Am Anfang war der Satz von abgemeldet (Meine Oneshotsammlung für den Assoziatives-Schreiben-Zirkel) ================================================================================ Kapitel 1: Russisches Roulette (Witch Hunter Robin, Satz 07) ------------------------------------------------------------ Zeitlich liegt dieser OS in Szene 23. Zur kurzen Auffrischung der Fakten: Nagira, Amons Bruder, unterhält sich mit diesem über Robin. Amon weiß nicht, ob er ihr vertrauen kann, oder ob sie sich, da ihre Witchkräfte immer stärker werden, vom Wesen her verändern wird. Nagira ist der Ansicht, dass sie noch genau dasselbe Mädchen ist, wie zuvor. Kurze Zeit später, taucht Amon in Robins Zimmer auf. Er richtete seine Waffe auf sie, doch sie sagt, dass sie an ihn glaubt... ********************************* Und doch war da diese schwache, bange Stimme in mir, die sich fragte, ob es sehr wehtun würde, wenn... wenn es ein schlechtes Ende nahm. Trotz der Tatsache, dass ich mich freiwillig stellte. Würde es schmerzen? Würde Amon überhaupt auf mich schießen? Wie fühlte es sich an, seine Witchkraft zu verlieren? Immerhin war es ja kein Körperteil - wie ein Arm oder ein Bein - nichts festes also. Merkte man es überhaupt? Ich versuchte mich daran zu erinnern, wie die Opfer unserer Jagden ausgesehen hatten, als die mit Orbo gefüllten Patronen in ihre Körper einschlugen. Krämpfe. Sie hatten sich stets unter Schmerzen gewunden, wenn sie nicht gar ohnmächtig geworden waren. Erst jetzt, wo ich selbst auf der Seite der Beute stand, fiel mir auf, wie absurd das doch war. Zaizen, die Factory, Salomon... Sie alle behaupten, wir würden die Witches "human" bekämpfen. Aber ging das überhaupt? Gab es so was wie humane Kämpfe? Oder waren auch wir nicht besser, als die Menschen im Mittelalter, welche ihresgleichen auf Grund von Aberglaube, Neid und übertriebener Frömmigkeit folterten, bei lebendigem Leibe verbrannten. Mein Blick glitt zu der Waffe, welche Amon auf mich gerichtet hatte. Gab es überhaupt noch ein "wir"? Oder sah auch er die Welt nur in schwarz und weiß, so wie ich es früher getan hatte? Es war so einfach gewesen. Die Anderen waren die Bösen, wir die Guten - was sonst... Die alte Hexe aus dem Viertel hatte recht. Die Welt war nicht so beschaffen, wie wir es uns wünschten, nicht nur Licht und Dunkelheit. Es gab Farben, Grautöne. Man konnte sie nicht einfach in zwei Hälften teilen. Es hieß stets neu zu entscheiden, stets neu zu wählen, welchen Pfad wir gehen würden. Mit jeder Sekunde die verstrich, konnte sich ein Mensch sowohl zum Guten als auch zum Bösen wenden. Niemand wird als das reine Böse geboren, niemand als das reine Gute. Wir sind die Summe unserer Entscheidungen. "Wie wirst du dich entscheiden Amon? Ich werde keinerlei Widerstand leisten, ganz gleich, zu welchem Ergebnis du kommst. Aber bitte, tue es jetzt." Die Ungewissheit quälte mich mehr, als alles andere. Ich musste wissen, woran ich war. Konnte ich ihm trauen? "Du bist eine Hexe." Seine Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Ich versuchte an seinem Tonfall heraus zu finden, was er dachte, aber es war unmöglich. Er klang nüchtern, sachlich, emotionslos - wie immer. Ich wusste nicht, ob es eine Frage oder eine Feststellung war, deshalb nickte ich vorsichtshalber. Die Tatsache, dass ich selbst Witchkräfte besitze, war kein Geheimnis und bereits an meinem ersten Tag in der STN-J bekannt geworden. Welchen Sinn hätte es, das Offensichtliche zu leugnen? "Du hast Hexen gejagt." Wieder nickte ich. Natürlich hatte ich meinesgleichen gejagt - meine ganze Erziehung hatte sich darauf ausgerichtet, diese Aufgabe zu erfüllen. Die 16 Jahre meines bisherigen Lebens hatte ich nicht nur damit verbracht, zu lernen, wie man den Verlockungen der Kräfte widersteht, sondern auch wie man die Wesen, die Witches genannt werden, unschädlich macht. "Auf welcher Seite stehst du?" Was war das für eine Frage? Inzwischen war ich mir nicht einmal sicher, welche Seiten es eigentlich gab. "Auf meiner." Ich war weder vollkommen für, noch vollkommen gegen die STN-J. Ich wusste, dass es sowohl gute, als auch böse Hexen gab, ebenso wie es sowohl gute als auch böse Menschen gab. "Du bist Jäger und Beute, Täter und Opfer. Das erste Mal in meinem Leben, weiß ich nicht genau, was ich tun soll." Gebannt hörte ich seiner Stimme, die plötzlich einen Teil ihrer Kälte verloren zu haben schien, zu. Oberflächlich wirkte sie wie immer, doch in der Tiefe vermeinte ich einen wahren Widerstreit der Gefühle wahrzunehmen. Doch das erschien mir absurd. Amon, welcher sich seiner Gefühle nicht sicher war? Amon, welcher überhaupt Unsicherheit zeigte? Das war... unmöglich. "Ich habe den Befehl dich unschädlich zu machen. Und doch weiß ich nicht, ob ich das überhaupt kann. Was tust du mit mir? Ist das ein Fluch? Ein Zauber, den du über mich gelegt hast?" Stumm schüttelte ich den Kopf. "Wir werden das Schicksal entscheiden lassen, was ich tun soll. Kennst du den Begriff russisches Roulette?" Er zog eine andere Waffe hervor, einen antik wirkenden Revolver. "Dieses kleine Ding, lässt sich mit bis zu 6 Patronen laden. Ich weiß nicht mehr, wie viele noch in der Trommel sind. Lassen wir also das Glück entscheiden." Er hatte sich gegen mich entschieden. Ich kannte Amon, er lud seine Waffen stets vollständig. Es würde keine leeren Kammern in der Trommel des Revolvers geben. Es gab gar keine andere Möglichkeit, als dass ich getroffen wurde. Doch ich hatte versprochen, nicht wegzulaufen. Und so stand ich still und wartete auf den Schuss. Was folgte, erschien mit nahezu wie in Zeitlupe. Er versetzte die Rolle in Drehung, dann hörte ich, wie sie klickend einrastete. Mit quälender Langsamkeit spannte er den Hahn. "Du fliehst nicht?" "Nein." Ich würde standhaft bleiben. Was brachten mir meine Kräfte, wenn ich dafür das Vertrauen der Menschen in mich aufgeben musste? Lieber verlor ich meine Kräfte, als dass ich mit ansehen musste, wie sich all meine Freunde nach und nach von mir abwandten, weil sie meine Gabe fürchteten - oder wenn sie sogar Jagd auf mich machten. Sogar der Tod wäre besser. Ich schaffte es nicht Amon ins Gesicht zu blicken, sondern richtete mein Augenmerk auf seinen Zeigefinger, welcher sich gemächlich um den Abzug krümmte. Innerlich bereitete ich mich auf den folgenden Schmerz vor, versuchte mich zu wappnen. Dann zog Amon ruckartig den Auslöser durch. Nichts geschah. Ein dumpfes Klicken ertönte, aber keine orbogefüllte Patrone schoss auf mich zu, kein Knall war zu hören. Der Arm meines Gegenübers senkte sich wieder. Erstaunt sah ich auf, und war noch verwunderter, als ich ein Lächeln auf seinem Gesicht sah. Er richtete den Lauf zu Boden, spannte den Hahn und drückte ab - insgesamt 5 Mal. Nie war mehr als ein dumpfes Klicken zu hören. "Scheint, als wäre er bereits leer gewesen", murmelte er vor sich hin, bevor er die Waffe in einer Tasche seines langen Mantels verschwinden ließ. "Das Glück ist wohl auf deiner Seite, Robin." Ohne mit der Wimper zu zucken, drehte er sich um und schritt Richtung Ausgang. Dort wandte er sich noch einmal zu mir um. Immer noch war ich wie erstarrt, konnte nicht glauben, was soeben passiert war. "Komm. Wir haben noch viel zu erledigen." Ich merkte, wie die Tränen begannen mir über die Wangen zu perlen, aber es störte mich nicht. Es waren Tränen des Glücks, denn ich war mir nun bewusst, dass ich eines der wertvollsten Dinge der Welt besaß. Amons Vertrauen. Denn: Er vergaß nie, seine Waffe zu laden. ********************************* Klein, aber mein. Ich hoffe, es gefiel euch. Wenn das der Fall war: Kommentiert bitte. Wenn das nicht der Fall war: Kommentiert bitte trotzdem und erklärt mir einfach, was euch nicht gefiel - dann kann ich es das nächste Mal besser machen. :) Kapitel 2: Liebe ist die beste Medizin (Skip Beat, Satz 09) ----------------------------------------------------------- Als allererstes danke ich Ito-chan, Technomage, Nocturn, DINO2011 und Roryn für ihre Kommentare zum 1. Kapitel. XD Also: Vielen Dank. *verbeug* Aber nun genug der Vorrede. Kurz zur Einordnung... nun, die gibt es hier eigentlich nicht. Der OS liegt irgendwann in der Zukunft des aktuellen Standes von Skip Beat! Viel Spaß. :) ********************************************************************************* „Ihre Eltern vertraten den liberal-europäischen Standpunkt, dass Jugendliche, denen Alkohol schon früh frei zur Verfügung steht, auch entsprechend früh lernen, damit umzugehen." Sie las diesen Satz jetzt wohl schon zum 10. Mal. Ganz zu schweigen davon, dass sie seit einer geschätzten Viertelstunde auf derselben Seite des Buches festhing. Aber ihre Gedanken wollten sich einfach nicht auf die gedruckten Worte fokussieren. Das dünne, billige Papier des Taschenbuches war bereits durchnässt von den salzigen Tränen die ihr unaufhaltsam aus den Augen rannen. Wem machte sie etwas vor? Es war unmöglich sich abzulenken. Nicht, wenn es ihn betraf. Nicht jetzt. Nicht, wenn sie nicht wusste was… was werden würde. Sie biss auf ihre zur Faust geballte Hand um ein Schluchzen zu unterdrücken. Immer wieder geisterte ihr die eine Frage durch den Kopf: Warum? Warum konnte sich der verdammte Fahrer nicht an einem anderen Tag besaufen? Warum musste er in diesem Wohngebiet so schnell fahren? Warum hatte er den Jungen auf der Straße nicht gesehen? Und warum, warum, WARUM war er selbst dann noch mit gleicher Geschwindigkeit weitergefahren, als der Zweiundzwanzigjährige das Kleinkind von der Fahrbahn geschupst hatte? War er nicht nur volltrunken, sondern auch blind gewesen? Immer wieder durchlebte sie die Szene. Ihren Schrei, als sie das Kleinkind und das heranrasende Auto sah, ihren lauteren Schrei, als ihr Senpai plötzlich auf die Fahrbahn gesprungen war. Der gellende, schrille Laut, welcher ihren Mund verließ, als sie das scheppernde Krachen hörte. Die rote Pfütze, welche sich in viel zu hoher Geschwindigkeit um Ren herum ausbreitete. Ihre Beine, welche sich anfühlten wie versteinert und sie doch zu ihm brachten. Der raue Asphalt unter ihren Knien, als sie sich neben ihm niederließ. Das Gefühl etwas tun zu müssen, ihm helfen zu wollen, und doch nicht zu wissen wie. Eine Stimme, wie aus weiter Ferne, welche scheinbar den Notarzt rief. Sirenen die immer näher kamen. Und in all dem Lärm ihre eigene Hilflosigkeit. Finger, welche sich um die ihren schlossen. Braune Augen, sanft in die ihren blickend. Seine Stimme. „Hey Kyoko-chan. Seit wann weinst du den so leicht?“ Ein Röcheln, dann ein Husten, welches Blut zu Tage förderte. Ihre Hand an seiner Wange, Ausdruck ihrer Hilflosigkeit. Hände, welche sie an ihren Armen von ihm wegzerrten. Ihr Versuch sich dagegen anzustemmen, bei ihm zu bleiben. Eine fremde Stimme, welche versuchte beruhigend auf sie einzureden. Sie hatte versucht die Worte zu verstehen, aber so sehr sie sich auch angestrengt hatte, es war ihr nicht gelungen. Dann war plötzlich ein Geräusch durch die Kakophonie um sie herum gedrungen, welches sie nicht erwartet hatte. Das Klicken eines Fotoapparates. Wutentbrannt hatte sie sich von den Händen an ihren Armen, der fremden Stimme, losgerissen. Blind, wie in Trance hatte sie sich durch die Menge gedrängt, immer weiter auf das verhasste Geräusch zu. Sie hatte in den letzten Jahren gelernt es zu verabscheuen. Dieser überall seiende Blitz, welcher einem nicht das kleinste bisschen Frieden ließ. Doch nie hätte sie erwartet ihm dort, an einem solchen Ort, in solch einer Situation zu begegnen. Jeder Mensch hatte eine Grenze dessen, was er für gut und richtig erachtete. Ein bestimmtes Maß der Dinge. Schon seit längerem hatte sie das Gefühl gehabt, dass viele Leute dieser Marke empfindlich nahe kamen. Und wer auch immer die Fotos schoss – er hatte Kyokos Grenze weit hinter sich gelassen. Sie hatte den Schuldigen starr angesehen, wie er herumgesprungen war, den kleinen schwarzen Kasten fest im Griff. Ohne mit der Wimper zu zucken, hatte sie dem Mann sein Gerät entrissen und es mit voller Wucht zu Boden geschmissen, wo es in seine Einzelteile zersprungen war. Erst in jenem Moment schien er sie zu bemerken. Wutentbrannt hatte er seine kleinen wässrigblauen Augen auf sie gerichtet. „Total bescheuert, oder was?! Weißt du wie teuer die war?“ „Wie viel ist für Sie ein Mensch wert?“ Ihre Stimme war vollkommen emotionslos gewesen, nüchtern und kalt. Ein Schauder rann dem Fotografen über den Rücken. Was war das denn für eine? „Wie viel?“, hatte sie die Frage wiederholt, diesmal mit mehr Nachdruck. „Was wird das hier? Irgend so ein bescheuertes Psychospiel? Ich mache hier nur meine Arbeit.“ „Die da wäre?“ „Der Welt zu zeigen, was passiert. Ich halte die Menschheit auf dem laufenden, Kleine. Sie hat das Recht informiert zu werden.“ „Woran ist Ihre Großmutter gestorben?“ „Hä? Das geht dich gar nichts an!“ „War es ein Unfall? Oder eine lange Krankheit? Ein langsamer qualvoller Tod? Viele Jahre des Wartens auf das Ende, welches wie eine Erlösung schien? Oder doch eher kurz, schnell, zu schnell um noch Abschied nehmen zu können? Wie war es?“ „Bist du taub? Das geht dich nichts an!“ Ein berechnendes Grinsen war auf ihren Lippen erschienen. Eisig und gnadenlos. „Mich vielleicht nicht. Aber die Menschheit hat das Recht informiert zu werden. Also, sagen Sie es mir?“ Er hatte es nicht getan, sondern stattdessen Reißaus genommen vor dieser Frau, die ihm Schauder der Angst über den Körper jagte. An mehr erinnerte sie sich nicht. Denn sie war an Ort und Stelle zusammen gebrochen. Ihre Erinnerung setzte erst in einem Krankenhausbett wieder ein. Yashiro und Kanae hatten davorgestanden, sie besorgt gemustert. Ihr erster Gedanke jedoch hatte ihrem Senpai gegolten. „Ren?“, hatte sie die beiden mit einer Stimme gefragt, welche in ihren eigenen Ohren unnatürlich schwach klang, nicht wie die ihre. Die beiden hatten sich angesehen, mit einem Blick voller Sorge. „Jetzt nicht Kyoko. Ruh dich erst einmal aus und komm wieder zu Kräften. Der Schock war zu viel für dich.“ Kanaes versuchte ihrer Stimme einen beruhigenden Klang zu geben, doch Kyoko ließ sich nicht so leicht täuschen. Wozu war sie schließlich Schauspielerin? Sie hatte aus diesen Worten gelesen, was diese zwei ihr nicht hatten sagen wollen. Ren Tsuruga ging es alles andere als gut – eventuell war er bereits tot. „Wie lange?“ „Der… Der Unfall war vor etwa einer Stunde.“ Eine Stunde. Das hieß es war gerade mal zwei Stunden her, seit er sie gefragt hatte, ob sie gemeinsam essen gehen würden. Zwei Stunden, seit sie zögernd ob dieses ungewöhnlichen Angebots, aber mit einem seltsam klopfenden Herzen ja gesagt hatte. Ein und eine dreiviertel Stunde, seit sie in das kleine Café mit dem wunderschönen Blick über den Park gegangen waren. Ein und eine viertel Stunde, seit er ihr vorgeschlagen hatte, noch ein wenig in eben diesem Park spazieren zu gehen. Ein und eine viertel Stunde, seit er ihr das „Du“ angeboten hatte. Ein wenig über einer Stunde, seit er strahlend wie ein kleines Kind an seinem Geburtstag mit ihr unter den alten Kirschbäumen entlanggegangen war. Seit sie gescherzt und gelacht hatten, er sie aufgezogen hatte, sie so vertraut miteinander umgegangen waren. Eine Stunde, seit sie beschlossen hatten durch das hübsch anzuschauende Wohngebiet zurück zu gehen. Wie eine höhnische Chronik, eine paradoxe, unwirklich wirkende Vergangenheit, welche die grausame Gegenwart verlachen wollte, zogen die Bilder vor ihrem inneren Auge vorbei. Sie sah wie Kanae aufstand, und sich neben ihr aufs Bett setzen wollte, um sie zu trösten. Mühsam entrang sie sich ein Lächeln. „Lass nur, Miss Menno. Es geht schon. Wirklich nett von euch, dass ihr hier geblieben seid, aber ich weiß, dass ihr eigentlich noch arbeiten müsst. Macht euch um mich keine Sorgen.“ Misstrauisch musterte die Ältere ihre Freundin. Kyoko legte ihr gesamtes schauspielerisches Können in das Lächeln – und das war nicht wenig. Nachdem sie mehrfach nachdrücklich versicherte, dass es ihr gut ging, glaubten die Zwei ihr schließlich und verließen das Krankenhaus. Nicht jedoch ohne ihr eindringlich zuzureden, dass sie sie sofort anrufen solle, sobald sie irgendeine Unterstützung brauche. Kaum, dass ihre Freundin und der Manager das Zimmer verlassen hatten, war sie aus dem Bett gestiegen. Wie vermutet, hatte bereits jemand eine Tasche für sie gepackt. Vermutlich die Okami-san und Kanae hatte die Sachen dann hergebracht. Sie suchte sich normale Klamotten heraus und entledigte sich ihres Krankenhausnachthemdes – das kennzeichnete sie viel zu eindeutig als Patientin mit Bettruhepflicht. Sobald sie sich umgezogen hatte, öffnete sie die Tür einen Spalt und lugte hindurch. Niemand war auf dem Gang, die anderen Türen geschlossen. Leise wie ein Dieb, stahl sie sich aus dem Zimmer und huschte über den Flur. Glücklicherweise musste sie nicht einmal am Schwesternzimmer vorbei, sondern konnte die Station unbemerkt verlassen. Sie fuhr mit dem Fahrstuhl hinunter und als sie hinaustrat, hätte sie niemand für etwas anderes gehalten, als eine ganz normale Besucherin. An einem kleinen Kiosk kaufte sie sich ein Taschenbuch, ohne jedoch auf den Titel oder den Inhalt zu achten. Dann setzte sie sich damit in die Nähe des Empfangstresens, tat so als wenn sie las und lauschte doch zugleich den Gesprächen der Empfangsdame mit dem vorbeikommenden medizinischen Personal. Und tatsächlich musste sie nicht lange warten. Ren war nun einmal weitreichend bekannt. Natürlich wurde über ihn getratscht, sobald er in dieses Krankenhaus eingeliefert worden war. Als sie die gewünschten Informationen erhalten hatte erhob sie sich und begab sich – gerade so langsam, dass es niemanden misstrauisch machte – zur nächsten Toilette. Dort verschloss sie die Tür der Kabine und lehnte sich gegen die Wand. Dann erst ließ sie ihren Tränen freien Lauf. Er lebte! Allerdings war seine Verfassung alles andere als stabil, noch immer lag er im OP. Aber immerhin lebte er noch. Sie hatte es bisher verborgen, aber diese Unsicherheit hatte sie innerlich zerrissen. Nicht zu wissen, ob er noch auf der Welt weilte, ob sie jemals wieder mit ihm lachen und scherzen konnte. Sie riss sich zusammen und begab sich wieder zurück, lauschte weiterhin dem Klatsch und Tratsch. Wenn sie es richtig verstanden hatte, war er noch immer nicht über den Berg. Doch sie erfuhr nichts Neues. Als sich die Dunkelheit herabsenkte und die Uhr langsam gegen sechs strebte, befand sich Ren noch immer im OP. Zunehmend wurde sie unsicher. Wenn er so lange dort drin blieb… hieß das dann dass es Probleme, Komplikationen gab? Schließlich hielt se es nicht mehr aus. Und unter den langsam misstrauisch werdenden Blicken der der Empfangsdame, ging sie zum Fahrstuhl und fuhr in das Stockwerk, in welchem auch der Operationssaal lag. Dort tat sich jedoch ein neues Problem auf. Ein Zahlenschloss und eine Gegensprechanlage. Nun würde sich zeigen, ob sich die Schauspielakademie gelohnt hatte. Kurz versank sie in Gedanken. Dann öffnete sie vorsichtig ihre Gefühle, welche sie bis eben sorgfältig vor der Außenwelt verborgen hatte. Ihre Angst um Ren, ihre Sympathie für ihn, der Schock. Ohne, dass sie sich anstrengen musste, begannen ihre Tränen zu fließen. Dann drückte sie mit zittriger Hand die Klingel. Doch diesmal zitterte ihre Hand nicht vor Unsicherheit, sondern vor Trauer und Angst um Ren. Knackend reagierte der Lausprecher. „Ja?“ „B…“, Kyokos Worte wurden von einem Schluchzen unterbrochen. „Bitte, könnten Sie die Tür öffnen? Ich muss zu Ren.“ „Entschuldigen Sie, aber der Zutritt zum Operationstrakt ist nur für Angehörige der jeweiligen Patienten erlaubt. Alle anderen müssen draußen warten.“ Sie holte tief Luft. Jetzt kam der schwierige Teil. „A… Aber ich gehöre doch zur Familie! Ich bin schließlich seine Cousine! Sie… Sie haben mich doch extra angerufen. Ich bin sofort in den Zug gestiegen, aber ich konnte nicht früher hier sein. Und die… die ganze Zeit hab ich gedacht, was wenn… wenn ich zu spät… wenn er…“ Sie brach ab und schluchzte. Die Tür vor ihr öffnete sich und ein junger Mann, kaum älter als sie selbst, zeigte sich in der entstehenden Öffnung. Von ihrem Weinen überfordert sah er sie leicht hilflos an. „Es tut mir leid, ich wusste ja nicht… Die vorige Schicht hat nicht gesagt, dass… Ich bin nur Praktikant, wissen Sie… Kommen Sie doch bitte herein.“ Plötzlich äußerst zuvorkommend leitete er sie in einen Gang, an dessen Wand mehrere ausklappbare Sitzgelegenheiten befestigt waren. „Setzten Sie sich doch. Möchten Sie etwas trinken? Kaffee? Wasser?“ „Wasser wäre nett“, antwortete Kyoko mit leiser Stimme, immer noch weinend. „Aber bitte, sagen Sie mir, wie steht es um ihn?“ Bedauernd sah der junge Mann sie an. „Das tut mir leid, aber das kann ich Ihnen leider auch nicht sagen. Soweit ich weiß sind die lebenswichtigen Funktionen zu mindestens stabilisiert. Allerdings wird die Operation wohl noch eine Weile dauern.“ Dann ließ er sie allein, brachte ihr noch das Wasser und verzog sich dann wieder. Erst hatte sie wie hypnotisiert auf das Schild gesehen, welches aufleuchtete, sobald eine Operation zu Ende war. Doch dieses schien nicht bereit, sie von ihrer Unsicherheit und Verzweiflung zu erlösen. Immer wieder kreisten ihre Gedanken um die Tatsache, dass sie Ren immer noch verlieren konnte. Sie hatte versucht sich mit dem Buch davon abzulenken, doch vergeblich. Immer wieder war sie an den Worten, den verschachtelten Sätzen hängen geblieben. In ihrer momentanen Situation hatte sie einfach keinen Sinn für die Ironie, den Sarkasmus. Das einzige was sie interessierte, war der Mann, welcher hinter der geschlossenen Schiebetür lag, der, um dessen Leben gerade gekämpft wurde. Wimmernd zog sie die Knie an die Brust, wiegte sich vor und zurück. Sie konnte sich nicht erinnern, jemals so geweint zu haben. Nicht um ihre Mutter, nicht um Sho. Stets war sie in der Lage gewesen zu mindestens einen kleinen Lichtblick zu entdecken, etwas was die Dunkelheit in der sie sich befand erhellte. Als ihre Mutter sie verlassen hatte, war das Shotaru gewesen, als dieser sie dann verriet, hatte sie sich auf die Rache an ihm stützen können. Doch nun? Wen hatte sie denn noch, wenn Ren ging? Natürlich Kanae war da und die Wirtsleute des Darumaya. Maria und Yashiro. Takarada und Sawara. Rein vernunftmäßig wusste sie, dass sie selbst ohne Ren nicht allein sein würde. Aber ihr Herz sagte ihr etwas anderes. Sagte ihr, dass es ohne Ren nie wieder dasselbe wäre. Brach sich eine Bahn. Zu lange hatte es geschwiegen, war zurückgehalten und unterdrückt worden. Doch nun waren die Gefühle zu schwer, die Trauer zu groß, als dass sie sie weiterhin verstecken konnte. Und mit der Trauer welche einen Durchlass in der Mauer schuf, welche Kyoko zum Schutz vor Verletzungen um ihre Gefühle gelegt hatte, fanden auch andere Emotionen ihren Weg in die Freiheit. Das Mädchen richtete seinen Blick auf sein Seelenleben, in der Hoffnung etwas zu finden, was sie von Ren ablenken würde. Doch erstaunt musste sie feststellen, dass das nicht der Fall war. Vorsichtig näherte sie sich den Gefühlen, die sie all die Zeit verborgen hatte. Und bemerkte, dass sie alle sich um eine Person drehten: Ren Tsuruga. Da war der Ärger, wenn er sie mal wieder aufzog, aber auch die Freude über seine Scherze. Das seltsame Glück, was sie verspürte, wenn sie zusammen waren. Die Trauer, Wut und Enttäuschung, wenn sie sich ernsthaft stritten, das Wohlgefühl, welches die folgende Versöhnung begleitete. Und all dies schien ein Netz zu bilden, zusammen zu gehören. Und mit leichtem Schrecken, unbändiger Freude und tiefer Trauer musste sie feststellen, dass eben dieses Netz Liebe war. Nur so ließ sich erklären, warum sie jetzt so stark um ihn trauern konnte, stärker als um irgendjemanden sonst. Schlagartig wurde ihr bewusst, was das hieß. Sie hatte jemanden gefunden, den sie liebte – und dieser jemand war gerade dabei zu sterben. Sie hatte nicht einmal die Chance gehabt, ihm ihre Gefühle zu beichten (!) – auch wenn sie sich nicht sicher war, ob sie sich das überhaupt trauen würde. Sie faltete die Hände, betete zu allen Gottheiten die ihr gerade in den Sinn kamen. Egal wer ihren Wunsch erhörte, Hauptsache Ren überlebt! So fand sie der Chefarzt, als er den Operationssaal gegen 22.00 Uhr verließ. Zusammengekauert auf dem harten Plastikschalensitz, die Hände gefaltet und tief im Gebet versunken. „Wer sind Sie?“ Wie von der Tarantel gestochen sprang sie auf. Anscheinend hatte sie ihn bis jetzt nicht bemerkt. „Wie geht es ihm?“ Stieß sie mit schneller Stimme hervor. „Wer bitte sind Sie?“ Mit einer unwirschen Handbewegung tat sie seine Frage ab. „Gleich, gleich, aber bitte, bitte sagen Sie mir, wie geht es ihm?“ Ihr Tonfall war flehend, ebenso wie ihr Gesichtsausdruck. Seufzend gab er nach. Sonst hätte die junge Frau hier vor ihm noch einen hysterischen Anfall – und er brauchte bei Leibe nicht gleich wieder die nächste Patientin. „Den Umständen entsprechend gut. Er lebt und ist im Prinzip über den Berg. Auf Grund des hohen Blutverlustes und der vielen inneren Verletzungen, mussten wir ihn vorübergehend in ein künstliches Koma versetzen, aber er sollte morgen wieder aufwachen. Und nun sagen Sie mir bitte wer Sie sind.“ Doch sie schien ihn nicht zu hören. Auf ihren Lippen erschien ein Lächeln und die Tränen drangen ihr aus den Augen – es wunderte sie eigentlich, dass sie die überhaupt noch hatte, denn noch vor wenigen Minuten hatte sie das Gefühl gehabt, sämtliche Tränen ihres Lebens geweint zu haben. „Er lebt.