen, aber er war dankbar dafür. Und ebenso dankbar war er für die Tatsache, dass es ihm sogar gelang, sich nach einem letzten Winken in Dukes Richtung von der Tanzfläche in Richtung des Tisches zu drängeln, an dem sein Bruder und dessen Freund immer noch wild und hemmungslos miteinander herumknutschten. Dabei wunderte der Neunzehnjährige sich insgeheim ein wenig darüber, dass seine Beine ihn tatsächlich trugen und nicht unter ihm nachgaben. Er fühlte sich ein wenig, als würde er schweben, doch dieses Gefühl verdrängte er schnell. Zum Einen sollte sein Bruder auf gar keinen Fall etwas von dem merken, was gerade vorgefallen war, und zum Anderen war es einfach noch viel zu früh, um so enthusiastisch zu sein. Er hatte zwar den ersten Schritt gemacht, aber sein Plan war noch lange nicht aufgegangen. "Wollen wir langsam nach Hause?", unterbrach Ryou die Fummelorgie seiner beiden Begleiter und fand sich gleich darauf von einem bösen Blick seines Bruders durchbohrt, der derartige Unterbrechungen ganz und gar nicht schätzte. "Was?", schnauzte Bakura seinen jüngeren Bruder an, doch dieser ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Immerhin kannte er die Launen seines Bruders schon sein ganzes Leben lang, deshalb störte er sich nicht an dem ruppigen Tonfall. "Ich habe gefragt, ob wir langsam nach Hause fahren wollen", wiederholte er stattdessen gelassen, schnappte sich das Glas seines Bruders und trank den Rest, der sich noch darin befand, aus. Danach musste er kurz husten, verkniff sich aber die missbilligende Nachfrage, ob es unbedingt so ein starker Drink hatte sein müssen, wo Bakura doch eigentlich nüchtern bleiben sollte, weil er immerhin darauf bestanden hatte, heute Abend selbst zu fahren. Solche Ermahnungen seinerseits, das wusste Ryou aus Erfahrung, stießen bei seinem Bruder grundsätzlich auf taube Ohren. "Ich dachte mir, ihr Zwei wollt bestimmt langsam nach Hause. Und das ist sicher auch besser. Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass die Betreiber des Clubs es gut finden, wenn ihr beide es hier mitten auf dem Tisch treibt. Und jetzt behauptet nicht, ihr würdet es noch bis zum Klo schaffen. Das schafft ihr nicht. Dafür kenne ich euch zu gut. Wäre ja nicht das erste Mal, dass ich mehr von eurem Sexleben mitkriege, als ich wissen will." Diese Worte seines Bruders veranlassten Bakura dazu, Joey von seinem Schoß zu schieben und aufzustehen. Was war denn jetzt kaputt? Seit wann redete sein kleiner Bruder denn so mit ihm? "Dir ist wohl der Alk zu Kopf gestiegen", vermutete der Dreiundzwanzigjährige und schüttelte den Kopf. Dadurch entging ihm der fragende Blick Joeys, den Ryou mit einem schnellen Nicken und einem kurzen, kaum sichtbaren Lächeln beantwortete – eine Geste, die den Blonden grinsen ließ. Ha, er war eben doch einfach absolut genial! Und wehe, jemand wagte noch einmal, das Gegenteil zu behaupten! "Daran wärst du dann schuld, Kura. Du hast ihm das Zeug eingeflößt", mischte der Blondschopf sich grinsend in das Gespräch der beiden Brüder ein und legte dem Neunzehnjährigen einen Arm um die Schultern. Ohne auf Bakura zu warten, schleifte er den Jüngeren in Richtung des Ausgangs und durchbohrte ihn draußen auf dem Parkplatz mit einem neugierigen Blick, während sein Freund noch die Zeche für sie Drei zahlte. "Und?", erkundigte Joey sich und sein Grinsen wuchs noch ein Stück in die Breite, als er das Strahlen in den dunkelbraunen Augen Ryous sah. "Es hat geklappt!", freute sich dieser überschwänglich, zwang sich aber, leise weiterzusprechen. "Der Plan ist genial! Er hat absolut nichts gemerkt und nicht den geringsten Verdacht geschöpft!", fuhr er fort, seine Stimme zu einem verschwörerischen Flüstern gesenkt. "Hab ich's dir nicht gleich gesagt?", trumpfte Joey auf und klopfte dem Jüngeren grinsend auf die Schulter. Mehr sagte er allerdings nicht, denn für jedes weitere Wort war Bakura inzwischen bereits zu nah. "Was grinst ihr beide denn so?", erkundigte dieser sich auch prompt misstrauisch, als er sah, wie die sein Bruder und sein Freund ihre Köpfe zusammensteckten. Hatte er etwa irgendwas Wichtiges verpasst? "Willst du wirklich wissen, was mich so zum Grinsen bringt?", fragte Joey zurück und der rauchige Unterton in seiner Stimme brachte die Durchblutung des Dreiundzwanzigjährigen gleich wieder durcheinander. "Ja, will ich", antwortete er heiser und musste sich im nächsten Moment das Stöhnen verkneifen, denn der Blonde hatte die Distanz zwischen ihnen überbrückt und strich ihm provozierend über seine ohnehin schon verdammt enge Lederhose. "Das, was ich heute Nacht noch alles so mit dir vorhabe", schnurrte Joey seinem Freund zu und registrierte zufrieden das Aufblitzen in den dunklen Augen des Älteren. Dieser raubte sich schnell einen tiefen, geradezu gierigen und besitzergreifenden Kuss, bevor er den Blonden auf den Beifahrersitz schob und selbst auf den Fahrersitz glitt. "Bin schon gespannt, was das wohl sein könnte", erwiderte er dort und sein Freund grinste. "Lass dich überraschen, Kura. Ich bin sicher, es wird dir gefallen." Ryou, der in der Zwischenzeit auf die Rückbank gerutscht war, beobachtete das Geplänkel der beiden Älteren schmunzelnd. Nach allem, was an diesem Abend passiert war, störten ihn die Zweideutigkeiten in keinster Weise. Immerhin würde er selbst ja in absehbarer Zeit auch endlich mal wieder auf seine Kosten kommen, wenn alles so lief wie geplant. Hoffentlich, sinnierte der Neunzehnjährige, wird Phase Zwei auch so erfolgreich wie Phase Eins. Phase Zwei, Teil Eins --------------------- "Wo willst du denn hin, Ryou?" Bakura, der halb auf der Couch im Wohnzimmer lag, seinen Kopf in Joeys Schoß gebettet, sah seinen kleinen Bruder von unten herauf fragend an, als dieser gut gelaunt an den beiden Älteren vorbeizuhuschen versuchte. Gerade noch hatte der Dreiundzwanzigjährige aufgrund der Tatsache, dass sein Freund ihm zärtlich durch die langen weißen Haare kraulte, wohlig gebrummelt; jetzt jedoch waren seine dunklen Augen misstrauisch zusammengekniffen. Wenn sein jüngerer Bruder nachmittags tatsächlich die gemeinsame Wohnung verließ – und das auch noch vollkommen freiwillig und ohne jeglichen Zwang –, hatte das ganz sicher nichts Gutes zu bedeuten. Oder vielleicht doch? Wollte der Kleine vielleicht doch endlich mal damit aufhören, sich ständig nur zu Hause zu vergraben? Aber warum ausgerechnet jetzt? "Ich bin mit Yami verabredet. Ich habe ein paar Fragen an ihn wegen des Studiums. Aber eigentlich hatte ich dir das gestern schon erzählt", erinnerte Ryou seinen Bruder und unterdrückte mit allergrößter Mühe ein Seufzen. Nach dem vergangenen Freitagabend, an dem Bakura, Joey und er gemeinsam in diesem Club gewesen waren, war Bakuras Beschützerinstinkt noch wesentlich ausgeprägter – und damit auch wesentlich nerviger für ihn – geworden. Das ganze Wochenende über hatte der Dreiundzwanzigjährige seinen jüngeren Bruder mit Fragen darüber gelöchert, wer dieser Typ gewesen war, der ihn da auf der Tanzfläche so "übel begrabscht" hatte, wie er es genannt hatte. Er hatte sich so in diese Sache verrannt, dass es Joey und Ryou schwer gefallen war, ihn davon zu überzeugen, dass es sich lediglich um einen harmlosen Flirt unter Alkoholeinfluss gehandelt hatte und nicht um die sexuelle Belästigung, die Bakura seinem platinblonden Opfer unterstellt hatte. Nur gut, dass Kura Duke nicht in dem Club gesehen hat. Den hätte er nämlich unter Garantie sofort umgebracht, dachte der Neunzehnjährige und verkniff sich ein Schmunzeln. Die erste Phase des Plans, den Joey und er gemeinsam ausgeheckt hatten, war wirklich mehr als erfolgreich verlaufen. Immerhin, erinnerte Ryou sich, hatte er gleich am Samstagabend eine kurze SMS von Duke bekommen, in der dieser ihm mitgeteilt hatte, dass er die Visitenkarte wie versprochen an Malik weitergeleitet hatte – etwas, das Ryou Joey zwar erzählt, Bakura allerdings wohlweislich verschwiegen hatte. Deshalb hatte er zwar ein schlechtes Gewissen, aber daran konnte er auch nichts mehr ändern. Im Augenblick durfte Bakura einfach noch nichts davon erfahren, was sein Bruder und sein Freund vorhatten, denn das würde ihm ganz und gar nicht gefallen. "Du triffst dich mit Yami? Na, okay. Der kommt wenigstens nicht auf komische Gedanken und betatscht dich", holte Bakuras Stimme Ryou wieder in die Realität zurück und der Neunzehnjährige seufzte nun doch laut. Manchmal war sein großer Bruder einfach unglaublich nervtötend. "Das ist wirklich absolut lächerlich, Kura. Nur weil ich ein einziges Mal mit irgendeinem Typen, den ich vorher nicht kannte, ein bisschen getanzt habe – noch dazu, nachdem ich Alkohol getrunken hatte, den du mir gegeben hast, falls du dich noch daran erinnerst –, heißt das doch nicht gleich, dass ich mit dem auch ..." "Jetzt streitet euch doch nicht wegen so einer Lappalie", ging Joey dazwischen, bevor Bakura aufstehen und seiner Laune, die mit jedem Wort seines Bruders bedenklich schlechter geworden war, Ausdruck verleihen konnte. "Du warst doch verabredet, oder, Ryou? Solltest du dich dann nicht beeilen? Nicht, dass du noch zu spät kommst und Yami unnötig warten lässt", fuhr der Blonde schnell fort und der Angesprochene warf ihm einen dankbaren Blick zu, bevor er hastig nickte. "Stimmt. Ich muss wirklich los. Bis heute Abend dann, ihr Zwei." Nach einem letzten Winken beeilte Ryou sich, aus der gemeinsamen Wohnung zu verschwinden. Streit mit seinem Bruder war im Augenblick so ziemlich das Letzte, was er gebrauchen konnte, deshalb beschloss er, jetzt nichts mehr zu sagen, sondern sich einfach schnell aus dem Staub zu machen. Immerhin wollte er Yami ja auch wirklich nicht länger warten lassen, als es unbedingt nötig war. Sobald die Tür hinter seinem jüngeren Bruder ins Schloss gefallen war, setzte Bakura sich auf und sah seinen Freund durchdringend an. "Glaubst du etwa auch, dass es meine Schuld ist, dass Ryou um ein Haar mitten auf der Tanzfläche mit diesem miesen Grabscher rumgemacht hätte?", wollte er gefährlich leise wissen und Joey schüttelte sofort den Kopf. Dieser Blick, mit dem Bakura ihn gerade bedachte, verhieß nichts Gutes, wenn er jetzt eine falsche Antwort gab, das wusste er aus Erfahrung. "Nein, natürlich nicht", widersprach der Blonde deshalb auch schnell und sah dem Anderen genau in die Augen, damit dieser merkte, dass er das, was er sagte, auch wirklich ernst meinte. "Aber meinst du nicht, dass du der ganzen Sache sehr viel mehr Bedeutung beimisst, als sie eigentlich hatte?", erkundigte er sich dann mit schiefgelegtem Kopf. "Warum freust du dich denn nicht lieber darüber, dass Ryou endlich mal mit uns beiden aus war und einen schönen Abend verbracht hat, an dem er ein bisschen getanzt und sich mal wieder so richtig amüsiert hat? Was ist denn schon dabei?", wagte er schließlich zu fragen und Bakura schnaubte zwar, sagte aber nichts weiter dazu – was Joey als Einladung auffasste, sich auf seinen Schoß zu hocken und dem Älteren einen Kuss auf die Lippen zu drücken. Das war schon immer die effektivste Methode gewesen, um den Weißhaarigen wieder zu beruhigen, wenn sein Temperament wieder mal mit ihm durchzugehen drohte. "Sieh's doch mal von der positiven Seite, Kura: Ryou hat mit diesem Kerl doch absolut nichts angestellt. Dafür ist der Kleine einfach nicht der Typ. Sicher, sie haben getanzt und vielleicht auch ein bisschen gefummelt – und das auch nur, weil Ryou etwas Alk intus hatte –, aber mehr ist doch nun wirklich nicht passiert", versuchte der Blonde, seinen noch immer schlecht gelaunten Freund aufzuheitern. "One-Night-Stands sind einfach nicht Ryous Ding. Das müsstest du doch wohl am besten wissen", schob er noch hinterher und grinste innerlich, als Bakura ihn einfach nur kommentarlos in einen weiteren Kuss verwickelte, in dessen Verlauf der Weißhaarige ihn unter sich auf die Couch beförderte und sein Shirt aus dem Weg zu schieben begann. Doch, so gefiel ihm das. Sogar außerordentlich gut, wenn er ehrlich war. Bakura war zwar vielleicht nicht groß mit Worten, aber dafür sprachen seine Taten eine sehr, sehr deutliche Sprache. Während sein Bruder und dessen Freund ein paar weitere Seiten des Kamasutra auf der heimischen Wohnzimmercouch durchexerzierten, erreichte Ryou etwas außer Atem das Eiscafé, in dem er sich für den heutigen Nachmittag mit Yami verabredet hatte. Der Zweiundzwanzigjährige, der bereits an einem kleinen Tisch saß und wartete, war wie üblich einfach nicht zu übersehen. Wie beinahe jeden Tag trug er auch heute eine enge schwarze Lederhose und ein ebenso schwarzes, ärmelloses Shirt. Den letzten Akzent aber setzte das schwarze Lederhalsband mit Nieten, das er um seinen Hals geschlungen hatte. Ein paar seiner blonden Ponysträhnen waren ebenso wie sein schwarz-violettes Haupthaar in mehreren hochstehenden Spitzen gebändigt und das Lächeln, das gerade auf seinen Lippen lag, konnte man einfach nur als lasziv bezeichnen. "Da bist du ja", begrüßte er Ryou und bedeutete diesem, ihm gegenüber Platz zu nehmen. Sobald der Neunzehnjährige seiner Aufforderung gefolgt war, vertiefte sich das Lächeln des Bunthaarigen noch etwas. "Du siehst aus, als wärst du gerannt", stellte er fest und zwinkerte dem Jüngeren zu. "Hattest du es etwa so eilig, mich zu sehen?", erkundigte er sich scherzhaft, fuhr aber gleich fort, ohne Ryou die Möglichkeit zu lassen, eine Antwort zu geben. "Mir scheint, du könntest eine kleine Abkühlung ganz gut gebrauchen." Mit diesen Worten schob er ihm die Eiskarte zu. "Bestell dir, worauf du Lust hast. Und dann können wir auch eigentlich gleich anfangen, wenn du willst." Ryou nickte dem Älteren kurz zu, vertiefte sich einen Moment lang in die Karte und legte diese dann beiseite, sobald er seine Wahl getroffen hatte. "Einen Kirschbecher, bitte", bestellte er bei der brünetten Kellnerin, als diese an ihren Tisch kam. "Und für mich einen Schokobecher", gab Yami auch seine Bestellung auf und zwinkerte der jungen Frau zu – eine Geste, die sie leicht erröten ließ. Sobald sie sich nach der Beteuerung, dass sie sich beeilen würde, entfernt hatte, stützte der Zweiundzwanzigjährige seine Arme auf den Tisch und wandte seine Aufmerksamkeit ganz seinem Gegenüber zu. "Und? Hat bisher alles so geklappt, wie du es wolltest?", erkundigte er sich neugierig und Ryou nickte eifrig. "Bis jetzt ja", bestätigte er. "Und Kura hat auch noch keinen Verdacht geschöpft. Ich hoffe nur, dass diese Glückssträhne auch anhält", fügte er dann noch hinzu und seufzte leise, während ein Schatten über sein Gesicht huschte. Fragt sich nur, wie lange das noch gut geht. Kura riecht bestimmt bald Lunte. Und dann ist auf jeden Fall die Hölle los. Yami, dem der plötzliche Stimmungswechsel des Weißhaarigen nicht entging, legte diesem eine Hand auf den Arm und brachte ihn so dazu, ihn wieder anzusehen. "Das wird schon, Ryou. Ganz bestimmt. Immerhin ist der Plan wirklich gut", sprach er ihm dann Mut zu und schenkte dem Jüngeren ein aufmunterndes Lächeln. "Und du hast ja schließlich auch uns. Wir helfen dir schon, das zu bekommen, was du willst", fuhr er fort und sah zu seiner Zufriedenheit, dass sein Gegenüber auch wieder zu lächeln begann. "Danke, Yami." Wie konnte man bei solch liebevollem, aufbauendem Zuspruch noch weiter den Teufel an die Wand malen oder Trübsal blasen? Nein, das ging nicht. Und außerdem, ermahnte Ryou sich selbst, hing bei dem Plan auch viel davon ab, dass er selbst nicht aufgab oder sich hängen ließ. Aus diesem Grund verdrängte er alle negativen Gedanken und bedankte sich stattdessen ausgesprochen freundlich bei der Kellnerin, als diese die bestellten Eisbecher brachte. "Nicht übel", lobte Yami, als die brünette junge Frau mit einem deutlich sichtbaren Rotschimmer auf den Wangen – wann wurde man an einem einzelnen Tag auch schon mal gleich von zwei so ausnehmend hübschen jungen Männern mit so viel Aufmerksamkeit bedacht? – wieder hinter der Theke verschwand. "Das war für den Anfang wirklich gar nicht schlecht. Du wirst wirklich immer besser, Ryou." Dieses Kompliment trieb dem Weißhaarigen ebenfalls Röte ins Gesicht, was der Ältere mit einem Grinsen quittierte. "Niedlich", kommentierte er den Anblick und Ryou grummelte leise. "Na toll", murrte er und seufzte abgrundtief. "Niedlich aussehen ist so ziemlich das Letzte, was ich will. Wer niedlich ist, kommt nicht weit. Ich wäre lieber ein bisschen sexier", murmelte er und sah den Bunthaarigen über den Tisch hinweg an. "Ich wäre gerne ein bisschen mehr so wie du, Yami. Dann hätte ich sicher größere Chancen, dass mein Plan auch wirklich aufgeht", fügte er hinzu und das Grinsen des Bunthaarigen vertiefte sich noch etwas. "Na, dem kann doch abgeholfen werden. Dafür sind wir ja schließlich heute hier. Was glaubst du denn, warum ich dir vorgeschlagen habe, dass wir uns in einem Eiscafé treffen, hm? Hier ist es ideal zum Üben." Zufrieden lehnte Yami sich in seinem Stuhl zurück und ließ seinen Blick über die anderen Gäste schweifen, bevor er seinen Gegenüber wieder ansah. "Und genügend Publikum haben wir auch. Absolut perfekt, möchte ich behaupten." Der Bunthaarige lächelte lasziv und Ryou errötete abermals, als der Ältere ihm einen auffordernden Blick zuwarf. "Also los, fang an", verlangte Yami, stützte seine Ellbogen auf dem Tisch ab und sah dem Kommilitonen seines jüngeren Bruders Yugi tief in die Augen. "Versuch, mich heiß zu machen, Ryou. Alles, was du dafür brauchst, steht genau vor deiner Nase", erklärte er mit einem Nicken in Richtung des Eisbechers. Ryou besah sich sein Eis und blickte den Älteren dann zweifelnd an. "Mein Eis?", fragte er und reizte Yami damit zum Schmunzeln. "Natürlich dein Eis, Ryou. Was denn sonst?", erwiderte dieser. "Glaub mir, jeder Kerl kriegt schmutzige Gedanken, wenn er eine Frau oder – je nach seinen sexuellen Präferenzen – auch einen anderen Mann beim Eisessen beobachtet. Gut, normalerweise ist Eis am Stiel oder in der Waffel dafür besser geeignet – wegen der Assoziationen, du weißt schon –, aber zum Üben tut's im Notfall auch ein Eisbecher." Yami grinste seinen Gegenüber an, nahm die von Sahne, Eis und Sauce nur so triefende Waffel aus seinem Becher und schob sie sich provokativ zwischen die Lippen. "So ungefähr, verstehst du?", fragte er den Weißhaarigen, leckte sich genießerisch das Eis-Sahne-Sauce-Gemisch von den Lippen und schenkte dem Jüngeren einen auffordernden Blick, nachdem dieser genickt hatte. "Gut, dann bist du jetzt dran." Ryou, der den Bunthaarigen ganz genau beobachtet hatte, wollte dessen Vorlage nacheifern, musste jedoch feststellen, dass sein Eis zwar vor Kirschen, Sahne und Sauce nur so strotzte, die Waffel allerdings unglücklicherweise vermissen ließ. Der Neunzehnjährige wollte sich allerdings keine Blöße geben, also griff er kurz entschlossen nach seinem Löffel, fischte sich damit eine der Kirschen aus seinem Becher und verspeiste diese mit sichtlichem Genuss. "Nicht schlecht für den Anfang", kommentierte Yami diesen Anblick, nahm seinen eigenen Löffel und tunkte ihn ebenfalls in sein Eis. "Aber du solltest auf jeden Fall versuchen, dabei Blickkontakt herzustellen – am besten mit halb geschlossenen Augen. So ungefähr", verbesserte er den Weißhaarigen und machte sich dann daran, das soeben Beschriebene in die Tat umzusetzen, um seinem überaus wissbegierigen Gegenüber zu demonstrieren, wie es aussehen sollte. Wie er nicht anders erwartet hatte, entpuppte sich Ryou als ebenso lernwilliger und ehrgeiziger wie talentierter Schüler, so dass Yami schließlich nach einer Weile seinen leeren Eisbecher von sich schob, sich in seinem Stuhl zurücklehnte und den Weißhaarigen dabei beobachtete, wie dieser die letzten Kirschen aus seinem Becher angelte und aß. Dabei behielt der Zweiundzwanzigjährige aus dem Augenwinkel die anderen Gäste des Eiscafés im Auge und stellte zufrieden fest, dass einige von ihnen – insbesondere zwei ältere Herren und ein pubertierender Jugendlicher von höchstens sechzehn Jahren – Ryou praktisch mit Blicken verschlangen. Gut, das war nicht ganz das erhoffte Zielpublikum, aber man konnte ja leider auch nicht immer Glück haben. Mit dem Ergebnis des Tages bis jetzt dennoch durchaus zufrieden lächelte der Bunthaarige den Jüngeren an, winkte die brünette Kellnerin an ihren Tisch und zahlte für sie beide, wobei er die junge Frau durch intensiven Blickkontakt und ein beiläufig wirkendes Zwinkern vollkommen aus dem Konzept brachte. Danach schob