The short stories of Eternity Sword von Flordelis (Kurzgeschichtensammlung) ================================================================================ Ihr letzter Wunsch ------------------ Erschöpft stolperte sie durch den Wald. Dabei hielt sie sich den linken Arm, aus dem immerfort Mana strömte, ohne dass sie es verhindern konnte. Aber wenigstens war sie nun in Sicherheit, auch wenn sie nicht wusste, in welcher Welt sie gelandet war. In ihrer Panik hatte sie einfach einen beliebigen Spirit Corridor geöffnet und war geflohen, hatte den Zeitbaum verlassen, damit der Gott der Zerstörung ihr nicht folgen konnte. Dennoch würde sie sterben, das Mana, das geradezu aus ihrem Körper floh und sie immer kraftloser zurückließ, sagte ihr das. Aber immerhin war ihr ihr Orichalcum-Name geblieben, sie würde wiedergeboren werden, um Rache an Jiruol zu nehmen... vielleicht. Schleppend bewegte sie sich weiter, sie seufzte leise. Warum musste sterben so lange dauern? Und warum war sie dabei ganz allein? Nie hätte sie gedacht, dass sie einmal völlig allein dem Tod ins Auge blicken würde. Andererseits hätte sie aber ohnehin nie geglaubt, irgendwann zu sterben. Sie war nicht umsonst eine Göttin, die allerdings auf der „falschen“ Seite gestanden hatte. Jiruol war stärker als sie alle, das war ihr inzwischen klar. Doch die Erkenntnis kam viel zu spät. Ein leises Geräusch ließ sie innehalten. Vorsichtig wandte sie den Blick zu dem Gebüsch, aus dem das Geräusch gekommen war. Ihr Körper zitterte, während sie sich in allen Farben ausmalte, was sich in diesem Gebüsch alles befinden könnte. Sie atmete erleichtert auf, als schließlich nur ein Kaninchen herauskam – gefolgt von einem Mann. Nervös sprang sie zurück, nur um direkt in die Knie zu gehen. Der Mann, der sie erst in diesem Moment bemerkte, sah sie verwirrt an. „Alles in Ordnung?“ Er wollte näher kommen, doch sie schüttelte den Kopf. „B-bleib weg! Komm nicht näher!“ Ihre Gedanken überschlugen sich, sie konnte nicht mehr klar denken, ihn nicht einmal fragen, ob er wirklich einer ihrer Feinde war. Beruhigend hob er die Hände. „Schon gut, ich tue dir nichts, versprochen.“ „W-wer bist du?“, fragte sie mit zitternder Stimme. Er legte eine Hand auf sein Herz. „Ich bin Vidar. Und du?“ Langsam beruhigten sich ihre Gedanken wieder, ihr Körper zitterte weniger. „Alnine...“ Sie erwartete nicht, dass er ihren Namen kennen würde, was er tatsächlich nicht tat. Aber er kam wieder näher. „Das sieht nicht gut aus. Du bist verletzt.“ Sie schüttelte mit dem Kopf, ihr schwarzes Haar flog dabei wild hin und her. „Nein, i-ich...“ Bevor sie den Satz beenden konnte, knickten ihre Beine unter ihr weg, sie stürzte zu Boden – und landete weich in den Armen von Vidar. Verwirrt sah sie ihn an. „W-wieso...?“ „Shhht, ganz ruhig“, sprach er mit sanfter Stimme. „Sprich nicht so viel.“ Vidar schloss die Augen, grüne Manafunken sammelten sich um ihn herum. Er hat ein Shinken, fuhr es ihr durch den Kopf. Aber er kommt mir nicht wie ein Feind vor. Er ist... so nett. „L-lass das“, flüsterte sie. „Es ist zu spät.“ Alnine wusste bereits, dass nichts und niemand sie mehr retten könnte. Die Verletzungen, die Jiruol ihr zugefügt hatten, waren viel zu tief und zu zahlreich. Als Vidar seine Augen wieder öffnete, sah sie einen traurigen Ausdruck darin. Warum ist er so traurig? Wir kennen uns doch gar nicht... Er machte Anstalten, aufzustehen. „Warte hier, ich hole dir Hilfe. Irgendjemand wird dir schon helfen können, auch wenn ich es nicht kann.