Longing von bookaholic ================================================================================ Longing ------- „Schenkst du mir eine Nacht in deinen Armen? Einen Kuss voller Liebe? Halt mich fest, Shô. Bitte halt mich fest..“ Ich konnte immer noch nicht glauben, dass ich diese Worte ausgesprochen hatte, dass sie mir flehend über meine Lippen gekommen waren. Es war die Verzweiflung gewesen. Die Verzweiflung, die Angst, dass er wieder gehen würde, dass ich alleine zurückbleiben würde, um auf ihn zu warten. Ich wusste, dass ich darauf gehofft hätte, ihn noch einmal wiederzusehen. Ich hätte Jahrhunderte gewartet, hätte er mich darum gebeten. Es war so viel Zeit vergangen. Zeit ohne ihn. Er hatte mich alleine gelassen, um sein „Leben“ langsam wieder auf die Reihe zu kriegen. Um damit klar zu kommen, dass ich – sein Freund – ihn zu einem Monster gemacht hatte. Es hatte Jahre gedauert, bis er zurückgekommen war. Jahre, in denen ich alleine gewesen war und jeden Tag die Sonne verflucht hatte – weil ich ohne sie nach ihm hätte suchen können. Und in der Nacht, hatte ich die Plätze aufgesucht, an denen gemeinsame Erinnerungen wach gerufen wurden. Der Strand, an dem wir mit unseren Freunden eine wunderbare Nacht erlebt hatten – eine sorglose Nacht. Der Ort, an dem wir auseinander gegangen waren – stillschweigend. Die Ruine, in der Shô mich gefunden hatte. Das Versteck, in dem er erfahren hatte, was ich war und gelächelt hatte anstatt ängstlich davon zu laufen... Und unsere Wohnung. Die Wohnung, in der ich Tag für Tag sehnsüchtig auf ihn gewartet hatte, in der wie in einem Film ständig irgendwelche Gespräche zwischen uns vor meinem geistigen Auge abgelaufen waren... Ich erinnerte mich gut an die Zeit, in der er in mein Leben getreten war. Mein kleiner Engel, wie ich ihn damals schon gerne im Stillen bezeichnet hatte. Er hatte so viel für mich getan und hatte dafür nur gefordert, dass ich bei ihm blieb. Und ich hatte mir geschworen, ihn zu beschützen und solange zu begleiten wie er mich an seiner Seite haben wollte. Heute dachte ich immer mit einem Lächeln an diese Zeit zurück. Oft hatte Shô von mir verlangt, dass ich bei ihm schlief. Dabei war es ihm egal, dass er eigentlich vor mir hätte Angst haben sollen. Nein, er hatte unbewusst immer wieder Schutz in meinen Armen gesucht... zumindest solange, bis er zu alt dafür geworden war und ich nicht mehr den „Papa-Ersatz“ hatte spielen müssen. Er war schnell erwachsen geworden. Und was ich an ihm so bewunderte war sein Ehrgeiz. Den Einsatz, den er bei unseren Jobs zeigte. Seinen Mut... Es hatte für ihn sicher nie so ausgesehen, als hätte ich jemals Angst um ihn gehabt, aber jedes Mal, wenn er in eine Schießerei geraten war, hatte ich im Stillen gebetet, dass er es überlebte. Und wenn er getroffen worden war und ich sein Blut gerochen hatte... ich hatte mich dafür gehasst, dass ich mir in diesem Moment wünschte, ich könnte ihn beißen. Ich hatte den Tag gefürchtet, an dem er mich verlassen würde... und dann war es geschehen... „Was ist passiert?“, fragte ich Shô, während ich mich neben ihn kniete, seinen am Boden liegenden Körper an mich zog. Ich rüttelte ein wenig an ihm, hoffte, dass er die Augen aufschlug. Daraufhin sah ich, wie er Blut spuckte. „Alle sind gegangen..“, wisperte er kraftlos und ich musste dabei zusehen, wie er seinen Arm hob, wohl nach etwas – was ich nicht sehen konnte – greifen wollte. Ich griff nach seiner Hand, drückte sie fest und schüttelte fassungslos den Kopf. Er konnte mich doch jetzt nicht einfach alleine lassen. „Bleib bei mir, Shô..“, flehte ich leise. „Geh nicht!“, rief ich dann aber, als sich Shôs Augen langsam schlossen. Ich schüttelte ihn ein wenig, wollte, dass er mich ansah, lächelte.. irgendwas tat, womit er mir zeigte, dass er diese Sache hier überleben würde. Ich wollte nicht ohne ihn sein... „Shô...