Wüstentochter von Suzame (Der Weg einer Sklavin) ================================================================================ Kapitel 7: Buch II - Teil 3 --------------------------- Hier ist das neue Kapitel von "Unwritten Pain". Es ist das Letzte von Buch II. Im nächsten Teil wird es dann einen kleinen Zeitsprung geben ;) Ich hoffe es gefällt euch und erfüllt die Erwatungen :) LG Suzame «⌘Buch II – Teil 3⌘» Die ersten Tage der Reise führten den Konvoi durch die Wälder von Lagdor. Die Wälder waren ein bevorzugter Ort für die Vogelfreien und Gesetzlosen, doch sie verhielten sich still. Jarl vermutete der Soldaten wegen und doch waren alle erleichtert, als sie die Seenebene von Kor erreichten, die sie bis zum Hinek überqueren mussten. Die Ebene war ein recht menschenleerer Ort. Zwischen den Seen und Tümpeln gab es nur wenig Platz Ortschaften und Straßen zu bauen und so lebten vor allem Einsiedler hier von den verstreuten kleinen Ebenenfischer-Gehöften abgesehen. An eben diesen Höfen hielt man übernacht. Die Bewohner der Ebene waren ein gutmütiger und sehr gastfreundlicher Schlag Menschen trotz ihres abgelegen Lebens. Als sie an diesem Abend hielten, wurden sie freundlich von einem Fischer und seiner Familie begrüßt. „Seid gegrüßt, Bayan“, grüßte der Mann Aidaan. „Ihr wollt die Nacht hier verbringen?“ „Ja, Ellan.“ Aidaan nickte bedächtig und Ellan nahm sogleich alles in die Hand. Er gab seinen Söhnen ein Zeichnen, die das Scheunenentor öffneten und zusammen mit Aidaans Leuten die Pferde hinter dem Haus anbanden und ihnen Fußfesseln anlegten, da der Koral für diese Anzahl an Tieren bei weitem nicht ausreichte. Währenddessen beförderte Ellans Frau Smira, Shaina und Zara ohne Umstände ins Haus. Sie bot ihnen einen Platz am Feuer an, denn es wurde jeden Tag kälter, je mehr sie gen Norden kamen. Smira begann sofort einen weiteren großen Pott mit Eintopf und Brühe zu kochen. Sie schickte ihre Tochter, ein Mädchen mit langen, braunen Zöpfen hinaus, um den Männern zu sagen, sie könnten sich hier eine wärmende Brühe holen. Nach und nach kamen die Stalljungen und Soldaten, um sich ihr Abendessen zu holen. Jarl kam mit einem Mann, um die Vierzig Sommer herein und dem Stalljungen Wren. Während Jarl sich mit seiner Schüssel neben Shaina setzte, gingen die anderen wieder, doch im Hinausgehen warf Wren Zara noch einen lange, verleibten Blick zu. Doch diese merkte es gar nicht. Sie war müde und die Kälte setzte ihr zu die nun Tag und Nacht herrschte. In der Wüste sanken des Nachts ebenfalls die Temperaturen um ein vielfaches im Winter, doch wenigstens wurde es am Tag warm und brachte das Leben und die Wärme in die Knochen und den Körper zurück. Doch hier fror sie ununterbrochen. Shaina hatte es längst bemerkt und Jarl hatte versprochen noch vor der Besteigung des Schiffs in Manda passende Kleider zu besorgen. Zara hustete und zog ihren Umhang näher um sich, sodass sowohl Shaina als auch Jarl sie besorgt ansahen. „Ist alles in Ordnung, Zara?“, fragte Shaina und ihre Freundin nickte. „Müde bin ich. Und es ist kalt.“ „Das stimmt. Du solltest etwas essen und dann schlafen, kleine Seelenschwester.“ Shaina schloss sie in die Arme, während Zara nickte. Jarl räusperte sich. „Die Scheune wird unser Quartier sein. Nimm dir noch meine Decke, Zara. Ich werde Shainas mit ihr teilen.“ Dankbar lächelte Zara Jarl an und Shaina nickte zufrieden. „Dann iss auf.“ Zara löffelte gehorsam ihren Teller leer bevor sie ihn lächelnd Smira gab. „Vielen Dank, Biya. Es war sehr gut.