Step Into My World von RallyVincento ================================================================================ Kapitel 66: Step sixty-four... Truth III ---------------------------------------- Die Wahrheit ist eine unzerstörbare Pflanze. Man kann sie ruhig unter einen Felsen vergraben, sie stößt trotzdem durch, wenn es an der Zeit ist. Frank Thiess Mamoru Chiba Es ist so als würde man plötzlich aufwachen und alles was vorher war, wirkt so weit weg, so als wäre man aus einem langen Traum aufgewacht. Und man stellt fest, dass all die Alpträume einfach fort sind, da ist nur noch Glück und diese Wärme die einen überwältigt. Ein Glück das man nicht mit Worten beschreiben kann, das einfach alles umhüllt… So hätte ich mich gerne gefühlt. Stattdessen wachte ich auf und ich hatte einen Kater der feinsten Art. Mir schmerzte alles, mein Kopf, meine Beine, meine Arme und mein Hintern. Wir waren wie die Karnickel übereinander hergefallen und die Uhr hatte irgendwas mit 6 Uhr und so angezeigt bevor ich weg war. Das war genialer Sex gewesen, aber wieso um Himmelswillen war ich bitte jetzt schon wach? Ich quälte mich hoch und sah mich um. Meine Klamotten lagen verstreut auf dem Boden, ich spürte wie ich überall klebte und erinnerte mich daran, dass wir kein Kondom mehr benutzen mussten. Ich grinste etwas und mir fielen die kleinen Sonnenstrahlen auf, die durch die Ritzen des Vorhanges hindurch kamen und meinen Kater nicht besser machten. Massanorie lag neben mir auf dem Rücken und – ich konnte es nicht glauben, er schnarchte. Leise und wirklich noch erträglich, aber anscheinend hatte mich das wach gemacht. Mein Blick fiel nur kurz auf den Wecker als ich wieder ins Kissen zurück fiel. „9:13 Uhr“ murmelte ich nur und dämmerte wieder weg… … .. 9:13 Uhr… … .. „SCHEIßE!“ ich sprang auf und plötzlich war alles weg. Kater, Muskelkater, alles. Panik war nun das Wort das mich durchflutete. Ab jetzt lief alles schief! Ich verhedderte mich in der Zudecke und legte mich vor dem Bett lang, was Massanorie natürlich aufweckte, weil ich ihn mit der Decke hinter mir herzog. Er linste über den Bettrand zu mir runter. „Was soll das?“ er klang verstimmt, müde und verkatert. „Ich kann das nicht erklären… also schon. Scheiße. Ich muss um 10 Uhr in der Uni sein um meine Nachprüfung zu machen, sonst darf ich nicht weiter studieren.“ Das war alles was ich fast hysterisch heraus presste, bevor ich mich aus dem Deckenchaos befreite, mich aufrappelte und den Schrank aufriss. „Ich hab nichts zum anziehen hier…“ ich bekam Schnappatmung. Plötzlich griff eine Hand an mir vorbei, drückte mir eine Trainingshose in die Hand und einen Pullover. „Deine Hose, mein Pulli. Muss dann reichen für jetzt.“ Massanorie zog sich ebenfalls eine Jogginghose über und ein Shirt. Fast wie automatisch zog ich mich an, lief ihm hinterher, ließ mir eine Jacke und Schuhe in die Hand drücken und schließlich saß ich um 9:28 Uhr im Auto. Das Massanorie genauso wenig wie ich Autofahren sollte nach der letzten Nacht war egal. Ich musste zur Uni. 9:35 Uhr! Die Ampeln von GANZ Tokyo haben sich gegen mich verschworen und ich bemerkte, dass ich ungeduscht war. 9:42 Uhr! Ich begann langsam zu hyperventilieren und ich bemerkte, dass ich noch nach Sex roch. Hoffentlich war das nur Einbildung! 