In einer anderen Welt von ahkullerkeks (TaixOC, Koumi, Takari) ================================================================================ Kapitel 3: Spionage ------------------- Der Freitag verging wie im Flug. Morgens wurde ich von meiner liebevollen Mutter aus dem Bett gejagt, leider sehr viel später, als ich sonst immer aufstand, so dass keine Zeit mehr zum Frühstücken war und meine liebevolle Mutter mich zu Schule hetzte. Meinen Vater hatte ich an diesem Morgen nicht zu Gesicht bekommen, was jedoch nicht wunderlich war, denn das einzige, was ich von unserer Wohnung morgens gesehen hatte, war mein Zimmer und der Flur. Glücklicherweise kam der Lehrer an diesem Tag etwas verspätet in den Klassenraum, also bekam ich keinen Eintrag ins Klassenbuch, was wohl eigentlich ganz gut war, so lange ich kein Aufsehen in der Klasse erregte. Ich hatte noch nie wirklich den Drang verspürt mich mit jemandem aus meiner Klasse zu unterhalten und es kam auch nie jemand auf mich zu. Doch heute wurde ich seltsamerweise von meiner Klassenkameradin Aimi angesprochen. Sie fragte mich, was ich in dem Test für eine Note hatte, den wir letzte Woche in Geographie geschrieben hatten. Ich war so verwirrt, dass ich nicht mal richtig antworten konnte und sie lächelte mich nur an, als wäre ich nicht mehr ganz beisammen! Eigentlich war Aimi ganz nett. Sie war eines der beliebtesten Mädchen unserer Schule, so weit ich da hinter kam, doch sie war nicht darauf aus, nur unter den „Coolen“ zu sein, sondern… Na ja, war auch nicht weiter wichtig, denn sie verschwand kurz darauf wieder und ließ mich mit dem wirren Durcheinander in meinem Kopf alleine. In den letzten zwei Tagen hatte sich für mich so schlagartig alles geändert, dass ich überhaupt nicht mehr richtig denken konnte. Und dazu kam noch, dass Tai heute zu mir nach Hause kommen würde und mir mitten in der Nacht eingefallen war, dass er ja gar nicht wusste, wo ich wohnte, ich ihn aber nicht noch einmal anrufen wollte. Die Peinlichkeit konnte ich mir ersparen. Wenn ich Glück hätte, dann würde er in den falschen Wohnblock wandern und bei irgendwelchen anderen zu Abend essen, doch diese Art von Dummheit traute ich nicht einmal Tai zu. Hörte sich vielleicht fies an, aber ich hatte am Tag davor gemerkt, dass Tai immer etwas länger als die anderen brauchte, um etwas zu verstehen, was ihn jedoch nicht weniger sympathisch machte, denn er war dennoch klug. Nur…brauchte er etwas mehr Zeit, um sein Wissen freizusetzen, wobei Koushiro überhaupt keine Probleme zu haben schien. Jedenfalls ging der Schultag schnell zu Ende und ich war froh, dass ich nicht in eine menschenleere, dunkle Wohnung kommen würde, sondern in ein beleuchtetes Zimmer, indem meine Eltern sitzen würden und mich anlächeln würde und… Zur Hälfte war das alles nur eine Wunschvorstellung gewesen, denn die Wohnung war tatsächlich beleuchtet, doch meine Eltern saßen nicht, sondern mein Vater schlief, in eine dicke Decke eingewickelt, auf dem Sofa und meine Mutter erwartete mich schon mit teuflischem Grinsen auf den Lippen. Beinahe gewalttätig zerrte sie mich zu meinem Kleiderschrank und riss die Türen speerangelweit offen. Im nächsten Moment flogen die Kleidungstücke in meinem Zimmer umher, einige landeten sorgsam gefaltet auf dem Stuhl. Das waren dann die, die in die nähere Auswahl kamen. Dann hatte sich meine Mutter doch für ein mittellanges Wollkleid entschieden und war dann noch so gnädig und erlaubte mir die schwarze Strumpfhose anzuziehen, damit ich nicht komplett erfror. Sie wackelte bedeutungsvoll mit den Augenbrauen und verließ in dramatischem Gang mein Zimmer. Ich schmunzelte und verdrehte dabei die Augen. Tai wäre bestimmt egal, was ich anziehen würde und auffallen, dass