Candlelight Dreams von Chimi-mimi (One-Shots - Challenge) ================================================================================ Kapitel 1: Erstes Licht: Augenblick ----------------------------------- Es war nur ein Augenblick und dann warst du weg. Nur einen Augenblick, den ich mit dir verbringen durfte, nur ein Augenblick, in dem er dich zu sich geholt hat. Und jetzt stehe ich hier. Der Winter ist gekommen und du bist gegangen. Dein glockenhelles Lachen ist weg, ebenso wie die singenden Vögel. Die Blumen sind verwelkt, der Kälte unterlegen, so wie ich unter meiner Trauer eingegangen bin. Während ich hier stehe und mich an unsere kurzen gemeinsamen Augenblicke erinnere, umklammere ich krampfhaft die Rose, deine Lieblingsblume. Sie sticht mich, doch der Schmerz ist es, der mir bewusst macht, dass ich noch lebe. Und du nicht. Ich lege die Blume ab, ein kleiner Lichtblick auf dem trostlosen braunen Grab. Fasziniert betrachte ich den kleinen Blutstropfen, der an meinem Finger entlang rinnt. Er erinnert mich an… Dann denke ich zurück an den Tag. Den letzten Tag. Wir waren so glücklich. Ich weiß es noch genau. Die Sonne hat geschienen, der Himmel war strahlend blau. Es war nicht warm, nein, du hattest deine weißen Fäustlinge an und eine ganz rote Nase. Aber dir hat es nichts ausgemacht, du sagtest mir, du liebst diese kühle Herbstluft. Wir sind an einem großen, braunen Fluss entlang gelaufen. Du hattest ein Stück altes Brot dabei und die Enten gefüttert. Deine unglaubliche Tierliebe, du konntest an keinem Tier vorbeigehen und hattest immer etwas zu fressen für sie dabei. Wie du gestrahlt hast, als die Enten dich schnatternd umringt haben. Als dein Brot alle war, hast du dich mit einem kleinen Lächeln bei ihnen entschuldigt. „Tut mir Leid, ich habe nichts mehr.“ Dann hast du meine Hand in deine kleine genommen und mich in den Park gezogen. Gemeinsam sind wir über die Wiese gerannt, atemlos lachend. Haben uns am anderen Ende ein Coffee to go geholt. Auf einer kalten, grünen Parkbank hast du ihn getrunken, zuerst war er dir zu heiß, dann wieder zu kalt. Aber du hast ihn getrunken, man soll nichts kaputt gehen lassen. Mit deiner hellen Stimme hast du mir Geschichten aus deiner Kindheit erzählt. Von deiner Lieblingspuppe, deiner ersten Reitstunde und das Weihnachten, an dem dein Großvater gestorben ist. Dabei kannten wir uns erst ein paar Stunden. Ich habe dich in der U-Bahn angesprochen und du hast mich mit einem Lächeln eingeladen. „Lass uns spazieren gehen!“, hast du mich aufgefordert und ich habe zugestimmt. In diesem Moment war ich überglücklich. Schon seit einigen Wochen hatte ich dich beobachtet, bei mir war es Liebe auf den ersten Blick. Deine fröhliche Art und Weise, deine roten Wangen, wenn du mal wieder knapp dran warst. Das entschuldigende Lächeln zum Fahrer, der zwar immer schimpfte, aber auch jedes Mal auf dich wartete. Wenn du älteren Menschen den Platz angeboten hast, wenn du in einer Kurve das Gleichgewicht verloren hast und oft fast hingeflogen wärst. Ganz einfach die Tatsache, dass du nie schlechte Laune und immer ein Lachen in den Augen hattest. Da auf dieser Parkbank hast du mir gesagt, dass auch du mich schon eine Weile beobachtest. Hast mir gesagt, dass du mich gerne öfter treffen würdest. Mich, den wohl durchschnittlichsten Mensch auf der Welt. Das war das schönste Gefühl, das ich je hatte. Wir haben uns verabredet. Für den Tag darauf, gleiche Uhrzeit, gleicher Ort. Enten füttern, Kaffee trinken und reden. Mehr über dich lernen, mehr über mich erzählen. Dann bist du los, in Eile. Du bist auf die Straße, hast dich umgedreht und mir gewinkt. Ich habe noch nach dir gerufen, wollte dich warnen, doch es war zu spät. Zu spät. Deine weißen Handschuhe waren nicht mehr weiß. Das Lächeln starb mit dir. Und ich stand da, erstarrt, hilflos, mein Blick nur auf dich gerichtet. Blind für alles andere und ich dachte nur, warum. Warum? Warum… Es war doch nur ein kurzer Augenblick, zu kurz, viel zu kurz. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)