Neu im Chaos von Toru-Jung (Chris und Ryan One) ================================================================================ Kapitel 4: Vaterliebe --------------------- Beim Frühstück begann der Streit von Gestern Nacht wieder. Meine Mutter predigte mir das ich nie mehr so spät nach Hause kommen soll ohne wenigstens mal anzurufen und bescheid zu sagen. "Ja, ich ruf vorher an". "Und wehe du tust es nicht, und sagst im Nachhinein dein Akku war leer oder sonst was. Diese Ausrede lass ich nicht durch gehen". "Ja". Jetzt lag sie mir schon seit einer halben Stunde damit in den Ohren. Ich habe es doch endgültig verstanden. Ich hatte vorher noch nie Hausarrest und das jetzt wegen einer Sache woran ich nicht die Schuld trug. Ich war nah dran einfach meinen Ranzen zu schnappen und zu gehen. Doch zum Glück stand Mutter auf um Maria aus dem Bett zu holen, sie musste ja auch zur Schule. Aber dann machte mein Vater weiter. "Du solltest dich wirklich erwachsener benehmen und deiner Mutter keine Sorgen bereiten. Sie hat die ganze Zeit an der Haustür gesessen und auf dich gewartet". Ich halt das nicht mehr aus. Die machten ein Theater als wäre ich um Drei Uhr nachts oder sonst wie spät gekommen, und nicht um Elf. Das war doch lächerlich, ich bin doch kein Kind mehr. Als ich sah dass meine Mutter zurück kam trank ich schnell meinen Kaffee, von dem ich schon drei Tassen hatte, leer und zog Jacke und Schuhe an. Aus meinem Zimmer holte ich meine Tasche und mein Handy, das im Ladegerät lag und verabschiedete mich. "Vergiss nicht was ich gesagt habe, Chris". Rief mir Mutter noch hinterher als ich die Haustür schloss. Natürlich nicht, wie konnte ich das auch. Es war mir ins Gehirn gebrannt. Ich kam wie jeden Tag in der Schule an und ging auch gleich an meinen Platz. Wenigstens war das Wetter Heute mal schön. So konnte ich die restliche Freiheit die mir blieb mit Sonnenschein genießen. Aber damit war es auch gleich vorbei. Lisa steuerte auf mich zu. "Hey, morgen Chris". "Morgen". "Gehen wir nach der Schule zu mir. Zum Lernen?" Wieder dieser Blick. "Wieso denn? In der dritten Stunde ist doch die letzte Prüfung". "Ja schon, aber ich dachte wir können auch mal so was zusammen machen. Wäre doch schön, oder?" "Da muss ich dich enttäuschen. Ich kann nicht". "Ach, wieso nicht? Hast du eine andere Freundin?" Sie schaute mich geschockt an. Wieso andere ich hatte gar keine. Oder bildete sie sich ein ich wäre mit ihr zusammen. "Ich kann nicht weil ich für eine volle Woche Hausarrest habe". Klang zwar etwas peinlich, aber es stimmte ja. "Was? Wieso denn?" Wegen eines Verrückten. "Nicht der Rede wert". Die Klassentür ging auf und unser Mathelehrer kam rein. "Setzt euch bitte". In der dritten und vierten Sunde hieß es: Biologie Arbeit Nr.1. Kein Problem nach wer weiß wie vielen Stunden lernen mit Lisa. Obwohl ich glaubte, sie hat dabei nicht viel gelernt. In der Mittagspause ließ mein Kaffeeintus vom Frühstück langsam nach und ich holte mir vom Schulkiosk noch einen Becher. Dann setzte ich mich mit Lisa, die auch Kaffee genommen hatte, an einen freien Tisch in der Mensa. "Schön mit dir Kaffee zu trinken, Chris". Was ist denn daran schön? Ich bin immer noch total müde. Also irgendwie wirkt der Kaffee nicht. Minuten spätere kam Michael noch zu uns und fing an sein Brot zu verschlingen. "Wo ist den Alex?" fragte Lisa ihn. "Keie aunug." In der zweiten Pause kam Alex auch nicht zu uns. War mir aber auch egal. Dann um Drei Uhr hatte ich Schule aus. Und ich machte mich auf dem direkten Weg in meine Gefangenschaft. Und morgen war doch Wochenende, selbst da durfte ich nicht raus. So ein verdammter Mist. Ich ging durch die Haustür. "Bin wieder da!" "Hi, Chris". Maria kam mit einer Puppe im Arm im Flur auf mich zu gerannt und umarmte mich kurzerhand. "Spielst du mit mir Teekränzchen?