Sommeropening von kono ================================================================================ Kapitel 2: Opening 3 - Ein Wiedersehen - ---------------------------------------- Der Korb kam für Kai so plötzlich, dass Lester schon verschwunden war, bevor er reagieren konnte. „Hm, Lester Vechn, ein origineller Name, das wird sicher noch lustig!“ waren die letzten Worte, bis auch Kai, die Eisdiele verließ, um in Gedanken an Lester, sich seinen Einkäufen zu widmen. „Mensch, das war mal ´ne Feier!“ sprudelte es fröhlich aus Max heraus, der noch beschwingt und voller guter Laune war. „Ja, die war echt klasse, Jungs! Das habt ihr toll gemacht, nur schade, dass Ray schon heute nach Hause fliegen muss! Ach, Kai, wie geht ´s dir denn heute?“ sagte Tyson nicht nur laut, sondern auch mit einem breiten Grinsen, dabei schlug er mit der flachen Hand auf Kais Schulter. Doch Kai war nicht nach guter Laune zumute, denn nach der durchzechten Nacht und dem übermäßigen Alkoholkonsum, hatte Kai schlechte Laune. Hier sollte natürlich keinerlei Vorurteil gehegt werden, dass russische Bürger viel trinken würden, aber dennoch, vielleicht lag es auch am Umgang mit Tyson und dem Stress bei den Bladebrakers, Kai würde da bestimmt eher auf den Stress mit Tyson tippen, aber in dieser Zeit hatte er den Alkohol als guten Freund akzeptiert. So quälten ihn nicht nur der Kater der letzten Tage, nein für Kai kam noch das nervige Gequassel Tysons zum Schlechte- Launefaktor dazu. So konnte man Kai kaum verübeln, dass er leicht gereizt, Tysons Hand wegschlug und ihn anfuhr: „Mir würde es wesentlich besser gehen, wenn du aufhören würdest zu labbern!“ Daraufhin mussten Tyson und Max so lachen, dass sie sich gegenseitig stützen mussten. Ein ganz normaler Montag fing somit an. Es war ein schöner Montag, genau passend für den Sommer, den blauen Himmel zierten nur vereinzelte Wolken. Es war zwar noch früh, doch Kai und seine Freunde mussten halt noch die letzte Woche vor den Sommerferien zur Schule. Was keinem von ihnen sonderliche Freude bereitete. Die Drei hatten den Schulhof passiert, als endlich Max und Tyson mit dem Lachen aufhören konnten und nur noch ein vereinzeltes Glucksen zu hören war. Entgegen Kai, der sich wie üblich ausschwieg, fingen Max und Tyson an über die Party vom Wochenende zu reden. Es gab zwei Gründe, warum Kai sich ausschwieg, einer und dazu der Grund, der oft dafür sorgte, dass er in der Gruppe als der Ruhige galt, war, dass es nur wenig Gesprächsthemen gab, mit denen Kai mit den anderen redete. Das lag zu einem an den Gründen ihrer entstandenen Freundschaft und zum anderen, dass er vor 5 Jahren, bevor er nach Japan kam und bevor er Tyson und die anderen kennen lernte, ein eher zurückgezogenes Leben führte. Denn sein Großvater hatte ihn bis zu seinem 12. Lebensjahr sehr isoliert von anderen erzogen. Seinen Vater, besser gesagt der Familie von Kais Vater gehörte eine riesige Kette von Spielzeugfabriken, Einkaufsläden, Trainingshallen und Forschungszentren auf der ganzen Welt, mit dem Hauptsitz in Russland. So hatte sich die Familie väterlicherseits ein großes Vermögen angehäuft und ihr Name war heute noch in vielen Ländern bekannt. Doch der Name Hiwatari gehörte seiner Mutter, einer berühmten japanischen Schauspielerin. Die auch heute noch einige gute Aufträge bekam, aber jetzt lieber für Kai, als Hausfrau zu Hause blieb. Was Kai eigentlich nicht möchte. Wie es zu der Liebe zwischen