“ Immer wieder murmelt sie diese Worte vor sich hin, als würde sie ihnen durch das stete Wiederholen noch mehr Realität verleihen. Kopfschüttelnd ließ der Chirurg sie einfach im Gang stehen. Sollten sich doch die anderen um sie kümmern. Er selbst jedenfalls hätte eigentlich schon vor drei Stunden Feierabend gehabt. Und genau den würde er jetzt auch machen. Was er nicht bedacht hatte war die Tatsache, dass das restliche Personal davon ausging, Kyoko wäre autorisiert hier zu sein, da der Chef sie ja nicht rausgeschmissen hatte. Sie alle hatten Überstunden gemacht, und waren letztendlich auch nur Menschen. So blieb Kyoko schließlich allein im Gang zurück. Wie in Trance begab sie sich in Richtung des OP-Saals. Natürlich war dieser leer, aber zur rechten Seite zweigte eine Tür ab, über der ein großes Schild „Aufwachräume“ hing. Immer noch mehr einer Marionette als einem Mädchen gleichend, steuerte sie darauf zu und fand sich auf einem langen Gang wieder, von dem mehrere Türen abzweigten. Sie öffnete sie nacheinander. Hinter jeder lag ein Mensch, nahezu bis zur Unkenntlichkeit verkabelt, umgeben von piependen und surrenden Apparaten. Doch niemand davon war Ren. Schließlich fand sie ihn, hinter der fast letzten Tür. Müde zog sie sich einen Stuhl neben sein Bett, ließ sich darauf nieder und sank mit dem Kopf auf das weiße Laken neben einer seiner großen Hände. Dann schlief sie, erschöpft nach diesem Tag, ein. Er hatte einen seltsamen Traum gehabt. Er und Kyoko waren Essen gewesen, danach spazieren gegangen. Er hatte sich endlich dazu überwunden ihr das Weglassen des Suffixes anzubieten und sie hatte sogar angenommen. Bis dahin war es ein schöner Traum gewesen, von dem er wünschte, dass er wahr wäre. Doch danach erinnerte er sich nur an ein Chaos aus Lärm, Schmerz, Sirenen, fremden Stimmen. Und dazwischen Kyoko, ihm unendlich hilflos in die Augen blickend. Langsam hob er die Lider. Dies war nicht sein Zimmer. Erst jetzt bemerkte er die lärmenden Maschinen, welche um ihn herum drapiert waren. Seltsamerweise schienen sie alle durch irgendwelche Kabel und Schläuche mit ihm verbunden. War der Unfall etwa… echt? So wie er sich fühlte schon. Seine Gedanken glitten zu Kyoko. Wie ging es ihr? Wo war sie? Kurz gab er sich dem Gedanken hin, dass sie sich Sorgen um ihn machte, ihn eventuelle sogar besuchen kam. Nun… warum eigentlich nicht? Auch wenn sie ihn wohl nicht liebte, immerhin waren sie Freunde, oder? Aber… vielleicht sah sie das ja ganz anders? Vielleicht war er für sie ja höchstens ein guter Bekannter? Ein plötzliches Seufzen lenkte seinen Blick auf die Bettkante. Da lag sie, sie um die fast alle seine Gedanken kreisten. Scheinbar hatte sie warten wollen, bis er aufwachte und war dabei eingeschlafen. Sanft streichelte er ihr über den Kopf, den Schmerz der dabei in seinem Arm explodierte ignorierend. Leise begann sie zu murmeln und er strengte sich an, um die Worte zu verstehen. „..muss Ren noch sagen: Ich liebe dich… nicht vergessen.“ Tief atmete er ein, um seinen Freudenschrei zu unterdrücken und sie nicht zu wecken. Er würde sich beeilen müssen, um wieder fit zu werden. Schließlich wollte er mit seiner Freundin auch etwas unternehmen. Gemeinsame Spaziergänge, Essen gehen, ins Kino… glücklich grinsend schwelgte er in seinen Plänen. Doch zuerst musste er gesund werden, sonst war es mit deren Ausführung nicht weit her. Aber wie heißt es so schön? Liebe ist die beste Medizin. ********************************************************************************* Hybie-sans: *schleichen auf Zehenspitzen herein* Hybie-san1: *flüstert* "Wir sind eigentlich gar nicht da." Hybie-san3: *mit normaler Stimme - also sehr laut* "Bist du krank, Hybie-san1? Fieberdelirium? Natürlich sind wir hier, das sieht man doch." Hybie-san2: *betet ein Mantra vor sich hin* "Lieber Gott oder meinetwegen auch liebe Götter. Wer auch immer über die Welt gebietet: Bitte mach, dass Dummheit nicht ansteckend ist. Oder zu mindestens die von Hybie-san3 nicht. Ich bin noch nicht einmal ein Jahr alt - zu jung zum Verblöden." Hybie-san3: "W..." Hybie-san1: *hält im geistesgegenwärtig den Mund zu* *zischt ihn leise an* "Flüstere gefälligst!" Hybie-san3: *entwindet sich Hybie-san1, flüstert aber dann doch* "Warum denn so betont leise?" Hybie-san1: *seufzend* "Also gut, zum 273. Mal. Wir sind für diese Fanfic eigentlich gar nicht vorgesehen. Wir sollten gar nicht auftauchen, verstehst du?" Hybie-san3: "Und warum tun wir es dann?" Hybie-san2: "Weil wir es können. Wir als bösartige Wutgeister zeigen endlich unser wahres Gesicht! Wir nutzen die Schwäche der Autorin, verursacht durch Schlafmangel aus und plaudern nun über all jene Dinge, die sie ihren Lesern verschweigt!" *Flamme des Kampfes in den Augen* Hybie-san3: *gähnt* "Wie langweilig. Wen interssiert es denn schon, dass ursprünglich eine Organspende in diesem Kapitel vorgesehen war, die sich aber einfach nicht schreiben ließ?" Hybie-san2: *Feuer scheint plötzlich zu erlöschen* "Nun... so gesehen... aber ich werde ihre schrecklichsten Geheimnisse aufspüren und diese dann der Welt offenbaren!" *Kampfgeist wieder erwacht* *macht sich sofort auf die Suche nach den Geheimnissen* Hybie-san3: "So, und was sollten wir jetzt eigentlich hier?" Hybie-san1: "Eine berechtigte Frage, eine berechtigte Frage... Wahrscheinlich einfach alle Leser lieb grüßen und um Kommentare bitten." Hybie-san3: "Darf ich, darf ich, darf ich?" *hoffnungsvolle Glitzeraura* Hybie-san1: "Na gut. Hybie-san2 scheint ja noch... beschäftigt." Hybie-san2: *immer noch auf der Suche nach den dunklen Geheimnissen der Autorin* Hybie-san3: "Also: Die Autorin bedankt sich bei allen, die das Kapitel gelesen haben, und würde sich sehr freuen, wenn einige von euch ein Kommentar da lassen würden. Lob an uns, Kritik an sie. Also, auf Wiedersehen." Kapitel 3: Unter dem Kostüm (Skip Beat!, Satz 10) ------------------------------------------------- Vielen, vielen Dank an Technomage, Sheiinja, Angel-of-innocence, Ito-chan, Kyoko-Hizuri, Umnije und Lioba, für ihre lieben Kommentare zum letzten Kapitel. *jedem einen Schokoweihnachtsmann (wahlweise mit Nougatfüllung) überreich* Das Kapitel liegt (mal wieder) in der fernen Zukunft von "Skip Beat!". Viel Spaß. ********************************************************************************* Er gab sich ernsthaft Mühe und schien nicht zu begreifen, was für einen lächerlichen Anblick er bot. Ren musste sich wirklich anstrengen, um nicht laut loszulachen. Sein Bauch schmerzt schon, aber das war wohl die Strafe für sein Verhalten. Wer könnte aber auch ahnen, dass der Hahn seinen Vorschlag ernst nehmen würde? Mal wieder hatte dieses überdimensionierte Stofftier ihn dabei erwischt, wie er über dem Drehbuch brütete. Bei seinem aktuellen Dreh musste er Walzer tanzen. Natürlich beherrschte er die Grundschritte – wer tat das nicht – aber er hatte keine Ahnung, was genau mit einer Kreiseldrehung gemeint war. Der Hahn hatte gesagt, er würde das kennen, es sei gar nicht so schwer, und dass es ihn erstaune, dass er, Ren, das nicht könne. Darauf hatte er sich kindischer Weise in seinem Stolz angegriffen gefühlt und nur gesagt, dass Bou es ja vormachen könne, wenn es so einfach wäre. Und dieser Mensch im Vogelkostüm hatte ihn tatsächlich beim Wort genommen. Es sah zum Schießen aus! Unter ihrem Kostüm war Kyoko schon beinahe rot angelaufen vor Wut. Was konnte sie denn dafür, dass dieses Kostüm nicht zum Tanzen geschaffen war? Da wollte man seinem Senpai mal helfen, und dann? Wurde man von ihm ausgelacht. Oh ja, er gab keinen Ton von sich, aber sie erkannte die Symptome deutlich. Er hielt sich eine Hand vor den Mund, mit der anderen hielt er sich den Bauch und sein ganzer Körper bebte vor unterdrückten Lachkrämpfen. Als dann noch ein Prusten aus ihm hervorbrach, war es um ihre Selbstbeherrschung geschehen. Wutentbrannt schnappte sie sich das Drehbuch – eher ein dünnes Heftchen – und warf es ihm an den Kopf. Abrupt brach das Lachen ab. Ebenso abrupt verschwand die Wut des Mädchens und machte Angst Platz. Sie hatte ihn beworfen! Sie hatte ihn mit seinem eigenen Drehbuch beworfen – und dann auch noch getroffen. Doch anstatt des erwarteten Dämonenlords, sah sie nur einen verdutzten Ren Tsuruga, der wie in Trance auf das Drehbuch sah – und dann anfing schallend loszulachen. Vorsichtig, als wäre er ein aus der Hochsicherheitsanstalt entflohener Irrer, näherte sie sich ihm. „G… Geht es dir gut?“ Es fiel ihm sichtlich schwer zu antworten, da er vor lauter Gelächter keine Luft mehr bekam. „Du… du hast mich beworfen… mit einem Drehbuch…“ Zögernd, als könne das Einverständnis sie in ernsthafte Schwierigkeiten bringen, nickte sie. Langsam beruhigte er sich. „Das ist mir noch nie passiert.“ „Ach wirklich? Ich dachte, du wirst täglich mit sowas beschmissen.“ Erst als die sarkastischen Worte ihre Lippen verließen, merkte Kyoko, dass sie sie laut ausgesprochen hatte. Doch nun war es zu spät um sie zurück zu nehmen. Allerdings schien Ren immer noch nicht sauer zu werden. „Es tut mir leid dich enttäuschen zu müssen, aber das ist nicht der Fall.“ Ren konnte einfach nicht anders als zu grinsen. Es tat gut mal keine marketingfähige Fassade tragen zu müssen, sondern einfach man selbst sein zu können. „Tja, leider weiß ich noch immer nicht, wie genau eine Kreiseldrehung geht. So effektiv war dein… äh… Vortanzen nicht. Aber danke für den Versuch.“ „Dann sag ich es dir eben einfach. So schwer ist das nicht. Du setzt erst deinen rechten Fuß vor, machst dann einen Wiegeschritt…“ Ein Blick in das Gesicht des großen Schauspielers sagte ihr deutlich, dass er mit dem Wort „Wiegeschritt“ ebenso viel anfangen konnte wie mit „Kreiseldrehung“. „Sag mal, wie viel Walzer kannst du?“, fragte sie ihn resigniert seufzend. „Nun, nicht viel. Den Grundschritt, einfache Rechts- und Linksdrehung, mehr nicht.“ Entmutigt ließ sie den Kopf hängen. „Und wenn du es mir zeigst?“ Sie sah ihn an. „Falls du dich nicht erinnerst, das hatten wir gerade. Mit den Füßen kann man nicht wirklich tanzen.“ Bei ihren Worten, hob sie die Beine ihres Hahnenkostüms. „Und ohne Kostüm?“ Wie paralysiert starrte sie ihn an. Ein Grinsen schlich über Rens Gesicht. Schon lange wollte er wissen, wer eigentlich in dem Stofftier steckte. Aber der Typ wollte seinen Kopf ja einfach nicht abnehmen. Und nun wirkte es, als wäre über eben diesen Kopf in großen Lettern das Wort „Bahnhof“ geschrieben. „Wie wäre es, wenn du dein Kostüm einfach ausziehst?“ „Aber…“ Die Gedanken rasten durch ihren Kopf. Nein! Verdammt, sie wollte ihm ja wirklich gerne helfen, aber…. Eher würde sie sich bei lebendigem Leibe rösten lassen, als ihm zu zeigen wer sie war. „Nun komm schon – oder hast du darunter etwa keine Klamotten an?“ Ren war sich nicht sicher, wie das bei so großen Kostümen gehandhabt wurde. Er wollte natürlich niemanden zwingen sich bis auf die Unterwäsche auszuziehen… „Natürlich habe ich welche an!“, empörte sie sich. Was dachte der denn von ihr? „Und was hindert dich dann?“ Mit einem gefährlichen Gesichtsausdruck trat Ren näher. „Ich… ich…“ Panik eroberte Kyokos Gehirn. Verdammt, was sollte sie nur tun, was sollte sie nur tun, was sollte sie nur tuuuuuun!!! „Weißt du… du bringst mich dazu, alles Mögliche von mir zu erzählen, willst mir Ratschläge geben, bist aber zu feige dir das Kostüm auszuziehen?“ Eindeutig nahm die Kohai die dämonischen Wellen um ihren Senpai herum war. Angst! Aber, vielleicht… wenn sie nur das Kostüm… Abrupt drehte sie ihm den Rücken zu. „Du musst mir beim Reißverschluss helfen.“ Verdutzt starrte er auf die Rückseite des Hahnes. Wollte der den Kopf etwa aufbehalten? „Zieht man nicht zuerst das Kopfteil aus?“ „Das behalte ich an.“ „Warum?“ „Darum.“ „Das ist keine Antwort. Also, warum weigerst du dich so standhaft dein Gesicht zu zeigen?“ Langsam wurde Ren echt sauer. Der Hahn benahm sich ja wohl wirklich kindisch. „Bist du so hässlich, dass du dich verstecken musst?“ Kyoko spürte einen Stich als sie seine Worte vernahm. Tja, was hatte sie denn auch erwartet. Ein Mauerblümchen wie sie war nun mal dazu bestimmt immer hässlich zu bleiben, dass hatte ihr Sho doch klipp und klar gesagt. Warum tat es denn noch weh, auch von anderen so bezeichnet zu werden? Es war doch nur die Wahrheit. Das Ren das nur so rausgerutscht war, er gar nicht wusste, wer unter dem Kostüm steckte und wie Bou eigentlich wirklich aussah, das ignorierte sie. Sofort bemerkte er, dass er was Falsches gesagt hatte. Obwohl er das Gesicht der Person im Hahn nicht sehen konnte, spürte er die Verletztheit, die von der Stofffigur ausging. Hilflos hob er die Hand. Was sollte er denn jetzt sagen? Bei Kami, zwischenmenschlich war er wirklich sowas von ein Versager… Solange sich Bekanntschaften um den Beruf drehten, war alles in Ordnung. Aber kaum wurde eine Freundschaft draus, benahm er sich wie der Elefant im Porzellanladen – jedenfalls hatte der Präsident es mal so beschrieben. Bis auf Yashiro und seinen Chef, hatte es deshalb auch keiner so wirklich mit ihm ausgehalten – bis auf eine. Na ja, jedenfalls vielleicht. Ob man die Beziehung zwischen Kyoko und ihm als Freundschaft bezeichnen konnte, wusste er nicht so wirklich. Aber er hoffte es. „Es… es tut mir leid. Das ist mir einfach so rausgerutscht. Ich hab ja keine Ahnung wie du aussiehst, also nimm das bitte nicht ernst, okay?“ Er hatte das Gefühl sich wie ein Grundschüler auszudrücken, aber etwas Besseres fiel ihm im Moment nicht ein. Wie ein Lichtstrahl drangen die Worte durch Kyokos Selbstmitleid. Er… er hatte recht. Er konnte die Worte nicht ernst gemeint haben – schließlich wusste er nicht, wer unter dem Kostüm steckte. Die Frage drängte sich ihr allerdings auf, was wäre wenn. Fand ihr Senpai sie… hässlich? Sie verdrängte den Gedanken, das war im Moment nicht wichtig. Bald müsste Ren zurück, und er hatte immer noch keine Ahnung, wie man die Kreiseldrehung tanzte. „Könntest du mir dann bitte beim Reißverschluss helfen?“ Sie beschloss das Intermezzo von eben einfach zu ignorieren. Er hatte sich entschuldigt, und damit gut. Wortlos zog Ren den Reißverschluss herunter, vorsichtig und langsam, damit dieser sich nirgendwo verhakte. Er war sich nicht sicher, wie er sich den Darsteller von Bou vorgestellt hatte, aber gewiss nicht so… mädchenhaft. Was sich ihm beim Öffnen des Kostüms offenbarte war ein zierlicher Rücken, welcher von einem hellblauen T-Shirt verdeckt wurde. Durch das Kostüm klang die Stimme des Hahnes immer dumpf, so dass er sich nicht sicher war, ob ein Mann oder eine Frau darunter steckte. Aber irgendwie hatte er immer angenommen, es würde sich um einen Jungen handeln. Wahrscheinlich auch, weil ihm von Bou nicht sofort die Art von Vergötterung entgegen geschlagen war, mit dem ihm die meisten weiblichen Personen bedachten. Wenn er es genau nahm, war es genau das, was er an dem Maskottchen so mochte – es reagierte genauso unberechenbar und unnormal wie Kyoko. Je weiter er den Reißverschluss herunter zog, desto unsicherer wurde er bezüglich seiner Theorie zum Geschlecht seines Kumpels. Ein Mann war das auf jeden Fall nicht. Dafür war die Person, die im Kostüm steckte, zu zierlich, zu feingliedrig. Schließlich ließ er den Zipper los und das Kostüm glitt zur Erde. Und es wurde deutlich, dass das vor Ren nicht nur kein Mann, sondern auch kein Junge war. Die Formen, welche sich unter dem Shirt und den kurzen Hosen verbargen, waren eindeutig die eines Mädchens oder eher einer jungen Frau. Ohne zu zögern stieg diese aus dem Unterteil der Verkleidung und stellte ihre nur mit Socken bedeckten Füße auf den glatten Boden. Das Ganze wirkte seltsam bizarr, da sie immer noch den überdimensioniert wirkenden Hahnenkopf trug. Was der bereits Zweiundzwanzigjährige schade fand. Er hätte gerne gewusst, welches Gesicht zu der jungen Dame gehörte. Diese ahnte nichts von seinen Gedanken, sondern trat auf ihn zu. „Wollen wir?“ Fast wäre er zusammen gezuckt. Der Kostümkopf gab ihrer Stimme zwar einen dumpfen Klang, aber verzerrte sie lange nicht so sehr, als wenn sie das komplette Kostüm anhätte. Und für einen Moment hätte er schwören können, dass es Kyokos Stimme war. Sofort rief er sich innerlich zur Ordnung. Liebte er sie etwa so sehr, dass er inzwischen schon von ihr halluzinierte? Allein die Tatsache, dass diese Person ihn duzte, zeigte deutlich, dass sie nicht Kyoko war – leider. Denn Rens Meinung nach könnte seine Kohai sich das Siezen ruhig abgewöhnen, zu mindestens ihm gegenüber. Aber darüber könnte er sich auch zu einem anderen Zeitpunkt Gedanken machen. Denn nun nahm die Unbekannte vor ihm seine Hand in die ihre und dirigierte ihn durch die Schrittfolge. Es war tatsächlich so einfach, wie sie gesagt hatte. Trotzdem ließ er sie nicht sofort los, nachdem sie ihm die Schritte gezeigt hatte, sondern tanzte einfach weiter. Er wusste selber nicht, warum er das tat, aber es fühlte sich richtig an. Als wenn er Kyoko im Arm hielte. Das einzige was die Atmosphäre empfindlich störte, war der doofe Kopf. „Warum nimmst du das Ding nicht endlich ab?“ Sofort versteifte sie sich in seinen Armen. „Darum.“ „Ich habe dir bereits gesagt, dass ich das für keine befriedigende Antwort halte.“ „Mir reicht sie aber.“ „Was versteckst du?“ „N… Nichts.“ „Und das soll ich dir glauben?“ Kyoko wusste nicht was sie antworten sollte. Um Ren in einem Wortduell zu besiegen, brauchte man Ruhe, Gelassenheit und einen klaren Kopf – und genau das hatte sie im Moment nicht. Viel zu sehr waren ihre Sinne auf den Tanz ausgerichtet. Es war lange her, seit sie mit jemanden getanzt hatte, und es gefiel ihr. Gleichzeitig verwirrte es sie auch. Es war ein Gefühl der Nähe, was sie eigentlich erschrecken sollte, sie aber seltsamerweise anzog. Als könne sie ewig so weiterzumachen, ohne Pause, einfach nur tanzend. Leider waren beide im Moment zu sehr in Gedanken versunken, als dass sie sich ernsthaft um ihre Umgebung kümmerten – es wäre aber besser für sie gewesen. Denn so übersahen sie gekonnt den Karton, den jemand in einigem Abstand zur Wand aufgestellt hatte und der ihnen jetzt genau vor die Füße geriet. Ohne, dass es einer der beiden verhindern konnte, fielen sie zu Boden. Der Schauspieler hatte sich als erstes wieder aufgerappelt und sein erster Blick galt seiner Tanzpartnerin. Kyoko hatte im Fall ihren Kostümkopf festgehalten, aus Angst ihn zu verlieren. Die Aktion war geglückt, er saß so fest wie eh und je. Leider hatte sie keine Hand mehr frei gehabt um sich abzufangen, so dass ihr Knie ungebremst auf dem Boden aufgeschlagen war. Schmerz durchdrang das Gelenk und ein feines Blutrinnsals suchte sich über ihren rechten Unterschenkel hinab den Weg zum Boden. Noch ehe sie selbst ihre Wunde richtig realisiert hatte, hockte Ren schon neben ihr. Aus irgendeiner seiner Taschen hatte er ein Tempotaschentuch hervorgezaubert, mit dem er jetzt behutsam die Verletzung abtupfte. Röte schoss ihr ins Gesicht, welches sie leicht gesenkt hielt. Auch wenn sie sich vollkommen sicher war, dass es für ihn nur eine ganz normale Wundversorgung war, war es für sie ein seltsames Gefühl die Hand eines Mannes an ihrem Bein zu spüren. Auch wenn es alles andere als unangenehm war. „Am besten du gehst damit zum Arzt.“ Sie schreckte auf. „Ach nein, das geht schon. So schlimm ist es nicht.“ Das fehlte noch, dass sie krank geschrieben wurde oder so, wegen dem bisschen Blut. „Da wäre ich mir nicht so sicher. Oberflächlich sieht es ganz in Ordnung aus, aber du könntest dir etwas verdreht oder verstaucht haben.“ „Bestimmt nicht. Den kleinen Sturz wird mein Bein ja wohl aushalten. Außerdem muss ich jetzt langsam wieder zurück. Du nicht?“ Mit einem skeptischen Blick musterte er sie, aber anscheinend ging es fürs erste, sie stieg nämlich bereits wieder in ihr Kostüm. Kyoko hingegen war froh, dass er ihr Gesicht nicht sehen konnte – sonst hätte er ihr das schmerzfreie Gebaren sicher nicht so einfach abgenommen. Wenn sie ehrlich war: es tat ziemlich weh. Nicht so sehr, wie damals, als sie den Riss im Knochen hatte, aber nichtsdestotrotz schmerzhaft. Aber das würde sie schon irgendwie hinkriegen. Man musste eben Prioritäten setzen – und für sie kam Arbeit deutlich vor so einer Lappalie. Sie verabschiedete sich von ihm und machte sich dann auf den Weg in Richtung des Studios. Erst als sie sich sicher war, dass niemand sie sehen konnte, gestattetes sie es sich das rechte Bein zu entlasten und zu humpeln. Sobald aber die ersten Mitarbeiter in ihr Blickfeld gerieten, nahm sie ihren normalen Gang wieder auf. Da hieß es eben: Zähne zusammen beißen und durch. Immer wieder sah Yashiro besorgt zu seinem Schützling. Ren war heut während der Drehpause mal wieder irgendwohin verschwunden, zusammen mit dem Drehbuch. Als er schließlich wieder kam, sah das Drehbuch aus, als wäre es gegen die Wand geschmissen worden und Ren selbst schien in Gedanken versunken. Erst hatte er befürchtet, das Buch sei Opfer eines Wutanfalls von Ren geworden, auch wenn das irgendwie nicht in das Bild passte, was er von dem Schauspieler hatte. Aber die folgenden Szenen waren problemlos verlaufen, es konnte also nichts im Skript stehen, was den inzwischen Zweiundzwanzigjährigen verärgert hatte. Er startete einen neuen Versuch den in Gedanken versunkenen zu erreichen. „Ren?“ Endlich hob dieser den Kopf und sah zu seinem Manager. „Was ist los?“ „Was soll los sein?“ Mit schönster Unschuldsmiene sah der jüngere auf. „Du bist vollkommen weggedriftet, das ist los. Also, was beschäftigt dich so?“ Eigentlich hatte Ren nicht wirklich Lust Yashiro zu erzählen, um wen seine Gedanken kreisten. Andererseits… „Yashiro? Siehst du dir eigentlich noch immer jede Woche diese Show an? Die mit Bou als Maskottchen?“ Verwirrt ob des Themenwechsels nickte der Blonde. „Du meinst Rock Bizarre. Warum fragst du?“ „Weißt du wer im Kostüm von diesem Hahn steckt?“ „Müsstest du das nicht besser wissen als ich?“ „Warum?“ „Nun – du hast dich schon öfter mit ihm unterhalten, nicht ich. Also müsstest du ihn am besten von uns beiden kennen.“ „Nun ja… sie weigert sich immer den Kopf abzunehmen.“ „Ach, es ist also eine Frau? Hm, hätt ich irgendwie nicht gedacht. Aber warte mal.“ Misstrauisch musterte der Ältere den Schauspieler. „Soll das heißen, dass du dich zwar dauernd mit dieser Frau über deine Probleme unterhältst – aber keine Ahnung hast, mit wem du da eigentlich redest?!“ Unbehaglich nickte sein Gegenüber. „Bis heute hab ich sogar gedacht, dass unter dem Kostüm ein Mann stecken würde.“ Jetzt gab es für Yashiros Neugierde kein Halten mehr. Nach und nach quetschte er auch noch die kleinste Information aus seinem Schützling heraus. Und war – auch wenn er es nicht zeigte – entsetzt. Der Blick von Ren, als er über dieses Mädchen sprach – es war genau der gleich, den er auch beim Thema Kyoko immer zeigte! Das durfte nicht sein! Ren sollte sich nicht neu verlieben, sondern endlich mit Kyoko zusammen kommen. Die hatte ihn nämlich verdient. Im Gegensatz zu einer gewissen Person, die ihm nicht einmal offen und ehrlich sagte, wer sie war. Wenn das nicht verdächtig war, dann wusste er auch nicht. Aber noch war nicht aller Tage Abend. Zwar wusste er noch nicht, wie er das anstellen sollte, aber es gab keinen Zweifel daran, dass er bereits morgen in Erfahrung bringen würde, wer diese ominöse Person war! Zielstrebig suchte sich Yashiro seinen Weg durch die gewundenen Gänge. Die einfachste Methode um herauszufinden, wer hinter Bou steckte war es, den Backstagebereich von Rock Bizarre zu infiltrieren. Das war das Gute daran, Manager von solch einer Berühmtheit wie Ren zu sein – man selber wurde, zu mindestens hinter den Kulissen, ebenso bekannt. Jeder, der eine auch nur halbwegs wichtige Arbeit im Showbiz erledigte, kannte nicht nur die Gesichter der berühmten Schauspieler, sondern auch die der Männer und Frauen die dahinter standen. Und niemand stellte einem Fragen. Wenn der Manager, von LMEs Aushängeschild hier herumlief, dann würde das schon seine Richtigkeit haben. Er hatte die Zeit genau abgepasst. Fünf Minuten, bevor der Dreh der Show endete, begab er sich auf einen unauffälligen Platz, kurz hinter der Bühne. Selbst wenn dieses Bou-Mädchen ihr Gesicht vor Ren versteckte – er war sich ziemlich sicher, dass zu mindestens die Crew von Rock Bizarr wusste, wer sie war. Bereits nach kurzer Zeit, hörte er wie sich die drei Mitglieder von Bridge Rock näherten. Und ein unverkennbares Quietschen sagte ihm, dass auch das Maskottchen dabei war. „Klasse gemacht. Ich hätte nie gedacht, dass solche Bewegungen in diesem Kostüm überhaupt möglich sind. Wie machst du das nur immer Kyoko-chan?“ Wie elektrisiert erstarrte der Blonde. ‚Kyoko-chan?!‘ Nun kamen die vier jungen Leute auch in Sicht, schienen ihn aber nicht zu bemerken. Bou war gerade dabei, sich während des Laufens den Kopf abzuziehen. Und darunter kam jene Person zum Vorschein, mit der Yashiro seinen Schützling am liebsten verkuppeln wollte. Er bewegte sich erst wieder vom Fleck, als er ganz sicher war, dass Kyoko weg war. Was sollte das? Er war bereit gewesen die Darstellerin von Bou zur Rede zu stellen, weil sie Ren nicht sagte, wer sie war. Aber wie hätte er wissen können, dass diese Person ausgerechnet Kyoko war? Ausnahmsweise nahm Kyoko den Bus, anstatt das Fahrrad um von Rock Bizarr zum Drehort für „Dark Moon“ zu kommen. Normalerweise war ihr das Geld dafür zu schade, aber heute… Jede Bewegung ihres Beines ließ den Schmerz aufflammen. In ihrem Boukostüm wäre sie fast umgekippt, und war froh, dass sie heute ein Special gedreht hatten, ich welchem sie meist sitzen konnte. Jetzt musste sie nur noch „Dark Moon“ hinter sich bringen und konnte sich dann ganz gemütlich mit einem schönen Eisbeutel für ihr Knie in irgendeine Ecke verziehen. Sie hatte das Gelenk zwar notdürftig bandagiert, aber es war schwerer als man dachte das eigene Bein zu verarzten. Und ein anderer sollte ihre Verletzung nicht mitbekommen. Sie kannte die Leute um sie herum, sie würden sie zwingen zum Arzt zu gehen und sich krankschreiben zu lassen. Und auch wenn das sicherlich gut gemeint war, aber sie wollte keine Pause machen und damit anderen zur Last fallen, nur weil sie zu doof zum Tanzen war. Eine leichte Röte breitete sich in ihrem Gesicht aus, als sie an das gestrige Ereignis dachte. Ihre Reinherzigen standen bereits auf Startposition, um ihr einen kleinen Wink mit dem Zaunpfahl bezüglich ihren eigenen Gefühlen zu geben, aber ihre Dämonen schafften es gerade noch so das zu verhindern. Und so ignorierte Kyoko gekonnt das Chaos in ihrem Inneren, während sie dem Drehort entgegenfuhr. Na es klappte doch. Es war ihr offensichtlich erfolgreich gelungen, ihr verletztes Knie zu kaschieren. Ihre letzte Szene für heute war im Kasten Zugegeben, ab und zu war ihr etwas schummerig geworden, aber das Wichtigste war, dass das niemand bemerkt hatte. „Kyoko-chan!