“ Das hatte sie mich ja lange nicht mehr gefragt. Aber ich hatte was anderes vor. "Später ja, ich muss erst meine Hausaufgaben machen". "Bittee". Sie ließ den Kopf hängen und schunkelte mit der Puppe vor mir her. Mein Vater kam gerade aus dem Wohnzimmer und holte sich aus der Küche eine Flasche Bier. "Jetzt spiel schon mit ihr. Du kannst doch deine Hausaufgaben morgen machen. Du hast mehr als genug Zeit übers Wochenende." Maria machte einen Freudensprung. "Juhhuuu". Sie nahm mich an die Hand und zog mich in Richtung ihres Kinderzimmers. "Jetzt lass mich doch erstmal meine Jacke ausziehen". "Na gut". Sie ließ mich los und ich stellte meine Schuhe im Flur ab und zog Ranzen und Jacke aus. "Los komm schon Chris", rief sie aus dem Zimmer. Papa hatte eigentlich recht damit, dass ich viel Zeit hatte, aber gleich mit Maria und ihren Puppen zu spielen. Ich verbrachte nahezu die nächsten Tage nur mit Maria und ihren Puppen. So dass es mir am Ende meiner Straffe vorkam als hätte ich mich selbst in eine Puppe verwandelt. Und dann war endlich der lang ersehnte Freitag gekommen. Ich war wieder frei. Frei wie ein Vogel, das kam mir in diesem Moment kein bisschen übertrieben vor. Und das würde ich auch gleich ausnutzen und mich mit Vincent und den andern treffen. Die vergangene Woche über dachte ich immer wieder über das nach, was Donnerstag passierte. Als meine Wut darüber verflog kam ich zu dem Schluss, dass ich vielleicht doch zu ungerecht mit Ryan umgegangen bin. Er hatte möglicherweise echt nicht gewusst warum ihn ein Irrer verfolgt hat. Und wenn das stimmt war ich ziemlich gemein zu ihm gewesen als ich ihn deswegen so angeschrieben hatte und dann einfach abgehauen bin. Auf jeden Fall wollte ich die Sache jetzt klären und mich bei Ryan Entschuldigen. Weil ich seine Nummer nicht hatte, noch wusste wo er wohnt, rief ich Vincent an, als ich zu Hause ankam. Ich suchte seine Nummer zwischen den meiner alten Freunde heraus und wartete bis er abhob. Natürlich konnte es auch sein das Ryan bei ihm war, das würde die Sache vereinfachen. "Hallo". "Hi, hier ist Chris". "Hi, was gibt’s". "Ich wollte mich mal wieder mit euch treffen". "Ja klar. Komm einfach vorbei". "Ist Ryan auch bei euch?" "Nein der ist zu Hause. Jessy und Bianca können leider auch nicht kommen". "Weißt du wo Ryan wohnt?" "Ja, wieso? Willst du zu ihm?" "Ja, es gab da letztens einen kleinen Zwischenfall, darüber wollte ich mit Ryan reden". "Ok, dann gehen wir zu ihm. Ich bin gerade mit Robert in der Albert-Heinze-Straße, am großen Parkhaus hinter MacDonalds. Von hier aus ist es nicht weit bis zu ihm". "Alles klar, mach mich auf den Weg". "Bis gleich, wir warten hier". Ich zog eine schwarze Röhrenjeans an, ein weißes Shirt mit schwarz rotem Druck und die Kette mit dem Löwenanhänger die ich beim letzten Mal auch an hatte. Dann trug ich ein bisschen Kajal auf. War schon einige Zeit her dass ich das tat. Es freute mich unheimlich Vincent, und vor allem Ryan, wieder zu sehen. Hoffentlich konnte mir Ryan verzeihen das ich so giftig zu ihm gewesen war. Ich sagte meiner Mutter kurz Bescheid