Wüstentochter von Suzame (Der Weg einer Sklavin) ================================================================================ Kapitel 9: Buch III - Teil 2 ---------------------------- Hallo ihr Lieben :) Hier ist das neue Kapitel von "Wüstentochter". ICh hoffe es gefällt euch und nun viel Spaß beim lesen! :) Buch III – Teil 2 In K'Tar war es Sommer geworden. Der dritte Sommer seit er Ascard House hinter sich gelassen hatte. Aidaan war heute wiedereinmal auf dem Weg nach High Hill. Der König brauchte seine Dienste nicht und so wollte er eine Woche auf dem Gut verbringen. Er freute sich darauf. Das ruhige, beschauliche Gut begann ihm immer besser zu gefallen, als die Hauptstadt in der es Tag und Nacht keinen Frieden gab und in der jeder allein zu sein schien. Doch noch stand er im Dienste des Königs von Lyras und dieser erwartete seine Loyalität und Treue. Etwas, dass Aidaan seinem ehemaligen Kameraden gerne bereit war zu geben. Dennoch seufzte er lautlos. „Ich werde wohl schon alt, wenn ich beginne mich nach Ruhe und Frieden zu sehnen und den Wunsch entwickele sesshaft zu werden“, dachte er, lächelte jedoch unwillkürlich, wenn auch eher ironisch, als er an seinen Großvater dachte. „Doch, wenn ich es, wie er mache, dann lebe ich bis ich 70 Sommer gesehen habe und versuche auch dann noch mit allen Mittel einen Erben zu zeugen, um meinem Enkel nichts überlassen zu müssen.“ Es war ein kleiner Skandal gewesen, als man in der Stadt von der Vermählung Belor Lokis mit Alinna An'tara, der jungen Witwe des Barons von Haras, erfuhr. Denn natürlich waren auch die Gründe des Belors, seinen Enkel um das Erbe zu bringen, durch Gerüchte in Umlauf gekommen. Aidaan hasste die falsche Empörung, die viele an den Tag legten, über das Verhalten seines Großvaters. Es war ihnen eigentlich egal, was der Belor tat und doch heuchelten sie ihm ihr Mitgefühl vor, denn er war eine angesehene Persönlichkeit. Ein Berater des Königs. Doch Aidaan scherte sich nicht mehr um das Gerede. Noch weniger interessierte es ihn, was sein Großvater plante. Er brauchte weder seine Erbschaft noch seinen Titel. Jarl und er hatten Erfolg mit ihrer Pferdezucht und das Gut hatte mehr als genug fruchtbare Ländereien zur Versorgung von vielen Menschen. Und auch König Alane belohnte ihn äußerst großzügig für seine Dienste. Er war von edelmännischem Blut und anerkannt nicht eines Titels, sonder seines Wirkens wegen. Er hatte es an die Spitze geschafft. Er hatte das Ohr des Königs. Und doch ärgerte ihn die offene Ablehnung seines Großvaters. Er hatte so lange versucht es ihm recht zu machen und alle Ziele erreicht, die sein Großvater je gesteckt hatte. Dennoch hatte er niemals nur die Andeutung von Stolz oder Zufriedenheit in seinen Augen gesehen. Nie hatte er ihm die Wärme gegeben, die er sich gewünscht hatte. Doch nun war er jemand. Die Missachtung seines Großvaters schmerzte ihn kaum mehr. Er gab seinem Hengst die Fersen, um seine Gedanken dennoch hinter sich zu lassen. Er galoppierte die Straße entlang über einen grünbewachsenen Hügel. Von oben konnte er High Hill sehen und so setzte er zum letzten Sprint an. Die Tore standen, wie tagsüber immer, weit offen und Aidaan und sein kleines Gefolge ritten den von alten, hohen Eichen und Birken gesäumten Weg bis zum Haus hinunter. Auf dem Vorplatz hielten sie und Aidaan sprang vom Pferd. Er übergab die Zügel an seinen Knappen Wren, bevor er die wenigen Stufen zur Haustür hochstieg. Dort erwartete ihn bereits Chyrisus, der Hausdiener. „Willkommen zurück, Bayan. Der Herr ist nicht da. Er ist heute auf den Felder und überprüft die Weidenzäune der Hochweiden“, teilte er Aidan sogleich eilfertig mit. Aidaan nickte. „Und die Herrin? Ist sie da?