Twilight in the Shadow von hatchepsut ================================================================================ Kapitel 16: Viertes Buch des älteren Gottes ------------------------------------------- Viertes Buch des älteren Gottes Dort stand es. Mein Opfer. Das Exemplar, das die Ehre hatte mir an diesem Abend als mein Mahl zu dienen. Welcher Mensch war auch schon so dumm und forderte seinen eigenen Tod heraus? Offenbar dieser, der da vor mir stand und glaubte, das sein vorgerecktes Schwert etwas an der Tatsache ändern würde, das er gleich sterben würde. Aber genug philosophiert. Ich wollte Blut. Menschenblut. Und ich würde es bekommen. Mit einer weit ausholenden Geste stürmte ich nach vorne und ließ mein Schwert zu einem Kreisel aus alles verschlingendem Stahl werden. Funken stoben auf und erneut begegneten sich Klingen in ihrem Tanz durch die Nacht. Gut, er wehrte sich. Gab nicht gleich auf, parierte sogar und griff an. Das machte die Jagd nur um so schöner und das Spiel interessanter. Weiter! Schneller! Los, komm schon, lass mich sehen wie stark du bist Mensch! Lass mich sehen wie weit du bereit bist zu gehen, um dein nutzloses Leben zu retten! Je länger du zappelst, um so wärmer wird dein Blut am Ende sein, wenn ich es trinke! Schneller! Noch schneller! Und mein Körper übernahm die Geschwindigkeit von meinen Gedanken. Und ich fühlte das Blut heiß und berauschend durch meine Adern pulsieren. Schneller und immer schneller werdend. Und im selben Takt nahmen auch meine Angriffe an Stärke und Geschwindigkeit zu. Der Mensch sollte sich noch wundern, mit wem er sich da eingelassen hatte. Eine weitere Wunde zierte seinen Oberkörper und ließ den ersehnten Lebenssaft über seinen Leib und mein Schwert laufen und als mir erneut der süße Wohlgeruch des Blutes entgegenschlug konnte ich nicht anders. Ich musste die Klinge heben und davon kosten und es schmeckte warm und würzig. Der wundervolle Geschmack menschlichen Blutes der über meine Zunge und durch meinen Rachen floss und einen einzigen Wunsch in mir aufsteigen ließen. Mehr! Ich blickte auf, meine Augen funkelten in dem tanzenden Licht der Fackeln und alles was ich haben wollte war meine Beute, die dort vor mir Lauerte. Ich würde diesen Kampf genießen, mit meiner lang ersehnten Beute spielen, bis sie sich hilflos vor mir winden würde und dann, während sie ihre letzten jämmerlichen Bewegungen auf dieser Erde machen würde, würde ich ihr mit meinen Zähnen den Lebenssaft aussaugen. Mich überkam ein wolliges schaudern, als ich an die warme süße Flüssigkeit dachte und mir vorstellte, wie sie über meine Kehle fließen würde. Bei diesem Gedanken entschlüpfte ein rautierhartes Fauchen meinem Körper und urplötzlich schoss ich nach vorne, mein Verlangen nicht mehr zügelnd, sondern frei. Schwerter klirrten durch die warme Nachtluft, Funken stoben auf und Steine splitterten, als wir wieder mit voller Wucht aufeinander prallten. Aber ich war mir sicher, am Ende würde ich gewinnen. Denn so war es immer, egal wie lange sich ein Beutetier wehrte oder wie lange es auch immer weg laufen mochte, am Ende war es doch der Jäger der die Beute riss und nicht umgekehrt. Seine Klinge zuckte über meine Haut und hinterließ eine weitere Wunde. Einen weiteren unbedeutenden Kratzer, um den ich mir keinen Gedanken machen musste. Sollte er doch glauben, dass er eine Chance hatte. Ich sprang nach vorne und wirbelte im selben Moment