dass ich mich mit Freunden treffe und dass ich nicht zu spät wieder kommen würde. Draußen schaute ich an der S- Bahnstation auf den Fahrplan und fand die richtige Linie. Nach fünf Minuten kam sie auch schon und ich stieg ein. Und wie gewöhnlich schauten mich die anderen Fahrgäste wieder komisch an. Jetzt machte es mir aber wirklich nichts mehr aus. Darüber war ich schon froh, das heißt dass ich mich daran gewöhnt habe ein Emo zu sein. "Nächster Halt, Albert-Heinze-Straße, umsteigen zu…" Als ich ausstieg sah ich schon die große Reklametafel von MacDonalds, die konnte man kaum übersehen. Da hinter sah ich auch schon das Parkhaus das Vincent gemeint hatte. Es war eine schöne Gegend hier. Fast überhaupt kein Graffiti oder andere Wandalismus-Schäden. Die Häuser waren zwar auch alt, so wie in meiner Gegend, aber viel modischer. An jedem gab es einen, mehr oder weniger, prachtvollen Balkon. Die Straßen sind sauber und nach fünf Meter stand immer ein Blumengefäß mit verschiedensten Gewächsen. Ich kam mir etwas fehl am Platz vor. Eine ältere Frau mit einem Pelzmantel und einem kleinen weißen Hund an der Leine blickte mich Naserümpfend an. Wo war ich hier nur gelandet? Als ich den Weg mit den Blümchen hinter mir hatte bog ich in die Straße ein an der das Parkhaus angrenzte. Da sah ich Vincent auch schon. Er winkte mir zu als er mich erkannte. Bei ihm stand noch ein anderer Typ. Das musste Robert sein. Ich kam bei ihnen an und Vincent begrüßte mich sofort. "Hallo, Chris. Schön dich wieder zu sehen". "Hi, Vincent". Ich lächelte ein wenig und schaute dann zu Robert. Vincent stellte uns einander vor, wobei er je einen von uns anblickte. "Das ist Robert. Robert das ist Chris". "Hi". Sagte ich zu Robert. Er gab auch nur ein kurzes "Hi" von sich. Robert war fast genauso groß wie Vincent. Da kam ich mir schon ein wenig zu klein geraten vor. Er trug eine schwarze enge Hose mit vielen Nieten, dazu Chucks und eine dunkle Lederjacke. Wenn er nicht die Augen schwarz umrandet und die Haare wie ein Emo hätte. Würde ich ihn gar nicht als einen erkennen. "Ich hab Ryan schon angerufen. Er kommt auch gleich her". Sagte Vincent als nach dem kurzen Hi eine schweige Minute eintrat. Jetzt musste ich mir langsam überlegen wie ich mich bei ihm entschuldige. Ob es schon reicht wenn ich einfach, tut mir Leid, zu ihm sage? Noch ehe mir etwas einfiel kam Ryan auch schon um die Ecke gelaufen. Er trug wie gewöhnlich eine schwarze Kapuzenjacke und eine schwarze Hose. Er sah etwas deprimiert aus wie er da auf uns zu lief und mit den Kopf leicht nach unten blickte. War er noch sauer auf mich? Er sagte nichts, er stellte sich einfach nur neben Vincent. Dieser legte Ryan als Begrüßung die Hand auf die Schulter. Robert sah Ryan mit einem breiten Grinsen an. "Na, kleiner". Ich wusste nicht gleich was ich zuerst sagen sollte. Ich wollte ihm eben Hallo sagen als Vincent wieder das Wort ergriff. "Wollen wir dann zu dir gehen Ryan?" Ryan brummelte etwas und gab dann ein "Meinetwegen" von sich. Robert sah Vincent an, sein Grinsen von eben verschwand und er setzte eine unfreundlichere Miene auf. "Ihr wollt zu Ryan? Wieso? Habt ihr Beziehungsprobleme?" Was? Wieso sagte der den auf einmal so was? Sollte es ein Witz sein? Sah aber nicht so aus. Vincent lächelte Robert ein wenig an und tat so als habe er das eben nicht gehört. Dann sagte Robert wieder. "Ohne mich. Ich hau ab". Er ging an mir vorbei und sagte als er knapp hinter mir stand. "Wünsch