Wüstentochter von Suzame (Der Weg einer Sklavin) ================================================================================ Kapitel 1: Buch I - Teil 1 -------------------------- . . . . . «⌘Buch I - Teil 1⌘» Der Rauch brannte in ihren Lungen, ihre Augen tränten. Schwarz hob sich die riesige Rauchwolke gegen den blauen Horizont ab und verschluckte die Reste des Dorfes mit ihrem undurchdringlichen Qualm. Die Kriegsrufe der Sklavenhändler und das Schreien der Bewohner hatten aufgehört. Zara versuchte verzweifelt die Tränen zurück zu drängen, die in ihren Augen aufstiegen als sie sich noch einmal umdrehte, um einen letzten Blick auf ihre geliebte Heimat zu werfen. Mit allem an Willenskraft, die sie noch aufbringen konnte, hielt sie ihre Tränen tatsächlich zurück. Ihren Peinigern wollte sie den Schmerz, die unendliche Trauer, nicht zeigen, die sind in ihr ausgelöst hatten. Noch viel weniger wollte sie ihre Angst vor der ungewissen Zukunft, die ihnen nun bevorstand zeigen, diese Angst überhaupt wahrhaben. Doch dieser Blick zurück, zwang ihre Gedanken zurück zu gehen. Zurück zu ihrer Mutter, die nun nicht mehr für sie da sein konnte, sich nie wieder um sie kümmern konnte oder sie beschützen. Denn auch sie lag nun kalt und tot auf dem blutgetränkten Boden des Dorfes, dass sie so sehr geliebt hatte, und würde mit ihm im Sand verschwinden. Maraja legte Zara eine Hand auf den Arm und sah sie stumm an. Sie weinte, lautlos. Ihre Augen schwammen in Tränen und ihre Hand zitterte wie Espenlaub, doch kein Laut drang über ihre bleichen Lippen. Die Erkenntnis, dass fast alle Familienangehörigen und Freunde der Mädchen den Angreifern zum Opfer gefallen waren, von den Alten bis hin zu Marajas jüngstem Bruder, der nicht einmal sein drittes Lebensjahr erreichen durfte, breitete sich immer weiter aus und nahm ihnen die Luft zum Atmen. Es war ein grausames Spiel, welches das Leben wieder spielte und sie hatten verloren. Alles. ⌘ Zara und Maraja waren zwei von neun jungen Mädchen, die aus Kelan noch am Leben waren. Ihnen war ein Schicksal als Sklavinnen bestimmt. In Silah, der Stadt der Nairi Fürsten, sollten sie in wenigen Tagen auf dem Sklavenmarkt verkauft werden. Das hatten sie aus den Gesprächen ihrer Entführer erfahren. „Weiter gehen!“, brüllte einer der Männer, als er bemerkte, dass Zara und Maraja inne hielten, um zu ihrem Dorf zurück zusehen. Er schwang seine Lederpeitsche hoch über dem Kopf, als Drohung ohne sie jedoch tatsächlich niedersausen zu lassen, denn die Mädchen stolperten schnell weiter als ein kräftiger Ruck durch das Seil ging, das um ihre Handgelenke befestigt war. Sie wussten in diesem Moment, dass es nur ein kleiner Ausblick auf die Grausamkeiten war, die noch auf sie warten konnten. ⌘ Nach mehreren Stunden Marsch durch den heißen Sand unter der gleißenden Wüstensonne wurde ein Lager aufgeschlagen. Vor Erschöpfung der Ohnmacht nah wurden Zara, Maraja und die anderen Mädchen in einem schnell aufgebauten Zelt untergebracht, dass von zwei Männern bewacht wurde, die mit Peitschen und Säbeln bewaffnet waren, damit die Frauen nicht auf die Idee kamen zu fliehen. Die ließen sich jedoch nur noch erschöpft auf dem Boden nieder. Keine hatte mehr die Kraft einen Fluchtversuch zu versuchen, auch wenn alles in ihnen danach schrie. Doch auch jeder Versuch mitten in der Wüste ihren Häschern zu entkommen war aussichtslos. Man würde sie sofort einholen