The short stories of Eternity Sword von Flordelis (Kurzgeschichtensammlung) ================================================================================ Hybris ------ Er war gelangweilt. Nicht vom Krieg an sich, er liebte die Schlacht, genoss es, wann immer er Leben nehmen durfte, was er dann stets bis zur letzten Sekunde auskostete und deswegen liebte er diese Welt, diese Zeit, in der ein ewiger Krieg zu herrschen schien, der bereits vor seiner Geburt begonnen hatte. Er war ein Soldat, nicht um sein Heimatland zu verteidigen, sondern um zu töten, egal wen – und der einzige Weg, das auf legalem Weg zu tun, war eben dieser. Aber dennoch war er gelangweilt. Zwar tötete er wirklich gern, aber er empfand keine Befriedigung darin, Fliegen zu erschlagen. Das war wohl der beste Vergleich, den er für seine Gegner – und auch für seine Verbündeten – fand. Sie alle waren nichts weiter als nervige kleine Insekten, die man mit einem einzigen gezielten Schlag zerquetschen konnte. Er aber sehnte sich nach der Herausforderung, er wollte einen Kampf, einen, bei dem er endlich spürte, wie das Adrenalin durch seine Adern schoss, wie sein Körper sich anspannte, wie er dem Tod ins Auge blickte. Aber bislang hatte er einen derartigen Gegner nicht auf dem Schlachtfeld gefunden. Selbst die gefürchtesten Soldaten, die man gegen ihn in den Kampf geschickt hatte, waren nicht einmal einen einzigen Schweißtropfen wert gewesen. Es war bedauerlich, denn je mehr Soldaten er tötete, in der Hoffnung, endlich einen würdigen Gegner zu finden, desto näher rückte das Ende des Krieges und damit auch das Ende seiner Suche, die wohl erfolglos im Sande verlaufen würde. In dieser Welt würde er den Gegner, den er suchte, nicht finden, das war ihm inzwischen bewusst. Aber es gab keine Möglichkeit, woanders danach zu suchen. Er würde sterben, an Langeweile vermutlich, sobald der Krieg vorbei war. Und genau das stand ihm kurz bevor. Alle auf dem Hof versammelten Soldaten unterhielten sich aufgeregt über das, was sie tun würden, sobald alles vorbei war, sobald der Frieden eingezogen war. Sie freuten sich auf diese Zeit, obwohl sie noch nicht einmal wussten, ob sie bis dahin überleben würden. Allerdings schien auch jeder von ihnen zu denken, dass er sie beschützen würde, wofür er aber nicht einmal ein müdes Lächeln übrig hatte. Ihm stand nicht der Sinn danach, jemanden zu beschützen, dass er sie nicht tötete, lag auch nur daran, dass er sonst schneller im Kerker wäre als ihm lieb sein konnte. Es gab nur noch eine einzige Schlacht und dementsprechend schlecht war seine Laune, selbst als er sich durch die Horden feindlicher Soldaten kämpfte. Wobei selbst er kämpfen als schlechte Bezeichnung empfand, immerhin kostete es ihn stets nur eine einzige, rasche Bewegung mit seinem Schwert, die ihm kaum Mühe abverlangte, um alle anstürmenden Soldaten zu Boden zu reißen, wo sie entweder verletzt oder gar tot liegenblieben oder sich dazu entschieden, sich zu ergeben. Noch in der ersten Schlacht waren ihm selbst jene dann zum Opfer gefallen, doch war das mit der Zeit derart langweilig geworden, dass er sich entschieden hatte, sie zukünftig zu ignorieren. Der Krieg würde enden, sobald diese Schlacht vorbei war und in diesem Moment wünschte er sich nichts sehnlicher als dass dies nie eintreten möge. Und in jenem Moment erstrahlte ein gleißendes Licht in der Mitte des Schlachtfelds. Augenblicklich erstarrten alle Soldaten und wandten sich dem Strahl zu, der durch die Wolken gebrochen war. Doch es war mehr als nur Licht, er konnte es spüren, darin