ich etwas trug, was eigentlich nicht oft von mir getragen wurde, würde er genauso wenig merken, denn dafür kannte er mich nicht lang genug. Ich seufzte, streifte mir das Kleid über und betrachtete mich kritisch im Spiegel. Meine Haare standen in alle Richtungen ab und waren elektrisch geladen. Ich sah aus, wie eine Hexe, besonders noch mit dieser Haarfarbe. Ich nahm eine Strähne meiner Haare zwischen die Finger und zwirbelte sie ein wenig. Ob ich sie vielleicht färben sollte? Vielleicht etwas heller, so wie Sora sie hatte… Das Mädchen in meinem Spiegel schaute mich aus grünen Augen verwirrt an. Wozu färben? Und besonders noch orange. Ich meine, ich fand Sora’ s Haarfarbe jetzt nicht so wunderschön, doch…Tai schien sie zu mögen, also… Ich schüttelte heftig den Kopf, nahm seufzend meine Bürste von der Kommode und strich mit ihr durch meine dichten Locken. Mom war immer stolz auf meine Haare gewesen, doch ich wusste immer noch nicht genau, was ich nun von ihnen halten sollte. Ein weiterer Seufzer entwich meiner Kehle. Ich legte die Bürste zurück, stapfte ins Wohnzimmer und ließ mich schmollend neben meinen Vater nieder, der inzwischen aufgewacht war und, immer noch in die Decke gehüllt, einfach da saß und auf den laufenden Fernseher starrte. Er linste zu mir rüber und lächelte leicht. „Hübsch siehst du aus“, kommentierte er mein ungewöhnliches Auftreten. Wobei er eigentlich keine Ahnung hatte, welches Auftreten für mich nun ungewöhnlich war oder nicht, schließlich war er fast nie da gewesen. Ich lächelte und entschied mich das Kompliment einfach mal anzunehmen und nichts dazu zu sagen. Schweigend saßen mein Dad und ich nebeneinander und schauten uns ein Fernsehprogramm nach dem anderen an. Die Sendungen waren zum sterben langweilig, doch mein Vater lachte über jedes Wort, dass die Schauspieler sagten. Meine Mutter ließ sich nur in der Küche blicken, eifrig am Ausprobieren verschiedener Gerichte, fragte manchmal, ob einer von uns kosten könnte, ob Salz fehlte oder was sonst noch in so was rein kommt. Meistens schickte ich meinen Vater los, der dann grummelnd aufstand und sich leise beschwerte, dass er die Zweifel meiner Mutter anhören musste. Irgendwann, ich dachte die Zeit vergeht nie, klingelte es an der Tür und Mom wurde plötzlich aufgedreht, wie ein aufgescheuchtes Huhn. Ich verdrehte nur die Augen, als sie mich mit nervösen Schritten zur Haustür schob und schnell zurück in die Küche eilte. Nachdem sie um die Ecke geschaut und mir ein Handzeichen gegeben hatte, welches daraus bestand, dass sie mit Daumen und Zeigefinger einen Kreis bildete, war mir gewährt die Tür zu öffnen. Ich seufzte, wechselte meinen Gesichtsausdruck aber noch, bevor ich die Haustür ganz geöffnet hatte. Ein von Ohr zu Ohr grinsender Tai stand vor mir und hielt mir ein kleines Gänseblümchen entgegen. Ich kicherte. „Vielen Dank“, begrüßte ich ihn und schmunzelte leise. „Ach, nicht der Rede wert“, winkte er ab. „Wenn du dich schon so schick machst, muss ich ja auch meinen Teil dazugeben.“ Er zwinkerte und Blut krabbelte mühsam meinen Hals zu den Wangen hinauf. „Schleimer“, schmunzelte ich und wies ihn mit der Hand auf hineinzukommen. Er trat ein, schälte sich aus der dicken Winterjacke und dem Schal, schlüpfte aus den Schuhen und ging, mit mir im Schlepptau, den Gang entlang, bis er im Wohnzimmer stand. Dad saß schon wieder in die Decke gewickelt auf dem Sofa. Ich lachte leise. „Guten Tag, Mr…“, Tai stutzte. Huch. Hatte ich also vergessen meinen Nachnamen zu nennen? So was Dummes. „Matsuba“, flüsterte ich ihm zu und schmunzelte. „…Matsuba“, beendete Tai seine Begrüßung und ich kicherte erneut. Verdammt, was war nur los mit mir? Ich benahm mich ja schon wie meine Mutter. Mein Vater stand umständlich auf und packte rasch die Decke zur Seite. Mit gestrafften Schultern und erhobenem Kinn kam er nun auf Tai zu und streckte ihm die Hand entgegen. „Guten Abend, Taichi“, sagte er und versuchte wohl dabei streng und gebieterisch zu klingen. Ich schmunzelte. Dad warf mir daraufhin einen bösen Blick zu und ich hob abwehrend die Hände in die Luft. „Oh, Sie sind schon da. Wie peinlich, das hab ich gar nicht mitbekommen.