Das Blut des Königs von CAMIR (Gibt es überhaupt Helden in Zeiten des Krieges?) ================================================================================ Kapitel 9: ----------- Der Richtplatz war König Aran immer zuwider gewesen und an jenem Tag, der vermutlich auch der letzte seines Lebens war, erkannte er endlich, warum er diese Stätte so hasste. Man hatte sie unterhalb des Palastes errichtet, damit Straftäter immer das Gefühl hatten, der König wache über sie. In Wahrheit hatte Aran die Todesstrafe nie befürwortet, seine Minister hingegen hatten darauf bestanden, dass das Volk etwas derartiges brauche. Er hatte nie widersprochen. Nun stand er selbst auf jenem Holzpodest, vor ihm der unvermeidliche Hackklotz. Und er konnte verstehen, wie sich die armen Verurteilten fühlen mussten. Sie boten einer ganzen Menge Belustigung, wurden vor ihrem Tode also öffentlich gedemütigt. Zwar fragte sich Aran, inwieweit seine Anwesenheit irgendjemanden außer den Tamuranern belustigte, aber er wusste ganz genau, welche Wirkung sie auf seine Untertanen haben würden. Sie wurden noch einmal besiegt, wenn sie ihr gekröntes Haupt fallen sahen. Nachdem die Tamuraner ihn in seinem eigenen Palast gefangen genommen hatten, hatten sie ihn die Nacht über eingesperrt und ihn verspottet. Nun wollten sie beenden, was sie angefangen hatten und das Blut, das sie dafür vergossen, war das seinige. Jorin war in Sicherheit und das alleine zählte. Aran selbst wollte dem Tod gefasst ins Auge sehen, auch wenn der vor ihm aufragende, blutgetränkte Holzklotz nicht dazu beitrug. Dennoch, diesen Gefallen wollte er den Tamuranern einfach nicht gewähren. Er würde die Augen schließen und alles war vorbei... Amaryll kämpfte sich durch die Menge. Warum? Sie wusste nicht warum, es war klar, dass sie keinerlei Chancen hatte, wenn man sich das Aufgebot an tamuranischen Soldaten besah. Und doch machte sie weiter, automatisch, ohne darüber nachzudenken. Wer wusste schon, was das Schicksal bereithielt? „Volk von Anareana! Es wird Zeit, dass ihr eure neuen Herren anerkennt...“ Natürlich mussten sie eine Rede halten. „Ihr habt gekämpft, ihr habt verloren. Ihr seid durch Magie verweichlicht und schwach geworden. Doch diese Tage sind vorbei. Jetzt beginnt eine Ära der Stärke, eine Ära unter unserer Herrschaft. Seht wie das letzte Symbol eurer Schwachheit fällt und lasst es euch eine Lehre sein. Jeder der sich gegen uns stellt wird vergehen...“ Sie war momentan die Letzte des Magierrates und konnte nicht tatenlos zusehen, wie man den König tötete. Gerade als der eigens dafür auserwählte Henker die Axt schwingen wollte, um den König zu enthaupten, erblickte Sairen die vermummte Gestalt die von der Menge auf das Podest trat. Sie wirkte gebeugt und schwach, doch als sie den Umhang zur Seite warf, erkannte er, dass dieser Eindruck nur deshalb entstanden war, weil es sich um eine Frau handelte. Sie war in eine anareanische Rüstung gekleidet und wirkte bis aufs Äußerste gespannt. Sairen lächelte. Entweder sie war mutig, oder sie war dumm... wie auch immer, sie würde keine fünf Minuten mehr leben. „Halt!“ rief sie und hatte damit die Aufmerksamkeit aller. Sairens Soldaten wollten sich unverzüglich auf sie stürzen, doch er hielt sie zurück. Stattdessen ließ er die Frau näher kommen. „Ihr mögt die Schlacht gewonnen haben, aber dass ihr König Aran hinrichtet, kann ich nicht zulassen.