seinem Vater und seiner Mutter kam, war schon purer Zufall, aber war Liebe nicht immer purer Zufall? Denn damals ergab es sich, dass sein Vater nach Japan sollte, um dort eine neue Filiale zu eröffnen, dabei wurde eine berühmte Schauspielerin engagiert, Kais Mutter. Sie war jung, schön, begabt und so war es kein Wunder, dass sich beide ineinander verliebten. Das Glück der beiden währte lang und bald wurde ihnen ein Sohn geschenkt, Kai sollte er heißen. Schon damals gab es viel Streit um ihn. Zwar hatte Kais Großvater noch einen weiteren Sohn, doch hatte er noch keine Kinder, so versuchte er seinen Sohn und seinen Enkel zurück nach Russland zu zerren, damit Kai eine Ausbildung erhielt, die zur Firma passte. Doch Kais Eltern stellten sich dagegen und heirateten, als trotz nahmen sie den Namen Hiwatari an. Aber das Schicksal meinte es nicht gut, denn als Kai 3 Jahre alt war, passierte etwas Furchtbares. Als Kais Vater für seine Firma zur Bank ging, wurde sie überfallen, man nahm ihn und einige andere Leute als Geisel. 4 Stunden dauerte die Geiselnahme. Natürlich kam darüber reichlich in den Nachrichten, dass die Bevölkerung und auch Kais Mutter, die vollkommen besorgt um ihren Mann bangte, Kai selbst war zu jung, um zu verstehen, dass sein Vater in Lebensgefahr schwebte. Als die Polizei endlich eingriff, verloren die Bankräuber die Nerven, es folgte ein Schusswechsel, es gab dann eine kurze Pause, wo einer der Räuber seine Waffe auf einen 3 Jahre alten Jungen richtete, wahrscheinlich durch den Stress löste sich der Schuss. Doch die Kugel traf nicht den Jungen, der mit seiner Mutter als Geisel genommen worden war, nein es traf Kais Vater, der sich schützend vor ihn warf. Das war ein harter Schlag, für die Hiwataris. Nach dem Tod und der Beerdigung fing Kais Mutter mit dem Trinken an. Das bemerkte auch Kais Großvater und versuchte dann durch einen gerichtlichen Beschluss die Vormundschaft zu bekommen. Nach einem Jahr hatte er genug Beweise, um Kais Vormund zu werden. Damit fing Kais Martyrium an! Er wurde von allen isoliert, er musste lernen und trainieren, um stark zu werden und somit die Leitung der ganzen Firma zu übernehmen. Ein Herzstück des Trainings und das Einzige was Kai Freude bereitete, war das Beybladen! Hier traf er auch ab und zu Jungs in seinem Alter. Doch wurde er stets, gleich nach dem Training wieder isoliert. Nach einiger Zeit, isolierte sich Kai schon von ganz allein und wurde hart und unnahbar, zur einzigen Freude seines neuen Vormunds. Kai hatte sich damit abgefunden, keine Freunde zu haben, allein zu sein und nur die Einsamkeit zu spüren, er unterdrückte alle Emotionen, weil er nur den Schmerz kannte, was später zur Folge hatte, dass er sich auch für alle anderen Emotionen abschottete. Als er dann 12 wurde, schaffte es seine Mutter, die nachdem man ihr auch noch ihren Kai genommen hatte, daran arbeitete Clean zu bleiben, dann schon 5 Jahre trocken war, wieder die Vormundschaft zu bekommen und sich Kai wieder zurückzuholen. Doch bald musste sie merken, dass das Eis Moskaus Kais Herz vollkommen erfroren hatte, lassen. Er war schweigsam, alleingängerisch, undurchdringlich und kalt. Es dauerte lange bis sich Kai einer festen Gruppe von Freunden anschloss, die er nur in seinem Sport fand, Beyblade, den Bladebrakers. Natürlich war seine Mutter immer besorgt, wenn Kai auf Reisen um die Welt und besonders nach Moskau ging, aber er kam immer zurück und zu ihrer