Umzugsfreuden oder wie man seinen Leader fertig macht von abgemeldet (kleine lustige und nicht zu ernst nehmende Geschichte über einen Umzug) ================================================================================ Kapitel 2: Von Mehlwürmern und Zivilisation ------------------------------------------- „Wow… Die ist ja bestimmt doppelt so groß wie unsere alte Wohnung!“ Begeistert drehte sich Aoi im Kreis. „Ja, aber genauso dreckig…“ Uruha hielt seine Gliedmaßen so eng wie möglich am Körper, damit er auch ja nichts von seiner Umgebung berühren könnte. Eeeeklig… „Guck mal, Blondi!“ Reita, der außerhalb Uruhas Sichtweite stand, schien von irgendetwas irre begeistert zu sein. Der Angesprochene drehte sich zu seinem eigentlich besten Freund um und bekam den Schreck seines Lebens. Direkt vor seiner Nase schwebte eine untertassengroße, schwarze, dickleibige Spinne, die bedächtig mit den Beinen wackelte. „Woah, Reita. Guck dir Uruha mal an. Der sieht aus wie ein Mehlwurm.“ Erfreut kicherte der Schlechtwetterzwerg neben dem langbeinigen Gitarristen, der sämtliche Gesichtsfarbe verloren hatte. „Hast du denn nie als Kind mit Spinnen gespielt?“ Neugierig reckte sich der Kleinste zu dem braunhaarigen „ Blondi“ hinauf, der nur apathisch den Kopf schüttelte. „Was?! Nicht mal Frösche aufgeblasen? Was zum Henker hattest du für eine Kindheit?“ „Eine ganz Hervorragende!“ Kai packte aufgebracht das Ohr von Ruki und das des Bassisten in einem Eisengriff, der beide wie verwundete Hirsche aufheulen ließ. „Uruha ist zivilisiert. Ganz im Gegensatz zu euch. Und nimm die Spinne aus deiner Hosentasche, Reita! Die nimmst du nur über meine Leiche mit nach Hause.“ Alle wussten, dass Kai nie freiwillig den Löffel abgeben würde(soll heißen sterben), also ließ Reita, wie ein ganz braver Junge es tun würde, die Spinne am Fenster frei. „Also… ich würd mal sagen, wir müssen hier erst mal klar Schiff machen. Wir brauchen Tapete, Farbe, Fußbodenbelag und Fliesen fürs Bad.“ Alle stimmten uneingeschränkt der Feststellung von Kai zu. „Jeder ist für sein Zimmer bei der Auswahl selbst verantwortlich und bei den Allgemeinräumen entscheidet die Mehrheit. Fangen wir mit dem Bad an…“ Sofort entstand ein Tumult, den sonst nur Italiener veranstalten können. „Gelb!“ „Nein, Schwarz mit Ornament!“ „So ein Rotz! Rot! Blutrot!“ „Ich bin für Poster…“ Der Bandleader stand etwas außerhalb des sich streitenden Zirkels und wunderte sich, wann der Erste zuschlagen würde… „Ok Jungs, Ruhe!“ Mit ein paar gezielten Klapsern auf Hinterteil und Kopf verschaffte sich Kai gehör. Er war ja nicht umsonst das Gehirn der Organisation. „Dieses Bad hat vier Wände, richtig?“ Ruki machte schon den Mund auf, um dem zu widersprechen, aber Reitas Hand verhinderte dies, in dem er ihm die Luftwege zustopfte. „Also nimmt sich jeder von euch eine Wand vor. Ihr wisst, wie schwer es ist, neue Mitglieder anzuwerben. Darauf habe ich nämlich keine Lust und Beerdigungen sollen ja auch ungesund sein.“ „Echt? Ich war mal auf einer, die war total lustig…“ Spätestens als alle Aoi entsetzt und verstört ansahen, wusste er, das irgend etwas falsch gelaufen war. „W-Was..? Hey, Leute…“ „Ach sei ruhig.