“ Sie drehte sich abrupt zu der Stimme um – zu abrupt wie sie feststellte, als ihr Bein schmerzhaft protestierte. Sofort aber hatte sie wieder ein Lächeln aufgesetzt und begrüßte Ren und seinen Manager, welche auf Grund eines anderen Jobs, erst während ihrer letzten Szene angekommen waren. „Ist etwas passiert, Yashiro-san?“ Der Blonde wirkte auf sie ungewöhnlich nervös, als wälze er ein Problem, für das er keine rechte Lösung fand. „Nein, nein, alles in Ordnung. Ich muss nochmal mit… äh… Ogata reden.“ Und schon war er verschwunden. Verwirrt sah das Mädchen ihm hinterher. Fast hatte sie den Eindruck, SIE wäre das Problem, auch wenn ihr beim besten Willen nicht einfiel, was sie ihm getan hatte. „Ignorier ihn einfach Kyoko-chan, er ist heute schon fast den ganzen Tag so seltsam“, riss sie die Stimme ihres Senpais aus ihren Gedanken. Er hatte Yashiros Angewohnheit sie zu duzen übernommen und sie protestierte nicht dagegen. Allgemein erlaubte sie das nur wenigen Leuten im persönlichen Rahmen. Im Geschäft war das anders, schließlich war Kyoko ihr Bühnenname, da war es ganz normal, dass die Leute sie als „Kyoko-chan“ riefen. Aber sobald sie mit jemandem außerhalb der Arbeit Kontakt hatte, war es ungewöhnlich, dass diese Personen sie auch dort duzten Von Yashiro war sie es nicht anders gewöhnt, da er es von Anfang an gemacht hatte, und Ren… nun Ren war eben was Besonderes. Ihn allerdings auch zu duzen, wie er es ihr angeboten hatte, das brachte sie nicht über sich. Er war schließlich einer der Top-Schauspieler Japans! „Komm mal kurz mit“, meinte eben dieser und schlug den Weg zu seiner Garderobe ein. Sich fragend, was er von ihr wollen könnte, ging sie hinter ihm her, nicht wissend, dass er sie dabei aufmerksam beobachtete. Er hatte also richtig gesehen. Auch wenn es den Anschein hatte, als wäre mit ihr alles in Ordnung, konnte er in ihrem Gang etwas leicht Zögerliches, Vorsichtiges entdecken. Als hätte sie Angst, ihre Beine würden versagen. Er kannte sie gut genug, um die Zeichen zu deuten. Von der Art her, wie sie die Schritte setzte, vermutete er es wäre irgendetwas mit ihrem rechten Bein. Er hoffte es wäre nichts Schlimmes. Mit Schaudern dachte er zurück an ihren Wettstreit mit dieser Sängerin… Ruriko war ihr Name oder so ähnlich. Sie hatte trotz Riss im Knochen weitergespielt – und würde sich wahrscheinlich nicht einmal von einem Bruch von der Arbeit abhalten lassen. Eine Mischung aus Wut und Sorge stieg in ihm auf. Warum war sie nur so verdammt unvernünftig? Ein seltsames Gefühl ergriff das junge Mädchen, als sie schon beinahe bei der Garderobe von Tsuruga-san angekommen waren. Ihre kleine Dämonenantenne jauchzte und jubelte, denn sie empfing Wellen der Wut vom Schauspieler. Was hatte sie denn angestellt? Sie ließ die letzten Tage Revue passieren, stieß aber auf nichts Ungewöhnliches. Es sei denn… Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie ihn an. Er hatte herausgefunden, dass sie Bou war! Sofort schlug sie sich den Gedanken wieder aus dem Kopf. Er hatte es all die Zeit nicht bemerkt, warum sollte er das gerade jetzt tun. Außerdem verwirrte sie die Tatsache, dass die Emotion in der ihre Dämonen schwelgten nicht rein war. Da war noch irgendetwas anderes, außer der Wut, sie kam allerdings nicht darauf was es sein könnte… Nun war es allerdings sowieso zu spät um zu entkommen, denn sie waren in seiner Garderobe angekommen. Mit einer Geste deutete er ihr an, sich zu setzen. Dann hockte er sich vor ihr hin. Als er den Blick zu ihrem Gesicht hob, sah er in zwei große, weit aufgerissene Augen, ähnlich denen eines Rehs im Scheinwerferlicht. Seufzend schloss er die Lider. Na klasse, er hatte es mal wieder geschafft. Ren Tsuruga, weithin als Gentleman bekannt, hatte es mal wieder geschafft seiner Kohai Angst einzujagen. Er versuchte seine eigenen Emotionen zu beruhigen, wahrscheinlich hatte sie einfach die Wut an ihm wahrgenommen. Dabei war er a gar nicht wütend auf sie, jedenfalls nicht wirklich. Es ärgerte ihn einfach, dass sie so wenig auf sich selbst aufpasste. Sie wusste nicht warum, aber seine Wut schien plötzlich zu verfliegen. Erleichtert atmete sie auf, der Dämonenlord war nicht gerade ihr bevorzugter Gesprächspartner. „Also, was ist los?“ Verwirrt sah sie ihm in die Augen. „Was meinen Sie damit Tsuruga-san?“ „Du humpelst, auch wenn du es zu verstecken versuchst. Also, wo hast du dich verletzt?“ „Ich habe mich nicht…“ „Kyoko!“ Seine Stimme klang ärgerlich. Sie ließ die Schultern sinken und gab auf. Es war ja klar gewesen, dass ihm das nicht entgangen war. Schon des längeren argwöhnte sie, dass er irgendwie ein Esper oder so sein musste. Wie ließ es sich sonst erklären, dass er sie ständig durchschaute?! „Ich hab mir gestern nur ein bisschen das Knie verdreht, wirklich nichts Schlimmes.“ „Wie kommt es bloß, dass ich dieser Einschätzung nicht so recht traue?“, murmelte er vor sich hin. „Also, zeig her.“ Widerstandslos streckte sie das rechte Bein aus und zog den bodenlangen Rock bis übers Knie. Wenn sie es jetzt so betrachtete, sah es irgendwie doch nicht so gut aus… Stumm schüttelte er den Kopf. Nichts Schlimmes sagte sie und hatte ein Knie das aussah wie einmal durch den Farbtopf gezogen. Es war leicht angeschwollen, grün und blau gefärbt und zusätzlich hatte sie vorne noch eine Abschürfung, die aber bereits verschorft war. Als er seine Hand auf ihr Bein legte, zuckte sie zusammen. Er ignorierte es und tastete das Gelenk ab. Dabei musste er seine ganze Selbstbeherrschung zusammen nehmen, um die Hand nicht unwillkürlich ein bisschen höher wandern zu lassen. Kyoko war froh, dass Ren anscheinend ganz mit ihrem Bein beschäftigt war. So sah er nämlich nicht ihr Gesicht, welches farblich der schönsten Tomate Konkurrenz machte. Im Gegensatz zu gestern hatte sie hier keine Maske, welche ihre Mine verdeckte. Plötzlich durchzuckte sie ein Gedanke. Ren wusste, dass Bou sich am rechten Knie verletzt hatte – und nun wusste er, dass sie die gleiche Verletzung hatte! Sie musste an sich halten um nicht aufzuspringen und hinaus zu rennen, aber das wäre erst recht verdächtig gewesen. Erleichtert seufzte er auf. Anscheinend hatte sie Glück gehabt – oder zu mindestens nicht allzu viel Pech. Es war nur eine leichte Zerrung, nichts, was nicht von allein wieder heilen würde. Aus einem Wandschrank mit einem roten Kreuz darauf, wie sie hier überall hingen, nahm er etwas Verbandsmull und begann damit ihr Bein zur Stabilisierung zu verbinden. Wieder musste er sich arg zusammen reißen, um seine Hände nicht an Stellen wandern zu lassen, wo sie nicht hingehörten. Misstrauisch beobachtete sie ihn. Er schien nichts zu bemerken… Fast hätte sie aufgeschrien, als er plötzlich laut seufzte, aber es schien nur ein Ausdruck der Erleichterung zu sein, weil es wirklich nichts Schlimmes war. Aber… warum war er deshalb erleichtert? Es war schließlich ihr Bein, und nicht seins. Konnte es etwa sein, dass er sich… Sorgen um sie machte? Sie wälzte diesen Gedanken in ihrem Kopf hin und her. Dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Natürlich machte er sich Sorgen, wenn sie ernsthaft verletzt wäre, würde das ihre Schauspielerei beeinflussen und somit auch Dark Moon. Immer noch klang ihr die Aussage von Kozuki-san, dem Regisseur des Kyulala-Werbesports in den Ohren: Der Körper war das Werkzeug des Schauspielers, er hatte also gut darauf zu achten. Ihre Schultern sackten nach unten. Sie bereitete wirklich nur Probleme. „So, dass müsste reichen“, meinte er abschließend, als er das lose Ende des Verbandes befestigte. Als er jedoch in ihr Gesicht sah, runzelte er die Stirn. Was hatte Kyoko den auf einmal? Wieso wirkte sie so niedergeschlagen? Er wollte sie gerade darauf ansprechen, als sie sich dankend erhob. Dann meinte sie noch, sie müsse zu einem neuen Job, und verließ seine Garderobe. Immer noch mit in Falten gelegter Stirn sah er ihr nach. Diese Mädchen war wirklich ein Rätsel für sich… „Okay, nach dem du mich gestern förmlich ausgequetscht hast, ist es jetzt mein gutes Recht zu erfahren, was du heute hast!“ Ren hielt es nicht mehr aus. Yashiro hatte heute 5 Handy geschrottet, sein eigenes und vier die er sich von unschuldigen und vor allem unwissenden Teammitgliedern geliehen hatte, er hatte Ren zwei Termine zur gleichen Zeit verpasst, was dieser zum Glück noch rechtzeitig hatte ändern können, hatte sich nicht beschwert, als sein Schützling als Mittagessen nur einen Energiedrink zu sich genommen hatte und war zusätzlich noch fast überfahren worden, als er gedankenverloren auf die Straße getreten war. „Es ist…“ Der Blonde zögerte. „Ja?“, hakte Ren bereits halb ärgerlich nach. „Nichts.“ „Was?“ „Nichts.“ „Jetzt hör mal zu. Du hast heute nicht nur Elektronik im Wert von mehreren Zehntausend Yen zerstört sondern wärst auch fast tödlich verunglückt. Und das nennst du Nichts?“ Der Schauspieler war erschreckend laut geworden. „Anscheinend scheint meine Nähe Verletzungsgefahr gerade zu anzuziehen“, grummelte er in sich hinein. Jetzt war es an seinem Manager ihn verwirrt anzusehen. „Was meinst du damit?“ „Na ja, gestern Bou, heute Kyoko… sie haben sich beide am rechten… Knie… verletzt.“ Gegen Ende war die Stimme des Zweiundzwanzigjährigen ins Stocken geraten. Seine Kohai und das Stofftier hatten beide die gleiche Verletzung? War das nur Zufall oder… Stopp, das konnte nicht sein, schließlich… ja, was eigentlich? Ihm fiel kaum etwas ein, was als Gegenbeweis galt. Nur die Tatsache, dass Kyoko ihn im Gegensatz zu Bou nicht duzte. Verglichen mit den Dingen die dafür sprachen… Sie waren beide absolut unberechenbar in ihren Verhaltensweisen, hatten sofort seine Gentlemanfassade durchschaut, versuchten ihn aufzuheitern… hatten die gleiche Verletzung. Wenn er genauer darüber nachdachte, ähnelten sie sich sogar vom Körperbau, jedenfalls soweit er diesen bei Bou kannte. Er hielt auf seinem LME-Parkplatz und stellte den Motor aus, während er weiter nachgrübelte. Er hatte Kyoko von dem Mädchen erzählte, also müsste sie … nichts gemerkt haben, schließlich sprachen sie hier von Love-Me-Sektion-Mitglied Nummer 1. Und wo sie gerade dabei waren, diese Abteilung war schon fast sowas wie prädestiniert für solche Aufgaben. Sein Blick fiel auf Yashiro, welcher ihn abwartend ansah und in der ganzen Zeit keinen Mucks von sich gegeben hatte. „Sag mal … weißt du inzwischen eigentlich, wer Bou ist?“ Ein lauernder Unterton hatte sich in die Worte des Schauspielers gemischt. Sichtbar unsicher wich sein Manager zurück – zu mindestens so weit das das Auto zuließ. „Äh… also… weißt du Ren…“ Seufzend lehnte dieser sich in seinem Sitz zurück. „Es ist Kyoko, nicht wahr?“ Ein zögerliches Nicken war die einzige Antwort. „Aber warum sagt sie es mir nicht?“, murmelte Ren. Yashiro hatte sich die ganze Nacht über Gedanken über eben diese Frage gemacht. Und er glaubte zu einer recht schlüssigen Erklärung gekommen zu sein. „Weißt du noch, wie du sie anfangs behandelt hast?“ Das Aushängeschild LMEs zuckte beim Gedanken daran zusammen. Er erinnerte sich nur allzu gut. Und zwar daran, dass er sie in einem fort getriezt hatte. Es war schon fast ein Wunder, dass sie ihm das nicht mehr übel nahm. Konnte es sein, dass dies der Grund war? Hatte sie etwa Angst? Am liebsten hätte er sich selbst dafür geschlagen, ganz große Klasse, das hatte er wirklich toll gemacht. Er hatte den Anfang so vermasselt, dass sie ihm immer noch nicht wirklich vertraute. Nun, dann würde er wohl den ersten Schritt machen müsse Die Frage war nur, wie? Es war ja nun nicht gerade so, dass er jeden Tag frei hatte und sie einfach in ihrem Boukostüm abpassen konnte. Und wenn sie dieses nicht trug, würde sie nie im Leben zugeben, Bou zu sein, dass wusste er. Plötzlich kam ihm ein Gedanke, der ihn auflachen ließ. Einer der Termine, die ihm Yashiro zeitgleich hatte aufhalsen wollen, war für Rock Bizarre. Nun, die Gelegenheit hätte günstiger kaum sein können. Als Kyoko heute in ihr Boukostüm schlüpfte, war eine gewisse Aufregung damit verbunden. Immerhin hatten sie heute einen ganz besonderen Gast in der Show – nämlich Ren. Es war ein seltsames Gefühl ihm diesmal nicht als Kumpel zu begegnen, sondern als Gast. Andererseits freute sie sich darauf. „Kyoko-chan, bist du fertig?“ „Ich komme Shinichi-san.“ Nun, bis jetzt verlief alles tadellos. Zufrieden grinste Ren, als er an den Plan dachte, den er, mit Hilfe seines Managers, ausgeheckt hatte. Es war nicht einfach gewesen, eine Möglichkeit zu finden, in welcher es Kyoko nicht möglich war ihre Rolle als Bou zu leugnen, in welcher sie aber auch nicht einfach flüchten konnte. So wie sie sich stets benahm, wenn sie fürchtete, dass jene Seite an ihm auftauchte, die sie laut Maria ‚Dämonenlord‘ nannte, traute er es ihr durchaus zu, ihn für den Rest ihres Lebens zu meiden. Aber sie hatten dafür gesorgt, dass sie diesmal nicht davon laufen konnte… „Ah, da kommst schon der Korb.“ Als er die Stimme des Bandleaders hörte, kehrte er abrupt wieder in die Realität zurück. Sie waren mitten in der Aufnahme, es war keine Zeit dafür in Gedanken zu versinken. Zudem kamen sie nun zu dem Showteil, auf den er seine ganzen Hoffnungen setzte. Die Eier mit den Fragen und Aufgaben. Yashiro hatte es sich erlaubt, einige von ihnen etwas zu modifizieren. Jetzt betete er im Stillen dafür, dass eines jener… man könnte sagen… manipulierten Eier drankam. Mit einem Knacken, öffnete Hikaru das erste. „Hier haben wir eine Frage aus dem Publikum: Wie sieht für dich die perfekte Freundin aus?“ Absolute Stille breitete sich im Zuschauerraum aus, als jedes Mädchen sich vorbeugte, um ihn besser zu hören. Er lächelte, so dass einige der Zuschauerinnen von den Sanitätern auf Grund akuten Nasenblutens hinaus getragen werden mussten. Vor seinem inneren Auge erschien Kyoko, und er versuchte ihren Charakter in Worte zu fassen. „Sie darf sich nicht durch Oberflächlichkeiten täuschen lassen, sondern muss einfühlsam sein. Gleichzeitig sollte sie aber auch einen starken Willen haben, der sich durch nichts unterkriegen lässt. Und sie sollte ehrlich sein und zu ihren Taten stehen.“ Dabei dachte er an seine erste Begegnung mit ihr im Boukostüm – damals hatte sie unumwunden zugegeben ihn zu hassen. Diese Offenheit war für ihn erfrischend gewesen – obwohl er natürlich hoffte, dass sie ihren Hass ihm gegenüber inzwischen überwunden hatte. Ihm fielen noch viele weiter Dinge über sie ein, jedoch war das schwerer in Worte zu fassen, als er gedacht hätte, denn sie hatte so viele Facetten, dass er dafür wohl Tage gebraucht hätte. So begnügte er sich mit dem bisherigen und lächelte einfach nur, was seine Fans zum Aufkreischen brachte. Kyoko stand in ihrem Boukostüm unbeweglich daneben und ging die Charakteristika durch. Sie glaubte sich recht gut in Menschen hineinversetzen zu können und aufgeben tat sie auch niemals. Was die Ehrlichkeit anging… Schmerzhaft wurde ihr bewusst, dass sie diesen Punkt nicht erfüllte, schließlich sagte sie Ren nicht einmal, dass sie in diesem Moment genau neben ihm stand. Enttäuschung machte sich in ihr breit. Aber warum eigentlich? Sie wusste doch, dass er bereits jemanden liebte, sie sollte sich also an den Gedanken gewöhnt haben. Ihre Dämonen kreischten auf, als sie ihre Gedankengänge entdeckten. Das sah ja fast so aus, als wolle SIE seine Freundin werden! Unwillkürlich schüttelte sie den Kopf, als könne sie die Gedanken dadurch dazu bringen hinauszufallen. Irgendetwas musste heute mit dem Essen nicht gut gewesen sein, das war der einzige Grund für ihr seltsames Innenleben, den sie sich vorstellen konnte. Inzwischen bekam sie von den übrigen fragen kaum etwas mit. Nun, sie waren auch eher trivial und betrafen Rens Lieblingsessen/- film/-musik usw. Mit einem Kopfnicken gab ihr Yusei-san zu verstehen, dass sie den Korb bereits wieder Backstage bringen konnte. Sie würden noch ein Ei öffnen, dessen Auflösung aber erst nach der Werbepause, in welcher ein Szenenumbau stattfand, präsentiert werden würde. Da sie sich für eine fünfminütige Erholungspause in ihre Garderobe begab, bekam sie diese Frage gar nicht mit – was wohl auch besser war. Als es an der Tür klopfte, schrak sie zusammen. „Ja?“ „Kyoko-chan, ich bin es, Hikaru. Es geht um die nächste Aufgabe. Machst du die Tür auf?“ Sie öffnete diese. Mit einem leicht skeptischen Blick wurde sie von dem Crewmitglied gemustert. „Die Aufgabe von Ren Tsuruga besteht darin mit dir zu tanzen.“ „Aber…“ „Ohne Kostüm.“ Ihre Gesichtszüge entglitten ihr. Das durfte nicht wahr sein! Tsuruga-san würde herausfinden wer sie war! Ganz abgesehen von der Tatsache dass sie von sämtlichen weiblichen Mitmenschen gelyncht werden würde! Schließlich hatte sie, ein Mauerblümchen ohne jeglichen Status keinerlei Recht dazu mit Ren Tsuruga zu tanzen. Ihr Leben würde die Hölle werden! Nun, diesmal war sie eindeutig nicht die schuldige. Der junge Bandleader war nicht nur gekommen, um ihr die Aufgabe mitzuteilen, sondern auch um ihre Reaktion zu sehen. Dies war nämlich eine Aufgabe, wie es sie in der Vorbesprechung nicht gegeben hatte. Irgendjemand hatte sich an den Eiern vergriffen, und das letzte Mal als dies geschehen war, war das Kyoko gewesen. Der Angst in ihrem Gesicht zu Folge, war sie aber alles andere als glücklich über das kommende. „Hikaru-san, man wird mich lynchen!“ Lachend wollte er abwinken, dachte dann aber an die Fans da draußen. Sie könnte recht haben… „Keine Bange Kyoko-chan, wir sorgen dafür, dass dich niemand erkennt, okay?“ Mit einem superhoffnungsvollen Glitzern in den Augen sah sie zu ihm auf. Schnell drehte er den Kopf weg, damit sie die leichte Röte auf seinen Wangen nicht sah. Allein dieser Gesichtsausdruck war es wert, dass er die Aufgabe es ihr zu erzählen niemand anderem überlassen hatte. Sie konnte sich nicht wirklich entscheiden, ob sie ängstlich, oder glücklich war. Die genaue Aufgabe hatte darin bestanden, dass Ren Tsuruga eine Märchenszene mit ihr spielte, die einen Tanz beinhaltete. Die einzigen Vorgaben waren, dass er den Prinzen spielte, und sie die Prinzessin – und dass sie während der Szene unter anderem miteinander tanzten stand. Alles andere war freie Improvisation. Dann musste das Publikum erraten, welches Märchen die beiden spielten. Immer noch fürchtete sie erkannt zu werden, aber… eine Prinzessin! Sie durfte tatsächlich eine Prinzessin spielen, auch wenn es nur für wenige Minuten war. Man hatte ihr aus dem großen Kostümlager ein entsprechendes Kleid und eine Langhaarperücke besorgt. Zudem trug sie noch eine Maske, wie sie bei den früheren Bällen üblich gewesen war. Freudestrahlend drehte sie sich vor dem Spiegel. Es war als wäre ein Traum wahr geworden! Sie hatte erst überlegt, ob sie sich weigern sollte, die Aufgabe zu übernehmen, aber wer wusste schon, ob sie je wieder Gelegenheit bekam solch eine Rolle zu übernehmen. Nichtsdestotrotz zitterten ihre Hände leicht, als sie Bridge Rock zur Bühne folgte. Im Saal inzwischen, hatte die Lautstärke des Getuschels ihren Höhepunkt erreicht. Niemand wusste, wer unter Bou steckte. Viele vermuteten, es sein ein Mann, was Anlass zu wilden Spekulationen gab. Würde wirklich ein Mann Ren Tsurugas Prinzessin spielen? Oder war es doch eine Frau? Und wenn ja – wer war die Glückliche? Ren musste sich anstrengen, um ein breites Grinsen zu verhindern. Nachher bemerkte noch jemand, dass hinter dem ganzen ein Plan steckte… Die Märchenszenerie war nicht ohne Grund gewählt worden. Er wusste ganz genau, dass Kyoko dem nicht wiederstehen konnte. Und beim Tanzen hätte sie keine Möglichkeit wegzulaufen… „Okay, ihr könnt euch kurz absprechen, dann geht es los.“ Zögerlich trat Kyoko auf ihren Senpai zu. „H… Hallo Ren-kun.“ Ein leichtes Zittern in ihrer Stimme ließ sich nicht verbergen, denn sie fürchtete an dieser erkannt zu werden. „Hallo Bou.“ Als sie aufsah, zeigte sein Gesicht ein beruhigendes Lächelnd. „Was hältst du von Aschenputtel?“ Ein Nicken war die einzige Antwort. „Fangen wir beim dritten Abend an?“ „Einverstanden.“ Ren gab der Band bescheid, dass sie bereit waren. Sie begaben sich zu den zwei einander gegenüber aufgestellten Stühlen, den einzigen Requisiten, die erlaubt waren. Sie nahmen jedoch nicht darauf Platz. Auf ein Zeichen der beiden, begann die Musik. Aufmerksam sah sich das Mädchen im Ballsaal um. Zum dritten Mal war ihr die gute Fee erschienen, und hatte es ihr ermöglicht das Fest des Prinzen zu besuchen. Sie hoffte, durch die Maske nicht erkannt zu werden, denn zu Hause, war sie nichts Besseres als die niederste Magd, gerade gut genug um vor der glimmenden Asche des Kaminfeuers zu schlafen. Auch der Prinz ließ seinen Blick suchend über den Raum gleiten. Er hoffte, dass sie heute wieder erschien, die mysteriöse Schönheit, welche ihn an den vergangenen zwei Abenden verzaubert hatte. Als sich ihre Blicke trafen, schien es, als könnte man das Knistern in der Luft zwischen ihnen förmlich sehen. Als wären zwischen ihnen unsichtbare Bänder gespannt, bewegten sie sich aufeinander zu, fassten sich wortlos an den Händen und begannen zu tanzen. Ungläubig rieben sich das – überwiegend weibliche – Publikum die Augen, als könne es nicht glauben, was es da mit Blicken verfolgte. Bis auf die Musik, war es ungewöhnlich still. Yashiro musterte die Anwesenden und grinste dann. Sie kamen hier in den Genuss von Ren und Kyokos vereinten schauspielerischen Talenten. Oberflächlich betrachtet, waren es nur zwei Leute, die aufeinander zugingen und mit einander tanzten. Doch aus Erfahrung wusste er, dass es für die Zuschauer ganz anderes war. Auf Grund de Könnens der beiden Schauspieler, schien es beinahe so, als könne man den prächtig geschmückten Ballsaal, all die Menschen darin, sehen, als würde man ihr Gelächter und ihre Gespräche hören. Dort auf der Bühne, befanden sich nicht nur zwei Mimen, sondern eine ganze Welt, die sie um sich herum aufbauten. „Ihr seid wunderschön“, sagte Ren laut, so dass es alle hören konnten. In ihr Ohr aber flüsterte er, nur für sie bestimmt: „Kyoko-chan.“ Sie strauchelte, wusste dies aber durch eine gekonnte Schrittfolge zu verbergen. Mit weit aufgerissenen Augen sah sie zu dem Schauspieler. Für alle anderen sah es aus, als wenn das Mädchen, ob des Kompliments überrascht wäre. „Sch, hör einfach zu und spiel weiter.“ Sie riss sich zusammen. Sie durfte nicht aus ihrer Rolle gleiten. Trotzdem löste sie sich von ihm, lief davon. Dabei verlor sie ihren rechten Schuh, welchen sie vorher extra gelockert hatte. Sie ließ sich auf einem der Stühle nieder und barg das Gesicht in ihren Händen. Er hatte es heraus gefunden. Hatte heraus gefunden, dass sie vorgab jemand zu sein, der sie nicht war, dass sie ihn getäuscht hatte. Ebenso wie Aschenputtel, hatte sie nach Dingen gegriffen, die fern ihrer Sphären lagen. Sie hatte versucht ihm ein Freund zu sein, so wie das Mädchen aus dem Märchen nach der Liebe des Prinzen getrachtet hatte. Doch die Lüge hatte ihr Gesicht gezeigt. Märchenfigur und Jungschauspielerin hatten begreifen müssen, dass eine Täuschung nicht ewig halten konnte. Der Prinz sah dem Mädchen seiner Träume nach, wie sie floh. Verloren streckte er die Hand nach ihr aus, doch war es zu spät um sie noch zu erreichen. Sollte es ein Fehlschlag gewesen sein? Sollte er sie wirklich nicht wieder sehen? Sein Blick fiel auf den Schuh, welchen sie verloren hatte, und es erschien ihm wie eine letzte Chance. Eine letzte Chance ihr zu erklären, dass sie nicht flüchten müsste, dass er sie bei sich behalten wollte. Wie in Trance hob er das güldene Schuhwerk hoch. Mit einem Handzeichen brachte er die Musik zum Verstummen, denn für ihn war das Fest vorbei. Stattdessen begann nun die Suche. Er reiste weit, es kam ihm vor, als wenn er sich ständig im Kreise drehte. Doch schließlich hatte er sein Ziel erreicht. Vor ihm saß ein Mädchen. Und auch wenn er ihr Gesicht nicht sehen konnte, da sie dieses weinend in den Händen barg, so war er sich doch nahezu sicher, sie gefunden zu haben. Er beugte das Knie, und legte seine Hand auf ihr Bein. „Darf ich Euch bitten, diesen Schuh zu mindestens an zu probieren?“ Ein schwaches Nicken war die einzige Antwort, sie schien die Hoffnung auf ihr Glück bereits aufgegeben zu haben. Behutsam zog er den Schuh über ihren zierlichen Fuß, und siehe da, er passte wie angegossen. Lächelnd erhob er sich und beugte sich nahe zu ihr. Die folgenden Worte, waren allein für die Prinzessin bestimmt. „Kyoko-chan, ich bin dir nicht böse. Ich kann mir sogar vorstellen, warum du so gehandelt hast. Also bitte, hab keine Angst, ja?“ Ungläubig hob das Mädchen den Kopf. Sie schien nicht glauben zu können, dass er ihr tatsächlich verziehen hatte. Doch als sie sein aufmunterndes Lächeln sah, verschwand die Traurigkeit aus ihren Zügen und wurde durch ein wunderschönes Strahlen ersetzt. Zufrieden schloss der Prinz sie in die Arme. Seine Prinzessin würde bei ihm bleiben. Applaus brandete auf. Kyoko wurde knallrot, als sie aus ihrer Rolle, welche sowieso bereits zur Hälfte sie selbst gewesen war, wieder in die Realität zurückkehrte. „Äh… Tsuruga-san?“ Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. „Sie… können mich wieder loslassen.“ Ohne sich seinen Widerwillen anmerken zu lassen, tat er ihr den Gefallen. Allerdings… „Kyoko-chan, wir waren doch schon weiter, oder? Was ist den aus dem Ren-kun geworden?“ „Aber… ich…“ Seufzend unterbrach er sie. „Da habe ich dir schon verziehen und dann…“ „Na gut, Ren-kun“, schnitt sie ihm das Wort ab. Er schien nämlich unwillkürlich wieder in seinen Triezmodus zu fallen, jedenfalls hatte er ein strahlendes Gentlemangrinsen aufgesetzt. „Aber nur wenn du deinen Gesichtsausdruck änderst.