“, wisperte ich. „Zwing mich nicht dazu, das zu tun...“ Ich schluckte schwer, beugte mich über ihn, als er nach einer halben Ewigkeit - wie es mir vorkam – immer noch keine Anstalten machte, sich zu rühren. Ich war egoistisch, das wusste ich. Aber es war mir egal, er sollte bei mir bleiben. „Verzeih mir...“ Mit diesen Worten senkte ich meine Zähne langsam in seinen Hals, wobei das schlechte Gewissen bereits an mir nagte. Doch als sein Blut meine Lippen benetzte, verschwanden jegliche Ängste. Er würde an meiner Seite sein, das war alles, was zählte... „Kei..?“ Ich sah auf, als ich seine Stimme hörte und er mir augenblicklich entgegen lächelte, mich enger an seine nackte Brust zog und mir einen Kuss auf die Stirn hauchte. „Du denkst zu viel nach, habe ich Recht?“ Ertappt biss ich mir auf die Unterlippe, senkte den Blick etwas, woraufhin er mein Kinn anhob, mich sanft küsste und damit dafür sorgte, dass ich mir nicht mehr auf die Lippe beißen konnte. Ich lächelte leicht, strich über seinen Arm und schloss wieder die Augen. Für dieses Gefühl, das er mir in den letzten Stunden vermittelt hatte, hätte ich auch noch drei Jahre länger gewartet. Ich hätte zwar nie gedacht, dass so wenig Zeit mal für mich so lang zu sein schien, aber das Warten hatte sich gelohnt. 36 Monate.. 144 Wochen.. gute 4320 Tage und in etwa 103 680 Stunden... ich hatte sogar die Sekunden gezählt. Und plötzlich nach fast genau drei Jahren.. war er vor mir aufgetaucht... Es war eine kalte Nacht. Der Wind wehte durch meine sowieso schon zerzausten Haare und sorgte dafür, dass ich hin und wieder nur die Hälfte vom Meer sah und der Rest von meinen blonden Haarsträhnen verdeckt wurde. Doch etwas war anders, das spürte ich. Es war nicht wie die letzten Nächte, die ich hier verbracht hatte. Wie immer starrte ich auf die Wellen, die langsam ans Ufer schwappten und wie immer hatte ich das Gefühl, dass sie mir die ganze Trauer, die Einsamkeit und vielleicht sogar meinen Hass auf mich selbst zurück brachten, wenn ich gerade dabei war, es einmal für ein paar Sekunden zu verdrängen. Seit Shô weg war hatte ich viel Zeit zum Nachdenken gehabt. Oft hatte ich es bereut, ihn zu einem Vampir gemacht zu haben. Denn irgendwie war der Gedanke, dass er einfach nicht zu mir zurück kommen KONNTE viel erträglicher wie der, dass er es nicht wollte. Ich verstand ihn, keine Frage.. ich hatte es akzeptiert, dass er erst einmal alleine mit seinem neuen.. „Schicksal“ hatte klarkommen wollen. Aber das Warten machte mich wahnsinnig. Dieses Unwissen war unerträglich. Kam er zurück? Kam er nicht zurück? Hasste er mich? Hatte er mich vielleicht sogar schon vergessen? Ein schweres Seufzen kam über meine Lippen, ehe ich mich umdrehte und sofort in der Bewegung inne hielt, als ich einen weiteren Windzug spürte – einen.. vertrauten. Ich ließ meinen Blick umherwandern, konnte aber nichts Außergewöhnliches entdecken. Ich bildete mir wohl schon Sachen ein. Das lag sicher an der Tatsache, dass ich mal wieder in meinen trüben Gedanken versunken war und sie mir erneut so zugesetzt hatten. Ich schüttelte den Kopf und setzte mich wieder in Bewegung. Ich sollte mich langsam auf den Weg zurück machen... Doch wieder spürte ich diesen Luftzug und im selben Moment wurde mir klar, dass ich mir das nicht einbilden konnte. Er war wieder da. „Shô...“, wisperte ich und traute mich gar nicht, mich umzudrehen. Ich hatte Angst davor, ihn anzusehen. „Du hast mich ganze sieben Sekunden zu früh entdeckt. Schade, dabei wollte ich unser Wiedersehen doch nach genau drei Jahren feiern. Ich hoffe für dich, dass du wenigstens auf mich gewartet und dir keinen neuen Spielgefährten gesucht hast, Kei...“ In dem Moment, in dem ich seine Stimme hörte, die Worte, die er sprach.. fiel mir eine tonnenschwere Last vom Herzen. Erst jetzt traute ich mich, ihm in die Augen zu blicken, also drehte ich mich um und war ihm näher als gedacht. Ein sanftes Lächeln umspielte seine Lippen und seine Augen waren so klar, wie immer. „Shô...