um meine eigene Achse, rammte ihm den Dolch aus der Hand und gleichzeitig die Spitze meines Schwertes weit zwischen seine Schultern. Blut spritze in mein Gesicht und ich fuhr mir mit der Zunge genüsslich über die Lippen. Mehr! Er wich zurück und presste seine Hand auf die Wunde. Verloren. Er hatte verloren und er wusste es auch. Aber nichtsdestotrotz blickte er mir grimmig und fest entgegen. Nein, ich würde es noch nicht beenden. Es machte Spaß mit ihm zu spielen. Spaß zu sehen, wie er versuchte sein wertloses Leben zu retten. Spaß ihm vorzugaukeln, das er noch eine Chance hatte. Spaß ihn zu quälen. Sein nächster Angriff ließ schon etwas von der früheren Stärke und Schnelligkeit vermissen und ich hoffte inständig, das ich ihn nicht zu sehr verletzt hatte und mich nun selbst um den Spaß an der Jagd gebracht hatte. Ich ließ meine Verteidigung offen und lud ihn geradezu ein mich anzugreifen, was er dann auch tat. Und als sich seine Schwertspitze in meiner Brust versenkte, genoss ich diesen Schmerz und das leicht verunsicherte Gesicht, als ich mich selbst noch weiter nach vorne lehnte und mich so praktisch in seine Klinge hineinwarf. Weiter und weiter drang das Eisen in mich ein und als ich mich nur noch wenige Zentimeter von seinem Gesicht entfernt befand und ihm in seine dunklen Augen sehen konnte erkannte ich dieses Wissen darin, das ich gesucht hatte. Dieses unverkennbare Wissen, der Beute, das sie verloren hatte. Mit einer schnellen Handbewegung riss ich ihm sein Heft aus der Hand und zog mir die Klinge aus dem Leib. Es war vorbei. Die Jagd hatte ein Ende und nun würde ich mein Mahl bekommen. Er überrannte mich, löschte mein bewusstes denken in wenigen Bruchteilen aus und verbannte mich in das Gefängnis in dem ich ihn über solch lange Jahre immer eingesperrt behalten hatte. Und in all dieser Zeit hätte ich nie damit gerechnet, das er jemals die Kontrolle über mein Handeln so absolut übernehmen könnte. Ich hatte mich immer für Stark gehalten. Aber nun musste ich erkennen, das ich es nicht war. Die ganze Stärke kam nur von ihm und wenn er nicht gewesen währe, dann währe ich nichts weiter als eine verlorene Seele unter vielen gewesen. Aber er war da. Stark. Stärker als ich es mir jemals erträumt hätte und stärker als ich es mir jemals wünschen würde. Zu stark für mich. Und obwohl ich alles sehen konnte, obwohl ich alles war nahm, jede Gefühlsregung, jeden Schmerz jeden Gedanken, die ihm in den Kopf schossen. Ich konnte doch nichts machen. Ich war ein Gefangener in meinem eigenen Körper und sah zu, wie der Vampir die Kontrolle übernahm um sich und mich dadurch am Leben zu erhalten. Und in diesem Moment erkannte ich endlich was er war. Was er schon die ganze Zeit über gewesen war. Ein Parasit. Ein lebender, denkender Parasit, der besitz von meiner Seele und somit von meinem Körper genommen hatte, weil er sonst nicht hätte überleben können. Mir wurde klar, was Vampire in Wirklichkeit wahren. Sie wahren keine edle hochgestellte Rasse sondern Schmarotzer auf dieser Erde. Tote Schmarotzer, die sich von den Lebenden ernährten, um weiteren Parasiten Seelen zu schenken. Und ich fragte mich, wer eigentlich wen kontrollierte. Wir die Vampire oder die Vampire uns. Wer hatte in diesem Handel das bessere Geschäft gemacht? Ich wusste es, ich wusste es ohne großartig darüber nachdenken zu müssen. Ich wusste es in dem Moment, in dem ich seine Gedanken lesen konnte. Die