“ Ich drehte mich zu meiner Mutter um, die hinter den Küchenecken her geeilt kam, die Hände an der bunten Schürze abwischte und Tai ebenfalls die Hand schüttelte. Der braunhaarige Junge lächelte meine Mutter an, warf dann aber kurz einen verwirrten Blick auf mich. Entschuldigend erwiderte ich den Blick und drückte kurz seinen Arm. „Haben Sie schon gegessen, Taichi?“, fragte Mom, schon auf dem Weg, um das Essen auf den Tisch zu stellen. „N-Nein“, antwortete Tai und schüttelte leicht den Kopf. Er beugte sich etwas zu mir runter und murmelte: „Woher wissen deine Eltern, wie ich heiße?“ Ich schaute ihn schuldig lächelnd an. Er lachte nur und folgte der Aufforderung meines Vaters, sich doch hinzusetzen. Tai gesellte sich zu ihm und ich seufzte leise, während nun auch Mom ihren Platz am Tisch einnahm und allen etwas von den Köstlichkeiten auf die Teller schaufelte. Mein Vater nahm zuerst den Faden wieder auf. „Und, Taichi“, begann er und starrte ihn dabei misstrauisch an. „Kennst du meine Tochter schon lange?“ Ich stöhnte leise und genervt auf. Nein! schrie alles in mir. Hört mir doch einmal im Leben zu! „Ehm.“ Die Frage schien Tai auch zu verwirren und er schaute mich kurz verständnislos an, wandte den Blick aber schnell wieder Dad zu. „Nein, noch nicht lange. Erst seit zwei Tagen, Sir.“ „So, so“, erwiderte mein Vater, nicht weniger misstrauisch, als zuvor. Mom warf mir ein Augenrollen zu und ich nickte mit einstimmend. Dieser alte Mann übertrieb es um alle Maßen. „Und dann hast du sie gleich zu einem Kaffee eingeladen?“, bohrte Dad weiter nach. Wäre Tai nun tatsächlich mein Freund gewesen, wäre es mir nicht so unangenehm, wie es mir gerade war. Ich hatte kochend heiße Wangen und verdeckte mein Gesicht mit einer Hand, so dass Dad mich nicht sehen konnte. „Ja, es war kalt draußen…Sir“, erklärte Tai seine nette Einladung von vor zwei Tagen. „Keine weiteren Fragen“, flüsterte Dad zu Mom und ich hätte beinahe angefangen zu lachen, wenn mir das alles nicht so verdammt peinlich gewesen wäre. Meine Mutter lächelte Tai freundlich an und fragte: „Wie alt sind Sie, Taichi?“ „17 Jahre, Ma’ am“ erwiderte er und seine Wangen wurden zartrosa. „Tatsächlich?“, murmelte ich und schaute überrascht auf meinen Teller, um den verwirrten Blicken meiner Eltern auszuweichen. Mom klatschte begeistert in ihre Hände. „Ich hab mir schon immer gewünscht, dass meine Tochter einen älteren Freund bekommt“, rief sie mit strahlenden Augen. Ich kniff meine Augen zusammen und verdeckte sie mit den Händen. Mein Gesicht wurde unangenehm heiß und ich spürte, wie Tai auf seinem Stuhl hin und her rückte. „Wir sind nicht zusammen“, erklärte ich meiner Mutter ein weiteres Mal, ohne die Hände vom Gesicht zu nehmen. „Kannst du das bestätigen, Taichi?