“ „Nichts leichter als das, Prinzessin“, murmelte er, während ein Grinsen erschien. Er sah ihr nach, wie sie sich wieder in ihre Garderobe begab, um zurück in ihr Boukostüm zu schlüpfen. Und während das Publikum als Antwort Aschenputtel gab, es war ja auch nicht schwer gewesen, hoffte er, dass sie ihm selbst ebenfalls würde verzeihen könnte, wenn er ihr sein Geheimnis verriet – irgendwann einmal… Kapitel 4: Namensgebung und andere Schwierigkeiten (Skip Beat!, Satz 11) ------------------------------------------------------------------------ „Einen Namen müssen wir ihm ja wohl auch geben", sagte er im Dunkeln, während er die Hosenträger überstreifte. Verwirrt richtete sich die noch nicht ganz wache Kyoko im Bett auf, die Decke dabei fest um sich geschlungen, denn das Schlafzimmer war kühl. „Ja, aber…“ Ren drehte sich nicht einmal zu ihr um, während er sich vor dem Spiegel die Krawatte umband. „Wir müssen uns für einen Namen für unser Kind entscheiden, oder zu mindestens schon mal für ein paar, welche in die engere Auswahl kommen. Schließlich sollte die Entscheidung abgeschlossen sein, wenn es auf die Welt kommt. Falls es ein Junge wird, wäre ich für Hiro.“ „Hiro?“ „Wenn du ihn nicht magst, können wir uns natürlich noch anders entscheiden, es war nur ein Vorschlag.“ Endlich drehte er sich zu ihr um. Er strahlte übers ganze Gesicht, trat an ihr Bett und gab ihr einen kleinen Kuss auf die Nasenspitze, während er ein sanftes „Ich liebe dich“ murmelte. Sie musste unwillkürlich lächeln. „Ich dich auch“, hauchte sie zurück, und gab ihm zum Beweis einen leichten Kuss auf die Lippen. Immer noch konnte sie nicht wirklich glauben, dass sie nicht nur träumte. Sie war tatsächlich verheiratet – mit Ren Tsuruga. „Natürlich müssen wir uns auch noch über die Einrichtung des Kinderzimmers Gedanken machen. Ich wollte die Wände eventuell blau streichen, was hältst du davon? Ein schönes helles Blau. Oder wir nehmen eine dieser bunt gemusterten Kindertapeten, obwohl wir dann wohl nochmal umtapezieren müssten, sobald es älter wird. Schließlich sind tanzende Dinosaurier an den Wänden nur bis zu einem bestimmten Alter lustig, danach wird es eher peinlich. Also, was sagst du?“ „Äh… ich glaube blau streichen wäre besser, aber…“ „In welchen Kindergarten wollen wir es eigentlich schicken? Natürlich kann auch einer von uns zu Hause bleiben und sich darum kümmern, aber ich glaube nicht, dass das die optimale Wahl wäre, dazu sind wir beide zu sehr in die Schauspielerei vernarrt. Allerdings denke ich nicht, dass es ein Problem wäre, das Arbeitspensum etwas zu reduzieren, so dass wir genügend Zeit für das Kleine haben. Mir kam die Idee, dass wir es ja halbtags zu einer Tagesmutter bringen könnten. Dort sind die Betreuungszeiten flexibler als in der Kindertagesstätte. Eine normale Tagesmutter wäre glaube ich eher eine ungünstige Idee, angesichts des Bekanntheitsgrades von uns beiden, aber ich bin sicher, der Präsident weiß jemandem, bei dem unser Kind betreut werden kann, ohne von der Presse umlagert zu werden. Oder meinst du nicht?“ „Doch, sicher weiß er jemanden.“ Ihr Gesicht nahm einen leicht tadelnden Ausdruck an. „Aber Ren, es…“ „Irgendwie wirkst du nicht, als wärst du mit vollem Herzen bei der Sache“, unterbrach er sie missmutig. „Freust du dich denn gar nicht? Ich dachte du würdest dich auf unser gemeinsames Kind freuen!“ „Es ist nicht so, dass ich keine Kinder mit dir haben möchte Ren.“ Ihr Gesichtsausdruck war liebevoll, wirkte aber ein wenig als würde sie mit einem unverständigen Kind sprechen. „Ich liebe dich sehr, und ich bin auch sicher, dass…“ „Aber dann zeig doch ein bisschen mehr Enthusiasmus. Also, welche Namen magst du?“ Sie seufzte und gab sich geschlagen. „Für Mädchen mag ich beispielsweise Hana oder Yuki. Bei Junge… Hirota finde ich schön. Und Ryuji. Auch Takeru ist ein schöner Name.“ „Yuki und Ryuji mag ich auch“, stimmte ihr Ehemann ihr zu. „Aber wen sollen wir als Paten nehmen?“ Sie runzelte die Stirn. „Ich glaube nicht, dass da ein großer Mangel herrscht. Es haben sich schon mehrere Leute angeboten. Kanae, Maria, Präsident Takarada natürlich, meine Zieheltern, obwohl die wohl eher als Großeltern fungieren werden, Yashiro und Shotaru.“ „Dieser Sänger nicht.“ Die Stimme des Schauspielers klang abwehrend und entschlossen. „Warum nicht? Er war doch auch Trauzeuge.“ „Eben. Das ist schon schlimm genug.“ Er verschränkte die Arme, als wolle er sagen, dass das sein letztes Wort war. Ein leichtes Lächeln legte sich auf ihre Lippen. Trotz der Tatsache, dass sie SEINE Freundin gewesen war, SEINEN Verlobungsring angenommen hatte und nun SEINE Frau war, schien er immer noch eifersüchtig auf ihren alten Freund aus Kindertagen zu sein. Seit sie sich mit dem Ryokanerben versöhnt hatte, betrachtete Ren die Beziehung der beiden argwöhnisch. Er ging nicht so weit, sie in irgendeiner Art und Weise auszuspionieren – etwas, was Kyoko froh stimmte, da es zeigte, wie sehr er ihr vertraute – aber er konnte Sho immer noch nicht leiden. Es schien beinahe, als wenn er Kyoko vollkommen vertraute – Shotaru aber alles Mögliche zutraute. Einerseits fand sie diese Eifersucht irgendwie niedlich, andererseits auch manchmal ziemlich anstrengend. Er schien keinerlei Problem mit anderen Männern zu haben, selbst dann nicht, wenn sie diese im Film küssen musste, aber sobald die Rede auf den Sänger kam, war er der Hund und sie der Knochen, den er unter Einsatz aller Mittel schützen musste. „Komm schon Ren, es gibt wirklich keinerlei Grund eifersüchtig zu werden.“ Ein „Hrmpf“ war die einzige Antwort. „Ich hab doch dich. Aber er ist eben ein guter Freund. Es ist gar nicht so einfach jemanden zu hassen, mit dem du zusammen aufgewachsen bist. Also hör auf jedes Mal, wenn die Rede auf ihn kommt, ein Gesicht zu machen, als würde er mich gleich kidnappen.“ „Ich mag nicht, wie er dich ansieht“, murmelte der große Mann ihr gegenüber. „Ren, Sho ist Vergangenheit. Ich habe ihn früher geliebt, aber das tue ich nun nicht mehr. Er ist ein Freund, nicht mehr und nicht weniger, und das wird sich auch nicht so schnell ändern. Wie gesagt, er ist die Vergangenheit. Gegenwart und Zukunft aber bist du.“ Ein Lächeln zeigte sich auf Rens Gesicht, doch dann wandte er sich wieder dem Wandspiegel zu, scheinbar um seine Hosenträger zurecht zu zupfen. „Du sagst, ich bin deine Zukunft, aber warum blockst du dann immer ab, wenn wir über Kinder sprechen.“ „Ich blocke nicht ab“, meinte sie nur, während sie ihre Füße über die Bettkante schwang und langsam aufstand. Ihre gerunzelte Stirn zeigte deutlich, dass sie sich über seine Sturheit ärgerte. „Doch, das tust du. Jedenfalls jedesmal, wenn es konkret wird, wie zum Beispiel wenn es um die Wahl des Namens oder um die Einrichtung des Kinderzimmers geht.“ Er spürte, dass seine Worte falsch gewesen sein, denn plötzlich nahm er hinter sich eine dunkle Aura war. Kyoko stand nun direkt hinter ihm. „Verdammt noch mal Ren, ich blocke nicht ab! Ich hab es damit nur nicht ganz so eilig wie du.“ „Siehst du, du nimmst das nicht ernst. Wenn es dann da ist, muss die Planung fertig sein!“ „REN! Wir haben noch mehr als genug Zeit.“ „Das sagst du.“ Er sah wie ihre Kiefermuskulatur sich spannte, während sie mit den Zähnen knirschte. Ihre Stimme war laut, während sie ihm ihre Erwiderung entgegen schleuderte. „Falls du dich erinnerst, hatte ich vor wenigen Stunden meine Hochzeitsnacht mit dir. Und das war mein erstes Mal! Ich bin noch nicht einmal schwanger, Ren Tsuruga! Also hör bitte auf, so hektisch zu sein!“ Wutentbrannt stapfte sie zur Tür, welche in den Flur ihrer gemeinsamen Wohnung führte. Sie öffnete die Tür, drehte sich aber noch einmal um. „Und übrigens: Nur weil Kuu dir Hosenträger geschenkt hat, musst du sie noch lange nicht tragen. Die stehen dir nämlich nicht!“ Und mit einem lauten Türknall war sie verschwunden. Nachdenklich betrachtete Ren sich im Spiegel. Das war ihr erster Ehestreit – was auch daran liegen mochte, dass sie noch keine 24 Stunden verheiratete waren. Aber er kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie sich jetzt einfach nur beim Kochen abreagieren würde. In einer Stunde, hätten sie beide sich genügend abgekühlt, um sachlich über das Problem zu diskutieren. Er warf noch einen Blick in den Spiegel. Vielleicht hatte sie ja recht – zu mindestens was die Hosenträger betraf. Kapitel 5: Stimmungsschwankungen und ihre Ursachen (Skip Beat!, Satz 13) ------------------------------------------------------------------------ Sie mochte keine medizinische Ausbildung haben, doch sie hatte ihre Hypothese durch Beobachtung und das Sammeln empirischer Beweise entwickelt und war auf diesem Weg zu einem zwar unglaublichen, aber dennoch möglichen Schluss gelangt: Ren Tsuruga litt an einem Prämenstruellen Syndrom, kurz PMS. Nun, sie wusste zwar, dass das eigentlich eine Krankheit war die nur Frauen befiel, aber letztendlich war es alles nur eine Frage der Hormone. Und wer wusste schon, was für Präparate und Medikamente der Schauspieler nahm? Sie glaubte zwar nicht wirklich, dass er zu den vielen Medikamentensüchtigen des Showbusiness gehörte, aber die einzig andere mögliche Erklärung wäre, dass er schwanger war – und das konnte sie hundertprozentig ausschließen. Eine kleine Stimme in ihr allerdings sagte, dass sie auch das nicht unbedingt ausschließen konnte – sie war zwar der festen Überzeugung, dass ihr Senpai ein Mann war, aber wer wusste das schon so genau zu sagen im Zeitalter der plastischen Chirurgie. Sie verdrängte die Stimme – es gab Dinge, die wollte man gar nicht so genau wissen. Fakt war jedenfalls, dass sich ihr Schauspielvorbild immer seltsamer benahm. Er hatte Stimmungsschwankungen, die sie sich einfach nicht erklären konnte. In der einen Sekunde unterhielt er sich ganz freundlich mit ihr, um in der nächsten dann ein Gesicht zu machen, als würde die Welt untergehen. Er reagierte des Öfteren ungewöhnlich gereizt, auch wenn er das gut unter seinem Gentlemansmile zu verbergen wusste. Und als Bou hatte sie ihn in letzter Zeit vermehrt vollkommen antriebslos erlebt. Von seinen Heißhungerattacken wollte sie gar nicht erst reden. Für andere mochten diese vollkommen unauffällig sein, aber er stürzte sich jedes Mal nahe zu auf das Bento, welches sie ihm gelegentlich mitbrachte, wenn sie zusammen arbeiteten. Bei jedem anderen hätte sie das nicht gestört, aber es ging hier um Ren Tsuruga, der nur aß, wenn ihn jemand dazu zwang! Ob sie ihm ihre Diagnose sagen sollte? Aber irgendwie wagte sie es zu bezweifeln, dass es ihm gefiel wenn seine Kohai seinen Gesundheitszustand analysierte. Wahrscheinlich würde er es sowieso nur abstreiten. Aber was sollte sie tun? Wenn es so weiter ging, dann würde sie irgendwann durchdrehen. Der Schauspieler war schon in normalem Zustand kein einfacher Mensch, aber immerhin hatte sie seine bisherigen Reaktionen stets wenigstens ansatzweise vorhersehen können – inzwischen schien er aber im Minutentakt die Stimmung zu wechseln. „Sag mal hast du mir überhaupt zugehört?“ Abrupt wurde das Mädchen aus seinen Gedanken gerissen. Verschreckt sah sie auf. „Ich… äh…“ Ihr Gegenüber ließ einen tiefen Seufzer hören, bevor er ihr die leere Bentobox zurückgab. „Tja, dann will ich dich nicht länger in deinen hochwichtigen Gedankengängen stören. Vielen Dank für das Essen.“ Und ohne ihr die Möglichkeit zur Erwiderung zu geben ging er davon. ‚Genau das war es‘, kam es ihr frustriert in den Sinn. Gut, sie war ein wenig abgedriftet, aber das war ja wohl noch lange kein Grund so zu reagieren! Ihr blieb also keine andere Möglichkeit als ihren Senpai zu heilen, wenn sie nicht verrückt werden wollte. Noch war ihr nicht klar, wie sie das anstellen würde, aber wozu gab es schließlich das Internet. En Blick auf die Uhr ließ sie erschrocken zusammen fahren. In Windeseile schnappte sie sich den Ausdruck, stopfte ihn in ihre Handtasche und verließ die Bibliothek. Sie rannte zu ihrem Fahrrad, schwang sich drauf und beschleunigte von 0 auf 40 km/h in nicht einmal 2 Sekunden. Abgehetzt, aber gerade noch pünktlich, betrat sie um halb sieben das Darumaya. Die Wirtin begrüßt sie mit einem Lächeln, der Wirt wie üblich mit einem knappen Nicken. Sie erwiderte dies mit einer Verbeugung, bevor sie in ihre Arbeitsuniform schlüpfte und die letzten Vorbereitungen traf, bevor das Restaurant für heute Abend eröffnet werden würde. Ihre Hände kannten die Arbeit, so dass sich ihr Kopf während dessen mit anderen Dingen beschäftigen konnte. Die genauen Ursachen für PMS, so hatte sie herausgefunden, waren noch nicht geklärt. Aus diesem Grunde gab es auch keine hundertprozentig wirksame Therapie, nur Möglichkeiten, wie die Symptome eventuelle behandelt werden konnten. Bezog sie die Tatsache, dass es hier um Ren Tsuruga ging mit ein, so blieb ihr nicht mehr all zu viel übrig, was sie tun konnte. Ohne ärztliche Absprache war es ihr unmöglich ihm irgendwelche hormonellen Präparate unters Essen zu mischen. Täglicher Sport sollte helfen, aber sie bezweifelte stark, dass ihr Senpai dafür neben seinem dicht gepackten Terminplan noch Zeit fand. Für autogenes Training und Entspannung galt das gleiche – zumal sie sich den beliebtesten Junggesellen Japans irgendwie nur schwer bei irgendwelchen Yogaübungen vorstellen konnte… Aber immerhin zwei Dinge hatte sie gefunden, die sie für ihn tun konnte. Das erste – und weitaus einfachere – betraf seine Ernährung. Sie würde ihm täglich eine Lunchbox machen, egal ob sie zusammen arbeiteten oder nicht, damit er sich ausgewogen und abwechslungsreich ernährte. Niemand konnte gesund bleiben, wenn er nichts weiter als gefüllte Reisbällchen aß. Sie war sich sicher, dass sie es schaffen würde sich mit Yashiro so weit abzusprechen, dass sie ihm das für seinen Schützling bestimmte Bento täglich überreichte. Es gab noch etwas, was sie eventuell tun konnte, allerdings… Sie schüttelte den Kopf, als wolle sie den Gedanken vertreiben. Mit der zweiten Methode würde sie sich später beschäftigen – vielleicht. „Mogami-san?“ Mit einem kleinen Schreckensschrei fuhr sie zusammen und ihre Blätter flogen durch die Luft. Sie hatte sich gerade noch einmal ihre zusammen getragenen Fakten über die Krankheit durchgelesen, als der Patient sie von hinten überrascht hatte. Eilig sammelte sie ihre Ausdrucke ein, er sollte das bloß nicht sehen! Erstaunt musterte er sie. „Alles in Ordnung?“ Sie nickte hektisch. „Ja, natürlich, alles in bester Ordnung. Ich hab mich nur etwas erschreckt, weil… äh ja, weil Sie so plötzlich aufgetaucht sind. Hier ist ihr Bento.“ Sie kramte es aus ihrer Tasche und drückte es ihm in die Hand. „Ich muss jetzt los.“ Und schon war sie auf und davon. Verwirrt sah er ihr hinterher. Dann fiel sein Blick auf ein Blatt, welches ihrer hektischen Sammelaktion entgangen sein musste. Neugierig hob er es auf. Es war ein sehr kurzer, kopierter Zeitungsartikel über PMS. Verwundert hielt er inne. War sie etwa krank, ohne, dass er davon wusste? Er nahm sich die Randnotizen vor, die sie zu einigen Symptomen und Therapiemaßnahmen hinzugefügt hatte. Zum Beispiel stand hinter Heißhunger „stürzt sich auf Bentos“, hinter Stimmungsschwankungen war einfach nur ein dicker Haken gemalt. Unterm Punkt Therapie fand er folgende Bemerkungen. Ein Häkchen hinter „ausgewogene Ernährung“, das Wort Zeitmangel hinter „viel Sport“ und ein „Ren beim Yoga?“ so wie „M?“ hinter „Entspannungsmaßnahmen“. Was zum … ? Plötzlich eilten seine Augen wieder zu den Randbemerkungen. Stand da wirklich REN? Sie… sie glaubte ER hätte PMS? Er wusste nicht ob er lachen, oder sich lieber Sorgen um ihren Kopf machen sollte. Wie kam sie auf die Idee? Er las noch einmal ihre Randbemerkungen zu den Symptomen durch. Nun, wenn man es von einem objektiven Standpunkt aus betrachtete… Er hatte Stimmungsschwankungen. Allerdings waren sie wohl nur für Kyoko unerklärlich, er hingegen verstand sie ganz gut. Es waren einfach ihre vollkommen nichtsahnenden Bemerkungen, die ihn immer wieder in den Zustand schlechter Laune versetzten. Nun, anscheinend hatte sie sich sogar schon überlegt, wie sie ihn heilen konnte, stellte er grinsend fest. Mal sehen, was ihr als nächstes einfiel… Erst nach ein paar Minuten hörte sie auf zu rennen. Bei Kami, das hatte ihr fast einen Herzinfarkt eingebracht. Musste er sie denn so erschrecken? Inzwischen bereute sie es bereits, davon gelaufen zu sein, anstatt dort zu bleiben und etwas mit ihm zu reden. Jetzt allerdings wieder zurück zu gehen wäre noch seltsamer – zumal er vermutlich gar nicht mehr da war. Nun, es schien immerhin etwas geholfen zu haben. Das „Projekt Therapie“ war inzwischen seit sieben Tagen am Laufen und zu mindestens die Stimmung ihres Senpais, wenn sie sich mal zufällig trafen schien etwas besser und vor allem stabiler zu sein. Allerdings – perfekt war das noch nicht. Immer noch schienen manchmal kleinste Sachen ihn aus dem emotionalen Gleichgewicht zu bringen. So hatte er sie beispielsweise am Mittwoch vom Studio abgeholt, in dem sie als Bou tätig war – sie hatte das als Love-Me-Job bezeichnet. Während des Wartens hatte sie sich mit Hikaru unterhalten. Als sie seinen Sportwagen erblickt hatte, hatte sie sich von dem jungen Mann verabschiedet und war zu Ren ins Auto gestiegen – nur um am liebsten sofort wieder flüchten zu wollen. Eine dunkle Aura hatte ihn umgeben, und auch wenn sie irgendwie gespürt hatte, dass sich seine Wut diesmal nicht auf sie sondern auf irgendetwas außerhalb des Autos gerichtet hatte, war es alles andere als angenehm gewesen. Auf ihre zittrige Nachfrage hatte sie nur ein einsilbiges „Nichts, nichts…“ bekommen. Ein paar Minuten später hatte sich die Atmosphäre im Auto wieder beruhigt aber es war trotzdem ein unangenehmes Erlebnis geblieben. Insgesamt konnte sie also nur einen Schluss ziehen – sie musste zur nächsten Methode übergehen. Das Problem war, wie sie das einfädeln wollte. Am liebsten hätte sie ihn einfach zu einem Profi geschickt, aber er hatte ihr mal erzählt, dass er es nicht mochte, wenn fremde Leute ihn anfassten. Ein Händedruck, ein Schulterschlag, das ging in Ordnung und Arbeit war etwas anderes, aber er konnte sich dabei wohl nie wo wirklich entspannen. Als Option blieb also nur, dass sie es selbst versuchte, dann konnte er es immer noch ablehnen, ohne dass Geld verschwendet worden war. Eine Idee setzte sich in ihrem Kopf fest und sie griff zum Telefon. Yashiros Nummer hatte sie inzwischen bereits auf eine Kurzwahltaste gelegt. Resignierend betrachtete der blonde Manager seinen lächelnden Schützling. Anscheinend brauchte der Schauspieler inzwischen fast täglich eine Dose Kyoko. Es wirkte sich glücklicherweise nicht auf seine Arbeit aus, aber wirklich zufrieden war der Braunhaarig nur an Tagen, an denen er zu mindestens kurz mit seiner Kohai gesprochen hatte. Dabei musste das nicht mal ein sonderlich gut verlaufendes Gespräch sein. Wenn sie sich stritten – oder besser gesagt grummelnd, ärgerlich oder verlegen anschwiegen, eine Kunst die die beiden nach Yashiros Meinung nahezu perfektioniert hatten – war er danach zwar meist ein wenig miesepetrig, konnte aber spätestens eine Stunde später bereits darüber lachen und bei ihrem nächsten Treffen schien es, als wäre nie etwas gewesen. Unwillkürlich musste der Manager grinsen. Er hatte es geschafft Ren von sämtlichen Drogenskandalen des Showbusiness fernzuhalten, aber gegen seine Kyokosucht war selbst er machtlos. Das Vibrieren seines Handys riss ihn aus den Gedanken. Routiniert zog er sich seine Handschuhe an, bevor er nach dem elektronischen Gerät griff. ‚Wenn man vom Teufel spricht‘, kam es ihm in den Sinn, als er die Nummer auf dem Display sah. „Moshi-moshi? … Morgen? Kein Problem. … So gegen acht, oder ist das zu spät? … Nein, nein, er geht nicht so früh zu Bett. … Sollen wir noch irgendetwas besorgen? … Ja, dir auch.“ Mit zufriedenem Gesichtsausdruck steckte er das Telefon wieder ein. „Kommt sie morgen zum Essen?“ Es fiel dem Schauspieler schwer den hoffnungsvollen Klang seiner Stimme zu unterdrücken. Und natürlich hatte Yashiro diesen gehört, deutlich zu sehen an seinem Grinsen. „Ja. Also werd pünktlich fertig. Überstunden werden nicht geduldet du Workaholic!“ Grummelnd stimmte Ren zu, aber ihm war deutlich anzumerken, dass er das alles andere als schade fand. Immer noch leicht nervös, verstaute Kyoko ihr Handy wieder in der Tasche. Der Termin stand – jetzt musste sie nur noch dafür einkaufen. Oder hatte Tsuruga-san sogar etwas Entsprechendes bei sich zu Hause? Hm, wohl eher nicht. Es war sicherer, wenn sie gleich alles mitbrachte. Mal sehen, als erstes brauchte sie etwas Öl… Nun, er wusste zwar, dass er Ren gesagt hatte pünktlich Schluss zu machen, aber die Geschwindigkeit seines Schützlings überraschte sogar ihn. Nicht nur, dass er selbst keinen Fehler machte – wie es für ihn ja auch fast normal war – er brachte auch seine Costars dazu die Szenen mit ihm fehlerlos durchzuziehen. Auch dem Regisseur schien das aufgefallen zu sein: „Haben Sie heute noch einen Termin, Yashiro-san?“ Ob er so tun sollte als ob? Allerdings wäre solch eine Lüge wohl zu offensichtlich, er konnte schlecht einen Showauftritt vorschieben, wenn die Aufzeichnung davon niemals auftauchte. „Nein.“ „Wirklich nicht? Nun, dann ist der beliebteste Junggeselle Japans wohl kein Junggeselle mehr.“ Ein Schmunzeln zog über das Gesicht des älteren Mannes. Yashiros Gesicht blieb ausdruckslos. Im Laufe seiner Karriere hatte er gelernt mit solchen Anspielungen umzugehen. „Da muss ich Sie leider enttäuschen, er ist immer noch solo.“ Und das war zum Missfallen des Managers noch nicht einmal gelogen. „Naja, aber wohl nicht mehr allzu lange würd ich sagen.“ Dabei lachte der andere Mann leise. „So wie er sich heute beeilt, hat er noch etwas Wichtiges vor. Und da es mit Arbeit nichts zu tun hat, muss es wohl ein Termin mit jemand ganz besonderem sein. Jaja, jung müsste man sein.“ Zweifelnd sah der Blonde den Regisseur an. Dieser war zwar schon über 40, aber auch verheiratet, sollte diesbezüglich also eigentlich nichts zu klagen haben. Anscheinend bemerkte der Ältere den Blick auf den Ehering. „Nun, ich bin nicht unzufrieden, aber neue Liebe ist doch immer etwas Schönes.“ Und damit begab er sich, immer noch lachend, wieder zum Set, denn die Maske war gerade fertig geworden. Yashiro dachte über die Worte nach. Hoffentlich war Rens Benehmen nicht für ALLE so offensichtlich. Obwohl – es gab eine Person bei der sich Yashiro wünschte sie würde das Verhalten des Schauspielers endlich richtig interpretieren. Nachdem Ren Yashiro abgesetzt, wohl eher rausgeschmissen, hatte, beeilte er sich um zu seiner Wohnung zu kommen. Obwohl er sich extra angestrengt hatte, war es auf Grund technischer Probleme doch später geworden als gedacht, er hätte bereits vor einer Stunde zu Hause sein müssen, Kyoko würde seit etwa dreißig Minuten auf ihn warten. Am liebsten hätte er den Kopf auf das Lenkrad geknallt, als ihm sein Verhalten klar wurde. Es war schließlich kein Date, sondern nur eine Verabredung zum Essen. Nicht mehr und nicht weniger. Andererseits – mehr würde er von ihr wohl nicht bekommen, warum sich also nicht auf die seltene Gelegenheit mit ihr allein zu sein freuen. Und so lange er sich nur wie ein verliebter Schuljunge benahm, wenn keiner hinsah, ging das in Ordnung – hoffte er jedenfalls. Wie er erwartet hatte, stand sie bereits vor dem Hauseingang. Er bekam sofort ein schlechtes Gewissen, als er sie so vor Kälte zitternd im Regen stehen sah. Warum hatte das Haus denn auch nichts zum Unterstellen? „Mogami-san, es tut mir leid, dass es später geworden ist, komm rein“, er öffnete den Hauseingang und nahm ihr die beiden Tüten – wahrscheinlich prall gefüllt mit Essen, wie er bei sich dachte, ab. Zähneklappernd stieß sie eine unverständliche Begrüßung hervor und folgte ihm. Mit der Wasserlache die sie auf dem Teppich hinterließ und den tropfnassen Haaren sah sie noch mitleiderregender aus als draußen und er beeilte sich sie über den Fahrstuhl in seine Wohnung zu befördern. Nachdem er die Tüten in der Küche abgestellt hatte, schickte er sie ins Bad, duschen. Wenn sie so blieb setzte sie nicht nur seine gesamte Wohnung unter Wasser, sondern fing sich unter Garantie auch eine gehörige Erkältung ein. Er durchwühlte seine Sachen auf der Suche nach irgendetwas was zu mindestens halbwegs passen würde. Allerdings könnte er da wohl bis an sein Lebensende suchen – unter seinen Klamotten fand sich nichts. So griff er einfach zu einem seiner Jogginganzüge, die ließen sich am Hosenbund wenigstens enger knoten. Erst als er sich das Handtuch schnappte, erkannte er sein Dilemma. Er hatte Kyoko duschen geschickt – bevor er ihr etwas zum abtrocknen und frische Anziehsachen hineingelegt hatte. Hinter der Badezimmertür konnte er das Wasser rauschen hören. Einzig seiner starken Konzentration war es zu verdanken, dass es ihm wenigstens halbwegs gelang sich vom Gedanken an Kyoko unter der Dusche abzulenken. Er klopfte, und das Rauschen verstummte. „Ich leg dir ein Handtuch und frische Sachen hier vor die Badtür. Wenn du mich dann brauchst, ich bin in der Küche.“ Und als ob er sich sonst verbrennen könnte, legte er die Sachen schnell ab und verschwand in der Küche. Was er brauchte war ein großes Glas kaltes Wasser. Kyoko war froh, dass in diesem Moment niemand ihren Gesichtsausdruck sah – sie hatte nämlich das Gefühl zu glühen und wunderte sich schon, dass das Wasser nicht auf ihrer Haut verdampfte. Warum hatte sie auch nicht daran gedacht sich etwas Wetterfestes anzuziehen. ‚Weil du gedacht hast, dass er schon da ist‘, beantwortete sie sich ihre eigene Frage. Sie genoss noch ein wenig das heiße Wasser und stellte es dann ab. Tropfnass stieg sie aus der Dusche und huschte zur Badezimmertür. Sie öffnete sie erst nur einen Spalt, und als sie sicher war, dass Ren sich wirklich woanders aufhielt, schnappte sie sich schnell die bereitgelegten Sachen und schloss wieder ab. Als sie die Kleidergröße sah, musste sie kichern – zum Glück gab es Bänder und Knoten… Als sie eintrat musste er sich das Grinsen verkneifen. Die Hosenbeine waren mehrfach hochgekrempelt, der Pulli ging ihr bis fast zu den Knien und sah aus als hätte er Puffärmel, weil sie diese nicht gekrempelt sondern nur hochgeschoben hatte. Süß, war das erste Wort was ihm dazu einfiel. „Willst du erst mal einen Tee zum Aufwärmen?