Gedanken eines wilden Raubtiers, das zu allem fähig war um sich selbst am Leben zu erhalten. Ein plötzlicher und absolut bitterer Schmerz schoss durch meinen Körper und erreichte mich tief in meinem Gefängnis. Aber anstatt abzuschwellen blieb er und nahm mit jeder weiteren Sekunde noch mehr zu. Ich konzentrierte mich, musste mich konzentrieren, denn ich wollte wissen, woher dieser schreckliche Schmerz kam und dann, nach einer Vielzahl, von wirren Gefühlen und verlangenden Maßregeln, durchbrach ich seine Gedankenwelt und sah mit meinen Augen was geschah. Sah es und konnte es doch nicht verhindern. Er hatte sich selbst in Atrieleges Schwert gestürzt und jetzt riss er es ihm aus der Hand und schlug ihn nieder. Ich sah meinen Freund vor mir auf dem Boden liegen, Blutüberströmt und ich wusste was er vorhatte. Wusste das er nun seinen Preis fordern würde, dafür das er mir ein weiteres mal das Leben gerettet hatte. Und der Preis den er verlange lag in Menschenblut in seiner in unserer Beute vor uns ausgebreitet. Er hob sein Schwert und grinste mit einer raubtiertaften Bosheit auf sein Opfer herab und voller entsetzten wusste ich das er ihn töten würde. Das er ihn mit seinem Schwert töten würde. Nein, das ich ihn mit meinem Schwert töten würde, dem Schwert das mir Atrieleges einst geschenkt hatte. Ich bäumte mich auf und schrie, stieß einen verzweifelten absolut lautlosen Schrei aus und in dem Moment, in dem das Schwert des Vampirs auf Atrieleges herunter stieß durchbrach ich mit aller Gewalt die mir zur Verfügung stand seine Kontrolle. Ich sah es fallen sah, wie es sich immer weiter nach unten senkte. Sekunden dehnten sich zu Minuten und Minuten wurden zu Stunden. Wie in Zeitlupe konnte ich das Schwert fallen sehen und ich war zu spät gekommen. Bruchteile von Sekunden zu spät und ein eiskaltes und nacktes Grauen durchlief mich, als ich das Schwert in die Brust meines Freundes stieß und spürte wie der kalte Stahl durch Fleisch und durch Muskeln drang. Spürte das vibrieren der Klinge, als es von der untersten Rippe abprallte und sich ein Stück weiter nach unten verschoben weiter einen Weg durch ihn hindurch bahnte, bis es auf den festen wiederstand der Straße stieß. Ich sah die vor Schmerz aufgerissenen Augen von Atrieleges und sah das erlöschen von Leben in ihnen. Sah wie sich seine Seele anfing aufzulösen und langsam zu verschwinden. Plötzlich wurde das Schwert in meiner Hand unendlich schwer und ich brach neben ihm zusammen. Viel auf die Knie herab und zog die Klinge mit einer letzten Kraftanstrengung aus seinem Körper. Schleuderte sie von mir und beugte mich zu Atrieleges herunter. Zu meinem Freund den ich getötet hatte. Vorsichtig schob ich meine Arme unter ihn und hob ihn leicht an. Sah auf seine geschlossenen Augen und mein Blick schweifte über seinen Körper hinunter zu der blutenden Wunde, aus der immer noch das Lebenselixier strömte. Mein Kopf sackte auf meine Brust und ich schloss die Augen. Es war einfach nicht war. Es durfte einfach nicht war sein. So oft schon hatte ich gekämpft und getötet, so oft schon war ich wie ein Rautier über meine Feinde hergefallen und hatte sie mit einem Lächeln ausgelöscht. Hatte sie vom Angesicht dieser Erde gewischt, wie eine Fliege von einem Stück Fleisch. Hatte gefühllos gemordet, wie eine Bestie und aus diesem Grund hatte mich nichts auf diesen Schmerz vorbereitet. Auf diesen alles verschlingenden Schmerz, der