“ Wenn Jarl nicht da war, sollte er sogleich Shaina seine Aufwartung machen, um sie über seine Ankunft zu informieren. „Im Garten, Bayan. Das schöne Wetter, nicht wahr.“ Chrysus lächelte versonnen und Aidaan nickte zustimmend. Der alte Mann war oft gesprächiger, als es ihm in seiner Position zu kam, und erzählte gerne. Seinem Alter wegen ließ man es ihm durchgehen, doch nun hatte Aidaan keine Lust ihm zuzuhören, also ging er schnell quer durch die Halle auf die verglaste Tür zu, die in den Garten hinaus führte. Er trat wieder ins Freie und die Sonne kitzelte in seinem Gesicht. Er genoss den Moment, dann sah er sich um. Doch er konnte keine Menschenseele entdecken. Dann hörte er ein helles Lachen. Er sah nach links, wo unter einigen Bäumen ein Teich lag und von wo aus der die Quelle des Lachens vermutete. Und tatsächlich, als er näher ging konnte er im Schatten der Weiden jemanden sehen. Er ging über den Rasen und als er vor der Brücke stand, die über dem Teich errichtet war, bemerkten die Frauen ihn. Shaina, Zara und Kalebs Kindermädchen saßen mit dem Jungen und der kleinen Kitana auf einer Decke im Schatten. Shaina winkte ihm sogleich zu. Während er die Brücke überquerte sprang das Kindermädchen auf und nahm Kaleb an die Hand, um mit ihm den Platz zu verlassen, wie es sich gehörte, wenn Besucher kamen. Doch der kleine Junge hatte schon seinen eigenen Kopf und wollte nicht gehen. Er ließ sich auf Zaras Schoß fallen und hielt sich mit seinen dünnen Ärmchen an ihr fest, während die Kinderfrau verzweifelt versucht ihn zum Aufstehen zu bewegen. Vergeblich. „Lass nur, Mileena. Er wird sowieso jetzt nicht von Zaras Seite weichen“, entließ Shaina das hilflose Mädchen. Mileena knickste vor Aidaan und eilte dann davon. „Er hat schon einen ziemlich Dickkopf.“ Aidaan lächelte und begrüßte dann Shaina und auch Zara mit einer galanten Verneigung. „Ich hoffe es geht euch gut, meine Damen.“ „Oh ja, Aidaan. Ich hoffe auch du bist wohlauf. Du warst schon sehr lange nicht mehr hier. Willkommen zurück.“ Shaina lächelte und lud Aidaan mit einem Wink ihrer Hand sich auf die Decke zu ihnen zu setzten. „Und was den kleinen Strolch hier angeht. Er hat tatsächlich schon seinen eigenen Kopf entwickelt. Manchmal lässt er Zara gar nicht mehr los in solchen Situationen.“ Shaina lächelte nachsichtig. Aidaan sah zu Zara die bisher geschwiegen hatte. Wie sie es meist tat. Sie war kein Mensch, der viele Worte äußerte. Sie war zurückhaltend. Eine Erfrischung für ihn, wenn er von Hofe kam, wo die Frauen sich recht schamlos aufführen konnten – und darunter die ledigen, wie verheiratete. Doch er konnte in ihrem Gesicht lesen. Es war offen. In ihren Augen, dem Zug um ihren Mund und den vielen kleinen Ausdrücken, konnte man lesen, wie sie sich fühlte. Und sie war peinlich berührt, wagte kaum ihn anzusehen. Genau wie bei seinem letzten Besuch. Auch da war sie in seiner Nähe noch schüchterner gewesen, als je zuvor. Es war so seit sie ihn nach Kitanas Geburt umarmt hatte. Und er erkannt hatte, dass sie kein Kind mehr war. Doch nun wollte er eine andere Reaktion von ihr haben. Er wusste nicht worauf er hoffte, als er sagte: „Nun er macht es wohl richtig. Er sucht sich die besonders schönen Frauen aus.“ Es war an Shaina gereichtet, doch er ließ Zara nicht aus den Augen. So entgingen ihm zwar nicht ihre roten Ohre und die Freude über das Kompliment, doch dafür wie Shaina überrascht die Augenbrauen hochzog. Er sah erst zu ihr, als sie antwortete: „In der Tat. Da hast du wohl recht. Und unsere Zara ist ja nicht zur hübsch, sondern hat auch einen wunderbaren Charakter. Sie ist fürsorglich, liebevoll, ehrlich und loyal, nicht wahr?