9:48 Uhr! Eine leichte Panikattacke mit kurzem Heulkrampf, ich hatte keinen Stift dabei, nichts… 9:55 Uhr! Massanorie hält vor der Uni, ich reiße die Tür auf und bekomme den letzten Satz von ihm nicht mit. Ich trug den grünen Parka und hoffte nur, dass ich es noch schaffen würde. Meine Lunge brannte und ich war so froh, dass der Campus leer war. Nicht mal meine Armbanduhr hatte ich um, also nur laufen und später schauen. Ich sprintete die Treppenstufen nach oben, immer zwei auf einmal. Nur noch um die Kurve und wenn ich Glück hätte wäre die Tür noch auf. Aus den Augenwinkeln sah ich ein gelbes Schild, aber gerade als mein Hirn mir sagte „Vorsicht rutschig!“ rutschte ich schon. Die Kurve hatte ich nicht bekommen und klatschte gegen die Wand. Es rumste und ich lag am Boden, den Mülleimer den ich mitgenommen hatte konnte ich gerade noch so festhalten, damit sein Inhalt sich nicht auf mir entlud. Nun lag ich auf dem Rücken, den Mülleimer mit einem Arm und Fuß haltend, das andere Bein an der Wand angewinkelt. Was war das denn bitte für ein Scheißtag? Es war doch alles perfekt gewesen!? Und nun? Ich lag am Boden meiner Uni, mit einem Mülleimer in der Hand. Trug eine graue Jogginghose, Sneakers, einen schwarzen viel zu großen Pullover, einen grünen Parka und roch nach Sex, Alkohol und an mir klebte Sperma meines Freundes. Es war so weit – zweiter Nervenzusammenbruch. Doch noch bevor ich mich in dieses Loch stürzen konnte, hörte ich Schritte und neben mir blieb jemand stehen. Es war Professor Doktor Tzumito Uyeda. Der einzige Prof der mich nie leiden konnte. Er hatte braune Haare die akkurat frisiert waren, einen gepflegten Bart und braune Augen die mich musterten. Er rümpfte kurz die Nase, bevor er in seinem Becher rührte und das Holzstäbchen in den Mülleimer warf, den ich noch immer festhielt. „Erst wenn ich den Raum betrete beginnt die Prüfung und erst dann hat keiner mehr zutritt.“ Damit drehte er sich um ging sehr langsam zu dem Hörsaal dessen Tür noch offen stand. schrie ich mich innerlich an, rappelte mich auf und hechtete mehr plump als galant an ihm vorbei und in den Hörsaal. Das ich natürlich der Letzte war und mich alles anstarrte ignorierte ich gekonnt. Gerade war mir das wirklich egal, ich hatte andere Sorgen! Mit mir waren hier noch zehn weitere Leute, die anscheinend die Prüfung ablegen wollten, aber es gab nur 6 freie Studienplätze, also würde hier nur durchkommen der gut gelernt hatte und ehrgeizig war. Super – traf beides nicht gerade auf mich zu. Ich suchte mir einen Platz am Fenster. Zweite Reihe ganz links. Hier saß ich etwas abseits und keiner konnte meine Fahne riechen. Echt, das würde doch sowieso nichts werden. Mein Blick schweifte durch die Reihen vor mir und nach rechts. Etwas verunsichert besah ich mir die „Konkurrenz“, die alle sehr gestylt aussahen? Die Männer in Hemd mit Krawatte, die Mädels in Bluse und Rock und dann kam ich. Ich hatte die dumpfe Ahnung das ich was verpasst hatte. Prof. Dr. Tzumito schloss die Tür und sah sich um und er schien nicht die Beste Laune zu haben. Wobei ich ihn nur so ernst kannte. Irgendwie mochte er mich nicht. Ich hatte zwei Kurse bei ihm gehabt und er war der einzige der meine Arbeiten zwar immer mit Bestnoten versehen hatte, aber wenn ich sie wiederbekam bedachte er mich immer mit einem leicht abwertenden Blick. Keine Ahnung was sich ihm getan hatte, aber bei anderen lächelte er wenigstens mal. Er holte einige braune Umschläge aus seiner Tasche, stellte einen Wecker auf das Vorlesungspult und lehnte sich dagegen. „Schön, dass sie es alle geschafft haben.