sich einen Weg von den tiefsten tiefen meines Herzens durch meine Seele und durch meinen Geist zog, wie eine blutende rote Brandnarbe, die immer noch in hellem Feuer loderte. Heißer und heißer werdend und immer weiter aufsteigend, bis sie sich einen Weg an die Oberfläche gebahnt hatte und in einem glühenden Blutroten Strom über meine Wangen floss. Und erst ganz allmählich begriff ich, was es mit diesem Schmerz auf sich hatte. Was das für ein Gefühl war, das mir so vollkommen unbekannt und doch auf eine unbeschreibliche Art vertraut war. Es war das Gefühl von heißen blutenden Tränen, die über meine Wangen rannen. Ich weinte. Weinte zum ersten mal seit ich als ein Geschöpf der Nacht geboren worden war. Weinte zum ersten mal seit tausend Jahren wieder. Blutende, schmerzende Tränen. Eine leichte Berührung ließ mich meine Augen öffnen und es dauerte eine Weile, bis ich durch das rot in meinen Augen etwas erkennen konnte. Aber schließlich spürte ich die Hand, die sachte über meine Wange strich, die Spur der Tränen verwischend. „Du ... weinst.“ Ich sah auf ihn herab und musste unwillkürlich lächeln. „Du ... weinst ... um ... mich?“ Seine Stimme war fast nur noch ein leichtes Flüstern, aber trotzdem nahm ich jedes seiner Worte in einer schmerzenden Klarheit war. „Ja. Ich weine um dich.“ Ein leichtes Lächeln umspielte seinen Mund. „Das ... musst ... du ... nicht.“ Ein zucken durchlief seinen Körper und als er die Augen wieder aufschlug wahren sie ein ganzes Stück weiter in die Höhlen zurück gefallen. „Es ..... war ..... mein ..... eigener ..... Wunsch. Ich ..... wollte ..... sterben.“ Erneut zuckte er zusammen und ich beugte mich ein Stück weiter über ihn, um seine Worte weiter zu verstehen. „Raziel ..... ich ...... bin stolz ....... dein ........ Freund ........ gewesen ......... zu ........... “ Er erschlaffte in meinen Armen und als ich erneut auf seine Augen blickte, wusste ich das es vorbei war. Er hatte lange gekämpft, aber nun hatte er seinen ersten Kampf verloren und es sollte gleichzeitig sein letzter gewesen sein. Und als ich auf sein fast schlafend wirkendes Gesicht hinabblickte, überkam mich der Gefühl des Verlustes. So schrecklich der Schmerz auch gewesen sein mochte, dieses Gefühl von Kälte und Schwärze war schlimmer. Dieses Gefühl von nichts, das plötzlich in mir aufstieg und alles verschlang, wie ein hungriger Wolf auf seinem Streifzug durch die Nacht. Es ließ nichts zurück. Nichts außer Kälte. Kälte die sich durch meinen ganzen Körper ausbreitete, sich über meine Gedanken legte und alles in einen grauen Schleier hüllte. Eine Woge der Dunkelheit die jedes Licht verschlang, das sich ihr in den Weg stellte. Und doch stach ein Gedanke durch diese Finsternis hindurch. Ein Gedanke, den sie nicht verreiben konnte, den er tat Dienste für sie. Der Gedanke den Atrieleges ausgesprochen hatte. ‚Ich wollte sterben.’ ‚Ich wollte sterben.’ ‚Ich wollte sterben.’ Und plötzlich ergab alles einen Sinn. Das Gespräch, das ich mit ihm gehabt hatte. Die Tatsache, das er mir geholfen hatte zu fliehen. Das er mich hier zu einem Zweikampf herausgefordert hatte, von dem er gewusst haben musste, das er ihn nicht gewinnen konnte. Er hatte alles so geplant gehabt. Er wollte in einem fairen Kampf sterben, das hatte er mir einmal gesagt. Aber niemand hatte ihm bis je her das Wasser reichen können und dann war ich aufgetaucht. Ich ein Vampir, der zu seinem Freund geworden war. Ein Vampir, der ihn in einem fairen Kampf besiegen konnte. Ein Wesen, das man dazu bringen konnte, selbst wenn es dein Freund war, dich zu töten. Er hatte es gewusst. Er hatte es gewusst und er hatte es herauf beschworen und ich hatte nichts davon gemerkt. Ich, der doch sein Freund war, war ihm in die Falle gegangen und hatte nicht bemerkt, was er mit mir vorhatte, bis es zu spät war. Zu spät für ihn. Zu spät für mich. Zu spät für uns alle. Ich hatte versagt. Und diese Wissen hinterließ in mir ein Gefühl der Gleichgültigkeit. Ich hatte versagt. Ich hatte versagt als Freund, den ich hatte ihn nicht vor seinen Feinden beschützen können. Ich hatte versagt. Ich hatte versagt als Freund, den ich hatte ihn nicht vor sich selbst beschützen können. Ich hatte versagt. Ich hatte versagt als Freund, den ich hatte ihn nicht vor mir beschützen können. Ich hatte versagt. Warum also noch etwas wagen, wenn ich doch eh wieder versagen würde? Warum etwas riskieren, wenn es von vorneherein zum scheitern verurteilt war? Mein ganzes Leben war eine einzige aneinanderreihjung, von Schlachten, Toden und Foltern gewesen. Von Kriegen und von Blut. Ein Leben des Tötens und nun hatte ich jemanden gefunden, der mich trotz alledem als das akzeptierte was ich war und ich hatte es nicht geschafft ihn zu retten. Schlimmer noch. Ich hatte ihn mit meinen eigenen Händen getötet. Und plötzlich fiel ich. Ich fiel einfach in ein großes schwarzes Loch, das mich weiter und weiter nach unten mitriss. Aber ich schlug nirgends auf. Ich würde nie mehr irgendwo aufschlagen, denn es war mir egal. Alles war mir egal! Ich weiß nicht wie lange ich so dagesessen war. Es hätten nur wenige Minuten sein können aber gleichzeitig auch ein ganzes Jahrhundert oder Jahrtausend. Ich kniete einfach nur in der dunklen Gasse und hielt den blutüberströmten Leichnam von Atrieleges im Arm und das einzige was ich spürte wahren die blutigen Tränen, die nicht hatten aufhören wollen über mein Gesicht zu laufen. Warum ich weinte wusste ich nicht mehr. Der Schmerz war schon lange einer dumpfen Gleichgültigkeit gewichen, die nicht aufhören wollte in immer neuen Spiralen durch meinen Geist und meine Gedanken zu treiben und alles unter einer schwarzen samtenen Decke einzuschließen, so das mich nichts berühren konnte. Leise Schritte näherten sich mir. Leise, gleitende, fast lautlose Schritte und irgendwo in meinem Bewusstsein ordnete ich diese Schritte einem Vampir zu. Aber egal. Alles war egal. Ich spürte wie er neben mir stehen blieb und mich beobachtete, spürte seine Gegenwart und plötzlich schlich sich noch ein anderes Gefühl in mein Unterbewusstsein. Ein Gefühl das ich zuerst gar nicht war nahm. „Raziel.“ Eine leise, lockende Stimme die etwas verhieß. Aber ich reagierte nicht. Warum auch? „Raziel.“ Lauter, verlangender und schließlich fiel ein Schatten auf Atrieleges Gesicht und ich spürte, wie mich jemand von ihm weg zog und mich umdrehte. Ich sah in das Gesicht einer Person. Einer Person die ich hätte kennen müssen. Einer Person, der ich den Tod geschworen hatte. Aber selbst das ging in dem immer wieder kehrenden schwarzen Strudel in meinem inneren unter und so starrte ich einfach nur mit leeren Augen zu ihr auf. Plötzlich spürte ich den leisen Hauch eines Atems in meinem Gesicht. Und zarte Lippen, die sich herunter beugten und über meine Wange fuhren. Dann entschlüpfte der Person ein seufzen und sie schob