“ Sie schüttelte nur den Kopf und ging schnurstracks in Richtung Küche. Sie durfte sich mit dem Essen nicht all zu viel Zeit lassen, schließlich war das eher eine Verschleierungstaktik und nicht der Hauptgrund, weshalb sie hier war. Schnell konzentrierte sie sich wieder auf das bevorstehende Essen. Sie durfte nicht zu genau nachdenken, sonst machte sie noch einen Rückzieher… Nachdem sie ihn mit ihrem üblichen „Sie brauchen mir nicht zu helfen“ abgefertigt hatte, beobachtete er sie vom Küchentisch aus. Sie hatte den Pullover ausgezogen, da er beim Kochen nur gestört hätte, und trug nun ein schwarzes T-Shirt von ihm, welches um ihre zierliche Gestalt schlackerte. Irgendwie schien sie ihm nervöser als sonst. Ihre Kochkunst war effizient wie immer, aber sie hielt immer wieder inne und wurde rot, um sich dann wieder mit doppeltem Eifer auf die Zubereitung zu stürzen. „Ist alles in Ordnung?“ War sie vielleicht zu ihm gekommen, weil sie irgendein Problem hatte? Ihn etwas fragen wollte? In seinem Hinterkopf tauchte das Bild des Zeitungsausschnitts auf. Hatte er etwas gemerkt? Hatte sie sich verraten? Abrupt wandte sie ihr Gesicht den dampfenden Kesseln zu, um die aufsteigende Röte zu entschuldigen. „Wie kommen Sie darauf Tsuruga-san?“ „Nun, du wirst immer so rot…“ Abrupt schloss er den Mund. Das hatte er ihr eigentlich nicht auf die Nase binden wollen. „D-D-Das stimmt doch gar nicht!“ Ihre Stimme klang nahezu panisch. Er spürte wie ein wenig seiner Gentlemanfassade abbröckelte und sich ein Grinsen auf sein Gesicht legte. „Doch, es stimmt.“ Scheinbar empört wandte sie sich ab. „Wieso sollte ich rot werden?!“ Er zuckte scheinbar gelassen mit den Schultern. „Vielleicht weil du leicht errötest?“ Ihr darauf folgendes Schmollen war eindeutig nicht gespielt. „Tue ich nicht!“ „Tust du wohl!“ „Nein!“ „Doch – Kyoko.“ Eine Tomate war blass im Vergleich zur darauf folgenden Wangenfarbe des Mädchens. „Siehst du“, war sein lapidarer Kommentar dazu. Ein Teil von ihm fragte sich, was zum Teufel er da eigentlich tat – und wo bloß seine Maske hingekommen war. Der weitaus größere Teil aber erfreute sich einfach an ihrer Reaktion. Es tat gut, ab und zu mal er selbst zu sein. Und er hatte das Gefühl, dass er das in Gegenwart von ihr konnte. „Sie, Sie, Sie…“, scheinbar sprachlos riss sie in einer halb verzweifelt, halb komisch wirkenden Geste die Hände zur Decke. Er lachte leise. „Als Entschuldigung darfst du mich auch Ren nennen.“ Endlich schien sie ihre Sprache wieder gefunden zu haben. „Ich kann Sie doch nicht Ren nennen!“, rief sie aufgebracht. „Stimmt, das kannst du wohl wirklich nicht.“ „Wie?“ Wenn sie selbst sagte, dass sie es nicht konnte war das das eine, aber er hatte es ihr doch eben erst angeboten? „Du traust dich nämlich nicht.“ Erste kleine Dämonen kamen als Reaktion zum Vorschein. Er glaubte wohl wirklich, dass sie dazu zu feige war?! „Bin ich gar nicht! Ren! Ren, Ren, Ren, Ren, Ren!“ Ihre Augen blitzten. „Kyoko“, seine Stimme war das genaue Gegenteil zu ihrer, nicht wütend sondern sanft, als würde er von etwas unglaublich kostbarem Reden. Abrupt verstummte sie. Dann: „Das Essen!“ Erschrocken fuhr sie herum und linste in alle Töpfe und Pfannen um erleichtert festzustellen, dass in der Zwischenzeit nichts angebrannt war. Ren nutzte die Zeit um sich zu beruhigen – schließlich konnte er nicht ständig in Lachen ausbrechen. Er hatte Kyoko eigentlich gar nicht ärgern wollen, aber sie war so niedlich gewesen, als sie sich aufgeregt hatte. Und als sie dann zu den Namen kamen, musste er diese Gelegenheit einfach ergreifen. Inzwischen war das Essen so gut wie fertig und Kyoko begann den Tisch einzudecken. Ren stand auf um ihr zu helfen, musste aber letztendlich passen. Bevor er auch nur ansatzweise irgendetwas hätte herausholen können, war sie schon fertig – da merkte man die Erziehung im Gastronomiebereich. Mit großen Augen beobachtete Ren, was sie alles aus der Küche holte. Als Vorspeise hatte sie knusprige, mit viel frischem Gemüse belegte Bruschetta vorbereitet. Als Hauptspeise gab es mit Sojasauce und Honig mariniertes Hähnchenfilet. Und der Abschluss des ganzen wurde von überbackener Ananas mit Vanillesauce gebildet. Sie aßen in einträchtigem Schweigen und Ren staunte, wie viel er schaffte – und dabei musste er sich noch nicht einmal überwinden. Es war einfach nur lecker – und das sagte er ihr auch. „Das war köstlich, Kyoko.“ Gespannt wartete er auf ihre Reaktion. Sie zuckte zusammen, als er sie einfach so ansprech. Er tat es schon wieder. Es war ja nicht wirklich schlimm, aber… und genau da lag das Problem, sie wusste nicht, was eigentlich dagegen sprach. Er war ihr Senpai, wusste mehr von ihr als die meisten anderen Leute in Tokyo und sie mochte ihn – meistens jedenfalls. Zögernd sah sie auf und war erstaunt fast so etwas wie ein Bitten in seinem Blick wahrzunehmen. War ihm das etwa so wichtig? Nun… emotionaler Stress verschlimmerte PMS. Das heißt sie würde es ihm zugestehen. Nur aus diesem Grunde! Und… nun, vielleicht durfte er sie auch so nennen, wenn er geheilt war, das würde man ja sehen. Sie lächelte ihn an, als Zeichen, dass sie nichts dagegen hatte. „Vielen Dank Tsuruga-san.“ Er war zwar glücklich, dass er sie Kyoko nennen durfte – etwas, was sie nicht einmal Kuon erlaubt hatte, aber das Tsuruga-san störte ihn doch erheblich. Mahnend hob er den Zeigefinger. „Nicht Tsuruga-san, Ren!“ „Aber…“ „Was, hast du jetzt wieder Angst davor?“ Ihre Augen funkelten. „Hab ich nicht. Dann nenne ich Sie eben ab jetzt Ren.“ Ihr wurde das paradoxe ihre Aussage bewusste. „Ich meine dich.“ Er grinste wie ein Vierjähriger, der gerade ein Jahresabo Lollis bekommen hatte. „Und außerdem guckst du gerade wie ein Kleinkind“, setzte sie hinterher. Seltsamerweise hatte sie so gar keine Angst vor dem Dämonenlord, im Gegenteil, sie WOLLTE Ren ärgern. Dieser aber fing stattdessen an zu lachen. Das war typisch Kyoko, auf so etwas konnte wirklich nur sie kommen. Er versuchte zwischen den Lachanfällen genügend Luft zum Reden zu bekommen: „Wollen wir abräumen?“ Sie nickte nur, noch ein wenig schmollend, weil er sie, sie ihn aber nicht auf die Palme bringen konnte. „Noch Tee?“ Er hoffte insgeheim sie damit noch ein bisschen zum Bleiben bewegen zu können, aber zu seiner Enttäuschung schüttelte sie den Kopf. Allerdings sah sie ihn etwas nervös an, weshalb er ihr einfach nur einen fragenden Blick zuwarf. „Ähm… Dürfte ich… etwas mit dir ausprobieren Ren? Wenn es dir nicht gefällt, musst du es einfach sagen, dann hör ich sofort auf.“ Verwirrt nickte er. Was wollte sie denn „ausprobieren“, dass es ihm nicht gefallen könnte? Und vor allem warum mit ihm? „Was soll ich machen?“ „Ähm“, ihr Gesicht war inzwischen hochrot. „K-Könntest du dir einfach das Hemd… a-ausziehen und dich auf dem Bauch auf die Couch legen?“ Augenblicklich sah sie wieder zu Boden um seinem fragenden Blick zu entgehen. Ren hingegen war nun ernsthaft neugierig. Mit vielem hatte er gerechnet, aber nicht damit dass er sich ausziehen sollte – wenn auch nur teilweise. Mit einem leicht unverschämten Grinsen, welches ihr auf Grund des gesenkten Kopfes entging, tat er ihr den Gefallen. Sie hatte auf seiner Couch bereits ein weißes Laken ausgebreitet und eine der Tüten, die sie mitgebracht hatte, neben sich stehen. Langsam ließ er sich nieder und sah sie dann fragend an. Sichtlich angestrengt seinen Blick ignorierend holte sie eine Flasche aus der Tüte und verteilte behutsam etwas von der enthaltenen Flüssigkeit auf dem Rücken ihres Senpai. Dann begann sie mit großen, streichenden Bewegungen das Massageöl zu verteilen. Ren wusste nicht ob er glücklich oder eher ängstlich sein sollte. Einerseits war eine Massage von Kyoko etwas, worauf er auf keinen Fall verzichten wollte – zumal sie ihren gezielten Bewegungen nach nicht gerade unerfahren damit war. Mit Sicherheit sogar, dachte er mit zufriedenem Grummeln. Vermutlich hatte sie das im Ryokan gelernt, wo sie aufgewachsen war. Andererseits – er bekam hier eine Massage von Kyoko! Und dessen war er sich teils überdeutlich bewusst. Es war angenehm, ohne Frage – allerdings hatte er die dumpfe Befürchtung, dass es ZU angenehm war. Außerdem – warum tat sie das? Er glaubte Kyoko zu kennen und normalerweise gehörte sie nicht zu den Mädchen, die irgendwelchen Männern zur Entspannung eine Massage boten. Halt! Er wiederholte den letzten Gedanken nochmal. Entspannung. Irgendetwas klingelte da bei ihm… Dann fiel der Yen. Sie massierte ihn, weil massieren eine recht gute Entspannungsmethode war – und Entspannungsmethoden halfen gegen PMS. „Sag mal Kyoko?“ Seine Stimme klang leicht dumpf, weil er mit dem Gesicht zu Couch lag. Sie hielt erschrocken inne. „Soll ich aufhören? Hab ich dir irgendwie wehgetan?“ „Was? Nein! Du hast mir nicht wehgetan, es ist sehr angenehm.“ Zufrieden setzte sie ihre Arbeit fort. „Aber was ich dich fragen wollte: Wie kommst du darauf, dass ich PMS habe?“ Beim letzten Satz fiel es ihm schwer ein Lachen zu unterdrücken. Wieder hielt sie inne. „Was meinst du damit?“ Das Zittern ihrer Stimme verriet deutlich, dass sie ganz genau wusste, wovon er sprach. Er drehte sich auf den Rücken, so dass er sie ansehen konnte. „Nun, ich meine damit zum Beispiel den Zettel mit dem Zeitungsartikel über PMS wo hinter den Symptomen eindeutig mein Name stand…“ „Der…“, hektisch schien sie nach einer Erklärung zu suchen. „Der war gar nicht über dich, sondern… über jemand anderen. Und Ren war nur eine Abkürzung!“ Etwas vom Eroberer-der-Nacht stahl sich in seine Miene. „Ach, dann probierst du deine Massagetechniken also öfters an Männern aus? Wer ist denn noch in den Genuss dieser… Kunst gekommen?“ Kyoko wusste nicht, ob sie empört, verlegen oder wütend ob der Anspielung sein sollte. So oder so zeigte sich aber flammende Röte in ihrem Gesicht. „Das denkst du also, ja?“ Ein subtiles, mehrdeutiges Grinsen war die einzige Antwort. „Du, du, du… ist doch wahr! Mit diesen Stimmungsschwankungen kann das doch nur PMS sein! Oder du bist schwanger!“ Kurzzeitig entglitten ihm die Gesichtszüge. Schwanger? „Ist dir eigentlich aufgefallen, dass du davon auszugehen scheinst, dass ich eine Frau bin?“ „Ich weiß, aber… Etwas anderes fällt mir einfach nicht ein. Ich mein, ich weiß ja, dass du ein Mann bist“, interessanterweise schien sich ihre Röte beim letzten Satz noch zu verstärken, „aber du bist in letzter Zeit eben so unberechenbar!“ „Was wäre, wenn ich einen guten Grund hätte, mich so zu verhalten, wie ich mich verhalte?“ Er beugte sich nach vorne, näher zu ihrem bezaubernden empörten Gesicht. Er wusste, dass er die Kontrolle verlor, aber das half ihm nicht dabei, sie wiederzugewinnen. „Den hast du aber nicht!“ „Sicher?“ Ein zweifelfreies Nicken. „Und wenn ich doch einen Grund hätte… würdest du ihn dann wissen wollen?“ Seine Stimme hatte einen halb gefährlichen halb einladenden Klang angenommen, der Kyoko Schauder über den Rücken jagte – allerdings welche der angenehmen Sorte. Wieder nickte sie, diesmal zögerlicher. Inzwischen war er nur noch wenige Zentimeter von ihrem Gesicht entfernt. „Dann zeige ich ihn dir“, hauchte er, bevor er seine Lippen sanft auf die ihren legte. Erstaunt bemerkte Ren, dass sie nicht zurückwich und genoss den Kuss. Später müsste er ihr wohl noch erzählen, wer er war. Denn in diesem Moment wurde sie nicht von Ren geküsst und auch nicht von Koon. Die einzige Person die momentan existierte war Kuon Hizuri. Er schnappte sich seine Frau und rückte ihr einen Kuss auf die Lippen. Leicht lächelnd, aber trotzdem genervt fuhr sie ihn an. „Was soll das Kuon? Ich kann jetzt gerade nicht.“ Er grinste: „Als ich vor ein paar Jahren PMS hatte, hat es geholfen.“ „Das ist jetzt fünf Jahre her! Trägst du mir das etwa immer noch nach?“ „Was, dass du gedacht hast ich hätte ein Hormonproblem? Liebes, das werd ich dir noch in 100 Jahren erzählen. Und was hat der Arzt gesagt, was sollst du gegen deine Stimmungsschwankungen machen?“ „Warten.“ Stirnrunzelnd sah er sie an. „Warten? Ich will ja nichts sagen, aber auch psychische Symptome sollte man ernst nehmen.“ „Hat er gemacht.“ „Und dir nichts als ‚Warten‘ verordnet? Vielleicht sollte ich doch versuchen die schlechte Stimmung einfach weg zu küssen.“ Grinsend wollte er sich daran machen der Idee gleich Taten folgen zu lassen. „Untersteht dich“, ihre Drohung wurde durch das Gemüsemesser, mit dem sie herumfuchtelte eindrucksvoll unterstützt. „Ich koche gerade. Und außerdem hoffe ich nicht, dass man das Problem einfach so ‚wegküssen‘ kann.“ Ren begnügte sich mit einem fragenden Blick, während er zum Schälmesser griff um seiner Frau zu helfen – und wer wusste schon ob er nicht etwas zur Verteidigung brauchte. „Keine Bange, es ist in spätestens sieben Monaten vorbei.“ Er grübelte. Sie hatte diese unerklärlichen Stimmungsschwankungen jetzt seit ein bis zwei Monaten und in sieben Monaten sollten sie einfach so wieder vorbei sein? Sieben Monate. Monate. Endlich sickerte es zu ihm durch. Freudestrahlend umarmte er Kyoko und drehte sich mit ihr im Kreis. „Kuon!“, schrie sie erschrocken auf, denn immer noch hielt sie das Gemüsemesser in der Hand. Gehorsam stellte er sie wieder auf den Fußboden, ließ sie aber nicht los. Stattdessen streichelte seine Hand immer wieder selig über ihren Bauch. Er müsste wohl ein anderes Auto kaufen – ein Zweisitzer war bald nicht mehr ausreichend. Gesprächsrunde der Hybie-sans, die von den Hybie-sans für diese Fanfic abgehalten wird Hybie-san1: *noch vollkommen erschöpft vom Honky-Tonk-Kneipenfestival* *schläft* Hybie-san2: *hält sich den Kopf* Hybie-san3: *starrt auf den Laptopbildschirm* *schreit plötzlich auf* „Ich hab sie! Ich hab sie!“ Hybie-san1: *schreckt hoch* „Was? Wie? Wo? Wer greift an?“ Hybie-san2: „Aaaargh!“ *hält sich die Ohren zu* Hybie-san3: *mit Blick zu Hybie-san1* „Wir werden angegriffen?“ Hybie-san1: *halbwegs wieder wach* „Nein… Ich glaube jedenfalls nicht – obwohl die Geräusche von Hybie-san2 zu denen der Verwundeten auf dem Schlachtfeld passen würden.“ Hybie-san2: *stöhnend wie ein Sterbender* Hybie-san3: *mustert Hybie-san2 neugierig* „Was hat er denn?“ Hybie-san1: „Den Kater der Autorin nach der Kneipentour.“ Hybie-san3: *holt Liste mit den Cocktails der Autorin vom Vortag hervor* „Hmm… Fruit Punch, Soft Colada, Coco Cherry, Wasser… Die waren doch alle alkoholfrei?“ Hybie-san2: *grummelt leise* „Das scheint die Autorin nicht daran gehindert zu haben mit einem Brummschädel aufzuwachen…“ Hybie-san1: „Und was meintest du mit ‚Ich hab sie!‘?“ Hybie-san3: *wirft sich stolz in die Brust* „Die PLOTLÜCKE!!!“ Hybie-san2: *wimmert* „Nicht so laut…“ Hybie-san1: *seufz* „Also hör mal, das nach dem Kuss nennt man doch nicht Plotlücke, sondern… künstlerische Freiheit… oder besser gesagt, die Autorin lässt dem Leser großzügig die Freiheit dort Szenen seiner Wahl einzusetzen.“ Hybie-san3: „Man gibt also nicht als Begründung an, dass dieser OS assoziativ geschrieben werden sollte und die Assoziation sich an dieser Stelle vom Acker gemacht hat um erst ein paar Jahre später wieder aufzutauchen?“ Hybie-san1: *murmelt* „Das will ich mal sehen, wie sich Assoziation ‚vom Acker macht‘…“ *mit normaler Stimme weiter* „Nein, jedenfalls nicht, wenn man an der Meinung ob der geistigen Gesundheit hängt.“ Hybie-san2: *hält Schild in die Luft* Schildaufschrift: „Ruhe da drüben! Es gibt Leute die haben Katerstimmung! Und zwei Krücken die sie zu benutzen wissen!“ Hybie-san3: „Muss ich die letzte Drohung verstehen?“ Hybie-san1: *überlegt* „Ich glaube nicht wirklich.“ Hybie-san1+3: „Wir danken der geneigten Leserschaft für ihre Geduld und hoffen es hat ihnen gefallen. Lob wie immer an uns, Drohungen, Mordgesuche, und ähnliches an die Autorin. Für die netten Kommentare zum letzten Kapitel danken wir Congaemon, Kyoko-Hizuri, Angel-of-innocence, DarkEye, Ito-chan und Technomage.“ Hybie-san2: *nickt zustimmend – beziehungsweise senkt ganz vorsichtig den Kopf* Kapitel 6: Wozu die Ewigkeit? (Original, Satz 15) ------------------------------------------------- Ständig wurde er von Minuten, Stunden, Tagen, Monaten, Jahren, Jahrhunderten und Äonen verfolgt. Die Zeit jagte ihm, folgte ihm auf den Fersen wie ein Bluthund, der seine nahe Beute witterte. Doch auch diesmal würde er entkommen. Zufrieden sah er zu dem hellhäutigen Körper, welcher in der Mitte der Hütte auf dem Tisch lag. Diesmal hatte er einen jungen Mann gewählt, mit braunen kurzen Haaren und grünen Augen. Er wusste nicht, wie diese Person hieß, als was sie lebte, oder gar wie alt sie war. Aber das war auch unwichtig. Er wollte schließlich kein Schwätzchen mit dem Kerl halten. Sorgfältig wog er noch ein wenig fein gehackte Alraunenwurzel ab und gab sie in den blubbernden Topf. Es zischte leise und die Farbe der enthaltenen Flüssigkeit änderte sich von pechschwarz zu tiefgrün. Er füllte eine Kelle damit und ließ ihren Inhalt langsam wieder zurücktropfen. Wunderbar, die Konsistenz war fast schon richtig. Er musste das Ganze nur noch etwas köcheln lassen. Gedankenversunken wandte er sich wieder der Person auf dem Tisch zu. Deren Augen waren in Bewusstlosigkeit geschlossen – und wenn sie sich wieder öffneten, würde der Körper ihm gehören. Er lächelte, als er daran dachte, wie er den jungen Mann hierher gelockt hatte. Es war so einfach gewesen, so furchtbar leicht. Kaum war man ein guter Heiler, schon glaubten die Leute man hätte Großmut und Herzlichkeit praktisch gepachtet. Medizin für seine arme kleine Schwester hatte er haben wollen. Alles würde er dafür tun hatte er gesagt. Sofort waren die beiden ins Geschäft gekommen. Der junge Mann musste einfach nur einen Trank des Heilers trinken – ein Rezept, was dieser ausprobieren wollte wurde ihm erklärt – und dafür verpflichtete sich der Greis die kleine Schwester zu kurieren. Kaum dass der letzte Tropfen seine Speiseröhre hinunter rann, war der Selbstlose in ein Koma verfallen, aus dem er nicht mehr erwachen würde. Und das hatte er selbst zu verschulden, denn der Trank wirkte nur, wenn man ihn freiwillig zu sich nahm. Die Aufopferungsbereitschaft der Menschen war ihr Untergang. Das hatte der alte Kräuterkundler schon vor langer Zeit festgestellt. Wann genau, daran konnte er sich nicht mehr erinnern. Allgemein verblassten und verwischten seine Erinnerungen zunehmend. Hätte ihn jemand nach dem Jahr seiner Geburt gefragt, er hätte nicht mehr antworten können. War es vor neunhundert Jahren gewesen? Tausend? Oder noch mehr? Nun, auf jeden Fall war es schon sehr lange her. Vage erinnerte er sich an ein Dorf aus schiefen Lehmhütten, an eine Frau, die ihm etwas zu essen gab, an Kinder, mit denen er spielte. Es waren keine unglücklichen Erinnerungen, aber auch diese Leute waren zu schwach gewesen, zu schwach um zu erkennen, dass das Altern kein freudiges Ereignis war, dass jedes neu durchlebte Jahr den frischgeborenen Menschen dem Tode näher brachte. Er hatte versucht ihnen zu helfen, ihnen Vernunft einzubläuen, aber sie hatten abgelehnt. Als er nach dem Grund dafür gefragt hatte, sie förmlich angeschrien hatte ihr Leben nicht einfach davon zuwerfen, hatte nur einer von ihnen ihm geantwortet. Er wusste nicht mehr, wer es gewesen war, aber das einzelne Wort hatte sich fest in sein Gedächtnis geprägt. ‚Wozu?‘ Er hatte damals nicht verstanden, was mit dieser kurzen Frage gemeint war, und er verstand es auch heute nicht. Warum waren sie so klaglos gestorben? Wieso hatten sie stattdessen nicht das Leben gewählt? Es war doch so einfach, so einfach, wenn man wusste wie. Inzwischen hatte sich die Färbung des Gebräus auf dem Ofen in ein sattes Azurblau verwandelt. Zufrieden nahm er es aus der Hitze und roch noch einmal zur Kontrolle. Genau richtig. Er nahm sich zwei der Teeschalen, die er bereit gestellt hatte und füllte sie mit dem Trank. Dann stellte er sie zum Auskühlen beiseite. Die restliche Flüssigkeit verteilte er auf dem Körper, der schon bald der seine sein würde. Nicht willkürlich, sondern in exakt fest gelegten Mustern und Symbolen fuhr er mit einem angefeuchteten Finger über die nackte Haut. Anschließend hob er leicht den Kopf des jungen Mannes und flößte ihm den Inhalt einer der Teeschalen ein. Zum Abschluss nahm er sich die verbliebene Schale, sah noch einmal an seinem alten, faltigen und schwachen Körper herunter und stürzte das Gebräu in einem Zug hinunter. Kurz erlebte er das übliche Gefühl der Losgelöstheit, bevor er die Augen seines neuen Körpers öffnete. Ausgiebig streckte er sich, spürte wie die starken Muskeln arbeiteten, fühlte die Kraft und Jugend. Schwungvoll setzte er sich auf und zog sich die Sachen wieder an, die der junge Mann vorher getragen hatte. Sein Blick fiel auf seine alte Hülle, welche – nun leer und leblos – am Boden lag. Vergnügt, dass er damit nichts mehr zu tun hatte, versetzte er ihr einen Tritt und trat federnden Schrittes aus der Tür. Als erstes würde er wohl dieses Mädchen heilen müssen. Der Vorbesitzer dieses Organismus hatte den Trank nur unter jener Voraussetzung getrunken. Würde er das Abkommen brechen, so würde er das Recht auf diesen Leib verlieren. Sorglos schritt er in die Richtung, welche ihm sein Klient vorher gegeben hatte und genoss das Gefühl mal wieder jung zu sein. Ohne anzuklopfen trat er in die schäbige und schiefe Hütte. Seine Patientin sah er sofort. Sie lag, zu einem Ball zusammen gerollt und hustend im Bett, eingewickelt in eine ebenso löchrige wie verwanzte Decke. „Wer ist da?“ Leise und zittrig verließen die Worte ihren Mund und er bemerkte den heiseren Tonfall. „Ich bin ein Heiler, den dein Bruder schickt.“ Er hatte nicht vor sich als ihr Bruder auszugeben. Früher, da hatte er so etwas manchmal getan, aber inzwischen wusste er all zu gut, dass es zumeist sinnlos war eine Person zu imitieren – vor allem wenn der andere diese Person sehr gut gekannt hatte. „Wo ist mein Bruder?“ „Er weilt nicht mehr unter den Lebenden.“ Er konnte ihr erschrockenes Luftschnappen hören, aber es interessierte ihn nicht wirklich. Er würde sie heilen und dann wieder seiner Wege gehen. Was ging es ihn an, ob sie trauerte oder nicht. „Nenn mir deine Beschwerden.“ Sie schluchzte leise, begann aber mit brüchiger Stimme alles aufzuzählen. „Ich friere oft, obwohl mein Bruder sagt, dass ich förmlich glühe. Das Atmen fällt mir oft schwer, und ich muss andauernd husten. Außerdem tut meine Brust weh.“ „Zieh dein Hemd aus.“ Sie tat wie ihr geheißen, auch wenn man ihr ansah, wie unangenehm ihr das war. Er legte sein Ohr an ihren Rücken und klopfte mit den Fingerknöcheln immer wieder auf verschiedenen ihrer Rippen. Erst als er damit fertig war, fiel ihm auf dass sie ihn die ganze Zeit nicht angesehen hatte. Außerdem war sie erstaunlich gefasst für jemanden, dessen einzig lebender Verwandter gerade gestorben war. „Ich bin seit Geburt an blind“, beantwortete sie bereitwillig seine Frage. „Und… nun ja. Mein Bruder hat mir immer erklärt, dass jeder irgendwann einmal stirbt. Es wäre nichts Schlimmes deswegen zu weinen, aber es sei sinnlos Ewigkeiten darüber zu trauen. Der Mensch ist sterblich – und wer weiß, bestimmt geht es ihm im Paradies jetzt besser als hier.“ Nachdenklich wiegte sie ihren Kopf hin und her. „Außerdem hat er dafür gesorgt, dass ich auch wenn er plötzlich verstirbt nicht alleine bin. Es gibt viele Leute im Dorf, die mich aufnehmen würden. Ich mag blind sein, aber ich bin nicht nutzlos. Übrigens, wisst ihr dass ihr meinem Bruder sehr ähnlich seid? Nur eure Bewegungen sind anders.“ Das letzte hörte er gar nicht mehr. Vielmehr dachte er über ihre Worte bezüglich des Todes nach. „Aber dein Bruder hat doch versucht die unbedingt heilen zu lassen. Wozu, wenn es doch nichts bringt über Tote zu trauern?“ „Weil ich noch lebe. Auch ich hätte meinen Bruder retten wollen, wenn mir das möglich gewesen wäre. Doch nun ist es zu spät. Man kann die Toten nicht wieder zurückholen. Was bringt es also, über vergossenen Wein zu klagen?“ „Aber wünscht nicht jeder sich, ewig zu leben?“ Ihr Gesichtsausdruck zeigte Erstaunen. „Du meinst, dass kein Mensch je stirbt?“ Er überlegte. Nun, das wäre wohl unmöglich. Schließlich starben die Menschen, deren Körper er übernahm – jedenfalls war er ziemlich sicher, dass sie starben. „Nein. Nur einige könnten ewig leben. Nur du zum Beispiel.“ Sie schauderte. „Nein.“ „Warum nicht?“ Dieses Mädchen verwirrte ihn. Wer würde ablehnen, wenn er solch eine Möglichkeit bekam? „Wozu?“ Wieder diese kurze Frage, die er nicht verstand. „Was meinst du damit?“ „Wozu sollte ich ewig leben, während meine Familie, meine Freunde, während sie alle sterben? So lange ich ein frommes und glückliches Leben führe, werde ich sie im Himmel wieder sehen. Aber ewig auf Erden wandeln, ganz allein? Darin sehe ich keine Freude.“ „Aber du könntest so viel machen, so viel lernen!“ Aufgewühlt wanderte er durch den Raum, während er nebenbei ihre Medizin zubereitete. „Aber warum? Was bringt es mir, alles Wissen dieser Welt anzuhäufen, wenn ich dafür zur Einsamkeit verbannt bin? Denn egal wie viele Freunde ich im Laufe der Ewigkeit machen werde, sie werden immer wieder vor mir sterben, nicht wahr?“ Darauf wusste er keine Antwort. Schon lange hatte er keine Freunde mehr gemacht, denn auch er wusste, wie sinnlos ein solches Unterfangen war. Stattdessen waren Menschen für ihn inzwischen kaum mehr als ein Werkzeug um entweder an Geld oder an einen neuen Körper zu gelangen. Mit ein paar Anweisungen zur Einnahme versehen gab er ihr ihre Medizin – sie hatte eine Lungenentzündung – und verließ nachdenklich die Hütte. Wan hatte er eigentlich das letzte Mal richtige Freude verspürt? Er versuchte sich zu entsinnen, doch es gelang ihm nicht. Viel zu lange war es her, dass er das letzte Mal einfach nur fröhlich gelacht oder zu mindestens gelächelt hatte. Er zog sich zurück in die Wildnis, um eine Antwort zu erhalten. Doch auch ein Jahr später, war er nicht weiter als zuvor. Nun ja, vielleicht doch ein kleines bisschen. Er schwenkte die Flüssigkeit in dem Becher und lehnte sich an den rauen Stein hinter ihm. Im Himmel würde man also alle wiedersehen? Mit dem ersten Anflug eines Lächelns seit hunderten von Jahren sah er auf das Gefäß in seiner Hand. Nun einen Versuch war es Wert. Und mit einem letzten Zuprosten zur leeren Luft, stürzte er den mit Mohn versetzten Schierlingsbecher hinunter. Gesprächsrunde der Hybie-sans, die von den Hybie-sans für diese Fanfic abgehalten wird Hybie-san3: *starrt intensiv auf das Kapitel* Hybie-san2: *tut es ihm gleich* Hybie-san1: „Auch wenn ich weiß, dass ich diese Frage wahrscheinlich bereuen werde… Was zum Teufel tut ihr da?