und wieder gefangen nehmen. Und zusätzlich eine harte Strafe über sie verhängen. Und wo hätten sie auch hingehen sollen? Ihr Dorf gab es nun nicht mehr. Es gab nur den Weg in eine Zukunft, die sie nicht selber bestimmen konnten. Keines der Mädchen sprach, sie warfen sich nur stumme Blicke zu, die von ihrer Trauer, Verzweiflung und Angst zeugten. Keine hatte mehr viel Hoffnung in den Augen, denn dem Schicksal, das ihnen bevorstand konnten sie nicht entfliehen. Sie konnten nur beten, dass sie zu keinen besonders grausamen Herrn oder sogar eine gütige Herrin kamen, jemand der sie wenigstens gut und gerecht behandeln würde. Dass die meisten von ihnen dieses Glück nicht haben würde, wussten sie. Sklaven standen auf der untersten Stufe der Gesellschaft, wenn nicht sogar darunter. Sie waren nicht viel mehr Wert als Tiere und mussten für die kleinsten Vergehen mit grausamen Strafen rechnen. Und die meisten blieben bis zu ihrem Tod im Dienste eines Herren oder einer Herrin, die über sie bestimmten und verfügten, wie es ihnen beliebte. Nach geraumer Zeit betrat ein großer, breitschultriger Mann in einem weißen Gewand den Innenraum des Zeltes und stellte einen Topf mit Couscous vor die Mädchen auf den Boden. „Euer Essen“, sagte er mit emotionsloser Stimme und verließ das Zelt wieder. Sofort stürzten sich die Mädchen auf die Schüssel und begannen hungrig zu essen. Der Mann kam noch einmal kurz herein und gab ihnen auch Wasser, das sie durstig tranken bevor er Topf und Feldflasche wieder hinaus trug. Die Mädchen legten sich nachdem er gegangen war in der Mitte des Zeltes zum schlafen nieder. Man hatte ihnen sogar einige, alte Decke hingelegt in die sie sich zusammen einwickelten. Eng lagen sie aneinander, um die Kälte der Nacht zu vertreiben und auch, um sich gegenseitig wenigstens ein wenig Trost zu spenden. Es war schon später Vormittag und sie hatte den ganzen Morgen an der neuen Satteldecke für ihren Vater genäht, als es draußen unruhig wurde. Zuerst war da nur das Getrappel von vielen Pferdehufen, die über den trockenen Boden klapperte und erfreut lief sie vor die Tür. Das konnten nur ihr Vater und die Anderen sein, die mit der großen Herde unterwegs gewesen waren! Doch dann hörte sie die Schreie – Das Gebrüll von Kriegern, von Angreifern. Panisch starrte sie dorthin wo die Schreie herkamen und sah eine Gruppe von vermummten Reitern, die in halsbrecherischer Geschwindigkeit durch die Gassen jagten und Fackeln auf die Dächer der Häuser warfen. In ihren Händen glänzten gezogene Säbel silbern im Sonnenlicht. Und dann holte der Erste aus und erschlug einen Greis der mit schreckgeweiteten Augen vor seiner Hütte stand. Ein erschrockener Schrei entrang sich ihrer Kehle und sie versuchte zu rennen, doch ihre Beine wollten ihr nicht mehr gehorchen. Um sie herum rannten die Menschen. Die Menschen die sie kannte und liebte auf der Flucht vor den Männern, die ohne Gnade einen nach dem Anderen mit ihren Waffen nieder streckten. Sie machten keinen Unterschied zwischen Mann und Frau, Kind und Greis. Vor ihren Augen wurde ein kleines Mädchen von den mächtigen Hufen der Rösser zu Tode getrampelt. Sie hörte das Schreien – Angst und Hilflosigkeit war darin. Es schmerzte in den Ohren und noch immer konnte sie sich nicht bewegen. Ein Reiter hielt auf sie zu, doch sie wurde zur Seite gerissen. Aus ihrer Versteinerung erwacht sah sie in das verstörte Gesicht ihrer Mutter. „Sie werden jeden töten. Ve...