100 Themes Challenge von CrackpotCity (every day is writing day) ================================================================================ Kapitel 27: #27 [Foreign] ------------------------- - Venexia - "Hier bist du echt aufgewachsen..?" Die Frage war weder rhetorisch, noch eine wirkliche Frage, denn er hatte schließlich selbst verlangt, diesen Ort in Augenschein zu nehmen. Unablässig wurden dabei neue Erinnerungen in ihm hochgeschwemmt - kein Wunder, so wenig, wie sich die ganze Gegend verändert hatte. Gute wie schlechte Erinnerungen, in ihrer Gesamtheit, rein vom moralischen Standpunkt aus betrachtet, sicherlich negativ zu betrachten. Aber Spaß hatte er hier trotzdem gehabt. Sie standen fröstelnd auf der Ponte Storto über einem Seitenkanal des Rio della Misericordia, nach zwei Stunden Nieselregen und einer kleinen Führung durch die Gassen Cannareggios, wo er sich vor Jahren nur zu oft herumgetrieben hatte. Schmale Gässchen und dünne Seitenkanäle, mit Stuckfiguren überwucherte, wettergegerbte gotische Palazzi, unromantisch tuckernde Transportboote auf dem Canałazzo, das Gheto novo. In diesem Teil Venedigs trieben sich, zumal im tristen November, so gut wie keine Touristen herum, die sonst die ganze Stadt wie eine einzige Sehenswürdigkeit belagerten. Aber heute war kein einziger Rucksack zu sehen, keine Kameraobjektive, die Souvenirshops hatten ihre Fensterchen und Türen geschlossen. Ein paar Venezianer mit aufgespannten Schirmen liefen vorbei, den Kopf gesenkt, entweder in Gedanken oder mit ihrem Handy beschäftigt, das sie gegen die feinen Wassertröpchen abschotteten. Grauer Himmel, lethargisch ziehendes Wasser unter ihnen. Die Atmosphäre passte groteskerweise zu seiner Stimmung. "Ich hab mir das romantischer vorgestellt", murrte es neben ihm. "Mehr singende Spaghettis in Gondeln und so. Wofür gibt es denn die ganzen Klischees?" "Die gibt's nur für die Touristen." "Und ich bin kein Tourist?" Fangfrage. Aber ich weiß schon, was er hören will. Langsam bekomme ich den Dreh raus. "Nein, du bist der Freund der Familie, der zu Besuch ist." Ha, jetzt grinst er. Das gefällt ihm. Erstaunlich einfach, wenn man mal darauf kommt. "Diese Ecken hier sind das wahre Venedig, nicht diese Postkartenidylle mit Karnevalsmasken aus Porzellan und singenden Gondolieri." "Jah. Dafür Brackwasser, kalter Regen und dreckige Häuser auf Stelzen." "Sei froh, dass du nicht im Sommer hier bist, da stinkt es noch schlimmer. Wir haben sogar schwimmende Ratten." "Ist nicht wahr!" Der Regen wurde penetranter und mit übergestülpten Kapuzen stellten sie sich unter, ein winziges Restaurant mit ebenso winziger überdachter Terrasse, die das Wasser mit hohlem Plock-Plock auf dem Weg zum Boden aufhielt. Keine drei Sekunden später fühlte er sich beobachtet und gewahrte eine Bewegung auf der Seite; die Tür zum Restaurant war nach innen aufgegangen und ein müde wirkender alter Mann mit faltigem Gesicht und fleckiger Schürze sah sie zunächst wortlos an, hob dann die Nase. "E indove xe ke de soito se sociałidha pì de gusto se no intorno a na toła?" "Ich hör' irgendwas von Essen!", tuschelte Frankie mit mühsam unterdrücktem Stolz, mal ein Wort verstanden zu haben. Er tat sich schon mit Italienisch schwer genug, aber das harte Venezianisch überforderte seine weichliche Franzosenzunge wohl endgültig. Wenigstens gab er sich Mühe. "Ich würde einen Kaffee nehmen. Oder Espresso, was trinkt man hier so? Bestell mir was, Pasquale!" "Podemo batarse, ma su ła kuxina e el magnar łe difarense łe xe solkè de xona." "Ałora vanti!" "Sí, avanti!", setzt Frankie hinterher, so unglaublich arrogant, als hätte er NATÜRLICH jedes Wort verstanden. Der Restaurantbesitzer lachte und ich musste schmunzeln. Irgendwo putzig. "Nein Francesco, nein. Das erklär ich dir ein anderes Mal. Setz dich hin und genieß einen original venezianischen Café au lait." Dieses Gesicht ist Gold wert. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)