“ , schoss es mir durch den Kopf und ich versank etwas auf meinem Platz und kratzte mich an der Nase. „Sie wissen, dass Sie für die Prüfung vier Stunden Zeit haben. Die Prüfung wird in zwei Teile aufgeteilt. Nach zwei Stunden endet der erste schriftliche Teil, dann bekommen sie zwanzig Minuten Pause und dann kommt der zweite Teil. Wie sich die verschiedenen Prüfungsteile gliedern, werden sie anhand der Fragen und Aufgabenstellungen selber erkennen. Nach dem zweiten Teil, werden sie alle vor dem Hörsaal warten bis ich sie aufrufe und zu mir hole. Ich habe mit dem Universitätsdekan und dem Prüfungsausschuss geredet und wir haben beschlossen, dass ich Ihnen noch mal in einem persönlichen Gespräch einige Fragen stellen werde. Dabei werden auch Professor Dr. Jukino und Prof. Dr. Ichiban anwesend sein…“ Ich sah mich völlig überfordert um aber alle nickten und mir wurde bewusst warum die so aufgedonnert waren. Ich war voll am Arsch. „… die wurde ihnen ja im letzten Schreiben der Universität bekannt gegeben.“ Er sah kurz zu mir und musste meinen Blick sehen und auch meine totale Verzweiflung. „Aber machen Sie sich keine Sorgen, es geht bei dem Gespräch um fachliche Kompetenz und da sie hier sitzen denkt die Universität wohl das sie diese besitzen – ich sehe das bei einigen anders!“ Ok, das war doch eine Spitze gegen mich oder irrte ich mich da? Aber es war egal, er verteilte die Umschläge, wies darauf hin, dass wir sie erst öffnen durften wenn er es sagte und als er mir schließlich den letzten Umschlag hinlegte, rümpfte er erneut die Nase, aber wenn ich mich nicht irrte schmunzelte er etwas. Er schaute auf seine Uhr und um 10:15 Uhr begann die Prüfung. Ich öffnete den Umschlag und versuchte den langsam wieder auftauchenden Kater zu ignorieren. Mir war wirklich schlecht und ich war müde und ich hatte Hunger und noch keinen Kaffee. Das würde voll in die Hose gehen. Ich griff nach rechts und erinnerte mich daran, dass ich nichts dabei hatte. Alles begann zu schreiben, aber ich hatte nicht mal einen Stift. Kopfschüttelnd fuhr ich mir durch die Haare und legte meinen Kopf kurz auf die Tischplatte. „Scheiße!“ wisperte ich nur und fuhr erschrocken zusammen als es neben mir klackerte. Prof. Dr. Tzumito stand neben mir, er sagte nichts und deutet auf den Kugelschreiber den er mir anscheinend hingelegt hatte, ebenso wie das Kaugummi. Anscheinend hatte er den Alkoholgeruch auch wahrgenommen, was sein Naserümpfen erklären würde. Er drehte sich wieder um, öffnete das Fenster neben mir auf Kipp und ging wieder auf seinen Platz nach vorne. Etwas irritiert war ich schon, aber dankbar. Ich schob mir das Kaugummi rein und nahm den Kugelschreiber und versuchte an dem Dunst in meinem Hirn vorbei alles abzurufen was ich brauchte. Nach zwei Stunden und kurz bevor der erste Teil zu Ende war, hatte sich der Hörsaal gelehrt und zwar bis auf mich. Tzumito lehnte an dem Pult und sah zu mir und auf die Uhr. „Noch zwei Minuten.“ Hörte ich ihn sagen. Mir fehlten noch drei Fragen und mir wollte einfach nichts einfallen. Mist! Dabei wusste ich genau, dass ich das Kapitel über Krebszellen gelesen hatte. „Noch eine Minute.“ Ich sah auf und dann auf das Blatt und zum ersten Mal wurde mir bewusst, was Yosuke mit dem Satz „Mut zur Lücke“ meinte. Ich legte den Stift beiseite und seufzte resigniert. Es war egal, mir würde es sowieso nicht mehr einfallen. Ich hörte seine Schritte und als er neben mir stand, klingelte der kleine Wecker auf seinem Pult. Kopfschüttelnd sortierte ich die Zettel, steckte sie in den Umschlag und gab ihn ihm. „Danke Herr Chiba.