“, fragte Dad und kratzte seine ganze Autorität in seine Stimme, die tief und grollend wurde. „Ja, Sir“, erwiderte Tai. Er hätte nur noch salutieren müssen, dann wäre das Bild perfekt gewesen. Ich wagte es meine Augen zu öffnen und Tai von der Seite her anzusehen. Er erwiderte meinen Blick mit seltsam amüsiertem Ausdruck in den Augen und grinste mich breit an. Ohne es verhindern zu können, lächelte ich. Mein Vater räusperte sich und ich entfernte meine Ellbogen vom Tisch und straffte wieder den Rücken, um ihm gerade gegenüber zu sitzen. Den Rest des Abendessens versuchten meine Eltern belanglose Konversationen zu führen und die ganze Zeit hindurch spürte ich das schnelle auf- und abwippen von Tai’ s Bein. Er schaute öfter zu mir hinüber, so als ob er mir etwas sagen wollte, es aber nicht konnte, solange wir noch mit meinen Eltern hier saßen. Als ich merkte, dass er fertig war, bedankten wir uns und gingen, von Mom’ s und Dad’ s argwöhnischen Blicken gefolgt, in mein Zimmer, wo er sich auf mein Bett setzte, dass in der Mitte des Raumes stand. Ich ging erstmal zum Tisch und schaute nach, ob etwas Neues auf dem Digi-Vice zu sehen war, doch es hatte sich nichts verändert, also gesellte ich mich zu Tai und wir lehnten uns mit den Rücken gegen die vielen Kissen, die am Kopfende lagen. Tai seufzte. „Da hast du mich ja in was rein gezogen“, schmunzelte er und hob spielerisch eine Augenbraue. „Verzeih mir.“ Ich verdrehte grinsend die Augen. „Meine Eltern haben von einer alten verrückten Dame erfahren, dass ihre Tochter mit einem Jungen im Café war, und sie mussten ihn natürlich sofort kennen lernen.“ Ich seufzte genervt. Tai lachte. „Und dann dachten sie, dass dieser äußerst charmante Junge nur dein Freund sein kann.“ „Oh ja“, stimmte ich ihm mit ironischem Unterton zu. „Wie Recht du hast.“ Ein weiteres, warmes Lachen von Tai. Ich spürte wieder Wärme in meinem Gesicht. Er und ich lagen in einem Bett. Im gleichen Bett, nebeneinander. Nichts Besonderes eigentlich, doch das ging irgendwie alles so schnell für mich. Vor einigen Tagen hatte ich nicht ein Wort mit jemandem, geschweige denn einem Jungen gewechselt und nun lag ich schon mit einem in meinem Bett! Wenn, dann aber auch richtig. Tai verschränkte die Arme hinter seinem Kopf und da mein Bett nicht ganz so breit war, lag sein Arm irgendwie an meinem Kopf, was mir aber nicht viel ausmachte. „Koushiro hat noch einmal mit Tentomon geredet“, sprach er nun endlich. Das war es wohl auch, was er schon die ganze Zeit erzählen wollte, aber ja nicht konnte, solange meine Eltern anwesend waren. Ich drehte meinen Kopf so, dass ich ihn ansah. „Und?“, fragte ich. Tai schien aus einer Art Trance zu erwachen und erwiderte meinen Blick verdutzt. „Und was?“, sagt er dümmlich. Ich verdrehte die Augen. „Was hat Tentomon darüber gesagt, dass wir in die Digiwelt gehen können? Ich bin schon ganz gespannt auf mein Digimon.“ Der braunhaarige Junge, der neben mir lag, grinste. „Wir könnten theoretisch schon bald dorthin, aber…“ „Aber?“, wiederholte ich schon etwas enttäuscht, doch nicht zu meinem ganz eigenen Digimon zu können. „Aber es gibt nicht mehr in jedem Gebiet der Digiwelt so einen Fernseher, mit dem wir zwischen den Welten hin und her wechseln können“, endete Tai. „Und das heißt?“ „Das heißt, dass wir länger als nur einige Stunden in der Digiwelt bleiben müssten, weil die Fernseher viele Kilometer auseinander liegen. Wir bräuchten vielleicht Tage, um von einem zum anderen zu kommen.“ Ich runzelte die Stirn. „Könnten wir nicht einfach durch den gleichen wieder zurückgehen?“ Überrascht weiteten sich Tai’ s Augen. Dann strahlte er mich überglücklich an. „Du bist genial!“, rief er und ich schmunzelte. Entweder war ich hochintelligent oder Tai war einfach strohdoof. Das er alles so umständlich machen musste, obwohl es doch sehr viel einfacher ging. Ich weiß nicht, wie lange wir diesen Abend noch dort auf meinem Bett lagen und redeten. Er erzählte mir einige interessante Geschichten aus seiner Kindheit. Es war so schön. Tai war der erste Mensch zu dem ich mir nichts zusammen reimen musste, sondern der mir freiwillig seine Geschichte vor die Nase legte und mir daraus vorlas. Ich musste eingestehen, dass diese Art, die Lebensgeschichten und Gesten eines Menschen