“ „Ja. Natürlich, richtig.“ Nun war es Aidaan der in der Falle saß. Shaina ließ ihn nicht aus den Augen. Aidaan ärgerte sich über seine Unvorsichtigkeit. Er hätte es kommen sehen müssen, dass es Shaina nicht entgehen würde, wie genau er ihre Seelenschwester ansah. Sie war eine intelligent Frau. „Wie unaufmerksam von mir“, rief sie da aus. „Möchtest du etwas Trinken, Aidaan? Eine Kleinigkeit zu Essen?“ „Danke. Mach dir keine Umstände. Doch nachher ein frischer Minztee wäre wunderbar“, antwortete Aidaan ehrlich. Der Ritt von Nutik nach K'Tar war bei diesem Wetter genauso anstrengend, als ob meterweise Schnee lag. Man ritt beinahe nur durch die pralle Sonne, es gab nur ein kurzes Stück Wald. Das ging auch an dem stärksten Mann nicht einfach vorbei. „Gerne.“ Aidaan dachte Zara würde seinen Wunsch sofort den Bediensteten mitteilen, den sie wollte aufzustehen, doch Shaina selber erhob sich. „Ich werde mich sofort darum kümmern. Wollt ihr nicht für eine Weile mit Kaleb zu den Pferden gehen? Ich bereite den Tee im Salon vor.“ Sie setzte ein verbindliches Lächeln auf, dass keinen Widerspruch zuließ. „Kaleb möchte dir bestimmt sein Pony zeigen, Aidaan.“ Notgedrungen nickte Aidaan, als nun Kaleb auf das Stichwort „Pony“ aufsprang und zu ihm kam. „Ja, Amo Aidaan. Pony zeigen“, plapperte der kleine Junge in seiner abgehackten Kindersprache auf den jungen Edelmann ein. Aidaan mochte den Jungen, fühlte sich dennoch etwas überfordert für den Moment. Mit Kindern kannte er sich einfach nicht aus. Er sah die beiden Kinder von Jarl und Shaina vielleicht vier, höchsten sechs mal im Jahr für eine oder zwei Wochen! Shaina lächelte wieder. „Zara kann euch ja begleiten. Sie kennt Kaleb gut und weiß, was der kleine Schelm gerne anstellt.“ Aus dem Augenwinkeln sah sie, wie Zara unwillkürlich den Kopf schüttelte, doch Shaina ging gar nicht erst darauf ein. Sie sagte sogar noch: „Kaleb freut sich bestimmt und sie auch.“ Aidaan nickte zustimmend. „Natürlich.“ Selbst, wenn er etwas dagegen gehabt hätte, dass Zara mitkam, hätte er keine Wahl gehabt. Shaina war geschickt darin geworden, alle Fäden zu ziehen. Er wusste nur nicht genau, was sie damit bezweckte. Sie konnte unmöglich wollen, dass er Zara zu seiner Geliebten machte. Dafür waren sie zu sehr, wie Schwestern. „Sollen wir gehen? Kaleb ist ungeduldig“, holte Zaras Stimme ihn aus seinen Gedanken. Aidaan sah zu ihr. Sie stand nun neben ihm, Kaleb an der Hand. Sie lächelte ih an, zögerlich und nur eine Andeutung, doch Aidaan lächelte sogleich zurück. Zara schlug die Augen sofort nieder und wandte sich an Kaleb. „Wir gehen jetzt los, Kleiner.“ Eifrig nickte der Junge und stob auf die Brücke zu, so schnell ihn seine kurzen Beine trugen. Zara folgte ihm, etwas langsamer, während Aidaan seine Augen nur auf sie richten konnte. Ihre Haare, waren nach hinten gebunden in einem Netz aus dünne, geflochten Zöpfen und reichten ihr bis fast zu den Hüften. Sie wippten mit jedem Schritt auf und ab. Er versuchte seinen Blick auf ihre Schultern zu heften, doch unwillkürlich wanderte sein Blick an ihr herunter. Sie trug ein Sommerkleid, wie es auf dem Land noch in Mode war, aus einem fließenden Stoff in hellen Farben mit einem breiten saum, der es um die schultern hielt, diese jedoch frei ließ. Ein Kleid, dass der Fantasie, seiner Fantasie Flügel, verlieh. Das Erstaunlichste war, dass sie sich ihrer Wirkung kaum bewusst sein konnte, so wie sie sich verhielt. Sie verstellte sich nicht, um zu verstecken welche Wirkung sie auf Männer hatte, welche Wirkung sie auf ihn hatte. Sie wusste es nicht. Aidaan stimmte dem zu was Shaina über Zara gesagt hatte. Sie war ehrlich, sie musste sich nicht verstellen und noch