“ Hilflos schrie sie. „Mutter!“ Doch die Augen ihrer Mutter waren bereits leer, als sie nach ihr rief. Plötzlich stand der kleine Marrik neben ihr stand und sie mit Tränen in den Augen ansah griff sie nach dem Kind und zerrte es von der Straße in eine Hütte. Als die Hände nach ihr griffen, versuchte sie ihn noch fortzuschicken doch er klammerte sich an sie und auf einmal waren seine Augen leer. Sie sah das Blut an der Klinge des Mannes und sie schlug auf ihn ein, doch in ihrer Wut war es ein Leichtes für ihn sie in Schach zu halten und schließlich mit einem gezielten Schlag kampfunfähig zumachen. Für einen Moment sah sie Sterne vor ihren Augen glitzern, dann wurde alles Schwarz... Mit einem Schrei fuhr Zara aus dem Schlaf – vor sich noch das Bild leerer, schreckgeweiteter Augen. Immer noch schlichen die schrecklichen Traumbilder durch ihren Geist, als sie sich im Zelt umsah. Die Männer, die im Dorf waren hatten noch versucht den Angreifern entgegenzutreten, doch sie wurden einer nach dem anderen niedergeschlagen, niedergemacht. Keiner von ihnen war Krieger. Kelan war ein friedliches Dorf, das von der Pferdezucht lebte und sich immer aus Auseinandersetzungen herausgehalten hatte. Die Bewohner waren weit bekannt für ihre ausdauernden, genügsamen Tiere gewesen und man hatte sie mit Respekt behandelt. Jeder von ihnen hatte sich stolz gereckt, wenn er von Kelan sprach und die Anerkennung in den Augen der Menschen gesehen hatte. Doch nun würde keiner mehr darüber reden, keiner mehr stolz auf sein Dorf sein, denn Kelan brannte. Und es hatte niemals eine reelle Chance bestanden zu siegen und das Dorf vor dem Untergang zu bewahren. Schon bald würde Kelan, wie schon so viele andere Dörfer davor, der Geschichte angehören. Ein vergessenes Stück Menschheit, das zusammen mit seinen Bewohner unter dem ewigen, alles verschlingenden Sand der Wüste verschwinden würde. Stumm starrte Zara an die Decke, während Tränen ihre Wangen benetzten bis sie vor Erschöpfung wieder in einen dieses Mal tiefen, Traumlosen Schlaf fiel. ⌘ Am Morgen wurden sie unsanft mit Tritten geweckt. Mit Gefluche jagte einer der Männer sie aus dem Zelt und hinaus in die Sonne. In der Nacht war eine Karawane eingetroffen. Gut vier Dutzend zum Teil schwer bepackter Kamele und fünfzehn Treiber hatten sich vor den Zelten versammelt. Den Mädchen wurden wieder die Hände gefesselt. Schmerzhaft schürften die groben Seile ihre Haut auf und schnitten ihnen in die Handgelenke. Nachdem die Zelte abgebrochen und verstaut waren wurden sie immer zu Zweit auf ein Kamel gesetzt, die Hände an den Sattel gefesselt. „Damit unsere wertvolle Ware nicht herunter fallen kann und wir dadurch um unser Gold geprellt werden!“, rief einer der Männer lachend und seine Kameraden grinsten. „Es wäre doch schade, wenn wir durch einen unglückseligen Sturz schlechte Geschäfte machen würden!