zu erfahren, war mir tausend Mal lieber, als das einsame Rumlaufen in der kalten, eisigen Stadt. Besonders in dieser Jahreszeit, wo es nun mal…na ja…kalt und eisig war. Und das nächste, was ich mitbekam, war ein heller Strahl, der durch meine geschlossenen Augenlider drang. Langsam erwachte mein ganzer Körper aus dem besten Schlaf, den ich wohl jemals hatte, und ich spürte, dass etwas auf meinem Arm ruhte und sich hinter meinem Rücken etwas regte. Im ersten Moment blieb mir das Herz stehen, als ich meine Mutter kichernd und mit rosigen Wangen mein Zimmer verlassen sah und ich erinnerte mich, wer gestern Abend bei uns zu Besuch gewesen war und wer sich eigentlich in seinem Bett befinden sollte, stattdessen jedoch in meinem lag. Heiß krabbelte das Blut in meine Wangen und entfernte Tai’ s Arm behutsam von meinem, darauf bedacht, ihn nicht zu wecken. Wir hatten uns irgendwann wohl auf die Seiten gedreht und er war an mich herangerückt oder so etwas, denn mir wurde peinlich berührt bewusst, in was für einer Position wir uns bis gerade noch befunden hatten. Und das hatte meine Mutter gesehen! Na, ganz toll. Ich schnappte mir einige Sachen zum Anziehen und verschwand damit im Badezimmer, um mich zu duschen, doch auch das heiße Wasser trug nicht dazu bei, dass die Wärme in meinem Gesicht von nichts anderen herkam, denn als ich, mit nassen Haaren und frischen Klamotten, aus dem Badezimmer kam, spürte ich immer noch, dass ich unangenehm rot war. Und zu allem Überfluss saß Tai auch schon fröhlich kauend auf dem gleichen Stuhl, auf dem er gestern Abend gesessen hatte, und grinste mich breit an. Ich lächelte verlegen und murmelte eine stille Begrüßung, bevor ich mich zu ihm setzte und das Frühstück, das Mom anscheinend vorbereitet hatte, verspeiste. Tai und ich entschieden uns dafür zu Koushiro rüber zu gehen und zu sehen, ob er noch etwas herausgefunden hatte. Wir verabschiedeten uns von meinen argwöhnisch dreinblickenden Vater und meiner ununterbrochen kichernden Mutter und liefen schnellen Schrittes die Treppen zum Erdgeschoss hinunter. Als wir in die eisige Luft kamen, lief mir ein Schauer über den Rücken. Ich hasste, wenn es einfach nur kalt war, ohne eine Spur von Schnee. „Deine Eltern wussten aber nicht, dass du woanders schläfst, oder?“, fragte ich und runzelte die Stirn. Tai lachte leise. „Nicht wirklich“, erwiderte er. „Ich selber wusste ja noch nicht einmal etwas davon.“ Ich lächelte in meinen Schal hinein und wir betraten den Wohnblock, in dem Koushiro wohnte. Ungeduldig hämmerte Tai gegen die Tür und rief die ganze Zeit nach seinem schlauen Freund. Und was, wenn er damit Koushiro’ s Eltern aufweckte? Schien ihm egal zu sein. Und die ganzen Nachbarn? Auch das war ein weniger wichtiges Problem in Tai’ s Augen, wie es schien. Bevor er zum hundertsten Mal an die Tür schlagen konnte, wurde sie geöffnet und ein Junge mit verschlafenem Blick und rotbraunen Haaren starrte uns entgegen. „Guten Morgen, Koushiro!“, begrüßte Tai ihn enthusiastisch und hüpfte beinahe in die Wohnung hinein und steuerte direkt auf das Zimmer des Genies zu. „Guten Morgen“, sagte ich, lächelte und folgte Tai etwas langsamer. Koushiro hatte zu unseren Begrüßungen nur genickt und ging mir, eher schlafend als wachend, hinterher und schloss die Zimmertür hinter sich. „Leute“, murmelte er und rieb sich verschlafen die Augen. „Habt ihr mal auf die Uhr geguckt?“ Tai schüttelte strahlend den Kopf. „Ist doch auch egal“, sagte er breit grinsend. „Unsere Moe hier hat nämlich etwas Geniales herausgefunden.“ Koushiro musterte mich mit gerunzelter Stirn und setzte sich langsam auf den Drehstuhl vor seinem Schreibtisch. „Und das wäre?