“ Hybie-san3: *schreckt hoch und fuchtelt mit dem Finger anklagend in Richtung Hybie-san1* „Mama, Mama, Hybie-san1 hat geflucht!“ Hybie-san2: „Bitte sag mir, dass du da eben nicht mit mir gesprochen hast…“ *schaudert angesichts der Vorstellung Hybie-san3 sei sein Kind* Hybie-san3: „Wie kommst du darauf? Wenn überhaupt wärst du doch Papa – oder?“ *mustert Hybie-san2 von oben bis unten* Hybie-san2: „Natürlich! Aber dir trau ich zu alles möglich Mutter zu nennen…“ Hybie-san1: „Wen hast du denn jetzt gemeint? Und außerdem hab ich nicht geflucht.“ Hybie-san3: „Hast du wohl, hast du wohl. Und Mama ist natürlich die Autorin.“ Hybie-san2: *grummelt* „Na da wissen wir wenigstens, wem wir die Erziehungsfehler bei dir in die Schuhe schieben können…“ Hybie-san1: *murmelt* „Bei so einem Kind hab ich fast schon Mitleid mit ihr…“ *normal weiter* „Aber bleiben wir beim Thema, was habt ihr da gerade getan?“ Hybie-san3: *hüpft aufgeregt mit erhobenem Finger durch umher* Hybie-san1: *stirnrunzelnd* „Falls das ein Melden sein soll – du bist dran.“ Hybie-san3: „Wir suchen das Pairing!“ Hybie-san1: „Was für ein Pairing?“ Hybie-san3: „Aha!“ Hybie-san1: „Nur zu eurer Information – es gibt keins. Und wo wir gerade dabei sind, wir sollen gleich Werbung für ein anderes Original von ihr machen.“ Hybie-san2: „Warum eigentlich immer wir?“ Hybie-san1: „Darum.“ Hybie-san2: „Warum darum?“ Hybie-san1: „Darum darum.“ Hybie-san3: *versteht nur Bahnhof* Hybie-san1: „Also, wer will werben – und es reicht es zu sagen, kein Hüpfen! Du stichst noch mal jemandem das Auge aus Hybie-san3!“ Hybie-san3: „Okay, dann: ICH, ICH, ICH!“ Hybie-san2: *murmelt zu Hybie-san1* „Woran hängst du eigentlich mehr? Deine Augen oder deine Trommelfelle?“ Hybie-san1: „Eigentlich an beiden… Okay, du darfst – und übernimm auch gleich die Danksagungen.“ Hybie-san3: Also gut. Ladies and Gentleman, wenn Ihnen diese Geschichte gefallen hat, empfehlen wir Ihnen ‚Die zwei Seelen‘. Fühlen Sie sich frei in ihren anderen Geschichten rumzustöbern. Außerdem danken wir natürlich Ito-chan, Kyoko_16 und Kyoko-Hizuri für ihre Kommentare zu ‚Bergseen‘, unserem kleinen Assoziativ-Bilder-Special, sowie nochmal Ito-chan und Kyoko-Hizuri, zusätzlich zu Angel-of-innocence für ihre Kommentare zu unserem letzten regulären Kapitel.“ *die guten Sarotti-Pralinen austeil* Hybie-sans: „Kommentare wie immer an uns, Drohungen an die Autorin. Bis dann.“ Kapitel 7: A cool guy (Skip Beat!, Satz 16) ------------------------------------------- Eigentlich wäre dieser OS schon letzten Monat fällig gewesen... Auf Grund diverser Dinge (meine Ausrede für alles: Studium ;)) bin ich aber nicht rechtzeitig damit fertig geworden. Und auch jetzt ist er ein typisches Beispiel für Assoziatives Schreiben. Da fängt man mit einer vagen Idee im Kopf an - und endet ganz woanders. Die ursprüngliche Idee betraf Männer, und ihre Schwierigkeiten beim Kauf von Damendessous... Was stattdessen daraus geworden ist? Schaut es euch doch einfach mal an. ^^ --------------------------------------------------------------------------------- Höchste Zeit, ihr klar zu machen, dass sie es mit einem echten Mann zu tun hatte. Immerhin war er bis auf Platz 5 der beliebtesten Männer im Showbusiness hochgerückt. Da konnte sie ihn nicht mehr behandeln als wäre er in etwa so angenehm wie eine Küchenschabe – oder gar noch schlimmer. Er würde ihr zeigen, dass sie ihn ernst zu nehmen hatte – und dass er um Längen besser war als dieser Ren Tsuruga. Fest entschlossen ballte er die Hand noch einmal zur Faust und öffnete schwungvoll die Garderobentür – rechtzeitig genug, um der genervten Shoko gegenüber zu treten, bevor diese seine Tür aufbrach. „Kannst du mir einmal erklären, warum du so lange gebraucht hast?“ Die sonst so ruhige Managerin war deutlich verärgert – kein Wunder angesichts der Tatsache, dass sich der junge Star ganze dreißig Minuten in seiner Umkleide eingeschlossen hatte, ohne auch nur den kleinsten Gedanken daran zu verschwenden, dass sie in einer viertel Stunde bei LME sein mussten. „Jetzt beruhig dich. Und keine Bange, das Warten hat sich gelohnt. Dieser Tsuruga wird sich noch umschauen.“ Siegesgewiss schritt Sho voran, während Shoko ihm verwirrt folgte. Was hatte der Schauspieler damit zu tun, dass Sho sich in seiner Garderobe einschloss? Resignierend schüttelte sie den Kopf. So sehr sie den Sänger auch mochte – manchmal verstand sie absolut nicht, was in seinen Gehirnwindungen eigentlich vorging. Während sie den Wagen geschickt durch die verwinkelten Straßen Tokyos navigierte, ermahnte die Managerin ihren Schützling zur Sicherheit noch einmal. „Egal was du vorhast Sho-kun, benimm dich, auch und vor allem Tsuruga-san gegenüber. Beim Dreh hat das ganz gut geklappt, also ruinier es nicht noch auf der Premiere.“ „Ich werd den armen kleinen Ren schon nicht ärgern“, bekam sie die sarkastische Antwort. „Was glaubst du denn, dass ich ihn mit Wasserbomben bewerfe?“ Eine kleine Stimme innerhalb der blonden Frau hielt das durchaus für möglich. Allerdings sprach sie es nicht aus. „Es geht darum, dass du eifersüchtig auf ihn bist, weil er Kyoko-chan nahe steht. Und manchmal bist du nun mal ein wenig unvernünftig, nichts für ungut. Denk einfach daran, dass dieser Abend auch für Kyoko-chan sehr wichtig ist.“ „Er steht ihr nicht nahe! Und ich weiß, was der Film ihr bedeutet“, grummelte er in seinen nicht vorhandenen Bart. Oh ja, er wusste nur all zu gut wie wichtig Kyoko dieser Film war. Es war ein merkwürdiger Zufall gewesen, dass er ausgerechnet die Filmmusik für jenen Film komponieren sollte, in dem die Hauptrollen mit Ren Tsuruga und Kyoko Mogami besetzt worden waren. Kyokos erste Hauptrolle in einem Blockbuster. Er war des Öfteren am Filmset gewesen, und was er da sah, hatte ihn in Erstaunen versetzt. Bereits in Karuizawa war ihm klar geworden, dass er seine Kindheitsfreundin unterschätzt hatte. Doch erst bei dem Dreh vor kurzem hatte er begriffen, wie sehr eigentlich. Sie war in ihre Rolle geschlüpft, als wäre es nur ein Mantel, den sie sich überstreifte – und den ganzen Drehtag lang nicht mehr auszog. Dass ihre Figur dabei teilweise mehr als nur sexy war, hatte ihm die Kinnlade noch weiter runtergezogen. Und je mehr sie seinen Blick gefangen nahm, desto mehr war ihm dieser Tsuruga aufgefallen. Er hatte schon seit ihrem Treffen damals beim Dreh für Tsukigomori vermutet, dass der hochgewachsene Schauspieler mehr für seine Kohai empfand als ein einfacher Senpai. Dies an jedem Drehtag bestätigt zu sehen, hatte seine Eifersucht in ungeahnte Höhen getrieben. Und das schlimmste war, dass er sie nicht einmal zeigen konnte. Er hatte es geschafft sich soweit mit Kyoko zu versöhnen, dass er keine heimlichen Mordanschläge mehr zu fürchten brauchte, mehr aber auch nicht. Noch immer sah sie in ihm den Typen, der sie damals verletzt hatte, ohne zu bemerken, dass auch er erwachsener geworden war. Und genau das würde er ihr beweisen. Er würde so cool sein, dass es ihr den Atem raubte und sie nicht einen einzigen Gedanken mehr an diesen idiotischen Schauspieler verschwendete. Oh ja, genau das würde passieren, sagte er sich immer wieder, während er in sich hinein grinste. Shoko, welche ihn währenddessen aus dem Augenwinkel beobachtet hatte, seufzte nur noch einmal tief. Was auch immer der Junge neben ihr vorhatte – wenn es das Verhältnis zwischen Tsuruga-san und Kyoko-chan betraf, war sie ziemlich sicher, dass es nicht klappen würde… „Sho-kun, jetzt stell dich nicht so an. Das ist ja wohl vollkommen verständlich.“ Halb flehend, halb genervt stand Shoko vor ihrem – schmollenden – Schützling. „Das weiß ich selber“, meinte der Sänger – zog dabei aber ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter. Seine Managerin verstand nicht wirklich wieso. Ja, er hatte sich sichtlich darauf gefreut Kyoko nach einem Moment endlich wieder zu sehen, ohne zu wissen, dass diese, ebenso wie Ren Tsuruga, erst in einer Stunde von ihrem Set kommen würde. Aber nur, weil er früher da sein musste als die beiden, war das doch noch lange kein Grund, so eine Flunsch zu ziehen –oder? In einem hatte die Blonde recht – das war nicht der Grund. Der Grund hatte viel eher in der Bemerkung eines LME-Mitarbeiters gelegen, welcher an im Foyer an ihnen vorbeigegangen war. Dieser Mitarbeiter hatte sich ganz unschuldig mit einem Kollegen unterhalten, ohne zu wissen, was für einen inneren Aufruhr seine beiläufig mitgehörten Worte in einem ganz besonderen jungen Star auslösten. „Du glaubst doch nicht wirklich, dass Kyoko-chan und Ren-kun nur Senpai und Kohai sind?“ Ein leises Lachen seinerseits hatte den rhetorischen Ton der Frage unterstrichen. Sho hätte ohne Umschweife zugegeben, dass Ren etwas von Kyoko wollte, auch wenn der Schauspieler das sehr gut versteckte. Dass dessen Gefühle allerdings erwidert wurden… Nein. Nie. Niente, nada, no way. Absolut unmöglich. Alles nur Spinnerei eines Angestellten, der wahrscheinlich einmal zu tief ins Glas geschaut hatte. Ganz sicher. Er kannte Kyoko, die verliebte sich nicht so einfach. So war sie nicht, dass wusste er. Doch eine kleine Stimme in seinem Innern, welche er einfach nicht zur Ruhe bringen konnte, flüsterte ihm zu, dass er Kyoko vielleicht nicht ganz so gut kannte, wie er dachte… Sechzig Minuten später musste selbst Shoko zugeben, dass ihr Schützling sie in Erstaunen versetzte. Sie wusste ja, dass er durchaus nicht hässlich war und hatte mehr coole Auftritte von ihm gesehen als es Wassertropfen im Meer gab, aber diesmal, übertraf er sich selbst. Er trug einen anthrazitfarbenen Anzug mit weißen Nadelstreifen. Dass Jackett war offen und gab den Blick frei auf ein blütenweißes Hemd, welches leicht in Falten lag. Die dunkle Krawatte war ihm nur locker umgebunden und der Kragen weit genug geöffnet, dass man klar und deutlich die silberne Kreuzkette, die er trug, erkennen konnte. Insgesamt waren es weniger Accessoires als er sonst trug, doch sie waren effektvoll eingesetzt worden. Kein einziger Ring zierte seine Finger, doch an seinem rechten Handgelenk fand sich eine breite silberne Uhr mit schwarzem Ziffernblatt. Seine Haare waren leicht zerwuschelt und dann mit wenig Haarspray fixiert worden. In den Ohren trug er je einen einfachen silbernen Stecker. Was sich aber nach Meinung der Managerin am meisten geändert hatte, war seine Aura. Es war, als hätte sich eine Zone der Unnahbarkeit um in gelegt. Es wirkte nicht direkt abweisend, sondern eher verlockend. Eine Einladung zu versuchen diese Mauer zu überwinden. Eine Herausforderung. Warum er solch einen Eindruck nicht schon vorher gemacht hatte, war ihr absolut schleierhaft. Als seine Managerin war sie aber von einem felsenfest überzeugt: Sie würde ihn zwingen, diese Aura beizubehalten. Sho erlaubte sich ein kleines, fast unsichtbares, aber sehr zufriedenes Grinsen, als er die Reaktion der Blondine beobachtete. Genau diese Wirkung hatte er erreichen wollen. Es schien also zu stimmen, dass Frauen auf Herausforderungen standen. Jetzt musste er nur noch eine ganz bestimmte überzeugen… Sein Blick glitt zu der Uhr, welche direkt an der gegenüberliegenden Wand hing und mit ihrer Schlichtheit, die an Bahnhofsuhren erinnerte, absolut nicht hierher passte. Allerdings interessierte das den jungen Sänger deutlich weniger, als die Information, die er der Uhr entnehmen konnte – Kyoko würde in wenigen Minuten hier sein. Und als hätte sie ihr Stichwort vernommen, konnte er bereits ihre Stimme hören. Ein leichtes Lächeln schlich sich auf sein Gesicht, gefror aber, als er hörte wie die sonore Stimme eines Mannes ihr antwortete. Dieser Tsuruga nervte! War es denn so schwer zu verstehen, dass Kyoko nichts von ihm wollte? Der Typ hatte freie Wahl unter den heißesten Starletts Japans, warum musste er sich also ausgerechnet auf Kyoko konzentrieren? Es besserte seine Laune auch nicht gerade, als er sah, wie die Beiden sich anstrahlten, während sie um die letzte Ecke bogen. Er räusperte sich vernehmlich und endlich schienen die Zwei aus ihrer eigenen Welt aufzutauchen. „Hallo Shoko-san, hallo Sho“, begrüßte das Mädchen ihn mit einem freundlichem Lächeln. Er strengte sich sehr an, um sich seine Überraschung nicht anmerken zu lassen. Sie lächelte. Sie lächelte ihn an, obwohl sie ihn normalerweise kaum einmal ansah! Ein selbstsicherer Ausdruck trat auf sein Gesicht. Tja, anscheinend war seine Taktik – mehr Coolness – goldrichtig. Um bei seiner Fassade zu bleiben, nickte er ihr nur einmal zu – um ehrlich zu sein, war das auch besser so, sonst hätte er wahrscheinlich noch angefangen zu stottern. Er stellte sich in Positur, als ihm auffiel, dass sie ihn von oben bis unten musterte. „Du siehst… anders aus“, murmelte sie. Nachdenklich tippte sie sich dabei mit dem Finger ans Kinn, als müsse sie überlegen, was sie davon halten sollte. Dann drehte sie sich abrupt um. „Ich geh mich dann umziehen.“ Und schon war sie außer Sichtweite, gerade so als hätte sie sich direkt davon teleportiert. Ren Tsuruga folgte ihr in etwas langsamerem Tempo. Dabei war er noch einen abschätzenden Blick auf den Sänger. „Nettes Outfit“, meinte er, während er in sich hinein zu grinsen schien, bevor er die Garderobe betrat. Sowohl in ihrem Schützling als auch in Shoko breitete sich nun langsam Verwirrung aus. Irgendetwas schien mit dem Senpai-Kohai-Pärchen anders als sonst. Doch während Shotaru sämtliche Kommentare auf sein cooleres Image schob, machte sich die blonde Managerin so ihre ganz eigenen Gedanken. Er musste sich stark zurück halten, um nicht ungeduldig mit dem Fuß auf den parkettbelegten Boden zu tappen. Immer wieder glitt sein Blick zu seiner Armbanduhr. Dass Frauen auch immer so lange brauchten! Kyoko war nun schon seit über einer Stunde in der Garderobe, und auch wenn er es sich selbst auf den Tod hin nicht anmerken lassen würde, so war Sho doch mehr als gespannt, was die Stylisten aus seiner Kindheitsfreundin machen würden. Ren war schon seit einer ganzen Weile fertig und saß entspannt auf einem der geflochtenen Korbstühle, die in dem kleinen Raum verteilt waren. Es schien als würde es den braunhaarigen Schauspieler vollkommen egal sein, dass sie bis zur Premiere nicht mehr viel Zeit hatten. Und darum wurde er von dem Sänger mehr als beneidet, auch wenn dieser das niemals zugegeben hätte. Endlich öffneten sich die Türen und heraus trat… ein Engel. Nun, die Person hatte weder Flügel noch Heiligenschein, aber das weiße Kleid welches sie umfloss gab ihr eine gewisse ätherische Schönheit, welche an die himmlischen Wesen erinnerte. Das Kleid selbst war einteilig, lag am Oberkörper vergleichsweise eng an und floss von der Hüfte abwärts in weichen Falten bis zu ihren Knöcheln. Die weiten Trompetenärmel reichten bis zu ihrem Handrücken und waren am Rand mit winzigen, silbernen Ornamenten bestickt, welche verschlungene Linien bildeten. Dieselben Ornamente zeigten sich auch am kreisförmigen Ausschnitt, allerdings war dieser zusätzlich mit silbernen Blüten verziert, deren Mitte von kleinen Perlen gebildet wurde. Hinten war das Kleid bis zur Hälfte des Rückens ausgeschnitten und mit feinen weißen Bändern verbunden. Ergänzt wurde es durch eine passende silberne Kette, deren Anhänger aus einem eingefassten, farblosen Kristall bestand. In Anlehnung daran wirkten Kyokos Ohrringe wie der Kettenanhänger im Kleinformat. Ihre Haare waren hochgesteckt worden und man hatte kleine weiße Rosenblüten hinein geflochten. Das absolute i-Tüpfelchen bildete aber ihre Ausstrahlung. Sie wirkte, als wäre sie soeben erst aus ihrer königlichen Kutsche gestiegen, bereit mit ihrem Prinzen zum Ball zu gehen. Anscheinend hatte Rory sich eingemischt, um ihr ein Gewand zu verschaffen, in dem sie sich wirklich wie eine Prinzessin fühlen durfte. Ihr suchender Blick glitt zu den beiden Herren der Schöpfung, offenkundig in Erwartung der Meinung derselben. Unsichtbar für Sho, der ihm den Rücken zugedreht hatte, lächelte Ren warm und nickte ihr zu, was ihr eine schwache Röte ins Gesicht trieb. Sho dagegen musste sich anstrengen, um zu verhindern, dass ihm die Kinnlade herunterfiel. “Du siehst gut aus, Kyoko“, meinte er schließlich, als er sich daran erinnerte, dass der Weg zum Herzen einer Frau mit Komplimenten gepflastert war. Und entgegen seiner Erwartung schien das sogar zu stimmen, denn sie schenkte ihm ein glitzerndes Lächeln. „Danke Sho.“ So kam es, dass sie in erstaunlich einträchtiger Stille in die vom Präsidenten gestellte Limousine stiegen. Kyoko und Shoko, welche als Shos Begleitung mit zur Premiere kam, saßen auf der Bank am Heckfenster. Beide ließen sich tief in die überaus weichen Polster sinken und genossen offenbar den Luxus. Auf den Seitenbänken saßen die zwei Männer, einander direkt gegenüber. Zu seinem eigenen Erstaunen empfing der Sänger diesmal keinerlei ärgerliche oder wütende Signale von dem geringfügig älteren Ren. Dabei hatte dieser ihn sonst schon fast zu Tode gestarrt, auch wenn er das stets unter einer freundlichen Fassade zu verbergen gewusst hatte. Ob er eingesehen hatte, dass es sinnlos war, dass Shotaru Fuwa der eigentliche Star am Ruhmeshimmel war? Der junge Mann konnte sein Glück kaum fassen. Kyoko mochte ihn offensichtlich, Ren hatte seine eigene Niederlage anerkannt – womit mochte ihn der Abend noch überraschen? Genau dieselbe Frage stellte sich seine Managerin, allerdings war sie dabei nicht einmal halb so optimistisch für ihren Schützling wie dieser. Auch ihr war aufgefallen, wie erstaunlich ruhig und freundlich die Atmosphäre war – dass dafür der Blonde verantwortlich war, konnte sie aber beim besten Willen nicht glauben. Am Ort der Premiere wurden sie bereits sehnlichst von einer wahren Menschenmenge aus Fotografen, Reportern und Fans erwartet. Kaum, dass Rens Fuß den roten Teppich berührte, gab es ein Gewitter von Blitzlichtern. Als er dann auch noch Kyoko aus der Limousine half, wurde dieses gar noch stärker, wenn dies denn möglich war. Mit einem Lächeln begannen die beiden Schauspieler ihren Weg über den roten Teppich, immer wieder zur Seite schlendernd, um eine Frage zu beantworten, ein schnelles Autogramm zu kritzeln oder für ein Foto zu posieren. Es war schwer zu sagen, wer mehr Aufmerksamkeit bekam: Der gestandene Schauspieler oder die aufsteigende Newcomerin. Auch auf den darauf folgenden Sänger stürzten sich die Medien, allerdings war deutlich zu merken, wer die eigentlichen Stars des Abends waren. Sho hatte daran zugegebenermaßen mächtig zu kauen. Er gönnte Kyoko zwar den Erfolg, war aber der Meinung man sollte ihn mehr würdigen. Die Filmmusik war schließlich einer der wichtigsten Bestandteile des Films. Und außerdem war es nahezu nervtötend mit anzusehen, wie gut sich Senpai und Kohai als Zweiergespann achten. ER sollte eigentlich an Kyokos Seite stehen, nicht dieser erbsenhirnige Möchtegerncasanova. Sofort beruhigte er sich wieder. Die Partnerwahl war von den Agenturen bestimmt worden, niemand konnte etwas dafür. Er konnte zwar nichts dagegen machen, dass Kyoko mit Ren zur Premiere ging – aber nach Hause gehen würde sie mit ihm selbst! Vom ersten Teil der Veranstaltung bekam Sho herzlich wenig mit. Während er zusammen mit einigen anderen auf der Bühne stand und in die Kameras lächelte, fassten die beiden Hauptdarsteller die Geschichte kurz zusammen und zeigten den ersten Trailer. Danach übergaben sie das Wort an den Regisseur, welcher ebenfalls ein paar Worte sagte, bevor sie sich zu dritt den Fragen der Presse stellten. Der Sänger, welcher brav und dekorativ mit einigen anderen Beteiligten im Hintergrund stand, hatte Mühe ein Gähnen zu unterdrücken. Er war doch nicht hergekommen, um sich die Beine in den Bauch zu stehen, sondern damit er endlich mal Gelegenheit hatte, Kyoko etwas näher zu kommen. Wenn sie aber den ganzen Abend vor den Kameras auf der Bühne herumlungerten, standen die Chancen dafür merklich schlecht. Erst der Ellenbogen seines Stehnachbarns, welcher sich in seine Seite rammte, holte ihn aus seinen Gedanken – die Vorstellung war beendet. Nun würden die sich unter das ausgewählte Publikum mischen um noch einmal einzelnen interessierten – und vor allem berühmten – Personen Rede und Antwort zu stehen. Es würde getanzt werden, ein Buffet stand bereit und kleine Tische und Bänke luden zum Verweilen und Smalltalk ein. Und das war seine Gelegenheit um sich seiner Jugendfreundin zu nähren. Kaum fünf Minuten später hatte er sich bereits der Gruppe aus Kritikern und Bewunderern hinzugesellt, die das Mädchen umgaben. Diese gab sich erstaunlich gelassen angesichts dieses Andrangs und schenkte allen Umstehenden ein glitzerndes Lächeln. Bevor einer der anderen Männer die Gelegenheit ergriff, trat Sho an sie heran. „Darf ich dich um diesen Tanz bitten, Kyoko?“ Das Mädchen schaute erst ein wenig verdutzt, dann jedoch verstärkte sich die Intensität ihres Lächelns sogar. „Aber gern.“ Und graziös reichte sie ihm die Hand. Er führte sie auf die sich langsam füllende Tanzfläche und sie begannen einen ruhigen Walzer. „Weißt du, ich habe nachgedacht“, begann er das Gespräch. Fragend blickte sie ihn an. „Über uns und… was damals passiert ist.“ Immer noch gab sie keinen Laut von sich. Ob er weiterhin versuchen sollte den Coolen und Unnahbaren zu geben? Zweifel machten sich in dem jungen Sänger breit. Vielleicht sollte er wenigstens in diesem Moment einmal vollkommen ehrlich zu ihr sein… „Ich habe damals einen Fehler gemacht. Den vielleicht größten Fehler meines Lebens. Es… es tut mir leid. Es tut mir leid, dass ich dich damals verletzt habe, dass ich dich ausgenutzt habe. Mir war nicht bewusst, was ich eigentlich an dir hatte.“ Er wurde zunehmend nervöser, da sie immer noch keine Antwort gab. Doch ihr Lächeln ließ ihn vermuten, dass er auf dem richtigen Weg war. „Komm zu mir zurück. Lass uns wieder da weitermachen, wo wir vor diesem hässlichen Streit aufgehört haben.“ Er beugte sich ganz nah zu ihr, um sicher zu gehen, dass ihn keiner der anderen Tanzenden hörte. „Ich liebe dich, Kyoko.“ Er sah so etwas wie Freude in ihrem Blick aufblitzen, bevor auch sie sich näher zu ihm beugte. „Danke Sho. Auf diesen Moment, habe ich all die Zeit gewartet.“ Sie sah ihm tief in die Augen – und drehte sich auf dem Absatz um. Verdattert blieb der Sänger stehen und schaute ihr etwas dümmlich hinterher, durch seinen Gesichtsausdruck andere auf sich aufmerksam machend, so dass innerhalb kürzester Zeit im ganzen Saal über die Abfuhr, die Sho Fuwa eben erhalten hatte, getuschelt wurde. „Und zufrieden?“ Grinsend sah Kyoko zu dem hochgewachsenen Mann hoch, der wie ein Schatten aufgetaucht war und sich lässig neben ihr an die Wand lehnte. Mit freudigem Triumph zog sie einen kleinen schwarzen Kasten aus ihrem Ärmel hervor, dessen Kabel irgendwo in den Tiefen ihres Kleides verschwand. „Mehr als das.“ Sie betätigte eine der wenigen Tasten an dem Gerät welcher daraufhin klar und deutlich Shotaru Fuwas Liebesgeständnis wiederholt. „Irgendwie tut er mir leid“, murmelte sie mit einem Gesichtsausdruck, der ihre Worte zu mindestens teilweise Lüge strafte, „aber er hat es nicht anders verdient. Er sollte am eigenen Leibe erfahren, wie es ist, zurück gewiesen zu werden.“ „Selber Schuld“, murmelte der Hochgewachsene, „Hätte er dich besser gekannt, wäre ihm sicherlich aufgefallen, dass dein Lächeln die ganze Zeit über eindeutig falsch war.“ Leicht schmollend drehte sie ihrem Gesprächspartner den Rücken zu. „So einfach war das nun auch nicht zu durchschauen!“ Grinsend drehte sie sich wieder um. „Schließlich hatte ich diesbezüglich einen hervorragenden Lehrmeister.“ „Ach hervorragend also?“ Man konnte das Schmunzeln in der Stimme ihres Gegenübers förmlich hören. „Nun ja, jedenfalls in dieser Hinsicht.“ „In andere also nicht?“ Ein gespielt beleidigter Ton hatte sich eingeschlichen. „Nun, da muss ich mal überlegen…“ Sie tippte sich mit dem Zeigefinger an ihr Kinn, als müsse sie scharf nachdenken. Ein resignierender Seufzer erklang. „Da werde ich wohl nachhelfen müssen.