mehr war sie schön geworden. Aidaan dachte kurz daran, dass Wren schon immer, seit er ihn kannte, in sie verliebt gewesen war. Er hatte diese Schönheit erkannt, bevor sie überhaupt aufgeblüht war. Doch Zara hatte ihm im vergangenen Winter abgewiesen, als er ihr seine Gefühle gestand. Wren war einige Wochen am Boden zerstört gewesen, doch inzwischen hatte er sich damit abgefunden und erfreute sich anderer weiblicher Gesellschaft in der Stadt. Und doch betonte er hin und wieder, dass Zara seine große Liebe gewesen war und er ihr absolut nicht übel nahm, dass sie ihn nicht gewollt hatte. Denn selbst, während sie ihn noch abgewiesen hatte, hatte sie noch nett zu ihm sein wollen. Sie hatte ihn nicht verletzen wollen und das tröstete den Knappen immer noch. Aidaan bewunderte Wren dafür und doch war er in diesem Moment erfreut darüber, dass sie ihm einen Korb gegeben hatte. Denn damit war der Weg noch offen. Für ihn. Aidaan schüttelte den Kopf, um sich aus seinen Gedanken zu holen. Er sah sie nur in einem Sommerkleid und schon dachte er, er würde sie haben wollen. „Oh ja, die Wirkung“, dachte er nicht ohne Ironie und erwischte sich dann, wie er kurz grinste. Da drehte Zara sich um. Sie lächelte kurz und zeigte dann auf Kaleb, der stolz seinerseits auf ein weißes Pony zeigte. Aidaan ging zu ihm und streichelte das Pferdchen. Es reichte ihm gerade bis zum Oberschenkel. „Das ist jetzt dein Pony? Wie hast du es genannt?“ Kaleb nicke, noch immer stolz auf das Geschenk. „Es heißt Aslan.“ „Ein schöner Name. Kannst du denn schon reiten?“, wollte Aidaan wissen. Kaleb kratze sich an der Stirn. „Na ja...nur ein bisschen.“ „Dann übe ich mit dir, solange ich hier bin“, versprach Aidaan seinem Patenkind und Kaleb strahlte mit aller Freude eines Kindes. „Zara übt auch mit mir.“ Aidaan sah zu Zara. Das passte zu ihr. Sie hatten High Hill gerade erreicht, als sie sich die Erlaubnis von ihm erbeten hatte Canaan, die weiße Stute, auf der sie während der Reise geritten war, auch hier reiten zu dürfen. Er hatte es ihr gewährt. Seitdem hörte er immer wieder von Jarl, dass sie stundenlang mit der Stute unterwegs sein konnte und immer fröhlich zurück kam. So wie er vor vielen Jahren, als er noch ein Junge in Ascard House war. Bei seinen Ritten vergaß er den Tod seiner Eltern, die strengen Regeln seines Großvaters, einfach alles. Später begleitete Jarl ihn einige Male, doch nach und nach wurden die Ritte seltener. Er ging zur Akademie, wo er Alane, damals noch der Kronprinz, traf. Er blieb in Nutik. Das alles war schon mehr als zehn Jahre her. Als er nun Zara betrachtete, die Canaans Nüstern streichelte und der Stute leise auf Nairi etwas zuflüsterte, spürte er zum ersten mal das Verlangen wieder einen solchen Ritt zu unternehmen. Stundenlang einfach durch die Wälder zu ziehen und die schöneren Seiten des Lebens genießen. Vielleicht sollte er sie fragen, ob sie ihn begleiten würde. Sie würde ihn schon aus Respekt seine Bitte nicht verwehren. Doch er würde dann nicht wissen, ob sie wirklich einverstanden war mit seiner Anwesenheit. Er selber hatte nur Jarl auf seinen Ritten geduldet, jeden anderen strikt abgelehnt. Er fühlte sich nicht richtig an sich ihr aufzudrängen. Kaleb unterbrach schließlich seine Gedanken wieder, indem er an seiner Hose zupfte. „Amo Aidaan?“ „Ja?“, schenkte er nun dem Kind seine Aufmerksamkeit. „Wann wir üben?“ Aidaan sah den Jungen an. „Nach den Tee, wenn deine Mutter es erlaubt. Was sagst du dazu?“ Eifrig nickte Kaleb, dass seine dunkelbraunen Locken flogen. Aidaan nahm ihn auf den Arm. „Dann gehen wir und fragen deine Mutter, um ihr Einverständnis.