“, fragte er, seine Worte gefolgt von einem Gähnen. „Dass wir durch den gleichen Fernseher wieder in unsere Welt können und nicht kilometerweit laufen müssen.“ Koushiro stöhnte leise auf und straffte den Rücken. „Idiot“, murmelte er und Tai schob schmollend die Unterlippe hervor. „Das wussten wir doch schon lange. Was denkst du, warum ich die anderen gestern noch angerufen habe und sie herbestellt habe?“ „Sie kommen?“, rief Tai freudestrahlend. „Alle auf einmal?“ Ich schaute die beiden Freunde abwechselnd an. „Nein“, erwiderte Koushiro und stützte sich mit dem Ellbogen auf dem Tisch ab. „Takeru, Hikari, Iori und Ken wollten erst später vorbeikommen. Und Daisuke hatte die tolle Idee, dass wir vorher ja schon mal testen könnten, ob wir auch wirklich alle noch reinkommen“, fügte er mit sarkastischem Unterton hinzu. Tai winkte ab. „Ach, gib’ s doch zu, Koushiro! Du bist nur zickig, weil du nicht auf so eine gute Idee gekommen bist.“ Ich grinste. Koushiro schnaubte auf. Kurze Zeit darauf knurrte sein Magen laut und er bereitete sich etwas zum Frühstück vor, dass war dann, als ich das erste Mal an diesem Morgen auf die Uhr schaute. Fast zehn Uhr. Ich seufzte und ließ mich der Länge nach auf Koushiro’ s Bett fallen, Tai’ s Anwesenheit schon nicht mehr bemerkend. Ich ging heute vielleicht in die Digiwelt. Zu meinem Digimon. Mein Gott, das hörte sich komplett verrückt an! Doch, ich wusste schließlich doch, dass es noch eine andere Welt neben der unseren gab. Ich hatte Recht gehabt. Erst als ich ein schon fast bekanntes Gewicht neben mir auf dem Bett sitzen spürte, erwachte ich aus meinem Halbschlaf und verdeckte die roten Wangen mit den Händen. Ich hatte wirklich allen Grund an die Digiwelt zu glauben, schließlich waren in den letzten Tagen so viele Dinge passiert, die wahrlich verrückt waren, ganz zu schweigen von dem kompletten gestrigen Abend. Jemand klopfte an die Tür. „Ich komme“, hörte ich Koushiro ziemlich genervt rufen. Dann war zu hören, wie er die Tür öffnete. Zeitgleich ertönte ein lautes: „Guten Morgen!“ Ich zuckte erschrocken zusammen, bei den vielen Stimmen, die sich vor der Tür zu befinden schienen und ich spürte, wie das Bett leicht von Tai’ s Lachen bebte. Das Tapsen vieler Schritte auf dem Holzfußboden ließ daraus schließen, dass sich die riesige Gruppe direkt auf Koushiro’ s Zimmer zu bewegte. Ich erhob mich schon mal, um den vielen Menschen wenigstens nicht unvorbereitet gegenüber zu treten. Und schon wurde die Tür aufgerissen und ein breit grinsender Junge stand in der Tür, mit einer Fliegerbrille um den Hals. Hinter ihm stand ein Mädchen mit lavendelfarbenem Haar und einer Brille und das Mädchen redete die ganze Zeit auf jemanden neben sich ein, die ich auch schon kannte. Mimi, das Mädchen, das so großes Gefallen an Koushiro aufwies. „Yo, Daisuke!“, begrüßte Tai den erstarrten Jungen und hob die Hand zum Gruß. Daisuke, oder wie er auch hieß, starrte mich mit steinernen Gesichtszügen an und das Mädchen hinter ihm, das mit Mimi geredet hatte, schaute ihm neugierig über die Schulter. Ich kam mir vor, wie eine Attraktion in einem Zirkus. Oder wie das Steak in einem Löwengehege. Ich schauderte. Armes Stück Fleisch. „Das ist Moe“, stellte Tai mich vor und legte eine Hand auf meine Schulter. „Moe, das sind Daisuke und Miyako. Sagt Hallo zu Moe.“ Dieser Satz kam mir sehr bekannt vor. Ich lächelte leicht. Miyako kam Energie geladen auf mich zu und griff, mit unübersehbarem Glitzern in den Augen, nach meiner Hand. „Hallo Moe-san“, sagte sie mit einem bewundernden Unterton, den ich nun wirklich nicht verstand. „H-Hallo“, erwiderte ich leise und hörte schon wieder Tai’ s kindisches Kichern, welches mich ein wenig…nun ja… wurmte . „Freut mich euch kennen zu lernen.“ „Oh!