Freude immer ein Stück offener! Für Kai, der nie Freunde hatte, war es eine harte Zeit bei seiner Mutter, da er sich sehr umstellen musste, er sah sie nicht als Mutter in den letzten Jahren oder jetzt, nein sie war sein bester und wahrer Freund, er hatte gelernt, dass er sich, egal was war und ist, an sie wenden konnte. Nur für sie, ging er zu Mister Dickenson, zu den Bladebrakers und gewann und es hatte sich gelohnt, auch wenn einiges heute ihn noch annervte an seinen Freunden, an Tyson besonders, aber er hatte wenigstens Freunde und er konnte sagen es waren gute Freunde, auch wenn er ihnen nie das anvertrauen würde, was er seiner Mutter anvertraute. Das was, aber der zweite Grund seiner Stimmung war, hatte er auch nicht seiner Mutter erzählt, es war ihm irgendwie peinlich! Denn in letzter Zeit passierte es des Öfteren, dass er nicht nur an Beyblade oder an seine Mutter so oft dachte, sondern, vielleicht noch öfter, an den Jungen aus der Eisdiele. Ein kleiner Seufzer entfleuchte ihm. „Hey, Kai was los?”, war die Frage von Tyson. „Klingst ja fast so, als wärst du verliebt!“, mit einem riesigen Grinsen wurde Kai diese Aussage dargelegt. „Was?“, sagte Kai sehr erschrocken, weil Tyson den Nagel auf den Kopf getroffen hatte und das selten genug war. „Ja, das Klang wie ein Liebesseufzer, ich glaub unser Kai hat sich verliebt!“, das Grinsen Tysons ging gerade Richtung Ohren. „Ja, stimmt! Es klang diesmal gar nicht deprimiert! Sondern eher erwartungsvoll, Tyson du könntest recht haben!“, meinte Max. „Das ist erstaunlich!“ „Wieso ist das erstaunlich?“, fragte Kai wieder gereizter. „Na ja, ich hab dich noch nie so seufzen gehört!“, sagte Max. „Und ich dachte, du mürrischer Typ würdest dich nie verlieben!“, lachte Tyson. Kai wollte gerade etwas erwidern und Tyson drohend die Faust ins Gesicht halten, doch da hörte er etwas, es war schon leise, aber schön. Doch wurde es durch Tysons Lachen jäh unterbrochen. „Halt die Klappe!“, schrie Kai. „Eh, nicht so gereizt!“, verteidigte sich Tyson, der auch schon mit der Faust gerechnet hatte. „Ne, Tyson, sei kurz ruhig!“, kam es von Max. „Hört ihr das?“, fragte Kai. „Was hören?“ „Schon klar, dass Du nix hörst, wenn du die Klappe halten würdest, könntest du es hören!“, fuhr Kai ihn an. „Das klingt wie ... wie Musik!“, spekulierte Max. „ Ich glaub sie kommt aus der Richtung des Lehrerzimmers! Los wir gehen mal hin!“ Ja, es war Musik und eine Schöne dazu, sie lud förmlich zum Tanzen ein, der Rhythmus, die Melodie war hell, schnell und fröhlich und um so näher die Drei dem Lehrerzimmer kamen, umso lauter und schöner wurde sie und man konnte hören, dass es der Klang einer Geige war, welche der Musik ihre Flügel verlieh. Vor dem Lehrerzimmer hatte sich eine ganze Menge an Schülern angefunden, die mehr in der Musik wippten, als dass sie standen. Auch Kenny wippte mit! „Ah, da seid ihr ja!“, rief ihnen Kenny zu. „Was geht da ab, Kenny?“, fragte Tyson. „Ich weiß nicht, da steht einer und spielt den Lehrern ein Liedchen, er ist gut!“ „Weißt du, wer das ist?“, fragte Max. „Nein! Leider nicht, vielleicht ein Künstler, für eine Feier, hab keinen Schimmer!“ Tyson versuchte sich gerade durch die Masse an Schülern zu drängeln, um einen Blick zu erhaschen! Doch er kam nicht durch, was ihn verärgerte. „So ein Mist, die stehen wie die Ölsardinen! Da ist kein Durchkommen, man kann nix sehen!“, meckerte Tyson. „Hättest auch so nix gesehen, denn die Tür ist zu!