Wenn die Nacht dich umarmt von abgemeldet ================================================================================ Prolog: -------- Prolog: Warum ich nach Schottland ging Nun also war ich in Schottland angekommen und machte mich auf dem Weg in ein altes Schloss oben in den Highlands – McLachlan Castle. Es sollte von nun an meine Heimat werden. Jedenfalls für einige Zeit, um das Ganze mal einzuschränken. Während ich in das bereits wartende Auto stieg, ließ ich die vergangenen zwei Jahre noch einmal vor meinem geistigen Auge Revue passieren. Ich hatte es zu Hause in Deutschland nicht mehr ausgehalten, zu viele Dinge waren passiert, die es mir unmöglich gemacht hatten, auch nur einen Augenblick länger dort zu bleiben. Solange ich meine Freunde noch an meiner Seite gehabt hatte, war noch alles gut gewesen. Bis zu dem Tag, an dem Mark in mein Leben gestolpert kam und sich alles änderte. Und das nicht zum Guten. Es gab nur noch ihn für mich, meine Freunde versetzte ich immer wieder mit irgendwelchen Ausreden, da ich jede Sekunde meiner Freizeit mit ihm verbringen wollte. Das ließen sie natürlich nicht auf sich sitzen. Einer nach dem anderen wandte sich schließlich ab, bis nur noch meine beste Freundin zu mir hielt. Zunächst machte mir das nicht viel aus. Immerhin hatte ich ja noch meinen Freund, in den ich nach wie vor verliebt war. Ich malte mir bereits die Zukunft in den schönsten Farben aus. Tja, die Realität holte irgendwann jeden ein. Ich erwischte ihn eines Abends mit einer anderen, als ich ihn von der Arbeit abholen wollte. Ich machte Schluss, heulte mich bei meiner besten Freundin Bine aus und versuchte, mich neu zu orientieren. Wenn das denn nur mal so leicht gewesen wäre, doch ständig befand ich mich in Situationen, die denen mit Mark so ähnelten, dass ich mich zurück zu ziehen begann. In dieser Zeit gab es nur einen Menschen auf den ich mich – mit Ausnahme meiner Eltern – vollkommen verlassen konnte. Ja, ohne Bine wäre ich kaputt gegangen, sie war mein Halt solange ich denken konnte, obwohl sie das genaue Gegenteil von mir war, sehr introvertiert, ruhig, gleichzeitig jedoch machte sie sich immer um alles und jedes Gedanken, doch gerade das gehörte alles zu den Eigenschaften, die sie ausmachten und ich liebte sie dafür. Irgendwann war sie dann auch der Meinung gewesen, dass es so nicht mehr ging. Alles hier, meinte sie, würde mich zu sehr an diesen betrügerischen Kerl erinnern. Daher konnte ich auch keinen Neuanfang machen. Da ich mich sehr für Geschichte interessierte und zurzeit keinerlei Verpflichtungen hatte, suchten wir beide so lange, bis wir das McLachlan Castle in tiefster Abgeschiedenheit des schottischen Hochlandes fanden. Nach einigem hin und her – die Haushälterin, mit der ich korrespondierte, hatte mir mehrmals gesagt, dass es außer einem kleinen Dorf circa eine halbe Stunde mit dem Auto entfernt, nichts anderes als die unberührte Natur im Umkreis von mehreren Kilometern gab. Doch das war mir grade Recht gekommen, denn dort würde mich wohl nichts an diese gescheiterte Beziehung erinnern können und ich würde Ruhe haben, um meine Gedanken zu ordnen und sogar noch etwas über das Land und die Leute zu erfahren. Die wildesten Fantasien waren mir schon durch den Kopf gegangen, denn ich interessierte mich ungemein für Gruselgeschichten und ein altes Schloss in völliger Abgeschiedenheit war ideal um dieser Leidenschaft nach zu gehen. Ich war schon gespannt, welche Entdeckungen ich dort machen konnte… Allerdings konnte ich damals noch nicht wissen, dass sich mein Leben schlagartig verändern würde, als ich die Toreinfahrt zu den Ländereien der McLachlans durchquerte… Kapitel 1: ----------- Besuch? „Sturgis? STURGIS?“ Seit geschlagenen fünf Minuten schrie ich mir die Kehle wund. Wo um alles in der Welt war bitte dieser Kerl, den ich vor einiger Zeit eingestellt hatte, damit er mir bei der Instandhaltung der Gebäude half, die ich nicht in die Hand von Restaurateuren geben wollte. Denn wie jeder Mensch hatte auch ich meine Rückzugspunkte, zu denen niemand Zugang hatte. Ich trat auf die Galerie in der Eingangshalle und warf einen Blick rund. Stolz erfüllte mich, als ich wieder einmal feststellte, dass der Charme, den das Schloss seit seiner Erbauung vor über 900 Jahren nicht eingebüsst hatte, auch mich nicht unberührt ließ. Dabei war es gar nicht so leicht, mich zu beeindrucken, denn ich hatte in den 426 Jahren die ich nun lebte schon so einiges gesehen. Wenigstens ahnten die Dorfbewohner nichts von meiner Unsterblichkeit, denn sie erinnerten sich noch mehr als genau an die Vergangenheit, als blutrünstige Vampirclans ganze Familien abgeschlachtet hatten. Gott sei dank hatten sie das nicht lange gemacht, sondern angefangen, sich gegenseitig zu bekriegen. Ich kehrte in die Gegenwart zurück, als ich – noch ein Stück von mir entfernt – die eiligen Schritte meiner Haushälterin Molly McCane hörte. Die gute Molly. Ich musste lächeln, obwohl ich es nur sehr selten tat. Sie war die Einzige, die genau wusste, was ich in Wirklichkeit war. Und sie zeigte keinerlei Angst vor mir. Sie hatte sich bereits an die lautlose Art gewöhnt, die mir als Vampir eigen war, sowie daran, dass ich stärker als gewöhnliche Menschen war. Das nutzte sie oftmals aus, wenn sie beim Saubermachen nicht an die von ihren anvisierten Stellen kam. Allerdings kam ihre Sicherheit daher, dass sie genau wusste, dass ich ihr niemals etwas tun würde. Sie war die Mutter, die ich vor langer Zeit verloren hatte. Mein Blick richtete sich auf den Durchgang von den Schlafzimmern zur Galerie, durch den sie jeden Augenblick kommen musste. Ich stutzte. Was hatte sie denn in diesem Teil des Schlosses gemacht? Sie und auch Sturgis hatten ihre Zimmer unten, diese hier wurden nie genutzt und waren daher auch immer verschlossen. Dann schmunzelte ich, denn ihre Aufregung erfüllte die Luft. Ich würde also gleich erfahren, was sie da oben gemacht hatte. „Hallo Molly“ sprach ich die kleine Dame an, die daraufhin zu strahlen begann und auf mich zu kam. „Oh Damien, du traust dich mal wieder nach hier oben? Sehnst du dich jetzt wieder nach Gesellschaft oder ist wieder mal etwas kaputt bei dir unten?“ „Eher das Letztere. Deshalb suche ich ja auch Sturgis, aber der ist unauffindbar. Ich möchte mal wissen, wo in drei Teufels Namen dieser Bursche wieder ist. Ach übrigens: was hast du hier oben gemacht?“ „Oh bitte nicht schon wieder Damien, vergisst du denn neuerdings alles, was ich dir mitteile?“ Ich war nun irritiert. Was hatte sie mir denn gesagt? Hektisch kramte ich in meinem Gedächtnis, aber es wollte mir einfach nicht einfallen. Ein resignierender Seufzer ließ mich meine Aufmerksamkeit wieder auf die Frau vor mir lenken. „Müh dich nicht ab Junge, immerhin müsste ich es langsam wissen, dass du dich zu oft vergräbst und nicht an die Dinge denkst, die die Sterblichen beschäftigen.“ Sie ging um mich herum und die Treppe hinunter, während ich noch immer oben stand und schmunzelte, da sie mich so gut kannte. Was war denn nun los hier, dass meine Angestellten so aufgeregt waren? „Oh und Damien?“ Molly stand unten in der Halle und sah zu mir hoch. Fragend sah ich sie an. „Zieh dir bitte etwas anderes an, Miss Vermillion kommt gleich.“ Ich wollte mich schon in Bewegung setzen, um ihrer Bitte nachzukommen, als der Inhalt ihrer Worte zu mir Vordrang. Miss Vermillion? Wer sollte das denn sein? Mit einem Satz hatte ich mich über das Geländer geschwungen und war direkt vor Molly gelandet, die kurz zusammenzuckte und mich strafend ansah, ihren Weg jedoch ungerührt fortsetzte. Ich musste ihr für meine Antworten also wohl oder übel folgen. Mittlerweile standen wir in der Küche, wo Molly Teewasser aufsetzte. Ich lehnte mich gegen die Anrichte und wartete, bis sie den Wasserkocher auf die Station gesetzt hatte und sich setzte. „Molly, wer ist Miss Vermillion?“ „Oh die junge Dame wird für eine Zeit hier wohnen.“ Ich wollte schon zufrieden gehen, als ich wie angewurzelt stehen blieb und mich dann mit einem Ruck wieder herum drehte. „Sagtest du hier wohnen? Eine Frau?“ „Bitte Damien, es ist doch nichts Schlimmes dabei. Sie wird niemanden stören. Am meisten interessiert sie wahrscheinlich eh die Bibliothek, da sie sich sehr für Geschichte begeistert. Ich habe über einen längeren Zeitraum schriftlichen Kontakt mit ihr gehabt und bin mehr als froh, endlich mal einen Menschen hier zu haben, um den ich mich kümmern kann.“ „Ich weiß ja, dass dir Gesellschaft fehlt, aber warum um Himmels Willen hast du das nicht mit mir abgesprochen? Was ist, wenn sie herausfindet, was ich bin? Es ist ja schon ein Wunder, dass Sturgis es nicht weiß, aber der lebt ja mehr oder weniger in seiner eigenen Welt. Aber eine junge Frau, die keinerlei Aufgaben hier hat, wird unter Garantie versuchen, hier herum zu schnüffeln!“ „Das wird sie schon nicht tun und wenn doch, dann müssen wir eben etwas vorsichtiger sein. Aber da du dich ja eh kaum aus deinem Privatbereich heraustraust, wird wohl auch nichts passieren. Naja und vielleicht findest du sie ja ganz interessant?“ „Molly, ich bin ein Verdammter ohne Seele, ich kann mich nicht mit einer Frau abgeben!“ „Du weißt es doch nicht. Noch nie war eine Frau hier und soweit ich informiert bin, gab es auch niemals eine in deinem Leben.“ „Ja und das aus gutem Grund. Welche Frau würde auch ruhig neben einem Vampir sitzen können, sich mit mir unterhalten können, ganz zu schweigen davon, dass man ein Wesen wie mich nicht einmal lieben kann.“ Bei den letzten Worten war ich unweigerlich leiser geworden, denn nichts wünschte ich mir mehr, als das Glück, vielleicht doch meine Seelengefährtin zu finden. Doch wusste ich genau, dass dies etwas war, was sich im Zusammenhang mit einem Leben in völliger Abgeschiedenheit niemals erfüllen würde. Ich war verdammt, bis in alle Ewigkeit alleine zu bleiben und dieses Wissen lastete schwer auf meinem Herzen und hatte es gegenüber jedem Sterblichen verschlossen. Molly trat zu mir, legte ihre Hand an meine Wange, wobei sie sich sehr strecken musste, da ich doch um einiges größer war als sie, und lächelte. „Sei nicht direkt so abweisend. Sieh sie dir an, bilde dir eine Meinung und sei nur ein wenig höflich, auch, wenn du sie nicht mögen solltest. Und jetzt zieh dich bitte um. Ich verspreche dir, alles wird gut gehen.