100 Themes Challenge von CrackpotCity (every day is writing day) ================================================================================ Kapitel 3: #3 [Light] --------------------- Äpfel im Ofen "Geh weg, das muss so." Nein, ich hab keine Ahnung, ob das so muss. Aber tendenziell hab ich erstmal Recht, also verpiss dich und lass den Fachmann ran, hoho! "..du fackelst dir noch die Bude ab." Blöder Pessimist. Aber meine gute Laune kann heute nichts trüben. Gar-nichts! Schon garnicht dieses pseudomürrische Getue. Ich kenn dich doch, du bist doch nur zufrieden, wenn du irgendwas bemeckern kannst. Und insgeheim freust du dich doch auch, gib's zu! Sonst würdest du schon längst wieder in deiner Ecke hocken und irgendwas zocken. Haha, ein Reim! ..und jetzt lass mich das machen. Wenn schon, denn schon. Das wird mein erstes Mal, das muss rundum gigantuös werden! Außerdem sind diese Plastikdinger total stillos und blöd. Dann muss man halt ein bisschen aufpassen und so. Wir sind doch keine Kinder. Übervorsichtig klemmte er eine kleine Metallzange an den Zweig, piekte sich dabei an den kalten, verdammt spitzen Nadeln und fluchte leise. Neben ihm schnaubte es amüsiert, aber bevor er noch Luft holen konnte, nahm ihm Pascal die Arbeit ab. Na, dann sollte der eben machen. Der musste ja auch nicht auf seine Finger achtgeben. "Aber mach nicht so viel kaputt", murmelte er mit Blick auf den Parkettboden, der sich leise knispelnd mit abgefallenen Tannennadeln bedeckte. Das machst du nachher alles wieder sauber. Aber gut, Pascal machte ja sowieso ungefragt immer alles sauber. Guter Mann. Und überbrückte die Zeit bis zum nächsten Reinemachen, indem er die ganzen weiteren Kerzenhalterchen am Baum festklemmte, machte sich lang, um an die Spitze zu kommen. Und zuckte kurz, wie er merkte, dass jemand zwei Arme um seine Taille geschoben hatte. Gut machst du das, sehr gut. Mach nur weiter. Das Hemd riecht nach Pascal, ist ganz warm unter der Wange. Klar, so wie der sich vorhin verausgabt hat. Mit nicht geringem Stolz verharrte der Blick für einige Momente an dem Tannenbäumchen, das sie beide um einen halben Meter überragte - frisch aus dem Wald geklaut, mit Zuhilfenahme einer Axt und zwei Plastiktüten. Und einer Thermoskanne Glühwein. Vor nichtmal zwei Stunden. Und schon steht das nach Wald duftende Kerlchen mitten im Wohnzimmer, behelfsmäßig in einem mit Sand gefüllten Eimer; an nen anständigen Baumständer hat natürlich keiner gedacht. Aber an Kerzenhalterklemmen. Sehr schön machst du das. Boah, riecht das gut. Nach Tanne. So hab ich mir das vorgestellt. Draußen ist's schon dunkel, Kunststück, später knallen wir noch ein paar dieser Äpfel in den Ofen. Ich mag eigentlich keine Äpfel, aber das gehört halt dazu, nich. Das gehört alles dazu. Der Baum, die kleinen Kerzen, Äpfel im Backofen, Glühwein vor allem, Schnee hammer auch dieses Jahr. Alles perfekt. Alles. Alles wunderbar und gigantuös. Davon hab ich schon so lange geträumt. Aber erklär das mal deinen Freunden, die der unverrückbaren Meinung sind, dass Feiertage auch zum Feiern da sind. Und feiern im Sinne von abrocken. Mit dröhnender Musik, viel Alkohol, irgendwelchen Drogen, noch mehr Weiber auf dem Schoß. Und grellpinken, kleinen Plastiktannen mit hellblauem Lametta behängt, äääch. Und dazu noch mehr Alkohol, viel-viel Spaß und glücklich kotzende Gäste, die du kaum kennst, im Klo, über der Schüssel, DEINER Schüssel in DEINEM Klo. Nichtmal zurückziehen kann man sich. Die letzten drei Jahre nur hirnverbrannte, rauschende Party; so laut, dass sie jede Sehnsucht einfach niederbrüllt, bis du selber glaubst, dass das die geilste und einzig wahre Art ist, Weihnachten zu verbringen. Und davor.. naja. Das sind so Dinge, die man erst so richtig vermisst, wenn man sie woanders aufgezeigt bekommt. Wie schön man es eigentlich hatte und es so nie wahrgenommen hat. Vielleicht liegt es auch am Alter. Obwohl. Vielleicht auch nicht. Dieses Jahr wird jedenfalls alles anders. Dieses Jahr ist alles genau so, wie ich mir das vorstelle. Mit Baum und Kerzen und Äpfeln und Geschenken. Ein bisschen Kitsch, ein bisschen vorgegaukelte Nostalgie, dafür aber viel Vorfreude. Und natürlich etwas ganz Besonderes.. "Neech, nicht ganz oben, da kommt doch ein Sternchen hin. Mach das noch irgendwo.. da hin oder so." "Was für ein Sternchen?" "Weiß nicht? Kommt da nicht so ein Sternchendings hin? Ich hab das schon öfter gesehen im Glotzophon." "Ich kenn das mit 'nem Engel." "Die Viecher mag ich aber nicht. Ich hab keine Engel." "Und nen Stern?" Uhm, eigentlich auch nicht. Zugegeben, allzu ausführlich hatte ich das nicht vorausgeplant. Aber Kerzen waren wichtig. Und die sind da. Kein Stern dafür, aber was soll's. Für's erste Mal ist das doch auch so ganz prächtig. Muss ja nicht egonmäßig superkorrekt sein. Ah! "Wir könnten doch was anderes hinhängen? Was Persönliches. Unser ganz persönliches Weihnachten. Da finden wir doch was!" Und während ich noch überlege, was das nun sein könnte, grinst er plötzlich, als hätte er wieder eine seiner wahnsinnig intelligenten Ideen. Und verschwindet kurz im Schlafzimmer. Wehe, der guckt in den Schrank, da steht sein Geschenk! Eine große Box. Ne riesige. Und darin in ne zweite Box. Und darin noch eine. Und da drinnen sind ganz viele kleine Geschenke, nach denen er tauchen und graben und suchen muss, weil alles voller Styroporkügelchen ist. Wird ne Riesensauerei, aber ich will ja auch meinen Spaß haben. Und ganz unten liegt dann der Schlüssel, ich darf die Kamera nicht vergessen. DAS Gesicht will ich auf Band haben! Wah, ich freu mich schon so! Als Pascal wiederkommt, hat er etwas Schwarzes in der Hand, etwas größer als eine Faust; ein Gegenstand, den ich nur zu gut kenne - und ich bekomme nen ausgewachsenen Lachkrampf. Ach herrlich. Herrlich unromantisch und jeder Christ würde bei dem Anblick in empörte Ohnmacht fallen. Ich weiß genau, wieso ich dich liebe. Los, lass uns die Kerzen anzünden, das gibt sicher ein übelst groteskes Bild ab, wenn das warme Licht drüberflackert, wenn es da oben baumelt, an der Spitze. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)