“, informierte ihn Kenny. „Was!? Das sagst du mir jetzt!“, schreite Tyson. „Na ja, du hast ihn ja nicht gefragt!“, sprach ihm Max zu. Darauf fingen Max und Kenny an zu lachen. Tyson zog nur ein Gesicht und fing an zu diskutieren. Ein fast normaler Tag für Kai, gut er war nicht ganz normal, es spielte nicht oft jemand im Lehrerzimmer und auch nicht so gut! Aber die Zankereien, die waren normal, meistens fand er sie auch lustig, aber selbst dann lachte er nicht, er wollte seinen Ruf als mürrischer Draufgänger nicht verlieren. Er hörte sich noch etwas die Musik an und ging mit dem Rhythmus im Ohr zum Klassenzimmer und lies die Drei, wie üblich allein in ihrer Diskussion stehen. Es war Mittagspause und die Vierer Gruppe ging auf den Hof, um ihre Esspakete zu verputzen. Was Kai am wenigsten an diesem Mittag gefiel, war, dass er das Thema des gerade laufenden Gespräches war. „Das ist erstaunlich!“, sagte Kenny. „Ach, nicht du auch noch Kenny!“, seufzte Kai diesmal deprimiert. „Nein, nicht dass du verliebt sein könntest, ich mein das Tyson es heraus gehört hat!“ Das war ein treffender Einwand, welcher auch Max zu gefallen schien und die Drei Tyson ansahen, der nur verschmitz lächelte. „Ja, woher wusstest du das eigentlich?“, fragte nun Max. Kai widersprach: „Wieso wissen? Er weiß gar nix, ich bin nicht verliebt!“, sagte er verbissen, wobei seine Gesichtsfarbe in ein warmes Rosa unter den Augen wechselte. „Ja, ja Kai! Ich weiß es, weil ich es selbst kenne und Bücher darüber gelesen habe!“, sagte Tyson stolz. Das ist zu viel für Max und Kenny, sie müssen lachen, laut und ausgiebig und auch Kai kann ein Lachen nicht verhindern, auch wenn es eher wie ein dunkles Kichern klang, aber das zählt. „Es geschehen heute viele Wunder, erst ist Kai verliebt …“, fing Kenny schallend lachend an. „Und dann hat Tyson Bücher gelesen, außerhalb der Schule!“, beendete Max mit einem gleich lauten Lachen. Kai fing sich langsam wieder. Tyson schaute sie alle mit einem finsteren Blicken an, bis endlich das Lachen aufhörte. „Ja und wer ist die Glückliche, Tyson?“, entgegnete Max grinsend. Alle warteten gespannt auf eine Antwort. Nur Kenny schaute auf einmal sehr merkwürdig, leicht verstört, als ob er was Falsches gegessen hätte. „Das verrat ich euch nicht!“, enttäuschte Tyson sie, doch fixierte er dabei Kenny und verfolgte, wie er immer noch irritiert schaute. „Kennen wir sie?“, fragte Max hartnäckig. „Ich schweig mich aus!“, dabei immer noch mit dem Blick fest an Kenny genagelt. Doch ein hoher Ton erlöste Tyson und Kenny, es war ein Geigenton, so hoch und lang gezogen, dass der ganze Hof ihn verfolgen konnte, bis auf das Dach des 3-stöckigen Schulgebäudes. Hinter der Absperrung des begehbaren Daches stand nur ein Junge, mit einer Violine in der Hand und spielte. Erst langsam und ruhig aus einem Wechsel von hohen und niedrigen Tönen, doch dann wurde es wilder und ein Schwall tiefer Töne schwappte über das Gelände. Melodisch, taktvoll und rhythmisch zogen sich die Töne über den gesamten Schulhof. Aber dem nicht genug, wechselte er nun in der Melodie immer wieder die Tonlagen und wippte in seinem eigenen Lied. Der ganze Hof war wie erstarrt, nicht weil es unschön oder ohrenbetäubend war, nein, es war eine faszinierende Musik, schön, schnell, fesselnd und atemberaubend, alle wollten hören und sehen, wer und was er spielte. Der ganze Hof war verzaubert. Kai stand so günstig, dass er sehen konnte, wer genau da auf dem Dach stand, er kannte das Gesicht, was den meisten auf dem Hof nicht vergönnt war, es war sein Engel, der diese himmlische Musik projizierte. Der Name, wessen Gesicht es zierte, war Lester Vechn. Ohne das die Anderen ihn hinderten, weil sie selbst noch voll im Taumel der Musik standen, rannte Kai los, er rannte keine Runde durch den Hof um so was zu schreien wie, „Das ist mein Geliebter Lester Vechn!