dir viel Spaß". Dann lief er weiter. Was war denn das für einer? Vincent bemerkte dass ich etwas verwirrt drein blickte. "Mach dir nichts aus seinen Sprüchen. Das gehört einfach zu seiner Art. Gehen wir". Ryan ging vor, Vincent neben ihm und ich zur andern Seite von Vincent. Wir liefen einzig eine Straße entlang und dann über Zebrastreifen drüber, da ging Ryan auch schon zu einem Haus und über die Schwelle, die sich am Ende einer hohen Treppe die in den zweiten Stock führte, hinein. Auf dem Schild unter der Klingel stand K. Douglas Wir folgten ihm. Bis eben dachte ich noch das hier wäre auch ein normales Miethaus so wie bei mir ungefähr, aber das was ich beim rein kommen vor Augen hatte, sah nun wirklich nicht danach aus. Es war viel feiner. Etwas überrascht bemerkte ich, erst als Vincent mich kurz antippte, das Ryan durch einer der vier Türen weiter ging. Und wie es nicht anders sein konnte war der Raum in dem er uns führte noch beeindruckender. Wir liefen durch ein längliches Zimmer mit hellgelber Tapete und hellen Edelholzfußboden auf dem ein großer goldfarbener Teppich mit verschiedenen Mustern lag. Drauf stand ein weiß schimmernder Tisch der mit Ornamenten, an Beinen und Rändern, übersät war. Ein prächtiger Blumenstrauß, in einer weißen Vase stand auf ihm, an den Seiten je ein Kerzenständer auf Spitzendeckchen. Darum standen acht ebenso feine Stühle. An der Decke hingen zwei Kronleuchter ähnliche Riesenlampen. Ich war Sprachlos. Bin ich hier im falschen Film? Besser gesagt Haus. Ryan ging weiter durch eine Doppelflügeltür. Dann kamen wir in einen Gang, der schon normaler aussah, bis auf die Tatsache dass an den Wenden große Gemälde hingen und auf dem Fußboden wieder ein feiner Teppich lag. Ryan ging durch die gegenüber liegende Tür und wir waren am Ziel. In seinem Zimmer. Das war weit weniger protzig wie das was ich eben gesehen hatte. Die Wände waren alle samt weiß, die Vorhänge vom einzigen Fenster zugezogen und es lag auch kein Teppich auf dem Boden. An Möbel befanden sich hier drin ein normal großes Bett, ein Tisch mit einem Stuhl, auf dem eine von Ryans Jacken lag. Ein zweitüriger Schrank und eine einfache Kommode. Ich war noch vollkommen geblendet, und merkte nicht mal dass sich Ryan und Vincent bereits aufs Bett gesetzt hatten und mich musterten, wie ich da mit großen Augen blöd gaffend stand. Vincent zog mich am Arm, so dass ich aufs Bett zwischen die beiden fiel. Das riss mich aus meiner O-mein- Gott- Starre heraus. Und ich setzte mich richtig hin. Wir zogen alle unsere Jacken aus und legten sie hinter uns aufs Bett. Jetzt wusste ich noch weniger als vorher was ich sagen sollte. Jetzt da Ryan direkt neben mir saß. "So, was wolltet ihr?" fragte Ryan. "Dich einfach mal besuchen". Antwortete Vincent und lächelte. Ryan brummelte wieder was Unverständliches. "Aha". Und blickte auf seine Hände runter. Ich hoffte Vincent würde noch etwas länger mit Ryan reden, bis mir die richtigen Worte einfielen. "Jessy und Bianca haben mir vorhin gesagt sie sind schon fleißig am Vorbereiten für die Party nächste Woche". "Welche Party?" fragte ich. "Jessys Geburtstagsparty". "Ach so". "Da gehen wir dann zusammen hin, ok Ryan". Sagte Vincent. "Ja". Er klang ziemlich gelangweilt. Dann sagte Vincent weiter. "Letztes Jahr hatte Jessy nur diese voll süßen Sachen geholt. Deshalb fragt sie was wir haben wollen. Bist du mit Gin einverstanden?" "Mir egal". brummelte er. "Was könnte man ihr den