“, rief Miyako erfreut und drückte meine Hand dabei noch etwas fester. „Die Freude ist ganz meinerseits, Moe-san!“ Ich lächelte leicht und wandte zu der Stelle, an der bis vor einer Sekunde noch Daisuke stand, wie ich es jedenfalls gedacht hatte, aber der plötzlich verschwunden war. Meine Hand immer noch zwischen Miyako’ s Drehte ich mich etwas um, um zum Bett zu sehen, wo Tai saß und, oh Wunder, Daisuke direkt neben ihm. Er schaute mich durch die Wimpern her an, mit einem recht misstrauischen Ausdruck und ich fragte mich innerlich, womit ich dieses Misstrauen nur verdient hatte. „Was macht die denn hier?“, fragte er Tai mit einem seltsam beleidigten Unterton. Bevor Tai jedoch antworten konnte, kam Miyako ihm in die Quere. „Daisuke, wie kannst du nur?“, fuhr sie ihn an, ließ meine Hand los und platzierte sie stattdessen an Daisuke’ s Hemdkragen. „Entschuldige dich sofort bei Moe-san! Das war überhaupt nicht nett von dir!“ Sie rüttelte heftig an ihm und es sah für eine kleine Schreckenssekunde so aus, als würde ihm der Kopf von den Schultern rollen, doch, Gott sei Dank, saß er stabil auf seinem Hals. „Obwohl…“ Miyako ließ Daisuke so abrupt los, dass er hintenüber auf das Bett fiel und einmal genervt aufstöhnte. Das Mädchen drehte sich um, rückte ihre Brille zurecht und kam mir unangenehm na mit ihren eindringlichen Augen. „Wieso bist du denn nun hier? Ich dachte nur wir kommen?“, flüsterte sie und machte mir damit ein klein wenig Angst. Ich spürte wie mir ein Schauer über den Rücken lief und hob abwehrend die Hände. Plötzlich fasste mich jemand an den Schultern und Ich wandte überrascht den Kopf um, damit ich meiner rettenden Person ins Antlitz sehen konnte. Mimi, meine Heldin! Lieb lächelnd stand sie hinter mir und sah mich an. „Koushiro hat mir alles erzählt“, informierte sie mich und wechselte ihren Blick kurz von mir zu Miyako, dann zu Tai und wieder zu mir. „Ich freu mich so.“ Ich spürte, wie meine Wangen warm wurden und lächelte dankbar. Sie war nicht nur meine Heldin, sondern auch besonders nett zu mir! Ich denke, es war dieser Moment, in dem ich Mimi richtig zu mögen begann. Sie war einfach so ein Mensch, gegen den man einfach nichts haben konnte. Und in einigen Fällen war es sogar mehr als bloße Sympathie. Ich schaute kurz zu Koushiro, der versuchte alle neu angekommenen Gäste in sein kleines Zimmer zu zwängen. Mein Blick fiel auf Sora, die, mit Matt an der Hand, in den Raum geschubst wurde und etwas unschlüssig da stand. Mimi folgte meinem Blick und eilte, mit einem erfreuten Quietschen und leuchtenden Augen, auf das Mädchen mit den orangenen Haaren zu. Oh Gott, waren das viele Menschen. Die meisten von ihnen kannte ich jedoch. Abgesehen von einem. Einem großen Jungen, der älter war, als alle anderen in diesem Raum und der dunkelblaue Haare hatte. Tai stellte ihn mir als Joe Kido vor, der schon Medizin studierte. Bewundernd sah ich ihn an und schüttelte seine Hand. „Okay“, rief Koushiro über die Menge und setzte sich an seinen Schreibtisch, wo sich der Computer befand. „Hat jeder, was er braucht?“ Etwas erschrocken sah ich ihn an, die anderen nickten alle. Na ja, fast alle. Tai schien genauso ratlos zu sein, wie ich es war. „Daisuke oder Miyako. Öffnet einer von euch das Tor?“, fragte Koushiro, stand von seinem Stuhl auf und rollte ihn zu Seite. Ich warf Tai einen fragenden Blick zu. Er hielt sein Digi-Vice in die Höhe und wies mich mit dem Kopf auf, es auch heraus zunehmen. Gehorsam langte ich in meine Tasche und holte den kleinen Tamagochi hervor. Voller Energie hüpfte Miyako zum Bildschirm und streckte ihm ein seltsames Ding entgegen, was wohl auch ein Digi-Vice darstellen sollte. „Tor zur Digiwelt“, rief sie laut und deutlich. „Öffne dich!