“ Ich seufzte. Diese Frau wusste auch immer ganz genau, wie sie mich zu nehmen hatte. Das Geräusch des Autos, mit dem Sturgis wohl losgefahren sein musste, um Miss Vermillion abzuholen, drang an mein Ohr. Sanft schob ich Molly vor mir her in Richtung Eingangshalle, dann ließ ich sie los und verschwand wieder im Halbdunkel des Ganges, der hinunter zu den Kellern führte. „Du solltest hinausgehen, unser Gast kommt. Und sie mich nicht so bittend an liebe Molly, ich mag das nicht, du weißt das. Ich verspreche dir, deinen Wunsch zu erfüllen. Ich werde sie mir ansehen und mit ihr sprechen.“ Damit drehte ich mich um und ging hinunter in die völlig Tageslichtfreien Kellergewölbe, in denen ich den Großteil meiner Zeit verbrachte. Ich konnte ja nicht ahnen, dass mein Schicksal grade seine Füße auf meinen Grund und Boden stellte… Kapitel 2: ----------- Ankunft Ein langer Weg führte vom Tor durch die wunderbar grünen Hügel und Waldstücke hinauf zum Schloss, dass auf einer Anhöhe majestätisch über die Umgebung erbaut worden war. Je näher ich dem Gebäude kam, umso mehr fing mich die Stimmung ein, die es ausstrahlte: ein Hauch längst vergangener Zeiten, die Mystik, die dem schottischen Hochland von jeher zu Eigen war. Eine knappe halbe Stunde später passierten wir die Zugbrücke zum Innenhof des Schlosses. Ein Blick zum Wassergraben zeigte mir, dass dieser auch tatsächlich Wasser führte. Ich war beeindruckt, schließlich war ich von jeher ein Fan von solchen Bauten, die originalgetreu erhalten wurden. Wir passierten das mittlerweile außer Funktion stehende Fallgitter und fanden uns schließlich in einem großzügigen Innenhof wieder. Eine fantastisch verzierte Freitreppe führte hinauf zum Portal, das sich just in diesem Moment öffnete und den Blick auf eine mütterlich aussehende, ältere Dame freigab, die mich wohl bereits erwartet hatte. Ich öffnete die Tür des kleinen Wagens, mit dem der nette junge Mann, der sich mir als Sturgis vorgestellt hatte und setzte den ersten Fuß auf das Kopfsteinpflaster, als sie mich auch schon umarmte. Im ersten Augenblick leicht erstaunt und überrumpelt wegen dieser herzlichen Begrüßung, stahl sich ein Lächeln auf meine Lippen und ich umarmte die Dame meinerseits. Ein kurzer Druck und sie wich ein wenig zurück, hielt allerdings meine Hände weiterhin fest. Mit einer warmen Stimme, die den mütterlichen Eindruck noch verstärkte, wandte sie sich an mich: „ Wie schön, dass Sie endlich hier sind, Miss Vermillion! Ich habe mich schon gefreut, seit Sie mir Ihre Ankunftszeiten mitgeteilt haben. Ich bin Molly McCane, aber nennen Sie mich doch einfach Molly, das tut hier jeder. Dann kommen Sie sich auch hoffentlich nicht zu fremd hier vor.“ „Sehr gerne Molly, aber dafür müssen sie mich bitte Elena nennen.“ „Sicher Kindchen, sicher. Nun, was halten sie von einer schönen warmen Tasse Tee? Das wird ihre Lebensgeister wieder wecken und sie bereit für eine wunderbare Zeit hier auf McLachlan Castle machen.“ „Danke, Tee wäre wirklich ganz wunderbar. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass es hier so kühl sein würde.“ „Oh, normalerweise ist es das auch nicht, aber manchmal pfeift der Wind ganz schön, so wie heute und dann zieht es halt ein bisschen. Aber lassen wir jetzt das Wetter und gehen lieber rein.“ „Warten Sie bitte einen Moment Molly, ich muss doch mein Gepäck noch aus dem Wagen holen-“ „Ach lassen Sie nur Miss Elena, ich werd´ s schon für Sie erledigen. Trinken Sie nur Ihren Tee.“ Dankbar lächelte ich Sturgis an, woraufhin er ein wenig rot um die Nase wurde. Dann trat ich in die große Eingangshalle. Über all konnte man hier mittelalterliche Rüstungen, Waffen und Möbel erkennen, jedoch war alles so angeordnet und platziert, dass es perfekt in meine Vorstellung passte. Im hinteren Teil der Halle befand sich eine große Doppeltreppe, rechts und links daneben befanden sich Flure. Von der Haushälterin geführt, betrat ich den rechten Gang und fand mich in den Wirtschaftsräumen wieder. Hinter der zweiten Türe zu meiner Rechten, befand sich die Küche. Überrachenderweise war hier alles sehr modern, unterbrach jedoch nicht den Charme, den hier alles ausstrahlte, sondern fügte sich gut in die alte Umgebung ein. Während der Tee zog, erklärte mir Mrs. McCane einiges über die örtlichen Gepflogenheiten und über die Geschichte von McLachlan Castle. Nachdem wir den Tee ausgetrunken hatten, brachte mich Mrs. McCane zu meinem Zimmer oder wie man besser sagen müsste, Zimmern. Als ich die Doppeltür öffnete, traf mich fast der Schlag: Der Tür gegenüber lag ein wunderschöner, gemauerter Kamin mit einer gemütlichen, dunkelroten Sitzgruppe davor. Ebenfalls befanden sich in dem Wohnraum noch ein runder Esstisch mit 4 Stühlen, eine Arbeitsecke mit Computer und einigen Bücherregalen, sowie 2 Türen. Hinter der ersten Tür war ein Schlafzimmer mit einem riesigen Himmelbett in dunkelrot, auf dem viele weiche Kissen verteilt waren, sowie ein riesiger Kleiderschrank aus dunklem Holz und einige Kommoden. Ich verließ diesen Raum, der mir gemütliche Nächte versprach und wandte mich der anderen Tür im Wohnraum zu. Ich trat in ein großes Badezimmer mit Whirlpool, den man auch als normale Badewanne benutzen konnte, einer Sauna, einer Dusche, in der locker 3 Personen Platz hatten und einem separaten WC. Zwei Waschbecken und ein großer Spiegel komplettierten die Einrichtung. Überwältigt trat ich wieder zu Mrs. McCane in den Wohnraum und merkte gar nicht, dass ich bis über beide Ohren strahlte. Die gutmütige Haushälterin nahm dies Wohlwollend zur Kenntnis und führte mich schließlich durch das Schloss. Wir passierten die Bibliothek, das kleine Esszimmer, den großen Speisesaal, den Ballsaal und mehrere kleine Salons. Schließlich kehrten wir zurück in das kleine Esszimmer und Mrs. McCane öffnete die Türen, die in den Garten hinausführten. Die Bezeichnung Garten allerdings passte nicht so ganz, denn es erinnerte mich alles mehr an einen Park. Weithin nichts als Rasen und vereinzelte Blumenbeete, viele alte Bäume und im hintersten Bereich konnte man eine kleine Rosenlaube erkennen. Wir kehrten wieder in die Küche zurück und Sturgis sagte mir, dass sich mein Gepäck bereits auf meinem Zimmer befände. Ich bedankte mich und sagte Molly, dass ich nun auspacken und mich ein wenig ausruhen wollte. Nachdem Mrs. McCane versprach, mich zum Abendessen zu holen, lief ich nach oben, packte meine Sachen aus und entschloss mich, mich ein wenig hinzulegen. Keine 5 Minuten später war ich auch schon eingeschlafen. Als ich die Augen wieder öffnete, herrschte Dunkelheit im Zimmer vor. Hatte ich so lange geschlafen? Das hätte ich nicht gedacht, wollte ich mich doch nur ein paar Minuten ausruhen. Egal. Ich tat das Ganze mit einem Schulterzucken ab und stand auf, um mich frisch zu machen. Eine halbe Stunde später verließ ich das Bad, tappte durch den Wohnraum zurück ins Schlafzimmer und wollte grade den Schrank öffnen, als ich aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm. Ruckartig drehte ich mich um und sah... nichts. Meine Wahrnehmung hatte mir wohl einen Streich gespielt. Ich zuckte mit den Schultern und trocknete mich ab. Ich drehte mich um und ging zum Schrank, überlegte, was ich in einer solchen Umgebung tragen sollte und entschied mich schließlich für eine einfache Hose mit Pullover, da ich noch immer ein wenig fror. Ich bürstete meine langen Haare und band sie schließlich mit einem Band zu einem tief sitzenden Zopf. Ich legte noch ein klein wenig Schminke auf, da ich mich nach dem langen Flug hierher doch einwenig blass fühlte. Kaum war ich fertig, klopfte es schon an der Tür und Molly betrat den Raum. „Kindchen, Sie sehen zauberhaft aus, einfach fabelhaft. Und auch um einiges frischer als bei Ihrer Ankunft.“ „Vielen Dank, ich bin kurz weggenickt, wahrscheinlich war ich müder, als gedacht.“ „Aber natürlich Mädchen, machen Sie sich mal keine Sorgen, spätestens übermorgen haben Sie diese Müdigkeit hinter sich gelassen. Aber jetzt wird es Zeit für das Abendessen. Damien, ich meine Mr. McLachlan, wird auch anwesend sein.“ Wir hatten das Zimmer während unseres Gespräches verlassen und steuerten nun auf die Treppe zu. Ich beschloss, die mir noch bleibende Zeit zu nutzen und etwas über den Schlossherrn in Erfahrung zu bringen. „Molly sagen Sie, wie ist Mr. McLachlan so? Ich meine, ist er sehr auf Manieren bedacht oder ist er etwas lockerer?“ „Machen Sie sich keine Sorgen Elena, Damien ist ein sehr freundlicher Mensch, sie brauchen also keine Angst zu haben. Aber den Rest müssten Sie kurz alleine gehen, ich muss noch eine Kleinigkeit holen“ sprach´ s und verschwand, mich alleine zurücklassend. Als ich das kleine Esszimmer betrat, war der Raum nur vom prasselnden Kaminfeuer und dem Licht einiger Kerzen erhellt. Es passte zur Atmosphäre des Schlosses. Ich warf einen kurzen Blick nach draußen, konnte jedoch auf Grund der Dunkelheit nichts erkennen und wandte mich schulterzuckend Richtung Sofa. Ich wollte mich gerade setzen, als ich plötzlich einen Schauer spürte, der über meinen Rücken rann. Ich fühlte mich beobachtet, konnte mir dieses Gefühl jedoch nicht erklären. Immerhin war ich doch alleine im Raum. Oder? Der Mann trat so plötzlich aus dem Schatten, dass ich einen Moment wie erstarrt mitten in der Bewegung verharrte. Mein Erschrecken musste sich wohl auf meinem Gesicht abzeichnen, denn er hob beschwichtigend die Hände und kam dann langsamer auf mich zu. So hatte ich Gelegenheit, mich zu beruhigen und ihn zu betrachten. Er war… mir fiel kein Wort dafür ein. Perfekt oder göttlich würde dem nahe kommen, aber eine richtige Beschreibung wäre es nicht. Verwuschelte schwarze Haare umrahmten ein ungleich schönes und doch so männliches Gesicht, in dem sich eisblaue Augen, die keinerlei Gefühl bargen, befanden und mitsamt dem sinnlichen Mund der Traum einer jeden Frau war. Mein Blick wanderte tiefer, über die breiten Schultern, die schmalen Hüften und langen Beine. Jetzt fiel mir auch auf, wie groß er eigentlich war… Um Himmels willen, der Mann war gut und gerne zwei Meter groß!!! Naja, im Vergleich zu mir war fast jeder ein Riese, denn ich war gerade mal knappe 1,60 m groß. Innerlich seufzte ich, denn dieser Typ Mann war genau das, was ich im Moment gar nicht gebrauchen konnte. Das konnte er natürlich nicht wissen und deshalb stellte sich meine innerliche Abwehr vor Enttäuschungen auf. Er hatte jedoch grade einen so distanzierten Blick aufgelegt, dass mir endlich wieder meine guten Manieren einfielen und ich stammelnd eine Entschuldigung hervorbrachte. Er schien wohl nicht sonderlich erfreut über meine allzu genau Musterung gewesen zu sein. Naja, konnte ich jetzt auch nicht mehr ändern. Nun blitzte ein Funken