“ Ich lehnte mich zurück und wollte echt nicht mehr. Noch zwei Stunden würde ich das nicht überleben und danach noch ein Gespräch, das würde am peinlichsten werden. Gerade weil die beiden anderen Professoren jene waren die auch die größten Stücke auf mich hielten. Das hatten sie mir mehr als einmal erzählt, was natürlich gar keinen Druck ausübte. Andrea Lenjier Mein Blick wanderte auf die Uhr über der Tür und als ich das Ringen eines Weckers hörte, klopfte ich zaghaft an. „Ja?“ ich öffnete die Tür und trat ein. „Entschuldigen sie, aber ich suche… schon gefunden.“ Ich nickte dem älteren Herrn zu und sah zu Mamoru, der wirklich genau so verkatert wie Massanorie aussah. „Ihre Studenten meinten es wäre Pause.“ „Da wurden sie richtig informiert. Frau…?“ „Lenjier. Andrea Lenjier und das da oben ist mein Sprössling!“ Ich lächelte und zeigte kurz zu Mamoru. Der ältere Herr lachte leise auf. „Professor Doktor Tzumito. Freut mich. Und ich glaube ihr Sprössling hat etwas Aufheiterung nötig.“ Damit nickte er mir zu, nahm einen Stapel brauner Umschläge und verließ den Hörsaal. „Andrea?“ Mamoru sah mich völlig verdutzt an. „Na du. Massanorie hat mich angerufen und hat mir kurz erklärt, dass wohl alles etwas hektisch heute Morgen war.“ Damit öffnete ich meine Tasche und stellte ihm eine kleine Bento Box auf den Tisch, sowie eine Dose Kaffee. „Hier, ich dachte mir das kannst du gebrauchen.“ Ich setzte mich neben ihn. Mamoru sagte nichts, er öffnete die Box und verschlang mein essen und kippte den Kaffee fast auf Ex runter. „Danke.“ Nuschelte er halb kauend. „Ich sehe furchtbar aus, oder?“ Ich nickte. „Ja so könnte man es beschreiben.“ Schnell erzählte er mir, was heute Morgen passiert war und auch von der mündlichen Befragung später. Ich musste mir ein Lachen wirklich verkneifen, er hatte wirklich einen schlechten Start in den Tag gehabt. „Das wird schon. Ich meine, die wollen doch nur deine Fachkompetenz und nicht dein Aussehen beurteilen. Außerdem sind die selber schuld, wenn die so eine Prüfung auf den Tag nach Valentinstag legen.“ „Na das sehen die sicher anders. Ich hab so einen Kater und Professor Tzumito hat mir ein Kaugummi gegeben, mehr muss wohl nicht erwähnt werden.“ Er lehnte sich nach hinten und räusperte sich kurz als der Professor wieder hereinkam und erneut einige braune Umschläge bei sich trug. „Wie war denn euer Abend sonst so?“ „Hmm? Oh schön.“ Mamoru wurde rot und ich konnte das strahlen in seinen Augen sehen. „Hast du gewusst, dass er kommt?“ ich schüttelte den Kopf. „Nein. Seijiro hat mich auch überrascht. Wir waren Essen und dann im Theater. Also haben sich die beiden wirklich angestrengt uns zu überraschen.“ Ich zwinkerte und lächelte. „Ja. Hat ja auch geklappt.“ Kam es glücklich von ihm. „Also kann ich noch irgendwas für dich tun? Wenn du willst bring ich dir was anderes zum anziehen.“ Mamoru seufzte. „Ich glaube das bringt nichts. Wenn ich das recht sehe, rufen die nach alphabetischer Reihenfolge auf und wenn mein Kater nicht alles in meinem Hirn zu Brei verwandelt hat, müsste ich der erste sein.“ Wisperte er nur in meine Richtung. „Da haben sie recht Herr Chiba. Sie kommen nachher als erster an die Reihe.“ Kam es dann plötzlich von unten. Mamorus Professor sah kurz auf und sah zu uns hoch. „Sie sollten nicht vergessen, dass die Hörsäle schlecht zum flüstern sind, weil es schallt.“ „Ähm, ja. Entschuldigung.“ Stotterte Mamoru nur. „Naja dann gib einfach dein bestes. Wir werden trotzdem stolz auf dich sein.