“ Er ging Richtung Haus, blieb jedoch nach wenigen Schritten stehen, um auf Zara zu warten. Sie holte schnell auf und lächelte ihn an. Als er zurück lächelte schlug ihr Herz schneller. Er war nun wirklich ein Mann geworden, hatte sich seit seinem letzten Besuch noch mehr verändert. Sie wusste, dass er inzwischen 25 Sommer alt war und von allen an Hofe trotz seiner wenigen Jahre respektiert und geachtet wurde. Man spürte, dass dieser Respekt ihn reif machte für sein Alter. Und auch seine Züge waren nun wirklich die eines Mannes, was nicht zuletzt an dem 3-Tagesbart lag, den er sich nun wachsen ließ. Zara fragte sich, wie er sie wohl sah. Als Frau, ja, aber fühlte er sich nur im geringsten von ihr angezogen? So, wie sie von ihm? Sie unterdrückte ein Seufzen. Es war sinnlos sich darum Gedanken zu machen. Wirkliches Interesse hatte er nicht an ihr gezeigt. Und manchmal was sie nicht sicher, ob sie das überhaupt wollte. Es war einfacher Gefallen an ihm zu haben, solange er keinen an ihr hatte – und es war sicherer. Er konnte nichts fordern, wozu sie vielleicht nicht bereit war. Er konnte sie auch nicht verletzen – und sie ihn auch nicht. „Alles in Ordnung?“, fragte Aidaan und holte sie aus ihren Gedanken. „Ja, natürlich. Ich war in Gedanken. Entschuldigung.“ Aidaan nickte, fragte jedoch nicht weiter, da sie bereits vor dem Salon standen, wo Shaina den Tee hatte vorbereiten lassen. Zara öffnete die Tür. „Ah, da seid ihr ja“, sagte Shaina mit einem Lächeln. „Der Tee ist soeben fertig geworden. Setzt euch doch bitte.“ Sie wies auf die verbliebenen freien Sitzmöglichkeiten. Zara ließ sich neben ihr auf dem Diwan nieder und Kaleb kletterte seiner Mutter auf die Knie. Aidaan setzte sich auf den Diwan rechts neben ihnen. Zara goss allen Tee ein, da Shaina versuchte Kaleb festzuhalten. Sie schien ein ernstes Wort mit ihm zu reden, da er sich auf das süße Gebäck gestürzt hatte, das auf dem Tisch stand, kaum das er es entdeckt hatte. „Vielen Dank.“ Aidaan nahm das Gläschen mit Minztee entgegen. Sein Blick traf auf Zaras. In diesem Moment gestand er sich ein, dass er sie wirklich begehrte. Schon damals auf dem Schiff, während ihrer Reise nach K'Tar hatte sie ihm gefallen – doch in seinen Augen war sie noch ein Kind gewesen, kaum 15 Sommer alt. Dazu hatte sie eher ausgesehen, wie 12 oder 13 Jahre, doch nun...Er hatte die Jahre über beobachtet, wie sie erwachsen wurde, dennoch überraschte es ihn in ihr eine Frau zu sehen, die er begehrte. Eine Frau, die er womöglich nicht nur rein körperlich begehrte, sondern die ihm auch gefiel von dem was ihr Inneres ausmachte. Shaina holte ihn in die Gegenwart. „Kaleb und Zara sagen, du würdest mit ihm reiten üben. Ich finde das eine gute Idee. Jarl hat darauf bestanden ihm das Pony zu schenken, doch im Moment hat er leider nur wenig Zeit, sich um Kaleb zu kümmern. Es ist schön, dass du das als sein Pate für eine Weile übernehmen möchtest. Immer nur von uns Frauen umgeben zu sein ist bestimmt nicht leicht für ihn.“ Sie lachte und drückte ihren Sohn an sich. Auch Zara lachte. Aidaan erinnerte sich, das dies die Worte des Barons von Korin waren, ihrem Nachbarn, als er im Frühjahr hier gewesen war. Er grinste. Der Baron war ein alter, verstockter Mann, doch er war dennoch gütig und gerecht. Nur seine Meinung über Frauen war nicht die Beste. Er hielt dran fest, dass Männer den Frauen sehr weit überlegen waren und das Frauen nicht zu viel zu sagen haben sollten. Man musste sie vor sich selber schützen. Darum war auch ihr Einfluss auf einen kleinen Jungen nicht gut. „Nun dann ist es gut, dass ich ihn für eine Woche hier bin“, sagte Aidaan und grinste wieder. Er nahm den letzten Schluck aus seinem Teeglas. Das war der Moment indem Kaleb aufsprang. „Los. Üben?