Amüsiertheit in seinen Augen auf, doch meinte ich, auch einen Hauch Sorge darin zu sehen. Als er mir eine höfliche Antwort gab, wurde meine Abwehr schwer erschüttert. Mein Gott, was für eine Stimme! Innerlich ohrfeigte ich mich und sagte mir, dass ich das nicht nötig hatte, denn Männern konnte man eh nicht vertrauen! Ich hatte mich gerade wieder gefangen, als Molly den Raum betrat und einen Wagen voller Essen mitbrachte, inklusive eines leicht nervösen Sturgis. Warum er allerdings nervös war, wusste ich nicht. Ich war mir jedoch sicher, dass es ein unglaublich interessantes Abendessen war. Immerhin war ja auch Damien McLachlan ein überaus interessanter Mann. Und für mein Seelenheil wohl mehr als gefährlich. Gottergeben seufzte ich zum wiederholten Male und setzte mich dann zu den anderen an den Tisch. Na dann Mahlzeit! Kapitel 3: ----------- In Rossmere Zwei Wochen war ich nun bereits hier, zwei Wochen, in denen ich mich genauestens in der Gegend und auf dem Schloss umgesehen hatte. Und doch gab es grade dort noch viele Orte, zu denen ich nicht hatte vordringen können. Nicht, dass ich keine Schlüssel gehabt hätte, doch zumindest bei den Türen, die hinab in die Tiefen der Kellergewölbe führten, waren die Schließmechanismen scheinbar so verrostet, dass ich es erst gar nicht schaffte, den Schlüssel zu drehen. Mit Damien hatte ich nur zu den Mahlzeiten Kontakt und auch da hielt er sich möglichst aus meiner Nähe fern. Zwar hatte er mir bereits am ersten Abend das Du angeboten, aber ich vermutete einfach, er nicht gerne unter Menschen war, denn ich sah ihn niemals im Schloss oder in der Umgebung. Aber da ich den Großteil meiner Zeit sowieso in der Bibliothek verbrachte, bekam ich auch nicht viel mit. In meiner dritten Woche auf McLachlan Castle bat ich um ein Auto und die Wegbeschreibung hinunter in das kleine Dorf, dass sich innerhalb der Ländereien befand. Interessierten mich doch auch die Menschen, die es in solch einer - für mich so erscheinenden - Abgeschiedenheit aushielten. Zwar gab es auch hier alle Annehmlichkeiten der modernen Zivilisation, doch größtenteils hielt man sich noch an die althergebrachten Werte und Traditionen. Nach einer halbe Stunde Fahrt erreichte ich das kleine Dorf Rossmere und fand es direkt wunderschön. In der Mitte erhob sich eine kleine, wohl noch aus dem Mittelalter stammende Kirche, direkt davor erstreckte sich ein Dorfplatz mit Brunnen, um den herum sich ein Gasthaus, ein Lebensmittelgeschäft und ein kleiner Laden mit allem, was man sonst so im täglichen Leben gebrauchen konnte, erstreckte. Mein Weg führte mich zunächst in das Lebensmittelgeschäft, denn obgleich ich oben im Schloss doch so ziemlich alles bekam, gab es immer noch gewisse Dinge, auf die ich nicht verzichten konnte und wollte. Als ich den Laden betrat, setzte Schweigen unter den vorher noch fröhlich schwatzenden Frauen ein. Ich fühlte mich kurz unbehaglich, doch dann trat eine etwas fülligere Dame auf mich zu, die – wie ich vermutete – wohl die Besitzerin des Ladens war. „Guten Tag Miss, willkommen in Rossmere!“ sprach sie mich mit einem freundlichen Lächeln an und mein Unbehagen verflog. „Sind Sie auf der Durchreise oder möchten Sie eine zeitlang hier Urlaub machen?“ fragte sie mich neugierig. Dann schien ihr jedoch aufzugehen, dass so etwas sicherlich sehr unhöflich war und sie sprach eilig weiter: „ Oh verzeihen Sie bitte, ich bin manchmal etwas sehr neugierig, aber es kommt nicht oft vor, dass wir hier Besucher begrüßen können. So weit in die Highlands traut sich kaum jemand und dann auch noch eine Frau… Wie auch immer, was kann ich für Sie tun?“ schloss sie mit einem Lächeln. Völlig überrumpelt musste ich mich erstmal kurz sammeln, bevor ich das Lächeln erwiderte und meine Antwort gab. „Aber ich bitte Sie, es freut mich doch, so nett begrüßt zu werden. Ich habe tatsächlich vor, einige Zeit hier zu bleiben und wohne oben auf dem Schloss bei Mr. McLachlan.“ Dieser Satz schien wie eine Bombe eingeschlagen zu haben. Mit Erstaunen sah ich, wie die Gesichter der Frauen einen entsetzen Ausdruck annahmen, sie hastig das Kreuzzeichen schlugen und eilig an mir vorbei aus dem Laden stürzten, immer darauf bedacht, mich auch ja nicht zu berühren. Hatte ich etwas falsch gemacht? Ich verstand dieses Verhalten nicht und wandte mich an die Besitzerin, doch auch sie sah so erschrocken aus, dass ich nicht wusste, was ich sagen sollte. Also beschloss ich, dass es wohl das Beste wäre, erst einmal meinen Einkauf zu tätigen und dabei so unauffällig wie möglich den Grund dieses absonderlichen Verhaltens zu erfahren. Die Frau schien sich zu fangen und sah mich wieder mit einem Lächeln an, doch ihre Augen behielten einen besorgten Ausdruck. Mir kam das komisch vor, also beschloss ich, in meiner direkten Art zu fragen, was eigentlich los war: „Warum reagieren Sie alle so seltsam auf die Tatsache, dass ich dort oben wohne?“ „Ach junge Frau, wir sprechen eigentlich nicht darüber…“ „Bitte, ich möchte schon verstehen, was los ist, immerhin waren Sie grade noch zu lebhaft und fröhlich und von einem Moment auf den anderen schlug diese Stimmung um.“ Ich würde jetzt nicht locker lassen, oh nein! Die Frau wand sich innerlich, ich konnte das erkennen, schließlich sagte man mir eine gute Menschenkenntnis nach. „Wissen Sie, wir leben hier sehr zurückgezogen und halten sehr an den alten Dingen fest. Hier oben vergisst man fast niemals irgendwelche Geschichten, doch verhält es sich hier noch ganz anders. Wir alle halten uns vom Schloss fern, den dort geht Böses vor sich.“ Danach schwieg sie und ich mochte sie auch nicht drängen, denn es war mehr als offensichtlich, dass sie nichts sagen würde. Ich zahlte, dankte ihr und verließ den Laden. Auf dem Weg zum Wagen konnte ich deutlich die Blicke der Bewohner in meinem Rücken spüren, die Luft vibrierte schon fast vor Spannung und Angst. Ich legte die Einkäufe auf die Rückbank und sah mich noch einmal um. Mein Blick fiel auf die Kirche und dachte nach. Musste der Pfarrer nicht bescheid wissen? Schließlich verwahrte die Kirche doch in ihrem Archiv die Geschichte der Gegend. Warum also nicht ihn fragen? Gesagt, getan, ich machte mich auf den Weg und betrat schließlich das Kirchenschiff. Im Innern empfing mich Ruhe. Mattes Licht viel durch die bunten Bleiglasfenster ein. Ich musste kurz blinzeln, um meine Augen an die Lichtverhältnisse zu gewöhnen. Ich sah mich um und gewahrte vorne, schräg hinter dem Altar eine Bewegung. Ich sah genauer hin und ging näher ran. Es war der Pfarrer, er summte eine Melodie vor sich hin und bereitete wohl die nächste Messe vor. Ich trat vor die Stufen und räusperte mich. Er zuckte zusammen und sprang fast in die Luft. Ich musste mir ein Grinsen schwer verkneifen. „Du meine Güte, da haben Sie mich aber erschreckt Miss!“ brachte er hervor und musste dann lachen. „Ich vergesse zu oft, dass die Türen der Kirche jederzeit für jeden offen sind und erschrecke mich dann, wenn ich plötzlich nicht mehr allein bin.“ Er war sehr sympathisch und ich schloss sofort vertrauen zu ihm. „Aber Sie sind doch bestimmt nicht hier, um über meine Schreckhaftigkeit zu sprechen. Nein, Sie sehen eher so aus, als hätten Sie Fragen und möchten nun Erklärungen.“ Er überraschte mich. Aber dann dachte ich mir, wenn er so direkt war, warum sollte nicht auch ich so sein? „Sie haben Recht. Ich bin für einige Zeit hier in den Highlands und bin jetzt das erste Mal hier unten im Dorf. Und wurde sogleich sehr überrascht“ gab ich zu. „Überrascht?“ „Ja, in dem kleinen Lebensmitteladen wurde ich erst begrüßt und die Stimmung war sehr fröhlich. Als ich jedoch erwähnte, wo ich zur Zeit wohnte, schlug mir sofort Entsetzen entgegen und die Leute wollten möglichst schnell aus meiner Nähe.“ „Hm“ Er schien kurz in Gedanken versunken, dann richtete er jedoch seinen Blick fest auf meine Augen. „McLachlan Castle, nicht wahr? Ihr Wohnsitz“ sagte er, als er meinen überraschten Blick sah. Ich war so überrascht und er schien das zu merken, denn er lächelte kurz und bat mich platz zu nehmen. Dann begann er seine Geschichte. „Hier in der Abgeschiedenheit der Highlands herrscht zum Teil noch der alte Aberglauben, Legenden sind hier gegenwärtiger und wenn man lange genug hier lebt, ist das auch nicht schwer nachzuvollziehen. Es sind einfache Menschen, die hier leben, auch wenn die Technik hier natürlich allgegenwärtig ist. Nun ja. McLachlan Castle ist alt, sehr alt und natürlich gibt es auch um das Schloss Legenden. Doch nur eine vermag es wirklich, eine solche Furcht in den Menschen auszulösen, wie die, die Sie wohl eben erlebt haben. Man sagt, dass dort Böses vor sich geht. Und vielleicht ist auch etwas Wahres an diesen ganzen Geschichten dran, denn es passiert grade in der näheren Umgebung des Schlosses viel Seltsames. Früher verschwanden viele Leute, die sich des Nachts zu nah heranwagten. Man fand keinerlei Spuren. Doch wenn man den Überlieferungen Glauben schenken mag, tauchten nach einiger Zeit die Leichen der Vermissten auf; jedoch trugen sie keinen Tropfen Blut mehr in sich und am Hals fand man immer zwei kleine Löcher. Die Menschen glaubten natürlich sofort an Vampire und rückten den Schlossherren mit Weihwasser, Kreuzen und Knoblauch zu Leibe. Doch das alles zeigte keinerlei Wirkung. Dann muss es wohl eine zeitlang aufgehört haben und nichts passierte; die Sage über die Vampire rückten fast in Vergessenheit und man erzählte sie sich nur noch in geselligen Runden, als Spukgeschichten. Niemand glaubte mehr daran. Doch seit einiger Zeit finden die Männer, die in den Wald zum Holz schlagen gehen, des Öfteren Tierleichen, die die selben Merkmale aufweisen, wie einst die Menschen in den alten Geschichten. Natürlich lebt damit die Angst wieder auf, zu mal der junge McLachlan genau zu der Zeit wieder aufs Schloss zurückkehrte, als man die ersten Tiere fand. Und die Menschen glauben natürlich, dass er etwas damit zu tun hat.“ Er schwieg. Ich dachte über all das nach und kam zu dem Schluss, dass es wohl amüsante Geschichten waren, jedoch keinerlei Wahrheitsgehalt in ihnen enthalten war. Ich glaubte nicht daran. Und doch… Die Neugier überwog. „Was halten denn Sie davon? Glauben Sie auch, dass Mr. McLachlan ein Vampir ist?“ Ich konnte die Belustigung nicht ganz aus meiner Stimme verbannen. Auch der Pfarrer grinste nun ganz offen. „Ehrlich gesagt: Nein! Ich glaube nicht daran, denn dann würde er ja wohl kaum eine so nette junge Dame bei sich wohnen lassen und sich nicht dem Blutdurst hingeben.