er seinen Stuhl zurück, stand auf und sah seinen Begleiter auffordernd an. "So, und jetzt gehen wir beiden Hübschen ein paar neue Klamotten für dich kaufen", informierte er Ryou und warf einen bezeichnenden Blick auf das blau-weiß geringelte Shirt, das dieser zu seiner einfachen hellblauen Jeans trug. Der Neunzehnjährige folgte dem Blick des Älteren und seufzte abgrundtief, was Yami dazu veranlasste, ihn von seinem Stuhl hochzuziehen und ihm den Arm um die Schultern zu legen. "Hey, niemand verlangt von dir, dass du dich gleich ganz von deinem Lieblingsshirt trennst", versuchte der Bunthaarige, den Jüngeren aufzumuntern. Immerhin wusste er schließlich ganz genau, wie sehr dieser an dem Shirt hing, das sein Bruder ihm vor ein paar Jahren geschenkt hatte. "Aber er soll doch sehen können, was du zu bieten hast, nicht wahr? Schließlich willst du ihn doch beeindrucken, oder?" "Ja, schon", gab Ryou zurück und seufzte erneut. Der Gedanke, auf sein über alles geliebtes Shirt, das schon Bakura gehört hatte und an dem so unheimlich viele Erinnerungen hingen, verzichten zu müssen, war ganz und gar nicht schön, aber wenn sein Plan wirklich aufgehen sollte, dann hatte er wohl wirklich keine andere Wahl. "Na also. Dann werden wir dich jetzt so einkleiden, dass ihm die Spucke wegbleibt, wenn er dich das nächste Mal sieht!", beschloss Yami gut gelaunt und zog Ryou mit sich. Er kannte genau die richtigen Läden, um seinem weißhaarigen Schützling einen vollkommen neuen Look zu verpassen – einen Look, der ihm unter Garantie dabei helfen würde, das zu bekommen, was er wollte. Wäre doch gelacht, wenn wir das nicht hinkriegen würden! Seiner anfänglichen Skepsis zum Trotz ließ Ryou sich schnell von der guten Stimmung seines Begleiters anstecken. Yami war, wie sich schon im Eiscafé gezeigt hatte, genau der richtige Ansprechpartner, wenn es darum ging, sexy zu sein oder vielmehr zu werden. Jemand wie der Bunthaarige, der so viel gebündelte Erotik ausstrahlte, war einfach der perfekte Stilberater, was Kleidung und Auftreten betraf. Aus diesem Grund ließ der Weißhaarige sich auch ohne große Diskussionen über Stunden hinweg immer wieder in verschiedene Geschäfte lotsen und probierte nahezu widerspruchslos alles an, was Yami ihm reichte – egal, wie knapp oder durchsichtig die Sachen auch waren. Der Zweiundzwanzigjährige hatte nicht nur ein Händchen dafür, auf Anhieb die richtigen Größen zu finden, sondern suchte auch zielsicher Kleidung aus, die zwar körperbetont, aber trotzdem nicht zu aufreizend war. Die Hosen, Hemden und Shirts, die er seinem Begleiter reichte, unterstrichen nicht nur Ryous zierliche Figur und seine körperlichen Vorzüge, sondern gaben diesem auch dann, wenn sein Outfit eigentlich nur aus einem Hauch von Nichts bestand, noch das Gefühl, nicht vollkommen nackt zu sein. Gerade trat der Weißhaarige wieder in einem neuen Outfit aus der Umkleidekabine – dieses Mal trug er ein braunes, halb durchsichtiges Hemd mit unauffälliger silberner Stickerei am Kragen und an den Ärmeln zu einer engen, aber schlichten weißen Hose –, drehte sich einmal um seine eigene Achse und nahm Yamis Kompliment – "Das steht dir wirklich super, Ryou. Wenn ich du wäre, würde ich's auf jeden Fall kaufen." – entgegen, als ihn eine Stimme, mit der er nicht gerechnet hatte, vollkommen aus der Bahn warf. "Da kann ich mich nur anschließen." Duke, der den Großteil des Nachmittags eigentlich ziellos durch die Innenstadt geschlendert war, bis er in einiger Entfernung einen mehr als bekannten weißen Schopf erblickt hatte, lächelte den Besitzer ebendieses weißen Schopfes kurz an und ließ seinen Blick dann anerkennend über den Körper des Jüngeren wandern. Diese eindeutige Musterung trieb Ryou das Blut in die Wangen und er wandte schnell das Gesicht ab, um das vor dem Schwarzhaarigen zu verbergen. Damit, Duke so bald schon wieder gegenüberzustehen, hatte er nicht gerechnet. Aus diesem Grund war er mehr als froh, dass Yami bei ihm war und ihm von dem Schwarzhaarigen unbemerkt kurz auf den Fuß trat. Durch diesen leichten Schmerz gewann Ryou zumindest äußerlich seine Fassung wieder. Innerlich trotzdem noch immer vor Aufregung zitternd drehte er sich wieder zu dem Objekt seiner Begierde um und sah den Älteren mit fragend schiefgelegtem Kopf an. "Findest du?", erkundigte er sich und wunderte sich insgeheim darüber, dass seine Stimme fast vollkommen normal klang, obwohl sein Herz mit Rekordgeschwindigkeit schlug – ein Tempo, das sich gleich noch mehr steigerte, als Duke ohne zu zögern nickte. "Auf jeden Fall. Das Braun passt perfekt zu deinen Augen", beantwortete dieser die Frage, bevor sein Blick von Ryou zu dessen Begleiter weiterwanderte. Sofort fand er sich mit violetten Augen konfrontiert, die ihn fragend musterten. "Hi. Ich bin Duke", stellte der Schwarzhaarige sich daraufhin mit seinem üblichen charmanten Lächeln vor und sah, wie eine fein geschwungene Augenbraue des Bunthaarigen – der einen ziemlich extravaganten Frisurengeschmack hatte, das musste der Neid ihm lassen – ein Stück nach oben wanderte. "Yami", erwiderte er die Vorstellung knapp und sandte Ryou, der Dukes interessierte Musterung des Bunthaarigen mit unverhohlener Eifersucht verfolgte, einen warnenden Blick. Obwohl es dem Weißhaarigen nicht leicht fiel, riss er sich zusammen und verbarg seinen inneren Aufruhr hinter einem aufgesetzt fröhlichen Lächeln. "Duke und ich kennen uns noch von früher", erklärte er Yami, als wüsste dieser nicht ganz genau, wer der Schwarzhaarige war. Und der Bunthaarige sprang auch prompt auf die Vorlage an. Er taxierte Ryous "Bekannten" mit einem kurzen Seitenblick und rang sich dann ein "Ach so" ab, das desinteressierter wirklich nicht mehr hätte klingen können. Insgeheim bewunderte Ryou den Älteren dafür. So souverän wie Yami wäre er selbst auch gerne, doch davon war er wohl noch meilenweit entfernt. Leider. Duke entging die versteckte Beleidigung, die hinter den Worten dieses Typen mit der seltsamen Frisur steckte – "Wenn Ryou mir bis jetzt nicht von dir erzählt hast, kannst du ja unmöglich wirklich wichtig sein." – nicht, doch er ließ sich nichts anmerken. Das Lächeln blieb auf seinen Lippen, auch wenn es seine Augen nicht mehr erreichte. "Ryou und ich kennen uns schon eine halbe Ewigkeit", ließ er es sich dennoch nicht nehmen, dem Bunthaarigen seine Spitze heimzuzahlen. Allerdings ging Yami nicht darauf ein, sondern drückte Ryou ungerührt den nächsten Satz Kleidung zum Anprobieren in die Hand und schickte ihn damit wieder in Richtung der Kabine. Dabei machte er keinen Hehl daraus, dass er sich vom Auftauchen des Schwarzhaarigen gestört fühlte – wohl wissend, dass er ihn damit erst recht zum Bleiben bewegen würde. Während Ryou sich erst umzog und sich danach mit klopfendem Herzen seinen inzwischen zwei Kritikern stellte, tippte der Bunthaarige unauffällig und von den beiden Anderen unbemerkt eine SMS mit der Aufforderung, ihn so schnell wie möglich unter irgendeinem Vorwand anzurufen und nach Hause zu bestellen. Diese Nachricht schickte er sowohl an seinen Bruder Yugi wie auch an seinen Freund. Und tatsächlich klingelte kaum eine Minute später sein Handy und ein Blick auf das Display verriet ihm, dass sein kleiner Bruder seiner Bitte gefolgt war. Einen entschuldigenden Blick zu Ryou werfend nahm Yami das Gespräch entgegen, ließ Yugi aber gar nicht erst zu Wort kommen oder eine Frage stellen, sondern begann gleich mit der Showeinlage, für die er sich bei Dukes Auftauchen spontan entschieden hatte. "Yugi? Du störst. Was ist denn los?", fragte er seinen Bruder gereizt, reagierte jedoch nicht auf dessen irritiert gestammelte Erklärung, dass er nur tat, worum der Ältere ihn doch gerade erst per SMS gebeten habe. Stattdessen seufzte Yami theatralisch und fuhr sich mit seiner freien Hand durch die Haare. "Was soll das heißen, ich soll jetzt schon nach Hause kommen? Hör mal, ich freu mich schon seit Tagen auf den Nachmittag mit Ryou und ich ... Was? Wirklich? Oh, dann ... Das ist natürlich was Anderes. Okay, ich bin schon so gut wie unterwegs." Damit legte Yami auf, seufzte erneut und wandte sich dann mit einem zerknirschten Lächeln an Ryou, der ihn fragend ansah. "Sorry, Ryou, aber ich muss los. Bei uns steht die halbe Küche unter Wasser. Irgendwas mit der Spülmaschine, was Yugi nicht alleine geregelt kriegt. Du kennst ihn ja, nicht wahr? Jedenfalls ... Na ja, wir holen das Shoppen ein andermal nach, ja?" Nach dieser Erklärung umarmte der Zweiundzwanzigjährige den betreten dreinblickenden Ryou kurz und brachte seine Lippen so nah an dessen Ohr, dass seine nächsten Worte nur von dem Weißhaarigen gehört werden konnten. "Ich lass dich jetzt mit ihm alleine. Mach was draus, Ryou. Viel Glück! Ich drück dir ganz fest die Daumen", raunte der Bunthaarige dem Jüngeren zu, wartete allerdings keine Reaktion mehr darauf ab, sondern drückte ihn noch einmal an sich und ließ ihn dann los, um nach einem gemurmelten Abschied so schnell wie möglich aus dem Laden in die gerade langsam einsetzende Dämmerung zu hasten. Kaum dass er um die nächste Ecke gebogen war, verlangsamte er seine Schritte wieder und zückte sein Handy, um seinem Bruder erst einmal eine erklärende SMS bezüglich der gerade mit seiner Hilfe aufgeführten Schmierenkomödie zu schicken. Sobald das erledigt war, suchte er die Nummer seines Freundes aus dem Telefonspeicher, wählte sie und wartete ungeduldig darauf, dass am anderen Ende der Leitung abgenommen wurde. Als sich die gewünschte Person endlich meldete, legte sich ein laszives Lächeln auf Yamis Lippen. "Hallo, schöner Mann", begrüßte er seinen Freund und gab seiner Stimme einen extra verführerischen Klang. "Aufgrund gewisser unvorhergesehener Ereignisse, die ich dir später näher erklären werde, wenn du willst, könnte ich schon in spätestens zwanzig Minuten zu Hause sein. Yugi übernachtet heute bei Rebecca, also habe ich praktisch sturmfrei. Was würdest du also davon halten, gleich zu mir zu kommen? Ich hätte nämlich so richtig Lust auf ein schönes Schaumbad, aber alleine ist es mir zu langweilig. Ich hätte dabei gerne Gesellschaft – am liebsten natürlich von dir. Wie klingt das für dich?", unterbreitete er seinen Vorschlag und sein Lächeln vertiefte sich, als vom anderen Ende der Leitung wie erwartet gleich begeisterte Zustimmung kam. Überaus zufrieden beendete Yami das Gespräch, schob sein Handy wieder zurück in die Tasche seiner schwarzen Lederhose und machte sich dann fröhlich pfeifend auf den Heimweg. Wenn man wusste, welche Knöpfe man drücken musste, dann waren Männer ja so unglaublich leicht um den kleinen Finger zu wickeln, dass es schon beinahe an ein Verbrechen grenzte. Phase Zwei, Teil Zwei --------------------- Während Yami sich voller Vorfreude auf den Rest des Abends und die vor ihm liegende Nacht beeilte, nach Hause zu kommen, stand Ryou noch etwas perplex und überrumpelt in dem Geschäft, in dem der Bunthaarige ihn gemeinsam mit Duke zurückgelassen hatte. So ganz genau wusste der Neunzehnjährige nicht, wie er jetzt weiter vorgehen sollte, aber dennoch konnte er nicht umhin, sich zumindest schon mal darüber zu freuen, dass der Schwarzhaarige noch immer da war und auch keine Anstalten machte, gehen zu wollen. Vielleicht konnte er den Rest des Tages ja doch noch nutzen – wenn auch ganz anders, als er es eigentlich geplant hatte. "Sieht ganz so aus, als hätten sich deine Pläne für den Rest des Tages gerade in Luft aufgelöst." Duke gab sich keine allzu große Mühe, Bedauern vorzutäuschen. Bis er Ryou durch Zufall begegnet war, hatte er selbst eigentlich nichts Bestimmtes vorgehabt, sondern einfach nur ein bisschen bummeln und vielleicht mal wieder etwas Geld ausgeben wollen. Jetzt allerdings, wo der Begleiter des Weißhaarigen gegangen war und ihn alleine zurückgelassen hatte, beglückwünschte er sich insgeheim zu der Entscheidung, Ryou zu folgen und ihn anzusprechen. Malik hatte, das wusste er nur zu gut, es bisher noch nicht geschafft, den Weißhaarigen anzurufen. Und wenn er selbst es geschickt genug anstellte, dann sollte es eigentlich kein großes Problem sein, dem Ägypter zuvorzukommen. "Aber wenn es dich nicht stört, könnte ich dir ja beim Einkaufen Gesellschaft leisten. Wie es der Zufall so will, hab ich heute nämlich jede Menge Zeit und nichts weiter vor." Bei diesen Worten machte Ryous Herz einen Hüpfer, doch er bemühte sich, sich davon nichts anmerken zu lassen. Stattdessen legte er nachdenklich seine Stirn in Falten, bevor er nach kurzem "Überlegen" schließlich nickte. "Klar. Warum auch nicht?", stimmte er zu und lächelte den Schwarzhaarigen an. "Ich bin sicher, du kannst mich genauso gut wie Yami beraten, was mir steht und was nicht", schob er noch hinterher und nun war es an Duke zu nicken. "Das sollte ich gerade noch so hinkriegen", witzelte er und zwinkerte dem Jüngeren zu, was dessen Pulsfrequenz gleich noch einmal verdoppelte. Jetzt, wo der – zugegebenermaßen durchaus gutaussehende – Störfaktor mit dem Namen Yami weg war, war Dukes Laune gleich wieder ein ganzes Stück besser geworden. Es war wesentlich einfacher, jemanden rumzukriegen und abzuschleppen, wenn man nicht erst noch einen Anderen ausstechen musste. Hin und wieder machte ein bisschen Konkurrenz die ganze Sache zwar erst wirklich interessant, aber manchmal war es auch gar nicht so schlecht, wenn es einfach und schnell ging. Ryou entging Dukes Stimmungsumschwung nicht, doch er verbot sich selbst, sich zu sehr darüber zu freuen. Sicher, der Schwarzhaarige hatte in Yami einen Konkurrenten gesehen, aber im Augenblick ging es – zumindest für den Einundzwanzigjährigen – nur um Sex. An etwas Anderem hatte Duke zumindest bis jetzt noch kein Interesse. Und das würde sich wohl auch nicht so schnell ändern. Wenn er wüsste, worum es hier wirklich geht! Ryou verkniff sich ein Seufzen und lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf den Stapel Kleidung, den er mit Yamis Hilfe bereits vor Dukes Auftauchen ausgesucht hatte. "Ich glaube, hier bin ich erst mal fertig", teilte er seinem neuen Begleiter mit und begann, die nicht zu seiner Auswahl gehörenden Sachen wieder wegzuhängen. Dann wollte er die zu kaufenden Teile nehmen und damit zur Kasse gehen, doch Duke kam ihm zuvor. Durchaus geschmeichelt ließ Ryou zu, dass der Schwarzhaarige die Sachen schon mal zur Kasse brachte und nach dem Bezahlen auch, ganz Gentleman, die Tüten für ihn trug. "So, und wohin soll's jetzt gehen? Was brauchst du noch?", erkundigte Duke sich auf dem Weg nach draußen. Diese Frage beantwortete der Weißhaarige allerdings nur mit einem Schulterzucken. "Das weiß ich gar nicht so genau. Das mit dem Shoppen war Yamis Idee. Er meinte, er wollte heute dafür sorgen, dass ich absolut umwerfend aussehe", erzählte er so leichthin wie möglich und sah den Größeren von unten herauf fragend an. "Aber das schaffst du doch bestimmt auch, oder? Ich meine, Geschmack hast du ja schließlich. Darüber lässt sich wirklich nicht streiten", schmeichelte er dem Schwarzhaarigen, ließ seine Augen bezeichnend über dessen komplett schwarze Garderobe wandern und hakte sich bei Duke ein, nachdem dieser ihm seinen Arm angeboten hatte. Dessen grüne Augen funkelten unternehmungslustig, sobald der Jüngere an seinem Arm hing. "Im Shoppen bin ich Profi", versicherte er dem Weißhaarigen glaubhaft und führte diesen dann zielsicher zu einem seiner persönlichen Lieblingsläden. "In Leder siehst du bestimmt unglaublich heiß aus", begründete er die Wahl des Geschäfts, stellte die Tüten mit Ryous bisherigen Einkäufen nahe der Kasse ab und begann dann gleich eifrig damit, nach passenden Outfits für seinen weißhaarigen Begleiter zu suchen. "Sag mal, woher kennst du diesen Yami eigentlich?", erkundigte er sich dabei irgendwann betont beiläufig. Ryou, der gerade in einer der Umkleidekabinen stand und damit beschäftigt war, die zu der schwarzen Lederhose, die er bereits trug, gehörende Weste zuzuknöpfen, grinste sein Spiegelbild triumphierend an. Am liebsten hätte er laut gejubelt, aber als er antwortete, klang seine Stimme vollkommen normal – eine Tatsache, die wohl niemanden mehr wunderte als ihn selbst. "Von der Uni. Yami ist der ältere Bruder eines meiner Kommilitonen und mir als Tutor zugewiesen worden. Er hat mir auch schon eine Menge beigebracht, wenn du verstehst, was ich meine." Der Weißhaarige machte sich nicht die Mühe, die Zweideutigkeit seines letzten Satzes zu korrigieren. Stattdessen schob er den Vorhang der Umkleide zur Seite, trat ein paar Schritte heraus und drehte sich einmal um seine eigene Achse, um sich seinem Begleiter zu präsentieren. Sollte der Schwarzhaarige ruhig einen falschen Eindruck von seinem Verhältnis zu Yami gewinnen. Der Bunthaarige würde sicher nicht böse sein, wenn er davon erfuhr. Und Tristan, Yamis Freund, hatte auch genügend Sinn für Humor, um das Ganze nicht falsch zu verstehen. "Und? Was meinst du dazu?", wollte Ryou wissen und lächelte zufrieden, als Duke nach einer kurzen Musterung seines Outfits – und, dessen war der Neunzehnjährige sich absolut sicher, darüber hinaus auch seines Körpers – anerkennend nickte. "Okay, gekau–", begann er, kam jedoch nicht mehr dazu, seinen Satz zu beenden. Ehe er so recht wusste, wie ihm geschah, fand er sich auch schon in der Umkleide wieder, Duke direkt vor sich und von dessen Körper praktisch an der Wand festgepinnt. "Ich hatte Recht mit meiner Vermutung. Du siehst wirklich zum Anbeissen aus in Leder, Ryou", murmelte der Schwarzhaarige und sein Tonfall jagte einen Schauer über den gesamten Körper des Angesprochenen. "Was dagegen, wenn ich mal ein bisschen von dir koste?", erkundigte Duke sich weiter, ließ seinem "Opfer" aber keine Zeit zum Antworten, sondern machte sich gleich über den überaus appetitlich aussehenden Hals des Weißhaarigen her – eine Aktion, die diesem ein überraschtes Stöhnen entlockte und ihn dazu brachte, sich mit beiden Händen im schwarzen Shirt des Älteren festzukrallen. Ryou wusste kaum, wie ihm geschah, als er Dukes Lippen und Zähne an seinem Hals spürte. Binnen Sekunden hatte er das Gefühl, sein Blut wäre gegen flüssiges Feuer ausgetauscht worden, das ihn von innen heraus zu verbrennen drohte. Er hatte zwar gewusst, dass er – unter anderem – auch den Sex mit Duke vermisst hatte, aber er hatte definitiv nicht erwartet, dass sein Verlangen so übermächtig sein würde. "Scheint, als wäre ... mein Plan für heute ... nur etwas ... abgeändert worden", brachte Ryou irgendwie heraus und schnappte keuchend nach Luft, als der Schwarzhaarige wieder von ihm abließ. "Zumindest was denjenigen angeht, mit dem ich den Rest des Tages verbringe", setzte er noch hinterher. Dabei, das erkannte er mit einem Seitenblick in den großen Wandspiegel der Umkleide, legte sich ein durch und durch verruchtes Lächeln auf seine Lippen, von dem er gar nicht gewusst hatte, dass er dazu fähig war. Die Tatsache jedoch, dass es ihm ganz natürlich und keinesfalls aufgesetzt vorkam, fegte zumindest einen Teil seiner Nervosität beiseite. "Was für ein Glück für dich, dass ich da flexibel bin." Diese Aussage ließ eine von Dukes Brauen in die Höhe schnellen. Überrascht musterte er den Jüngeren. Solche Töne ausgerechnet von Ryou? Von dem Ryou, der sich vor zwei Jahren schon beim Händchenhalten und Küssen geschämt hatte, vom Fummeln oder gar vom Sex ganz zu schweigen? "Im Vergleich zu früher hast du dich wirklich ganz schön verändert", gab Duke halb staunend, halb anerkennend zurück und erntete dafür ein ausgesprochen zweideutiges Zwinkern des Jüngeren. "Ich hab dir doch letzten Freitag schon gesagt, dass ich inzwischen erwachsen geworden bin. Ich will eben auch meinen Spaß haben. Und Yami läuft mir schließlich nicht weg. Ich sehe ihn ja so gut wie jeden Tag an der Uni. Wir können also jederzeit was Neues ausmachen. Aber dich sehe ich nicht so oft. Ich müsste doch schön dumm sein, so eine Gelegenheit zu verschenken, meinst du nicht auch?", argumentierte Ryou und schmunzelte, als der Schwarzhaarige einfach nur zustimmend nickte. Duke kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Der süße, kleine, naive, unschuldige Ryou hatte sich wirklich sehr verändert – eindeutig zum Positiven, so viel stand auf jeden Fall schon mal fest. Und die Tatsache, dass der Weißhaarige nicht nur eine gute Gelegenheit auf den ersten Blick erkannte, sondern auch noch bereit war, sie umgehend zu nutzen, brachte ihm gleich noch mehr