“ Ruki blickte den armen Aoi griesgrämig an. „Wenn sie nicht wissen wollen, was ich zu sagen habe, wollen sie garantiert nicht wissen, was du zu sagen hast. Alles Ignoranten.“ So blieb Aoi belämmert in der Küche stehen, als sich alle anderen aufmachten, ihr Revier abzustecken. „Äh, Kai? Kann ich das Zimmer da drüben haben?“ Schüchtern zupfte Uruha am Ärmel von Kais Jacke. „Das ist nämlich das Einzige, das genug Platz für meinen Kronleuchter hat.“ Der Drummer sah ihn verwundert an. „Aber du hast doch gar keinen Kronleuchter….“ „Naja, noch nicht.“ Der große Gitarrist strahlte wie ein Kind an Weihnachten. „Weißt du, er soll ganz viele Ketten haben, mit Steinen die Lila funkeln! Und er hat fünf Arme und..!“ Uruha wurde in seiner vor Begeisterung strotzenden Rede gestoppt, als sich Reita schwer auf ihn warf. „Und dann hängen wir eine rote Laterne in dein Fenster, du Mädchen! Immer wenn die Verehrer weg sind, machen wir sie wieder an.“ Der Bassist brüllte fast vor Lachen, als sein bester Freund den ultimativen Schmollmund zog und beleidigt zu ihm runter schielte. „Nur weil ich Geschmack für uns beide haben muss. Sonst würden dich die Leute immer noch für einen aus dem Zoo geflüchteten Affen halten, wie damals in der Grundschule, als du in den Blätterberg gefallen bist.“ Es war wahrlich erstaunlich, wie ein Mensch doch an seinem eigenen Lachen würgen konnte. „Ha.“ Und mit hoch erhobenem Haupt löste sich der Gitarrist aus den erschlafften Fängen Reitas und stolzierte an ihm vorbei aus der Tür. Betretene Stille. „Nun, da Uruha schon vorgegangen ist, sollten wir die Streiterein endlich vertagen und ihm zum Baumarkt folgen, denkt ihr nicht? Gut!“ Ohne eine Reaktion seiner Bandmitglieder abzuwarten, stürmte Kai seinem Kollegen hinterher. Wer weiß schon, was ein aufgebrachter Uruha alles anstellen konnte? Vom Selbstmord bis zu Stripteas war alles möglich… „So… Eins, zwei, drei… Aoi! Hör auf Reitas Schnürsenkel zusammen zu knoten. Wenn wir einen Unfall haben, kann er so weniger schnell aus dem Auto. Ruki, hast du dich auch angeschnallt? Gut. Alles da, wie es scheint.“ Erleichtert atmete Kai aus und klemmte sich hinter das Steuer ihres altersschwachen Toyotas um endlich Richtung Baumarkt fahren zu können. „Als ob Reita die Schnürsenkel bei einem Crash retten könnten… nicht bei dem Fahrstil,“flüsterte Aoi Uruha ins Ohr. Dieser krallte seine Finger nur noch mehr in die Knie von Reita und Aoi und schluckte schwer. Wie er es doch hasste hinten im engen Auto eingequetscht zu sitzen… Keine Beinfreiheit, keine Fluchtmöglichkeit… Warum konnte er nicht einfach laufen? „Weil du uns sonst wieder verloren gehst, Uruha, deshalb.“ Ups… hatte er etwa laut gedacht? „Ja, hast du,“ Kam nur die trockene Antwort von Kai. „Können wir jetzt los?“ Keiner wagte auch nur einen Pieps von sich zu geben. Nur das Rascheln von Rukis Besänftigungsschokoriegel war zu hören. „Gut, dann starten wir.“ Heulend erwachte der altersschwache Motor zum Leben und das ganze Auto begann zu vibrieren. Ohne Vorwarnung trat Kai das Gaspedal durch und der Wagen schoss mit unglaublicher Geschwindigkeit aus der Parklücke. „Aaah!