“ Er lachte und ich stimmte mit ein. Natürlich wäre das Unsinn, denn ich lebte dort und hatte bisher noch keine Löcher in meinem Hals. „Glauben Sie nicht alles, was die Leute hier denken und sagen, ich tue es auch nicht. Genießen Sie einfach Ihren Aufenthalt hier und haben Sie Spaß.“ „Danke, das werde ich machen. Und danke auch, dass Sie sich die Zeit genommen haben, mir das Verhalten der Leute zu erklären.“ Ich stand auf, gab ihm die Hand und wandte mich zum gehen. Kurz bevor ich die Kirche verließ, drehte ich den Kopf noch einmal in Richtung des Pfarrers und nannte ihm meinen Namen. Mit einem Lächeln und einem kurzen Winken begab ich mich auf den Weg zurück zum Schloss. Ich hatte mich nach dem Abendessen in die Bibliothek zurückgezogen. Mrs. McCane fragte zwar, wie mir Rossmere gefallen hatte, doch ich gab nur eine ausweichende Antwort, die sie wohl zufrieden stellte. Das, was der Pfarrer mit erzählt hatte, ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Und doch – irgendwie kam es mir mehr als unwahrscheinlich vor, schließlich gab es keinerlei Beweise dafür, dass Vampire tatsächlich existierten. Ich seufzte und beschloss, noch ein wenig spazieren zu gehen. Ich trat also durch die Terassentüren hinaus und wanderte ein wenig durch den Park. In Gedanken versunken merkte ich gar nicht, wie ich den Park verließ und in den Wald gelangte. Als ich es merkte, blieb ich stehen und sah mich um. Doch mehr als Bäume konnte ich nicht erkennen. Was erwartest du denn Mädchen, dachte ich ärgerlich und schalt mich eine Närrin. Ich wollte mich grade wieder umdrehen und zurück gehen, als ich hinter mir ein Schlürfen hörte. Neugierig wie ich nun mal bin, drehte ich mich um und folgte den Geräuschen. Ich blickte hinter einem Baum hervor und sah eine Lichtung. Doch das, was ich dort sehen konnte, ließ mein Herz rasen und Entsetzen durchflutete mich. Mitten auf der Lichtung standen zwei Menschen. Ihm fahlen Mondlicht konnte ich nichts genaues erkennen, doch als ich mich anstrengte und genauer hinsah, erkannte ich, dass die eine Person sich am Hals der anderen zu schaffen machte. Naja, dachte ich, heutzutage standen die Leute ja auf die verrücktesten Sachen. Und sich die von jemandem die Zähne in den Hals rammen zu lassen schien wohl dazuzugehören. Ich wollte mich schon umdrehen, als ich erstarrte. Moment! Zähne im Hals?! Hallo, Erde an Relena!!! Das. Ist. Unmöglich! Und doch sah ich genau das vor mir. Als der Beißer sich aufrichtete, setzte mein Herz aus. Ich blickte direkt in die Augen von Damien! Blut lief sein Kinn hinunter und er war wie mitten in der Bewegung erstarrt. Sein Blick hielt mich gefangen, ich konnte mich nicht bewegen. Als er seine Hand in meine Richtung streckte, fiel die Starre von mir ab und ich drehte mich rum und rannte los. Ich konnte hören, dass er mir folgte und versuchte schneller zu laufen. Doch er kam näher und ein Blick über die Schulter zeigte mir, dass er nur noch die Hand aus trecken musste, um mich zu fassen. In diesem Moment blieb ich an einer Wurzel hängen und stürzte. Ich nahm noch wahr, wie Damien sich über mich beugte, dann wurde auch schon alles schwarz um mich. Ich spürte die Wärme eines Feuers auf meiner Haut und wachte auf. Plötzlich fiel mir alles wieder ein. Ruckartig riss ich meine Augen auf und schoss mit dem Oberkörper hoch. Sofort erfasste mich Schwindel und ich lies mich langsam zurück sinken. Moment. Feuer? War ich nicht eben noch im Wald gewesen? Wie kam ich hierher? Ich tastete meinen Hals ab, doch da war nichts. „Elena, um Himmels Willen, was hast Du denn so spät noch alleine draußen gemacht? Ich habe Dich auf dem Rückweg von der Garage im Hof gefunden, bewusstlos!“ Erschrocken drehte ich mich um, ich hatte gar nicht bemerkt, dass außer mir noch jemand im Raum war. Ich blickte direkt in Damiens besorgte Augen. Ich musste wieder an die Szene im Wald denken. Forschend besah ich mir sein Gesicht, noch genauer die Augen. Nichts gab Anzeichen auf das Geschehen, dass ich meinte, gesehen zu haben. Ich gab eine ausweichende Antwort, doch die Besorgnis blieb in seinem Blick. Er nickte jedoch und ließ mich dann mit einem gemurmelten Nachtgruß alleine in meinem Zimmer zurück. Er war mir immer noch ein Rätsel, doch an eine Halluzination glaubte ich nicht. Was auch immer du zu verbergen suchst Damien McLachlan, ich werde es herausfinden! Mit diesem Schwur drehte ich mich im Bett auf die Seite und war innerhalb weniger Sekunden wieder eingeschlafen. Kapitel 4: ----------- Noch mal Glück gehabt Nach dem ich Elena alleine in ihrem Zimmer zurück gelassen hatte, blieb ich draußen vor der Tür gegen die Wand gelehnt stehen. Himmel, es war knapp gewesen. Beinahe hätte sie mein Geheimnis herausgefunden. Und das, obwohl ich doch die gesamten drei Wochen, die sie bereits hier war, so vorsichtig wie möglich gewesen war. Aber wie hätte ich ahnen können, dass sie mich finden würde, wenn ich nach längerer Zeit meinen Durst stillte? Verdammt. Wütend ballten sich meine Hände zu Fäusten. Nach mehrmaligem tief ein- und ausatmen wollte ich grade wieder hinunter gehen, als ich plötzlich ihre Stimme in meinem Kopf hörte. Was auch immer du zu verbergen suchst Damien McLachlan, ich werde es herausfinden! Geschockt blickte ich auf ihre Türe. Nein, unmöglich. Das konnte nicht wahr sein. Ich konnte nicht grade ihre Gedanken gehört haben. Nicht ich! Ich wusste doch, dass ich dazu verdammt war, für die Ewigkeit alleine zu bleiben. Aber warum konnte ich dann ihre Gedanken hören? War sie etwa meine Seelengefährtin? Nein! Fest entschlossen wandte ich meine Schritte hinunter zu Molly. Ich musste mit ihr reden, sie war die Einzige, die mich verstehen würde, jedenfalls soweit es möglich war. Ich betrat die Küche und sah sie den Abwasch erledigen. Wortlos nahm ich mir ein Geschirrtuch und trocknete ab. Ich spürte ihre forschenden Blicke und schließlich hielt ich es nicht mehr aus. „Molly, ich glaube, ich habe ein Problem.“ „Um Gottes Willen Damien! Du hast Elena doch nicht etwa gebissen?!?“ „Nein, meine Güte Molly, natürlich nicht! Ich kann mich beherrschen. Außerdem glaube ich nicht, dass ich ihr jemals etwas tun könnte, ganz egal was.“ Ja, jetzt hatte ich mich so langsam damit abgefunden. Sie war meine Seelengefährtin, denn ich konnte sonst niemandes Gedanken hören. Verständnislos sah Molly mich an. „Du weißt schon, dass ich aus deinen Worten nicht schlau werde? Was willst du mir sagen? Was für ein Problem bitte hast du?“ Ich fuhr mir mit der Hand durch die Haare, dann setzte ich mich an den Tisch. Das schien sie zu erschüttern, denn sie legte alles beiseite und setzte sich zu mir. Sie nahm meine Hand und sah mich an. Unter ihrem Blick konnte ich zu sprechen anfangen. „Ich habe dir vor doch mal von der Vampirsage mit den Seelengefährten erzählt?“ „Natürlich, aber du hast auch sofort eingelenkt, dass es nicht mehr als eine Sage ist. Dass es für dich einfach so etwas nicht gibt.“ „Ja das dachte ich bis gerade eben auch noch.“ „Wie meinst du das? Was heißt bis gerade eben?“ „Weißt du auch noch, was ich dir gesagt habe, wie man seine Seelengefährtin erkennen kann?“ „Indem man ihre Gedanken hört… Oh mein Gott!“ „Molly, ich konnte Elenas Gedanken hören. So, als wären es meine!“ Das schien sie geschockt zu haben. Einige Zeit konnte man nichts hören, nur den Wind, der wie jeden Abend um das Schloss herum wehte. Wir beide hingen unseren Gedanken nach. Wie sollte es jetzt weiter gehen? Ich konnte mich dieser Frau nicht mehr entziehen, aus dem Weg gehen war auch keine Option mehr, denn jetzt, wo ich einmal akzeptiert hatte, dass sie für mich bestimmt war, vermisste ich sie mit jeder Faser meines Seins, obwohl sie doch nicht weit von mir entfernt war. Ich seufzte schwer und dieses Geräusch schien Molly wieder daran zu erinnern, dass ich auch noch da war. „Aber dann ist doch alles gut! Sag ihr die Wahrheit. Was hindert dich denn noch daran?“ „Was glaubst du, wie eine moderne junge Frau so etwas auffassen würde? Meinst du, sie würde es glauben und sich freuen und damit wäre alles in Ordnung?“ „Warum nicht? Warum sollte ich das nicht denken? Sie ist intelligent, nett und sehr warmherzig. Damien, spring über deinen Schatten und trau dich. Was soll schon passieren?“ „Du weißt genau, dass das Ganze nicht so einfach ist! Verdammt, ich bin nicht der einzigste Vampir hier in der Gegend. Sobald ich das Vereinigungsritual mit ihr vollzogen habe, werden es die Anderen wissen. Und sie werden versuchen, sie zu benutzen, um an mich heranzukommen-“ „Himmel noch mal! Du bist doch sonst nicht so ängstlich! Also hör mit dieser Schwarzseherei auf und mach das Beste aus dieser Situation! Und jetzt mach dich hier raus und sieh nach deiner Frau. Ich kann mir nämlich vorstellen, dass ihr Unterbewusstsein bereits zu erfassen beginnt, was hier los ist. Sie war schließlich im Dorf und hat von den Geschichten der Leute dort erfahren. Da sie nicht dumm ist wird sie kombinieren können.“ Bei dieser Ansprache hatte ich unwillkürlich den Kopf gesenkt. Es war, als würde meine Mutter wieder zu mir sprechen und mich zurecht stutzen. Als Molly sanft meine Hand drückte sah ich auf. Sie meinte es schließlich nicht böse und Recht hatte sie sowieso. Ich atmete tief durch und beschloss, mich ihrem Rat zu beugen. Ich würde Elena näher kommen, sie besser kennenlernen und sie langsam an die Wahrheit heran führen. Und damit würde ich gleich morgen beginnen. Voller Tatendrang verließ ich die Küche, darauf bauend, dass Molly mir weiterhin mit Rat und Tat zur Seite stehen würde, als ihre Stimme mich noch einmal innehalten ließ. „Ach und Damien? Denk daran, dass Sturgis und ich morgen für zwei Tage frei haben. Wir werden also nicht da sein und euch stören können.“ Verdammt, das hatte ich vergessen. Und das Schmunzeln meiner liebsten Haushälterin konnte ich bis hierher sehen. Das konnten ja heitere zwei Tage werden… Kapitel 5: ----------- Ein Morgen voller Missverständnisse Der Schlaf hatte Wunder gewirkt. Das verwirrende Erlebnis der vergangenen Nacht tat ich als Albtraum ab, der durch die Geschichten des Pfarrers entstanden war. Als ob es Vampire gab. Pf. Ja klar und als nächstes würde ich dem Sandmännchen begegnen. Ich schüttelte den Kopf über meine abstrusen Gedanken und schwang die Beine aus dem Bett. Während ich mich streckte, überlegte ich, wie ich Damien dafür danken konnte, dass er mich gefunden und auf mein Zimmer gebracht hatte. Aber erstmal würde ich frühstücken. Gut gelaunt hüpfte ich nach einer erfrischenden Dusche die Treppe hinunter, fröhlich vor mich hin pfeifend. Ich achtete nicht auf die Stufen und es kam, wie es kommen musste: ich übersah die vorletzte Stufe und trat ins Leere. Vor Schreck brachte ich keinen Ton raus und rechnete schon mit einigen Blessuren, als ich plötzlich aufgefangen wurde. Mit geschlossenen Augen und wild klopfendem Herzen hielt ich mich an den Armen meines Retters fest. Sehr muskulösen Armen, wie ich feststellte. Als sich besagte Arme anspannten, fand ich wieder in die Realität zurück. Verlegen sah ich in Damiens Gesicht und löste mich schließlich von ihm. „Danke. Das ist jetzt schon das zweite Mal in den letzten 12 Stunden, dass du mich rettest. Scheint ja fast zur Gewohnheit zu werden.