Pluspunkte ein. Ehe Duke allerdings seinen bereits am letzten Freitag gefassten Vorsatz, Ryou bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit zu verführen, in die Tat umsetzen konnte, kam ihm das plötzliche Klingeln eines Handys dazwischen. Ryou, der seinen Klingelton erkannte, zuckte erschrocken zusammen und befreite sich aus Dukes Armen, um nach seinem Telefon kramen zu können. Dabei zitterte er innerlich, doch seine Befürchtung, der Anrufer könnte Bakura sein, der Wind von dem Plan bekommen hatte und ihn für eine Standpauke nach Hause beordern wollte, bestätigte sich glücklicherweise nicht. Die Nummer, die auf seinem Display stand, war Ryou zwar unbekannt, aber als er den Anruf entgegennahm, erkannte er die Stimme des Anrufers beinahe sofort. "Hi, Ryou", wurde er gut gelaunt begrüßt. "Ich bin's, Malik. Tut mir leid, dass ich jetzt erst anrufe, aber eher ging's nicht. Die letzten Tage waren ziemlich stressig bei mir, aber ich hab dich weder vergessen noch hab ich die Karte verloren, die Duke mir von dir gegeben hat." Der Schwarzhaarige, der die Stimme des Ägypters ebenso erkannt hatte wie Ryou, fluchte innerlich. Musste Malik ausgerechnet jetzt anrufen, wo alles gerade so gut für ihn lief? Hätte er damit nicht noch wenigstens bis zum nächsten Tag warten können? Hoffentlich wollte der Ägypter sich nicht jetzt gleich mit Ryou treffen und vermasselte ihm dadurch die Tour! Wenn er das macht, dann kann er aber was erleben, wenn ich ihn das nächste Mal sehe! Ryou hingegen, dem die Unterbrechung gerade recht kam – so hatte er die Gelegenheit, seine Erregung wieder ein bisschen in den Griff zu kriegen und sein weiteres Vorgehen zu planen –, lächelte strahlend. Zum Einen freute er sich wirklich über den Anruf des Platinblonden und zum Anderen verschaffte das Gespräch ihm auch die Zeit, die er jetzt mehr als dringend zum Nachdenken brauchte. "Hi, Malik!", grüßte er seinen Gesprächspartner daher geradezu enthusiastisch und strich sich ein paar störende weiße Strähnen aus dem Gesicht. "Freut mich, dass du dich doch noch meldest. Ich hatte schon befürchtet, du hättest kein Interesse mehr an mir, nachdem mein Bruder sich am Freitag so unglaublich peinlich und affig aufgeführt hat." "So was kenn ich nur zu gut." Malik lachte leise und Ryou kam nicht umhin festzustellen, dass das ein mehr als angenehmes Geräusch war. Unter anderen Umständen hätte er das Kribbeln, das durch seinen Körper fuhr, sicher sehr genossen, aber das Einzige, woran er im Augenblick denken konnte, war der Plan, den Joey und er ausgeheckt hatten und für dessen Gelingen seine eigene Reaktion auf Maliks Stimme mehr als hilfreich war. Immerhin stand Duke schließlich noch immer neben ihm, hörte jedes Wort, das gesprochen wurde, und sah auch ganz genau, wie er reagierte. "Ich hab selbst auch zwei ältere Geschwister, musst du wissen. Mein Bruder Rishid ist eigentlich ganz okay, aber Ishizu – meine Schwester – glaubt, sie müsste sich als meine Mutter aufspielen." Maliks Stimme klang halb amüsiert, halb genervt. "Sie übertreibt ständig und glaubt, ich könnte auch mit zwanzig immer noch nicht selbst auf mich aufpassen. Das nervt zwar, aber ich hab mich daran gewöhnt. Und eigentlich meint sie es ja auch nicht wirklich böse. Sie macht sich eben nur Sorgen und fühlt sich für mich verantwortlich." "Genau wie Bakura – auch wenn der eine mehr als komische Art hat, seine Besorgnis um mich zu zeigen." Ryou grummelte leise, lächelte aber gleich darauf wieder. "Aber du rufst doch sicher nicht an, um Dich mit mir über ältere Geschwister und ihre Macken zu unterhalten, oder?", erkundigte er sich und Malik lachte erneut. "Das nicht, nein. Eigentlich wollte ich dich fragen, ob Du am Samstag schon was vorhast. Falls nicht, würde ich mich gerne mal mit dir treffen", schlug er dann vor und der Weißhaarige nickte, obwohl sein Gesprächspartner das nicht sehen konnte. "Samstag passt mir gut. Aber bei mir können wir uns nicht treffen, sonst dreht mein Bruder wieder durch. Ich müsste also zu dir kommen, wenn dir das recht ist", sagte Ryou zu. Dabei meinte er, das Lächeln des Platinblonden fast durch die Leitung sehen zu können. "Sehr sogar", erwiderte dieser. "Am Samstag arbeite ich nur bis Mittags. Den Nachmittag hab ich frei. Meine Geschwister werden allerdings in unserem Restaurant sein, also haben wir unsere Ruhe. Sturmfreie Bude, sozusagen. Wie klingt das für dich?" "Das klingt perfekt für mich." Ryou lächelte zufrieden, obwohl ihm bei dem Gedanken, sich ganz alleine mit Malik zu treffen und vielleicht sogar Sex mit ihm haben zu müssen, schon etwas mulmig wurde. Aber was tat man nicht alles dafür, dass der einmal gefasste Plan auch wirklich aufging? Manchmal, erinnerte der Weißhaarige sich selbst, musste man eben Opfer bringen, damit sich am Ende alles wie gewünscht fügte. Vor allem aber musste man Geduld haben, denn Zeit war ein ganz entscheidender Faktor für das Gelingen des Plans. Von heute auf morgen ging da nichts, also immer Eile mit Weile. "Super. Dann sehen wir uns also am Samstag. Ich schick dir meine Adresse vorher noch per SMS, damit du auch weißt, wo du hinmusst, okay?", holte Maliks Stimme Ryou wieder aus seinen Grübeleien und in die Realität zurück. Der Weißhaarige nickte, verabschiedete sich noch kurz von dem Ägypter und schob sein Handy dann wieder zurück in die Tasche seiner Jeans, nachdem er aufgelegt hatte. "Sieht ganz so aus, als wäre dein Samstag jetzt schon verplant. Schade eigentlich." Diese Bemerkung Dukes und vor allem sein bedauernder Tonfall brachten Ryous Herzschlag vollkommen aus dem Takt, doch er zwang sich, ruhig zu bleiben. "Wieso findest du das schade?", erkundigte er sich stattdessen und sah den Älteren neugierig an, obwohl er sich den Grund dafür gut vorstellen konnte. Immerhin hatte Duke es noch nie besonders geschätzt, wenn ihm ein Anderer bei irgendetwas zuvorgekommen war. Scheinbar hatte sich an dieser Eigenart des Schwarzhaarigen nicht viel geändert. Einerseits war das schade, aber andererseits auch von Vorteil, denn es erhöhte die Wahrscheinlichkeit, dass der Plan gelingen würde, deutlich. "Weil das ja wohl im Klartext bedeutet, dass du dann am Samstag schon mal keine Zeit für mich hast, wenn du dich mit Malik triffst", antwortete Duke auf die Frage des Weißhaarigen. Dafür erntete er ein strahlendes Lächeln, bevor die Fingerspitzen des Jüngeren äußerst provokant über seine Brust und seinen Bauch strichen. Erst am Hosenbund stoppte Ryou die Reise seiner Finger und nahm erfreut zur Kenntnis, dass der Schwarzhaarige scharf die Luft einzog. Das Wissen, dass eine derart kleine Berührung seinerseits dafür verantwortlich war, dass die grünen Augen des Älteren sich um ein paar Nuancen verdunkelten, verschafften dem Weißhaarigen ein unglaubliches Hochgefühl. Wann hatte er das letzte Mal so sehr das Gefühl von Macht gehabt? Ryou wusste es nicht, aber er beschloss, es bis zur Neige auszukosten. Immerhin wusste er ja nicht, wann er das nächste Mal die Gelegenheit bekommen würde, Duke ein wenig zu necken und herauszufordern. "Dafür haben wir doch heute noch den Rest des Abends. Vor neun erwartet Bakura mich auf keinen Fall zurück. Und vielleicht könnte ich sogar bis zehn bleiben, wenn du mich nachher dann eben nach Hause fährst." Diese Worte begleitete Ryou mit einem vielsagenden Zwinkern und sah zu seiner Zufriedenheit, dass die grünen Augen seines Begleiters vorfreudig zu funkeln begannen. Kurz fragte der Weißhaarige sich, ob diese Entscheidung vielleicht ein Fehler war – was, wenn Duke das Interesse an ihm verlor, sobald er ihn erst einmal gehabt hatte; es wäre schließlich nicht das erste Mal –, doch diese Zweifel verdrängte er schnell wieder. Duke konnte nicht anders als zu grinsen. Wenn das kein Angebot war, was war es dann? Ganz offenbar wusste Ryou nicht nur ganz genau, was er wollte, sondern traute sich inzwischen auch, das deutlich zu machen. Was für ein überaus erfreulicher Fortschritt! "Ich schätze, damit wär die Shoppingtour dann wohl für heute zu Ende", kommentierte der Schwarzhaarige den Entschluss des Jüngeren und stahl sich einen kurzen Kuss, bevor er die Kabine verließ. Eigentlich hätte er zwar liebend gerne noch dabei geholfen, Ryou aus dem Lederensemble zu pellen, aber er kannte die Besitzerin des Ladens schon eine ganze Weile und wusste aus Erfahrung, dass sie solche Techtelmechtel in ihren Umkleiden ganz und gar nicht schätzte. Aus diesem Grund – immerhin wollte er kein zweites Mal zum Putzen verdonnert werden – ging der Einundzwanzigjährige schon mal zur Kasse, um vielleicht noch ein bisschen mit Mai plaudern zu können, während er auf den Weißhaarigen wartete. Ryou schwebte nach dem fast schon beiläufigen Kuss förmlich auf Wolke Sieben und musste sich regelrecht dazu zwingen, sich nicht in irgendwelche unsinnigen Hoffnungen oder Träumereien zu versteigen. Dafür war es eindeutig noch viel, viel zu früh. Eigentlich ist es auch noch viel zu früh, um schon mit ihm zu gehen. Der Weißhaarige wusste, dass es möglicherweise ein Fehler war, sich jetzt schon wieder auf seinen Exfreund einzulassen, aber er wollte einfach nicht mehr warten. Wie sähe das denn auch aus, wenn ich jetzt einen Rückzieher machen würde? Dann wäre der ganze Plan auf jeden Fall total im Eimer. Nein, überzeugte Ryou sich selbst, während er wieder in seine eigene Kleidung schlüpfte, wenn er jetzt zurückruderte, würde er dem Plan mit Sicherheit mehr schaden als nützen. Dass seine Entscheidung zu einem nicht geringen Teil davon beeinflusst wurde, dass er nach dem Kuss gar keinen Rückzieher mehr machen wollte, ignorierte er dabei gekonnt. Während Ryou sich umzog, hatte Duke sich rücklings an die Kasse gelehnt, so dass er die Umkleide im Auge behalten konnte. "Na, hast du schon wieder ein neues Opfer im Visier, Duke?", erkundigte sich eine spöttische Stimme von schräg hinter ihm und die dazugehörige Sprecherin – eine rassige Blondine in äußerst knapper Kleidung, die ihre üppigen Kurven vorteilhaft betonte und in Szene setzte – schob sich eine störende Locke aus der Stirn, um ihren langjährigen Stammkunden gleichermaßen fragend wie missbilligend mustern zu können. "Ich weiß, es geht mich eigentlich absolut nichts an, aber der Kleine, denn du da vorhin mitgebracht hast, ist viel zu gut für dich. So ein Unschuldsengelchen wie der hat's echt nicht verdient, dass ausgerechnet du deine Krallen in ihn schlägst, mein Kater. Du verdirbst den armen Jungen nur", fügte sie kopfschüttelnd hinzu und seufzte, als der Schwarzhaarige sich halb zu ihr umdrehte und sie schelmisch angrinste. Dieses Grinsen verhieß eindeutig nichts Gutes. "Deine Sorge in allen Ehren, meine Süße, aber das kommt ein bisschen zu spät. Verdorben hab ich ihn schon vor zwei Jahren. Der Kleine, wie du ihn nennst, ist mein Ex", klärte Duke die blonde junge Frau auf und diese schüttelte erneut den Kopf. "Dein Ex? Das heißt, er kennt dich und weiß ganz genau, wie du bist? Und dann lässt er sich noch mal auf dich ein? Mir scheint, dem armen Kerl ist echt nicht mehr zu helfen. Schade eigentlich", murmelte sie. Bevor sie allerdings noch etwas sagen und den Schwarzhaarigen damit noch mehr verärgern konnte – also so schlimm, wie Mai ihn gerade darstellte, war er ja wohl ganz bestimmt nicht! –, verließ Ryou die Umkleide, hängte das Lederoutfit weg und gesellte sich dann zu den beiden Älteren an die Kasse. "Von mir aus können wir gehen", wandte er sich an Duke und lächelte dann die Blondine, die hinter dem Tresen stand, freundlich an. "Sie haben hier eine wirklich tolle Auswahl. Ich komme bestimmt noch mal vorbei", versprach er ihr und sie lächelte zurück, wurde allerdings gleich wieder ernst, als sie sah, wie die braunen Augen des Jungen zu dem Schwarzhaarigen zurückwanderten und ihn praktisch anhimmelten. "Sag Mai zu mir, sonst fühl ich mich so alt. Und wenn ich dir einen kleinen Tipp geben darf: Fall bloß nicht auf den Casanova hier rein! Duke hat keine Ahnung davon, was Liebe ist. Den interessiert nur Sex, sonst nichts. Dafür solltest du dir eigentlich zu schade sein", warnte sie und blinzelte überrascht, als das Lächeln des Weißhaarigen sich ob ihrer Worte nur noch vertiefte. Ryou war die Blondine, die sich hier so offen auf seine Seite stellte, obwohl – oder vielleicht gerade weil – sie Duke offenbar schon eine ganze Weile kannte, auf Anhieb sympathisch. "Das weiß ich doch", beruhigte er sie daher und warf einen kurzen Seitenblick zu dem Schwarzhaarigen, dem die Richtung, in die das Gespräch sich gerade entwickelte, scheinbar ganz und gar nicht gefiel. "Aber ich will von ihm ja auch nicht mehr als bloß Sex. Den Fehler, mich in ihn zu verlieben, mache ich ganz bestimmt kein zweites Mal. Ich weiß ja schließlich aus Erfahrung, dass er nicht der Typ für eine feste Beziehung ist. Aber das stört mich ganz und gar nicht. Im Moment will ich schließlich auch keine Beziehung, sondern einfach nur meinen Spaß. Und dafür ist Duke genau der Richtige. Das bist du doch, oder?" Ryou zwinkerte dem Älteren zu, nahm die Tüten mit seinen Einkäufen und sah den Schwarzhaarigen dann auffordernd an. "Gehen wir dann jetzt zu dir?", fragte er und der Angesprochene nickte sofort. "Siehst du, Mai, du musst dir um Ryou wirklich keine Sorgen mehr machen. Er weiß ganz genau, was er will", ließ er es sich nicht nehmen, die blonde Ladenbesitzerin zu belehren. Danach stieß er sich von der Kasse ab, ging voraus und hielt Ryou galant die Tür auf. Mai blickte den beiden jungen Männern kurz nach und schüttelte dann amüsiert den Kopf. "Das glaub ich allerdings auch", murmelte sie und grinste still in sich hinein. Irgendwie konnte sie sich des Eindrucks nicht erwehren, dass das weißhaarige Engelchen in der Tat ganz genau wusste, was es wollte – und dass Duke bis jetzt nicht einmal die Spur einer Ahnung hatte, was das wirklich war. Na, das verspricht doch mal, spannend zu werden. Leise lachend machte Mai sich daran, die neuen Waren, die am Vormittag eingetroffen waren, auszupacken und sie in die Regale einzusortieren. Dabei hoffte sie, dass der Kleine sein Versprechen tatsächlich wahr machte und wirklich noch mal in ihren Laden kam. Vielleicht ergab sich dann ja die Gelegenheit zu einem netten kleinen Plausch unter vier Augen. Ich wäre wirklich zu gerne dabei, wenn Duke begreift, worum es dem Engelchen wirklich geht. Sein Gesichtsausdruck ist bestimmt Gold wert. Phase Zwei, Teil Drei --------------------- Der Schwarzhaarige, der nichts von den Gedankengängen der blonden Ladenbesitzerin ahnte, hatte Ryou mittlerweile schon so gut wie zu sich nach Hause verfrachtet. Es war doch in Fällen wie diesen, in denen er es eilig hatte, jemanden flachzulegen, wirklich ungemein praktisch, dass er über mehr als ein Domizil verfügte, das er dafür nutzen konnte. Doch, stellte er wieder einmal fest, als er Ryou in den Aufzug bugsierte, der sie beide zu seinem Penthouse, das sich unter dem Dach eines der großen, direkt in der Innenstadt gelegenen Apartmenthäuser befand, bringen würde, es hatte eindeutig Vorteile, nicht nur mehr als vermögende Eltern, sondern auch ein eigenes, überaus gut gefülltes Bankkonto zu haben. "Da wären wir." Staunend sah Ryou sich um, als der Fahrstuhl hielt und ihn in eine helle, überaus geräumige und geschmackvoll eingerichtete Wohnung entließ. Der Blick aus dem wirklich riesigen Wohnzimmerfenster, das dem Aufzug gleich gegenüberlag, war überwältigend. Ganz sicher, vermutete der Weißhaarige, sahen der Sonnenuntergang, der Vollmond oder auch nur ein simples Gewitter aus dieser Perspektive absolut atemberaubend aus. Aber ob Duke sich überhaupt schon mal die Zeit dafür genommen hat, so etwas zu genießen? Irgendwie bezweifelte der Neunzehnjährige das doch sehr. "Gefällt's dir?" Schmunzelnd beobachtete Duke das Staunen seines Begleiters. Da dessen Einkäufe im Augenblick nicht gebraucht wurden, stellte er sie einfach gleich neben dem Fahrstuhl ab und schob den Jüngeren dann hinüber zu der cremefarbenen Ledergarnitur, die sein Wohnzimmer dominierte. Der weiche dunkelrote Teppich schluckte das Geräusch seiner Schritte und so war es ihm ein Leichtes, sich an Ryou, der sich immer noch fasziniert umsah, anzuschleichen und von hinten die Arme um ihn zu legen. "Und was machen wir beiden Hübschen jetzt, hm?" Der rauchige, verführerische Unterton in der Stimme des hinter ihm Stehenden jagte Ryou einen Schauer nach dem anderen über den Körper. Hatte er auf dem Weg hierher auch kurzzeitig seine Zweifel gehabt, jetzt und hier waren sie wieder wie weggewischt. Er würde auf keinen Fall aufgeben, sondern Duke zeigen, was er zu bieten hatte – zwar wesentlich eher als geplant, aber das machte ja nichts. Pläne waren schließlich dazu da, an veränderte Gegebenheiten angepasst zu werden, nicht wahr? Aus diesem Grund drehte der Weißhaarige sich in den Armen des Älteren um und sah ihn von unten herauf herausfordernd an. "Weiß nicht. Mach doch einfach einen Vorschlag. Wenn der gut ist, dann setzen wir ihn in die Tat um." Ryous schlagfertige Antwort in Verbindung mit seinem schelmischen Grinsen ließ auch Duke schmunzeln. "Och, ich denke, ich wüsste da schon was", murmelte er und senkte seine Lippen auf die des Jüngeren, um diesen tief und verlangend küssen zu können. Dabei spürte er zu seiner Befriedigung, wie Ryou binnen Sekunden förmlich dahinschmolz. Ha, da sollte noch mal jemand behaupten, er hätte nichts anderes als Sex im Kopf! Aber genau darum geht's dir doch gerade, oder etwa nicht?, mischte sich eine kleine, penetrant nach Mai klingende Stimme in seinem Kopf just in dem Moment ein, in dem er gerade so richtig loslegen wollte. Ryou lag inzwischen schon rücklings und ohne sein Shirt auf der Couch – wie war das denn so schnell auf den Boden gekommen? –, seine Atmung hatte sich deutlich beschleunigt und seine Wangen waren leicht gerötet. Es hätte nicht mehr des unübersehbaren und wohlbekannten Hungers in seinen braunen Augen bedurft, um Duke zu zeigen, worauf genau der Neunzehnjährige jetzt aus war. Und sein eigener Körper wollte genau dasselbe, das konnte er nicht leugnen. Dafür sprach die Beule in seiner Hose, die langsam aber sicher schmerzhaft zu werden begann, eine zu deutliche Sprache. Dummerweise ließen sich seine Gedanken nicht so leicht abschütteln, wie er es gerne gehabt hätte. Innerlich fluchend versuchte der Schwarzhaarige, sich wieder auf den ausgesprochen willigen Ryou, der bereits ungeduldig an seiner Hose nestelte, zu konzentrieren, doch das wollte ihm nicht so recht gelingen – etwas, was er von sich selbst einfach nicht kannte und deshalb auch nicht verstand. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er noch nie ein Problem damit gehabt, sich einfach nur mit jemandem zu amüsieren. Verpflichtungen einzugehen war einfach nicht sein Ding. Er hatte noch nie auch nur einen einzigen Gedanken an eine längere Bindung oder gar eine echte, tiefe Beziehung verschwendet – er war schon sehr früh zu der Überzeugung gelangt, dass das einfach nichts für ihn war –, aber ganz plötzlich war da diese nagende Stimme in seinem Hinterkopf, die ihn auslachte und ihm spöttisch erklärte, dass Mai und Ryou durchaus Recht hatten, wenn sie behaupteten, dass er nur immer an Sex dachte und sowieso nichts anderes zu bieten hatte als einen tollen Körper und eine Menge Erfahrung auf dem Gebiet des Verführens. Aber seit wann, verdammt noch mal, störte ihn das plötzlich so sehr? Ryou blinzelte überrascht, als Duke, der ihn gerade noch so eilig von seinem Shirt befreit und ihn unter sich auf die Couch befördert hatte, ohne Vorwarnung von ihm abließ, sich aufsetzte und sich mit einem frustrierten Seufzen durch die langen schwarzen Haare fuhr. Was ist denn jetzt kaputt? Durch seine Erregung fiel dem Neunzehnjährigen das Denken nicht gerade leicht, deshalb dauerte es einen Moment, bis er begriff, dass sein Exfreund tatsächlich aus irgendeinem Grund die Notbremse gezogen hatte und offenbar auch nicht gedachte, seine unterbrochene Tätigkeit so bald wieder fortzusetzen. "Duke? Was ist los?" Die Frage, ob er selbst vielleicht irgendeinen Fehler gemacht und damit die Stimmung verdorben hatte, konnte Ryou sich gerade noch so verkneifen. Etwas mühsam rappelte er sich in eine sitzende Position hoch und sah den Schwarzhaarigen dann fragend an. "Willst Du nicht mehr?", wollte er dennoch wissen und schrak leicht zusammen, als der Ältere ihm urplötzlich wieder das Gesicht zuwandte. "Doch, schon." Duke lächelte etwas gequält und warf einen kurzen Blick in seine Körpermitte, die immer noch vehement ihr Recht verlangte. "Ich denke nur – und ich kann nicht glauben, dass ausgerechnet ich das jetzt sage –, dass das hier möglicherweise alles etwas zu schnell geht. Vielleicht sollten wir einen Gang zurückschalten oder so." Der Schwarzhaarige hoffte inständig, dass der Jüngere ihn nicht nach dem Grund für seinen plötzlichen Sinneswechsel fragen würde. Er hätte nicht gewusst, wie er das erklären sollte, ohne sich selbst zum kompletten Vollidioten abzustempeln – noch mehr, als er es durch diese Unterbrechung ohnehin schon getan hatte. Ryou war sich nicht ganz sicher, ob er sich nicht vielleicht verhört hatte. Sollte er das, was Duke da gerade von sich gegeben hatte, etwa wirklich für bare Münze nehmen? Aber seit wann machte der Schwarzhaarige sich denn plötzlich Gedanken darüber, ob das mit dem Sex vielleicht zu schnell ging? Immerhin hatte er, als sie damals zusammen gewesen waren, schon im ersten Monat angefangen, darüber zu reden, doch endlich miteinander zu schlafen. Und jetzt auf einmal wollte er es langsamer angehen lassen? Wie ist er denn bitteschön auf diese blöde Idee gekommen? Sollte das vielleicht ein Scherz sein? Falls ja, dann ist es aber ein verdammt schlechter Scherz. Es dauerte einen Moment, bis es Ryou dämmerte, dass Dukes Rückzieher möglicherweise nur indirekt mit ihm zu tun hatte. Ein Blick auf die Beule in der Hose des Schwarzhaarigen hatte ihn schnell davon überzeugt, dass dieser weder ein plötzliches Problem mit seiner Potenz hatte noch dass er selbst vielleicht doch nicht attraktiv genug für ihn war. Scheinbar – und bei dieser Erkenntnis musste der Weißhaarige mit all seiner Willenskraft ein triumphierendes Grinsen unterdrücken – hatte das, was Mai und er gesagt hatten, Duke doch mehr mitgenommen, als dieser sich selbst eingestehen wollte. Jetzt, das war Ryou mehr als bewusst, durfte er absolut keinen Fehler machen, denn ansonsten war die ganze Sache mit dem Plan endgültig gelaufen. "Soll das heißen, du willst jetzt nur ein bisschen knutschen und fummeln, aber nicht vögeln?" Woher er den Mut für eine solche Frage nahm – und wie er es schaffte, sie so locker und beiläufig über die Lippen zu bringen –, wusste der Neunzehnjährige nicht. Ebenso wenig wusste er, wie es ihm gelang, den Schwarzhaarigen einfach nur fragend und ohne die geringste Spur von Vorwurf anzusehen. Die Erleichterung in den grünen Augen des Älteren zeigte ihm jedoch, dass er genau das Richtige getan hatte. "Du bist nicht sauer?" Duke war sich nicht ganz sicher, was er empfinden sollte. Einerseits fiel ihm ein tonnenschwerer Stein vom Herzen, weil Ryou ihm nicht wie erwartet eine Szene machte, ihn auslachte oder einfach ging, aber andererseits war er auch mehr als verwundert über diese Reaktion. Keiner der anderen Typen, mit denen er bisher etwas gehabt hatte, hätte so reagiert, dessen war er sich absolut sicher. Ryou ist eben nicht so wie die Anderen, informierte ihn die kleine, gehässige, mehr und mehr wie Mai klingende Stimme in seinem Kopf in einem widerlich triumphierendem Tonfall. War er schon früher nicht. Er war irgendwie immer besser als die Anderen. Kopfschüttelnd vertrieb der Schwarzhaarige diese Gedanken und nickte dann schnell, als er Ryous irritierten Blick bemerkte, der das Kopfschütteln wohl auf sich bezogen hatte, obwohl ja eigentlich er und nicht der Weißhaarige eine Frage gestellt hatte. "Nein, bin ich nicht." Ryou lächelte dem Älteren beruhigend zu und hockte sich dann – noch immer shirtlos – rittlings auf seinen Schoß. Dabei legte er seine Arme locker um Dukes Nacken und rutschte ein bisschen hin und her, bis er eine Position gefunden hatte, die für ihn bequem war. Damit brachte er den Schwarzhaarigen mehr ungewollt als wirklich bewusst in arge Bedrängnis – eine Bedrängnis, die sich noch etwas verstärkte, als er leicht an dessen Ohrläppchen zu knabbern begann. "Ich bin ganz und gar nicht sauer. Warum sollte ich auch? Das wär doch lächerlich." Genau betrachtet, dachte Ryou, war ein Teil von ihm sogar regelrecht erleichtert über diese Wendung, auch wenn der Rest von ihm – vornehmlich sein Körper – doch etwas enttäuscht darüber war. Aber so wirklich schlimm war es auch wieder nicht, noch ein kleines bisschen länger auf Sex verzichten zu müssen. Im Gegenteil. Und wenn Duke dadurch etwas zum Nachdenken angeregt wurde, hatte das Ganze sogar noch etwas Gutes. "Das ist unfair!", beschwerte der Schwarzhaarige sich erstickt, als die Lippen des Jüngeren von seinem Ohrläppchen zu seinem Hals weiterwanderten und ihn dort verwöhnten. Das leise Lachen, das diese Beschwerde zur Folge hatte, verschaffte ihm eine Gänsehaut. Kurzzeitig wunderte er sich darüber, wie sehr Ryou sich doch verändert hatte. Dass es dem Weißhaarigen so leicht fiel, die mehr als nur ein bisschen peinliche Situation zwischen ihnen mit nichts weiter als ein paar beiläufigen Zärtlichkeiten wieder ins Lot zu bringen, war eindeutig ein Segen. Der Ryou von früher hätte sich jetzt sicher Vorwürfe gemacht und damit die Stimmung nur noch weiter runtergezogen. Doch, stellte Duke fest, während er genießerisch seine Augen schloss und sich ganz entgegen seiner sonstigen Gewohnheit einfach mal den kleinen Liebkosungen des Weißhaarigen überließ, der neue Ryou gefiel ihm eindeutig. Und vielleicht hatte dieser neue Ryou sogar das Potential, von einem einfachen One-Night-Stand zu einer Fickbekanntschaft ähnlich wie Malik aufzusteigen. Vielversprechend genug war das, was er da gerade tat, auf jeden Fall schon mal. Ryou, der von diesen Gedankengängen nicht das Geringste ahnte, genoss einfach nur die Gelegenheit, dem Schwarzhaarigen so nah zu sein und ihn ein bisschen verwöhnen zu können. Es war einfach herrlich, nach knapp zwei endlosen Jahren wieder die lang vermisste Haut seines Exfreundes unter den Fingern zu spüren, seine Stimme zu hören und seinen unverwechselbaren Duft in der Nase zu haben. Mutig geworden durch das leise, erregte Keuchen und die Tatsache, dass keine wirkliche Gegenwehr kam, wagten sich die Finger des Weißhaarigen unter das Shirt des Älteren vor, streichelten dort erst eine Weile lang dessen Bauch und schoben schließlich den Stoff ganz von seinem Körper. Sobald er die warme, sanft gebräunte Haut freigelegt hatte, begann Ryou, sie mit federleichten Küssen zu bedecken. Dabei wunderte er sich ein bisschen über sich selbst – vor allem darüber, dass ihm dieser Positionswechsel so ausnehmend gut gefiel. Es war eindeutig eine erregend neue Erfahrung, Duke so unter sich zu haben und zur Abwechslung mal mit ihm tun zu können, was ihm selbst gerade so in den Sinn kam. Der Schwarzhaarige genoss diesen ungewohnten Machtwechsel ebenso. Der Druck, immer alles unter Kontrolle haben zu müssen – ein Druck, von dem er gar nicht gewusst hatte, dass dieser existierte –, löste sich unter den streichelnden Händen und den sanften Lippen Ryous langsam in Luft auf und hinterließ nichts als das angenehme Gefühl, einfach mal verwöhnt zu werden. Vielleicht, ging es ihm beiläufig durch den Kopf, war es doch keine so schlechte Idee gewesen, etwas Gas wegzunehmen und einfach mal einen Gang zurückzuschalten. Wie lange war es jetzt her, dass sich jemand so ausgiebig um ihn gekümmert hatte? Alle Gedanken, die in diese Richtung gingen, lösten sich augenblicklich in Nichts auf, als Ryous Lippen von seiner Brust über seinen Hals und sein Kinn hoch zu seinem Mund wanderten. Der Kuss, in den der Weißhaarige ihn verwickelte, war sanft, zärtlich und warm. Unendlich langsam bewegten sich die fremden Lippen gegen seine eigenen und erst nach einer gefühlten Ewigkeit, die fast schon an Folter grenzte, strich eine Zunge über seinen Mund, öffnete ihn und begann mit einer langsamen, unglaublich intensiven Erforschung seiner Mundhöhle, die Duke ein leises Stöhnen entlockte. Derart intensiv zu küssen – oder, wie in diesem Fall, geküsst zu werden – war einfach immer wieder ein ganz besonderes Erlebnis. Ohne den Kuss – der ihn selbst mindestens ebenso sehr erregte wie den Schwarzhaarigen – zu lösen, rutschte Ryou auf dem Schoß des Älteren ein kleines Stückchen zurück und strich mit den Fingern seiner rechten Hand – mit der linken hielt er sich an Dukes Schulter fest, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren – über die Brust und den Bauch seines "Opfers" zu dessen Hosenbund. Dieses Mal stoppte er allerdings nicht dort, sondern nestelte so lange etwas umständlich an der schwarzen Hose herum, bis er erst den Knopf und schließlich auch noch den Reissverschluss geöffnet hatte. Als die Hand des Weißhaarigen sich ihren Weg in seine Hose suchte, unterbrach Duke den Kuss und legte aufstöhnend den Kopf in den Nacken. Ihm war unglaublich heiß und die langsamen, fast schon trägen Bewegungen von Ryous angenehm kühlen Fingern prickelten auf seiner erhitzten Haut. Heiße, feuchte Lippen auf seinem Hals verstärkten die Gefühle nur noch und so dauerte es nur eine für seine Verhältnisse geradezu lächerlich kurze Zeitspanne, bis er dem Druck in seinem Inneren nicht mehr standhalten konnte und, begleitet von einem weiteren Stöhnen, seine Erlösung in der Hand des Jüngeren fand. Ryou war froh, dass Duke seine Augen noch eine Weile geschlossen hielt, während er seinen Atem wieder unter Kontrolle zu bringen versuchte. Dadurch blieb das überglücklichen Strahlen, das er selbst im Moment einfach nicht unterdrücken konnte, dem Schwarzhaarigen nämlich verborgen. Ich hab's geschafft! Er hatte es tatsächlich geschafft! Er hatte Duke tatsächlich höchstpersönlich zum Kommen gebracht – und das auch noch, ohne sich durch ein unbedachtes Wort oder eine ungeschickte Berührung zu verraten! Wenn das nicht einfach nur absolut genial war, was war es dann? "Das war ... wow! Wahnsinn!" Nachdem er sich endlich wieder etwas im Griff hatte, öffnete Duke seine Augen wieder, sah Ryou von unten herauf an und lächelte, ohne auch nur zu ahnen, was dieser Anblick in dem Weißhaarigen auslöste. Am liebsten hätte dieser dem Älteren noch in dieser Sekunde alles gestanden, doch er biss sich schnell auf die Zunge und schwieg. Wenn er jetzt einen Fehler machte, dann wäre alles umsonst gewesen. Aber selbst die Gewissheit, dass noch immer alles auf Messers Schneide stand, konnte Ryous gute Laune nicht vollkommen wegwischen. Dafür war das, was gerade passiert war, einfach viel zu unglaublich. "Fühlst du dich jetzt besser?" Die Frage des Weißhaarigen brachte Duke zum Nachdenken. Er konnte nicht leugnen, dass es ihm jetzt tatsächlich besser ging als noch vor ein paar Minuten. Die nagende, gehässige Stimme in seinem Kopf war verstummt, er selbst war vollkommen entspannt und hatte, obwohl Ryou noch immer auf seinem Schoß hockte, nicht das Gefühl, jetzt unbedingt noch bis zum Äußersten gehen zu müssen, um seinem Ruf gerecht zu werden. Ganz im Gegenteil. Eigentlich war es gut so, wie es nun mal eben war. "Definitiv." Dukes Antwort zauberte ein Lächeln auf Ryous Lippen, das auf seine Art ebenso umwerfend war wie das des Älteren nur Sekunden zuvor. "Das freut mich", murmelte der Weißhaarige ehrlich und kramte mit seiner sauberen linken Hand in der Tasche seiner Jeans nach einem Taschentuch, um die Spuren seines Tuns von seinen Fingern entfernen zu können. Dabei warf er einen kurzen Blick aus dem Fenster in die draußen herrschende Dunkelheit und stutzte. "Wie spät ist es eigentlich?" "Hm? Keine Ahnung", gestand Duke und reckte sich ein wenig, so dass er an dem noch immer auf seinem Schoß Befindlichen vorbei einen Blick auf die kleine Uhr oberhalb seines Fernsehers werfen konnte. Als er die Uhrzeit jedoch entziffert hatte, blinzelte er überrascht. War wirklich schon so viel Zeit vergangen, seit sie hergekommen waren – und das nur mit ein bisschen knutschen und fummeln? "Gleich halb zehn, wenn ich das richtig sehe." Diese Information brachte Ryou dazu, die Säuberung seiner Hand zu unterbrechen und seinen Kopf zu heben, um den Anderen wieder ansehen zu können. "Oh, schon?", hakte er nach, rutschte vom Schoß des Schwarzhaarigen und angelte nach seinem vor der Couch auf dem Boden liegenden Shirt, um es sich wieder überzuziehen. "Ich glaube, ich sollte dann jetzt besser mal so langsam los. Zu Hause wartet noch eine Hausarbeit auf mich", informierte er seinen Gastgeber und sah diesen fragend an. "Fährst Du mich eben?" "Sicher doch." Das war schließlich das Mindeste, was er tun konnte, also nickte Duke, schloss seine Hose wieder und stand dann ebenfalls von der Couch auf. "Ich zieh mich nur eben kurz um, okay?", schob er hinterher, wartete noch eben das Nicken des Weißhaarigen ab und verschwand dann kurz in einem der angrenzenden Zimmer, um erst einmal die Spuren dessen, was sie gerade getan hatten, von seinem Körper zu entfernen. Keine zehn Minuten später kam der Schwarzhaarige frisch umgezogen – dieses Mal trug er ein rotes Hemd zu einer seiner üblichen schwarzen Hosen – und bewaffnet mit seinem Autoschlüssel wieder aus seinem Schlafzimmer. Ryou, der die Zeit genutzt hatte, um ans Wohnzimmerfenster zu treten und die Aussicht über die Lichter der Stadt von dort aus zu genießen, drehte sich um, als er das Klimpern des Schlüssels hörte. Mit einem Lächeln auf den Lippen kam er auf den Älteren zu, schnappte sich seine Einkaufstüten und betrat dann gemeinsam mit Duke den Fahrstuhl. Dieses Mal stiegen die Beiden jedoch nicht im Erdgeschoss aus, sondern fuhren bis in die Tiefgarage weiter. Dort angekommen führte der Schwarzhaarige Ryou an seinem besonderen Prunkstück – dem nachtschwarzen Motorrad, das er sein Eigen nannte und das sein ganzer Stolz war – vorbei zu seinem kirschroten Sportwagen. Der Neunzehnjährige warf dem Motorrad im Vorbeigehen einen bezeichnenden Blick zu und sah dann seinen Begleiter mit fragend hochgezogener Braue an. "Deine Maschine, oder?", wollte er das Offensichtliche bestätigt haben und der Angesprochene nickte. "Sicher. Ich würd dich ja damit nach Hause fahren, aber das wär doch sehr unpraktisch mit den Tüten", antwortete er bedauernd und seufzte leise. Seinem Baby hatte er schon viel zu lange keinen Auslauf mehr gegönnt, wenn er so genau darüber nachdachte. Wird definitiv mal wieder Zeit, beschloss Duke und schmunzelte, als er das begeisterte Glitzern in den braunen Augen des Weißhaarigen sah. Es schien ganz so, als wäre dieser einer kleinen Motorradspritztour ganz und gar nicht abgeneigt. Na, das war doch eine interessante Information – und eine, die sicher irgendwann noch Verwendung finden würde. "Vielleicht ergibt sich das ja irgendwann noch mal." Ryou hatte beschlossen, so zu tun, als wären weitere Treffen dem Zufall überlassen und nicht ein fester Bestandteil seines Plans. "Mir würde das jedenfalls gefallen. Motorräder sind einfach heiß – und Männer, die welche fahren, erst recht." Mit diesen Worten und einem verheißungsvollen Lächeln auf den Lippen rutschte er auf der Beifahrerseite in Dukes Wagen und schnallte sich an, während der Schwarzhaarige noch eben die Tüten im Kofferraum verstaute. Danach schwang er sich auf den Fahrersitz, zwinkerte dem Jüngeren zu und startete den Wagen, nachdem er sich ebenfalls angeschnallt hatte. Nicht wirklich zu Ryous Überraschung, aber zugegebenermaßen ein wenig zu seinem Bedauern, fuhr Duke wesentlich schneller, als die Geschwindigkeitsbegrenzung innerhalb der Stadtgrenzen erlaubte. Fast wie Kura, dachte der Weißhaarige und gestattete sich ein kleines Grinsen. Sein großer Bruder fuhr auch einen ziemlich heißen Reifen, aber er benahm sich dabei wesentlich rücksichtsloser als Duke. Für Bakura gehörte die ganze Straße ihm, wenn er unterwegs war, und jeden Versuch, seinen Fahrstil zu kritisieren, schmetterte er sofort gnadenlos ab. Wenigstens flucht Duke nicht oder zeigt irgendwelchen anderen Fahrern den Mittelfinger. Im Bezug auf Beleidigungen oder gar Handgreiflichkeiten, wenn ihm etwas nicht passte, war Bakura noch nie besonders zimperlich gewesen. Der Schwarzhaarige hingegen, stellte Ryou, der ihn die ganze Zeit über aus dem Augenwinkel beim Fahren beobachtete, fest, fuhr zwar eindeutig zu schnell, aber er legte weder plötzliche Vollbremsungen noch filmreife Wendemanöver hin. Scheinbar bemerkte er die Überschreitung des Tempolimits nicht einmal. Wahrscheinlich ist das für ihn vollkommen normal und gehört einfach dazu, spekulierte Ryou. Viel zu schnell für seinen Geschmack war die Heimfahrt allerdings leider auch schon wieder vorbei. Duke parkte seinen Wagen gleich um die Ecke der Adresse, die sein Beifahrer ihm genannt hatte, denn auf eine Begegnung mit dessen älterem Bruder konnte er nur zu gut verzichten. Bakura war sicher immer noch nicht besonders gut auf ihn zu sprechen – und das, obwohl die ganze Sache zwischen Ryou und ihm einerseits schon fast zwei Jahre her war und der inzwischen Neunzehnjährige ihm andererseits ganz offensichtlich längst verziehen hatte, was damals abgelaufen war. Zumindest vermutete Duke das. Aber wenn dem nicht so wäre, dann wäre der heutige Abend sicher ganz anders verlaufen. "Danke fürs Herfahren." Ryou lächelte seinen Chauffeur strahlend an und dieser lächelte zurück. "Keine Ursache", erwiderte er, schnallte sich ab und stieg aus, um die Tüten aus dem Kofferraum zu holen. Der Weißhaarige tat es ihm gleich und nahm seine Einkäufe entgegen, aber bevor er ein Wort des Abschieds über die Lippen bringen konnte, fand er sich rücklings gegen den Wagen gepresst wieder. Duke stützte seine Arme rechts und links von dem Jüngeren ab und sah diesem ein paar Sekunden lang einfach nur in die Augen, bevor er sich vorbeugte und seine Lippen auf die des Kleineren legte. Er wollte dem Weißhaarigen einfach noch etwas geben, wovon dieser in der kommenden Nacht träumen konnte und was seine Vorfreude auf das nächste Treffen – das, wenn es nach dem Schwarzhaarigen ging, so bald wie möglich stattfinden würde – steigern sollte. Die Taschen mit seinen Einkäufen fielen Ryou aus der Hand und landeten achtlos auf dem Bürgersteig. Sobald er die Hände frei hatte, schlang er seine Arme um den Nacken des Schwarzhaarigen, zog diesen so noch etwas weiter zu sich und erwiderte den Kuss, den der Ältere begonnen hatte, mit all der Leidenschaft, zu der er fähig war. Nachdem Duke sich schwer atmend von ihm gelöst hatte, wäre er am liebsten gleich wieder in das Auto gestiegen und mit zu dem Schwarzhaarigen nach Hause gefahren, aber diese Wunschvorstellung schüttelte er schnell ab. Das wäre wohl so ziemlich das Dümmste, was er im Augenblick tun konnte, also schenkte er dem Älteren einfach nur noch ein provozierendes Lächeln, bevor er sich aus seinen Armen befreite und seine heruntergefallenen Tüten wieder aufhob. "Auf die Sache mit dem Motorrad komm ich bei passender Gelegenheit noch mal zurück", wurde er dabei informiert und dieses Versprechen verschaffte dem Weißhaarigen eine Gänsehaut. Um ein Haar hätte er laut gejubelt, doch ein Biss auf seine Unterlippe war sehr hilfreich dabei, auch diesen Drang zu unterdrücken. Ryou war ungemein froh, dass er Duke gerade den Rücken zugedreht hatte, denn so konnte er sich nicht durch seinen Gesichtsausdruck verraten. Als er sich wieder zu dem Schwarzhaarigen umdrehte, hatte er sich bereits wieder vollständig unter Kontrolle. "Na, das hoffe ich doch." Diese Erwiderung des Jüngeren entlockte Duke ein Grinsen. Er hatte auch schon eine ganz genaue Vorstellung davon, wann, wo und wie er das soeben gegebene Versprechen in die Tat umzusetzen gedachte. Sicher, ein Motorradausflug machte auch alleine eine Menge Spaß, aber warum nicht noch jemanden mitnehmen und das Vergnügen so wenigstens verdoppeln? "Auf jeden Fall", versprach der Schwarzhaarige erneut, zog Ryou am Handgelenk zu sich und stahl sich noch einen kurzen, aber nicht minder heißen Kuss von diesem, bevor er ihn losließ, seinen Wagen umrundete und wieder einstieg, um nach einem letzten Winken in Richtung des Weißhaarigen selbst auch wieder nach Hause zu fahren. Ryou brauchte noch eine volle Minute, um sich wieder so weit zu sammeln, dass er nach Hause gehen konnte, ohne befürchten zu müssen, vor seinem großen Bruder aufzufliegen. Ein bisschen nervös war er zwar dennoch, als er die Wohnungstür aufschloss, aber als er weder Joey noch Bakura antraf, atmete er auf und huschte schleunigst in sein Zimmer. Dort legte er die Tüten mit seinen Einkäufen auf seinen Schreibtischstuhl. Sich selbst ließ der