“ Knapp verfehlten sie einen Briefträger, schlitterten auf die Hauptverkehrsstraße. Auto, Auto, AutoAutoAutoAuto, Auto! Gekonnt wich Kai einem Laster aus, der sich bis vor kurzem noch genau auf sie zu bewegt hatte. Links über die Ampel und Gas geben. Einige Zeit später… „Uruha..?“ Vorsichtig legte Reita eine Hand auf die zitternde Schulter seines Freundes. „Uruha, rede mit mir. Wir sind angekommen. Siehst du, wir bewegen uns nicht mehr.“ Mit einiger Mühe drückte er die verkrampften Finger so weit auseinander, dass er sein Knie befreien konnte. Uruha starrte immer noch mit entsetztem Gesicht gerade aus und zitterte wie Espenlaub. „Oh mann, Kai. Ich glaube diesmal hast du es wirklich übertrieben.“ Vorwurfsvoll sah der Bassist aus dem Autofenster ihren Leader an, der nervös von einem Bein aufs andere trat. „Aber er müsste es doch nun endlich mal gewohnt sein…“ „Raus! Raus!“ Plötzlich war der Gitarrist zum Leben erwacht und schubste hysterisch Reita aus dem Auto auf den Boden, nur um auf schnellstem Weg zu den Büschen zu kommen, die die Parkplätze voneinander trennten. Geräuschvoll übergab er sich dort. Ruki und Aoi hatten indes beschlossen mit einem der Einkaufswagen des Baumarktes eine Achterbahn nachzustellen. Aoi stand vorne auf dem Gerät, während der kleine Schlechtwetterzwerg alle Kraft in seine Beine steckte und wie ein Irrer begann zu rennen, den Korb immer vor sich herschiebend. „Ich bin ein Vogel! Nein, ein Flugzeug! Ich bin Super-Aoi! Waaah!“ Ruki hatte just in diesem Moment beschlossen, die Flugfähigkeit ihres zweiten Gitarristen auszutesten und hatte scharf mit seinen Fersen gebremst. Dies hatte sich nicht unbedingt als eine seiner besten Ideen herausgestellt. Aoi stürzte wie ein Brötchen direkt vor den Wagen und bremste diesen somit schlimmer ab, als es der Sänger vorhergesehen hatte. Schmerzhaft wickelte er sich um den Haltegriff des Wagens. „Ugh..! Aua…“ „He he… du bist dümmer als gedacht. Somit hab ich die Wette gewonnen und krieg drei Schokoriegel… aua…“ Aoi, motiviert von seinem zukünftigen Preis, versuchte sich von unter dem Wagen hervor zu arbeiten. „Und wo bitte soll ich die Dinger auftreiben? Kai hat mir ja alle weggenommen… Wer hat ihm eigentlich damals das vegetarische Kochbuch geschenkt?“ Geschlagen trotteten die zwei Helden zurück zu dem Rest der Band. „Das war Reita. Er wollte nur was, wo keine Nudeln involviert waren… aber in das doofe Buch reingeguckt hat er auch nicht, der Idiot.“ „So, meinen lieben Leute. Da Uruha endlich aufgehört hat sich zu übergeben, können wir jetzt reingehen. Jeder schnappt sich so einen schicken Wagen.“ Sogleich stürzte sich die Meute auf die Wägelchen. „Meiner!“ „Finger weg, du Sau!“ „Aua!“ Wie wild schupsten und zogen drei Gazettos an einem Wagen, während sich in der Schlange daneben Uruha und Kai wie gesittete Erdenbürger einer nach dem Anderen einen Wagen ausliehen. „Wer hat damals noch gecastet..? Die müssen taub und blind gewesen sein…“ Und friedfertig dackelten die Beiden nebeneinander her, in die heiligen Hallen des Baumarktes, während draußen, vor den Toren, noch immer ein Krieg tobte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)