“ Ich versuchte meine Unsicherheit hinter einem Lächeln zu verbergen. Doch irgendwie hatte ich es im Gefühl, dass er sie trotzdem bemerkte. Dann jedoch erwiderte er das Lächeln, ohne dass es aber seine Augen erreichte. Sie blieben emotionslos wie sonst auch. Schade, es wäre zu schön gewesen, mal etwas anderes darin zu sehen. Vielleicht Freude oder so etwas. Naja, konnte man nichts machen. Als er nach geschlagenen fünf Minuten immer noch keine Anstalten machte, mir zu antworten, gab ich auf. Ich ging an ihm vorbei, winkte noch kurz und verschwand dann im Durchgang zu den Wirtschaftsräumen. Mittlerweile knurrte mein Magen nämlich so vernehmlich, dass ich mir gar nicht ausmalen wollte, wie peinlich es würde, sollte das jemand mitbekommen. Doch in der Küche angekommen, erwartete mich – nichts. Keine Molly, die mir, wie sonst jeden Morgen, voller Eifrigkeit meine Frühstückswünsche erfüllte. Die Küche sah so verlassen aus, dass ich es schon körperlich spüren konnte. Ich begab mich auf die Suche nach Molly, fand sie jedoch nirgendwo. Auch auf mein Rufen antwortete sie nicht. Schulterzuckend kehrte ich in die Küche zurück. Würde ich mir halt eben selbst Frühstück machen. Das tat ich ja nun auch zu Hause. Ich durchstöberte sämtliche Schränke und Schubladen, ohne jedoch Brot zu finden. Hm, vielleicht im Kühlschrank? Möglich war alles. Doch dort fand ich nur ein paar Eier, einen riesigen Block Käse und jede Menge Schinken. Tja. Soviel zum Thema Brot. Dann eben Eier. Machte ja auch nichts. Bewaffnet mit einem Pfannenwender, einer großen Pfanne – kleine gab es hier scheinbar nicht – und drei Eiern wandte ich mich dem Herd zu. Ich war so in meinen Vorbereitungen vertieft, dass ich die Gasdüsen am Herd erst bemerkte, nachdem ich das gesamte Gerät einer genauen Untersuchung unterzogen hatte. Ich stöhnte frustriert auf. Verdammt noch mal, warum denn ausgerechnet ein Gasherd? Ich hatte doch nicht die geringste Ahnung, wie ich den anbekommen sollte. War das etwa das Ende meines ach so tollen Frühstücksplanes? Hinter mir erklang ein Geräusch. Erschrocken fuhr ich herum und stieß dabei die Pfanne vom Herd. Ich konnte praktisch schon das Geräusch hören, dass sie beim Aufprall auf dem Boden machen würde, als wie aus dem nichts Damien vor mir stand und sie in der Hand hielt. Ich hatte ihn nicht gesehen und sein plötzliches Auftauchen hatte mich wieder an den entsetzlichen Albtraum der vergangenen Nacht erinnert. Der Gedanke daran ließ mein Herz rasen. Mein Entsetzen musste mir wohl ins Gesicht geschrieben stehen, denn Damien stellte mit beinahe übertrieben langsamen Bewegungen die Pfanne zurück auf den Herd und lehnte sich dann gegen die Anrichte. Dann erst begann er zu sprechen. „Es tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken.“ Ich brauchte etwas um die Worte zu verstehen, denn meine Gedanken drehten sich nur darum, wie er immer so leise sein und sich so furchtbar schnell bewegen konnte. Ich atmete mehrmals tief durch und hatte mich dann soweit gefasst, dass ich ein vernünftiges Gespräch führen konnte. „Ist ja nichts passiert. Aber könntest du das nächste Mal etwas mehr Krach machen?“ „Wenn das dein Wunsch ist.“ Verwirrt sah ich ihn an. Meinte er das jetzt ernst? Ich beschloss das zu testen. „Nun, wenn das so ist, würdest du mir bei den Eiern helfen? Ich hab´ s nicht so mit dem Herd.“ Wortlos drehte er sich herum, brachte den Herd in Gang und briet mir die Eier, genauso, wie ich sie gerne hatte. Vollkommen überrascht hatte ich mich währenddessen auf einen Stuhl am Tisch sinken lassen und besah mir das Ganze. Als er die Eier schließlich fertig vor mich stellte und mir sogar noch Besteck brachte, war ich fassungslos. „Ähm, d- danke. Aber du hättest mir nicht die Eier machen müssen.“ „War es nicht das was du wolltest?“ Er schien zu überlegen, dabei die Stirn in Falten gelegt und offenbar ernsthaft denkend, dass er einen Fehler gemacht hatte. „Nein, nein, es ist nur… naja…“ Ich wurde unweigerlich rot. „Das hat noch nie ein Mann für mich gemacht.“ Jetzt war es an ihm, erstaunt auszusehen. „Tatsächlich? Und ich dachte, für dich wäre das Alltag.“ „Bitte? Hältst du mich für ein völlig verwöhntes Weib, dass sich tagtäglich von vorne bis hinten bedienen lässt?“ Ich war stinksauer, so sauer, dass ich aufstand und sang und klanglos aus der Küche rauschte. In der Eingangshalle holte Damien mich ein und hielt mich an der Hand fest, damit ich nicht weglaufen konnte. Bei seiner Berührung zuckte ich zusammen, aber nicht, weil sie mir unangenehm war, sondern weil seine Hand so… kalt war. Aber es war doch gar nicht so eisig hier, dass einem die Hand einfrieren könnte. Er ließ mich sofort los, als ich zuckte und schob die Hände in die Taschen seiner Jeans. „Es tut mir leid, wenn ich dich verärgert habe. Aber ich habe nun mal nicht sonderlich viel Erfahrung im Umgang mit anderen Menschen und da ist es auch nicht grade leicht, die richtigen Worte zu finden.“ Er sah wirklich zerknirscht aus und mein unüberlegter Ausbruch tat mir bereits wieder leid. Molly hatte mir schließlich erklärt, dass er sehr zurückgezogen lebte und kaum ausging. Reue erfüllte mich. „Nein, mir muss es leid tun. Ich hätte nicht so zickig reagieren sollen. Du hast es ja nur gut gemeint. Ich hasse es einfach nur, wenn ich als verweichlichte Frau hingestellt werde.“ Ich lächelte ihn versöhnlich an. Und als er diesmal zurücklächelte, erreichte es sogar seine Augen. Ich war so fasziniert von ihrem Strahlen, dass ich mich beinahe in ihnen verloren hätte. Aber ich konnte mich beherrschen. Ich streckte ihm meine Hand entgegen. „Kommst du wieder mit in die Küche? Du könntest mir ein wenig Gesellschaft beim Essen leisten. Alleine Essen ist immer so unangenehm.“ Ich dachte schon beinahe, dass er nicht drauf eingehen würde, doch dann ergriff er sehr sanft meine Hand, beinahe so, als würde er sich Sorgen machen, sie bei ein wenig mehr Druck zu zerquetschen. Diesmal erschreckte mich auch die Kälte seiner Haut nicht. Und so gingen wir gemeinsam zurück in die Küche. Während ich aß, überwand Damien seine Scheu und stellte mir Fragen. Über Deutschland, meinen Heimatort, darüber, wie meine Eltern so wären, was ich in meiner Freizeit machte und schließlich, das mir unangenehmste Thema: Wie meine Freunde denn so wären. Das war natürlich ein Wunder Punkt. Aber woher sollte er das auch wissen. Traurigkeit überkam mich, als ich an all die schönen Erinnerungen dachte, die es gab, bevor die Sache mit Mark passiert war. Energisch blinzelte ich die Tränen weg, die mir dabei in die Augen gestiegen waren. Ich beendete das Gespräch durch ein paar kleinere Ausreden, wie zum Beispiel, dass ich noch ein wenig müde wäre und noch etwas vorhatte und verkrümelte mich dann in mein Zimmer hinauf. Ich bemerkte gar nicht, dass Damien mir nicht zuhörte und wie erstarrt am Tisch sitzen blieb. Kapitel 6: ----------- Ein nie gekanntes Gefühl Ich blieb stumm am Tisch zurück, als Elena fast fluchtartig den Raum verließ. Das Einzige, was ich noch wahrnahm, war dieser stechende Schmerz in meiner Brust. Dabei hatte doch alles so gut funktioniert, ich hatte mich überwunden und war Mollys Rat gefolgt, hatte versucht, mich mit ihr zu unterhalten. Natürlich hatte ich Fehler gemacht, aber war das weiter verwunderlich? Immerhin hatte ich noch nie die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass es meine Seelengefährtin wirklich geben könnte. Und dann stand sie plötzlich vor mir und erfüllte meine Gedanken. Ich hatte sie verärgert, weil ich nicht wusste, wie eine moderne, junge Frau lebte. Für stand nach vier Jahrhunderten immer noch meine Erziehung an vorderster Stelle. Hatte ich doch gelernt, dass man als Mann immer zuvorkommend und höflich zu sein hatte und eine Lady mit Ehrerbietung behandeln sollte. Genau das hatte ich auch bei Elena versucht. Ich hatte ihre verzweifelten Gedanken gehört, als ich immer noch völlig verzaubert von ihrer Berührung in der Halle gestanden hatte. Sie wusste natürlich nicht, wie der Herd funktionierte, schließlich war er auch ein Altertümchen. Also hatte ich ihr, ganz Gentlemen, helfen wollen und sie dabei durch eine Unachtsamkeit verschreckt. Da ich so wenig unter Menschen kam, vergaß ich halt sehr oft, dass sie nicht an meine schnellen Bewegungen gewöhnt war. Und somit hatte ich den ersten Fehler des Tages gemacht. Dann wollte ich doch nur ihre Gedanken in die Tat umsetzen, ihr eine Freude bereiten und machte ihr so das Frühstück fertig. Verdammt. Damit hatte ich ihren Stolz angekratzt und sie war fuchsteufelswild gegangen. Das war Fehler Nummer zwei. Doch wie sagte man so schön? Aller guten Dinge sind drei. Und so ließ auch der dritte Fehler nicht lange auf sich warten, als ich hier hinterher lief, um mich zu entschuldigen. Ohne nachzudenken griff ich ihre Hand und zwang sie so, stehen zu bleiben. Durch die Kälte meiner Haut zuckte sie zurück und ich ließ sie sofort los, um meine Hände in den Taschen meiner Hose zu vergraben. Ich bemühte mich, ihr die verfahrene Situation zu erklären und wäre – wenn nötig – sogar vor ihr auf den Knien herum gekrochen. Doch ihr schien ihr Ausbruch bereits selbst leid zu tun und so entschuldigte sie sich ihrerseits und streckte mir die Hand entgegen, als Friedensangebot. Ich dachte an den Moment, als ich ihre Hand nahm. Sie vertraute mir, sonst hätte sie das nicht getan. Auch schreckte sie diesmal nicht mehr vor meiner Berührung zurück, die Kälte schien ihr jetzt nichts mehr auszumachen. Zum ersten Mal war jemand von sich aus zu mir gekommen, auf mich zu. Und – dem Himmel sei Dank – Elena schien auch keine Abneigung gegen mich zu hegen. War es tatsächlich möglich, dass auch ich glücklich sein durfte? Gedankenverloren war ich mittlerweile durch den Keller gelaufen, um in meine Zimmer zu gelangen. Doch plötzlich begann das