“ Ich biss mir fest auf die Unterlippe, überbrückte den kleinen Abstand zwischen uns und umarmte ihn. Diese Umarmung war die Schönste in meinem Leben gewesen. Denn auch wenn ich noch keine Bestätigung von ihm bekommen hatte, dass er bei mir bleiben würde, hatte ich gespürt, dass auch er mich vermisst hatte. Er hatte mich festgehalten als würde er ertrinken, ließe er mich los. Und das tat man nicht einfach so... Genauso wie man nicht einfach miteinander schlief, sich jemandem hingab. Nein, ich hatte Shô nur bei mir wissen wollen. Er hatte die Sehnsucht, die drei Jahre lang in mir gesteckt hatte vertreiben sollen... Er hatte mir zeigen sollen, dass er auch an mich gedacht hatte und für uns beide diese Auszeit genommen hatte. Ich hatte spüren wollen, dass ich ihm etwas bedeutete... „Du warst oft hier, kann das sein? Hier riecht es überall nach dir...“, fragte Shô leise und löste sich langsam von mir, strich mir über die Wange. Ich nickte nur zaghaft. „Hast du mich vermisst?“ Wieder nickte ich und senkte meinen Blick dabei ein wenig. „Du hast geglaubt, dass ich vielleicht nie wieder komme...“, stellte Shô schließlich leise fest und lachte. „Und du hattest Angst, dass ich dich dafür hasse, richtig? Dass ich dich für das, was du mir `angetan´ verachte oder mich sogar an dir rächen will. Oh Kei, du bist so durchschaubar. Und vor allem so dumm...“ Ich biss die Zähne zusammen als ich ihn hörte und schlug die Hand, mit der er mein Kinn anheben wollte, weg. Er sollte mich nicht zurechtweisen wie ein kleines Kind, sondern mir lieber sagen, was er zu sagen hatte. „Hey...“ Seine Stimme klang auf einmal nicht mehr belustigt. Nein, sie klang sanft... so sanft, dass ich fast schon weiche Knie bekam, als ich seinen Atem an meinem Ohr spürte. „Ich liebe dich dafür, was du getan hast.. So kann ich für immer bei dir bleiben...“ Kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, sackte zusammen, sank auf meine Knie und zog Shô mit mir. Fassungslos aber vor allen Dingen unglaublich erleichtert krallte ich mich in sein Hemd und lehnte meine Stirn gegen seine Brust. Ich spürte, wie er seine Arme wieder um mich schlang, wie er meinen Körper zaghaft an seinen drückte und seinen Kopf auf meinen lehnte. „Ich habe Zeit gebraucht, um nicht mehr der schwache Shô zu sein, den du kennst. Ich wollte stark genug sein, um dich bei jedem weiteren Tief aufzufangen. Aber dafür musste ich dich alleine lassen. Verzeih mir, Kei...“ Ich schüttelte nur den Kopf, sah schließlich aber auf und lehnte meine Stirn an die Seine. „Es gibt nichts zu verzeihen.. Shô, es gibt.. absolut gar nichts zu verzeihen. Du hast.. an mich gedacht.. an uns... und du bist jetzt bei mir.. alles andere ist egal, hörst du? Jetzt bist du hier..“ Auf den Lippen meines Gegenübers breitete sich wieder ein atemberaubendes Lächeln aus, was mir vorerst den letzten Zweifel nahm, dass er wieder ging. Ich wusste nicht, ob er von nun an immer an meiner Seite bleiben würde – so, wie er es gesagt hatte -, aber für den Moment war es vollkommen egal. Hauptsache er war jetzt hier und hielt mich fest. Trotzdem wollte ich ihm näher sein, wollte, dass er all die Leere vertrieb, die er in den letzten Jahren zurückgelassen hatte. Ich legte meine Hände an seine Wangen, strich sanft über diese und sah ihn flehend an. „Schenkst du mir eine Nacht in deinen Armen? Einen Kuss voller Liebe? Halt mich fest, Shô. Bitte halt mich fest..