“ Und während aller Augen auf den immer noch wie erstarrt dastehenden und ins Leere starrenden Sho Fuwa gerichtet waren, gab Ren, in einer dunklen Ecke des Raumes, seiner – seit zwei Wochen - inoffiziellen Verlobten einen doch recht überzeugenden Kuss. Kopfschüttelnd näherte sich Shoko der Statue, die noch vor wenigen Minuten ihr Schützling gewesen war. Mit einem Seufzen nahm sie seine Hand und führte ihn in einen der Ruheräume. Wie ein kleines Kind folgte er ihr. Ein ärgerliches Schnauben entrang sich ihr, als sie daran dachte, dass seine großartige Aura von vorher eindeutig dahin war. Oh ja, er würde es diesem Tsuruga zeigen. Er würde Kyoko überzeugen und ihr Herz gewinnen. Vielleicht sollte er es anstatt mit Coolness mal mit Realitätssinn versuchen – denn hatte er nämlich offensichtlich dringend nötig. Gesprächsrunde der Hybie-sans, die von den Hybie-sans für diese Fanfic abgehalten wird Hybie-san2: *grummelig* "Was sollen wir eigentlich noch hier, wenn sie doch vorher schon alles gesagt hat?" Hybie-san1: "Nun ja... vielleicht Beschäftigungstherapie?" Hybie-san2: "Hm, irgendeine Art von Therapie braucht Hybie-san3 auf jeden Fall. Ich wär ja für Knebeln und Zwangsjacke." Hybie-san3: *kommt angehüpft* Hybie-san2: "Ich sags ja - Zwangsjacke. Und dann irgendwo festbinden." Hybie-san3: "Darf ich in die Psychiatrie? Bitte, bitte, bitte!!!" Hybie-san1+2: *weichen entgeistert zurück* Hybie-san2: "Jetzt dreht er vollkommen am Rad." Hybie-san1: "Was willst du denn in der Psychiatrie?" Hybie-san3: "Die Autorin ist da." Hybie-san2: "Na wurde ja auch mal Zeit, dass man die einliefert." Hybie-san3: "Ne, nicht als Patientin, sie macht da Praktikum." Hybie-san2: "Seit wann macht man ein Praktikum, bevor man eingeliefert wird?" Hybie-san1: "Ich glaube sie macht da einen Teil ihres Krankenpflegepraktikums - das braucht sie für ihr Studium. Du weißt schon, sie hilft den Patienten beim Waschen, Essen, Anziehen, misst Blutdruck und Puls usw." Hybie-san2: *murmelt* "Und ich bin immer noch der Meinung, dass sie da als Patientin und nicht als Personal ist." Hybie-san3: "Das geht gar nicht, ätsch! Sie ist nämlich noch zu jung!" Hybie-san2: *vollkommen verwirrt* "Gibts für Psychiatrien jetzt nen Mindestalter von 20?" Hybie-san1: "Sie arbeitet auf der Gerontopsychiatrie, also der Altenpsychiatrie - da liegt das Mindestalter bei 60." Hybie-san2: "Ist auch hart - sie muss noch über 40 Jahre warten, bis sie endlich eine Behandlung bekommt..." Hybie-san1: *resignierter Seufzer* "Ich gebs auf. Also, Hybie-san3, wenn du dich etwas beruhigst, darfst du die Danksagungen übernehmen." Hybie-san3: *hört sofort auf wie eine besoffene Springmaus auf Ecstasy herumzuhüpfen* "Also, für die Kommentare zum letzten Kapitel dankt sie..." *räusper* "Technomage. Den Einwand findet sie vollkommen berechtigt - sonderlich logisch-realistisch ist es leider nicht..." Hybie-san2: *flüstert* "Sie hat tagelang in der Ecke gehockt und war sauer auf sich selbst, weil ihr das nicht aufgefallen ist - sie hasst es bei ernsten Geschichten unlogisch zu sein." Hybie-san1: *trocken* "Auch wenn es teilweise stimmt, du solltest nicht ganz so übertreiben - sonst droht dir wieder ein rosa Kleidchen. Hybie-san3, weiter im Text." Hybie-san3: "Außerdem dankt sie auch Naudhiz. Es freut sie sehr, dass dir ihr Schreibstil so gut gefallen hat. ^^ Und last but not least: Ito-chan. Du darfst das Kapitel als praktisch dir gewidmet ansehen. Hätte sie dir nämlich nicht zugesagt, hätte es nämlich wohl noch länger als nur halbfertige Geschichte auf ihrer Festplatte rumgelungert. ^^ Als kleines Dankeschön gibt es für jeden Kommentator des letzten Kapitels eine illusionäre Tafel Schokolade in Vollmilch oder Haselnuss - und zwar eine von den großen Ikea-Tafeln." Kapitel 8: Das Geräusch (Original, Satz 17) ------------------------------------------- Am Morgen, jedesmal, weckte mich ein sonderbarer Lärm, halb Industrie, halb Musik, ein Geräusch, das ich mir nicht erklären konnte, nicht laut, aber rasend wie Grillen, metallisch, monoton, es musste eine Mechanik sein, aber ich erriet sie nicht, und später, wenn wir zum Frühstück ins Dorf gingen, war es verstummt, nichts zu sehen. Am Anfang, da war es die Neugierde, die mich trieb. Was, so fragte ich mich, ist dies, wo kommt es her, was ist die Ursache, der Grund. Ich überlegt, doch habe ich in meiner Erinnerung nichts gefunden, was mit diesem Geräusche vergleichbar, oder ihm ähnlich war, nichts, woran ich mich hätte orientieren können, keinen Ausgangspunkt, kein Anfang. So gab ich es denn auf, in einer kleinen Ecke meines Geistes aber immer noch hoffend, dass ich es eines Tages würde entschlüsseln, enträtseln können, so wie ein Problem, welches man gedanklich bei Seite legt, um dann, Tage später die Lösung als eine Eingebung zu erfahren. Doch die Lösung blieb aus, der Lärm jedoch, er blieb da, jeden Morgen, Tag für Tag, mich reißend aus dem schönsten Schlummer, sich langsam durch mein Ohr in meinen Kopf bohrend, bis ich vermeinte ihn sogar im hellen Sonnenlichte wahrzunehmen, während der Arbeit, beim Essen, oder auch im Licht des Mondes, wenn ich noch spät an einem Manuskript las. Gar meine Träume suchte es heim, verfolgte mich in ihnen, jedoch ohne je seine Herkunft zu enthüllen, stets verborgen in einem weißen Nebel des Nichts. Ich spürte, wie es immer wieder kehrend seine Wirkung tat, an meinen Nerven und meiner Konzentration nagte, bis beide nahezu verschwunden schienen, zerstört von diesem Geräusch, von der drängenden Sehnsucht nach einer Antwort auf seinen Ursprung. Ich beschloss, in einer freien Woche im Sommer, genauer gesagt im Juli, es muss um dessen Ende herum gewesen sein, mich auf die Lauer zu legen, des nachts, so dass ich diesen Lärm verfolgen könnte wie die Spur eines Tieres, dass den Jäger zurück zu seinem Bau führte. Ich bereitete mich gut vor, wusste ich doch nicht, was mich zu so später Stunde erwarten würde, noch dazu in einem Gebiet, was so menschenleer ist wie das unsere. Eine Laterne fand als erstes ihren Weg in mein Gepäck, gefolgt von einem frisch gefüllten Wasserschlauch, welcher von einem Stück Brot begleitet wurde, denn ich wusste, ich würde Hunger bekommen, selbst wenn ich Abendbrot aß, meldete sich mein Magen doch stets in den ungünstigsten Momenten. Auch Schwefelhölzer wanderten in eine meiner vielen Taschen, nachdem ich die Kerze damit entzündet hatte, um ein besseres Licht zu erhalten. Nicht auszudenken, was passieren würde, sollte ich mich auf dem Weg verletzten oder Schlimmeres, nur aus dem Grunde, dass ich einen Stein nicht vorher gesehen, oder dass eine Grube meinem Blick entgangen war. Solchermaßen gerüstet, wartete ich, vertrieb mir die dunklen Stunden der Nacht, bis zum Ertönen des seltsamen Geräuschs mit dem Studium eines Buches, welches mir ein einstiger Studienkollege geschenkt hatte, ohne zu wissen, dass Bücher solch unseriöser Art normalerweise nicht zu meiner bevorzugten Literatur gehörten, ich es aber doch las, um ihm später zu mindestens einige wenige Merkmale sagen zu können, welche mir gefielen. Bereits die erste Seite schien mir bezeichnend, also solle ich gewarnt werden mich durch dieses Werk zu quälen, als würde es versuchen mich abzuschrecken um zu verhindern, dass ich mir diese Qual weiter antat. „Neugier kann, in guten Maßen, mehr als nur die Welt bespaßen. Doch unvernünftig eingesetzt, Nimmt sie dir das Leben weg.“ Ein Vers, als hätte man den Wörtern gedroht sie zu schlagen, zu demütigen oder auf andere bestialische Art und Weise leiden zu lassen, sollten sie sich nicht den Reimen fügen, oder es gar wagen sich dem Zugriff des Autors anderweitig zu entziehen. Und so ging es fort, Seite um Seite, Zeugnis eines Dichters, der den Worten eine verbale Vergewaltigung anzutun schien, der vermutlich eine Art der Zufallsdichtung betrieb, in welcher er die Worte nicht nach Sinn oder Schönheit, sondern ganz allein nach Fortunas Laune, nach Glück und Schicksal, nach dem Zufalle auswählte. Als das Geräusch kam, erschien es mir wie einer Erlösung, wie ein lang erwartetes heiliges Zeichen, ein Wunder, dass mich von den Höllenqualen dieses Buches befreite, gesandt nicht mehr, um mich zu quälen, sondern um mich zu erretten, denn gab es eine größere Qual als ein solches Machwerk, ein Buch, bei dem der Teufel selbst die Hand die es schrieb geführt zu haben schien? Die entzündete Laterne wie einen Schutz vor mich hertragend, begab ich mich hinaus, die kalte, klare Nachtluft einatmend, die Stille genießend, welche nur von diesem seltsamen Lärm unterbrochen schien, der scheinbar aus allen Richtungen gleichzeitig kam, ohne an einem Ort zu verweilen, zu dem ich mich hinwenden konnte, so dass ich das Ziel meiner Wanderung nun willkürlich wählte. Ich begab mich auf die alte, efeubewachsen Kirche zu, welche aus einem mir unbekannten Grunde hell erleuchtet war, flackernden Kerzenschein auf den ersten Schnee dieses noch jungen Winters warf, und mich anzog, als wäre ich ein Motte, das Licht suchend, welches ich begehrte, und welches mich doch verbrannte, wie ein instinktgeleitetes Tier konnte ich mein Augen nicht eine Sekunde abwenden, lechzte ich nach dem Licht, der Wärme, der Lösung des Rätsels, das mich nun schon zu lange gequält hatte. Ein letzter Rest Vernunft, verblieben in einem entfernten Flecken meines Geistes, erreichte mich, befahl mir, mich dem Geschehen nur langsam zu nähren, vorher um die bröckelnden Ecken zu schauen, ob ich mich eventuelle in Gefahr begab, um im Falle desselben schnell fliehe zu können, zurück, nach Hause, in Sicherheit, ohne Antwort, aber zu mindestens unverletzt. Ich gehorchte dieser Vernunft, doch was ich sah, als ich vorsichtig, wie ein Dieb, ein Spion, ein heimlicher Eindringling, um den rechten Flügel des großen hölzernen Portals mit den schwarzen, verschnörkelten Eisenbeschlägen spähte, sichergehend, dass mich niemand, der sich im Innern aufhalten mochte sah, da schien es als werde mir auch der letzte Rest dieses Verstandes ausgesaugt. Im Innern der Kirche, mir wohl bekannt durch zahllose sonn- und feiertägliche Gottesdienste, war alles anders, keine Bänke mehr, welche in wohlgeordneten Reihen von der hintersten Wand bis knapp an den Altar reichten und jedem, vom Bettler bis zum Pfeffersack einen Platz anboten, hinfort der Altar selbst, üppig geschmückt mit Holzfigurinen und Bildern berühmter Künstler, alles Ausschnitte aus dem heiligen neuen Testament, welche sowohl der Erbauung als auch der Ermahnung dienten, all dies, verdrängt durch etwas, das direkt aus der Hölle stammen musste, eine Maschine, größer, als alles was ich bisher gesehen hatte, ungeachtet der Tatsache, dass ich den größten Teil meines bisherigen Lebens mit Reisen verbracht habe. Mit rechten Dingen konnte dies nicht zugehen, denn nie wäre es möglich, allen Schmuck und sämtliche kirchlichen Ornamente so gründlich in nur einer einzigen Nacht zu entfernen, es sei denn, Luzifer selbst hätte seine Hand im Spiel, so wie es hier der Fall zu sein schien. Und trotz einer mich eindringlich warnenden Stimme, näherte ich mich dem Apparat, wollte ihn näher betrachten, seine Funktionsweise verstehen, seine Aufgabe begreifen, und da ich niemanden sah, gab ich meine Vorsicht auf, schlenderte darum herum, als wenn es mir möglich wäre allein durch sehen zu verstehen. An der einen Seite des Dinges, war etwas angebracht, was an eine Orgel erinnerte, verschieden große Pfeifen, die der Apparat selbst bediente und welche wohl für die musikalischen Untertöne in dem Lärm verantwortlich waren, denn sie spielten einen seltsamen, doch anziehenden Klang. Und noch etwas weiter sah ich eine Tür, eingelassen in dieses Meisterwerk der Metallbearbeitung, verziert mit ähnlichen Mustern wie die Kirchentür, nur anders, abstoßender, als würden es nicht nur verschnörkelte Linien sein, sondern andere Dinge, Dinge die das menschliche Auge nicht erfassen konnte, nicht erfassen wollte. Gleichzeitig angewidert und fasziniert näherte ich mich dieser Tür, welche bei näherem Hinsehen an das geöffnete Maul eines Raubtieres erinnerte, geduldig auf Beute wartend, die von seinem ungewöhnlichem Äußeren angelockt werden würde. Wie aus der Ferne vernahm ich eine Stimme, welche mich warnte, mich zurückhalten wollte, mich anflehte es nicht zu tun, und nach einiger Überlegung, meine Gedanken schienen dabei schwer und träge wie Blei, erkannte ich, dass die Stimme aus mir selbst kam. Kaum hatte ich dies realisiert, wollte ich davon laufen, hinfort von diesem monströsem Metallungetüm, fort von der in dieser Nacht so unheilig wirkenden Kirche, nur weg, weg, nach Hause, wo ich nur noch unter die Bettdecke kriechen würde um bis zum Morgen nicht einmal meine Nasenspitze hinaus zu stecken. Doch meine Beine, sie waren nicht mehr die meinen, nur Stelzen, die meinen Körper trugen, einem fremden Willen unterworfen, welcher ihnen befahl, sich der Türe zu nähren, ebenso wie dieser fremde Wille meinen Händen befahl, dieselbe zu öffnen. Sie taten es und quietschend, schreiend, als würde sie Qualen leiden, schwang diese Tür auf, gab den Blick frei auf einen tiefschwarzen Schlund, der das Licht selbst zu verschlucken schien, alles einsaugend, ungeheuer anziehend, doch so grausam kalt, als wäre es der Tod oder gar schlimmeres was einen erwartete. Ich hörte einen Schrei aus meiner Kehle dringend, laut, wild, als wenn er nicht von mir, sondern von einem wilden in die Enge getriebenen Tier stammte, und langsam, mit jedem Fuße den ich mich dem Schlund näherte, wurde dieser Schrei bettelnder, flehender, verzweifelter, bis es ein einziger hoher Ton des Grauens war. Und als mein Fuß die Schwelle übertrat und ich spürte wie eisige Kälte und grausiges Nichts mich umfingen, kam mir ein einzelner Gedanke, der mich selbst erstaunte, hätte ich doch nicht gedacht, zu solch einer Aussage noch fähig zu sein, zu solcher Ironie, solchem Sarkasmus, in Erinnerung an die Aussage des ersten Verses des Buches, welches ich wohl nie zu Ende lesen würde: Neugier brachte einen um. Oder besser: Neugier brachte mich um. Das Donnern der Tür, als dieselbe hinter mir ins Schloss fiel, verdrängte auch diese letzte trotzige Regung meines Selbst, bevor es von den Qualen verschlungen wurde. Kapitel 9: Freakie (Numb3rs, Satz 19) ------------------------------------- "Wenn euch eure Tochter nicht wichtig wäre, würde ich mir nicht solche Sorgen machen", sagte er, "aber ich weiß, ihr liebt sie sehr. Und gerade deshalb müsst ihr mit uns kooperieren.“ Beinahe bittend sah Don seinen alten Klassenkameraden und dessen Frau an. In deren Gesichtern zeigten sich Zweifel. Zweifel, die er schon viel zu oft gesehen hatte bei Eltern, deren Kinder entführt worden waren – und die den Befehlen der Entführer all zu genau folgten, in der Annahme ihr Liebstes damit retten zu können. Leider hatte das Nichteinschalten des FBI aber meist eine gegensätzliche Wirkung. Zu viele Eltern waren es bisher gewesen, die ihn erst eingeschaltet hatten, nachdem sie tagelang nichts mehr von ihrem Kind gehört hatten, obwohl die Lösegeldübergabe erfolgreich verlaufen war. Und allen hatte er nur noch helfen können die Leiche ihres toten Sohnes oder ihrer ermordeten Tochter zu finden. „Bitte, lasst mich euch helfen. Wir haben nur wenig Zeit, und je eher ihr kooperiert, desto eher werden wir die Entführer schnappen – und mit ihnen Jennifer.“ „Du meinst wenn ihr die Entführer schnappt. Ich bin nicht blöd Don, ich weiß selber, dass es nie absolute Sicherheit geben kann.“ Der Mund von Peter, dem Vater der entführten Neunjährigen, verzog sich zu einem bitteren Lächeln. „Glaubst du wirklich, ihre Chancen bessern sich, wenn wir das FBI einschalten? Normalerweise sehen Entführer so etwas nicht gerne.“ Die Verzweiflung in Carlyns Stimme war mehr als deutlich zu hören. Sie würde alles geben, nur um ihr Mädchen wiederzubekommen – absolut alles. Don wollte sofort zustimmen, schwieg aber um erst nachzudenken. Es wäre auf jeden Fall leichter die Entführer zu schnappen, wenn sie von Anfang an Zugang zu allen Informationen über diesen Fall hätten. Doch würde es Jennifers Chancen wirklich verbessern? Oder würde seine Beteiligung an dieser Sache die Entführer ausrasten lassen, so dass sie dem kleinen blonden Mädchen sofort eine Kugel durch den Kopf jagten? Sonst war es einfacher, sonst fiel es ihm so leicht, die Eltern zu beruhigen, ihnen zu sagen, dass es unbedingt von Nöten war das FBI einzuschalten. Aber hier war nichts wie sonst. Hier ging es nicht um ein fremdes Kind, um eine unbekannte Familie. Hier ging es um Jennifer. Um das kleine Mädchen, das mit Peter und Don schon so oft einem Baseballspiel zugesehen hatte. Um das kleine Mädchen, dem Charlie des öfteren bei den Mathehausaufgaben half, in der Hoffnung es für diese Wissenschaft zu begeistern – und das sogar mit beachtlichem Erfolg. Um das kleine Mädchen, das er besser kannte als jedes andere Kind. Um Jennifer. Er straffte seine Schultern und sah den Eltern fest in die Augen. „Ja, ich bin der festen Überzeugung, dass sich ihre Chancen dadurch bessern.“ Eine nagenden Stimme in ihm erklärte, dass er Charlie hätte fragen sollen, dass dieser ihm die genauen Chancen hätte ausrechnen können. Aber das wollte er nicht. Er wollte nicht, dass sich seine Entscheidung als Fehler herausstellte. Peter nickte müde, als hätte er diese Antwort zugleich erwartet und befürchtet. „Okay, welche Informationen brauchst du?“ „Was haben wir Leute?“ Während er selbst noch mit den Eltern gesprochen hatte, war sein Team bereits fleißig gewesen. Die Hintergrundgeschichte der beiden und der Tochter, finanzielle und rechtliche Schwierigkeiten, Meinungen von Kollegen und Bekannten, sie hatten zusammen getragen was auch immer sie finden konnten, in der Hoffnung irgendwo einen Hinweis zu entdecken, was der Grund des Ganzen sein könnte – die Entführer selbst hatten sich nämlich auch drei Stunden nach der Tat noch nicht gemeldet. „Carlyn Custeau“, begann Colby und ein Bild der Mutter erschien auf der Projektionsfläche. „32 Jahre alt, geborene Rines, aufgewachsen in Ohio, Angestellte in einem kleinen Lebensmittelfachgeschäft im westlichen Los Angeles. Sie ist seit zehn Jahren offenbar glücklich mit ihrem Mann Peter Custeau verheiratet. Jennifer ist ihr erstes und einziges Kind. Ihre Kolleginnen beschreiben sie als ruhig, aber freundlich. Sie kommt mit allen im Laden gut klar und hat auch unter den Kunden scheinbar keine Feinde...“ „Ihr Mann ist Verkäufer in einem Autohaus von Toyota“, fuhr Megan fort. „Auch seine Kollegen behaupten er sei eher der gelassene Typ, niemand der schnell wütend wird oder andere unnötig provoziert. Die zwei gingen zusammen auf dieselbe High School, lernten sich da kennen und heirateten kurze Zeit später. Die letzte Rate für ihr Haus zahlten sie termingerecht vor zwei Monaten, so dass sie keinerlei Schulden haben. Ihrer beider Gehalt ist mittelmäßig, nichts was übermäßige Begehrlichkeiten weckt. Polizeilich ist keiner von ihnen je aufgefallen, bis auf Peter, der einmal fünf Meilen pro Stunde zu schnell auf einem Highway erwischt wurde. Sie engagiert sich im Elternrat von Jennifers Schule, er hilft des öfteren ehrenamtlich im Pflegeheim.“ „Tja, wir haben also das vollkommen durchschnittliche, kleinbürgerliche Pärchen, ohne Feinde und ohne Möglichkeit einer großen Lösegeldzahlungen. Mit anderen Worten: Wir haben keine Ahnung, was ihr Motiv sein könnte.“ Man merkte David an, dass er von den Aussichten alles andere als begeistert war, als er ihre Kenntnisse zusammen fasste. „Warum schalten wir nicht Charlie ein? Er findet doch öfters Zusammenhänge, wo keiner sonst sie sieht.“ Colby schien sich zu wundern warum Don seinen Bruder nicht längst schon hergerufen hatte. „Das will ich nicht“, lehnte der leitende Agent ab. „Charlie kannte die Familie gut, er hat sich mindestens zweimal wöchentlich mit dem Mädchen getroffen. Ich kann ihn durchaus hinzuziehen, wenn er das Opfer nicht kennen würde, aber er hat nie gelernt sich emotional abzuschotten. Die Sache würde ihm viel zu nahe gehen. Ich weigere mich ihn für diesen Fall einzusetzen.“ „Ich glaube nicht, dass er sich davon abhalten lassen würde.“ „Doch, das wird er. Wenn er nämlich nichts erfährt, bis dieser Fall abgeschlossen ist!“ Grimmig schaute Don in die Runde, als würde er die anderen herausfordern es zu wagen seinen Bruder zu informieren. „Äh...“, Colby musste schlucken, als Reaktion auf den Blick den er für seine unwillkommene Lautäußerung erntete. Trotzdem sprach er weiter. „Äh... Don... ich glaube dafür ist es etwas zu spät.“ Mit einem Nicken deutete er auf die Tür im Rücken seines Vorgesetzten. Mit einer Miene, die verriet, dass dieser ahnte, was hinter ihm war, drehte er sich um. „Wenn du wirklich niemanden in die Sache verwickeln willst, solltest du den nächsten Eltern sagen, dass sie ihren Haustutor abbestellen sollen“, sagte Charlie vollkommen ohne Humor. Ohne auf die Reaktion seines Bruders zu warten, trat er ein. „Hey, Char...“ „Wage es!“ Fast drohend fuhr der Mathematiker ihn an. „Wage es, mich aus diesem Fall rauszuhalten und ich werde alles, was du je geheim halten wolltest auf Youtube veröffentlichen. Ich werde Briefe an jeden schicken, den es betrifft, und ihnen mitteilen, was du nie zugeben wolltest.“ Fast musste der Ältere über diese in seinen Augen kindische Maßnahme lächeln. Glaubte wirklich jemand, das würde ihn einschüchtern? Wenn er etwas wirklich geheim halten wollte, wusste es niemand – nicht einmal sein Bruder. „Charlie, ich...“ „Ach, dann ist es dir lieber ich ermittle allein in diesem Fall? Denn genau das werde ich tun. Es ist mir egal, was du davon hältst. Wenn du mich dem FBI hierbei nicht helfen lässt, versuche ich es auf eigene Faust. Und übrigens – ich weiß das mit Ramon.“ Der Mund des Special Agent Eppes klappte auf und zu, auf und wieder zu, wie ein Fisch im Trockenen. Es war nicht ganz klar, welche Bemerkung genau ihm die Sprache geraubt hatte, aber irgendetwas hatte genau ins Schwarze getroffen. Schließlich ließ er die Schultern sinken. „Okay Charlie, aber keine Alleingänge. Und wenn dir irgendetwas zu nahe geht, sprichst du mit einem von uns. Mit Dad, mit mir, oder mit Megan, Colby, David, such dir jemanden aus, aber wehe du frisst das in dich hinein! Ich weiß, was für eine Belastung so etwas für die Psyche bedeutet, also nimm es nicht auf die leichte Schulter.“ Plötzlich gar nicht mehr bedrohlich sondern eher kleinlaut nickte der Mathematikprofessor nur stumm. Er ließ sich neben seinem Bruder nieder und packte den Laptop, ohne welchen er scheinbar nie aus dem Haus ging, auf den Tisch. Stillschweigend hämmerte er auf die Tasten ein und wurde sich erste nach etwa einer halben Minute der neugierigen Blicke der anderen bewusst. „Ich gebe gerade die Daten in VAUKUAG ein, vielleicht finden wir etwas ähnliches.“ „Was zum Teufel ist Vaukuag?“ Die Gesichter der restlichen Teammitglieder zeigten das gleiche Unverständnis wie Colbys Worte. „Vergleichende Analyse ungelöster Kriminalfälle unter algorithmischen Gesichtspunkten“, murmelte Charlie. „Was für ein... griffiger Name“, rutschte es David heraus, welcher jedoch nicht beachtet wurde. „Ich habe es vor einem Monat geschrieben. Es beinhaltet die Daten von ungelösten Fällen der letzten fünf Jahre und vergleicht diese mit den neu eingegebenen Daten unter verschiedenen Aspekten. Viele dieser Anhaltspunkte gehören nicht gerade zu den augenfälligen, können in ihrer Gesamtheit aber auf einen gleichen Täter hinweisen. Allerdings ist es noch nicht ganz fertig, ich habe noch nicht alle Daten eingegeben.“ „Warum hast du so ein Programm geschrieben?“ Don konnte es nicht fassen, dass er davon noch nicht einmal etwas gehört hatte. „Warum nicht? Es wäre viel einfacher, schneller und genauer, als ständig alle Daten von Hand durchzugehen. Die Techniker hier haben mir sogar dabei geholfen die Daten einzugeben. Ich habe zum Beispiel jetzt schon mehrere Treffer, obwohl viele davon wohl überflüssig sind. Warte ich schreibe kurz etwas um die weniger wahrscheinlichen auszugrenzen.“ Es wunderte den älteren Bruder, dass er überhaupt noch staunen konnte. Hätte er sich nicht längst an Charlies Genie gewöhnen müssen? „Okay, ich habe es. Fünf Fälle allein im letzten Jahr. In allen Fällen wurde ein Kind entführt, indem es von der Betreuung im Hort oder Kindergarten abgeholt wurde. Die Täter hatten stets ein Dokument mit der Unterschrift der Eltern dabei, welches ihnen die Berechtigung gab die Kinder im Namen der Eltern abzuholen. Die Erzieherinnen ließen die Kinder mit ihnen gehen und die Kleinen kamen nie zu Hause an.“ „Und wo liegt da die Verbindung? Solche Fälle sind häufiger als man denkt“, hakte David nach. „Warte einen Moment... ah, hier. Die Eltern waren alle auf derselben High School, sogar in demselben Jahrgang. Es war...“ Er verstummte. „Was war es Charlie?“, fragte sein Bruder besorgt nach. Als der Mathematiker den Kopf hob, war er deutlich blasser als vorher. „Don. Sie waren alle von unserer High School. Aus unserem Jahrgang – unserem Abschlussjahrgang.“ „Was... was ist mit den Kindern passiert?“ „Sie wurden nie gefunden.“ „Warum... warum habe ich nie etwas davon gehört?“ Noch einmal ging Charlie die Liste der Namen durch. „Es war nicht deine Clique Don. Darren, Melinda, Lucy, Thomas, Jonas. Du hast nie viel mit ihnen herumgehangen, und ich... nun, ich auch nicht. Wir haben uns nach dem Abschluss aus den Augen verloren, dass ist immerhin schon über zehn Jahre her. Es ist nicht deine Schuld Don.“ Der FBI-Agent nickte. „Du hast recht, es ist nur... es ist als... es ist...“ „Ich weiß. Niemand von uns hat es bemerkt. Doch jetzt haben wir es herausgefunden. Jetzt können wir etwas dagegen tun. Und das werden wir Don.“ Er riss sich zusammen. Das war nicht die Zeit für Reue und Selbstzweifel, die würde es später immer noch geben. Entschlossen richtete er sich auf. „Versucht soviel wie möglich über die Fälle herauszufinden. Sprecht mit den Eltern, mit den Officern die dafür zuständig waren, mit allen die irgendetwas wissen können. Ich... werde den anderen Eltern aus meinem Jahrgang Bescheid geben. Charlie, du schaust dir die alten Akten an, vielleicht findest du irgendetwas brauchbares. Und guck auch nach, was aus den restlichen Leuten unseres Jahrgangs geworden ist, vielleicht will sich irgendjemand für früher erlittene Demütigungen rächen. Okay Leute, ihr wisst, dass jede Minute zählt, also macht euch an die Arbeit.“ Langsam sackte Charlies Kopf nach vorne. Er war so müde... Er hatte die Nacht vorher nicht geschlafen, weil er unbedingt noch ein paar Daten in VAULUAG hatte eingeben wollen, damit dies so vollständig wie möglich war. Am Morgen war er dann ohne Schlaf, dafür mit vier großen Tassen Kaffee intus zum Campus gefahren um Vorlesungen zu halten. Gegen Mittag hatte er sich einfach auf dem Fußboden seines Büros ausgestreckt, war jedoch nach nur zwanzig Minuten seliger Ruhe von Larry aufgeweckt worden, welcher unbedingt mit ihm über eine neues Projekt der physikalischen Fakultät hatte reden wollen. Dann kamen wieder Vorlesungen, um dann nach Hause zu fahren, sich schnell ein kaltes Sandwich und noch mehr Koffein einzuverleiben, bevor es weiterging zu Jennifer. Sobald er dort von der Entführung erfahren hatte, war er zum FBI gefahren, hatte dort Don angeschnauzt – inzwischen war er der festen Überzeugung dass 92,3 Prozent seines übertriebenen Auftritts dem Schlafmangel zuzuschreiben waren – und seitdem das Besprechungszimmer nur verlassen um dem Drang der Natur nachzugeben und sich ein paar Hände kaltes Wasser ins Gesicht zu spritzen. Ein plötzliches Piepen bewahrte ihn davor mit dem Kopf auf der Tastatur einzuschlafen. Wiederwillig öffnete er die Augen und wünschte sich ein paar Streichhölzer. Ob es wirklich klappte, wenn man sich die zwischen Ober- und Unterlid klemmte? Ein Versuch war es eventuell wert... Als es ihm jedoch endlich gelang genug Aufmerksamkeit auf den Bildschirm zu richten um das dort Dargestellte zu begreifen, waren alle Gedanken an Streichhölzer aus seinem Kopf verschwunden. Stattdessen drückte er sofort die erste Kurzwahltaste seines Handys. „Hey Charlie, was hast du rausgefunden?