“ Ganz aufgeregt zappelte er von einem Bein auf das andere und zupfte an Aidaans Ärmel. „Nur zu. Geht noch für eine halbe Stunde oder auch eine Stunde üben. Dann wird Jarl zurück sein und wir können zu Abend essen“, sagte Shaina und auf ihre Zustimmung zog Kaleb an Aidaan bis er endlich stand. „Bis nachher dann.“ Im Rausgehen warf er Zara noch einen Blick zu ohne jedoch zu bemerken, dass sie ihm ihrerseits auch nachsah. Shaina jedoch bemerkte beides. „Wie lange bist du schon in ihn verliebt, kleine Schwester?“ Sie saß ganz ruhig da und trank ihren Tee. Zara dagegen sah sie erschrocken an. „Ich...“ „Es ist schon gut. Du musst es mir nicht sagen. Ich wusste es ja.“ Sie lächelte. „Er jedenfalls hat ein Auge auf dich geworfen. Du gefällst ihm.“ Zara wusste nicht, wie sie darauf reagieren sollte. Gefiel sie ihm tatsächlich? Doch wichtiger war für sie in diesem Moment etwas, dass Shaina gesagt hatte. „Du wusstest es? Warum hast du nichts gesagt?“ „Weil ich nicht einmal ansatzweise wusste, was er fühlt. Ich wollte dich nicht ermutigen und riskieren, dass du nur verletzt wirst. Doch heute habe ich gesehen, dass er auch irgendetwas für dich empfindet. Das solltest du wissen“, erklärte Shaina und griff nach Zaras Händen. „Du solltest vielleicht herausfinden, was er wirklich von dir will, Zara. Pass nur auf, dass du nicht verletzt wirst. Und vergiss nicht – ich bin immer für dich da. Auch, wenn ich jetzt viel beschäftigter bin, als früher.“ Sie umarmte Zara und drückte sie fest an sich. „Es tut mir Leid, Shaina. Ich hätte es dir sagen sollen“, flüsterte Zara. Sie wusste, dass Shaina verletzt war durch ihr Schweigen und sich selber daran die Schuld gab. „Du hattest immer Zeit für mich, dass weiß ich. Nur ich konnte es keinem sagen. Dann hätte ich es mir ja selber eingestanden.“ „Ich verstehe“, sagte Shaina nickend. Dann lächelte sie. “Ich bin sehr neugierig, wie es weitergeht. Aidaan wird irgendwann eine Annäherung machen. Dann wissen wir definitiv, dass du ihm gefällst.“ Sie grinste verschmitzt. Etwas, dass sie sehr lange nicht mehr getan hatte. „Wobei er ein Narr wäre, wenn dem nicht so wäre.“ Sie drückte Zaras Hand, die nur lächelte. „Warten wir es ab.“ * Aidaan holte tief Luft. Zara stand keine drei Meter von ihm entfernt mit Shaina und der Baroness von Korin. Die Frauen unterhielten sich leise und lachten zwischendurch. Aidaan rieselte ein Schauer über den Rücken, wenn er Zaras Stimme hörte. Immer wieder sah er zu ihr hinüber. Sie trug ein hellblaues Kleid, wie an dem Tag, als er auf High Hill ankam und hatte ihre Haare nur wenig mit einigen Zöpfen an den Schläfen gebändigt. Sie war eine wunderschöne junge Frau geworden – und er war nicht der Einzige, dem es auffiel. Jaen, der Sohn des Barons von Korin, hatte es ebenfalls bemerkt. Er starrt sie unverhohlen mit glühender Bewunderung an – und es machte Aidaan rasend vor Wut. Dabei war er selber nicht besser! Seit er auf High Hill war konnte er kaum noch die Augen von ihr nehmen, wenn sie in seiner Nähe war. Ihre wiegenden Hüften und die vollen Brüste waren der Traum und die Qual seiner Nächte geworden. Und doch konnte er nicht die Initiative ergreifen. Seine Familie hatte Zara Unglück gebracht – und wenn sie ihn abwies würde er es nicht ertragen. Seit Vela hatte er keine Frau mehr gekannt, die für ihn mehr war, als ein Weg seine eigenen körperlichen Bedürfnisse zu stillen. Doch Zara begann in ihm Gefühle zu erwecken, wie er sie einst für Vela gehabt hatte. Doch er fürchtete von ihr verletzt zu werden, wie von ihr. Von Vela seiner Verlobten, der er alles gegeben hatte und die nie etwas zurückgegeben hatte. „Ich sollte nicht mehr daran denken müssen. Vela war kalt und berechnend. Sie hat nur für sich selber gelebt.