ihre Hand unter mein Kinn, hob es an und küsste mich leicht auf den Mund. Leicht, unendlich leicht und behutsam und ich streckte mich diesem Gefühl entgegen, denn es verhieß Frieden. Dann zog sich dieser Frieden zurück und ich war wieder allein. Allein in meinem schwarzen Strudel, bis diese lockende Stimme mich wieder erreichte und zurück zog. „Ich hätte nie gedacht, das mir ein solcher Genuss jemals beschert worden währe. Noch nie hat ein Vampir reine blutige Tränen vergossen und nie hätte ich gedacht sie jemals kosten zu könnte, Raziel.“ Er liebkoste meinen Namen und beugte sich wieder zu mir herunter und sah mir in die Augen. „Und nie hätte ich gedacht, das du derjenige bist, der sie vergießt.“ Er ließ sich zu mir herunter und strich mir die Haare zurück. „Komm mit mir.“ Seine Stimme tönend und verlockend und erneut beugte er sich vor und strich mit seinen Lippen über meine Wange und verharrte dann regungslos auf meinem Mund. „Komm mit mir und ich verspreche dir, das du niemals wieder solche Schmerzen erleiden musst. Niemand wird dir mehr weh tun können. Niemals mehr.“ Er öffnete seine Lippen und ich hieß ihn bereitwillig willkommen. Es war ein Versprechen das er mir gab. Ein Versprechen das Frieden verhieß. Ein Versprechen, das zu verlocken war um es auszuschlagen. Er zog mich auf die Beine hoch und ich folgte ihm willig. Was hatte ich schon zu verlieren? Aber auf halben Weg hielt mich etwas auf und ich drehte den Kopf und blickte auf meine Hand herunter, zu dem Punkt, der mich aufhielt weiter aufzustehen und mich diesem verheißungsvollen Frieden hinzugeben, der mich willkommen hieß. Es war Atrieleges auf den mein Blick fiel. Auf seine angespannte Körperhaltung, die er selbst im Tod nicht los geworden war und auf seinen Arm, der mein Handgelenk umklammert hielt. Ich hatte das bisher gar nicht gemerkt. Hatte er seine Hand schon die ganze Zeit um mich geschlungen gehabt? Ich wusste es nicht. Konnte mich nicht daran erinnern. Zu verwirrend wahren die letzten Stunden/Minuten/Tage? gewesen. Aber die Geste mit der er mich fest hielt war eindeutig. Er wollte mich aufhalten. Wollte mich aufhalten meinen Frieden zu finden. Aber warum? Ich ließ mich wieder auf den Boden sinken und strich ihm die Haare aus dem Gesicht. Aus einem Gesicht, das hätte friedlich und nicht angespannt sein müssen. Warum war es das nicht? „Raziel, komm lass diesen stinkenden Menschen hier liegen und komm mit mir.“ Wieder diese verlockende Stimme. Aber warum stinkenden Menschen? Und warum hatte die Stimme plötzlich einen leisen unterklang von Zorn in sich? Ich spürte wieder wie zarte Finger über meine Wange strichen und meine Lippen liebkosten. „Dein Platz ist an meiner Seite. Nicht an seiner. Du bist dazu geboren worden an meiner Seite über das Land zu herrschen und nicht um an der Seite irgendeines dummen Menschen zu stehen und seinen Tod zu betrauern.“ Plötzlich verstärkte sich der Druck um mein Handgelenk und ich sah auf und in das Gesicht der Person, die über mir stand. Sie kam mir bekannt vor und richtig, ich hatte an seiner Seite gestanden. An Atrieleges Seite. Wir wahren Freunde gewesen und ich hatte die ganze Zeit gespürt, das ich an diese Seite als sein Freund gehört hatte. Warum also sagte diese Person ich gehörte nicht dort hin? Mein Blick schweifte von dem Gesicht des Fremden wieder zurück zu Atrieleges und ich spürte plötzlich ein fast körperliches Unwohlsein, als mein Blick über seinen Körper streifte und an seinem anderen ausgestreckten Arm entlang, der auf zwei gekreuzte Schwerter deutete, die in seiner Blutlache kupfern aufblitzten. Der Fremde ließ sich wieder in die Hocke sinken und strich mir mein Haar zurück. „Komm endlich Raziel. Hier gibt es nichts mehr für dich.