“, nein, er rannte in Richtung Dach, vorbei an allen die nur da standen, um sich in den Klängen der Sonaten zu verirren, vorbei an denen, die nur genießen wollten, indem sie zu hörten. Doch Kai wollte mehr! Aber sein Plan ging nicht auf, weil vor der Treppe zwei Lehrer standen und ihn aufhielten. „Wo hin mein Junge?“, sagt der Eine, Herr Makanaki, Kunstlehrer. „Das Dach ist die Pause über gesperrt!“, sagt der Andere, Herr Isesaki, Musiklehrer. „Ich würde gern mit dem Jungen auf dem Dach reden, ich kenn ihn!“, sagte Kai mit einem höflichen Ton. Lester war ziemlich mulmig zumute, nicht nur das Er ziemlich hoch stand, nein, er hatte auch noch nie in seinem Leben vor einer ganzen Schule gespielt. Er hatte noch nie allein für mehr als 100 Leute gespielt und auf dem Hof tummelten sich sicher mehr als 200 Schüler. Doch er legte nicht den Bogen aus der Hand und spielte unbekümmert weiter. Er ließ seine Geige nun ruhige und sanfte Töne singen, was fast wie ein kleiner Chor klang, der ein Sopran sang. Zärtlich streichelte er die Violine mit seinem Bogen, nun wieder tiefere und schnellere Töne, denn nun wollte er zum Schluss seines kleinen Auftrittes kommen. Kai versuchte immer noch vergeblich an den beiden Lehrern vorbei auf das Dach zu kommen, aber leider blieben die Lehrer wie zwei Steingötzen an ihren Posten stehen und bewegten sich nicht ein kleines Stück weiter, sie versperrten alles, bis auf den Schall der immer schneller vom Dach kam. Doch plötzlich, ein lang gezogener Ton, dunkel wie eine dumpfe Kirchenglocke, die wahrscheinlich gerade die ganze Schule aus ihrer Trance geweckt hatte und wie, als wäre es ein Signal, traten die Lehrer ohne ein Wort beiseite und Kai konnte endlich die Treppe raufstürzen. Lester klappte seinen Geigenkoffer zusammen, wischte sich mit der Rechten über die Stirn und ging schnurstracks zur Treppe, ohne noch einmal auf die immer mehr werdenden Stimmen und den anschwellenden Applaus vom Hof der Schule zu achten. Auch bemerkte er nicht die hastigen Schritte auf der Treppe, sondern schaute wie ein Reh, welches gerade vor das Auto gelaufen war und unschuldig, mit einem Blick der sagt: „Ich war’s nicht!“, in die Scheinwerfer schaut, auf den herannahenden Jungen, der ihn wiedereinmal bekannt vorkam und er wusste nicht woher. Er stand, wie das eben beschriebene Reh, vor der Treppe und schaute verdutzt zu Kai, welcher sich nicht mehr im Schwung seines Laufens bremsen konnte und somit mit Lester, wie ein schwerfälliger Tanker, kollidierte. Durch den heftigen Aufprall, flog Lester sein Geigenkoffer aus der Hand und der Koffer schlitterte etwas auf den Boden des Schuldaches herum, bevor er zu Ruhe kam. Doch auch Lester, der sich gerade in einer steilen abwärts Bewegung befand und immer noch ein Gesicht machte, was wahrscheinlich soviel sagte wie: „Was macht der denn hier?!