“ Und Zara war doch völlig anders! Sie war warmherzig, sogar fürsorglich. Er sah es, wenn sie bei Kaleb und Kitana war. Und sie war schüchtern, zurückhaltend. Etwas, dass Vela nie war. Er sah Zara wieder an. Nein, sie war wie Vela – und doch... In diesem Moment sah sie zu ihm. Sie lächelte ihn an, sah jedoch wieder weg, als die Baroness ihr eine Frage stellte, die sie mit Kopfschütteln beantwortete. Er wollte sich abwenden, als sie ihn wieder ansah. Dieses mal war ihr Lächeln amüsiert, als ob sie etwas Lustiges gehört hätte. Er lächelte zurück und wurde dann vom Baron in Beschlag genommen, der sich über die politische Lage Lyras ereiferte. „Es ist nicht vernünftig sich mit den Menschen aus der Wüste zu verbünden. Sie werden uns noch in den Rücken fallen, diese dunklen Barbaren! Noch nie haben sie gekämpft, wenn unser Land bedroht wurde!“ „Nun sie wurden auch nie um eine Allianz gebeten“, sagte Aidaan. „Wir können nicht wissen, was sie für Verbündete sie sein werden, doch eines ist klar: ohne Verbündete werden wir dies Mal untergehen.“ „Lyras wird nicht besiegt werden! Nyx hat nicht genug Männer, um das zu schaffen! Schon vor 80 Jahren, waren sie zu schwach!“ Der Baron sah Aidaan ernst an, der den Kopf schüttelte. „Das ist wahr. Aber Crexis und Cull mit Nyx vereint haben eine Chance. Und es besteht eine Allianz der Länder.“ Jarl strich sich über sein Kinn. „Dann wäre es wohl sogar ratsam nicht nur die Nairi-Fürsten, sondern auch die Bergvölker der Arsghan zu einem Bündnis zu bewegen!“ „Das ist es was der König bei der Zusammenkunft am Ende des Sommers plant. Er hat alle Führer der beiden Völker nach Nutik eingeladen. Wir erwarten noch die Zusage der Arsghan und darum ist ihr Kommen noch nicht offiziell bekannt.“ Aidaan sah in diesem Moment sehr zufrieden aus und Jarl vermutete, dass die Bündnisse seine Idee waren. Die Nairi waren als übermäßig gute Reiter und Schützen bekannt, die auch mit dem Krummsäbel umzugehen wussten. Die Arsghan waren ein noch kriegerischeres Volk. Sie bildeten sogar Frauen im Kampf aus, wenn sie aus einer der vielen Kriegerfamilien stammten. Sie waren bekannt für ihre Stärke und ihren Furcht erregenden Kampfstil mit sämtlichen Waffen, die einem in den Sinn kommen konnten. Ihre südlichen und östlichen Nachbar zahlten ihnen einen freiwilligen Tribut, um nicht überrannt zu werden. Doch sie waren auch ein Volk, dass mit wenig zufrieden war. „Arsghan schicken ihre Frauen in den Kampf. Das lenkt Männer nur unnötig ab“, gab Jaen zu bedenken. Aidaan widersprach, schärfer als nötig: „Dann müssen unsere Männer eben lernen sich nicht ablenken zu lassen. Das Schicksal unsere Landes hängt davon ab.“ Jaen schien eine hitzige Bemerkung erwidern zu wollen, was den Baron veranlasste die Unterhaltung zu beenden: „Wir werden sehen, ob diese nichtsnutzigen Wüstenwölfe überhaupt für uns kämpfen werden.“ „Sie werden nicht für euch kämpfen, sondern höchstens mit euch“, mischte sich da Zara ein. Es war wohl eine Kurzschlussreaktion, denn kaum hatte sie es gesagt schlug sie die Augen nieder. Sie fühlte nicht im Recht ihre Meinung zu äußern. Das hatte sie nie. Der Baron lachte. „Und woher wollt ihr, eine Frau, dass wissen?“ Er sah sie mit einem mitleidigen Blick an, als ob er sie nicht für ganz zurechnungsfähig hielt und das schien Zara wütend zu machen. „Weil sie ein stolzes Volk sind. Wir lassen uns nicht benutzen!“ Sie hatte stolz ihr Kinn gehoben, doch wer darauf achtete sah, dass ihre Lippen zitterten. Shaina sah es und griff ein bevor der Baron etwas sagen konnte, dass Zara noch mehr verletzen konnte. „Wir sollten wohl langsam zu Abend essen. Das beruhigt die Gemüter und darum sind wir ja hier, nicht wahr?