wurde noch etwas transportiert, etwas Machtvolles, das seinen ganzen Körper sofort in helle Aufregung versetzte und ihn innerlich frohlocken ließ. Es war fast als ob der Kriegsgott persönlich seinen Wunsch erhört hätte und nun vom Himmel herabstieg, um ihm eine Herausforderung zu bieten. Während die anderen Soldaten den Lichtstrahl nur verwirrt anblickten, fühlte er sich wie magisch davon angezogen, so dass er darauf zulief. Er konnte sehen, wie Frauen aus dem Licht entstanden und auf dem Schlachtfeld landeten. Frauen mit ungewöhnlichen Haarfarben, grün, rot und blau, mit Flügeln auf ihren Rücken und einer Haut, die so weiß war, dass sie aus dem feinsten Porzellan angefertigt zu sein schien. Während er lief, hörte er, wie die anderen Soldaten etwas von Engeln murmelten, die gekommen waren, um die Schlacht zu beenden und die Menschen in ein neues Zeitalter zu führen, genau wie es in den alten Schriften beschrieben worden war. Doch er spürte etwas anderes, er spürte Feindseligkeit, Hass und der Wunsch nach Vernichtung im Inneren dieser Engel, die von einem eigentümlichen Schimmer umgeben waren. Ein leises Lachen erklang – und dann stürmten die Wesen bereits los. Waffen erschienen urplötzlich in ihren Händen, mit denen sie äußerst geschickt durch die Reihen der Soldaten preschten, jeder einzelne Hieb fällte einen Mann, während diese sich offensichtlich nicht zur Wehr setzen konnten. Ihre Schwerter zersplitterten, wann immer sie auch nur in die Nähe dieser Wesen kamen. Doch er selbst schien von all dem unberührt, keiner der Engel griff ihn an, während er sich seinen Weg zu der Lichtsäule bahnte als würde er von dieser gerufen werden. Und da keines der Wesen wirklich Anstalten machte, ihn anzugreifen, musste etwas daran stimmen. Sie spürten, genau wie er schon sein ganzes Leben, dass er anders war und dass er würdig war, zu erfahren, was sich in dieser Lichtsäule verbarg. Einen Schritt vor dem Glanz hielt er wieder inne. Obwohl er direkt hindurchsehen konnte als wäre es aus Glas, wusste er einfach, dass es auch etwas im Inneren gab, das es wert war, gesehen zu werden. Sollte er hineintreten? Oder sollte er sich abwenden und es mit diesen Wesen aufnehmen? Doch ehe er sich entscheiden konnte, was er tun sollte, spürte er plötzlich, wie die machtvolle Energie im Inneren des Strahls herabzusinken schien, in einer irrsinnigen Geschwindigkeit, die ihm nur den Bruchteil einer Sekunde ließ, um eine Entscheidung zu treffen. Doch eine solche Situation war er aus all seinen Kämpfen gewohnt, so dass er wie jedes Mal einfach nur seine Klinge hochriss, um den Angriff abzuwehren. Aber dieses Mal passierte etwas anderes als sonst. Die fremde Klinge traf so kraftvoll auf seine, dass seine Füße einige Millimeter in den Boden versanken, sein Arm schmerzte heftig, aber er stand noch immer, was seine Feindin zu freuen schien. An dem hellen Lachen erkannte er sofort, dass es eine Frau war – doch bei genauerem Hinsehen stellte er überrascht fest, dass es sich eher um ein Mädchen handelte. Ihr langes, weißes Haar war zu zwei Pferdeschwänzen gebunden, das sie niedlich erschienen ließ, genau wie die Kappe, die sie auf dem Kopf trug, aber in ihrem Gesicht konnte er die unbändige Sehnsucht nach Gewalt erkennen, so ähnlich wie er es sah, wenn er in den Spiegel blickte. Sie stellte sich aufrecht vor ihn, musste aber den Kopf heben, um ihn ins Gesicht blicken zu können. Der Stab in ihrer Hand, von dem die machtvolle Aura ausging, war geringfügig größer als sie. „Ich bin überrascht“, sprach sie. „Als ich in diese Welt kam, habe ich nicht damit gerechnet, jemandem wie dir zu begegnen. Ein Eien Shinken mit dem bloßen Arm abzufangen, ist geradezu erstaunlich.