“ „Gerne, Kind. Schlaf gut“, erwiderte die Frau und strich Zara über die kalte Wange, bevor diese in die Scheune ging. Auf dem Weg nahm sie ihre Decke, den Beutel mit ihren Habseligkeiten und auch Jarls Decke von dem Stapel vor dem Haus mit. Sie hatte die Scheune noch nicht erreicht, als Shaina auf sie zulief. „Jarl und ich gehen noch ein Stück spazieren. Wir wollen gerne etwas alleine sein. Kommst du zurecht, kleine Schwester?“ „Natürlich. Geht nur. Ich lege mich schon schlafen.“ Sie lächelte müde und Shaina drückte ihr einen Kuss auf die Wange. „Schlaf gut.“ Dann ging sie zu Jarl, der auf sie wartete. Zara hingehen betrat die kleine Scheune. Sie ging an den Männern vorbei, die um ein kleines Feuer saßen, Karten spielten, aßen und tranken. Sie machte es sich schließlich an einem Pfosten, der das Dach der Scheune hielt, bequem und holte ihre Bürste aus dem Beutel, indem ihre wenigen Besitztümer verstaut waren. Mit langsamen, bedächtigen Bewegungen begann sie ihren Zopf aufzuflechten und dann ihre Haare zu bürsten. Versunken starrte sie vor sich hin bis sie eine Stimme neben sich hörte: „Mensch, Kleines, was hast du dich denn bis jetzt immer mit deinem Zopf für kleine Mädchen versteckt?“ Verwirrt sah Zara auf und sah den Mann fragend an. Es war einer der Soldaten, die mit Aidaan und Jarl nach Ascard House gekommen waren. „Komm mal zu mir, Kleines. Lass uns ein bisschen Spaß haben.“ Er griff nach ihr und zog sie auf die Füße. „Nein, danke“, erwiderte Zara ihm und versuchte sich loszumachen, doch der Mann hielt sie fest und lachte nur. „Ach komm schon, Süße. Spiel hier doch nicht die Unschuldige. Es wird dir gefallen.“ Wieder versuchte Zara ihn wegzustoßen. „Wohl kaum. Lasst mich los!“ „Stell dich nicht so an, Kleines.“ Als er sie in den Schatten ziehen wollte, versuchte sie wieder sich zu wehren. Sie sah zum Feuer, doch dort bemerkte keiner ihre Lage oder wenn, schien es keinen zu interessieren. „Nein, ich will das nicht!“ Als ihr die plötzliche Ausweglosigkeit ihrer Situation bewusst wurde, kämpfte sie damit ihre Tränen zurückzuhalten. „Nein, lasst das.“ In diesem Moment betraten Aidaan und Wren die Scheune. Aidaan sah nur kurz zu Zara und Mali. Er kannte Mali lange genug, um zu wissen, dass er einfach keine Frau lange nur ansehen konnte. Und die Frauen liebten ihn. Überall hatte er seine treuen Geliebten. Zara war eigentlich zu jung für sein Beuteschema, doch wenn sie ihn wollte, sollte er sich nicht einmischen. Aidaan schüttelte den Kopf und wollte sich schon auf sein Lager fallen lassen, als Wren plötzlich rief. „Lass sie sofort los!“ Aufmerksam folgte Aidaan nun dem Ruf. Wren stand neben Mali und versuchte ihn von Zara wegzustoßen, doch Mali schob ihn selber zur Seite. „Hau ab, Junge. Das geht dich nichts an. Du bist doch noch ein Kind. Was weißt du schon.“ Wren sah wütend aus und wenn er den Fehler beging Mali anzugreifen, würde er den Kürzeren ziehen und vermutlich nicht glimpflich davonkommen, also schritt Aidaan ein, der jeden Ärger auf dieser Reise verhindern wollte. „Mali, Wren. Was soll das?“ „Der Bursche mischt sich in meine Angelegenheiten mit dem Mädchen ein“, erwiderte Mali sogleich. Wren schnaufte empört. „Zara will doch gar nicht!“ Da sah Aidaan zu dem Mädchen. Sie stand mit gesenktem Kopf da, während Mali sie noch immer am Arm festhielt. Er konnte ihre Augen nicht sehen, da ihr die Haare ins Gesicht fielen. „Zara?“ Als Aidaan sie ansprach zuckte sie zusammen. Doch sie hob unmerklich den Kopf. „Wer von beiden hat denn nun Recht?“, wollte er wissen und Mali drückte fest ihren Oberarm. Sie wusste genau, was er sie sagen hören wollte, doch sie konnte nicht. Furchtsam schwieg sie bis Aidaan seine Finger unter ihr Kinn legte und ihr Gesicht hob. Er betrachtete sie kurz und nickte. „Ich verstehe. Wren, geh ans Feuer. Du hast genug getan.