Licht zu flackern, bis es schließlich ganz erlosch. Ach verdammt. Diese Elektrizität machte einem aber auch nur Probleme. Naja, mir konnte es ja egal sein, schließlich war mein Sehvermögen bei jeden Lichtverhältnissen perfekt. Aber dann musste ich an Elena denken, die sich ohne Licht nicht zurecht finden würde, sobald es dunkel war. Seufzend machte ich mich also in mein Zimmer auf, um den Elektriker im Dorf anzurufen. Das Gespräch brachte mich allerdings nicht weiter. Der Mann hatte im gesamten Dorf noch einiges zu tun, also musste ich bis morgen warten. Na dann würde ich das mal Elena sagen. Ihre Reaktion wollte ich mir lieber nicht ausmalen… Und wieder war ich abgedriftet mit meinen Gedanken. Ich sah nur noch sie vor meinem inneren Auge. Egal wie sie ging, stand, sprach oder guckte, jedes noch so kleine Detail faszinierte mich. Und doch blieb die Angst vor ihrer Reaktion, wenn ich ihr gegebenenfalls irgendwann die Wahrheit über mich sagte. Doch konnte ich das? Ich wusste es nicht. Ich betete aber darum, dass sie im Laufe der Zeit ebenfalls beginnen würde, Gefühle für mich zu hegen. Fasst hätte ich angefangen zu lachen. Ich wollte, dass sie Gefühle für mich bekam, aber ich wusste nicht mal, was ich für sie fühlte. Da würde ich auch nicht drauf kommen, denn was ich im Moment fühlte, war ein nie gekanntes Gefühl. Kommt Zeit, kommt Rat dachte ich mir und setzte auf Mollys baldige Rückkehr. Ich streckte mich kurz, sodass alle Knochen knackten und verschloss dann sorgfältig meine Privaträume für den Fall, dass Elena sich hier hinunter verirren sollte, falls sie vom Entdeckerfieber gepackt würde. Schließlich sollte sie mein Geheimnis von mir gelüftet bekommen und nicht auf Grund der den Menschen eigenen Neugier. Oben angekommen lauschte ich kurz, ob ich das Geräusch ihres Herzens oder ihre Gedanken hören konnte. Naja, nicht wirklich, schließlich war ich keine Fledermaus oder sonst etwas. Und die Mauern meines Heims waren ja auch sehr dick geraten. Es half also nichts, ich musste weiter gehen wenn ich einen Hinweis auf ihren Aufenthalt bekommen wollte. Als ich am Durchgang zur Bibliothek und den Speiseräumen war, hörte ich schließlich doch ihren Herzschlag. Ich ging dem Geräusch nach und blieb vor der Türe zur Bibliothek stehen. Dahinter konnte ich das gleichmäßige Stakkato dieses kleinen Organs hören, dass den Lebenssaft durch den Körper pumpte. Lautlos öffnete ich die Türe. Ebenso geräuschlos bewegte ich mich durch die Regalreihen hindurch, bis ich in einer kleinen, sehr gemütlichen Nische ankam, in der ein großes, gemütlich gepolstertes Sofa stand, auf dem Elena halb liegend in ein Buch vertieft war. Ich nahm dieses Bild in mich auf. Es war so… richtig. So normal. Dabei war sie doch erst einen knappen Monat hier. Und doch – wenn es nach mir ginge, würde sie als meine Gefährtin mit mir zusammen die Ewigkeit überdauern. Ich warf einen Blick aus dem Fenster. Lange Schatten krochen bereits auf das Schloss zu, die Nacht begann ihren Einzug zu halten. Ich musste Elena noch mitteilen, dass der Strom nicht funktionierte. Ihr Duft machte es mir jedoch schwer, benebelte meine Sinne und ließ mich fast vergessen, dass sie noch nicht Mein war. Innerlich zügelte ich mich, bis ich soweit war, dass ich problemlos mit ihr sprechen konnte. Dann sah ich sie wieder an. Sie schien mich immer noch nicht bemerkt zu haben. War sie etwa so vertieft in ihr Buch? Ich schmunzelte. Dann streckte ich langsam meine Hand nach ihr aus… Kapitel 7: ----------- Warum kamst du hierher? Ruhig lag ich in einer abgeschiedenen Ecke der Bibliothek, vertieft in ein Buch. Ich war gerade an einem besonders spannenden Absatz über Volksmärchen angelangt, als sich plötzlich eine Hand auf meine Schulter legte. Entsetzt fing ich an zu schreien, schlug dabei um mich und warf letztendlich meinem vermeintlichen Angreifer das Buch entgegen. Mit einem dumpfen Plong landete es punktgenau auf seiner Stirn. Moment, seiner? Immer noch ängstlich und mit wackligen Knien, drehte ich mich um und sah direkt hinter dem Sofa Damien stehen. Mit einem nicht sehr freundlichen Gesichtsausdruck und besagtem Buch in der Hand. Oh, oh, ich hatte doch nicht etwa ihn getroffen? Ein schneller Blick auf seine Stirn jedoch bestätigte meine Vermutung. Langsam bildete sich ein blutunterlaufener Fleck auf seiner Stirn. Ich hatte getroffen. Ich schluckte und setzte dann ein Gesicht auf, als könnte ich kein Wässerchen trüben. „Äh… hehe… Damien, du hier? Was für eine Überraschung! Du siehst aber ein klein wenig angeschlagen aus…“ Sein Blick wurde finsterer, sofern das überhaupt noch möglich war. Meine Taktik, einen auf lieb und unschuldig zu machen, ging also nicht auf. Mist. „Wie würdest du denn aussehen, wenn du Jemandem eine Mitteilung machen willst und dann ohne jegliche Vorwarnung angegriffen wirst?“ „Es tut mir leid, wirklich. Es ist nur…“ Er zog die rechte Augenbraue hoch. „Ja?“ „Ich hatte Angst,“ murmelte ich kleinlaut. „Warum denn das?“ Er schien ehrlich überrascht. „Naja, ich mein, also… hach, ich bekomme nie was mit wenn ich lese, ich bin dann einfach viel zu abgelenkt. Und wenn ich gerade noch etwas Unheimliches lese und ich dann einfach angefasst werde, erschrecke ich mich halt. Das passiert doch jedem Menschen mal.“ Eingeschnappt drehte ich mich rum und verschränkte die Arme vor der Brust. Keiner von uns sagte etwas. Die Schatten wurden länger und im Raum immer wurde es immer dunkler. Mit einem Seufzen ging ich um das Sofa herum, an Damien vorbei und betätigte den Lichtschalter an der Wand. Nichts tat sich. Ich versuchte es noch einmal. Mit dem gleichen Ergebnis. „Deshalb bin ich hergekommen“ meinte Damien, „um dir Bescheid zu sagen, dass der Strom ausgefallen ist.“ Er klang etwas versöhnlicher. Ich war aus irgendeinem Grund froh darüber. „Konnte das niemand reparieren?“ „Nein. Normalerweise macht Sturgis das. Aber er und Molly haben heute und morgen frei. Ich habe zwar versucht, den Elektriker aus dem Dorf zu bestellen, aber der schaffte es nicht mehr, heute noch hier hoch zu kommen. Naja, niemand kommt nachts hier hoch, daher ist es ganz verständlich. Wir müssten uns also mit einem Feuer begnügen.“ „Feuer? Aber das ist ja toll! Seit ich hier bin, habe ich noch keinen der Kamine in Funktion gesehen. Welchen willst du denn anzünden?“ Er schien zu überlegen. Ich auch. Nachts wurde es hier furchtbar kalt, aber sonst hatte es mich nie gestört. Klar, mit Heizung machte einem das ja auch nichts aus. Aber da auch die über Strom lief, war an Wärme nicht zu denken. Bereits jetzt fröstelte ich leicht, obwohl ich eine leichte Strickjacke anhatte. Da fiel mir das Holz ein, das wir brauchten, um den Kamin zu betreiben. Soweit ich gesehen hatte, war davon nicht allzu viel da, immerhin war noch Sommer. Also beschloss ich, einfach mal mit dem Gespräch da anzufangen, wo ich es als notwendig ansah. „Sag mal, soweit ich weiß, ist ja im Moment nicht viel Holz da. Was machen wir denn nun?“ „Wir werden nur einen Kamin nutzen. Und zwar den, der sich oben in deinem Zimmer befindet. Dann brauchst du nicht frieren.“ „Und was ist mit dir? Immerhin sollst du es auch warm haben.“ „Ich bin robust genug. Schließlich ist das meine Heimat und ich bin daran gewöhnt.“ „Trotzdem. Wir können den Kamin auch zusammen nutzen. Ich möchte nicht, dass du meinetwegen krank wirst.“ Er schien ziemlich erstaunt, aber noch nicht überzeugt. Natürlich war er ein Gentleman, das hatte ich während meines Aufenthalts schon so oft mitbekommen, dass mir auch klar war, dass er nun wieder so nobel handeln würde. Aber ich wollte nicht schuld daran sein, wenn er nachher doch krank wurde. Also gab es nur eine Möglichkeit: „Würdest du denn auch unabhängig von der Wärme bei mir bleiben? Ich habe alleine Angst.“ Das schien ihn zu überraschen. Und dann nahm sein Gesicht einen so unsagbar weichen Ausdruck an, dass sich tief in mir etwas regte. Ich schob dieses Gefühl jedoch beiseite. „Wenn das so ist, dann bleibe ich natürlich. Geh du schon hoch, ich komme mit dem Holz nach.“ Sprach´ s und verschwand. Ich lächelte und machte mich auf den Weg nach oben. Eine gute halbe Stunde später flackerte ein munteres Feuerchen im Kamin und wir sahen zusammen gemütlich auf dem Boden davor, die Rücken gegen das Sofa gelehnt, das auch hier wieder dem Kamin gegenüber stand. Die Stimmung war einfach heimelig und während die Schatten, die das Feuer an Decke und Wände warf, munter tanzten, sah ich aus dem Augenwinkel, wie Damien mich beobachtete. Na, wenn er was wollte sollte er schon reden. Gedankenlesen konnte ich immerhin nicht. Aber ich fühlte mich zu wohl, um ihm einen spitzen Kommentar zu geben und mümmelte mich stattdessen tiefer in die Decke, die ich mir um die Schulter geschlungen hatte. „Was hat dich dazu getrieben, auf ein einsames, abgelegenes schottisches Schloss zu kommen?“ Ich erstarrte. Mit so einer Frage hatte ich nicht gerechnet. Obwohl – immerhin war es nur natürlich, dass er wissen wollte, wieso ich hier war. „Das ist eine längere Geschichte.“ Ich wollte ausweichen. „Ich habe Zeit.“ Er nicht. Ergeben seufzte ich. Ich hatte wohl keine Wahl und außerdem war es nur fair, ehrlich zu sein, wo er sich doch so um mein Wohlergehen sorgte. Ich starrte in die Flammen und vergaß dabei alles um mich herum, auch Damiens Anwesenheit, während ich bei meinen Erzählungen wieder jenen schrecklichen Tag erlebte, der meine heile Welt zerstört hatte: Ich wollte Mark von der Arbeit abholen und ging zu seiner Firma. Dort angekommen ging ich an der lächelnden Empfangsdame vorbei, der ich ein grüßendes Nicken schenkte und bestieg den Fahrstuhl, der mich auf die Etage bringen sollte, zu der ich wollte. Ich prüfte mein Aussehen noch einmal in der Verspiegelung und strich eine lose Strähne meines Haars wieder zurück. Dann drehte ich mich zur Türe um und verließ, im richtigen Stockwerk angekommen, den Fahrstuhl. Ich ging auf dem langen Mittelgang eines Großraumbüros direkt auf das Einzelbüro zu, das Mark als leitender Angestellter benutzte. Es waren nur noch vereinzelt einige wenige Leute da, die jedoch bereits dabei waren, Feierabend zu machen. Sie winkten freundlich und ich tat es ihnen gleich. Dann stand ich vor der Bürotüre und strich voller freudiger Aufregung meinen Pullover glatt. Dann klopfte ich kurz und öffnete mit einem strahlenden Lächeln die Türe. Doch das Lächeln verblasste schlagartig, als Mark mich nicht einmal bemerkte. Das konnte er auch gar nicht, schließlich galt seine ganze Aufmerksamkeit grade einer gut gebauten Schwarzhaarigen, die in den armen meines Freundes lag und ihn mit der gleichen Hingabe küsste, wie ich es sonst immer tat. Ich konnte förmlich hören, wie mein Herz in Scherben zersprang, während ich fassungslos das Geschehen, das sich mir direkt vor meinen Augen bot, betrachtete. Jetzt schien auch den Beiden aufzufallen, dass sie nicht mehr alleine waren, denn sie lösten sich von einander. Die Frau, die mit dem Gesicht zu mir stand, hatte nun einen entsetzten Gesichtsausdruck, während Mark sich langsam, wie in Zeitlupe, zu mir herum drehte. Stumm, mit weitaufgerissenen Augen, sah er mich an. Er schien sich zu sammeln, strich seinen Anzug glatt, glättete mit der Hand seine Haare und machte dann einen Schritt auf mich zu, mit geöffnetem Mund, zum Reden bereit. Doch bevor er auch nur einen Ton herausbringen konnte, hob ich die Hand, lächelte und sagte mit eiskalter, ruhiger Stimme: „Du brauchst nichts zu sagen. Ich bin auch nur hier, um dir mitzuteilen, dass ich auf unsere Beziehung keinen Wert mehr lege. Du bremst mich zu sehr in meiner Lebensweise aus, darauf möchte ich in Zukunft verzichten. Ich werde deine Sachen packen und sie an deine Eltern schicken. Du wirst verstehen, dass ich bereits die Schlösser der Wohnung ausgetauscht habe und jeglicher Versuch, mit mir zu reden, vollkommen aussichtslos ist. Das war alles. Einen schönen Abend euch beiden noch.