“ Sie schleuderte einen kleinen Feuerball in Richtung der Tamuraner, aber Sairen war vermutlich nicht der Einzige, der erkannte, wie sehr sie dieses kleine Manöver anstrengte. Sie mochte eine mächtige Magierin gewesen sein, aber sie war eindeutig am Ende ihrer Kräfte und damit kein ernstzunehmender Gegner. „Oh bitte! Sagt mir nicht, dass Ihr versucht, das im Alleingang durchzuziehen! Ihr seid am Ende und nichts hindert mich daran, diesen Männern hier zu befehlen, euren Körper mit Armbrustbolzen zu spicken. Aber ich will Euch etwas verraten: Im Geiste der Gerechtigkeit lasse ich es sein, stattdessen werde ich mich alleine um Euch kümmern.“ Ihre Gesichtszüge erhärteten sich. Sie sagte nichts, zog stattdessen ihr Schwert. Sairen wusste ganz genau: hätte sie auch nur noch einen kleinen Funken Kraft, so hätte sie vermutlich erneut einen Feuerball geschleudert oder etwas Ähnliches getan. Er lächelte und zog ebenfalls sein Schwert. Er liebte Überraschungen und diese Frau stellte nichts weiter als eine Verzögerung des Unvermeidlichen dar. Als ihre Klingen sich zum ersten Male kreuzten konnte Sairen sein Amüsement kaum noch zügeln. Sie konnte nicht einmal richtig mit dem Schwert umgehen. Amaryll konnte nicht mehr sagen, wie sie in diese Lage geraten war. Nun stand sie hier und konnte nicht anders. Ein großer Teil von ihr verfluchte sich dafür, dass sie nicht geflohen war, doch dafür war es jetzt zu spät. Der Tamuraner sah sie nicht als einen ernstzunehmenden Gegner an und damit hatte er nicht Unrecht. Die wenigen Schwertkampfkünste, über die sie verfügte, hatte ihr Iain beigebracht, aber überragend waren ihre Fähigkeiten nicht – sie reichten gerade für eine Verteidigung. Warum nur ließen sie ihre Kräfte jetzt im Stich? Sie versuchte seine Schläge zu parieren, aber nicht einmal gelang ihr ein Angriff. Stattdessen trieb er sie immer mehr in die Verteidigung. Sie wich zurück und weiter zurück, bis sie fast am Rande des Podestes stand. Ein Schritt weiter nach hinten hätte den Absturz bedeutet. Erneut wurde ihr ein kurzer Fehler in der Deckung zum Verhängnis. Während sie versuchte, ihr Gleichgewicht zu halten und vom Abgrund wegzukommen, hatte der Tamuraner sie entwaffnet. Ihr Schwert fiel in die Menschenmenge. Er lachte, als er sie an der Rüstung packte und zu Boden schleuderte. „Es tut mir wirklich leid, aber Ihr habt verloren. Aber Ihr wisst, ich kann Euch nicht davonkommen lassen.“ Mit diesen Worten hob er sein Schwert und rammte es ihr in den Bauch. Augenblicklich spürte Amaryll das Blut aus der Wunde treten. Der Schmerz raubte ihr fast das Bewusstsein und ihre Erfahrung als Heilerin sagte ihr, dass sie diese Wunde nicht überleben konnte. In einem letzten Akt der Verzweiflung, versuchte sie, ihre Konzentration ein letztes Mal wiederzufinden und alles was sie erfassen konnte, in die Wunde zu leiten. Dann wurde alles schwarz... „Nein! Um alles in der Welt, nein!“ Ein plötzliches Gefühl des Verlustes durchflutete Iain und er sackte am Tisch des Wirtshauses, in dem er gerade eine Rast eingelegt hatte, zusammen. Sofort eilten Reisende und der Wirt herbei. „Was ist denn?“ „So sprich doch!“ „Kann man dir helfen?“ Tränen rannen seine Wangen hinunter. „Mir kann niemand mehr helfen. Das Wertvollste was ich jemals besaß ist tot.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)