“, fiel nicht einfach. Denn es war Kais Reflexen zu verdanken, dass er seine Arme um ihn legte, sich nach rechts drehte, ihn am Rücken und Hinterkopf, wie ein kleines Kind hielt, sodass nicht Lester sondern er hart auf dem Boden aufkam und Lester weich auf ihm landete. Natürlich war Lester ein guter Junge, er befreite sich aus der Umarmung, setzte sich auf, sodass er auf Kais Unterleib saß und schlug ihn mit der Faust auf den Kopf, damit Kai wieder aus seiner Benommenheit aufwachte. „Au!“, war der erste Ton den Kai an diesem Tag zu Lester sagte. „Wieso schlägst du mich?“, fragte er und schaute sich die Pose an, in der er sich gerade mit seinem Gegenüber befand. Es schien ihm zu gefallen, denn Kai versuchte nicht Lester runter zu schieben, nach dem Motto, so schwer ist er nicht, ich hab noch Spielraum. „Mir war gerade so danach!“, war die rasche Antwort des Sitzenden, welcher sich gerade erheben wollte, aber da war Kai anderer Ansicht und drückte seine Oberschenkel nach unten, so konnte er sich doch noch nicht nach oben bewegen. Ein Genervtes: „Was machst du hier?“, kam darauf hin von dem dessen Beine auf den Boden gepresst wurden, wie die Frage gedeutet werden konnte, ob sie nun die Aktion mit den Beinen oder die Aktion mit dem Umrennen meinte, war derzeit dahin gestellt, doch wurde die Frage mit verschränkten Armen und einen giftigen Blick, der wechselnd auf die Hände und in Kais Gesicht zielte, untermalt. Ein Grinsen umfuhr Kais Lippen, welches schon fast in ein Lachen ausarten würde, doch er konnte sich gerade noch zusammenreißen, ließ Lester aufstehen und schaute ihm nach, als er sich zu seinem Geigenkoffer begeben wollte, doch antwortete er: „ Ich geh hier auf die Schule und du? Ich wusste gar nicht, dass du musizierst!“ Langsam, fast schreitend, quittierte Lester die Antwort, strich sich das Haar aus dem Gesicht, es bildeten sich kleine Furchen auf der Stirn, darüber wehte leicht das Haar im Wind. „Wie war dein Name noch gleich?“, eine leicht irritierende Frage, welche Kai mit einem leicht irritierten Blick vernahm. Deutlich ging sein Kinn Richtung Erdboden, er konnte sich nicht an eine Person gewöhnen, die sein Gesicht nicht mit seinem Namen zuordnen konnte und ihn sich nicht einmal merkte! „Also hör mal, Lester! Ich bin’s doch Kai!“ Nun war Lester dran irritiert zu schauen, er hob gerade seinen Geigenkoffer auf und schaute nun Kai verwirrt an, in seiner gebückten Haltung. „Woher kennst du meinen Namen?“, fragte er misstrauisch. Kai lachte nun doch mal, gegen jede Gewohnheit, laut auf, dass es fast in seinen Ohren klingelte, hatte dieser Junge denn alles vergessen? „Was hat er denn für ein Gedächtnis!“ fragte sich Kai innerlich, wuschelte kurz elegant durch sein blaugraues Haar, legte ein verführerisches Lächeln auf und mit einem gekonnten Hey-Baby-komm-her-Blick fixierte er Lester. „Hast du das schon vergessen? Ich bin’s, der Kai von der Eisdiele, du hast mich vor dem Schwarm Damen gerettet!“ „Ach, ich erinnere mich, du warst der Heini, auf dem die Weiber kreischend eingeprügelt haben!“ Kais Mimik erstarrte. „Heini?“, dachte er sich, „Wieso Heini?“, fragte er ihn. Doch Lester fuhr wie ein junges unschuldiges Schulkind aus der ersten Klasse fort. „Ja, und du gehst hier zur Schule? Haste aber Glück, dass sie dich hier nicht auch zerpflücken, na ja, gut dann werde ich mal!“ Damit machte sich Lester auf den Weg zur Treppe. Kai musste erst mal den Heini verkraften, das war zu viel für ihn, doch ließ er Lester nicht durch, denn als der an ihm vorbei ging, hielt ihn Kai fest und sagte zu ihm: „Ja, ich geh hier auf die Schule und das damals war eine Ausnahme!