schenken?" Ich hatte immer noch einen Blackout. "Sie hat gesagt sie will nichts haben". "Dann bekommt sie aber nichts für die Sachen auf der Party. Oder?" "So ist das nicht. Das Geld für die Getränke haben wir alle ihr gegeben. Also macht das nichts, wenn sie keine Geschenke will. Also mach dir keine Gedanken darum." Als ich, nach diesem Gespräch, immer noch nichts heraus bekam, was die Entschuldigung betraf, stieß Vincent mich leicht mit dem Ellenbogen an. Ja, ich mach ja schon. Einfach Entschuldigung sagen. Das konnte doch nicht so schwer sein. Also los. "Ryan, hör mal ich…" Mehr konnte ich nicht sagen den plötzlich lies mich ein lauter Knall, der sich so wie eine schnell zuknallende Tür anhörte, zusammen zucken. Dann sprang Ryan auf einmal hektisch auf und starrte die Tür an. Was ist denn jetzt schon wieder los? Ryan sah Vincent mit einem ängstlich flehenden Blick an. Er nickte kurz, stand auf, schnappte sich unsere Jacken, ging zum Fenster, öffnete es und warf sie ihn hohen Bogen hinaus. "Was zum…" Was geht den jetzt ab? Da ist mein Handy drin. Vincent kam mit ernstem Blick wieder zu mir, packte mich am Arm und zog mich schnell zum Fenster hin. "Los komm". Sagte er in einem strengen Ton. "Warte was ist den los?" "Wir müssen gehen". Gehen? Wohin? Etwa aus dem Fenster? Spinnt der? Das ging es bestimmt fünft Meter runter. "Aber das…". Noch ehe ich richtig begriff saß Vincent schon auf dem Fensterbrett "Beeil dich, Chris!" Dann sprang er hinaus, ich war wie erstarrt vor Schreck. Von draußen kam "Komm schon, es ist nicht so tief". Ryan drängte mich hinaus. "Los, geh!" Hilfe! Was ist denn bloß hier los? Wieso sollten wir aus dem Fenster springen? Als ich hinunter blickte sah ich es. Zwei Meter unter dem Fenster befand sich ein Schuppen auf den Vincent schon stand. Durch die Wände gedämpft hörte ich wie jemand nach Ryan rief. Ryan schupste mich fast raus und dann war ich auch schon unten. Zwar etwas unelegant aber was soll´s, mir tat ja nur der Hintern weh. Kurz nachdem ich auf dem Schuppen landete hörte ich wie jemand die Tür von Ryans Zimmer öffnete. Der Fremde war offensichtlich nicht unbedingt guter Laune, denn die Tür durch die er wahrscheinlich kam knallte gegen die Wand. Dann schrie er: "Ryan. Stay here!” Neben mir kletterte Vincent vom Schuppen runter, die Jacken hatte er bereits runter geschmissen, und deutete mir ich solle auch leise runter kommen. "Come here!", hörte ich noch. Dann schloss Ryan das Fenster und verschwand hinter der Scheibe. Vincent und ich saßen an der Hauswand unter dem Fenster und horchten was sich drinnen tat. Wir wagten nicht etwas zu sagen. Ich wollte sofort wissen was hier los war. Aber das Risiko das uns der Fremde hörte, erschien mir zu groß. Ich weiß nicht wie lange wir da so saßen bis wir keine Geräusche mehr hörten. Ryan und der Mann hatten anscheinend das Zimmer verlassen. Mittlerweile ging die Sonne unter und es wurde immer dunkler und kälter. Unsere Jacken hatten wir wieder angezogen und ich traute mich endlich was zu sagen. "Wer war das?" Vincent blickte hoch, als wollte er sich vergewissern das die Luft rein war, dann sah er mich an und sagte halb flüsternd. "Das war Ryans Vater. Er und Ryan verstehen sich nicht gut und deshalb kann er es auch gar nicht leiden wenn er jemanden mitbringt". Aber der Typ eben klang doch viel zu aggressiv für einen Vater. "Ist er denn immer so?" "Ja leider. Ich habe das schon ein paarmal erlebt. Aber normaler weise