Neunzehnjährige bäuchlings auf sein Bett fallen und vergrub sein Gesicht in seinem Kissen, um sein Strahlen zu verbergen. Er hatte tatsächlich nicht nur fast den gesamten Abend mit Duke verbracht, sondern diesem auch noch etwas Entspannung der besonderen Art verschafft. Und – und das war das absolut Allerbeste an der ganzen Sache – der Schwarzhaarige wollte ihn auf jeden Fall wiedersehen und ihn auch noch auf seinem Motorrad mitnehmen! Wenn das kein erfolgreicher Tag war, was war es dann? Ryou war so in seine Träumereien verstrickt, dass er sich halb zu Tode erschreckte, als er schließlich irgendwann eine fremde Berührung an seiner Schulter spürte. Das Lachen, das sein Zusammenzucken jedoch zur Folge hatte, ließ ihn sich gleich wieder entspannen, weil es ganz offenbar nicht Bakura war, der ungefragt in sein Zimmer geplatzt war, sondern Joey. Der Einundzwanzigjährige war nur mit einem Handtuch bekleidet, denn er war gerade aus der Dusche gekommen. Zum Glück schlief Bakura im Augenblick gerade – er hatte sich fast den ganzen Tag ausgetobt, also war es Joey nur recht so –, so dass er nicht befürchten musste, dass sie sich verraten würden, wenn er dessen kleinen Bruder eben kurz über den Nachmittag und den Abend mit Yami ausfragte. "Und? Wie war's?", erkundigte der Blondschopf sich bei Ryou und das Senken der Matratze verriet dem Weißhaarigen, dass der Ältere es sich am Kopfende seines Bettes bequem gemacht hatte. "Toll. Mehr als toll. Einfach nur super!" Der Neunzehnjährige schoss förmlich aus seiner liegenden Position hoch und strahlte den Blonden so sehr an, dass dieser beinahe geblendet hintenüber gekippt und auf dem Boden gelandet wäre. "Mann, Yami muss ja ganz was Irres mit Dir angestellt haben, wenn du so überdreht bist", vermutete Joey und blinzelte irritiert, als Ryou hektisch den Kopf schüttelte. "Nein, hat er nicht. Ich meine, ja, hat er schon, aber das Beste ist ja erst passiert, als Yami schon längst wieder zu Hause war", plapperte dieser drauflos und atmete erst einmal tief durch, als er den verständnislosen Blick des Blonden sah. "Also, Yami und ich waren erst Eisessen und danach Shoppen. Dabei haben wir dann durch Zufall Duke getroffen und Yami ist unter einem Vorwand abgehauen und hat uns beide allein gelassen und dann sind Duke und ich alleine weitergezogen, aber nicht lange, weil wir dann irgendwann zu ihm gegangen sind, und ich wollte da wirklich unbedingt mit ihm schlafen, aber er hat mittendrin aufgehört und auch nicht mehr weitergemacht, sondern gesagt, das wär irgendwie zu schnell, weil die Verkäuferin in dem einen Laden mich davor gewarnt hat, dass er ja sowieso nur Sex von mir will, und ich hatte aber zu ihr gesagt, dass mir das egal ist, aber das war Duke eben nicht egal und er wollte nicht mehr, aber ich hab mich auf seinen Schoß gehockt und ihn geküsst und gestreichelt und dann hab ich ihm einen runtergeholt und er hat mich gerade noch eben nach Hause gefahren und demnächst will er mich mal auf seinem Motorrad mitnehmen und das heißt ja dann, dass er mich wiedersehen will. Und er wollte mich – ganz ehrlich, das hab ich genau gesehen –, aber irgendwie wollte er mir wohl beweisen, dass er nicht nur Sex will, und vorhin, als er mich hier um die Ecke abgesetzt hat, da hat er mich geküsst und dann hat er mir das mit dem Motorrad versprochen und er hat gesagt, dass es ja schade ist, dass ich mich am Samstag schon mit Malik verabredet habe, weil ich ja dann keine Zeit für ihn hätte und ich ..." Joey, dem von dem Redeschwall schon der Kopf schwirrte, hielt Ryou kurzerhand den Mund zu, als dieser einfach ohne Punkt und Komma weiterplapperte. Das, was er so nach und nach an Informationen aus der wasserfallartigen Erzählung des Neunzehnjährigen filtern konnte, ließ jedoch ein ausgesprochen breites und zufriedenes Grinsen auf seinen Lippen erscheinen. Wenn er das Ganze richtig verstanden hatte, dann hatte Ryou ja wohl einen mehr als nur interessanten Abend verbracht und war dadurch der Erfüllung seines größten Wunsches augenscheinlich schon ein ganzes Stück näher gekommen. Wenn ein solcher Aufreißer wie der Exfreund des Weißhaarigen schon freiwillig auf Sex verzichtete, nur um zu beweisen, dass er mehr zu bieten hatte als nur das, war das ja wohl eindeutig ein verdammt gutes Zeichen. "Das ist ja echt klasse!", freute der Blondschopf sich daher mit und Ryou nickte so hektisch, dass seine Haare danach wild in alle Himmelsrichtungen abstanden. "Das finde ich auch. Ich war so unheimlich nervös am Anfang, aber dann irgendwie gar nicht mehr. Und als ich da in seiner Wohnung war und wir uns geküsst haben, da wollte ich ihm einfach nur was Gutes tun. Er sah auf einmal so durcheinander aus, als er die Notbremse gezogen hat. Ich wollte ihn einfach nur irgendwie dafür belohnen. Und ich glaube, es hat ihm wirklich gefallen. Oh, Joey, es war einfach unglaublich toll!" Ryou konnte gar nicht mehr aufhören zu strahlen. Nicht einmal die Tatsache, dass der Freund seines Bruders praktisch so gut wie nackt neben ihm auf dem Bett saß – etwas, was ihm sonst eigentlich immer unglaublich peinlich war –, störte ihn jetzt oder konnte ihm seine gute Laune verderben. Sicher, noch war er längst nicht am Ziel seiner Wünsche, aber nach dem, was heute passiert war, erschien ihm der Rest wie ein Klacks. "Und was habt ihr ..." Joey kam nicht mehr dazu, seine Frage zu beenden. "Hab ich mich also doch nicht verhört", murmelte Bakura und lehnte sich – splitternackt, wie er war; warum hätte er sich auch großartig anziehen sollen? – in den Türrahmen von Ryous Zimmer. Dieser schrak innerlich zusammen, doch ein rascher Blick in das Gesicht seines Bruders, das vollkommen ruhig, wenn auch vielleicht etwas müde aussah, überzeugte ihn davon, dass Bakura ganz offenbar nicht mitbekommen hatte, worüber Joey und er sich gerade noch unterhalten hatten. "Wie war der Tag mit Yami? Hattest du Spaß?", erkundigte der Dreiundzwanzigjährige sich beinahe schon sanft und Ryou warf einen bezeichnenden Blick zu den Tüten auf seinem Schreibtischstuhl – hauptsächlich, um seinen vollkommen unbekleideten Bruder nicht unbedingt ansehen zu müssen. Sicher, er kannte den Älteren eigentlich nur so – Bakura war noch nie schüchtern gewesen oder hatte sich für seinen Körper geschämt, sondern diesen eigentlich immer recht gerne gezeigt –, aber diesen Exhibitionismus musste er ja nicht auch noch unterstützen. "Ja, hatte ich. Ich hab mir ein paar neue Klamotten besorgt", beantwortete Ryou schließlich die Frage und sah aus dem Augenwinkel, wie Bakura erst einmal herzhaft gähnte, bevor er zufrieden nickte. "Das ist gut. Wird auch langsam Zeit, dass Du mal wieder öfter aus der Bude rauskommst." Damit war für den Älteren der beiden Weißhaarigen das Thema erst mal erledigt und sein Blick wanderte von seinem Bruder zu seinem Freund. "Wieso hast du ohne mich geduscht?", wollte er von diesem wissen und Joey streckte ihm frech die Zunge heraus. "Weil du, als ich dich gefragt hab, ob du mitkommen willst, zwar Ja gebrummelt, aber zwei Sekunden später schon wieder selig in dein Kissen geschnarcht hast. Ich wollte dich dabei auf keinen Fall stören. Du hast so süß ausgesehen", stichelte er, wohl wissend, dass Bakura es ganz und gar nicht mochte, als "süß" bezeichnet zu werden. "Dir hat wohl schon zu lange niemand mehr den Hintern versohlt", konterte der Dreiundzwanzigjährige mit hochgezogener Braue und einem Tonfall, der verriet, dass er selbst dieses Versäumnis nur zu gerne höchstpersönlich nachzuholen gedachte. Grinsend trat er ein paar Schritte näher und packte seinen Freund dann im Nacken, um ihn vom Bett seines Bruders ziehen zu können. "Aber keine Angst, ich gleich deine vernachlässigte Erziehung schon wieder aus." Damit schob er den Blonden aus dem Zimmer hinüber in Richtung seines eigenen Schlafzimmers. Ryou stand abgrundtief seufzend von seinem Bett auf und dankte wieder einmal dem Architekten ihrer Wohnung dafür, dass Bakuras Zimmer sich nicht neben dem seinen, sondern gegenüber von diesem befand. So hatte er zwar auch eine gewisse Geräuschkulisse, aber das war kein Vergleich zu der Zeit, in der sein Bruder und er noch ein gemeinsames Zimmer bei ihren Eltern bewohnt hatten. Auch damals hatte Bakura sich schon nicht unbedingt zurückgehalten, sondern seinen Sexualtrieb recht offen und vor allem auch recht laut ausgelebt. "Ich wünsche euch noch viel Spaß, ihr Zwei." Mit diesen gemurmelten Worten, die weder sein Bruder noch dessen Freund hörten, schloss Ryou seine Zimmertür, schnappte sich seinen Lieblingskuschelpyjama und stattete dem Badezimmer einen kurzen Besuch ab. Dann löschte er das Licht in seinem Zimmer, ließ sich wieder in sein Bett fallen und wühlte sich unter seine Bettdecke. Kaum dass sein Kopf das Kissen berührte und er die Augen schloss, hatte er gleich das Gefühl, wieder Dukes Lippen auf den seinen zu fühlen und wieder das Stöhnen des Schwarzhaarigen in seinen Ohren zu haben. Eigentlich sollte Phase Zwei ja ganz anders aussehen. Aber ich glaube, so gefällt sie mir doch wesentlich besser, dachte der Neunzehnjährige schläfrig, wickelte sich noch ein bisschen tiefer in seine Bettdecke und war kurz darauf mit diesem Gedanken und einem durch und durch zufriedenen, fast schon glücklichen Lächeln auf den Lippen auch schon tief und fest eingeschlafen. Phase Drei, Teil Eins --------------------- Der Samstag begann für Ryou nach einem ausgiebigen und sehr ausgedehnten Frühstück in Gesellschaft seines Bruders und dessen Freundes – Joey, stellte er bei dieser Gelegenheit wieder einmal fest, wohnte mittlerweile schon mehr bei ihnen als in seiner eigenen winzigen Zweizimmerwohnung – mit einem halben Herzinfarkt, als sein Handy ihm, kaum dass er wieder in seinem Zimmer angekommen war, lautstark den Eingang einer SMS verkündete. Mit zitternden Fingern öffnete er die Nachricht, deren Erhalt er seit Mittwoch gleichermaßen gefürchtet wie herbeigesehnt hatte. Immerhin brachte das Treffen mit Malik ihn einerseits der Vollendung seines Plans ein ganzes Stück näher, aber andererseits war Ryou sich nicht sicher, ob er nicht mittlerweile doch etwas Angst vor seiner eigenen Courage haben sollte. Und was in aller Welt sollte er tun, wenn der Ägypter merkte, dass er längst nicht so souverän und erfahren war, wie er zu sein vorgegeben hatte – und wenn er das dann auch noch an Duke weitertratschte? Dann ist endgültig alles aus! Mit einem entschlossenen Kopfschütteln vertrieb Ryou diese Gedanken, las sich die SMS durch und tippte, nachdem er erst noch einmal tief durchgeatmet hatte, schnell eine Antwort an Malik. Dann legte er sein Handy beiseite, ging zu seinem Kleiderschrank hinüber und wühlte so lange darin herum, bis er etwas gefunden hatte, das – zumindest in seinen Augen – dem heutigen Anlass angemessen war. Während er die weiße Hose und das ebenfalls weiße Shirt auf sein Bett warf und sich daran machte, sich umzuziehen, erinnerte er sich mit glühenden Wangen an den Tipp, den Joey ihm am vergangenen Abend noch gegeben hatte, als Bakura gerade nicht in der Nähe gewesen war. "Am besten wär's mit Sicherheit, wenn du's dir heute Nacht noch mal ordentlich selbst machst. Dann hast du im Fall der Fälle morgen nicht solche Probleme mit dem Laufen und so, wenn du abends wieder nach Hause kommst", hatte der Blondschopf ihm geraten und obwohl es Ryou mehr als peinlich gewesen war, hatte er diesen Rat schließlich nach einer circa halbstündigen stummen Debatte mit sich selbst doch noch befolgt. Dafür hatte er das kleine, vibrierende Spielzeug zu Hilfe genommen, das Joey ihm zu seinem letzten Geburtstag heimlich und von Bakura unbemerkt geschenkt hatte. Nur gut, dass die beiden immer so laut sind nachts. Sonst hätten sie mich bestimmt gehört. Bei der Erinnerung an die letzte Nacht begannen Ryous Wangen gleich noch mehr zu glühen. Anfangs war es ein komisches Gefühl gewesen – bis zur vergangenen Nacht hatte er den Vibrator noch nie benutzt –, aber Ryou konnte nicht leugnen, dass es sich schlussendlich wirklich gut angefühlt hatte. Genau genommen war es sogar so gut gewesen, dass er es nicht bei einem Mal hatte belassen können und wollen. Aus diesem Grund war es ihm nur recht gewesen, dass Bakura und Joey an diesem Morgen länger geschlafen hatten und er so bei der Vorbereitung des Frühstücks ganz alleine gewesen war. Bis sein Bruder und dessen Freund aufgestanden waren, hatte er sich wieder so weit im Griff gehabt, dass ihm sein Abenteuer der vergangenen Nacht nicht mehr anzusehen gewesen war. Wenn Kura von Joeys Geschenk wüsste, würde er erst Joey und dann mir den Hals umdrehen. Ryou seufzte unhörbar und schloss den Reißverschluss seiner neuen Hose – eines der Stücke, die Yami für ihn ausgesucht hatte – deutlich energischer, als es nötig gewesen wäre. Manchmal war der Beschützerinstinkt seines großen Bruders ja ganz praktisch – vor allem dann, wenn man schmierige Grabscher aus den eigenen Vorlesungen loswerden wollte, die ein simples "Nein" als Antwort entweder nicht akzeptieren konnten oder wollten –, aber hin und wieder überstieg er das gesunde Maß einfach um Längen. Immerhin nannte Bakura selbst eine nicht gerade kleine Sammlung an Sexspielzeugen sein Eigen, aber wenn es darum ging, dass sein kleiner Bruder auch nur im Besitz eines einzigen Vibrators war, dann sah er rot. Was für ein Idiot! Schnaubend zerrte Ryou sich das weiße Shirt über den Kopf, trat vor den Spiegel und brachte dort seine etwas durcheinandergeratene Frisur wieder in Ordnung, ehe er sich und sein Outfit einer abschließenden Musterung unterzog. Dabei sollte er doch eigentlich wissen, dass ich schon mal Sex gehabt habe. Immerhin, erinnerte Ryou sich, war genau das doch einer der Gründe dafür gewesen, dass sein Bruder Duke nach ihrer Trennung vor knapp anderthalb Jahren besucht und ihn niedergeschlagen hatte. Ist ja auch egal. Mit einer unwirschen Handbewegung vertrieb Ryou auch diese Gedanken und warf seinem Spiegelbild probeweise ein möglichst verführerisches Lächeln zu. Dieses fiel allerdings nicht wirklich zu seiner Zufriedenheit aus, deshalb schloss er seine Augen, atmete tief durch und beschwor vor seinem inneren Auge das Bild Dukes herauf. Als er seine Augen wieder öffnete, lag auf seinen Lippen auch prompt ein Lächeln, das allerdings eher total verträumt als auch nur ansatzweise verrucht aussah. Immerhin besser als gar nichts, beschloss Ryou, zwinkerte seinem Spiegelbild noch einmal kurz zu und schnappte sich dann noch schnell seinen Schlüssel, sein Portemonnaie und sein Handy. Diese Dinge in seinen Hosentaschen verstauend öffnete er verstohlen seine Zimmertür und linste vorsichtig nach rechts und links. Um keinen Preis der Welt wollte er ausgerechnet jetzt seinem großen Bruder in die Arme laufen und sich von diesem über den Grund seiner Aufmachung ausfragen lassen. Da die Luft ganz offenbar rein war, wie ihm auch ein von innen an der Wohnungstür klebender Zettel versicherte, der ihm mitteilte, dass Joey seinen Bruder mit zu sich genommen hatte, weil er angeblich Bakuras Hilfe bei einem schwerwiegenden Problem benötigte, schlüpfte Ryou im Flur schnell in seine Schuhe, bevor er die Wohnung verließ und die Tür hinter sich zuzog. Dabei schmunzelte er unwillkürlich, denn er hatte eine ausgesprochen genaue Vorstellung davon, wie das ›Problem‹ wohl aussah, das Joey seinen eigenen Worten zufolge hatte. Mit ganz viel Glück bedeutete dieses ›Problem‹ allerdings so etwas Ähnliches wie sturmfreie Bude, weshalb er selbst sich – hoffentlich jedenfalls – keine Sorgen machen musste, falls er, wenn er heimkam, wirklich gewisse Probleme beim Laufen haben sollte. Um nicht noch weiter über das Sexualleben seines Bruders und dessen Freundes nachdenken zu müssen, zog Ryou auf dem Weg zur Bushaltestelle sein Handy aus seiner Hosentasche und sah sich noch einmal die Adresse an, die Malik ihm geschickt hatte. Offenbar, stellte er dabei fest, wohnte der Platinblonde mit dem sehr ungewöhnlich klingenden Nachnamen nicht allzu weit von ihm entfernt in einer Gegend, in der er sich – bedingt durch die Nähe dieser Gegend zu seiner Universität – zumindest grob auskannte. Die angegebene Adresse zu finden würde also höchstwahrscheinlich nicht mit allzu großen Schwierigkeiten verbunden sein. Leise vor sich hin summend – hauptsächlich, um sich selbst von seiner Nervosität abzulenken – warf Ryou einen Blick auf den Fahrplan des Busses und stellte zufrieden fest, dass es eine Haltestelle gab, die, dem Namen nach zu urteilen, ganz in der Nähe der Adresse liegen musste, die er von Malik hatte. Gleichermaßen enthusiastisch wie aufgeregt stieg er in den nur fünf Minuten später eintreffenden Bus, erkämpfte sich einen Sitzplatz am Fenster und musterte sein Spiegelbild in der Scheibe. Braune Augen erwiderten seinen Blick etwas verunsichert und Ryou verbiss sich mühsam ein Seufzen. Noch keine zwei Haltestellen von zu Hause entfernt und schon hatte er Muffensausen. Na wunderbar. Am liebsten hätte er das Treffen unter irgendeinem Vorwand abgesagt, doch das verbot sich von selbst. Wie würde er denn auch vor Malik und, schlimmer noch, erst vor Duke dastehen, wenn er jetzt kniff? Denk daran, wofür du das alles überhaupt tust! Mit diesem Gedanken wie ein Mantra im Hinterkopf stieg Ryou schließlich aus dem Bus, orientierte sich kurz und schlug dann den Weg ein, den er für den richtigen hielt. Zu seiner Erleichterung stellte er bald darauf, als vor ihm ein fremdländisch aussehendes Restaurant auftauchte, fest, dass er sich ganz offenbar nicht geirrt hatte. Hatte Malik ihm nicht bei ihrem Telefonat erzählt, dass seine Familie ein eigenes Restaurant besaß? Dann muss ich ganz in der Nähe sein, mutmaßte Ryou, verglich die Hausnummern und überquerte schließlich die Straße, nachdem er bemerkt hatte, dass er sich im Augenblick auf der falschen Seite befand. Das Haus mit der Adresse, die Malik ihm geschickt hatte, befand sich genau gegenüber des Restaurants. So ein kurzer Weg zur Arbeit war sicher nicht unpraktisch. Immerhin war es doch mehr als nervig, morgens noch eine halbe Ewigkeit mit dem Auto oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren zu müssen. Da hatte Malik es eindeutig besser getroffen als er. Vor der Haustür packte ihn die Nervosität mit aller Macht, so dass seine Hand leicht zitterte, als er sie nach der mit dem Namen ›Ishtar‹ beschrifteten Klingel ausstreckte. Ehe er seiner plötzlichen Angst jedoch nachgeben und die Flucht antreten konnte, hörte er hinter sich hastige Schritte und gleich darauf eine Stimme, die ihm noch vom vergangenen Freitagabend aus dem Club im Gedächtnis geblieben war. "Du bist früh dran", stellte Malik etwas außer Atem fest und schenkte dem ihn erschrocken anblickenden Ryou ein strahlendes Lächeln. "Ich hoffe, du wartest noch nicht allzu lange. Ich wollte ja eigentlich schon fertig sein, wenn du kommst, aber im Restaurant war heute die Hölle los", fuhr er fort und Ryou gab sich innerlich einen Ruck, um sich wieder zu fassen. Er hatte gewusst, dass er für das Gelingen des Plans Opfer würde bringen müssen. Und Malik war ja nun wirklich alles andere als hässlich, also konnte man von einem richtigen Opfer wohl kaum sprechen – auch wenn sich allein der Gedanke daran, heute möglicherweise mit ihm Sex zu haben, beinahe wie ein Betrug anfühlte. Na, damit wären Duke und ich ja dann quitt. Und außerdem, erinnerte Ryou sich selbst energisch, musste man erst mal überhaupt eine Beziehung haben, um seinen Partner hintergehen zu können. Da Duke und er allerdings schon seit anderthalb Jahren nicht mehr zusammen waren, konnte er den Schwarzhaarigen ja wohl kaum betrügen. Trotzdem war das Lächeln, mit dem er Malik bedachte, eher aufgesetzt als wirklich erfreut. Das schien Malik, der gerade die Tür aufschloss und sie für seinen Besucher aufhielt, jedoch nicht zu bemerken. "Ich bin selbst auch gerade erst gekommen", entgegnete Ryou mit etwas Verspätung auf dessen Worte und auf Maliks Lippen erschien ein sehr zweideutiges Grinsen. "Na, dann hoffe dich doch mal, dass du dich noch nicht vollkommen verausgabt hast. Das wär doch echt zu schade", witzelte er und Ryou musste beinahe gegen seinen Willen auch ein wenig schmunzeln. "Verausgabt hab ich mich letzte Nacht", erwiderte er, beschließend, sich nicht länger verrückt zu machen. Er würde den heutigen Tag einfach so nehmen, wie er kam, und sich keine unnötigen Gedanken mehr machen. Die halfen ihm schließlich