“ Danach hob er die Hand und schwang sich auf sein Pferd. Das Zeichen zum Aufbruch. Behäbig erhoben sich die Kamele mit einem lauten Röhren aus der Tiefe ihres Schlundes, als ihre Treiber sie mit Rufen dazu aufforderten sich zu bewegen. Sie wurden in eine Reihe getrieben und schon waren sie unterwegs. Der sanfte, wiegende Gang des Kamels ließ Zara bald schläfrig die Augen schließen und vor sich hin dösen. Ihr war heiß, sie hatte Durst und die Sonne brannte ununterbrochen auf ihren ungeschützten Kopf herunter, da sie kein Kopftuch mehr hatte, das sie auch nur im Geringsten vor den sengenden Strahlen schützen konnte. Ihres musste bei dem Überfall am Tag zuvor irgendwann zu Boden gefallen sein und sie es nicht einmal mehr bemerkt. Irgendwann wurde ihr schwummerig und sie hatte das Gefühl das Bewusstsein zu verlieren. Der Schweiß stand ihr auf der Stirn und die Sonne blendete sie unaufhörlich, sodass sie ihre Augen schließen musste, um sich wieder zu sammeln. Ihr Kopf wippte leicht vor und zurück, während sie weiter durch die Dünen getragen wurde. In ihrem Dämmerzustand verblieb sie bis Stimmen ihre Aufmerksamkeit auf sich zogen. „Die Kleine hier wird uns eine Menge Goldstücke einbringen. Sieh dir mal ihre hellen Augen an. Sie sind außergewöhnlich. Von der Farbe des Himmels. Und sie ist noch dazu sehr jung und eine kleine Schönheit“, sagte ein Mann mit einem braunen Bart, der neben den Kamelen ritt. Ein anderer nickte zustimmend und meinte: „Ja, da hast du Recht, mein Freund! Am liebsten würde ich sie selber behalten, um mein Bett zu wärmen.“ Sie lachten heiser und schallend. Zara zuckte erschrocken zusammen, als sie den letzten Satz hörte, führte er ihr doch nur allzu sehr vor Augen, was sie erwarten würde. Sie krallte ihre Finger in den Sattel und eine einzelne Träne floss unter ihrem Augenlid hervor. ⌘ Nach zwei Tagen eintöniger Reise durch die brütende Hitze der Nairi Wüste erreichten sie schließlich Silah. In der Stadt der Nairi Fürsten war es war laut, staubig und stickig. Unter den Baldachinen des Basars liefen Männer, Frauen und Kinder eilig von einem Ende zum anderen des Marktes und wieder hier hin und dorthin. Hier und dort schnatterten Frauen mit bunten Kopftüchern aufgeregt miteinander, Männer feilschten um Ware und dunkelhäutige Sklaven trugen prall gefüllte Körbe auf ihren nackten Schultern durch die Straßen. Dazwischen schlängelten sich Bettelkinder, Hunde und Ziegen, Schafe und Hühner durch die Menge auf der Suche nach etwas Essbarem und Wasser. Die kleinen, schmutzigen Kinder liefen den wohlhabend gekleideten Menschen hinterher und flehten um ein paar Kupfermünzen, versuchten ihnen Kleinigkeiten zu verkaufen und duckten sich dann, wenn sie nichts bekamen, geschickt unter den Stockhieben der Leibwachen hinweg und tauchten wieder in der Menge unter. Die Sklavenhändler mieteten sich eines der hölzernen Podeste, die auf einem Platz im „Sklavenviertel“, dem Teil des Marktes wo die Sklavenkäufe und –verkäufe getätigt wurden, aufgebaut waren. Um sie herum handelten und feilschten schon viele Händler mit Interessierten Kunden oder untereinander. Ausgestellt auf den Podesten warteten die Sklaven auf ihren Verkauf. Alles war zu sehen. Frauen, Männer, Kinder. Frauen und Männer mit hellblonden Haaren, blauen Augen und blasser Haut aus dem hohen Norden und dunkelhäutige Kinder, die mit Fußketten aneinander gefesselt waren. Weinende Gesichter, emotionslose Gesichter, verängstigte Gesichter. Nur eines war ihnen gemeinsam: Alle sahen mit derselben Ungewissheit ihrer Zukunft entgegen wie die jungen Mädchen aus Kelan. Von ihren Entführern auf das Podest hinauf gescheucht, wurden den Mädchen ihre Tücher vom Kopf heruntergerissen und sie wurden laut schreiend von den Händlern angepriesen. „Seht euch diese Schönheiten aus der Wüste an. Ja, kommt nur her und seht sie euch an!“, rief einer der Männer und winkte mit den Händen die Leute heran. „Dunkle Haare und honigfarbene Haut. Seht euch diese Mädchen an.