ist er um die Zeit arbeiten. Also dachte ich…" "krags!" Wir hörten wie etwas zerbrach, klang wie Glas. "Was ist mit Ryan". Ich malte mir gerade die schrecklichsten Dinge aus und bekam umso mehr Angst um ihn. "Er kommt bestimmt auch gleich raus". Wir warteten und warteten, aber Ryan kam nicht. Ich war nah dran noch mal rein zu gehen und ihn da raus zu hohlen. "krags!" Nein! Jetzt reicht es. Ich stand auf und wollte zu Ryan, aber Vincent hielt mich fest. "Geh nicht". "Was? Wie kannst du hier ruhig sitzen, während Ryan vielleicht…" Ich konnte den Satz nicht zu Ende bringen. Meine Angst schnürte mir die Kehle zu. Dann hörte ich endlich wie die Haustür zu schlug. Das ist bestimmt Ryan. Jetzt konnte mich nichts mehr halten. Ich lief um die Hausecke herum und sah Ryan gerade noch wie er in die entgegen liegende Richtung davon rannte. "Hier, nimm die mit". Vincent gab mir Ryans Jacke. Dann rannte ich so schnell ich konnte. Am Ende der Straße sah ich gerade noch wie Ryan in eine Gasse zwischen zwei Häusern rein lief. Ich musste mich unheimlich beeilen um ihn nicht aus den Augen zu verlieren, er ist ganz schön schnell. Ich rannte in die Gasse, aber dann sah ich ihn nicht mehr. Am Ende der Gasse befand sich ein Maschendrahtzaum. Ich kletterte hinüber, zum Glück war er nicht besonders hoch. Dann stand ich vor einem engen Weg, der hinter den Gärten der Häuser vorbei führte. Wo war Ryan hin? Ich sah mich nach links und rechts um, aber ich sah nichts. Als ich ein Stück gelaufen war, sah ich ein Gartentürchen in den Angeln hin und her schwenken. Ist er dort? Hinter dem Zaun lag ein Garten mit leeren Blumenbeten und alten verstreuten Gartengeräten. In dem dazu gehörigen Haus brannte kein Licht. Es war wohl verlassen. Ich blickte über die ganze Fläche und dann bemerkte ich ihn. Er saß in einer dunklen Ecke, die Beine dicht an den Körper gezogen, die Arme drum geschlungen und den Kopf auf die Knie gelegt. Ich setzte mich schweigend neben ihn ins Gras und legte die Jacke um seine Schultern. Ich blicke hinauf in den Himmel. Die Sterne leuchteten über uns und ich wusste mal wieder nicht so recht was ich sagen sollte. Vor ein paar Minuten hatte ich noch unheimliche Angst um ihn und jetzt saß ich still an seiner Seite, während er leise weinte, und ich sagte nichts. Ich kam mir so blöd vor. Warum wollte ich auch unbedingt zu ihm nach Hause. Wenn ich nicht gekommen wäre hätte er das nicht mitmachen müssen. Ich war einfach nur sauer auf mich und Ryans schluchzen machte mich noch wütender. Verdammt. "Ent..schuld..ige bitte". Was? Warum entschuldigt er sich bei mir? Ich sollte doch… Er fing an zu zittern. Er sah so verletzt aus. Was war in diesem Haus nur mit ihm passiert? Was hatte dieser Typ ihm angetan? "Ryan ich…" Was sollte ich schon sagen um ihn wenigstens ein bisschen zu trösten? "Es tut mir Leid das ich dich in diese Situation gebracht habe. Es tut mir Leid das ich dich letztens so blöd angeschrien habe. Es tut mir einfach alles Leid was ich dir angetan habe". Was konnte ich mehr tun als mich nur zu entschuldigen? Er tat mir so unendlich leid. Es verkrampfte mir das Herz ihn weiter so weinen zu hören. Ich wollte ihn nie mehr so sehen, ihn nicht zurück gehen lassen und immer bei ihm sein und ihn beschützen. Ich legte ihm meinen Arm um die Schulter, zog ihn an mich und hielt ihn fest. Er beruhigte sich langsam. Ich flüsterte ihm ins Ohr: "Komm mit mir!" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)