“ „Wir lassen uns nicht benutzen.“ - noch während sie es sagte, merkte sie, wie sie sich schuldig fühlte. Zum ersten Mal seit zwei Jahren fühlte sie sich so schuldig, wie in jener Nacht, als Belor Loki sie gegen ihren Willen genommen hatte. Sie hatte sich von ihm benutzen lassen. Als sich eine Hand auf ihre Schulter legte, zuckte sie zusammen. Es war Aidaan. Er sah die Geister der Vergangenheit in ihrem Blick und reichte ihr seinen Arm. „Komm.“ Dankbar, dass sie nicht allein gehen musste hielt sie sich an ihm fest, während er sie zum Esszimmer und auf ihren Platz brachte. Das Abendessen verlief wieder in ruhiger Atmosphäre. Baron Korin war kein nachtragender Mensch, er verhielt sich, als sei nie etwas geschehen. Und so hielten es auch alle anderen. Nur Zara saß stumm am Tisch. Sie rührte kaum ihr Essen an. Sowohl Shaina, als auch Aidaan und Jarl sahen sie ab und an besorgt an. Doch jedes Mal setzte sie ein Lächeln auf, um ihre Gefühle zu überspielen. Das Essen war kaum vorbei und die Gäste abgefahren, da zog sie sich auf ihr Zimmer zurück. Shaina folgte ihr kurz darauf, um mit ihr zu reden. Aidaan und Jarl gingen in den Salon. Aidaan wollte am nächsten Tag zurück nach Nutik reiten und so blieben sie an diesem Abend noch lange zusammen im Salon, um einige Dinge zu entscheiden, die das Anwesen betrafen, aber auch, um über das zu reden, was sie bewegte. Und so beschloss Aidaan Jarl noch an diesem Abend davon zu erzählen, wie seine Gefühle für Zara sich entwickelt hatten. „Jarl?“ „Ja?“ Jarl sah Aidaan aufmerksam an, der jedoch noch mir sich rang. „Was ist los, Aidaan? Du wirkst sehr nachdenklich.“ „Das kann sein. Ich bin es schon die ganze Woche.“ Er hielt inne und Jarl wartete, die Fingerspitzen aneinander gelegt, wie er es immer tat, wenn er auf eine Antwort wartete, darauf, dass Aidaan fort fuhr. Aidaan stand auf und ging um seinen Stuhl herum ans Fenster. Es war bereits dunkel draußen, nur der Mond erhellte die Nacht. „Zara. Sie ist sehr schön geworden. Sie ist eine junge Frau, die man einfach begehren muss.“ Jarl sah ihn abwartend an, obwohl er sich sicher war zu wissen, worauf Aidaan damit hinaus wollte. Der drehte sich in diesem Moment wieder um. „Ich begehre sie.“ Dann sah er Jarl abwartend an. Der nickte langsam. „Du hast recht. Sie ist eine schöne junge Frau geworden. Aber willst du nur ihren Körper für deine Befriedigung oder willst du sie, Aidaan? Du weißt, dass Shaina dir die Hölle heiß machen würde, wenn du Zara verletzt. Also lass sie sein, wenn du nur ihren Körper willst. Das geht vorbei und dafür wirst du andere Frauen finden.“ Jarl sah Aidaan an und der nickte. „Ich weiß. Doch eine Antwort habe ich darauf noch nicht. Meine Gefühle für sie gehen über das rein körperliche hinaus, aber ob ich sie nicht verletzen würde, weiß ich nicht. Ich kann nicht sagen, wie weit meine Gefühle für sie tatsächlich reichen.“ Er seufzte. „Es ist gut, dass ich morgen nach Nutik zurückkehre. Dort werde ich Zeit haben all die fehlenden antworten zu ergründen – und Zara zu vergessen oder nicht.“ „In drei Wochen will Shaina ein kleines Fest geben. Zara wird 18 Sommer alt und damit volljährig“, sagte Jarl nach einer Weile. „Du solltest kommen und dann deine Entscheidung treffen.“ „Ja, dass ist gut. Ich werde hier sein.“ Jarl nickte und Aidaan setzte sich wieder. „Ich danke dir, Jarl.“ „Dafür gibt es keinen Grund. Triff nur deine Wahl.“ Jarl lächelte und Aidaan nickte ernst. In drei Wochen würde er seine Wahl getroffen haben. Und was haltet ihr davon? Ich hoffe es hat euch gefallen x3 Bis zum nächsten Kapitel! Liebe Grüße Suzame Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)