“ Viele kamen und besahen sich die Mädchen, neugierig auf die neue Ware. Die meisten kamen nicht um ernsthaft einen Kauf in Erwägung zu ziehen, sondern nur um zu sehen was die Händler heute zu bieten hatten. Zara versuchte die vielen gaffenden Blicke zu ignorieren, doch sie kam nicht umhin sich tatsächlich wie die Ware zu fühlen, die sie in den Augen dieser Menschen war. Ein Gegenstand, den man kaufen konnte, den man besitzen konnte, wenn man nur genug Münzen auf den Tisch legte. Sie trat der Demütigung mit all dem Stolz entgegen, den sie aufbringen konnte und der noch da war. Sie versuchte es und fast bildete sie sich ein es zu schaffen. Ihr Blick war auf einen Punkt in der weiten Ferne gerichtet, das Kinn stolz nach vorne geschoben, wie es eigentlich gar nicht ihre Art war. Doch dies war der einzige Weg mit dieser Hölle in irgendeiner denkbaren Weise zu Recht zukommen. Nicht sofort daran zu Grunde zu gehen. Immer auf diesen weitentfernten Punkt konzentriert bemerkte sie den Mann erst, als er mit herrischer Stimme vor dem Podest erklärte: „Zeig mir das Mädchen mit den blauen Augen!“ Sie streifte ihn mit einem kurzen Blick. Er war breitschultrig, sein Haar graumeliert und er war in vornehme Gewänder gehüllt. Er betrachtete sie mit einem abschätzigen, doch eingehenden Blick. Der Händler kam seinem Wunsch sogleich nach. „Natürlich, mein Herr“, flötete er und gab seinem Handlanger einen Wink. Dieser brachte Zara vor den reichen Herrn, dessen schwarze Augen wanderten unentwegt über ihren zierlichen Körper. Angewidert biss Zara sich auf die Lippen und hielt den Atem an. Der Sklavenhändler, wurde durch das lange Schweigen seines Kunden sichtlich nervös und begann Zara anzupreisen, um den Mann zu überzeugen das Mädchen zu kaufen. „Sie eignet sich für alles. Sie kann arbeiten. Was immer ihr wollt, mein Herr, wenn ihr versteht was ich meine!“, pries er und warf dem Kunden ein vertrauliches Lächeln zu. Dieser nickte einmal kurz und machte mit der Hand ein Zeichen in Richtung seines Dieners, der stillschweigend neben ihm stand. Dieser ging die zwei Schritte, die ihn von dem Mädchen trennten auf sie zu und blieb dann vor ihr stehen. Seine Miene war völlig emotionslos, keine Regung war zuerkenne, als er den Stoff ihres Kleides packte und mit einem harten Ruck daran zog, sodass er mit einem schrecklichen Geräusch zerriss und von ihren Schultern glitt. Entsetzt und fassungslos starrte Zara ihr Gegenüber an, doch sie bekam keine Reaktion. Der Mann hatte noch immer keine Miene verzogen, doch auch seine Augen streiften ihren Körper nun interessiert. Zara versuchte sofort ihre Blöße mit den Händen zu verdecken, doch der Händler zog grob an dem Strick, der um ihre Handgelenke geschnürt war und hinderte sie daran. Scham stieg in ihr auf, als die Männer um sie herum sie genau musterten. Dutzende von Augenpaaren brannten auf ihrer Haut. Wie konnte man einem anderen solch eine Demütigung antun ohne mit der Wimper zu zucken? Warum musste ausgerechnet sie es über sich ergehen lassen? Warum? Warum? Warum? Die kalte Stimme ertönte erneut: „Was wollt ihr für sie haben?“ „100 Goldstücke, mein Herr. Seht nur ihre Schönheit und diese blauen Augen. Außergewöhnlich, wenn ihr erlaubt, dass ich dies anmerke! Und die seidigen Haare von der Farbe der Nacht“, plapperte der Händler aufgeregt drauflos und rieb sich die Hände. Die herrische Stimme sagte: „Rede nicht so viel. Ich gebe dir 80 Goldstücke. Kein Einziges mehr.