“ Unter einem bösen Blick Lester's, drehte sich Kai mit zuckenden Mundwinkeln und weit geöffneten Augen zu ihm um. „Was hat er denn jetzt?“ fragte sich innerlich der Junge mit dem Geigenkasten. „Hier in der Schule fallen sie nicht so über mich her!“, er versuchte wieder ein Lächeln aufzusetzen, das klappte aber nicht, er atmete erst einmal laut ein und aus, bis er weiter redete. „Kommst du ...?“, doch Lester befreite sich aus seinem Griff und kam ihm verbal zuvor. “Erstens, ich mag es nicht, wenn man mich an etwas hindert und festhält! Und zweitens, ja ich komm bald auf diese Schule. Bald, nicht heute, nicht morgen, irgendwann, nächstes Jahr und übrigens, ich glaube du hast jetzt bald wieder Unterricht!“, um seine Aussage zu unterstreichen, klingelte es auch prompt zur Stunde. Leicht genervt, aber mit einem fast flehenden Ton und großen Hundeaugen, sprang Kai vor Lester. „Bitte, könntest du noch warten, oder gleich mitkommen und warten, bis die Stunde rum ist, ich hab noch ein paar Fragen, die ich lieber heute als morgen los werden möchte! BITTE!“ Lester beging den Fehler, wirklich in die Augen Kais zu schauen, eigentlich fand er ihn ja recht süß, wie er da mit flehenden Händen vor ihm stand, ein kaltes fast höhnisches Grinsen umschloss sein Gesicht, er setzte zu einem "N" an, doch: „N ... Ja, ich komm mit und warte, da kann ich mir gleich den Unterricht anschauen! “, kam noch die Ausrede. Kais Blick wurde nun freudig und sanft, er fühlte sich wie ein Gewinner, denn trotz des höhnischen Grinsens Lester's, fand er doch über dessen Nase, unter den Augen eine leicht rosa Spur. „So, nun muss ich mich beeilen!“, Kai griff sich das Handgelenk, des Jungen, der nun wieder verblüfft über die schnelle Aktion des Anderen dreinschaute, und rannte mit ihm die Treppen runter, bis in den Stock seines Unterrichtsfachs. Mit großen Schritten setzte Kai vor, denen Lester, der etwas kürzere Beine hatte, nur schlecht folgen konnte. Bis sie endlich vor einer Tür stehen blieben, an der Kai anklopfte und um Einlass bat. Der Lehrer, der freudig sah, dass Kai den Violinisten mitgebracht hatte, ließ beide ohne zu murren rein und verwies Lester auf einen leeren Platz hinten am Fenster, wo dieser einen recht guten Platz zur Begutachtung der Klasse hatte. Lester fiel auf, dass das Lächeln, des Jungen, der sich Kai nannte, sich plötzlich in eine stimmungslose Mimik verwandelte, als er sich zwischen einige Jungs gesetzt hatte, die gleich mit ihm tuschelten und eher auffällig als unauffällig ab und zu, zu ihm sahen und mit dem Finger deuteten. Doch im Allgemeinen verlief die Stunde ruhig, bis die Schüler endlich von der lauten Klingel der Schule vom Unterricht der Chemie befreit wurden. Nachdem Kai sein Zeug in der Tasche hatte, kam er zu Lester, ihm folgten drei Jungs, ein Blonder mit Sommersprossen und einem breiten Grinsen, ein Etwas Kleinerer mit braunem Haar, einer Brille und einem Laptop unter dem Arm und ein Blauhaariger, der noch breiter als der Blonde grinste und so forsch war, dass er sich gleich selbst vorstellte „Hallo ich bin Tyson, du hast super gespielt!“ Schon kam Lester eine Hand entgegen. Der war leicht irritiert, weil sich urplötzlich, da die Vierer-Gruppe sich um den Neuen gestellt hatten, eine Horde von Schülern sich um sie scharte, laut tuschelnd, mit Worten wie, „Das ist der Geiger!“, „Boa, natürlich, die Berühmtheiten kennen sich wieder!