“ Ich verließ das Büro, lächelte die verdutzen Leute an, die noch an ihren Schreibtischen saßen und betrat den Fahrstuhl, der noch immer auf der Etage wartete. Im Foyer angekommen, verabschiedete ich mich von der Empfangsdame, ging zu meinem Auto und fuhr auf direktem Weg zu Bine. Sie wusste sofort was los war, als sie die Türe öffnete und führte mich ins Wohnzimmer. Erst als ich bei ihr saß, neben ihr und sie mich in aller Freundschaft umarmte, kamen die Tränen, die ich solange unterdrückt hatte. Eben jene Tränen flossen mir über die Wangen, als ich meine Erzählung beendet hatte. Ich wollte keine Schwäche zeigen und schluckte die nachfolgenden Tränen so gut es ging hinunter. Damien sah mich stumm an, Sorge, ein kleines bisschen Wut und Mitleid in seinen Augen. Dann tat er etwas, womit ich bei einem so distanzierten Menschen niemals gerechnet hätte: er rückte näher an mich heran, legte seinen Arme um mich und zog mich sanft an sich, so dass mein Kopf auf seiner Brust ruhte. Der Damm brach endgültig und ich konnte die Tränen nicht mehr aufhalten. Während ich leise schluchzte, fuhr seine Hand sanft über meinen Rücken. Das beruhigte mich ungemein. Seine Nähe tat einfach gut und ich schlang meinerseits meine Arme um ihn. Lange blieben wir so sitzen, in einer Umarmung, die einfach nur eine Umarmung war, ohne jegliche Hintergedanken. Irgendwann wurde es mir allerdings zu unbequem, außerdem hatte mich das Weinen erschöpft. Ich wollte mich zwar nicht von ihm lösen und damit das Gefühl der Geborgenheit zerstören, aber länger so sitzen konnte ich auch nicht mehr. Doch ich hatte nicht mit Damien gerechnet. Bevor ich überhaupt genau wusste, was los war, hatte er mich auch schon vorsichtig angehoben und zwischen seine Beine gesetzt, jedoch so, dass ich halb seitlich an ihn gelehnt da lag. Meine Beine lehnten über seinem rechten Oberschenkel. Es war ungemein gemütlich. Als er dann noch eine weitere Decke über mir ausbreitete und wieder über meinen Rücken strich, schlief ich ein. Das Letzte, was ich sah, war Damien, der mit verschlossenem Gesichtsausdruck ins Feuer starrte. Kapitel 8: ----------- Ein Geheimnis wird gelüftet Mit einem Schlag war ich wach. Verwirrt richtete ich mich auf. War ich nicht in Damiens Armen eingeschlafen, nachdem er mich getröstet hatte? Aber wo war er? Ich sah mich um. Die Türe stand einen Spalt auf. War er raus gegangen? Ich stand auf, ließ die Decke aber liegen. Ich ging den Flur entlang in Richtung der Eingangshalle. Dann blieb ich wie angewurzelt stehen. Ich konnte stimmen hören. Langsam schlich ich mich näher zum Geländer, ließ mich auf Hände und Knie nieder und blickte hinunter. Damien stand dort, mit noch einem Mann. Sie schienen zu streiten. Ich konnte nichts verstehen, dazu sprachen sie zu leise. Was machte ein Fremder hier mitten in der Nacht? Ein kalter Windstoß traf mich im Rücken und urplötzlich drehte der Unbekannte sich herum. Er sah mich direkt an. Woher wusste er, dass ich hier hockte? Dann setzte er sich in Bewegung, Damien nicht beachtend. Ich sah wie gebannt zu, wie er zur Treppe ging und mit einem Mal verschwunden war. Plötzlich wurde ich hochgezogen und herum gerissen. Meine Arme schmerzten dort wo ich gepackt worden war. Ich starrte direkt in das Gesicht des Fremden. Wie war er so schnell hochgekommen? Und vor allem, warum sah er mich so an? Angst überflutete mich, lähmte meinen Körper und meinen Verstand. Neben uns erklang ein furchterregendes Knurren. „Lass Sie los!“ Beide wandten wir den Kopf und ich sah Damien, der furchtbar wütend neben uns stand und sich scheinbar nur noch mühsam beherrschen konnte. „Warum sollte ich? Hörst du nicht, wie schnell ihr Herz schlägt, wie rasend sich das Blut durch ihre Adern bewegt? Spürst du nicht die Gefühle die von ihr ausgehen? Die Angst?“ Seine Stimme war unangenehm, kalt und grausam. Himmel, was war nur los? Und was sollte dieses Gerede über mein Blut? Die Geschichten des Pfarrers fielen mir ein. Konnte es sein? Nein, völlig unmöglich! Es gab keine Vampire! Und ich stand schon gar keinem gegenüber! Meine Fantasie ging mit mir durch. Ich hatte keine Lust mehr. Also fing ich an, mich zu wehren. Das brachte mir die Aufmerksamkeit der Beiden zurück. „Aber, aber meine Schöne, so ungeduldig? Damien, du bist ein schlechter Gastgeber, wenn du von deinen Gästen nicht mal Höflichkeit verlangst.“ Er schien belustigt, zumal meine Versuche, mich von ihm loszumachen, gar nichts brachten. „Ich sage es dir noch einmal Calum: Lass Elena los!“ „Und wenn nicht? Was willst du tun? Wirst du ihr dein kleines Geheimnis verraten?“ Wieder dieses Knurren, wütend, gefährlich, animalisch… Aber das war gerade nebensächlich für mich. Etwas anderes regte mich auf. „Könntet ihr Beiden vielleicht aufhören so zu tun, als wäre ich nicht hier?“ „Halt dich daraus Elena.“ Das war ein Fehler Damien McLachlan! Meine Augen wurden zu Schlitzen. „Falls es dir nicht entgangen ist: ich nehme keine Befehle von dir entgegen!“ Ein Lachen unterbrach den beginnenden Disput. „Wie herrlich. Damien, du bist wohl nicht in der Lage, dich gegen eine Frau durchzusetzen. Dann werde ich ihr wohl Manieren beibringen müssen.“ Ich wollte gerade etwas Patziges antworten, als mir meine Erwiderung im Hals stecken blieb. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Damien sich anspannte. Vor meinen Augen begann sich das Gesicht dieses Calum zu verändern. Seine Augen glühten regelrecht, die Eckzähne wurden richtig lang, so dass es beinahe aussah, als hätte er… Fangzähne. Was bitte war los? Kamen gleich ein Kamerateam und ein Moderator, der mir sagte, dass ich bei der versteckten Kamera gelandet war. Ich hatte so eine Ahnung, dass das nicht passieren würde. Calums Kopf senkte sich in Richtung meines Halses. Die Erkenntnis kam mit der Gewalt eines Gewitters und eben ein solches begann sich über dem Schloss zusammen. Er war tatsächlich ein Vampir! Die Geschichten waren wahr! Ein Wimmern entfuhr mir. Und das schien der Auslöser für Damien gewesen zu sein. Mit einem Wutschrei stürzte er sich auf Calum und riss ihn so von mir weg. Erschrocken wich ich ein wenig zurück in Richtung Treppe. Regen setzte ein und ein Blitz zerriss die Dunkelheit. Während des kurzen Momentes, als dieses grelle Licht die Galerie erleuchtete, sah ich deutlich, dass auch Damien sein Aussehen verändert hatte. Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen. Er war auch ein Vampir! Oh mein Gott, bitte nicht. Mit einem letzten Knurren war der Kampf plötzlich zu Ende. Damiens Hand hatte sich um Calums Hals geschlossen und er hob ihn mühelos hoch. Ich hatte ja gewusst, dass Damien stark war, aber dass er nicht mal ein Mensch war, entsetzte mich doch. Stumm besah ich mir die Szenerie. „Verschwinde Calum und komm ja nicht wieder. Beim nächsten Mal wird es nicht so glimpflich für dich ausgehen.“ Mit diesen Worten warf Damien den Anderen die Treppe hinab. Hart kam der Vampir am Boden auf. Stöhnend richtete er sich auf und wankte dann in Richtung Tür. Mit einem Knurren öffnete er sie und drehte sich dann noch einmal um und sah zu uns hoch. „Das war nicht die letzte Begegnung kleine Lady. Wir sehen uns wieder. Und du Damien, wirst noch die Konsequenzen tragen. Ich werde Rache nehmen, verlass dich drauf.“ Dann trat er hinaus und wurde von den dichten Regenschleiern und der Dunkelheit verschluckt. Wie lange ich stumm dagestanden und ins Leere gesehen hatte, konnte ich nicht sagen. Doch plötzlich legte sich eine Hand vorsichtig auf meine Wange. Erschrocken sah ich in Damiens immer noch vampirisches Antlitz. Doch es erfüllte mich noch lange nicht mit solchem Entsetzen wie Calums. Seine Augen… sie waren so traurig. Mein Herz weinte. Aber warum? Er war ein Monster. Damien zuckte zusammen, seine Mimik wurde noch trauriger. Nein, Monster waren bösartig, aber er… er war so lieb und sanft. Wäre er böse, hätte er mir doch bestimmt schon längst etwas getan. Stattdessen hatte er meinen Kummer geteilt, mich getröstet und mir das Gefühl gegeben, dass ich hier geborgen war. Außerdem hatte er mich beschützt. Ich sah auf seinen gesenkten Kopf. Seine Haare fielen ihm in die Stirn und verbargen so den Großteil seines Gesichts vor meinen Blicken. Ohne jegliche Vorwarnung ließ er mich los und verschwand die Treppe hinunter nach draußen. Was war nur los? Glaubte er, ich hasste ihn? Oder hatte Angst? War es denn so? Ich horchte in mich hinein. Nein. Ich war erschrocken, aber das war nur natürlich, doch fürchten tat ich mich nicht vor ihm. Ich straffte meine Schultern. Das musste geklärt werden. Schließlich gab es bestimmt einen Grund, dass er mich beschützt hatte, auf jede nur erdenkliche Art und Weise, wie man es auch nur tun konnte. Die Legenden, die ich in dem Buch gelesen hatte, die von den Seelengefährten erzählten, kamen mir urplötzlich wieder in den Sinn. Ich hatte dem keine Bedeutung bei gemessen, aber konnte nicht das der Grund für sein Verhalten sein? War ich seine Seelengefährtin? Jetzt, wo ich darüber nachdachte, kam mir das alles so passend vor. Es war eigentlich genauso, wie es in den Geschichten beschrieben wurde. Ich war mir sicher. Noch wusste ich nicht, ob ich ihm schon soweit als Mann vertrauen konnte, aber ich würde es zumindest versuchen. Jetzt musste ich ihn nur noch finden. Ich lief durch den Wald. Wo war er bloß? Die Haare klebten mir in der Stirn und ich fror. Aber ich musste Damien finden. Nach weiteren zwei Minuten herumlaufen war ich außer Atem. Erschöpft ließ ich mich am nächsten Baum zu Boden sinken und legte den Kopf in den Nacken. Ich wusste, dass ich vollkommen verdreckt war, aber ich war zu erschöpft, um mir auch darum nur den kleinsten Gedanken zu machen. ´Wo bist du nur?