“ Eifrig nickte der Händler seinem Kunden zu und der Diener des Mannes übergab den ausgehandelten Preis in einem Lederbeutel indem das metallene Klirren der Münzen zu hören war. Zara wurde ein weiteres Mal ein Stück zur Seite gezerrt und der Strick, ihr Strick, wurde dem Diener übergeben, der an der Seite seines, nun auch ihres Herrn stand. Gezwungenermaßen folgte sie diesem Mann stolpernd durch die Menge. Als sie das Ende des Marktplatzes erreicht hatte, drehte die Schwarzhaarige sich noch einmal um. Sie blickte ein letztes Mal zu ihrer besten Freundin Maraja, die immer noch auf dem Podest zur Schau gestellt wurde und die sie niemals wieder sehen würde. ⌘ „Du hast zu tun, was man dir befielt. Egal was es ist. Hast du das verstanden?“ Eine Frau mit streng zurück gekämmten Haaren zog Zara gerade in ein Badezimmer. Dieses Bad verblüffte das junge Mädchen so sehr, dass sie die Frage nicht bejahte, obwohl sie so oder so rhetorisch gemeint war. Es gab kein Ja, kein Nein mehr. Nur noch Gehorsam. Bedingungslos. Doch in diesem Moment war das Bad von größerem Interesse für sie. Sie ertrug ihre eigenen Gedanken nicht mehr und so hatte sie sich in der letzten Woche alles was sie sah bis ins Detail eingeprägt nur um nicht zu denken. So auch hier. Das Bad – es war gekachelt. Alles war in weiß gehalten und eine flache, runde Wanne, in der bereits Wasser war, befand sich in einer Vertiefung in den Boden eingelassen. Alles wirkte in Zaras Augen viel zu wertvoll und prächtig. Als sie nicht auf die Aufforderungen reagierte, wurde Zara von einer jungen Frau aus ihren Sachen geschält. „Heute werde ich dir dies noch nachsehen, doch du solltest in Zukunft besser hören!“, sagte Marian, die Frau mit dem strengen Haarknoten nicht unbedingt unfreundlich. In ihren Augen stand Mitgefühl für die Neue und ein Funkeln, dass man als mütterliche Wärme deuten konnte. Zara nickte nach dieser Schelte eilig und Marian winkte mit der Hand. Daraufhin wurde Zara in die Wanne geschoben und die junge Frau, die sie eben schon ausgekleidet hatte, begann sie zu waschen. Es war ihr unangenehm von der anderen Frau berührt zu werden, doch Zara ließ es widerstandslos über sich ergehen. Sie war einfach zu müde und abgekämpft von der langen Reise und all den neuen Eindrücken, die auf sie eingestürzten. Auch die unvermeidbare Hoffnungslosigkeit und tiefe Angst, die nach ihrem Herzen griffen, trugen ihren Teil zu ihrer Ermüdung bei. Erschrocken besah sie ihr Gesicht im Spiegel, während ihre Haare gebürstet wurden bis sie schließlich in ein einfaches blaues Gewand gesteckt wurde, dass sich in sanften Wellen um ihren Körper legte und bis zu den Füßen reichte. Die Frau reichte ihr zwei Ledersandalen, die um die Fußknöchel geschnürt waren und bei denen es ihr erst nach zwei versuchen gelang sie sicher zu befestigen. „Der Herr legt großen Wert auf Sauberkeit und wünscht, dass alle seine Sklaven vernünftig gekleidet sind. Hast du das verstanden, Mädchen?“, fragte Marian sie ernst und wieder nickte Zara. Marian hatte sie zu Beginn nach ihrem Namen gefragt, doch bisher hatte sie sich nicht die Mühe gemacht ihn auch zu benutzen. Zara fühlte sich einsamer als jemals zuvor in ihrem Leben, als sie sich bewusst wurde, dass sie nun ein Niemand war. Ein Niemand. Eine Nichtigkeit. Keiner würde sich mehr für ihre Probleme, Träume und Wünsche interessieren. Vielleicht nie wieder? „Wie heißt du?