auch nicht weiter. "Aber keine Sorge, heute bin ich fit und ausgeruht", schob er deshalb noch hinterher und folgte Malik die Treppe hinauf in den ersten Stock, in dem offenbar die Wohnung der Ishtar-Geschwister lag. Dabei wunderte er sich insgeheim ein wenig über sich selbst. So schlagfertig war er sonst eigentlich nicht unbedingt. Scheinbar zahlten sich all die Übungsstunden mit Yami und der Zuspruch und die Unterstützung von Joey und all seinen anderen Freunden, die von dem Plan wussten, langsam tatsächlich aus. Er war noch immer etwas nervös bei dem Gedanken an das, was ihn an diesem Nachmittag erwartete, aber er nahm sich fest vor, sich von dieser Nervosität nicht bremsen zu lassen. Gehemmt, schüchtern und verklemmt war er lange genug gewesen. Und dadurch hatte er schließlich erst das verloren, worum er jetzt mit Verspätung zu kämpfen entschlossen war. Damals hatte er das nicht geschafft, aber noch einmal würde er ganz sicher nicht verlieren. "Das freut mich doch zu hören", unterbrach Maliks Stimme seine Gedanken und Ryou zwang sich, sich wieder auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um in der Vergangenheit zu schwelgen. Aus diesem Grund schenkte er Malik statt einer Antwort einfach nur ein zweideutiges Zwinkern und schob sich, nachdem die Wohnungstür ebenfalls offen war, so nah an diesem vorbei, dass er seinen Po an Maliks Schritt reiben konnte – nur kurz, aber dennoch verschaffte die zwar etwas überraschte, aber dennoch recht eindeutige Reaktion darauf ihm ein Hochgefühl. Und das war nicht alles, wie Ryou etwas erstaunt über sich selbst feststellte. Der kurze Körperkontakt und Maliks Hand, die für einen Moment auf seiner Hüfte lag, ehe Malik ihn wieder losließ, ließ auch Ryou selbst nicht kalt. Er war sich nicht sicher, ob seine eigene Reaktion an seiner langen Abstinenz, an den Geschehnissen des vergangenen Mittwochs oder an den Experimenten der letzten Nacht lag, aber noch ehe er so recht darüber nachdenken konnte, lenkte ihn die Einrichtung der Wohnung äußerst effektiv davon ab. Der Flur war schlicht in Weiß gehalten, aber das war es nicht, was Ryous Aufmerksamkeit auf sich zog. Es war vielmehr die beinahe kniehohe Statue der Bastet, die ihn sofort in ihren Bann zog. Die mit schwarzer Farbe bemalte Figur stand direkt neben dem Türrahmen, der scheinbar den Eingang zum Wohnzimmer darstellte. Obwohl er eigentlich aus einem vollkommen anderen Grund hier war, ging Ryou dennoch neben der Statue in die Hocke, um sie sich aus der Nähe ansehen zu können, denn er konnte einfach nicht anders. Die Farbe war stellenweise schon etwas abgeblättert, aber dennoch war es eine unbestreitbar schöne Arbeit – wenn auch, wie Ryou mit Kennerblick feststellte, eindeutig keine echte Antiquität, obwohl es auf den ersten Blick so ausgesehen hatte. "Die hat mein Bruder Rishid gemacht, als er zehn war", riss Maliks Stimme Ryou aus seiner Betrachtung und Malik schmunzelte, als er die Überraschung im Gesicht seines Gastes sah. "Nicht alleine selbstverständlich. Unser Vater hat ihm bei den Feinheiten etwas unter die Arme gegriffen", führte er weiter aus, hockte sich neben Ryou und deutete auf die Inschrift, die in den Sockel der Statue gemeißelt war. "Sie war ein Geschenk für unsere Mutter. Vater hat die Inschrift gemacht, aber formuliert hat Rishid sie. Hier steht ›Möge die mächtige Bastet dich auf all deinen Wegen schützen und leiten‹", übersetzte er und Ryous Augen wurden groß. "Du kannst Hieroglyphen lesen?", wollte er neugierig wissen. Malik nickte. "Nicht nur. Auch hieratische Schrift. Das ist eine Keilschrift, die …", begann er, doch Ryou ließ ihn nicht ausreden. "Ich weiß, was hieratische Schrift ist. Ich studiere Ägyptologie und Archäologie", sagte er und nun war es an Malik, ihn überrascht anzusehen. "Das hatte ich nicht erwartet", gab er zu, stand auf und zog Ryou ebenfalls wieder in die Höhe. "Mein Vater war Archäologe", erklärte dieser. "Er hat meinen Bruder und mich mal zu einer Ausgrabung ins Tal der Könige mitgenommen, als wir noch Kinder waren. Damals habe ich beschlossen, dass ich das auch mal machen will, wenn ich erwachsen bin", erzählte er weiter und auf Maliks Lippen erschien ein Grinsen. "Meine Familie kommt aus Ägypten. Wir sind nach Japan gezogen, als ich fünfzehn war. Meine Mutter hat früher in Kairo im Museum gearbeitet. Meine Geschwister und ich sind praktisch dort aufgewachsen. Zusammen mit dem arabischen Alphabet haben wir auch Hieroglyphen und Keilschrift gelernt und haben im Keller des Museums zwischen Mumien und anderen Exponaten Verstecken gespielt." "Das heißt, wenn ich mal irgendwelche Fragen zu meinem Studium habe oder mit einem Text nicht weiterkomme, kannst du mir bestimmt weiterhelfen." Ryou strahlte seinen Gastgeber an. Manche Zufälle waren doch wirklich absolut unglaublich. "Darf ich dich als meinen persönlichen Joker missbrauchen, wenn ich mal eine Hausarbeit schreiben muss und nicht weiter weiß?", fragte er und Malik nickte. "Klar, gerne", antwortete er. Dann kehrte das zweideutige Grinsen auf seine Lippen zurück und er trat zwei Schritte näher, bis er direkt vor Ryou stand. "Aber das ist nicht das Einzige, wofür du mich gerne … missbrauchen darfst", raunte er diesem zu und Ryou bekam eine Gänsehaut. Der Gedanke an Sex mit Malik, der ihn am Vortag und auch an diesem Morgen noch so geängstigt hatte, klang mit einem Mal regelrecht verlockend. Wie mochte es sich wohl anfühlen, die Finger in die platinblonden Haare des Anderen zu krallen und ihn so zu sich zu ziehen, um ihn zu küssen? Wie mochte die bronzefarbene Haut wohl schmecken? Ryous Mund wurde trocken bei der Vorstellung, all das wohl in nicht allzu ferner Zukunft zu erfahren. "Klingt verlockend", brachte er heiser über die Lippen, kam aber nicht dazu, mehr zu sagen. Noch ehe er so recht wusste, wie ihm geschah, fand er sich auch schon an die Wand gedrängt wieder, Malik so dicht vor sich, dass noch nicht mal mehr ein Haar zwischen ihnen Platz gefunden hätte. Und nur einen Sekundenbruchteil später lagen die Lippen des Ägypters auch schon auf seinen. Ryou gab ein halb überraschtes, halb angetanes Geräusch von sich und schob den ersten Gedanken, der sich ungebeten eingestellt hatte – Malik küsst ganz anders als Duke. –, in den hintersten Winkel seines Bewusstseins. Er war nicht hier, um Vergleiche zwischen Malik und seinem Exfreund anzustellen, sondern aus einem vollkommen anderen Grund. Deshalb nahm Ryou sich vor, sich nur auf die kribbelnde Erregung zu konzentrieren, die sich in seinem Körper ausbreitete. Es war erstaunlich aufregend, jemandem so nahe zu sein, den man eigentlich gar nicht kannte. Sicher, das hier war nicht das erste Mal, dass er mit jemandem herumknutschte und fummelte, aber dennoch war das hier anders. Immerhin waren Malik und er kein Paar, sondern hatten sich nur für Sex getroffen und sonst nichts. War es vielleicht das, fragte Ryou sich etwas benebelt, während Maliks Finger sich bereits damit beschäftigten, sein Hemd aufzuknöpfen, was das Ganze hier so aufregend machte? Das Wissen, dass es hier nicht um irgendwelche Gefühle ging, sondern nur um gegenseitige Befriedigung – etwas, das er noch nie vorher getan hatte und das ihm vielleicht gerade deshalb einen zusätzlichen Kick verschaffte? Hier und jetzt war er weder der strebsame Student noch der brave, oft etwas zu naive kleine Bruder. Hier konnte er ein völlig anderer Mensch sein, konnte eine Seite von sich ausleben, von der er gar nicht gewusst hatte, dass es sie überhaupt gab. Der schüchterne, verklemmte Ryou war heute nicht da. Bühne frei für den neuen Ryou, dachte der Weißhaarige verschwommen, während er seinerseits an Maliks Shirtsaum zu ziehen begann. Wie hatte er nur so lange damit warten können, endlich wieder richtig zu leben? Und wieso in aller Welt hatte er so verdammt lange darauf verzichtet, so zu berühren und berührt zu werden? Das hier war doch viel zu gut, um es sich selbst jahrelang vorzuenthalten! Ryou murrte unwillig, als Malik sich von ihm löste und seine Lippen freigab. Der Ägypter war wirklich ein verdammt guter Küsser. Aber warum, verdammt noch mal, hörte er einfach so auf? Das konnte er doch nicht machen! "Wir sollten lieber in meinem Zimmer weitermachen, meinst du nicht auch?", bekam Ryou beinahe postwendend die Antwort auf seine unausgesprochene Frage und der seltsam heisere Unterton in Maliks Stimme entlockte ihm ein sehr zweideutiges Grinsen. "Klingt gut für mich", gab er zurück und wunderte sich insgeheim ein bisschen darüber, dass er tatsächlich noch einen ganzen Satz herausbekommen hatte. Seine eigene Stimme, stellte er fest, klang nicht weniger dunkel und erregt als die des Ägypters. "Aber das kann hierbleiben. Das stört." Mit diesen Worten beförderte Ryou Maliks Shirt doch endlich auf den Boden, ehe er zuließ, dass der Ägypter ihn hinter sich her in Richtung seines Zimmers zog. Malik gab ihm jedoch nicht viel Gelegenheit, sich dort umzusehen. Noch ehe Ryou so recht wusste, wie ihm geschah, fand er sich auch schon rücklings auf Maliks Bett wieder und dieser war halb über ihm, sein Knie so zwischen Ryous Beinen positioniert, dass dieser sich daran reiben konnte, während er ihn in einen weiteren hungrigen Kuss verwickelte. Immer mehr Stoff fand seinen Weg auf den Boden neben dem Bett, bis nichts mehr übrig blieb als nackte Haut auf nackter Haut. Und ganz entgegen allem, was er bisher gekannt hatte, ließ Ryou sich jetzt einfach nur gehen. Er war zwar eigentlich nur hergekommen, weil es seinem Plan dienlich war, aber im Augenblick kümmerte ihn der Plan nicht besonders. Dafür war das, was er hier geboten bekam, einfach zu gut – viel zu gut, um es nicht bis zur Neige auszukosten. Maliks heiße Haut unter seinen Fingern, das Keuchen des Ägypters in seinen Ohren und Maliks Geschmack auf seiner Zunge verwoben sich zu etwas, das Ryou einfach mitriss. Und auch wenn er es eigentlich nicht gewollt hatte, so ließ er es doch einfach geschehen. Dieses eine Mal wollte er nicht vorsichtig sein, wollte keine Rücksichtnahme und keine Sicherheit. Jetzt und hier wollte er einfach nur fühlen, sonst nichts. Phase Drei, Teil Zwei --------------------- "Wow." Völlig außer Atem, aber auch vollauf befriedigt rollte Ryou sich nach einer gefühlten Ewigkeit auf den Bauch und schlang seufzend seine Arme um Maliks Kissen, während dieser sich neben ihm ausstreckte. "Du nimmst mir die Worte aus dem Mund", gab der Ägypter mit einem lasziven Lächeln zurück, dem die Zufriedenheit über den Verlauf der letzten Stunden deutlich anzusehen war. Draußen dämmerte es inzwischen bereits, aber noch war es hell genug, um das ein wenig schläfrige Lächeln auf Ryous Lippen erkennen zu können. Gedankenverloren begann er, mit einer weißen Strähne zu spielen, und schmunzelte leicht, als Ryou daraufhin genüsslich aufseufzte. "Noch mal kann ich aber echt nicht", murmelte Ryou und entlockte Malik damit ein leises Lachen. "Ich auch nicht", gab dieser zu. "Drei Mal ist mein …", fuhr er fort, kam jedoch nicht dazu, seinen Satz zu beenden, denn das Klingeln eines Handys unterbrach ihn. Einen Moment lang befürchtete Ryou, es wäre seines, doch als Malik den klingelnden Störenfried aus dem Wust aus Kleidung, die auf dem Boden neben dem Bett verstreut lag, herausfischte, legte sich der kurze Anflug von Panik gleich wieder. Es war also offenbar nicht sein Bruder, der wissen wollte, wo in aller Welt er gerade steckte. Stattdessen schien jemand etwas von Malik zu wollen, war es doch offensichtlich sein Handy, das geklingelt hatte. "Du störst", begrüßte Malik den Anrufer leicht ungehalten und als Ryou die Stimme hörte, die vom anderen Ende der Leitung kam, hielt er unwillkürlich den Atem an. Was in aller Welt mochte Duke ausgerechnet jetzt von Malik wollen? Wollte er vielleicht wissen, ob das Treffen wirklich stattgefunden hatte? Hatte er etwa Verdacht geschöpft? Oh, bitte nicht! Bitte, bitte nicht! Nicht jetzt, wo es gerade so gut lief! "Du warst auch schon mal freundlicher", tadelte Duke, doch Malik grummelte nur. "Da hast du auch nicht gestört", grollte er in den Hörer, bedachte Ryou mit einem kurzen Lächeln und hauchte ihm einen flüchtigen Kuss zwischen die Schulterblätter, ehe er nach seiner Hose hangelte, mit dem Handy am Ohr etwas umständlich in diese hineinschlüpfte und dann sein Zimmer verließ, wohl um ungestört zu telefonieren. Ryou, der nicht genau wusste, was er davon halten sollte, blieb mit seiner Verwirrung alleine zurück. Er konnte zwar Maliks Stimme aus einem der anderen Räume hören, aber der Ägypter sprach nicht laut genug, dass er auch zu verstehen gewesen wäre. Mehr als ein paar Satzfetzen bekam Ryou so also nicht mit – eine Tatsache, die ihn um ein Haar wieder in Panik hätte verfallen lassen. Du meine Güte, jetzt reiß dich zusammen! Wahrscheinlich tauschen die beiden gerade einfach nur Erfahrungsberichte aus. Immerhin haben sie mich jetzt beide mal flachgelegt. Der Gedanke war nicht besonders schön, half Ryou aber dabei, seine panischen Überlegungen abzuschütteln und sich wieder auf das zu besinnen, weshalb er hergekommen war. Da nach der Störung eh nicht mit einer Fortsetzung des Nachmittags zu rechnen war, huschte Ryou mit seiner zusammengesuchten Kleidung in der Hand kurz ins Bad der Ishtars, säuberte sich dort ein wenig und warf seinem Spiegelbild ein freudloses Grinsen zu. Dann schlüpfte er wieder in seine Klamotten, sammelte im Flur noch eben sein Hemd ein und war bereits wieder fast komplett angezogen, als Malik, noch immer halbnackt und mit seinem Handy am Ohr, wieder in sein Zimmer zurückkehrte. "Das geht dich überhaupt nichts an, Duke", murrte er seinen Gesprächspartner gerade an und legte fragend den Kopf schief, als er bemerkte, dass Ryou bereits wieder vollständig bekleidet war. "Willst du etwa jetzt schon gehen, Ryou?", fragte er, seinen anderen Gesprächspartner dabei komplett ignorierend. "Das wäre echt schade." Immerhin war der Nachmittag ja wohl für sie beide alles andere als langweilig verlaufen. Gut, sie waren jetzt beide viel zu ausgepowert, um auch nur an eine Fortsetzung zu denken, aber das bedeutete ja nicht, dass man sich nicht noch ein bisschen näher kennenlernen konnte. "Eigentlich wollte ich dich nämlich noch zum Essen einladen." Ryou überdachte das Angebot einen Moment lang, dann gab er sich innerlich einen Ruck und nickte. Dabei legte sich unwillkürlich ein Grinsen auf seine Lippen. "Nach den letzten Stunden sag ich zu einer Stärkung sicher nicht Nein. Das kann ich jetzt gebrauchen", gab er zu und biss sich peinlich berührt auf die Unterlippe, als wie aufs Stichwort sein Magen hörbar zu knurren begann. Malik hingegen lachte einfach nur. "Dann mach ich mich gleich mal an die Arbeit. Duke, ich ruf dich später oder morgen an", würgte er den Schwarzhaarigen ab und legte einfach auf, ohne den Protest, den dieser von sich gab, zu beachten. "Die Küche ist von hier aus gesehen am anderen Ende des Flurs. Geh ruhig schon mal vor. Ich zieh mich nur eben an, dann komm ich nach." Ryou nickte Malik kurz zu und machte sich dann auf den Weg. Die Frage, warum genau Duke angerufen hatte, schluckte er dabei absichtlich hinunter. Auch wenn es ihn noch so brennend interessierte, das ging ihn nichts an. Und er wollte sich jetzt ganz sicher nicht blamieren, indem er durchblicken ließ, was genau der eigentliche Grund dafür gewesen war, dass er überhaupt erst hergekommen war. Ganz sicher war "Du warst eigentlich nur Mittel zum Zweck" nichts, was Malik gerne hören wollen würde. In Ermangelung von etwas Besserem zu tun setzte Ryou sich in der Küche auf einen der Stühle und atmete mehrmals tief durch, um die Röte, die ihm in die Wangen stieg, wieder loszuwerden. Joey, bemerkte er dabei, hatte mit seinem Tipp wirklich Recht gehabt. Wenn die letzte Nacht nicht gewesen wäre, dann wäre das Sitzen jetzt sicher richtig unangenehm. So merkte er zwar durchaus auch, was er in den letzten Stunden getan hatte, aber das Gefühl war erträglich. Kaum fünf Minuten nach Ryou betrat auch Malik die Küche, bedachte seinen Gast mit einem kurzen Lächeln und sah ihn dann fragend an. "Irgendwas, was du nicht magst oder wogegen du allergisch bist?", erkundigte er sich und Ryou runzelte die Stirn. "Ich hasse Gurken", gab er zu. "Aber sonst … Ich lasse mich einfach überraschen", erwiderte er und legte den Kopf schief. "Kann ich dir irgendwie helfen?", wollte er wissen, als Malik damit begann, in den Schränken und im Kühlschrank zu wühlen. "Du könntest die Auberginen in Scheiben schneiden", antwortete der Ägypter, schob ihm das Gemüse, ein Brett und ein Messer zu. Er selbst beschäftigte sich damit, Öl in eine Pfanne zu gießen und eine Zutat nach der anderen zuzugeben, bis die Küche von einem köstlichen Duft erfüllt war, der Ryou das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ. "Wenn du in einem Restaurant arbeitest, ist es wohl nicht weiter verwunderlich, dass du kochen kannst", vermutete er, als Malik das fertige Essen auf zwei Teller verteilte und diese auf dem Tisch platzierte, ehe er selbst sich ebenfalls setzte und ohne Scheu zuzulangen begann. "Ein bisschen, ja. Mein Bruder kocht allerdings um Längen besser als ich. Aber Rishid macht das auch professionell. Ich kellnere eigentlich eher. Und meine Schwester führt die Bücher und kümmert sich um die Reservierungen und all den anderen Kram, wofür mir komplett die Geduld fehlen würde", gab der Ägypter zu und auf seinen Lippen erschien ein derart entwaffnendes Grinsen, dass Ryou einfach lachen musste. "Bei uns zu Hause kochen entweder Joey – das ist der Freund von meinem großen Bruder – oder ich. Bakura hat diesbezüglich zwei linke Hände. Bei ihm gibt's nur entweder halb roh oder komplett verbrannt. Irgendwas dazwischen bekommt er nicht hin", erzählte er und nun begann auch Malik zu lachen. "Das kenn ich. So hab ich auch angefangen. Rishid ist an mir beinahe verzweifelt, weil ich früher wirklich nichts hingekriegt hab. Ich hatte aber auch einfach keine Lust, kochen zu lernen. Für mich hat das einfach keinen Sinn gemacht. Wir hatten ja schließlich einen gelernten Koch in der Familie. Warum sollte ich mich also auch noch damit befassen?" "Seit er mit Joey zusammen ist, bringt mein Bruder das gleiche Argument. Immerhin hat Joey auch mal in einem Restaurant in der Küche gejobbt und da Kochen gelernt. Ohne Joey und mich würde Bakura wahrscheinlich ganz elendig verhungern – oder sich ausschließlich von Fast Food ernähren." Mit einem breiten Grinsen spießte Ryou eine Auberginenscheibe auf seine Gabel, schob sie sich in den Mund und kaute genüsslich. Irgendwie, sinnierte er dabei, war das hier vollkommen absurd. Er hatte sich eigentlich nur mit Malik verabredet, um damit seinen und Joeys Plan voranzutreiben. Und jetzt saß er hier in Maliks Küche, aß das, was der Ägypter gekocht hatte, und philosophierte mit ihm über ihre jeweiligen Geschwister – und all das, nachdem er nicht mal eine halbe Stunde vorher noch ordentlich daran gearbeitet hatte, Maliks Bett in Unordnung zu bringen. Eigentlich war das ganz und gar nicht seine Art, aber irgendwie konnte Ryou nicht leugnen, dass er sich gerade ausgesprochen gut fühlte. Sicher, das eigentliche Ziel der ganzen Aktion – Duke – hatte er keinesfalls aus den Augen verloren, aber trotzdem genoss er Maliks Gegenwart. Maliks lockere Art sorgte dafür, dass er sich nicht allzu viele Gedanken über das machte, was geschehen war und ob das eigentlich zu ihm passte oder nicht. Und war das nicht eigentlich auch egal? Wichtig war doch nur, dass sie beide auf ihre Kosten gekommen waren. Trotzdem konnte Ryou sein schlechtes Gewissen nicht vollständig abschalten. Immerhin hatte er Malik praktisch nur benutzt und das hatte der Ägypter ganz bestimmt nicht verdient. Ehe er jedoch anfangen konnte, sich von diesen negativen Gefühlen beeinflussen zu lassen, zog Malik seine Aufmerksamkeit auf sich. Er räumte die inzwischen leeren Teller ab, stellte sie in die Spülmaschine und ließ sich dann wieder auf seinen Platz fallen. Dann sah er seinen Gast mit fragend schiefgelegtem Kopf an. "Duke sagte vorhin, ihr wärt mal zusammen gewesen", teilte er ihm mit, was er bei dem Telefonat erfahren hatte, und Ryou schluckte so unauffällig wie möglich. Jetzt bloß nichts Falsches sagen! "Stimmt", gab er daher betont lässig zu und deutete ein Achselzucken an. "Das ist aber schon eine Ewigkeit her", schob er noch hinterher und Malik