“ Einige der anderen Studenten kamen wieder rein und ich verstand das als Zeichen dafür, dass ich nun gehen musste. Mamoru sah mich dankbar an. „Danke…“ „Nicht dafür. Dafür sind Mütter doch da.“ Ich zwinkerte ihm zu, packte die Bento Box und die leere Dose ein, kramte eine weitere Volle und eine Tafel Schokolade aus meiner Tasche und legte sie ihm hin. „Nervennahrung!“ Er grinste nur. Ich verabschiedete mich kurz von dem Professor und ging wieder in Richtung meines Autos. Massanorie war am Telefon etwas angefressen, weil er nichts von der Prüfung oder das Mamoru wieder studieren wollte wusste. Aber ich meinte nur, dass ich ihm das erklären würde, wenn er ausgeschlafen sei. Das brummeln am Telefon nahm ich als Bestätigung, Seijiro hatte das Ganze nur ansatzweise mitbekommen hatte mich aber auch gefragt was da los war. Also musste ich nun zu Hause einige Fragen beantworten. Aber das würde schon werden. Und ich hoffte wirklich, dass Mamoru das packte. Trotz Kater und Outfit-Desaster! Mamoru Chiba Das Andrea mir wirklich was zum frühstücken brachte, fand ich toll. Dafür musste ich mich wirklich noch mal richtig bedanken und Massanorie konnte ich auch knuddeln. Grinsend saß ich nun auf meinem Platz und freute mich schon darauf wieder nach Hause zu kommen. Vielleicht konnte ich mich dann auch nochmal erkenntlich zeigen? Ein räuspern ließ mich zusammen zucken. Ein brauner Umschlag wurde vor mir abgelegt. Prof. Tzumito lächelte matt. „Tagträumen können sie später.“ Kam es nur belustigt von ihm. „Ja. Entschuldigung.“ Kam es schnell von mir. Aber es wunderte mich, dass er plötzlich nicht mehr so komisch mir gegenüber war. Der zweite Teil befasste sich nur mit den Sachen aus den letzten Semestern und hatte als eine Aufgabe einen Text zu schreiben, der sich mit der Ethischen Frage der Medizin beschäftigte. Das war einfach, das waren die vier Prinzipien ethischen Handelns. Die konnte ich auswendig. Also das würde dann doch ein Kinderspiel werden – hoffte ich. Diesmal war ich zwar wieder als letzter fertig, aber diesmal sogar bevor der Wecker klingelte. Also konnte man sagen, dass ich mich steigerte. Vielleicht hatte Andrea recht und der mündliche Teil würde gut laufen, egal wie ich aussah. Draußen auf dem Flur ließ ich mich auf einem der Stühle nieder und schloss kurz die Augen. Die anderen wanderten den Flur auf und ab und man sah sie noch in Büchern blättern. „Naja was ich jetzt nicht weiß werd ich auch in den nächsten zehn Minuten nicht wissen.“ Ich redete eigentlich nur mit mehr selber. „Dass das von Ihnen kommt, überrascht mich!“ ich sah auf und starrte Professor Tzumito an. Seufzend lachte ich leise. „Ja ich weiß. Aber Prioritäten verschieben sich.“ Gerade war es egal ob ich ehrlich war oder nicht. Der Mann konnte mich sowieso nicht leiden und mit meinem Auftritt heute hatte ich sowieso die Grenze des Zumutbaren überschritten. Doch er erwiderte nichts darauf, aber ich merkte, dass er mich kurz beobachtete. „Hier. Das sollten sie nochmal kauen. Nicht dass wir noch alle betrunken werden.“ Er hielt mir ein Kaugummi hin. Ich nahm es zögerlich und er ging, die Prüfungen unterm Arm geklemmt, ohne noch etwas zu sagen. Es vergingen nur knapp zehn Minuten bevor er zusammen mit den beiden Kollegen wieder kam. Sie grüßten höflich, aber ich konnte den etwas irritierten Blick sehen als ihr Blick auf mir haften blieb. „Wir rufen sie gleich auf, also warten sie bitte in der Nähe.