“ Und plötzlich…wow, ich kann gar nicht beschreiben, wie unfassbar überrascht ich war, als das Mädchen mit den lavendelfarbenen Haaren von dem Bildschirm eingesaugt wurde und ihn ihm verschwand. Die anderen Jugendlich taten es ihr gleich und ich beobachtete jeden mit weit geöffneten Augen, der im Strom des seltsamen Bildschirmes verschwand. Tai, Sora und ich schienen nun die letzten zu sein und Sora lächelte mich aufmunternd an. Ich versuchte ihr Lächeln zu erwidern, doch was daraus kam, war ein seltsames verziehen der Gesichtsmuskel. Freundlich, wie Sora war, packte sie mich an den Schultern und hob meinen Arm für mich, so dass das Digi-Vice, wie bei allen zuvor, dem Computerbildschirm zugewandt war. Erschrocken versuchte ich einzuatmen, als ich in einen verwirrenden Strom gesogen wurde, der voller bunter Farben sprühte. Während ich mich in diesem starken Strom befand war meine Lunge wie zugeschnürt. Und im nächsten Moment kniete ich auf warmen Sand. Ich kam mir über den Haufen gerannt vor. Sollte das jetzt tatsächlich deren Ernst sein? War das nur ein Traum? Fassungslos griff ich in den Sand zu meinen Füßen und hielt eine handvoll fest verschlossen. Fühlte sich recht echt an. Doch Träume konnten auch sehr real sein, nicht wahr? „Moe! Moe!“ Ich hob den Kopf. Diese Stimme…ich hatte sie noch nie gehört, ganz sicher nicht. Doch…sie kam mir sehr bekannt vor. Konnte es sein…? War das kleine Ding, das auf mich zu hüpfte tatsächlich…? Ein winziges Ding, mit unförmigem Körper, zwei kleinen Ohren und einem Horn auf dem Kopf, kam auf mich zu gehüpft. Ich blinzelte. Einmal, zweimal, dreimal… War das…ganz ehrlich…? War das wirklich…? Das kleine Digimon sprang an meine Brust und, damit es nicht herunterfiel, fing ich es mit den Händen auf. Total überrumpelt sah ich in die großen Augen des kleinen Wesens, das mich anstrahlte wie ein Honigkuchenpferd. „Du bist da“, sagte es mit angenehmer Stimme und lächelte zu mir hoch. „Ich bin Gumimon. Freust du dich, mich zu sehen?“ Meine Kinnlade klappte runter. Es…es konnte reden! Wie Menschen auch. Das…das war alles so…so…überhaupt nicht real… Einfach…unmöglich… „Moe?“, fragte das winzige Digimon mit gerunzelter Stirn. Ich hob es auf die Hände und hielt es mir auf Augenhöhe. Leicht irritiert hob Gumimon eine der unsichtbaren Augenbrauen. „Du…“, stotterte ich und meine Wangen wurden zunehmend wärmer. „Du…“ „Ja, ich?“, erwiderte Gumimon und sah mich besorgt an. Meine Mundwinkel hoben sich aus einem eigenartigen Reflex und ich drückte das Wesen sachte an meine Wange. „Du bist so süß!“, rief ich unachtsam aus und nahm Gumimon nun ganz in meine Arme, wo es dann anfing zu kichern. „Du scheinst die Reise wohl überlebt zu haben“, hörte ich jemanden sagen und spürte dann einen sanften Druck auf meinem Kopf. Verwirrt blickte ich auf und sah in Tai’ s Wow- Augen. Er grinste mich breit an, ein orangenen, erstaunlich kleinen Dino an seiner Seite. Er reichte Tai gerade mal bis zur Schulter. Ich legte meinen Kopf schief und musterte es. Das schien dann wohl Tai’ s Digimon zu sein. „Hallo“, sagte es und lachte. „Ich bin Agumon.“ „Hi…Agumon“, begrüßte ich ihn und blinzelte erneut einige Male. Das wurde von Sekunde zu Sekunde verrückter. Ich schaute mich um. Alle standen sie dort, mit einem Digimon, das Wort war immer noch seltsam für mich, und freuten sich über das Wiedersehen. Tai streckte mir grinsend seine Hand entgegen. Fragend schaute ich ihn an. „Na, komm, Prinzessin“, sagte er und strahlte noch etwas mehr. „Ich helfe dir hoch.“ Ich wurde, zu allem Überfluss, noch einen Ticken röter und griff dankend seine Hand. Noch bevor ich gänzlich auf den Beinen stand, war ein lauter Knall zu hören und ich sah nur noch helles, weißes Licht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)