nickte, als hätte er nichts anderes erwartet. "Dachte ich mir schon", bestätigte er Ryous Vermutung auch gleich. "Immerhin ist Duke nun wirklich nicht der Typ für eine feste Beziehung. Ich wusste bis vorhin nicht mal, dass er überhaupt jemals eine hatte", gestand er und Ryou verkniff sich ein Seufzen. War ja klar, dass Duke damit nicht hausieren ging. Wahrscheinlich hatte er diese ganze Sache längst als einen Fehler abgehakt, den er nicht zu wiederholen gedachte. Na, das werden wir ja sehen. "War auch nichts für die Ewigkeit, wie man ja sieht." Das zuzugeben tat weh, aber Ryou ließ sich davon nichts anmerken. Immerhin war es wohl nicht falsch anzunehmen, dass Malik und Duke früher oder später über das sprechen würden, was heute hier vorgefallen war. Und wenn er selbst Duke davon überzeugen wollte, dass er es auf nicht mehr anlegte als auf ein bisschen Spaß, dann war es essentiell wichtig, dass er sich nicht verriet und damit den ganzen Plan gefährdete. Dafür stand einfach zu viel auf dem Spiel. "Ich war damals, als ich Duke kennengelernt hab, aber auch noch ziemlich naiv. Ich hab noch an diesen ganzen Blödsinn mit einem Himmel voller Geigen und der einen, einzigen großen Liebe geglaubt." Ryou schüttelte den Kopf, als könnte er selbst nicht glauben, dass er einmal so dumm gewesen war. Und manchmal fiel ihm das auch tatsächlich schwer. Wie hatte er nicht sehen können, dass seine Vorstellungen und die seines Exfreundes in so vielem komplett auseinandergegangen waren? Eigentlich war es doch nur logisch gewesen, dass eine Beziehung zweier so unterschiedlicher Menschen auf Dauer nicht hatte funktionieren können. Aber um das früh genug zu sehen hatte er einfach eine viel zu rosarote Brille getragen. "Klingt nicht gerade so, als hättet ihr euch im Guten getrennt", unterbrach Maliks Stimme Ryous Gedankenkarussell – eine Tatsache, für die er ungemein dankbar war. Diese Gedanken, die er schon so lange mit sich herumschleppte, schafften es auch heute immer noch, ihn zu deprimieren. Und das konnte er im Moment gar nicht gebrauchen. Aber es brachte auch nichts, jetzt so tun zu wollen, als wäre alles gut. Aus diesem Grund zog Ryou eine Grimasse und schüttelte den Kopf. "Nicht wirklich, nein. Ich war damals eine ziemliche Klette. Und bei jemandem mit Dukes Freiheitsdrang kam das nicht so gut. Er hat also irgendwann angefangen, sich anderswo nach jemandem umzusehen, der ihn nicht so einengt. Ich hab allerdings erst hinterher davon erfahren", gestand Ryou und blinzelte irritiert, als er sah, dass Malik mit den Zähnen knirschte. "So was ist das Letzte", grollte der Ägypter. "Wenn's nicht läuft, gut, das kann passieren. Aber dann sollte man genug Arsch in der Hose haben, um ehrlich zu sein und gleich zu sagen, was Sache ist. Fremdgehen ist einfach nur scheiße", schob er noch hinterher und beinahe gegen seinen Willen spürte Ryou, wie er neugierig wurde. "Ist dir das auch schon mal passiert?", erkundigte er sich, doch Malik schüttelte den Kopf. "Mir nicht, aber meiner Schwester. Einer ihrer Exfreunde hatte nebenbei etwas mit einer Anderen laufen. Ishizu war am Boden zerstört, als sie davon erfahren hat. Sie hat lange gebraucht, um darüber hinwegzukommen. Rishid und ich hätten dem Typen am liebsten eine ordentliche Abreibung verpasst, aber das hat sie uns verboten", erzählte er und seufzte abgrundtief. "Seitdem nehmen wir jeden Kerl, der sich an Ishizu ranmacht, sehr gründlich unter die Lupe." "Genau wie Bakura. Er war, als er Wind von der ganzen Sache bekommen hat, richtig sauer. Allerdings hat er sich von mir nicht zurückhalten lassen. Er ist zu Duke gefahren und hat ihm eine reingehauen." Und auch wenn er selbst das eigentlich gar nicht gewollt hatte, war zumindest ein kleiner Teil von ihm seinem großen Bruder doch dankbar dafür gewesen, dass er sich so für ihn eingesetzt hatte. Dass Bakura danach allerdings jeden, der auch nur den leisesten Hauch von Interesse an ihm gezeigt hatte, vergrault hatte, war nicht unbedingt förderlich gewesen. Nicht, dass Ryou überhaupt bisher wirklich ernsthaftes Interesse an einem Anderen gehabt hätte. Was, sinnierte er, vielleicht weniger kompliziert wäre. Aber wer wollte es schon einfach haben? "Warte mal … War das so vor anderthalb Jahren ungefähr?" Maliks Frage holte Ryou wieder aus seinen Gedanken. Er nickte und blinzelte im nächsten Moment irritiert, denn über Maliks Lippen kamen Worte, die eindeutig nicht freundlich klangen, auch wenn Ryou nicht wirklich verstand, was genau der Ägypter da von sich gab. Was war denn jetzt plötzlich in Malik gefahren? Die Antwort auf diese Frage bekam Ryou schneller und auch eindeutiger, als ihm lieb war. "Dieser Arsch!", grollte Malik, dieses Mal wieder auf Japanisch, und sah seinen Gegenüber mit blitzenden Augen an. "Dafür hau ich ihm auch noch eine rein, das schwöre ich dir! Eine für dich und noch eine dafür, dass er mich in diese Scheiße mit reingezogen hat!", knurrte er und Ryous Augen wurden groß, als er begriff, was genau Malik damit andeutete: Malik war derjenige gewesen, mit dem Duke ihn damals betrogen hatte! Einen Moment lang war Ryou vollkommen fassungslos und nicht sicher, ob ihm sein Gehör nicht einfach nur einen Streich gespielt hatte. Erst als sich in die Wut auf Maliks Gesicht auch etwas Schuldgefühl mischte, wurde ihm klar, dass er sich nicht verhört hatte. Einen Moment lang war Ryou versucht, einfach aufzuspringen und kommentarlos zu gehen, aber er zwang diesen Drang nieder. Malik, das war offensichtlich, hatte bis eben nichts davon gewusst, dass er praktisch der Trennungsgrund gewesen war. Und ihm war deutlich anzusehen, dass ihm diese ganze Sache leid tat, obwohl er ja eigentlich gar nichts dafür konnte. Immerhin hatte Duke ihm wohl kaum brühwarm erzählt, dass er gerade dabei war, seinen Freund zu betrügen, als er sich an Malik rangemacht hatte. Und dass es so und nicht andersherum gewesen war, daran hatte Ryou keinen Zweifel. Duke war noch nie ein Kind von Traurigkeit gewesen und daran hatte auch eine weißhaarige Klette, für die er die erste große Liebe gewesen war, nichts ändern können. "Scheiße, Ryou, das … ich wusste das echt nicht. Ich …", begann Malik, doch Ryou ließ ihn nicht ausreden. Binnen Sekunden hatte er eine Entscheidung getroffen, alles auf eine Karte zu setzen. Das hier war ein Spiel mit dem Feuer, das war ihm klar, aber er wagte es trotzdem. Blieb nur zu hoffen, dass er Malik nicht vollkommen falsch einschätzte. Aber dieses Risiko war Ryou gewillt einzugehen. Immerhin konnte er alle Hilfe gebrauchen, die er bekommen konnte. Und Malik konnte sicher eine große Hilfe sein, so er denn wollte. "Schon okay. Du konntest das ja nicht wissen. Duke hat dir sicher nicht erzählt, dass es mich überhaupt gab", erteilte Ryou dem Ägypter daher die Absolution und dieser sah ihn mit einer Mischung aus Erleichterung, Schuld und Wut, die unzweifelhaft Duke galt, an. "Aber vielleicht wüsste ich eine bessere Rache an Duke als ihm ein blaues Auge zu verpassen", schob Ryou hinterher, atmete noch einmal tief durch und sah Malik erst einmal eine Minute lang prüfend an, ehe er begann, ihm alles zu erzählen – von seinen Gefühlen seinem Exfreund gegenüber, die sich bis heute nicht geändert hatten, über die Ablehnung seines großen Bruders bis hin zu dem Plan, den dessen Freund Joey ausgeheckt hatte und in den sie beide bereits einige ihrer vertrauenswürdigen Freunde eingespannt hatten. Anfangs reichlich verwirrt, dann jedoch mit einem immer breiter werdenden Grinsen lauschte Malik Ryous Ausführungen und als dieser geendet hatte und ihn fragend anblickte, nickte der Ägypter. "Ich bin dabei! Auf jeden Fall!", erklärte er sich einverstanden. So ganz konnte er zwar nicht nachvollziehen, dass Ryou sein Herz immer noch an einen Typen gehängt hatte, der ihn schon einmal betrogen hatte, aber der Plan war eigentlich ziemlich gut, das musste man diesem unbekannten Joey lassen. Und wenn er wirklich aufging, dann würde das bedeuten, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Ryou bekam, was er sich wünschte, und Duke wäre endlich vom Markt und keine Konkurrenz mehr. Eindeutig eine Win-Win-Situation, das konnte Malik nicht bestreiten. Ryou atmete erleichtert auf, als Malik sich fast sofort damit einverstanden erklärte, ihn zu unterstützen. Also war es kein Fehler gewesen, ihn ins Vertrauen zu ziehen! Gut, ein Restrisiko blieb natürlich – Malik konnte es sich immer noch anders überlegen und Duke in den ganzen Plan einweihen –, aber darüber wollte Ryou im Augenblick lieber nicht nachdenken. "Und ich weiß auch schon ganz genau, was ich dem sauberen Mr. Devlin bei unserer nächsten Begegnung erzählen werde." In den Augen des Ägypters funkelte es und seine Lippen verzogen sich zu einem Grinsen, als sein Gast ihn fragend ansah. "Oh, ich werd mir so richtig von ihm die Würmer aus der Nase ziehen lassen. Das macht ihn nämlich wahnsinnig, das weiß ich." Immerhin, sinnierte Malik, kannte er Duke ja inzwischen schon eine ganze Weile. Und so sehr der Schwarzhaarige es auch genoss, wenn er selbst als Erzähler seiner letzten erotischen Eskapaden die Fäden in der Hand hatte und alle gebannt an seinen Lippen hingen, so sehr hasste er es im Gegenzug, wenn jemand ihn auf die Folter spannte. Höchste Zeit, dass er mal seine eigene Medizin zu kosten bekam. Ein wenig skeptisch war Ryou ja schon in Bezug auf diese Idee Maliks, aber er tat das mit einem innerlichen Schulterzucken ab. Malik kannte Duke in dieser Beziehung sehr viel besser als er selbst seinen Exfreund kannte, also würde er sich da ganz auf den Ägypter und sein Vorhaben verlassen. "Hältst du mich auf dem Laufenden?", bat er trotzdem und Malik nickte sofort. "Klar. Deine Nummer hab ich schließlich. Sobald ich Duke das nächste Mal spreche, schreib ich dir hinterher sofort, wie's gelaufen ist", versprach er und Ryou bedachte ihn mit einem dankbaren Lächeln. Malik erwiderte das Lächeln mit einem Schmunzeln, das vielleicht eine Spur durchtriebener war als Ryous. Dann machte er Anstalten, aufzustehen, hielt jedoch mitten in der Bewegung inne und begann, fast schon beängstigend breit zu grinsen. "Weißt du was? Ich glaub, ich hab noch ne viel bessere Idee", ließ er Ryou wissen und als dieser ihn irritiert anblickte, zwinkerte Malik ihm kurz zu, erhob sich doch und verschwand aus der Küche, nur um gleich darauf mit seinem Handy wiederzukommen. "Warum soll ich dir schreiben, wenn du auch gleich mithören kannst?", erklärte er seinen Plan, nahm wieder Platz und legte das Handy zwischen Ryou und sich auf den Küchentisch. "Irgendwas, was ich weglassen soll, wenn er fragt?", erkundigte er sich und Ryou überlegte kurz, ehe den Kopf schüttelte. "Du kennst ihn in der Hinsicht besser als ich. Du weißt also bestimmt auch besser, was du ihm erzählen kannst und was nicht", gab er zurück und Malik warf einen kurzen Blick auf die Uhr. Seit seinem Telefonat mit Duke, das er so rüde beendet hatte, waren inzwischen gut zwei Stunden vergangen – genug Zeit, um die Neugier des Schwarzhaarigen so richtig schön anzustacheln. Noch immer mit einem Grinsen auf den Lippen suchte Malik daher Dukes Nummer aus seinem Telefonspeicher, drückte den grünen Hörer und die Lautsprechertaste und wartete. Phase Drei, Teil Drei --------------------- Lange mussten Ryou und er sich nicht gedulden. "Hey", kam kurz darauf auch schon die Stimme des Schwarzhaarigen durch die Leitung und Ryou biss sich auf die Unterlippe, um seine Anwesenheit nicht versehentlich zu verraten. Malik hingegen lehnte sich gemütlich auf seinem Stuhl zurück. "Hey", grüßte er gedehnt zurück und klang dabei vollauf zufrieden – so zufrieden, dass Ryou Dukes Gesicht bei dessen nächster Frage beinahe vor sich zu sehen glaubte. "Na, einen schönen Nachmittag gehabt?", erkundigte der Schwarzhaarige sich und Malik zwinkerte Ryou kurz zu, ehe er sich genüsslich streckte und sich dann ein genießerisches Seufzen erlaubte. "Einen sehr, sehr befriedigenden Nachmittag", ließ er sich nach einer knappen Minute des Wartens doch noch zu einer verbalen Antwort herab. "Eigentlich schade, dass der Kleine schon wieder nach Hause musste, um noch für irgendeine Prüfung zu lernen. Ich hätte nichts dagegen gehabt, wenn er über Nacht geblieben wäre. So ein Quickie am Morgen vor der Arbeit ist doch was Feines", schob er noch hinterher und verbiss sich ein Lachen, als Duke gleich auf diese Vorlage ansprang. "So gut also, ja?", hakte er betont desinteressiert nach und Malik, der sich in der Zwischenzeit einen Zettel und einen Stift organisiert hatte, schob Ryou den Zettel über den Tisch hinweg zu, so dass Duke von diesem Austausch nichts mitbekam. ›Hab ich's dir nicht gesagt? Er hasst es, wenn man ihn auf die Folter spannt!‹, stand auf dem Papier und auf Ryous Lippen legte sich nun auch ein Grinsen. Es klang tatsächlich ganz so, als wäre Duke mehr als nur ein bisschen interessiert an den Details der letzten Stunden, die Malik und er miteinander verbracht hatten. Gut, dabei handelte es sich wohl mehr um Neugier als um die Eifersucht, die Ryou sich von dem Schwarzhaarigen wünschte, aber es war immerhin ein Anfang. Dass es Zeit brauchen würde, bis der Plan aufging, das war ihm von vornherein klar gewesen. Und er war ja schon immer ein geduldiger Mensch gewesen. "Besser", lenkte Malik die Gedanken seines Gastes wieder vom Plan zurück auf das Gespräch. Er sagte jedoch nichts weiter, sondern grinste nur stumm vor sich hin – so lange, bis Duke ein weiteres Mal nachbohrte. "Details?", wollte er kurz angebunden wissen und der Ägypter seufzte langgezogen. "Dafür bin ich eigentlich viel zu kaputt. Der Kleine ist echt unersättlich", ließ er seinen Gesprächspartner wissen und machte erneut eine Pause, ehe er fortfuhr. "Und gelenkig." Was, dachte Malik bei sich, ja nicht mal gelogen war. Der Nachmittag fiel eindeutig in die Kategorie ›wiederholenswert‹, auch wenn das wohl kaum passieren würde. Wobei … Nun, sie würden sehen. "Ich weiß", kam Dukes Antwort vom anderen Ende der Leitung und Malik hatte Mühe, sich ein Lachen zu verkneifen. Da Ryou ihm unter anderem auch erzählt hatte, wie sein letztes Treffen mit Duke verlaufen war, konnte er sich lebhaft vorstellen, dass es den Schwarzhaarigen gehörig wurmen musste, dass er Ryou inzwischen tatsächlich in seinem Bett gehabt hatte, während Duke selbst bei dem Weißhaarigen noch nicht zum Zug gekommen war. "Wenn du das weißt, warum fragst du dann, wie mein Nachmittag war? Brauchst du Nachhilfeunterricht?", stichelte Malik und erlaubte sich ein leises Lachen, als von seinem Gesprächspartner ein eindeutig beleidigt klingendes Schnauben zu hören war. "Ganz bestimmt nicht!", widersprach Duke mit Nachdruck und Malik bemühte sich, seine Heiterkeit wieder etwas unter Kontrolle zu bekommen. Es war irgendwie ja schon ein bisschen merkwürdig, sich mit Duke über seine neueste Eroberung zu unterhalten, während ebendiese Eroberung ihm gegenüber saß und das ganze Gespräch mitbekam. Und noch seltsamer war es, sich vorzustellen, dass Ryou tatsächlich vorhatte, Duke zurückzuerobern. Aber er selbst hatte zugesagt, ihm zu helfen, also, beschloss Malik bei sich, würde er das auch tun. Eigentlich war Ryou zwar viel zu schade für einen Aufreißer wie Duke, aber da er sein Herz nun mal an ebendiesen Aufreißer gehängt hatte, war da wohl nicht viel zu machen. Wenn er Duke wirklich zurückhaben wollte – auch noch nach allem, was dieser ihm angetan hatte –, dann war das einzig und allein seine Entscheidung. "Schon gut, schon gut", lenkte Malik daher ein und bemühte sich, einen etwas versöhnlicheren Ton anzuschlagen. "Du wolltest Details hören", schwenkte er wieder auf das eigentliche Thema seines Anrufs bei dem Schwarzhaarigen zurück und tippte gespielt nachdenklich mit den Fingerspitzen auf den Küchentisch. "Wo soll ich anfangen?", überlegte er dabei laut und begann wieder zu grinsen. "Beinahe hätte ich ihn schon im Flur gevögelt", begann er dann seine Erzählung und zwinkerte Ryou ein weiteres Mal zu. Dem Weißhaarigen war es zugegebenermaßen ein wenig peinlich, dabei zuzuhören, wie Malik zumindest einen Teil dessen, was an diesem Nachmittag zwischen ihnen gelaufen war, wiedergab. Seine Wangen röteten sich bei den ausgesprochen grafischen, teilweise sogar recht vulgären Beschreibungen des Ägypters – was diesem, dem Grinsen auf seinen Lippen nach zu urteilen, nicht verborgen blieb. Gerade als Malik, der sich so richtig in Fahrt geredet hatte, zu dem Teil des Nachmittags – oder vielmehr des frühen Abends – kommen wollte, der so nur in seiner Fantasie und nicht mehr in der Realität stattgefunden hatte, unterbrach ihn die Stimme seines Gesprächspartners. "Klingt, als hätten Ryou und du euch wirklich gut amüsiert", stellte er ein wenig gepresst fest und Malik zog verwundert eine Braue hoch. Irgendwie klang Duke seltsam – ganz so, als hätte er das, was ihm gerade erzählt worden war, eigentlich lieber doch nicht hören wollen. Merkwürdig, fand Malik. Offenbar ging es Duke wirklich ziemlich gegen den Strich, dass er selbst dessen Exfreund Ryou vor ihm flachgelegt hatte. Na ja, er war ja schon immer ein schlechter Verlierer. Duke war schließlich auch dann regelmäßig so, wenn er, Malik, bei einem Typen, auf den sie beide ein Auge geworfen hatten, landen konnte und der Schwarzhaarige nicht. Meistens schmollte er dann ein paar Tage, auch wenn er natürlich abstreiten würde, dass das, was er tat, Schmollen war. Normalerweise amüsierte Malik sich köstlich darüber, denn in den meisten Fällen war er selbst derjenige, der sich von Duke unter die Nase reiben lassen musste, wie gut oder schlecht der Kerl gewesen war, der ihnen beiden gefallen hatte. Duke hatte nun mal etwas an sich, dem man sich nur schwer entziehen konnte. Der Schwarzhaarige wusste genau, wie er einen Mann um den Finger wickeln musste, damit dieser alles mit sich machen ließ. Nur davon, wie er mit nem Kerl umgehen sollte, nachdem er ihn mal hatte, hat er nicht viel Ahnung. Ja, sicher, sie beide verband nach ihren ersten paar Begegnungen vor knapp anderthalb Jahren, die jedes Mal in wildem, leidenschaftlichem Sex geendet hatten, annähernd so etwas wie eine – wenn auch durch eine gewisse Konkurrenz geprägte – Freundschaft, aber von anderen wirklichen Freunden des Schwarzhaarigen hatte Malik bisher noch nichts mitbekommen. Klar, Duke war immer der Mittelpunkt jeder Party, die er besuchte, aber das war auch schon alles. Mehr Schein als Sein, wie man so schön sagte. "Malik? Noch da?", holte die Stimme des Schwarzhaarigen den Ägypter wieder aus seinen Gedanken und er schüttelte unwillig den Kopf, um diese Gedankengänge zu vertreiben. Die waren jetzt ganz und gar nicht angebracht. "Ja, bin ich. Bin nur ziemlich kaputt", redete er sich raus und konnte sich ein Grinsen doch nicht ganz verkneifen, als vom anderen Ende der Leitung ein etwas gezwungen klingendes Lachen in seine heimische Küche drang. "Passiert ja selten, dass du dich so auslaugen lässt", stellte Duke fest und selbst für Ryou war der etwas säuerliche Unterton nicht zu überhören. Überrascht blickte er zu Malik hinüber und dessen Grinsen wuchs noch ein ganzes Stück in die Breite. ›Hab ich's dir nicht gesagt? Er hasst es, wenn er den Kürzeren zieht!