“ Kam es schließlich an uns alle gewandt, bevor sie im Hörsaal verschwanden und die Tür ins Schloss fiel. Ich atmete tief durch und versuchte nicht all zu nervös zu werden. Wenn ich bloß diesen Brief gelesen hätte, war der überhaupt bei mir angekommen? Angestrengt überlegte ich, aber ich konnte mich beim besten Willen nicht erinnern. „Chiba!“ Ich zuckte zusammen. Professor Dr. Jukino stand an der Tür und sah mich ernst an. Anscheinend hatte ich meinen Einsatz verpasst. „Ja!“ kam es nur schnell von mir, bevor ich aufsprang und den Hörsaal betrat. Ich nahm den Platz vor dem Pult ein, welches mich von den drei Professoren vor mir trennte. Alle drei hatten einen Block vor sich liegen, sowie einen Stapel Papiere. Anscheinend hatten sie von jedem der heute anwesenden Studenten Arbeiten mit dabei um genau zu beurteilen wer einen Platz verdiente und wer nicht. Aber anders als Jukino und Ichiban, hatte sich Tzumito zurück gelehnt und beobachtete mich eindringlich, als wäre er sich immer noch nicht sicher was er heute von mir halten sollte. „Ich war sehr erfreut als ich ihren Namen auf der Liste der Prüflinge gesehen habe. Es war für mich sowieso unverständlich warum sie einfach das Studium aufgegeben haben. Jedoch muss ich zugeben, bin ich etwas irritiert, wenn ich sie betrachte. Man könnte meinen sie hatten keine Ahnung über dieses Gespräch.“ Ichiban sah mich an und zog eine Augenbraue hoch. Was sollte ich denn nun sagen. Fragend sah ich Jukino an und dann Tzumito, dieser sah zu seinem Kollegen und zuckte mit den Achseln. „Ich habe im Kollegium meine Bedenken dazu geäußert. einen Prüfungstermin einen Tag nach Valentinstag durchzuführen.“ Die beiden anderen beachteten den Kommentar nicht einmal, sondern sahen mich immer noch erwartungsvoll an. „Also… ich…“ Ich hatte keine Ahnung was ich sagen sollte. Normalerweise passierte mir sowas nicht. Aber es hatte sich so viel geändert und nun war ich in einer Situation, die ich nicht kontrollieren konnte und das war neu für mich. Im Studium hatte ich immer alles unter Kontrolle, meine Noten, wie andere mich wahrnahmen – aber das war weg. Anscheinend wurden sie ungeduldig. „Na gut, befassen wir uns mit anderen Dingen.“ Unterbrach Jukino die Stille. „Wir haben noch einige Fragen, da wir nur eine begrenzte Anzahl von Studienplätzen zur Verfügung haben, müssen wir diesmal auch auf andere Kriterien der Auswahl zurück greifen. Es reicht also nicht nur ihre schriftliche Benotung, sondern es wird auch eine Beurteilung von uns geben die am Ende positiv oder negativ zu ihrem Prüfungsergebnis gezählt wird.“ Er sah mich kurz an. Mit einem nicken gab ich zu verstehen, dass ich es verstand. Zu Beginn waren es kurze Fragen zu inhaltlichen Dingen, die sie auch in der schriftlichen Prüfung hätten abfragen können. Jedoch beruhigte mich das etwas, da ich alles beantworten konnte. Sie machten sich Notizen, wobei Tzumito sich weniger aufschrieb als seine Kollegen, das machte mich etwas nervös. „So nun würde ich gerne wissen, warum sie unbedingt wieder ins Studium einsteigen wollen? Sie hatten ja einen Grund aufzuhören.“ Tzumito sah mich an, lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander. Nun herrschte Schweigen. Ich starrte ihn an und versuchte eine Antwort zu finden, die so geschickt formuliert war, dass sie glaubhaft war und zufriedenstellend. Aber mir fiel nichts ein. „Also?