“, meldete sich die Stimme seines Bruders. „Don, ich glaube ich weiß wer der Täter ist. Erinnerst du dich an Dunkin? Dunkin Moren? Er war mehrfach angeklagt wegen Freiheitsberaubung und Erpressung, kam bis jetzt aber immer mit höchstens zwei Jahren davon, weil all seine Opfer unbeschadet überlebten. Laut der Beschreibung der Erzieherinnen ist er nicht der Mann, der die Kinder immer abholt. Aber zwei von ihnen erzählten der Täter sei zusammen mit den Kindern in ein Auto gestiegen, in dem bereits ein Fahrer saß. Erinnerst du dich daran, was Dunkin immer über seinen Wagen erzählt hat?“ „Dass er jetzt eine alte Schrotkarre fährt, später aber einen schwarzen Porsche haben wird?“ „Genau. Und jetzt rate mal, in was für einem Auto die Kinder fortgebracht wurden...“ „Ein schwarzer Porsche? Aber Charlie, das wäre doch ein viel zu auffälliges Auto. Bestimmt sind alle Besitzer von schwarzen Porsche längst überprüft worden.“ „Alle gemeldeten Don, nur die Gemeldeten. Rate mal was für ein Auto auf Dunkin gemeldet wurde.“ „Keine Ahnung, sag du es mir.“ „Keins. Kannst du dir das vorstellen nicht eins, nicht einmal eine kleine alte Klapperkiste. Und du weißt, dass Dunkin sein Auto fast mehr brauchte als die Luft zum Atmen.“ „Aber was hat er für ein Motiv Charlie? Ich kannte Dunkin damals nicht sonderlich gut, um ehrlich zu sein konnte ich ihn nicht einmal leiden. Aber was hat er für ein Motiv?“ „Noch weiß ich es nicht, aber das wird sich zeigen. Ich leg seine Akte mal Megan vor, wenn sie aus dem Archiv zurückkommt, vielleicht findet sie was.“ „Mach das. Ach, und Charlie?“ „Ja?“ „Geh ne Runde schlafen – du hörst dich an als hättest du mehr Koffein als Blut im Körper.“ Nachdem er das Handy zugeklappt hatte, beschloss der Professor auf den Rat seines Bruders zu hören – wenn er nicht bald ins Bett kroch, würde er wahrscheinlich im Stehen einschlafen. Allerdings hatte er nicht wirklich Lust nach Hause zu fahren. Vage erinnerte er sich an ein Sofa, dass hier irgendwo rumstand... Mühsam richtete er sich auf und schlurfte Richtung Ruheraum. Als er eintrat, ließ er seinen Blick durch das Zimmer gleiten. Gleich links neben der Tür welkte ein traurig wirkender Gummibaum einsam vor sich hin. Daneben stand ein altes Fernsehgerät, dass offensichtlich nur hier war, weil es jemand bei sich zu Hause aussortiert hatte. Die Wand direkt gegenüber der Tür war mit mehreren Bildern geschmückt, von denen Charlie vermutete, dass sie entweder ein Agent oder jemand aus der Familie des Agents gemalt hatte – niemand gab für so etwas hässliches auch noch Geld aus. An der Wand rechts von ihm fand er schließlich das Ziel seiner Träume. Ein Sofa. Alt, abgenutzt und in einem grauenerregendem Grünton, aber immerhin lang genug, dass er sich bequem darauf ausstrecken konnte. Er schleuderte die Schuhe von den Füßen und machte es sich bequem. Noch einmal streckte er die Arme über den Kopf um endlich die Augen schließen zu können. Der Klingelton seines Handys ließ ihn aufschrecken, noch bevor er ganz eingedämmert war. Wütend griff er nach dem Störenfried mit dem Gefühl das Ding am liebsten direkt gegen eine dieser schrecklichen Gemälde zu werfen. Leider hielt ihn sein Verantwortungsbewusstsein davon ab und er nahm den Anruf stattdessen an. „Charles Eppes.“ „Hallo Freakie.“ Das Blut gefror dem Mathematiker in den Adern, als er diese Stimme wieder erkannte. Ebenso wie den Spitznamen. Der Anrufer war niemand anderes als Dunkin Moren. „Was willst du Dunkin?“ „Oh, hat der kleine Freak also mit seiner kleinen Freakshow herausgefunden wer ich bin?“ „Was willst du?“ Charlie versuchte sich von dem fünf Jahre Älteren nicht einschüchtern zu lassen. Ein schwieriges Unterfangen, schließlich war ihm die Furcht vor Dunkin Moren damals in Fleisch und Blut übergegangen. Er hatte stundenlang gewartet, bevor er nach Hause gegangen war, nur um sicher zu gehen, dass Dunkin ihn nicht allein erwischte. Er war in der Bibliothek immer in Sichtweite der Bibliothekarin geblieben, nur um sicher zu gehen, dass Dunkin ihn nicht allein erwischte. Er hatte den Lehrern in den Pausen geholfen Bücher zu tragen, nur um sicher zu gehen, dass Dunkin ihn nicht allein erwischte. Aber das war Jahre her. Er war älter geworden, erwachsener. Er war nicht mehr der kleine Junge, der sich von allen, und vor allem von Dunkin Moren herumschubsen ließ – jedenfalls versuchte er sich das einzureden. „Nun, ich will eigentlich nur eines, Freakie. Dich. Wenn du nicht in sechzig Sekunden hier unten am Taxistand bist, hat die arme kleine Jennifer ein Loch mehr in ihrem hübschen blonden Köpfchen. Also, ich warte.“ Klickend wurde die Verbindung beendet. Ohne überhaupt auch nur an die Müdigkeit zu denken, die ihn bis eben noch fast bewegungsunfähig gemacht hatte, sprintete Charlie barfuß wie er war los. Im Laufen drückte er die Kurzwahltaste für Don, bekam jedoch nur die Mailbox zu sprechen. Während er die Treppe des nächtlich leeren Gebäudes hinunterrannte – auf den Fahrstuhl zu warten würde wertvolle Zeit kosten – entschied er sich dafür es nicht noch bei den anderen zu versuchen. Er hatte keine Zeit, vor allem da jeder ihn unterbrechen würde, anstatt einfach nur sechzig... nein, 42 Sekunden lang zuzuhören. „Don, Dunkin hat Jennifer. Er schießt ihr eine Kugel in den Kopf, wenn ich nicht in wenigen Sekunden bei ihm bin. Das heißt beim Taxistand vor dem FBI-Gebäude. Ich werde versuchen die kleine irgendwie rauszuhandeln. Sag Dad, dass ich ihn liebe. Sag allen anderen, dass sie klasse sind. Mach dir keine Vorwürfe. Und übrigens – ich habe keine Ahnung, was damals mit Ramon passiert ist. Denk daran, keine Vorwürfe, ich versuche das Handy anzulassen, aber vielleicht nimmt er es mir ab. Viel Glück bei den weiteren Ermittlungen.“ Er klappte das Gerät zu und ließ es in seiner Jackentasche verschwinden, während er durch die Eingangshalle sprintete, die Rufe der skeptischen Rezeptzionistin ignorierend. Ganze fünfzehn Sekunden vor Ablauf der Frist kam er keuchend am Taxistand zum Stehen. Er musste sich an dem Schild festhalten um nicht umzufallen, denn die Welt drehte sich um ihn. Oder vielleicht drehte er sich um die Welt. Oder vielleicht auch seine Augen in ihren Höhlen. Es fiel ihm schwer einen klaren Gedanken zu fassen, denn Adrenalin und Müdigkeit hatten sein Gehirn in einen großen Wattebausch verwandelt. „Hierher Freakie!“ Er stolperte in die Richtung, aus der die Stimme kam. Als sich die Welt etwas langsamer drehte, konnte er einen schwarzen Porsche erkennen, der ganz vorne parkte. Ohne zu zögern näherte er sich ihm und lugte in die geöffnete Tür zur Rückbank. Jennifer lag dort, das Gesicht tränenüberströmt, der Mund mit Paketklebeband bedeckt, die Hände mit Kabelbinder hinter dem Rücken verschnürt. „Rein, Freakie.“ Sofort gehorchte er, setzte sich direkt neben Jennifer und strich ihr beruhigend über die Schulter. Dunkin grinste ihn aus dem Fahrersitz an, während ein anderer Mann, offensichtlich sein Komplize, mit ausdruckslosem Gesicht eine Schusswaffe auf ihn richtete. „Schnall deine Füße fest, Freakie.“ Verwirrt sah Charlie erst Dunkin an, dann auf seine Füße. Er begriff. Im Fußraum lagen zwei Paar Handschellen, jeweils mit einem Ende bereits an dem Vordersitz befestigt. Er legte sich die anderen Enden um die Knöchel und ließ sie mit einem Knacken einrasten. „Brav gemacht Freakie. Lass uns eine kleine Spazierfahrt unternehmen.“ „Was wollt ihr mit uns beiden machen?“ „Wieso mit euch beiden? Wir brauchen nur dich, Freakie. Der Kleinen setzen wir an irgendeinem schönen, abgelegenen Ort eine Kugel in den Kopf.“ Charlie wollte erst protestieren, sah jedoch ein wie sinnlos dies war. Stattdessen beobachtete er seine Umgebung. Sie fuhren recht langsam, etwas unter 10 Meilen pro Stunde, da sie sich in einer geschwindigkeitsbegrenzten Zone befanden. Der Untergrund bestand aus großem Kopfsteinpflaster, dass im Gegensatz zu Asphalt eine recht glatte Oberfläche hatte. Es regnete, was bedeutete, dass man noch zusätzlich rutschte. Der Verkehr war gering, jedoch waren immer mindestens zwei Autos in Sichtweite. Er sah zu dem Mädchen, was sich eng an ihn gekuschelt hatte. Sie trug, der kalten Witterung entsprechend, eine daunengefütterte Jacke und eine ebensolche Hose. Ihre Schuhe wirkten stabil und an ihrer Jacke befand sich eine ebenfalls dick gefütterte Kapuze, welche er ihr nun über den Kopf und tief ins Gesicht zog. Dunkins Komplize beobachtete diese Bewegung misstrauisch, ließ es aber geschehen. Nach mehreren genauen Berechnung, auf der Grundlage von leider recht ungenauen Daten stand Charlies Plan fest. Sie würden ihn dafür eventuell erschießen, aber das machte ihm nichts aus. Nein, das war gelogen. Es machte ihm etwas aus. Er fürchtete sich beinahe zu Tode und hätten sich am liebsten zu einer Kugel zusammen gerollte und sich voll und ganz auf P vs. NP konzentriert. Doch das weiche Gewicht, welches er an seiner Seite spürte und welches das kleine Mädchen darstellte, hielt ihn davon ab. Er würde es durchziehen, denn sie hatte die Chance zu leben verdient, so wie jedes Kind diese Chance verdient hatte. Er hatte als Kind nichts getan, obwohl er wusste, dass einem anderen Kind Leid geschah – diesen Fehler würde er nicht wiederholen. Ungeduldig ließ er seinen Blick durch die Umgebung schweifen, und endlich schien ihm das Glück hold. Vor ihnen schaltete eine Ampel auf rot. Dunkin hielt an, in der festen Überzeugung die Missachtung der Verkehrsregeln würde nur ungewünschte Aufmerksamkeit auf den schwarzen Porsche lenken. Charlie beobachtete erleichtert, wie sich andere Autos an der Kreuzung sammelten, darauf warteten dass ihr Lichtsignal umschaltete. Zufrieden sah er mehrere Fußgänger, die am Rande der Kreuzung stehen blieben. Er spürte den Ruck, der durch das Auto ging als sie anfuhren. Dann handelte er. In einer einzigen hektischen Bewegung riss er die Tür auf – und stieß Jennifer hinaus. Er hatte die Kraft genau berechnet und wusste, dass sie nicht mehr als ein paar Schrammen davon tragen würde. Zum Glück war kein Auto direkt hinter ihnen, so dass sie nicht Gefahr lief überfahren zu werden. Stattdessen stiegen die Fahrer der anderen Fahrzeuge aus, rannten panisch auf sie zu, einige bereits ein Handy am Ohr um den Rettungsdienst zu alarmieren. Sie war außer Gefahr. Sie würde leben. Ihm Gegensatz zu ihm, wie er vermutete. Der Komplize, bisher still und ausdruckslos, ließ einen Schwall wilder Schimpfwörter los, die selbst einen Zuhälter die Röte ins Gesicht getrieben hätten. Er hatte auf Charlie geschossen, kaum dass dieser das Mädchen hinaus gestoßen hatte, jedoch nicht wirklich gezielt, so dass es bei einem höllisch brennenden Streifschuss geblieben war. Dunkin hingegen grinste nur, während er nun mit voll durchgedrücktem Gaspedal über die buckelige Straße bretterte. Er schien zufrieden damit zu sein Charlie in seiner Gewalt zu haben. Und offensichtlich glaubte er, dass diese sich, angekettet und nun auch verletzt, nicht mehr befreien könnte. Damit mochte er sogar recht haben, jedoch hatte der Mathematiker gar nicht vor sich zu befreien. Es reichte ihm vollkommen aus, diese beiden Kindesmörder nicht ungeschoren davon kommen zu lassen. Aufmerksam beobachtete er den Straßenverlauf. Als eine scharfe Kurve vor ihm auftauchte, sah er seine Chance gekommen. Mit aller Kraft die ihm geblieben war – zugegebenermaßen nicht viel – begann er Dunkin zu würgen. Mit zwei schnellen Schüssen in seine Schultern, beendete der Komplize das Manöver der Geisel, doch es war bereits zu spät. Abgelenkt durch diesen unerwarteten Angriff hatte Dunkin die Kontrolle über das Auto auf dem nassen rutschigen Kopfsteinpflaster bereits verloren und das Gefährt raste nahezu ungebremst über einen kleinen Abhang. Trotz der Tatsache, dass er wahrscheinlich gleich sterben würde, musste Charlie lächeln. Er war nicht mehr der Junge, der sich vor Dunkin fürchtete. Immerhin etwas, das er erreicht hatte, bevor er starb. Erstaunlicherweise war er nach dem Aufprall nicht sofort tot. Sein Körper fühlte sich seltsam an, verdreht in unmöglichen Winkeln, aber diese Erfahrung war eindeutig zu schmerzhaft. Von weitem hörte er die Sirene eines Krankenwagens. Vielleicht... vielleicht... war er doch nicht tot. Vielleicht... vielleicht... würde er es überleben. Der Gedanke freute ihn absurder weise vor allem deshalb, weil er dann Jennifer weiter in Mathe unterrichten konnte – die Kleine hatte eindeutig Talent. Sein Handy klingelte, doch er hatte nicht die Kraft ran zu gehen. Langsam schweiften seine Gedanken ab. Er dachte an seine Familie. Don würde bestimmt sauer sein, weil er nicht schlafen gegangen war, kam ihm in den Sinn. Aber es ging wahrscheinlich in Ordnung. Apropos Don... irgendwann müsste er ihm erzählen, was er und Ramon damals für ein Zeug geraucht hatten. Ich mache es kurz und schmerzlos: Das sollte eigentlich viel kürzer sein. Und vor allem sollte es mich nicht bis nach null Uhr wach halten, wenn ich am nächsten Morgen früh aufstehen muss. Aber egal. Ich hoffe man merkt der Geschichte nicht zu sehr an, dass ich beim Schreiben schon halb geschlafen habe – aber immerhin ist sie dadurch absolut assoziativ, ich bin zu müde um vorauszuplanen. ;) Ich hoffe sie hat euch gefallen – und ich stelle mit Erstaunen fest, dass es bisher die einzige Numb3rsfiction auf Animexx ist. Dem muss Abhilfe geschaffen werden! Schnappt euch Stifte oder Tastatur und schreibt. Okay, ich sollte wirklich Schluss machen – ich fange an Unsinn zu quasseln. Wenn es euch gefallen hat, lasst mir nen Kommentar da. Wenn es euch nicht gefallen hat ebenfalls. Und lest auch die anderen Geschichten des Assoziativen-Schreiben-Zirkels zu diesem Satz. ;) P.S: Endlich wieder wach und was muss ich feststellen? Ich habe vergessen meine Gedankengänge bezüglich Dunkins Handlungsweise darzulegen. Ausnahmsweise wird es also einen kleinen Epilog zu diesem Oneshot geben. ^^ Kapitel 10: Freakie 2 (Numb3rs, Epilog zu Satz 19) -------------------------------------------------- Also, bevor ich es wieder vergesse: Vielen Dank an Bombadil und Ito-chan für ihre Kommentare zu Kapitel 8. ^^ Außerdem an Schreiberliene für ihren Kommentar zum letzten Kapitel. Dieses Kapitel ist all jenen gewidmet, die sich während des letzten gefragt haben: Warum hat Dunkin sich überhaupt die ganze Mühe gemacht? ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Don war sowohl seelisch als auch körperlich kurz vor einem Zusammenbruch, als er zusehen musste, wie die Sanitäter seinen Bruder in den OP-Saal schoben. Er lehnte sich an die kalte, grüne Krankenhauswand, doch seine Beine wollten ihn nicht mehr halten, so dass er daran hinunter zu Boden rutschte. Er wusste nicht, wie lange er in dieser unbequemen Position am Boden hockte, als ihn sein Handy plötzlich aus dem Dämmerzustand riss. Noch vor dem zweiten Klingeln hatte er abgenommen. „Don Eppes.“ „Guten Tag Mr. Eppes, hier ist der Vodafone-Kundenservice...“ Genervt legte der FBI-Agent einfach auf. Glaubten die wirklich, er wollte ausgerechnet jetzt an einer Kundenbefragung teilnehmen? Charlie schwebte in Lebensgefahr, und die Typen wollten ihn zu seinem Kommunikationsverhalten befragen? Eine kleine Stimme in ihm wagte es einzuwenden, dass das Callcenter wohl kaum auf dem neuesten Stand war, was die Gesundheit der Mitglieder der Familie Eppes betraf, doch er ließ den Einwand nicht gelten. Er brauchte ein Ziel für seine Wut irgendetwas, was er verfluchen konnte. Irgendjemanden dem er die Schuld geben konnte. Aber der Einzige, der Schuld trug war – neben den beiden Verbrechern – er selbst. Dieses Wissen machte ihn fast wahnsinnig. Das Wissen, dass er Charlie hätte retten können, wäre er doch nur an sein Handy gegangen. Charlie hatte das Nummernschild des nicht angemeldeten schwarzen Porsches herausgefunden und auf einem Post-It im Büro hinterlassen. Hätte er den Anruf nur angenommen... In seinem Kopf ging er immer wieder die Szenarien durch die möglich gewesen wären. Ein SWAT-Team, welches das Auto zum Stehen brachte und die beiden Geiseln befreite. Charlie wäre unverletzt. Don selbst, wie er mit Dunkin und seinem Komplizen, einem Kerl der sich Jim Lorris nannte, verhandelte und schließlich gegen eine entsprechende Lösegeldzahlung die beiden Geiseln erhielt. Charlie wäre unverletzt. Auch die unwahrscheinlichste Möglichkeit konnte er nicht ausschließen, dass er seinen Bruder davon hätte abhalten können überhaupt erst in dieses verdammte Auto zu steigen. Charlie wäre unverletzt. Aber nichts davon konnte mehr Realität werden, die Chance war vertan, den er war nicht an sein Handy gegangen, hatte nur zehn Minuten Ruhe haben wollen um einfach nur einen Kaffee zu trinken. Und nun war der beliebte CalSci-Professor alles andere als unverletzt. Don wusste, dass er vermutlich sogar noch dankbar sein sollte. Dankbar, dass sein Bruder Jennifer aus dem Auto gestoßen hatte, bevor die Entführer sie umbrachten. Dankbar, dass sich das Mädchen auf Grund der geringen Geschwindigkeit und durch ihre dick gefütterte Kleidung nur ein paar blaue Flecken und einen Kratzer an der Wange geholt hatte. Dankbar, dass der Krankenwagen bereits in der Nähe gewesen war, um das kleine Mädchen zu versorgen, als panische Anwohner den Unfall des schwarzen Porsches meldeten. Er konnte es nicht. Nicht, während Charlie hinter den großen Metalltüren um sein Leben kämpfte. Hypovolämie, Verdacht auf Hämothorax, Polytrauma. Nur einige Begriffe, die man ihm hingeworfen hatte, als er sich nach dem Zustand des Unfallopfers erkundigt hatte. Die Sanitäter hätten genauso gut chinesisch mit ihm sprechen können, denn er hatte keine Ahnung was die Diagnosen bedeuteten. Es schien ihm denkbar ungerecht, dass die Urheber des ganzen mit einigen gebrochenen Knochen und Gehirnerschütterungen davon gekommen waren. Das war einfach nicht fair. Wie konnte es sein, dass diese Kindsmörder soviel Glück hatten? Fünf Kinder hatten sie auf dem Gewissen, keines Älter als zwölf Jahre. Vier Jahre alt war das jüngste Opfer gewesen. Und alles nur, weil deren Eltern mal mit Charlie und Don in einer Klasse gewesen waren. Weil deshalb die Chance bestand, dass Don den Fall übernehmen würde. Weil Don dann eventuell Charlie hinzuziehen würde. Weil Charlie sich dann vielleicht freiwillig für das jeweilige Entführungsopfer eintauschen würde. Weil Dunkin dann die Chance gehabt hätte, den Mathematiker zu quälen. Nachdem sein Bruder ihm per Handy von seiner These bezüglich Dunkin berichtet hatte, hatte er sofort David und Colby auf diesen angesetzt. Die beiden waren in seiner Wohnung gewesen, hatten diese jedoch leer vorgefunden – jedenfalls war kein Lebewesen dort gewesen. Stattdessen hatten sie Notizen gefunden, teilweise fast einen Meter hoch gestapelt. Und in allen ging es um Charles Edward Eppes. Um Dinge, die Dunkin mit ihm anstellen wollte. David hatte ihm nur eine halbe Seite am Telefon vorgelesen, aber das hatte Don bereits gereicht. Der Typ war ein absoluter Psychopath. Wieder klingelte sein Handy und diesmal sah er auf dem Display nach wer anrief. Nachdem er Megans Nummer identifiziert hatte, hob er ab. „Hey, Don, wie geht es Charlie?“ „Ich weiß es nicht...“ Die Stimme des Special Agents war kaum mehr als ein Flüstern. „Wir haben in der Wohnung von Moren genügend Beweise gefunden um sowohl ihn als auch Jim Lorris des vierfachen Mordes und noch einiger anderer Dinge anzuklagen.“ Don nickte, bevor ihm einfiel dass seine Kollegin das ja nicht sehen konnte. „Danke Megan. Hast... hast du dir die Notizen angesehen?“ Sie schien sofort zu wissen, um was es ihm ging, denn ihre Stimme nahm einen geschäftsmäßigen Ton an. Ein Ton den auch er immer anwandte, wenn er etwas nicht zu nah an sich heran kommen lassen wollte. „Ja.“ „Warum? Warum Charlie?“ Er konnte ihr tiefes Seufzen hören, dann Stille, da sie anscheinend genau überlegte, was sie ihm sagen wollte. „Ich... bin mir nicht ganz sicher Don, aber Dunkin Moren scheint von Charlie besessen zu sein. Jim Lorris war nur ein Mitläufer, ihm ging es einfach um die Gewalt, aber Dunkin wollte nicht einfach nur morden, er wollte Charlie. Dies Aufzeichnungen... es sind keine angenehmen Dinge, die er mit deinem Bruder machen wollte. Fesseln, Brandzeichen, rituelle Schnitte, Vergewaltigung... all seine... Fantasien... handelten davon Charlie auf irgendeine Art und Weise in Besitz zu nehmen, ihn als das Seine zu markieren. Ich vermute, er war in ihn verliebt – auf eine sehr krankhafte und perverse Weise.“ Ihm wurde beinahe übel, als er davon hörte. Vergewaltigung? Brandzeichen? Kalter Schweiß lief ihm über den Rücken, als er daran dachte, dass für Charlie sein jetziger Zustand da beinahe besser sein mochte. Doch auf eine gewisse, absurde und bizarre Weise ergab es sogar einen Sinn. Dunkin war der einzige gewesen, der Charlie immer wieder gemobbt hatte – und das mit einer erstaunlichen Ausdauer. Dabei wäre Charlie - fünf Jahre jünger als der Rest, zierlich und ein totaler Mathefreak – förmlich das perfekte Opfer für alle möglichen Hänseleien gewesen. Aber bis auf Dunkin, hatte niemand das Mathematikgenie mehr als einmal angegriffen. Die anderen hatten ihn gemieden, ohne Frage, aber jeder der sich ihm auf aggressive Weise genährt hatte, war am nächsten Tag mit mysteriösen blauen Flecken und Schrammen wiedergekommen – außer Dunkin. „Aber warum jetzt? Er hat ihn über zehn Jahre nicht gesehen. Und wozu brauchte er die Kinder, warum nicht direkt Charlie?“ „Die Kinder waren da, damit er das Gefühl hätte, dass dein Bruder freiwillig zu ihm kommen würde. Das schien ihm wichtig zu sein. Und warum gerade jetzt... ich weiß es nicht. Ich vermute es gab irgendeinen Auslöser, ein einschneidendes Ereignis, welches die alten... Gefühle... wieder hochkommen ließ. Vielleicht ist eine Beziehung zerbrochen, eine nahestehende Person gestorben. Oder vielleicht hat er Charlie auch nur irgendwo gesehen, irgendwo von ihm gelesen oder ähnliches. Ich weiß es nicht Don. Wie geht es deinem Vater?“ „Larry ist bei ihm. Er wollte herkommen, aber es kann noch Stunden dauern bis sie uns etwas über Charlies Zustand sagen und diese Krankenhausatmosphäre ist alles andere als aufmunternd. Deshalb hielt ich es für besser, dass Larry bei ihm ist, bis ich Bescheid sage, Amita ist auch bei ihnen.“ „Und was ist mit dir?“ „Was soll mit dir sein?“ „Don, dein Bruder schwebt in Lebensgefahr und du willst mir vormachen, dass mit dir alles in Ordnung ist? Weißt du, ich bin nicht Profilerin geworden, weil ich die Gefühle anderer so oft ignoriere. Wir sind in fünf Minuten da.“ Und ohne seine Erwiderung auch nur abzuwarten, hatte sie aufgelegt. Unruhig sah Don zur Uhr. 3 Stunden. Oder 180 Minuten. 10 800 Sekunden. Oder auch 0,125 Tage. Er versuchte im Kopf auch die Wochen, die Monate auszurechnen, aber er war mit so krummen Brüchen noch nie gut zurecht gekommen. Das war immer Charlies Gebiet gewesen. Und genau der war vor besagten drei Stunden hinter den Metallschiebetüren verschwunden. Er stand auf, ging zum einen Ende des Ganges, drehte sich um, ging bis zur gegenüberliegenden Wand, drehte sich dort wieder um 180° und begann den Weg von neuem. Die Augen von Megan, David und Colby folgten ihm, sie sagten jedoch nichts. Trotzdem war er froh über ihre Anwesenheit. Wie angekündigt waren sie nur fünf Minuten nachdem Megan aufgelegt hatte aufgetaucht. Zu Beginn hatten sie sich noch ein wenig miteinander unterhalten, doch das Gespräch war im gleichen Maße gestorben, wie die Augen der vier Menschen zunehmend öfter zu den Türen geglitten waren, hinter denen ihr Bruder und Freund lag und um sein Leben kämpfte. Auch jetzt starrten sie wieder alle vier dorthin, als könnten sie die Platten durch ihren puren Willen dazu bringen sich zu öffnen. Und wie als Antwort auf dieses sehnsüchtige Starren trat tatsächlich jemand aus der Tür. Das kleine diskrete Namensschild der kurzhaarigen Brünette wies sie als „Clara Lawcroft, M.D.“ aus. „Wer von Ihnen gehört zur Familie von Prof. Eppes?“ Sofort stand Don vor ihr. „Ich bin sein Bruder. Wie geht es ihm?“ Fast wäre er über die Worte gestolpert, doch die langjährige Erfahrung als FBI-Agent zeigte Wirkung. Es gelang ihm, seine Gefühle im Zaum zu halten. „Er schwebt nicht mehr in Lebensgefahr. Wir mussten ihn für die Behandlung in Narkose versetzen, jedoch sollte er in den nächsten 24 Stunden daraus erwachen. Ihr Bruder hat vier gebrochene Rippen, von denen eine die Lunge punktiert hat, wir konnten den Schaden jedoch beheben und haben das Blut abgesaugt. Zwei Schüsse in die rechte Schulter haben seinen Deltamuskel verletzt, er hatte jedoch Glück da keine größeren Nerven oder Gefäße verletzt wurden. Sein rechtes Wadenbein ist gebrochen, sein linker Knöchel ist geprellt. Er hat einen Streifschuss an der Schläfe abbekommen, sowie eine Gehirnerschütterung. Alles in allem hat er vermutlich sogar Glück gehabt, da keines seiner inneren Organe schwere Verletzungen davon getragen hat.“ Es fiel ihm schwer auszudrücken, wie viel ihm diese Worte bedeuteten. Charlie würde Leben! Die nächsten Wochen würden für ihn alles andere als angenehm werden, aber er würde Leben. Im Gegensatz zu Megan bemerkte er die kleine Träne gar nicht, die sich seine Wange hinunterstahl. Er atmete einmal tief durch und versuchte seine Gefühle über die Rettung seines Bruders in ein einziges Wort zu legen: „Danke.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)