‹, kritzelte er auf das Papier, das er schon zuvor beschrieben hatte, und schob es Ryou leise wieder hin. Der überflog die Zeilen und schmunzelte ein wenig, obwohl sein verräterisches Herz viel zu laut und viel zu heftig schlug. Wie schön wäre es, wenn Duke wirklich seinetwegen eifersüchtig auf Malik wäre und nicht bloß beleidigt, weil er nicht als Erster zum Zug gekommen war? Was nicht ist, wird schon noch werden, versuchte Ryou, sich selbst Mut zuzusprechen, und blinzelte irritiert, als sich warme Finger um seine Hand schlossen. Als er aufblickte, sah er genau in Maliks Gesicht, das ein aufmunterndes Lächeln zierte. "Was dagegen, wenn wir morgen weiterquatschen? Ich bin echt groggy", wandte der Ägypter sich an seinen schwarzhaarigen Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung, ohne Ryous Hand loszulassen, und dieser fühlte, wie auch an seinen Mundwinkeln ein Lächeln zu zupfen begann. Ja, sicher, er kannte Malik eigentlich gar nicht, aber trotzdem tat es gut, so ein bisschen nonverbal Mut zugesprochen zu bekommen. "Dann ruh du dich mal ordentlich aus, Malik. Ich melde mich morgen Nachmittag noch mal bei dir, okay?" Nach einer knappen Versicherung, dass das für ihn in Ordnung ging, beendete Malik das Gespräch und rückte einen Stuhl näher zu Ryou auf, ohne seine Hand zurückzuziehen. Und obwohl es für den Weißhaarigen immer noch ein wenig seltsam war, dass ein eigentlich vollkommen Fremder praktisch mit ihm Händchen hielt, war er über diese kleine Geste insgeheim trotzdem ein wenig froh. "War nicht leicht für dich, dir das anzuhören, oder?", erkundigte Malik sich mitfühlend und Ryou gestattete sich ein abgrundtiefes Seufzen, ehe er den Kopf schüttelte. "Nicht wirklich, nein", gab er zu. Einerseits war es zwar wirklich aufschlussreich gewesen zu hören, wie Malik und Duke normalerweise miteinander umgingen und wie sie wohl auch über ihre sicher unzähligen Eroberungen sprachen, aber selbst das Thema zu sein war trotzdem etwas unangenehm. Andererseits war Ryou trotzdem irgendwie froh darüber, dass Malik ihm das Angebot gemacht hatte, das ganze Gespräch mitanzuhören. Allerdings war es ihm zugegebenermaßen nicht besonders gut bekommen, Dukes Stimme zu hören. Viel zu sehr hatte er darauf gelauscht, wie der Schwarzhaarige klang, und viel zu sehr hatte er sich Hoffnung gemacht, etwas zu hören, was so leider doch nicht zu hören gewesen war. Immerhin war es Wunschdenken, sich ausgerechnet von Duke Eifersucht zu erhoffen, nur weil er selbst heute bei Malik gewesen war und auch tatsächlich mit diesem geschlafen hatte. "Trotzdem danke, dass ich bleiben durfte. Und auch für deine Hilfe. Und für … für …", setzte Ryou an, doch Maliks Zeigefinger auf seinen Lippen unterbrach ihn, bevor er seinen Satz beenden konnte. "Bedank dich bloß nicht für den Sex. Wenn überhaupt, dann sollte ich dir dafür danken", kam er dem Weißhaarigen zuvor und grinste, als Ryous Wangen sich röteten. Der Weißhaarige war wirklich niedlich, das konnte Malik nicht leugnen. Und verdammt heiß. Und auch wenn sie sich, wenn überhaupt, wahrscheinlich nicht noch mal für Sex treffen würden, war schon allein die Aussicht, Duke noch ein wenig triezen zu können, einiges wert. Und vielleicht lässt Ryou sich ja auch davon überzeugen, dass er eigentlich viel zu gut ist für einen Kerl wie Duke, der ihn weder früher noch heute wirklich verdient hat. Huch, woher war denn dieser Gedanke gekommen? Malik war sich nicht sicher, ob er das wirklich so genau wissen wollte. Und jetzt war auch definitiv nicht der richtige Zeitpunkt, um darüber nachzudenken, also erhob er sich, noch immer ohne Ryous Hand loszulassen, und zog diesen so ebenfalls von seinem Stuhl. "Komm, ich fahr dich noch nach Hause." Dieses Angebot Maliks brachte Ryou dazu, einen Blick auf die Uhr zu werfen. Und als er die Uhrzeit erkannte, schluckte er. Es war inzwischen schon nach halb zehn, also war sein Bruder wahrscheinlich schon längst wieder in ihrer gemeinsamen Wohnung. Auch wenn er oft den Tag über bei Joey war, die Nächte verbrachte er immer zu Hause, um seinen kleinen Bruder nicht alleine zu lassen. Hoffentlich ist Joey auch da. Dann bestand zumindest die geringe Chance, dass Bakura nicht gleich den Aufstand probte, nur weil sein Bruder fast den ganzen Tag lang weg gewesen war, ohne ihm vorher Bescheid zu sagen. "Okay", erklärte Ryou sich dennoch einverstanden – ein bisschen zu spät, denn Malik hatte ihn bereits durch den Hausflur und die Hintertür nach draußen auf den Parkplatz geschleift. Dort steuerte er geradewegs auf ein Motorrad zu und Ryou schluckte hart. Er war vor knapp zwei Jahren ein einziges Mal mit Duke auf seinem Motorrad gefahren und hatte diese Fahrt, seiner anfänglichen Angst zum Trotz, mehr als nur ein bisschen genossen. Gut, das mochte zum Teil auch an der Gesellschaft gelegen haben, aber nach dem, was an diesem Nachmittag passiert war, war Ryou sich nicht sicher, ob es eine gute Idee war, sich wirklich hinter Malik auf dessen Maschine zu schwingen. Die Entscheidung wurde dem Weißhaarigen abgenommen, indem Malik ihn einfach weiter mit sich zog und ihm, sobald sie das Motorrad erreicht hatten, einen Helm in die Hände drückte. Wieder schluckte Ryou, setzte den Helm aber dennoch auf und schimpfte sich dabei insgeheim einen Narren. Jetzt gerade benahm er sich wieder einfach nur lächerlich. Hatte er sich nicht heute noch vorgenommen, sich nicht mehr von allem ins Bockshorn jagen zu lassen, was ihn an Duke erinnern konnte? Ich bin doch echt ein Blödmann, schalt Ryou sich selbst, schüttelte die Erinnerungen ab und stieg hinter Malik auf, nachdem dieser sich auf seine Maschine geschwungen hatte. Nach minimalem Zögern schlang er seine Arme um den Bauch des Ägypters, doch als dieser, nachdem er noch kurz die Adresse in Erfahrung gebracht hatte, das Motorrad startete und losfuhr, legte sich beinahe gegen seinen Willen ein Grinsen auf Ryous Lippen. Er hatte nicht gelogen, als er Duke bei der letzten Begegnung erzählt hatte, dass er Motorräder heiß fand – und Männer, die diese fuhren, erst recht. Malik trug zwar im Augenblick keine wirkliche Motorradkleidung – er hatte einfach nur eine Jeans, ein Shirt und eine Lederjacke übergeworfen –, aber Ryou konnte nicht leugnen, dass er trotzdem heiß aussah. Und, das war durch seine Nähe zu dem Ägypter deutlich wahrzunehmen, Malik roch auch ziemlich gut. Offensichtlich, stellte Ryou für sich selbst fest, während er sich gemeinsam mit Malik in die Kurven lehnte, hatte dieser Nachmittag doch mehr bewirkt als ihm nur einen neuen Verbündeten zu bescheren. Was sollte er bloß machen, wenn seine Gedanken sich weiterhin so oft um Sex drehten wie in den letzten Stunden? Wenn Bakura das spitzkriegt, bringt er mich um. Und Malik gleich mit. Unter dem Helm unhörbar seufzend lockerte Ryou seinen Griff, sobald Malik das Motorrad zum Stehen brachte. Er hatte den Ägypter absichtlich nicht direkt bis vor die Haustür gelotst, sondern ihn am Parkplatz an der Ecke halten lassen. Es gab absolut keinen Grund zu riskieren, dass Bakura sie beide zusammen sah und wieder so einen Ausraster bekam wie an dem Abend im Club, als sie sich kennengelernt hatten. Wobei, wenn Bakura wüsste, was genau Malik und er an diesem Nachmittag miteinander getrieben hatten, dann würde er unter Garantie ein Massaker anrichten. "Hey, warum so trübe? Alles okay?", erkundigte Malik sich besorgt, als er Ryous Gesicht sah, nachdem dieser den Helm abgenommen und ihm zurückgereicht hatte. Machte der Kleine sich jetzt etwa doch Sorgen – seinetwegen oder wegen Duke? "Alles gut. Ich hab nur über meinen Bruder nachgedacht. Wenn er dich sehen würde, würde er ausflippen", beantwortete Ryou die Frage und gestattete sich ein winziges Schmunzeln. "Und wenn er wüsste, dass ich heute bei dir war und Sex mit dir hatte, dann würde er vollends in den Berserkermodus wechseln", schob er noch hinterher und Malik begann leise zu lachen. "Ich erinnere mich lebhaft an den Abend im Club, als wir uns zum ersten Mal begegnet sind. Ich hab einen Moment lang echt befürchtet, dass er mich auf dem Parkplatz verprügeln würde", gab er zu. Das war schon ein wenig beängstigend gewesen, aber Malik war meilenweit davon entfernt, sich das jetzt anmerken zu lassen. Ryou sollte ganz sicher kein schlechtes Gewissen bekommen, nur weil sein psychopathischer Bruder einen viel zu ausgeprägten Beschützerinstinkt seinetwegen hatte. In gewisser Weise konnte Malik diesen Bakura ja sogar verstehen. Seine Schwester war zwar älter als er, aber wenn jemand ihr wehtat, war sein erster Impuls auch immer, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Und Ryou, das konnte er nicht leugnen, sprach irgendwie den gleichen Instinkt in ihm an. Er wollte den Weißhaarigen, den er eigentlich nicht mal wirklich kannte, auch beschützen – vielleicht sogar ein bisschen vor sich selbst. Jetzt mach dich nicht lächerlich, rief Malik sich selbst zur Ordnung, als ihn zum wiederholten Mal Zweifel befielen, ob Ryous Plan wirklich eine gute Idee war. Er hatte seine Hilfe zugesagt und er würde sein Wort halten, das stand außer Frage. Aber nichts und niemand verbot ihm, das Ganze im Auge zu behalten und so sicherzugehen, dass das, was Ryou sich so sehnlich wünschte, auch wirklich das war, was ihn glücklich machen würde. Der Kleine hatte es einfach verdient, glücklich zu werden, das stand für Malik unumstößlich fest. "Tut mir leid, dass Bakura da so auf dich losgegangen ist." Diese ganze Szene war, auch wenn sie ihren Zweck erfüllt hatte, Ryou auch im Nachhinein immer noch peinlich. Zu seiner Erleichterung winkte Malik jedoch einfach nur ab. "Ist doch nichts passiert", gab er zurück und stieg ebenfalls von seiner Maschine. Ganz so einfach wollte er Ryou doch nicht davonkommen lassen. Aus diesem Grund hielt er den Weißhaarigen am Arm fest, als dieser sich zum Gehen wenden wollte, zog ihn zu sich und küsste ihn so hart und fordernd, wie er es am Nachmittag auch getan hatte. Ryou sollte diesen einen Tag auf jeden Fall in guter und vor allem deutlicher Erinnerung behalten. "I-Ich …" Ryou kam nicht dazu, seinen Satz zu beenden und sich zu verabschieden. Ehe er so recht wusste, wie ihm geschah, wurde er wie am Nachmittag schon halb um den Verstand geküsst. Und er konnte nicht leugnen, dass Maliks Kuss sämtliche Erinnerungen an das, was in den vergangenen Stunden vor dem Gespräch mit Duke passiert war, wieder sehr, sehr präsent werden ließ. Ryous Atem ging keuchend, als Malik endlich wieder von ihm abließ. "Ich hoffe, das verschafft dir ein paar schöne Träume heute Nacht", kommentierte der Ägypter seinen ›Überfall‹ mit einem schelmischen Grinsen und beinahe gegen seinen Willen musste Ryou lachen. "Ganz bestimmt", gab er amüsiert zurück. Irgendwie, vermutete Ryou, würde Joeys Geschenk in der kommenden Nacht also höchstwahrscheinlich noch mal zum Einsatz kommen. Die Vorstellung sandte einen Schauer kribbelnder Erregung durch seinen Körper und so musste er sich räuspern, ehe er sich doch endlich von Malik verabschieden konnte. "Danke für alles. Fürs Zuhören, fürs Helfen, fürs Heimfahren und besonders für heute Nachmittag." Ryous Worte verwandelten Maliks Grinsen in ein Lächeln. "Gerne doch. Und wenn du einfach mal jemanden zum Quatschen brauchst", oder auch für was anderes, "dann ruf mich einfach an, okay? Meine Nummer hast du ja." Der Ägypter wartete noch kurz ab, bis Ryou genickt hatte und beiseite getreten war, dann stieg er wieder auf seine Maschine, um nach Hause zu fahren. Immerhin musste er am nächsten Tag wieder arbeiten. Ryou blickte Malik nach, bis dieser um die nächste Ecke bog und damit außer Sichtweite verschwand. Dann wandte er sich ab, um auch endlich nach Hause zu gehen. Wie er nicht anders erwartet hatte, stand sein Bruder auch schon wie aus dem Boden gewachsen vor ihm, kaum dass er die Wohnungstür hinter sich wieder geschlossen hatte. "Wo warst du?", wollte Bakura unwirsch wissen und Ryou seufzte. "Weg", gab er zur Antwort, aber ehe er an seinem Bruder vorbeigehen konnte, packte dieser ihn am Arm, hielt ihn fest und drehte ihn zu sich um, so dass er ihn ansehen musste. "Den ganzen Tag? Ohne mir Bescheid zu sagen?" Bakuras Stimme war nur ein leises Grollen, aber dennoch war für jemanden, der ihn kannte, die Sorge um seinen kleinen Bruder deutlich herauszuhören. Wo mochte der Kleine gewesen sein? Ryou war nach allem, was an diesem Tag passiert war, allerdings ganz und gar nicht in Stimmung für diese Sorge. "Du warst ja selbst auch nicht da, also konnte ich dir auch nicht Bescheid sagen", machte er Bakura auf das Offensichtliche aufmerksam und befreite dann erst mal seinen Arm aus dem doch ein wenig schmerzhaften Klammergriff. "Und zum Anrufen war ich zu beschäftigt", fügte er noch hinzu, obwohl er genau wusste, dass diese halbe Andeutung ein Fehler war. Allerdings hatte er heute absolut keine Lust darauf, jetzt erst noch stundenlang Bakuras gesträubtes Gefieder zu glätten. Eigentlich wollte er einfach nur noch ins Bett, schlafen und sich vorher vielleicht noch ein klein wenig … ›Unterhaltung‹ gönnen – jedenfalls wenn es seinem Bruder nicht doch noch gelingen sollte, seine Stimmung ganz zu zerstören. "Ryou, was …?", setzte Bakura an, aber der Angesprochene ließ ihn nicht ausreden. "Bevor du fragst: Ich habe mich mit jemandem getroffen, den ich vor einer Weile kennengelernt habe." Dass es sich bei demjenigen ausgerechnet um Malik handelte, an den Bakura sicher nicht unbedingt die positivsten Erinnerungen hatte, ließ Ryou unter den Tisch fallen. Das ging seinen Bruder nun mal so gar nichts an. "Und ich habe – genau wie du übrigens – den Nachmittag mit fantastischem Sex verbracht. Jetzt bin ich allerdings ziemlich müde, also würde ich gerne schlafen gehen. Oder ist noch was?" Fragend blickte Ryou seinen Bruder an, aber Bakura war von der Eröffnung so überfahren, dass sein Mund nur ein paar Mal auf und zu klappte, ohne dass ein Ton über seine Lippen kam. "Nicht? Dann gute Nacht, Kura." Ryou stellte sich auf die Zehenspitzen, drückte seinem völlig überrumpelten Bruder noch einen kurzen Kuss auf die Wange und ließ ihn dann einfach im Flur stehen. Joey, der das ganze Schauspiel von der Wohnzimmertür aus beobachtet hatte und mindestens ebenso überrascht und sprachlos war wie Bakura, zwinkerte er im Vorbeigehen noch kurz verschwörerisch zu und verschwand dann in seinem Zimmer. Er würde dem Blonden bei der nächsten Gelegenheit, wenn sie ungestört waren, von seinem Treffen mit Malik erzählen, aber nicht heute. Dem Gespräch, das nur Momente nach seinem Weggang aufflammte und binnen kürzester Zeit zu einer hitzigen Diskussion wurde, die, nach einem kurzen Gerangel, in Bakuras Schlafzimmer fortgesetzt wurde, schenkte Ryou keinerlei Beachtung mehr. So waren Bakura und Joey nun mal einfach. Wahrscheinlich hatten sie sich erst wegen seines Verhaltens kurz in die Haare bekommen, nur um sich jetzt gegenseitig die Klamotten runterzureißen und das Ganze auf ihre eigene spezielle Art … auszudiskutieren. Unwillkürlich musste Ryou grinsen. Auch wenn ihn diese Seite an den beiden oft genervt hatte, nach dem vergangenen Nachmittag konnte er seinen Bruder und Joey nur zu gut verstehen. Unterdrückt gähnend zog Ryou seinen Pyjama aus dem Schrank, ging ins Bad und machte sich bettfertig. Danach knipste er in seinem Zimmer das Licht aus und wollte gerade nach Joeys Geschenk kramen, als ihn das Blinken seines Handys ablenkte. Offenbar hatte er in der Zwischenzeit eine Nachricht bekommen. Wahrscheinlich von Malik, dachte Ryou, nahm das Handy in die Hand und hätte es beinahe fallen lassen, als er den Absender las. Mit einem Mal wurde seine Kehle trocken. Damit, ausgerechnet jetzt noch eine Nachricht von Duke zu bekommen, hatte er ganz und gar nicht gerechnet. Mit zittrigen Fingern – was genau mochte Duke von ihm wollen, dass er ihm so spät noch schrieb? – öffnete Ryou die Nachricht und hielt unwillkürlich den Atem an. ›Und, hattest du einen schönen Nachmittag?‹, las er und blinzelte erst einmal irritiert, ehe er die Nachricht ein weiteres Mal las. An den Worten änderte sich jedoch nichts. Aber Duke wusste doch, wie sein Nachmittag gewesen war, also warum diese Nachricht? Weil er nicht weiß, dass ich von seinem Telefonat mit Malik weiß. Er glaubt, ich wäre schon weg gewesen, als Malik ihn angerufen hat, beantwortete Ryou sich seine Frage gleich selbst und kämpfte einen Moment mit sich, dann ließ er sich rücklings in sein Bett fallen und machte es sich erst mal bequem, ehe er Dukes Nummer wählte. Lange musste Ryou nicht warten. "Hey, Ryou", grüßte der Schwarzhaarige ihn nur wenige Sekunden später auch schon und der Angesprochene schluckte so unauffällig, wie es ihm möglich war. Wahrscheinlich war das hier eine ziemlich blöde Idee, aber jetzt war es für einen Rückzieher eindeutig zu spät, also würde er einfach das Beste daraus machen. "Selber hey", erwiderte er daher den Gruß. "Ich bin zu müde zum Tippen, also dachte ich mir, ich rufe dich einfach an. Ich hoffe, ich störe dich nicht", schob er noch hinterher. "Ganz und gar nicht", kam vom anderen Ende der Leitung die Antwort und Ryou fühlte ein Grinsen an seinen Mundwinkeln zupfen. Ihm war durchaus bewusst, dass Duke es wahrscheinlich nur auf eine Beschreibung des Nachmittags aus seiner Perspektive abgesehen hatte, aber nach allem, was an diesem Tag passiert war, erschien ihm das wie ein Klacks. "Wenn du so müde bist, sollte ich dich wohl lieber nicht allzu lange vom Schlafen abhalten, hm?", holte Dukes Stimme Ryou wieder aus seinen Gedanken und der neckende Tonfall brachte das Herz des Weißhaarigen zum Stolpern. Duke klang jetzt, wo er mit ihm sprach, ganz anders als am Nachmittag, als Malik ihm ausführlich erzählt hatte, was sie beide getan hatten. Da hatte Duke teilweise geklungen, als hätte er das, was der Ägypter erzählt hatte, lieber doch gar nicht so genau wissen wollen – eigentlich absurd; immerhin war er doch derjenige gewesen, der überhaupt erst nachgefragt hatte –, aber jetzt hörte sich seine Stimme viel sanfter an. "Ein paar Minuten halte ich bestimmt noch durch, bevor mir die Augen zufallen und ich dir ins Ohr schnarche", versuchte Ryou, die Stimmung mit einem kleinen Scherz aufzulockern. Und das Lachen, das seine Worte zur Folge hatten, ging ihm durch und durch. Er hatte dieses Geräusch schon früher geliebt und stellte wieder einmal fest, dass sich daran in den vergangenen anderthalb Jahren absolut nichts geändert hatte. "Klingt ganz so, als hätte Malik dich ziemlich gefordert", spekulierte Duke, obwohl er eigentlich schon aus den Erzählungen des Ägypters wusste, was an diesem Nachmittag passiert war. Allerdings war er sich nicht sicher, ob Ryou klar war, wie gut Malik und er sich kannten. Er bekam die Antwort auf diese Frage jedoch schneller und in anderer Form als er erwartet hatte, denn Ryou lachte leise auf seine Worte hin. "Willst du mir etwa erzählen, er hätte dir nicht schon längst brühwarm erzählt, wie und wo wir's getrieben haben?", fragte er und wunderte sich ein wenig darüber, dass es ihm so leicht fiel, so zu tun, als machte ihm das Ganze überhaupt nichts aus. Und erstaunlicherweise fühlte er sich im Augenblick auch tatsächlich in keinster Weise schlecht. "Nach dem zu urteilen, was Malik mir so erzählt hat, tauscht ihr euch doch eigentlich immer über eure neusten Eskapaden aus." "Touché." Über Dukes Lippen kam ebenfalls ein Lachen. Er hatte wirklich nicht erwartet, dass Ryou so locker damit umgehen und dass es ihm nichts ausmachen würde, Gegenstand eines solchen Gesprächs gewesen zu sein. Offenbar hatte der Ryou, den er früher gekannt hatte und den er gerade wieder dabei war, neu kennenzulernen, sich wirklich ganz schön verändert. Der Ryou von früher hätte sich in Grund und Boden geschämt. Gut, dass Ryou sich weiterentwickelt hatte. "Ja, Malik und ich haben heute schon telefoniert", gab der Schwarzhaarige daher zu und zögerte einen Moment, ehe er fortfuhr. "Aber ich wollte trotzdem wissen, ob bei dir alles okay ist", gestand er dann und Ryou hatte Mühe, sich seine Überraschung nicht anmerken zu lassen. Das klang ja beinahe so als … Als ob er sich meinetwegen Sorgen gemacht hätte. Gut, vielleicht – höchstwahrscheinlich – war das einfach nur Wunschdenken, aber allein die Möglichkeit, dass Duke wirklich seinetwegen besorgt gewesen sein könnte, ließ Ryous Herzschlag wieder aus dem Takt geraten. Beruhig dich. Denk an den Plan, rief er sich dennoch selbst eilig zur Ordnung. "Mir geht's gut. Ich bin nur, wie gesagt, ziemlich müde. Der Nachmittag war heiß, aber anstrengend. Und danach noch das Lernen …", ging er auf Maliks Ausrede ein, die dieser bei seinem eigenen Telefonat mit Duke benutzt hatte. "Aber das ist nichts, was eine Mütze voll Schlaf nicht kurieren kann." "Dann sollte ich dich wirklich langsam schlafen lassen", beschloss Duke und Ryou biss sich rasch auf die Unterlippe, ehe er etwas Dummes sagen konnte. "Schlaf gut, Ryou. Und träum was Schönes", fügte der Schwarzhaarige noch hinzu und Ryou hatte wirklich Mühe, nicht selig zu seufzen. Mit etwas Mühe riss er sich jedoch zusammen. "Du auch, Duke", murmelte er leise. Die Antwort, die er bekam – "Werd ich bestimmt." – war nicht unbedingt dazu angetan, seinen Herzschlag wieder in ruhige Bahnen zu lenken. Trotzdem blieb das Lächeln auch dann noch auf Ryous Lippen, als dieser – noch immer mit seinem Handy in der Hand – langsam ins Reich der Träume abdriftete. Sein letzter Gedanke, bevor der Schlaf ihn endgültig übermannte, war: Sieht aus, als wäre Phase Drei auch mehr als erfolgreich gewesen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)