“ Der Junge gehorchte sofort, wenn auch widerwillig und sah sich nocheinmal um, während er sich setzte. Dann wandte sich Aidaan wieder Mali und Zara zu. „Lass sie endlich los, Soldat!“ Sofort ließ Mali das Mädchen los und nahm Haltung an, während Zara einen Schritt auf Aidaan zumachte. „Ich will, dass das klar ist: Zara ist die Schwester der Biya! Keiner hier rührt sie an und schon gar nicht gegen ihren Willen. Verstanden?“ Er hatte laut gesprochen und alle Männer in der Scheune nickten. Mali sah jedoch unzufrieden aus. Das Mädchen hatte sein Ansehen bei Aidaan sinken lassen, das wusste er und es machte ihn wütend. Doch wie hätte er wissen können, dass die Kleine und ihr Freund so einen Aufstand veranstalten würden? „Du hast Glück, Mali. Du hast noch nie etwas getan, dass ich nicht toleriere. Doch so etwas dulde ich nicht. Das passiert nicht wieder.“ Aidaans Stimme riss ihn aus seinen Gedanken und er salutierte. „Nein, Bayan. Wird nie wieder vorkommen.“ Zufrieden nickte Aidaan. „Zara, nimm deine Sachen. Du schläfst da vorne neben mir“, ordnete Aidaan an. Ihm war bewusst, dass er damit Anspruch vor seinen Männern auf sie erhob, doch Shaina und Jarl würden ihn einen Kopf kürzer machen, sollte er sie nicht ordentlich schützen. In diesem Fall auch vor sich. Doch sie war noch ein Kind. Er würde sie wohl kaum anrühren wollen und müssen. Das hatte er nicht nötig. Und doch, als sie sich neben ihm niederließ und ihn mit ihren fragenden, blauen Augen ansah spürte er, dass sie ihm gefiel. Er schalt sich einen Narren. Sie war vielleicht dreizehn. Ein Kind, auch, wenn sie an diesem Abend älter aussah mit ihren offenen Haaren und den Augen, die schon schlimme Dinge gesehen hatten. „Schlaf. Ich habe keine Absichten, Zara, außer dich zu beschützen. Das verspreche ich“, sagte er, als sie ihn immer noch ansah und keine Anstalten machte sich schlafen zu legen. Sie nickte schließlich und lächelte ihn an. „Danke, Bayan.“ Dann legte sie sich hin und schlief ein. Was er nicht wusste, war das sie mit ihren letzten Gedanken ihn bedachte. „Er ist anders. Nicht, wie sein Großvater.“ Auch ihre Erleichterung darüber ahnte er nicht. Aidaan blieb derweil mit seinen Gefühlen allein, doch schon am Morgen hatte er sich wieder gefangen und sich klargemacht, dass er sie nur schützen wollte. So wie ein Vater oder ein Bruder. Zwei Tage später erreichten sie Manda und die Reisenden atmeten auf. Noch war eine Schifffahrt den Hinek entlang möglich. In einer Woche oder zwei würde das anders aussehen und wenn sie zu spät gewesen wären hätten sie in Manda festgesessen bis der Frühling kam. Doch so sollten sie, wenn das Eis kam längst in Foryn sein, wo sie wieder an Land gehen würden. Während das Schiff geladen wurde blieben Shaina und Zara zum größten Teil in der Schänke am Hafen und zwischendurch machten sie einen Rundgang über den Markt, wo Jarl zwei warme Pelzmäntel für sie ersteigerte, die die Kälte auf der Reise von nun an fernhalten sollten. Und schon am späten Nachmittag stießen die Reisenden mit der „Faye“ in See. Sie segelten die Nacht hindurch, denn der Mond stand voll und hell am Himmel und es gab keine gefährlichen Strudel oder Sandbänke. Die ersten beiden Tage auf dem Schiff vergingen schnell. Zara schlief vorwiegend. Sie hatte einen Husten bekommen und fühlte sich nicht gut. Erst am dritten Tag kam sie zum ersten Mal wieder an Deck. Sie war noch blass, sah jedoch besser aus, als zu Beginn der Fahrt. Shaina war erleichtert darüber. Als sie beobachtete, wie Jarl Zara über das Schiff führte und ihr alles erklärte, während sie gespannt zuhörte. Es war ein großes Abenteuer für sie, die die meiste Zeit ihres Lebens in der Wüste gelebt hatte. Nach einer Weile bemerkte sie Aidaan neben