“, fragte da eine sanfte, melodische Stimme überraschend. Es war als ob ihre Gedanken gelesen worden wären und das schwarzhaarige Mädchen sah erstaunt auf. Die junge Frau, die sie gewaschen und angekleidet hatte, sah sie fragend und erwartungsvoll an. Ihre braunen Augen blitzten unter den braunen Haarsträhnen, die in ihre Stirn hingen, freundlich hervor. Sie lächelte und sagte dann: „Ich bin Shaina.“ „Mein Name ist Zara“, murmelte die Gefragte schließlich und Shaina nickte zufrieden. Sie lächelte wieder und strich sich eine Strähne ihres Haares aus der Stirn. „Komm. Ich werde dir einige unserer Aufgaben zeigen und erklären.“ Sie führt die Jüngere aus dem Badezimmer bis in eine große, geräumige und sehr geschäftige Küche. Männer und Frauen liefen eifrig herum, brachten Sachen von einem Ort zum anderen, kochten und riefen sich Sachen in einem Dialekt zu, den Zara kaum verstand. „Komm, Zara, du kannst mir helfen dieses Gemüse zu schälen.“ Shaina winkte die Schwarzhaarige zielstrebig auf zwei kleine Schemel zu, vor denen sich Berge an Gemüse auf türmten. Zara bekam große Augen. Sie hatte nicht einmal gewusst, dass es so viele verschiedene Arten von Gemüse gab. Shaina zeigte ihr geduldig, wie sie die verschiedenen Knollen und Pflanzen zu schälen und zu scheiden hatte. Sie waren schon eine Weile still am arbeiten gewesen, als plötzlich die Küchentür aufging und eine junge Frau von vielleicht achtzehn Jahren eintrat. Sie hielt ihr zerrissenes Kleid um ihre Körper gewickelt und bewegte sich so, als ob sie unter großen Schmerzen litt, wie Zara sofort erschrocken feststellte. Ihre braun-blonden Haare waren zerzaust und hatten sich aus dem langen Zopf gelöst, der noch in Ansätzen über ihre Schulter hing. Sofort eilten Shaina und eine andere Frau auf das Mädchen zu und brachten sie in einen Nebenraum. Zara vernahm kurz darauf ihr leises Schluchzen. Erstarrt sah Zara auf die Tür, die den Nebenraum abgrenzte. Was war passiert? Panik befiel sie, ohne das sie es verhindern konnte und eine Gänsehaut überzog ihren zierlichen Körper. Sie bemerkte wie ihre Hände kaum merklich zitterten, während sie versuchte weiterhin ihrer Arbeit nachzugehen. Nach einiger Zeit verebbte das Schluchzen, welchem sie angespannt gelauscht hatte, letztendlich und Shaina und die andere Frau kamen wieder in die Küche. Auf einige fragende Blicke hin, sagte die ältere Frau schließlich: „Sie schläft.“ Ihr Blick war leer und doch traurig, vielleicht auch mitleidig. Er spiegelte sich in vielen Augen wider, doch alle wendeten sich stillschweigend wieder ihrer Arbeit zu, mussten ihr Pensum schaffen, um nicht selber bestraft zu werden. Außerdem war die Szene, die sich zuvor abgespielt hatte zwar nicht Routine, doch auch keine Seltenheit. So waren die reichen Herren eben. Zara erledigten ihre Aufgabe schweigend, danach musste die Küche aufgeräumt und geputzt werden, ebenso einige andere Zimmer. Sie staunte über die Größe des Hauses. Ein prächtiger Flur reihte sich an den nächsten, ein schönes Zimmer an ein anderes. Die Arbeit, das Neue hielten das Mädchen davon ab sich die ganze Zeit mit den Gedanken an die junge Frau mit den braun-blonden Haaren zu quälen, doch in ihrem Hinterkopf ließ das Geschehene sie nicht mehr los. . . . . . EDIT: o1.o1.2o11 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)