Charlie und die Schokoladenfabrik von Caro-kun ================================================================================ Kapitel 1: Manchmal tröstet eine Umarmung mehr als 1000 Worte ------------------------------------------------------------- Drei Monate war es nun her, dass Charlie mit seiner Familie in Wonkas Fabrik gezogen war. Als das Licht in dem Raum anging sprang der Junge aus dem Bett. Er kletterte die Leiter hinunter, die sein Zimmer mit der Wohnstube verband. Der Gute-Morgen-Gruß allerdings, blieb ihm im Hals stecken: Sein Vater saß am Tisch, Tränen flossen ihm aus den rotgeweinten Augen, während Mrs. Bucket von hinten die Arme um ihn gelegt und den Kopf auf seine Schulter gestützt hatte. Großvater Georg saß zusammengesunken und still vor sich hinstarrend auf der Bettkante. Er sah um Jahre älter aus. „Was ist passiert?“, fragte Charlie leise, obwohl er es eigentlich gar nicht wissen wollte. Die Traurigkeit hatte sich in dem sonst so warmen Haus ausgebreitet wie kalter Nebel. „Großmutter Georgina …“, begann Grandpa Joseph mit brüchiger Stimme, „… sie ist tot!“ Ruckartig glitt Charlies Blick zu der alten Frau: Sie lag in ihrem Bett, die Augen geschlossen, sanft lächelnd, so als könnte sie jeden Moment wieder aufwachen. „Ich weiß es ist schwer, Schatz!“, seine Mutter kam auf ihn zu, „Und ich weiß, dass das jetzt nur ein kleiner Trost ist, aber … Großmutter Georgina ist ganz friedlich im Schlaf gestorben. Sie musste nicht leiden!“ Er fühlte sich völlig leer: Er konnte nicht denken auch nicht weinen. Ließ es zu, gestreichelt und gedrückt zu werden. Nach ein paar Minuten, löste er sich aus Mrs. Buckets Armen. „Wo willst du hin?“, fragte sein Vater, als Charlie die schiefe Tür öffnete. „Zu Mr. Wonka!“ *~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~* Die Umpa-Lumpas teilten ihm mit, dass sich ihr Meister gerade im Erfindungsraum aufhielt. Also setzte Charlie sich in das Boot und lies sich dorthin bringen. Doch diesmal machte ihm die Fahrt keinen Spaß. *~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~* „Charlie!“, rief Wonka erfreut aus. Mit fünf großen Schritten war er bei dem Kleinen, packte seine Hand und zog ihn weiter in den Raum hinein. Er war richtig aufgeregt, wie ein Kind, das kurz davor war seinen Eltern voller Stolz eine gute Note zu präsentieren. Bei einer der größten Maschinen angekommen, lies er die Hand los. „Ich hab das Kaugummi-Problem gelöst!“, verkündete der Mann strahlend und begann gleich darauf erklärend auf und ab zu laufen: „Also weißt du, ich bin heute mitten in der Nacht aufgewacht und da kam mir die Erleuchtung: … Wir lassen den Blaubeerkuchen einfach weg und nehmen stattdessen Mousse au Chocolat … et voilà …“, mit einer eleganten Armbewegung wies er auf einen neben sich stehenden, kaugummikauenden Umpa-Lumpa, „es funktioniert!“ Erst jetzt bemerkte er Charlies traurigen Blick. Sein Lächeln erstarb augenblicklich: „Hey … was hast du denn? Ist die Idee etwa so schlecht?“ „Nein!“, Charlie schüttelte den Kopf, „Sie ist toll, nur … Großmutter Georgina ist gestorben!“ Nun, da er die Worte selbst ausgesprochen hatte, begriff er. Als er die steile Sorgenfalte auf Willy Wonkas Stirn sah und das kaum hörbare „Oh … Tut mir Leid …“ an seine Ohren drang, wurde ihm mit voller Härte bewusst, dass Georgina weg war und dass sie nie wieder zurückkommen würde. Sie, die einem immer dann Mut gemacht hatte, wenn einem selbst alles hoffnungslos erschienen war. Wonka, der sehr wohl merkte, wie der Kleine gegen die Tränen kämpfte, suchte fieberhaft nach den richtigen Worten. Doch da war nichts. Rein gar nichts! Sein Kopf war völlig leer, … bis auf … „Wir beerdigen sie, ja?“, sagte er schnell, „Die Umpa-Lumpas sollen ein Loch graben. Bei eurem Haus. Das wird schnell gehen. Ich bin sicher, wir können sie in einer Stunde schon …“, er stockte, konnte den passenden Ausdruck nicht finden, „ … da … reinlegen. Und dann füllen wir es mit flüssiger Schokolade wieder auf, ok?“ „Ja!“, Charlie schaffte es schon wieder ein bisschen zu lächeln, „Ja, das machen wir!“ „Sehr schön! Sehr schön!“, Willy Wonka legte ihm die Hände auf die Schultern und drückte ihn sanft, aber bestimmt zum Ausgang, „Du kannst das alles getrost mir überlassen. ICH werde mich darum kümmern. Geh jetzt nach Hause zu deiner Familie. Sie braucht dich dringender!“ Mit einem dumpfen Knall schloss sich die riesige Tür hinter dem Jungen. Der Chocolatier seufzte, drehte sich allerdings gleich darauf auf dem Absatz um, und zuckte erschrocken zurück: Vor ihm stand ein ganzes Heer aus Umpa-Lumpas. Sie hatten allesamt die Arme vor der Brust verschränkt und tappten ungeduldig mit dem rechten Fuß auf den Boden. Hin und wieder durchbrach ein vorwurfsvolles Hüsteln die angespannte Stille. „Was?“, fragte er irritiert. Im selben Moment wurde ihm klar, worauf seine kleinen Freunde hinauswollten. „Ach Leute!“, gequält verzog Willy Wonka das Gesicht, „Was soll man in so einer Situation denn schon groß sagen? Soll ich ihn etwa mit Mitleid überschütten? Das … das macht doch alles nur noch schlimmer! Dadurch wird Großmutter Georgina auch nicht wieder lebendig!“ Die Umpa-Lumpas schüttelten tadelnd die Köpfe. Sie stellen sich paarweise einander gegenüber auf und umarmten sich. „Nein, das geht nicht!“, fast fluchtartig drehte Wonka sich von ihnen weg, „Er ist mein Schüler. Wir sind Kollegen. Ich kann ihn doch nicht so mal eben in den … Ich kann sowas nicht!“, brach er verzweifelt ab. Nach einer kurzen Pause, wandte er seinen Blick doch wieder auf die kleinen Menschen, „Meint ihr, ihm würde das gut tun?“ Das darauffolgende Nicken war eindeutig. „Okay!“, meinte Willy Wonka, nicht grade sehr zuversichtlich, „Ich werd’s versuchen!“ Eine Weile blickte er nachdenklich in die Ferne, dann hellte sich sein Gesicht plötzlich auf: „Hey, … mir ist grad eingefallen, wie wir ihn vielleicht noch etwas aufmuntern könnten! Hört zu: Ihr fangt mit dem ausheben des Grabes an. Macht es richtig schön groß. Die gewonnene Schokolade werdet ihr einschmelzen … und ich werde mich jetzt gleich an die Arbeit machen, es bleibt uns nicht mehr viel Zeit!“ Mit wehenden Rockschößen hastete er auf den Fahrstuhl zu. Die Umpa-Lumpas machten sich auf den Weg in die andere Richtung, allerdings ließen sie das Geräusch eines dumpfen Aufpralls und ein unterdrückter Schmerzenslaut kurz innehalten. Sie vergewisserten sich, dass ihrem Meister nichts passiert war und nickten einander dann zu. Jetzt war es beschlossene Sache: Sie würden einen Bewegungsmelder in die Fahrstuhltür einbauen und zwar möglichst noch bevor Willy Wonka sich das Nasenbein brach. *~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~* Charlies Familie war mit der Idee einverstanden, Großmutter Georgina in einem Schokoladengrab zu beerdigen. Ganz untätig wollten sie in der Sache allerdings auch nicht sein, deswegen zimmerten sie einen einfachen Holzsarg zusammen und legten den Leichnam, den sie in ein Bettlaken gewickelt hatten, dort hinein. *~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~* Nach einer Stunde war das Grab tatsächlich fertig. „Warten wir noch auf Mr. Wonka!“, beschloss Großvater Joseph. „Da kommt er schon!“, rief Charlie aus. Was er als nächstes sah, überraschte ihn dann aber doch etwas: Willy Wonka, diesmal in ein schwarzes Samtjacket gekleidet, kam auf sie zu und ihm folgten 20 Umpa-Lumpas, die auf ihren Schultern ein großes, viereckiges Etwas trugen, welches von einem weißen Tuch verhüllt wurde. „Was ist das?“, fragte Charlie, nachdem es vorsichtig auf dem Boden abgestellt worden war. „Wieso schaust du nicht einfach nach?“, kam die Gegenfrage, gepaart mit einem geheimnisvollen Lächeln. Das ließ sich der Junge nicht zweimal sagen. Sofort lagen seine Hände an dem Stoff und zogen daran. Zum Vorschein kam ein Sarg: Ganz bestehend aus heller Schokolade. Etwas dunkler war das Kreuz auf dem Deckel und auf dieses Kreuz war nochmal ein Kreuz gemalt, mit Goldfarbe. Um die Seitenwände liefen je drei Bitterschokolade-Rosenbordüren und an den Ecken befanden sich kleine Blumensträuße, ebenfalls aus dunkler Schokolade. (Sollte diese Beschreibung jetzt zu kompliziert sein, denkt euch einfach irgendwas anderes Schönes aus) Charlies Augen strahlten, die anderen waren vor Verblüffung erst mal sprachlos. Wonka verschränkte die Arme: „Ihr hattet doch wohl nicht etwa ernsthaft vor, Georgina in dieser geschmacklosen Holzkiste zu beerdigen!“, der missbilligende Unterton in seiner Stimme war nicht zu überhören. Mr. und Mrs. Bucket sahen sich ertappt an. „Und?“, der Chocolatier wandte sich unsicher an Großvater Georg, „Ist er ihrer würdig?“ Der alte Mann räusperte sich: „Ja! … Sogar mehr als das!“ „Gott sei Dank!“, Willy Wonka legte sich erleichtert die Hand auf das Herz und ging kurz ein wenig in die Knie, „Das war nämlich Rekordarbeit, wisst ihr? Ich hab noch nie ein solches Kunstwerk in so kurzer Zeit angefertigt!“ „Er ist wirklich wunderschön!“, bestätigte Charlie, „Danke!“ Wonka lächelte: „Hab ich gern gemacht!“ Während die Umpa-Lumpas den Sarg mit Großmutter Georginas Leichnam, mithilfe von Seilen in das Grab hinab senkten, wanderte Wonkas Blick immer wieder zu Charlie. Der Junge hatte seinen kleinen Arm um die Taille seiner Mutter gelegt, hielt sich an ihr fest. Nein, jetzt würde er ihn nicht umarmen, entschied Willy Wonka. Erst später. Wenn sie alleine waren! //Aber wie? Ich kann doch nicht einfach so, ohne Vorwarnung die Arme um ihn legen. Was, wenn er das nicht mag? Soll ich ihn fragen? … Genau! Ich werde ihn ganz einfach fragen. Grandiose Idee! … Aber noch nicht jetzt.\\ Die Umpa-Lumpas gingen nun mit Eimern zum Fluss, schöpften aus diesem die heiße Schokolade und schütteten das Loch wieder zu. Sicher, mit den Rohren wäre es schneller gegangen, aber immerhin war das hier eine Beerdigung, bei der nicht alles so schnell und herzlos erledigt werden sollte. „Könntet ihr mich etwas allein lassen?“, bat Charlie vorsichtig. „Natürlich!“, sagte sein Vater. Sie zogen sich in das Haus zurück und auch Wonka ging auf den Ausgang zu, allerdings warf er noch einen letzten Blick zurück zu dem Kleinen, der still auf die flüssige Schokolade starrte, unter der seine Großmutter begraben lag. Charlie sah sich suchend im Raum um, bis er etwas Passendes gefunden hatte. Er brach zwei der weiß-rosa Zuckerstangen ab, eine große und eine kleine, lutschte etwas an ihnen herum und klebte sie dann zu einem Kreuz zusammen. Das bohrte er dann vor dem Grab in den Boden. Danach setzte er sich im Schneidersitz auf das weiche Gras und sah der Schokolade weiterhin beim Festwerden zu. Plötzlich legte sich ein Schatten über ihn. Wie der Blitz sprang Charlie auf die Füße, atmete aber gleich darauf schon wieder erleichtert aus: Es war nur Willy Wonka. „Tut mir Leid!“, entschuldigte sich dieser, „Ich wollte dich nicht erschrecken!“ Nach fünf Minuten, in denen keiner etwas sagte, ging er in die Hocke und tippte mit dem Zeigefinger kurz auf die Schokolade. Nickte zufrieden und richtete sich dann wieder zu seiner vollen Größe auf. „Ich denke, wir können das Zuckergras morgen schon wieder drauf pflanzen!“, nuschelte er, sich die süße Schokolade von der Fingerkuppe leckend. „Ist gut. Ich helfe Ihnen!“, meinte Charlie. Wonka sagte nichts. Trat nur unruhig von einem Bein aufs andere und betet, der Junge möge von seiner Nervosität nichts mitkriegen – schließlich waren Kinder viel feinfühliger, als die großen Leute. //Was ist los mit mir? Es ist doch nur die Frage: ´Darf ich dich mal in den Arm nehmen? ` Solche Probleme hab ich doch normalerweise nur bei dem Wort `Eltern`! Der Moment ist doch gerade so günstig. Ich kann es auch nicht einfach sein lassen, sonst plagen mich die Umpa-Lumpas … und mein schlechtes Gewissen! Okay, ich zähl‘ jetzt bis drei, und dann … 1 … 2 … 3 …\\ „Mr. Wonka? Wollen Sie … denn nicht auch mal umarmt werden? Wenn Sie möchten, mach ich das gerne, ehrlich!“ Langsam, mit ungläubigen Augen, senkte Willy Wonka den Kopf, um auf den Kleinen herabzublicken und klappte den Mund wieder zu, den er eben zum Luftholen geöffnet hatte. „Was?“, hauchte er, völlig überrumpelt, „Du? … M-mich?“ „Ja! … Wir hätten Sie bei der Beerdigung nicht so ausgrenzen dürfen, denke ich. … Sie haben Großmutter Georgina ja auch sehr gern gehabt, immerhin haben Sie extra den Sarg für sie gemacht“, während Charlie sprach, kniete Wonka sich vor ihn hin – so konnten sie sich bequem in die Augen schauen, „Ich hab gar nicht daran gedacht, wie Sie sich heute fühlen … Tut mir Leid! …Also, … möchten Sie?“ Wonka hob beide Augenbrauen, blickte ihn ernst an: „Ja, … doch, sogar sehr gern!“ Ohne zu zögern, fiel Charlie ihm um den Hals. Vorsichtig, fast so als wäre er aus Zucker, hielt Willy Wonka den zierlichen Körper fest und legte seine Wange auf die kleine Schulter. Ließ seinen Blick in weite Ferne schweifen. //Oh Mann!\\ *~* Ende *~* Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)