sich. „Es wird bald schneien“, teilte er ihr mit. Shaina sah in den Himmel. Graue Wolken hingen tief über ihnen und es roch nach Schnee. Shaina hatte diesen Geruch lange nicht mehr in der Nase gehabt, doch er war unverkennbar. Sie wusste plötzlich, sie hatte ihn oft als Kind gerochen. Sie schreckte auf. Es war merkwürdig an ihre Kindheit erinnert zu werden, denn eigentlich erinnerte sie sich an nichts. Es waren momentane Eingebungen, Augenblicke von denen sie dachte sie schon einmal erlebt zu haben. Sie mochte es auch nicht darüber nachzudenken. Es gab keine Lösung für ihre Rätsel. Es war Vergangenheit. Sie räusperte sich. „Ja, es sieht so aus.“ Aidaan nickte und Shaina dachte er würde wieder gehen, doch zu ihrer Überraschung blieb er stehen. Aidaan war Shaina auch ein Rätsel. Er war meist distanziert und kühl anderen gegenüber, doch manchmal blitzte etwas anderes auf, dass er zu verstecken suchte. Wärme, Fürsorge. Sie blieben so stehen und irgendwann begannen die ersten Schneeflocken zufallen. Es wurden immer mehr und Shainas Blick fiel auf Zara und Jarl. Unwillkürlich musste sie lächeln. Zara stand mit ausgestreckten Händen da und sah in den Himmel. Sie hatte ein begeistertes Lächeln auf den Lippen. Die Kapuze ihres schweren Mantels war ihr vom Kopf gerutscht und gab einen Blick auf ihr Gesicht und die langen, schwarzen Haare frei, die sich im Wind leicht kräuselten. Shaina lachte leise. „Sie sieht aus, wie eine kleine Eisfee, nicht wie eine Wüstenprinzessin.“ Aidaan dachte kurz an die Märchen der Eisfeen und als Zara sich einmal fröhlich im Kreis drehte, stimmte er Shaina nickend zu. „Sie ist ein schönes Mädchen“, lächelte Shaina versonnen. Aidaan räusperte sich. „J-ja.“ Er hielt kurz inne, dann fuhr er fort, den Blick immer noch auf Zara. „Ich habe neben ihr gelegen. Sie ist ein Kind. Und doch erschien sie mir für einen schwachen Moment meinerseits begehrenswert.“ Shaina sah Aidaan an, doch er erwiderte ihren Blick nicht. Sie bemerkte seine inneren Qualen über sein Geständnis und schließlich sagte sie: „Zara ist fünfzehn Sommer. In den meisten Augen kein Kind mehr. Wenn sie eine Familie hätte, wäre sie vielleicht schon bald verheiratet.“ Überrascht sah Aidaan sie an. „Sie sieht aus, wie zwölf oder dreizehn unter ihrem weiten Mantel und mit ihrem feinen Gesicht!“ „Ja. Und sie ist, wie ein Kind. So unschuldig und jung in ihrer wahren Art. Doch was hat sie schon alles sehen müssen.“ Shaina sah Aidaan an. „Es ist gut, wenn sie noch, wie ein Kind angesehen wird und nicht, wie eine Frau. Sie hat es verdient sich erst wieder zu erholen bevor sich wieder ein Mann für sie interessiert.“ Aidaan sah sie fragend an, doch er war zu taktvoll zu tatsächlich zu fragen, was sie meinte. Aus irgendeinem Grund antworte Shaina dennoch auf seine ungestellte Frage. Sie sah zu Zara. „Ich war auch vierzehn, als ich das erste Mal bei einem Mann lag. Es war furchtbar, obwohl er sehr vorsichtig war und es in seiner Absicht lag, dass es mir gefiel. Und trotzdem war es furchtbar schmerzhaft. Doch nie in meinem Leben hat sich ein Mann mir aufgezwungen. Sie musste das erleben. Und dafür hat sie noch Schläge bekommen. Weil sie sich gewehrt hat.“ Ihre Offenheit überraschte Aidaan. Doch schon zu Beginn war es das was Jarl an ihr so geschätzt hatte, was ihn fasziniert hatte. Und dann wusste er, warum sie es ihm überhaupt erzählt hatte. „Mein Großvater war es.“ Shaina nickte. Dann kamen Zara und Jarl zu ihnen hinüber. Shaina wischte die Wut und Traurigkeit von ihren Zügen und lächelte. Und Aidaan verstand plötzlich. Für Shaina und vor allem für Zara war dies die Reise in ein neues, besseres Leben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)