´ ´Geh zurück.´ Moment, war das gerade seine Stimme in meinem Kopf gewesen? ´Damien?´ ´Was willst du?` Warum war er plötzlich so abweisend? ´Für dich bin ich doch ein Monster, also verschwinde.´ ´Du bist kein Monster Damien. Du bist ein liebevoller und starker Vampir.´ ´Eben war ich noch ein furchterregendes Ungeheuer vor dem du unglaubliche Angst hattest.´ ´Nicht vor dir. Aber vor der Situation. Bitte, komm zurück.´ Nichts geschah. Er antwortete mir auch in Gedanken nicht mehr. Frustriert seufzte ich auf. Dann raschelte es zu meiner linken. Damien trat aus dem Gebüsch, wieder vollkommen menschlich aussehend. Er blieb stehen und sah mich an, machte keinen Schritt zu mir und sagte auch nichts. Gut, wenn der Berg nicht zum Propheten kam, dann eben umgekehrt. Ich rappelte mich auf und ging auf ihn zu. Kurz vor ihm blieb ich stehen. Noch immer rührte er sich nicht, wich aber auch nicht zurück. Zaghaft streckte ich meine Hand nach ihm aus. Sein Körper spannte sich. Dann legte ich meine Hand auf seine Brust. Als er auch jetzt noch ruhig stehen blieb, war es mit meiner Selbstbeherrschung vorbei. Ich schlag meine Arme um ihn und bettete meinen Kopf an seine Brust. Jedenfalls soweit es der Größenunterschied zwischen uns gestattete. Er stand da, sein Körper bebte vor Anspannung. Machte ich gerade einen Fehler? Nein, ich glaubte das nicht. Plötzlich lief ein Zittern durch seinen Körper, dann schlang er seine Arme auch um mich und erwiderte meine Umarmung. Gegenseitig spendeten wir uns Trost und Ruhe, während es immer noch in Strömen auf uns nieder regnete. „Warum bist du mir gefolgt?“ „Weil ich wusste, dass es richtig ist. Du würdest mir nie etwas tun, ich weiß das. Außerdem…“ „Was?“ Noch immer sahen wir uns nicht an, hielten uns nur gegenseitig fest. „Ich hatte so einen Gedanken. Naja, eher eine Erinnerung an die Geschichten, die ich heute Mittag gelesen hatte. Es ging um die Seelengefährten von Vampiren.“ „Und weiter.“ „Naja, dein Verhalten mir gegenüber, es passt alles zu diesen Geschichten.“ Sein Körper entspannte sich und er beugte sich soweit hinab, dass er seine Wange auf meinen Kopf legen konnte. „Ich wusste gar nicht mehr, dass es dieses Buch noch in meiner Bibliothek gibt. Du solltest das nicht erfahren.“ „Warum nicht? Ist es so unerträglich für dich, wenn ich in deiner Nähe bin?“ Enttäuschung zog durch mein Innerstes. Er wollte mich nicht. Gut. Dann musste ich mich auch wenigstens nicht wieder durch meine Gefühle kämpfen, nicht überlegen, ob ich ihm vertrauen konnte. Ich wollte mich von ihm lösen und gehen, meine Sachen packen und abreisen. Warum tat es denn jetzt so weh? Ich konnte mich doch nicht bereits in ihn verliebt haben? Ich schluchzte trocken. Ich konnte und hatte. Verdammt. Damien schloss seine Arme fester um mich, sodass ich nicht gehen konnte. „Bitte weine nicht. Ich kann das nicht ertragen. Es ist wunderbar, wenn du in meiner Nähe bist. Durch dich habe ich wieder angefangen, aus meiner Isolation zu kommen. Aber trotzdem ist es für mich auch noch ungewohnt, jemanden so nahe an mich heran zu lassen. Ich will dich nicht verscheuchen. Schließlich bist du meine Seelengefährtin.“ Glück drang durch jede Pore meines Körpers, als ich realisierte, was er da gerade gesagt hatte. Ich war glücklich, zum ersten Mal, seit der Sache mit Mark. Vielleicht konnte ja doch alles gut werden. „Lass uns erstmal zurück gehen. Ich möchte nicht, dass du krank wirst. Dann werden wir über alles reden.“ „Versprichst du mir auch, mir wirklich alles zu erklären?“ „Natürlich. Wie könnte ich dich jemals anlügen? Du hast doch das Buch gelesen.“ Wir lächelten beide. Dann lösten wir uns voneinander, wobei er jedoch meine Hand in seiner viel Größeren behielt und zusammen machten wir uns auf den Rückweg ins Schloss. Kapitel 9: ----------- Romantischer Abend Wieder saß ich in Elenas Zimmer. Und wieder an derselben Stelle wie zuvor. Meine Sinne registrierten das Rauschen der Dusche, unter der sie gerade stand. Ich wusste natürlich, dass sich ihr soviel zarterer Körper schnell eine Erkältung oder Schlimmeres einfangen konnte, darum hatte ich sie auch gehen lassen, als sie mir sagte, sie wolle kurz duschen. Wäre es nach mir gegangen, hätte sie sich keinen Millimeter von mir entfernen sollen. Jetzt, wo ich wusste, dass sie mein Geheimnis kannte, es akzeptierte und sogar Bescheid über die besondere Beziehung, die ich nun nicht länger leugnen konnte, wusste, wollte ich sie um keinen Preis der Welt verlieren. Mein Herz gehörte ihr und eher würde ich sterben, als das ihr etwas passierte. Und der Einzige, der so etwas meinem Wissen nach veranlassen könnte, hatte mir ja bereits eine deutliche Warnung geschickt. Andernfalls wäre dieser miese Bastard Calum gar nicht hier aufgetaucht. Heiße Wut durchfuhr mich. Diese verdammte Bruderschaft. Ich hatte bereits während des gesamten vergangenen Jahrhunderts meine Neutralität in diesem sinnlosen Clankrieg bekundet. Allerdings wollte gerade dieser Clan das nicht akzeptieren. Für sie war ich die letzte Chance, die Oberhand zu bekommen. Mochte es auch sein, dass der Vampir, der mich zu diesem Leben verdammt hatte, ungemein mächtig war, mochte es auch sein, dass ich seine Macht geerbt hatte, aber ich würde mich nicht auf irgendeine Seite stellen. Doch der Clan war zu weit gegangen. Calum hatte mir die Botschaft überbracht, dass ich mich in drei Tagen zur Versammlung einzufinden hatte. Höflicherweise hatte man noch mitteilen lassen, dass – sollte ich nicht erscheinen – man eine sichere Methode hatte, mich doch dorthin zu holen. Und was damit gemeint war, wusste ich natürlich: sie würden meine Gefährtin in diese Sache mit hinein ziehen. Wollte ich das nicht, müsste ich gehen. Aber ich würde sie garantiert nicht Schutzlos zurück lassen. Allerdings wurde ich aus meinen Gedanken gerissen, als die Badezimmertüre geöffnet wurde und der ruhige Herzschlag meiner Liebsten den Raum erfüllte. Ich sah weiter ins Feuer, jedoch richteten sich all meine Sinne nur auf sie. Weiche Schritte näherten sich mir und dann spürte ich ihre Gegenwart überdeutlich, als sie sich neben mich setzte. „Warum schaust du so böse?“ Überrascht sah ich sie an. Natürlich brauchte eine Seelengefährtin keine Angst zu haben, dass ihr Vampir ihr ein Leid antun könnte, aber sie hatte es auf mehr oder minder unglückliche Art erfahren. Trotzdem hatte sie wirklich keine Angst vor mir, das hätte ich gespürt. Stolz erfüllte mich. Sie passte so gut zu mir, war sie doch nach außen hin genauso stark wie ich. „Es ist nichts. Aber geht es dir jetzt besser?“ „Ja danke, so eine Dusche wirkt manchmal wahre Wunder.“ „Wenn du Fragen hast, stell sie.“ „Lass uns einfach nur den Rest der Nacht genießen, ok? Morgen ist noch genug Zeit, um über alles zu sprechen.“ Bei ihren letzten Worten hatte sie sich zu mir gedreht und ich konnte den Widerschein des Feuers in ihren wunderschönen Augen sehen. Ich war zwar kein romantisch veranlagter Mensch, doch dieser Moment barg eine so tiefe Vertrautheit, dass ich nicht anders konnte, als meine Hand an ihre Wange zu legen. Jeden Moment rechnete ich damit, dass sie zurückweichen würde, doch stattdessen legte sie ihre Wange richtiggehend gegen meine Hand. Ihre eigene Hand hob sich und berührte ebenfalls mein Gesicht. Zum ersten Mal, seit ich zum Vampir geworden war, fühlte ich mich richtig gut. Diese Berührung tat so gut. Ich hörte, wie ihr Herz plötzlich schneller schlug. Zwar hätte ich ihre Gedanken lesen können, aber ich wollte nicht in ihre Privatsphäre eindringen. Also würde ich abwarten. Vielleicht bekam sie jetzt doch etwas Angst? Während ich grübelte, hatte ich nicht bemerkt, wie sie näher an mich herangerückt war und so war ich überrascht, als sich ihr Gesicht mit einem Mal ganz nah vor meinem befand, so dass ich ihrem Atem auf meiner Haut spüren konnte. Immer noch schlug ihr Herz rasend schnell. Wollte sie etwa – Meine Gedanken verpufften ins Nichts, als sich ihr Mund sanft auf meinen legte. Ich musste gegen den Drang ankämpfen, sie an mich zu reißen, sie zu küssen, bis ihr schwindelig wurde. Ihre Arme legten sich um meinen Hals und ihr Oberkörper drückte sich gegen meinen, als ich sie vorsichtig umfasste. Langsam, ermahnte ich mich, erschreck sie nicht durch deine Wildheit. Allerdings hatte ich nicht mit ihrer eigenen gerechnet. Ein kurzer Moment der Unachtsamkeit und schwubs – lag ich auch schon auf dem Rücken, sie über mir und mich immer noch küssend. Meine Hände wühlten sich in ihr langes Haar, fuhren über ihren Rücken, an den Seiten wieder hinauf. So ging es eine Weile, bis sie sich von mir löste, mit noch rasanterem Herzschlag und leicht geschwollenen Lippen. Sie sah so schön aus, dass sich mein Herz zusammen zog. Gott, wie sehr ich sie brauchte, ihre Nähe, ihre Wärme – ihre Liebe. „Ich – es tut mir leid Damien, ich war wohl ein bisschen übereifrig.“ Sie wurde leicht rot, anscheinend kannte sie das nicht von sich, so heftig auf jemanden zu reagieren. Ich zog sie wieder auf mich, so dass sie wie eine viel zu kleine Decke über mir lag. Ihr Kopf war auf meine Brust gebettet, eine Hand lag auf meinem Herzen. Ich streichelte ihren Rücken, als sie mich bat, mir etwas von sich zu erzählen. Ich begann bei meiner Kindheit auf dem Schloss, den wilden Rennen mit den anderen Jungen, den Raufereien mit meinen Geschwistern, die Feste, die zu jener Zeit unter den Hochländern so gern gefeiert wurden. Ihre Faszination ließ mich noch einmal in die Vergangenheit abtauchen. Ich erzählte von meinem Vater, streng und stattlich, jedoch so liebevoll und stark, ein Bollwerk gegen jeden Ärger, den wir uns mit unseren Streichen eingehandelt hatten; von meiner Mutter, ihrer Herzensgüte und Lebhaftigkeit, mit der sie die Menschen um sich herum verzaubert und für uns wie ein Engel geschienen hatte. Alles erzählte ich ihr uns sie hörte zu, stellte manchmal die ein oder andere Frage. Bis ich zu jenem schrecklichen Tag kam, der mein Leben für immer verändert hatte. