yaadein ya bhawishya...? von elfogadunk ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Sunder stand im Badezimmer. Auf dem Waschbecken aufgestützt, schaute er sich im Spiegel an. Gleich war es soweit. Gleich würde er zum ersten Mal das Gesicht seiner frisch angetrauten Ehefrau sehen. Er war ihr bisher nur dreimal begegnet: Als sein Vater und ihre Eltern ihre Heirat beschlossen hatten, auf der Verlobungsfeier und heute bei der Hochzeit. Doch da jedes Mal ein Schleier ihr Gesicht bedeckt hatte, wusste er noch immer nicht, wie sie aussah. Auch die Informationen, die er sonst über sie hatte, waren sehr spärlich. Nur ihren Namen und ihr Alter wusste er mit Sicherheit. Ansonsten schloss er aus dem ersten Treffen, dass sie anscheinend sehr schüchtern war, denn während ihre Eltern, sein Vater und er sich unterhalten hatten, saß sie nur schweigend neben ihrer Mutter. Er hatte sie mit der Hoffnung auf einen Blick auf ihr Gesicht beobachtet und ihm war aufgefallen, dass sie kein einziges Mal ihren Blick gehoben hatte. Das wunderte ihn, denn war sie denn gar nicht neugierig gewesen, wie ihr zukünftiger Ehemann aussah? Dieses Verhalten hatte sie auch bei der Verlobung und bei der Hochzeit an den Tag gelegt. Es machte Sunder nervös. Was war, wenn sie nun eine schüchterne, unansehnliche Langweilerin war? Damit hätte er wenig anfangen können, denn er war ein impulsiver Mensch, der ein gleich starkes Gegenstück brauchte. Sein Vater, der sie bereits gesehen hatte, versicherte ihm zwar, dass sie eine Schönheit war, doch ihr Verhalten irritierte ihn sehr. Er beschloss schließlich, mit dem Grübeln aufzuhören und einfach zu ihr zu gehen. Er öffnete die Badezimmertür und trat ins Schlafzimmer. Draußen war es bereits seit zwei Stunden dunkel, das Licht im Zimmer war leicht gedimmt. Seine Braut saß auf dem mit Girlanden und Blütenblättern geschmückten Bett und wartete auf ihn. Sunder atmete noch einmal tief durch, ging zu ihr und kniete sich hin. Sein Puls beschleunigte sich als er ihren Schleier lüftete. Als er schließlich ihr Gesicht das erste Mal sah, raubte ihr Anblick (1) ihm für einen kurzen Moment den Atem. Ihr gesenkter Blick, ihre hübsch geschwungenen, roséfarbenen Lippen, ihr zarter Teint... Sunder konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal eine solche Schönheit gesehen hatte. Und sie war nun seine Frau. Er musste sich zusammenreißen, damit er nicht anfing zu grinsen, denn er wusste, dass seine Freunde auf ihr Aussehen gewettet hatten. Er konnte es kaum noch erwarten, sie ihnen vorzuführen und ihre neidischen Blicke zu ernten. Er schüttelte kurz seinen Kopf, um sich von seinen Gedanken zu befreien, denn noch immer hatte sie ihren Blick gesenkt. Er atmete tief ein und wieder aus und legte dann seine Hand unter ihr Kinn, damit sie ihn ansah. Als ihre Blicke sich trafen, war er wie verzaubert. Sie sah ihn schüchtern mir ihren haselnussbraunen Augen (2) an, die perfekt von ihren Brauen umrahmt wurden. Er hätte in ihrem Blick versinken können. Der Gedanke, dass er sein Leben von nun an mit ihr verbringen würde, gefiel ihm. Und er kam nicht umhin, auch daran zu denken, dass er nicht nur sein Leben, sondern auch sein Bett mit ihr teilen würde. Doch auch diese Gedanken verdrängte er und sagte stattdessen: „Diese Situation ist für uns beide sicher nicht einfach. Wir beide kennen uns kaum und es wird sicher seine Zeit dauern bis wir miteinander zurechtkommen, doch ich bin sicher, wir schaffen das. Was sagst du dazu?“ Anstatt zu antworten, sah sie ihn einfach nur an. „Du musst dich zu nichts gedrängt fühlen. Wir lassen es ganz langsam angehen und schauen, wie es läuft, okay?“ Sie senkte erneut ihren Blick. Sunder seufzte innerlich, da er nicht wusste, wie er ihr Verhalten einordnen sollte, doch er wollte nicht aufgeben. Er stand auf, nahm sich ein Kissen vom Bett und meinte zu ihr: „Schlaf erstmal eine Nacht darüber. Der Tag war anstrengend und du solltest dich ausruhen. Ich werde im Wohnzimmer auf der Couch schlafen, damit du dich nicht bedrängt fühlst. Also falls etwas ist, weißt du, wo du mich findest.“ Als sie keine Reaktion zeigt, ging er zu Tür und sagte, bevor er das Zimmer verließ: „Gute Nacht, Radha.“ Sie hob ihren Kopf, als sie ihren Namen hörte, doch in dem Moment war die Tür auch schon geschlossen. Sunders Nacht war ziemlich kurz. Die Couch war so unbequem, dass er ohnehin wenig Schlaf bekommen hatte und er sich gegen sieben Uhr entschloss, aufzustehen. Als erstes wollte er sich ein wenig frisch machen, doch als ihm auffiel, dass er vergessen hatte, seine Sachen aus dem kleinen Bad, das man nur durch das Schlafzimmer erreichen konnte, in ihr anderes Badezimmer zu legen, lief er zum Schlafzimmer und klopfte vorsichtig an. Als sich nichts tat, öffnete er leise die Tür und schlich sich zum Badezimmer, um seine Sachen zu holen. Auf dem Rückweg fiel sein Blick auf Radha. Sie schien noch tief und fest zu schlafen. Sunder blieb einen Moment stehen, um sie zu beobachten. Sie lag auf dem Rücken, ihr Brustkorb hob und senkte sich gleichmäßig, ihre Augen waren geschlossen und ihr Mund leicht geöffnet. Er hätte ihr stundenlang zu sehen können, doch er riss sich zusammen und verließ das Zimmer leise wieder. Als er sich schließlich wusch und Zähne putzte, hoffte er, dass Radha und er sich möglichst bald zusammenfinden würden, denn allzu viele Nächte auf der Couch wollte er seinem Rücken nicht zumuten. Um seine verspannten Muskeln zu lockern, streckte er sich ein paar Mal, doch es half nicht viel. Dann setzte er Kaffee an, holte sich die Zeitung aus dem Briefkasten und setzte sich auf die Couch. Er hatte sich den Tag über frei genommen, damit Radha nach der Hochzeit nicht gleich alleine in der für sie neuen Wohnung sein würde und er ihr alles zeigen konnte. Ihm war bewusst, dass das alles nicht sehr einfach für sie sein würde, da sie nun von ihrer Familie getrennt in einer anderen Stadt leben musste. Auch wenn Meerut nicht allzu weit entfernt war, war Delhi doch ein ganz anderes Pflaster, an das man sich erst gewöhnen musste. Diese Eingewöhnungszeit wollte er ihr so einfach wie möglich gestalten. Damit sie schnell Anschluss fand, wollte er ihr auch bald seine Freunde vorstellen, indem er eine kleine Willkommensfeier für sie gab. Er hatte sich alles schon genau ausgemalt und hoffte, dass auch alles so klappen würde, wie er es sich vorstellte. Als es schließlich kurz vor zehn Uhr war, beschloss Sunder, Frühstück zu machen und danach Radha zu wecken. Als er angeklopft hatte, öffnete er vorsichtig die Schlafzimmertür. Das Bett war allerdings leer und er hörte Geräusche aus dem Badezimmer. „Radha?!“, rief er und klopfte an die Tür. „Kommst du in die Küche, wenn du fertig bist? Ich habe Frühstück gemacht.“ Er wartete noch kurz auf eine Antwort, doch als nichts kam, zuckte er kurz mit den Schultern und ging zurück in die Küche. Zehn Minuten später stand Radha schließlich im Türrahmen. Sie trug einen einfachen mintgrünen Salwar und nestelte nervös an ihrem Dupatta herum. „Ähm... Guten Morgen! Ich hab uns...“, meinte Sunder und stand auf, um ihren Stuhl zurückzuschieben, damit sie sich setzen konnte. „Setz dich doch.“ Sie nahm Platz und auch Sunder setzte sich wieder. „Ich bin kein besonders guter Koch, aber ich hoffe, man kann es essen.“, meinte er, um die Stimmung etwas zu lockern. Radha wackelte darauf hin leicht mit dem Kopf und ließ ihren Blick über den Tisch schweifen. Erleichtert sah Sunder, dass sie ein paar Kleinigkeiten nahm und auf ihren Teller legte. „Ich habe mir heute frei genommen. Wir haben also den ganzen Tag Zeit, um...“ In diesem Moment klingelte das Telefon. Er entschuldigte sich und stand auf. Nach wenigen Augenblicken kam er wieder und sagte: „Es ist für dich. Deine Schwester.“ Radha nickte und lief ins Wohnzimmer zum Telefon. „Taani?!“, fragte sie mit aufgeregter Stimme. „Radha! Wie geht’s? Tut mir leid, dass ich so früh anrufe, aber ich konnte nicht länger warten.“ „Koi bat nahin. Ich freu mich, deine Stimme zu hören.“, erwiderte Radha und lächelte. „Geht mir genauso. Und jetzt erzähl mal: Wie war eure erste Nacht?!“, wollte Taani aufgeregt wissen. „Taani, bitte! Also...“ „Hey, nicht so schüchtern. Du kannst mir doch alles erzählen.“, entgegnete sie frech. „Es... Das geht dich nichts an.“, beschloss Radha. „Sag mir lieber, wie es Mama und Bauji geht.“ „Oh, denen geht’s gut. Wir sind gestern noch gut zu Hause angekommen und Bauji ist schon wieder auf Arbeit. „Und sie haben nicht nochmal etwas...“ „Nein... Radha, das wird schon. Du wirst mit Sunder ganz bestimmt glücklich werden. Da bin ich mir sicher.“ Radha antwortete nicht. „Na gut, ich muss dann jetzt Schluss machen. Mama kommt gleich vom Einkaufen nach Hause und ich muss noch den Abwasch erledigen. Ich ruf bald wieder an, okay? Bis dann.“ Radha verabschiedete sich und legte auf. (1) http://i43.tinypic.com/15xwbhj.jpg (2) http://i39.tinypic.com/2a0l0z4.jpg Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)