“ Doch, das gab es. Ich spürte es, das es noch etwas gab, das ich in dieser Stadt erledigen musste. Es wahren die Schwerter, die mich an etwas erinnerten. An etwas das er einst zu mir gesagt hatte. Sie währen Brüder, geschmiedet für Brüder. Und mein Bruder lag tot vor mir. In seinem eigenen Blut und ich war dafür verantwortlich. Aber nicht ich allein. Es gab noch jemanden den diese Schuld traf. Noch jemanden, der in unser Schicksal eingegriffen hatte. Noch jemanden, der Blut an den Händen hatte. Der Griff um mein Handgelenkt löste sich und Atrieleges Hand fiel zu Boden und endlich konnte ich auf seinem Gesicht den Frieden finden, den ich gesucht hatte. Nicht dieses angespannte Verhalten, als hätte er noch eine Aufgabe. „Raziel, komm endlich.“ Ein leichter druck an meiner Schulter zeigte mir das es Zeit war. Zeit sich für einen Weg zu entscheiden . Und ich traf meine Wahl. Langsam erhob ich mich und drehte mich von Belocks Hand geführt um. Er sah mich an und ich konnte in seinen Augen dieses unstillbare Verlangen sehen, das schon immer in seinen tiefen geglitzert hatte. Aber nun, wo er sich an seinem Ziel sah, hatte er es endlich an die Oberfläche gelassen. Erneut strich er mir mit der Hand durch mein Haar, beugte sich nach vorne und küsste mich. „Du bist so wunderschön Raziel. Wie ein schwarzer Todesengel. Mein schwarzer Todesengel.“ Er wich wieder ein Stück zurück um mich im ganzen zu betrachten. Ich lächelte. „Ja Belock. Ich bin dein schwarzer Todesengel.“ Mit diesen Worten rammte ich ihm seinen Dolch tief in sein Herz. Und noch Sekunden bevor er zusammenbrach konnte ich das überraschte aufblitzen in seinen Augen sehen. Die Erkenntnis, das ich wieder da war. Zurückgekehrt aus dem Tod. Ich drehte mich angeekelt von ihm weg und beugte mich zu Atrieleges herunter, betrachtete nochmals sein Gesicht, das friedlich zu schlafen schien. Ich hatte ihn gerächt, hatte Belock endlich vernichtet. Was aber nichts an der Tatsache änderte, das ich es gewesen war, der Atrieleges das Schwert in die Brust gerammt hatte. Und mit dem erwachen aus der schwarzen Finsternis kam auch der Schmerz zurück. Der Schmerz, der mich erneut taumeln ließ. Der Schmerz, der alles das verdrängte, was ich eben noch so sicher gewusst hatte. Aber eines war immer noch klar. Atrieleges hatte mich selbst über den Tod hinaus noch beschützt. Er hatte mich davor bewahrt, mich selbst zu vergessen. Etwas das ich nicht geschafft hatte. Ich beugte mich über ihn und küsste sacht seine Stirn. „Danke mein Freund.“ Dann richtete ich mich auf und mein Blick fiel auf die Beiden gekreuzten Schwerter, die in Atrieleges Blut lagen. Schwerter für zwei Brüder und genau das sollten sie auch bleiben. Atrieleges Schwerter. Mein Blick schweifte noch einmal zu meinem Freund und dann drehte ich mich mit einem entschlossenen Ruck herum und verschwand in den Gassen Meridians. Nur ein Schatten unter vielen. Ein Schemen in der Dunkelheit. Und mit der Dunkelheit und der Einsamkeit der Gassen kam erneut der Schmerz. Schlimmer und Zerreisender als jemals zuvor. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)