“ Er tippte mit seinem Kugelschreiber auf den Block, welchen er sich auf den Schoß gelegt hatte. Und dann lief das ganze letzte halbe Jahr vor meinen Augen ab und ich wusste, dass die Antwort die ich geben sollte, nicht die war die ich geben wollte. „Ich hab aufgehört, weil ich erst meine finanzielle Lage verbessern wollte, da ich mir mein Studium alleine finanziere. Und dies leider dazu führte, dass meine Ressourcen oft begrenzt waren. Aber nun befinde ich mich in der glücklichen Lage, dass meine Finanzen sich gebessert haben und ich mich wieder völlig dem Studium widmen kann. Und der Grund warum ich wieder einstiegen will ist, dass ich ein großartiger Arzt werden will, der andere inspiriert und Leben rettet. Zudem ist der Arztberuf sehr facettenreich und erfüllend. Täglich gibt es neue Herausforderungen und die Arbeit bleibt spannend. Zudem bietet der Beruf die Möglichkeit, verschiedene Altersgruppen und Kulturen kennenzulernen. Als Arzt kann man für die Gesellschaft einen wichtigen Dienst leisten und Verantwortung übernehmen.“ Ichiban und Jukino nickten und sahen zufrieden aus, sie machten sich kurze Notizen. Mein Blick wanderte auf den Boden und ich wusste das war der Moment wo ich mich für einen Weg entscheiden musste. „Das wäre wohl meine Antwort auf ihre Frage gewesen, wenn sie mich vor sechs Monaten gefragt hätten. Aber das ist nur genau das was sie hören wollen, das was man sagen sollte. Die Wahrheit ist aber…“ ich sah auf und sah den völlig irritierten Blick der beiden. Aber Tzumito lehnte sich nach vorne und schien interessiert. „… ich hab keine Ahnung! Ja es stimmt, ich musste einfach aufhören weil ich kein Geld mehr hatte, aber eigentlich wollte ich gar nicht mehr anfangen. Und der Grund warum ich jetzt hier sitze ist einfach – etwas anderes als das hier kann ich nicht. Ich bin nicht besonders gut in anderen Dingen und das hier kann ich gut. Also Dinge auswendig lernen und so. Ich bin wahrscheinlich der letzte Mensch auf dieser Welt der Arzt werden sollte. Ich kann nicht gut mit Menschen umgehen und bin schnell genervt von anderen und ich hab Angst vor Spritzen. Und der Grund warum ich heute aussehe wie der letzte Depp vom Dienst ist, dass Professor Tzumito recht hat. Gestern war Valentinstag und ich war feiern und hab es etwas übertrieben, aber ich bin in einer festen Beziehung und da sind die Prioritäten oft nicht so wie andere sie gerne hätten. Also ich hab keine Ahnung warum sie mir diesen Platz überlassen sollten, aber ich will mein bestes geben, weil ich… weil ich nicht so werden will wie dieser Arzt der mir mit sechs Jahren ins Gesicht geschmettert hat das meine Eltern tot sind, dass es ein Wunder ist das ich noch lebe und der in meinen Augen total unsensibel war. Ich will Arzt werden, weil ich es besser machen will als er, weil ich nicht nur Nummern behandle oder Zahlen in einem System, das sich Krankenhaus schimpft, sondern lebendige Menschen, die lieben und leiden, die alles verlieren wenn ich nicht mein Bestes gebe.“ Stille. „Und nur damit wir das hier klären, ich bin in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung.“ Es kam nichts, keiner sagte etwas. Nach einer gefühlten Ewigkeit, stand ich einfach auf. Rückte den Stuhl zurecht und verbeugte mich. „Anscheinend hat sich das hier erledigt. Danke für die Chance und Entschuldigung für die Umstände!“ Keiner hatte etwas gesagt, oder mich aufgehalten als ich den Hörsaal verließ. Draußen empfing mich ein kalter Wind und es war seltsam, aber ich bereute es nicht. Es war die Wahrheit und ich hatte zulange gelogen und Dinge gesagt, die andere hören wollten. Plötzlich war mir klar, dass es egal war was ich machte. Andrea, Seijiro, Massanorie, May, Yosuke und Shogo – sie alle waren da. Und das reichte mir! 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