“ Gegen ihren Willen klammerte sie sich an ihn. „N-nein, bitte geh nicht. Lass mich... lass mich nicht allein. Ich will nicht... allein sein.“ Warum hatte sie das nur gesagt? Sie kannte ihn ja nicht einmal. Aber besser ein Unbekannter als vollkommen allein zu sterben. Unschlüssig sah er zwischen ihr und der Richtung, in der sie ein Dorf vermutete, hin und her. Ihr flehender Blick schien ihn schließlich nachgeben zu lassen. Er seufzte leise. „Gut, ich bleibe bei dir.“ Sie bedankte sich lächelnd und ließ sich wieder in seine Arme zurücksinken. Ihr Blick ging an ihm vorbei zum sternenübersäten Himmel. „Es ist... wunderschön hier, nicht?“ Vidar nickte. „Ja, ist es.“ Sie schwieg wieder für einen Moment. „Eigentlich... ist sterben gar nicht so schlimm.“ Ob es die sichere Gewissheit war, dass sie sterben würde oder die beruhigende Wirkung seiner Arme, ihr Innerstes fühlte sich auf einmal vollkommen gelassen, vorbei waren die Rachegedanken oder die Furcht davor zu sterben. Vidar sah sie lächelnd an. „Du musst dir auch keine Sorgen machen. Du verschwindest nicht ins Nichts, du hast einen Orichalcum-Namen, also wirst du wiedergeboren werden... und ich bin sicher, dass du dann ein schönes Leben haben wirst.“ Er fragte nicht, woher sie kam und von wem sie derartig verletzt worden war, wofür Alnine ihm dankbar war. Nicht einmal gedanklich wollte sie diesen Kampf erneut durchgehen. Behutsam strich er ihr eine Strähne aus dem Gesicht. Sie lächelte angestrengt. „Glaubst du das wirklich?“ Sein Lächeln, als er nickte, war so überzeugend, dass sie nicht anders konnte als selbst daran zu glauben. Ja, sie würde mit Sicherheit ein schönes Leben haben, wenn sie erst einmal wiedergeboren war, vielleicht sogar ein Leben, in dem sie ihr Shinken nicht benutzen musste. Lächelnd schmiegte sie sich an ihn. „Ich mag dich... ich wünschte, ich hätte dich früher getroffen.“ Er legte den Kopf schräg. „Du bist wirklich ziemlich seltsam. Wir kennen uns doch kaum.“ „Aber deine Stimme verrät mir, dass du nett bist“, sagte sie leise. „Außerdem bist du bei mir geblieben, statt mich allein zu lassen.“ „Ich... verstehe.“ Doch sein verwirrtes Gesicht sagte genau das Gegenteil. Sie glaubte zu spüren, wie ihr Körper leichter wurde, gleichzeitig verschwanden auch die Sorgen und Bedenken der letzten Zeit. „Ich wünschte, ich hätte dich früher getroffen“, wiederholte sie. „Vielleicht treffen wir uns ja mal wieder“, meinte er aufmunternd. „In einem anderen Leben.“ Lächelnd sah sie ihn an. „Das wünsche ich mir.“ Angestrengt hob sie den Oberkörper, um ihm einen Kuss auf die Wange zu geben. Vidars Gesicht wurde schlagartig rot, doch bevor er etwas dazu sagen konnte, sah er nur noch Manafunken in seinen leeren Armen. Alnines Körper hatte sich endgültig aufgelöst. Träge schwebten die Funken in den Himmel davon, Vidar sah ihnen nachdenklich, aber lächelnd hinterher. So kurz diese Begegnung auch gewesen war, diese Alnine hatte etwas in seinem Inneren berührt, wie noch nie jemand zuvor. Diese junge Frau, die sich schwer verletzt einfach einem Wildfremden anvertraut und diesen in den letzten Minuten sogar in ihr Herz geschlossen hatte, nur anhand seiner Stimme. Besonders ihr letzter Wunsch hatte ihn gerührt. Er schloss die Augen und legte eine Hand auf sein Herz, bevor er den Manafunken einen Wunsch hinterherschickte: „Ich wünsche mir auch, dass wir uns wiederbegegnen.“ Selbst wenn sich nur unsere Herzen aneinander erinnern. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)