“ Er hatte mich geliebt. Er hatte mir mehr gegeben, als ich erwartet hatte. Wortlos hatte er mich auf die Beine gezogen, seine Lippen auf meine gelegt und mich geküsst. So gefühlvoll, dass ich fast wieder eingeknickt wäre, hätten sich seine starken Arme nicht um meine Taille geschlungen und mich an seinen attraktiven Körper gepresst. Was danach passiert war, hatte ich nur wie durch einen Schleier mitbekommen. Wir waren nach Hause gegangen – das erste Mal seit langem gemeinsam – und er hatte mich auf das Bett gelegt, sich über mich gebeugt und immer wieder sanft geküsst, mir ins Ohr gewispert, wie viel er für mich empfand, dass er mir alles geben wollte, dass er mir gehörte... „Kei...“ Immer wieder hallte seine Stimme in meinem Kopf wieder, sorgte dafür, dass ich jedes Mal aufs Neue eine Gänsehaut bekam. Immer und immer wieder drang er in mich ein – nahm sowohl von meinem Körper als auch von meiner Seele Besitz, brannte sich in mir ein. Und immer wieder entlockte er mir fast schon hilflose Laute. Laute, die vor ihm noch nie jemand hatte hören dürfen. Ich begehrte diesen Mann über mir, ich liebte ihn – mit jeder Faser meines Körpers. Alles wollte ich ihm geben, mich wollte ich ihm schenken. Nie wieder sollte er diese Nacht vergessen. Ständig sollte er daran denken, wie mein Körper auf seinen reagierte. Ich wollte ihn um jeden Preis an mich binden und wenn ich mich ihm dafür immer wieder hingeben musste, tat ich es gerne. Nie wieder wollte ich diese Einsamkeit spüren... „Kei..“ Wieder war es mein Name, der über seine wunderschönen Lippen kam, ehe er diese auf meine presste. Es war ein unglaublicher Kuss. Auf der einen Seite so unglaublich leidenschaftlich und sinnlich.. und auf der anderen Seite einfach nur liebevoll... Es gab mir den Rest. Fest krallte ich mich in Shôs Schultern fest, ehe ich zusammen mit ihm fiel. Doch wir würden sanft aufkommen, das wusste ich. Daher ließ ich mich einfach in seinen Armen gehen. Er würde mich nicht mehr loslassen... Und jetzt lagen wir hier. Eng aneinander gekuschelt, immer noch in den Armen des jeweils anderen. Ich fühlte mich gut. So gut wie noch nie zuvor in meinem „Leben“. Es war schön zu wissen, dass er wieder bei mir war. Ich wusste zwar nicht, was in Zukunft auf uns zukommen würde, was wir noch alles erleben würden, aber ich war mir sicher, dass wir das gemeinsam durchstehen konnten. Seite an Seite. So schnell würde uns hoffentlich nichts mehr trennen. Jedoch wollte ich eine Bestätigung dafür, um mich wenigstens die nächste Zeit sicher bei ihm fühlen zu können und diese Gefühle auch genießen zu dürfen. Also richtete ich mich etwas auf, beugte mich über Shô und lächelte ihn an, ehe ich ihm einen sanften Kuss auf die Lippen drückte, langsam mit meiner Zunge über sie strich. „Wusstest du, dass Vampire einen ausgeprägten Sexualtrieb haben..?“, fragte ich schwach grinsend und sofort blitzten Shôs Augen auf. „Nein, aber jetzt wird mir klar, wieso ich mir die letzten drei Jahre immer vorgestellt habe, wie ich am besten über dich herfalle..“, antwortete er keck und obwohl ich diese Anspielung bewusst gemacht hatte, wurde ich leicht verlegen. „Möchtest du vielleicht ein paar deiner Gedanken.. ausprobieren? Die Sonne dürfte bald aufgehen, wir haben sowieso nichts zutun.. und.. du musst die letzten drei Jahre nachholen...“ Ich hob eine Augenbraue und befand mich wenige Augenblicke später schon wieder unter Shô, der wie eine Raubkatze über mir kniete, mich in die Kissen drückte und mich anschnurrte. „Ich hätte nichts dagegen, die nächsten sieben Jahre dieser gewissen Tätigkeit nachzugehen. Wie du schon sagtest.. wir haben viel aufzuholen...“ Ich lächelte, leckte mir einmal lasziv über die Lippen und legte den Kopf schief. „Wie haben alle Zeit der Welt...“ Kaum hatte ich ihm damit die zustimmende Antwort gegeben, vereinigten sich unsere Lippen wieder zu einem leidenschaftlichen Kuss. Jetzt war ich mir sicher. Er würde alles für mich geben – ganz egal, was es war.. Schenk mir eine Nacht in deinen Armen. Küsse voller Liebe. Halt mich fest, Shô. Bitte halt mich fest.. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)