Himmel und Hölle von Animemelli ================================================================================ Kapitel 3: ----------- Dayla hatte inzwischen den Waldweg für Wanderer und Spaziergänger erreicht. Aber die öffentlichen Wanderwege interessierten sie heute nicht. Außerdem kannte sie die schon. Sie wollte endlich einmal wieder im Wald herumstreifen, so wie früher als Kind. Sie wollte im Bach herumlaufen, schöne Blätter sammeln, vielleicht Bucheckern finden und ein paar scheue Waldtiere sehen. Vielleicht würde sie auch auf einen Baum klettern aber sie hatte eigentlich nicht mehr die Kraft in den Armen, die dafür nötig war. Nun ja, sie wollte sich einfach überraschen lassen. Für den sportlich angehauchten Marsch durchs Unterholz hatte sie den Player abgeschaltet und samt Kopfhörer in ihrer Tasche verstaut, die sie außerdem noch sorgsam verschlossen hatte. Auch ihren Autoschlüssel sicherte sie auf diese Weise. Als Kind war ihr einmal ihr gesamter Schlüsselbund in ein Staubecken gefallen. Sie hatte ihn nie wieder gesehen. Deshalb war sie diesbezüglich etwas paranoid. Selbst wenn sie über einen Gullydeckel ging, hielt sie ihre Schlüssel fest umklammert. Mit fest verschlossenen Taschen betrat Dayla also den Wald. Sie wollte dem Verlauf des Baches folgen, solange, sie Lust hatte und es hell genug war. Es war erst halb vier und die Sonne sankt schon, typisch für diese Jahreszeit. Aber ein Stündchen oder anderthalb würde sie wohl haben, bevor es zu dunkel wurde. Sie kannte sich in diesem Wald nicht besonders gut aus und er war riesengroß. Sie wollte sich nicht verlaufen und sie hatte kein Handy dabei. Lächelnd marschierte sie neben dem Bach entlang in den Wald hinein. Kieran war seiner Traumfrau weiter unauffällig nachgegangen, stets bereit, sich hinzuwerfen, falls sie sich umdrehen sollte. Aber sie ging über den Feldweg, ohne zu singen, und hatte wohl deshalb keinen Grund mehr, sich umzusehen. Kieran hatte keine Probleme, ihr zu folgen. Am Waldrand blieb sie stehen und Kieran duckte sich ins Gras. Er beobachtete, wie sie ihren Kopfhörer heraus nahm und ihn samt Player in ihre Tasche steckte. Auf beiden Seiten ihrer Jacke zog sie die Reißverschlüsse an den Taschen zu. Dann blickte sie den Wanderweg hinauf und hinunter und marschierte zu Kierans Überraschung geradewegs in den Wald hinein. Was wollte sie dort? Zu dieser Jahreszeit war es nicht ungefährlich, da viele Jäger unterwegs waren. Überall waren Schilder angebracht, die Spaziergänger aufforderten, auf den befestigten Wegen zu bleiben. Was wenn sie nun von einem Jäger irrtümlich für Wild gehalten wurde? Zuerst wollte Kieran ihr hinterher rufen, dass sie lieber nicht einfach im Wald herumstreifen sollte aber er befürchtete, sie damit zu erschrecken, deshalb folgte er ihr leise und unauffällig. Er wollte für sie Augen und Ohren offen halten und falls er etwas hörte oder sah, konnte er entweder sie warnen oder den Jäger. Kieran fühlte sich selbst wie ein Jäger auf der Pirsch, der gerade ein junges Reh verfolgte. Leise und vorsichtig schlich er durch den Wald, versteckte sich hinter Bäumen und sah sich dabei um, konnte aber keinen Jäger entdecken. Klar, die hielten sich ja auch selbst gut versteckt um ihre Beute nicht zu verscheuchen! Na hoffentlich ging das gut! Dayla folgte dem Bachverlauf und versuchte nicht einmal, leise zu sein. Jeder ihrer Schritte brachte das Laub unter ihren Stiefeln zum Rascheln oder ließ einen Ast knacken. Ein kleines Stück weit lief sie sogar im Bach, ohne zu wissen, welche Folgen das haben konnte. Der Boden war schlammig und sie konnte stecken bleiben aber vor allem störte sie die vielen kleinen Tiere, die am Bach ihre Höhlen, Nester und Bauten hatten. Doch daran dachte sie nicht. Aber als sie auf einem besonders glitschigen Stein beinahe ausgerutscht wäre, verließ sie den Bach wieder und ging neben ihm weiter. Sie begann ein wenig zu frösteln und knöpfte ihren Regenmantel wieder zu. Dayla fühlte sich frei. Hier oben vergaß sie alle Sorgen und Probleme, die sie zuhause plagten. Sie vergaß ihre Einsamkeit und die depressive Stimmung, in der sie sich sonst immer befand. Mit weit offenen Augen und ebenso geöffneter Seele stakste sie durch das Unterholz und streichelte die Rinde jedes Baumes, an dem sie vorbei kam. Sie war glücklich. Das änderte sich, als ihr plötzlich etwas ins Auge flog. Es brannte und juckte. Sie blieb stehen und rieb sich das Auge, bis es tränte aber sie bekam den Fremdkörper einfach nicht heraus. „Verdammt, tut das weh“, schimpfte sie. „Was ist denn das bloß?“ Um nicht versehentlich in den Bach zu fallen, stolperte sie zum nächstgelegenen Baum und lehnte sich daran. Und hinter genau diesem Baum stand Kieran. Kieran war ihr quer durch den Wald gefolgt, ohne jemanden zu sehen. Als sie durch den Bach planschte, schüttelte er verständnislos den Kopf. Plötzlich schrie sie kurz auf und taumelte. Anscheinend war sie ausgerutscht und hatte sich gerade noch halten können. Aber das schien ihr wohl eine Lehre gewesen zu sein, denn sie verließ den Bach und ging neben ihm weiter. Kieran beobachtete ihr Gesicht. Sie lächelte zufrieden vor sich hin und berührte jeden Baum. Sie wirkte überglücklich und gelöst. Kieran musste ebenfalls lächeln. Auf einmal blieb sie stehen und fasste sich an ihr Auge. Kieran verschwand blitzschnell hinter dem mächtigen Stamm einer Eiche. Vorsichtig lugte er dahinter hervor und sah, wie sie sich das Auge rieb und dabei vor sich hin schimpfte. Ihr Auge tränte bereits und Kieran hätte ihr zu gerne gesagt, sie soll es einfach tränen lassen, dann wird der Fremdkörper herausgespült. Als sie auf ihn zukam, verschwand er wieder hinter seinem Baum und hörte, wie sie sich auf der anderen Seite daran lehnte. Sein Herz klopfte und in seinem Bauch tobte ein Schmetterlings-Blitzkrieg. Sollte er seine Chance ergreifen? Sie würde wohl eher schreiend davon laufen, wenn er jetzt wie Robin Hood hervor sprang. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)