“ Er erwiderte nichts darauf. Sein ganzer Körper zitterte aufgrund eines Gefühls, das er nicht kannte, aber dessen Beschreibung er von den anderen Soldaten oft gehört hatte: Es war Furcht – aber darin schwang noch etwas anderes mit, das bislang ebenfalls unbekannt für ihn gewesen war. Doch diesem Gefühl folgend, kniete er sich vor das Mädchen, so dass er nun ein wenig kleiner war als sie. In ihren Augen konnte er einen zufriedenen Schimmer erkennen. „Oh, du weiß offensichtlich, wie man sich seinem Vollstrecker gegenüber verhält.“ Die Engel waren von ihr geschickt worden und da diese gerade dabei waren, jeden auf dem Schlachtfeld zu töten, war es nur logisch, dass er daraus folgerte, dass es ihr Ziel war, zumindest sämtliche Soldaten, egal welchen Reiches, auszulöschen, auch wenn er nicht wusste, warum oder wer sie überhaupt war. Das Gefühl der Furcht verebbte langsam, der Respekt blieb allerdings. Die Differenz an Kraft zwischen ihnen beiden, erfüllte jede Faser seines Körpers und ließ ihn vor Ehrfurcht zittern. „Aber ich glaube, es wäre eine Schande, dich einfach zu töten.“ Dabei musterte sie ihn von oben nach unten und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Er schwieg noch immer, doch spürte er eine gewisse Erwartungshaltung von ihrer Seite aus, die ihn schließlich dazu brachte, doch den Mund zu öffnen: „Ich dachte immer, ich wäre der stärkste Krieger, der existiert, dass es niemanden gibt, der mich besiegen kann.“ Sie lachte leise. „Wo ich herkomme, gibt es noch viel mehr meiner Sorte.“ Es gab also noch mehr starke Krieger, die ihn mit diesem Gefühl von Furcht, Respekt und purem Adrenalin erfüllen könnten. Als ihm das bewusst wurde, wurde sein alter Wunsch durch jenen ergänzt, ihr zu folgen und sich diesen anderen Kriegern zu stellen, gegen sie alle zu kämpfen – und sie dann zu töten. Der Stab in ihrer Hand leuchtete auf, während dieser Wunsch ihn erfüllte, offenbar reagierte er darauf, denn das Mädchen lächelte daraufhin. „Oh, ich verstehe. Ja, ich finde, das ist eine gute Idee.“ Es kam ihm vor als würde sie mit sich selbst sprechen, aber tief in seinem Inneren wusste er, dass sie mit dem Stab redete und dieser auch mit ihr. Doch dann wandte sie sich wieder ihm zu. „Ich bin Houou Temuorin. Wenn du mir deine Treue schwörst, werde ich dich mit mir nehmen und dir helfen, die Stärke zu erlangen, die du benötigst, um andere Gegner meines Kalibers herauszufordern.“ Das alles amüsierte sie sichtlich, sie lächelte vergnügt als wäre das ein Spiel für sie, bei dem sie kurz davor stand, endlich zu gewinnen. Ein wohltuender Schauer fuhr über seinen Rücken, er dankte dem Kriegsgott dafür, dass er Temuorin zu ihm geschickt und damit seinen größten Wunsch erfüllt hatte, selbst wenn sie dafür nun sämtliche Menschen dieser Welt töten würde. Er legte eine Hand auf sein Herz – das nach Meinung vieler seiner früheren Kameraden ein Eisklotz oder ein Stück schwarzer Kohle sein musste – und atmete tief ein, ehe er zu sprechen begann: „Ich, Takios, schwöre Houou Temuorin die ewige Treue.“ Er hatte nicht lange überlegt, aber dennoch wusste er, dass er das nicht bereuen würde, dass sich seine Träume erfüllen würden, wenn er ihr folgte – und er sollte recht behalten. Wenngleich er zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen konnte, dass ewig in diesem Fall ausnahmsweise auch wirklich für immer bedeutete... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)