“ und ähnlichen, ihn anstarrten. Zögernd und gut den Blaugrauhaarigen im Auge behaltend, da der ja der Einzige war, den er kannte, wenigstens schon das zweite Mal in seinem Leben gesehen hatte, und darauf achtete, dass dieser nicht verschwand und ihn allein ließ. Denn es breitete sich eine leicht klaustrophobische Angst, die Freud mit einer gewaltigen Platzangst mit Schülerdruck genannt hätte, in ihm aus und wo er wahrscheinlich entflohen wäre, so schnell weggerannt wäre, wie ihn seine Beine tragen konnten. Doch Lester blieb bei der Etikette, er hatte ja auch schon einige Auftritte gehabt und kannte die Prozedur, am Besten so viele Hände schütteln, wie möglich und sich so zum Ausgang vorarbeiten! So nahm er Tysons Hand, die ziemlich kräftig geschüttelt wurde, aber nur auf Lester's Seite. „Das ist Tyson!“, erklang es ziemlich brummig von Kai. „Das ist Max!“, deutete er nun auf den Blondschopf. „Hi, sehr erfreut!“, kam es von dem Sommersprossengesicht. „Und der Kleine da ist Kenny, unser Spezialist für Technik und Computer!“ Auch er meldete sich, mit einem Schüchternen. „Hallo!“, zu Wort. „Ich glaub wir sollten irgendwo hingehen, wo es ruhiger ist.“, empfahl der Brillenträger und rückte seine Brille zurecht, nachdem die drängelnden Schulkameraden, die auch mal einen Blick auf den Geiger werfen wollten, ihn geschupst hatten. „Ach, wisst ihr, ich will eh gleich los, ich hab ja keinen Unterricht wie ihr, ich werde dann mal lieber gehen!“, Lester brachte es etwas zaghaft hervor, mit einer leichten Betonung, dass er ja keinen Unterricht hat. „NEIN!“, kam es so laut von den Vieren, am lautesten von Kai, dass die Masse an Schülern aufschreckte. „Wenn du aber gehen willst.“, fing Kenny an, womit er sich einen ärgerlichen Blick von Kai einfing: „Gib uns doch vorerst deine Adresse, oder irgendwas, mit dem wir dich erreichen können!“ Besänftigt schaute Kai nun auf den grübelnden Lester. Auch von den billigen Plätzen kamen die Zurufe nach Telefonnummern und Kindern, die Lester ignorierte, laut begann er sein Statement: „ALSO, ich werde niemandem irgendetwas geben! Verstanden?! Ich hab nicht die geringste Lust, dass mir irgendwelche Spinner schon vor meiner Schulzeit auf dem Keks gehen, ich hab hier genug zu tun, da brauch ich nicht noch mehr Trubel! Also verzieht euch! ALLE! Ich will jetzt gehen!“, mit diesen Worten kramte er fix in seinem Geigenkoffer, holte einen Zettel raus, kritzelte was darauf und bahnte sich schnaubend seinen Weg, den Zettel aber ließ er zurück, in dem er Kais Hand nahm und den Zettel dort verstaute. Mit raschen Schritten und einen lauten aufseufzen verließ der Junge, mit dem Geigenkoffer die Schule. Kai schaute derweilen ungläubig in seine Hand, da lag der Zettel, etwas zerknittert und mit einer krakeligen Schrift, aber leserlichen Buchstaben, die einen Satz bildeten, der wie folgt lautete: „Heute 17 Uhr, gleicher Ort, gleiche Zeit, warte nur 5 Minuten!“ Über seine Lippen kam ein leichtes Lächeln. „Hey, was hast du da Kai?“, Tyson versuchte an den Zettel ran zukommen. „Nichts!“, Kai zerriss den Zettel. „Du bist echt fies!“, ein mürrischer Ton klang in dieser Feststellung mit. „Da stand sicher, wie du ihn erreichen kannst oder?“, fragte Kenny. „Sicherlich!“, bestätigte Max. „Wir sollten zu Japanisch!“, gelassen bahnte sich Kai seinen Weg durch die langsam abflauende Schülermaße, die sich nur einzeln, gesprenkelt und interessiert zu den Bleydern gesellte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)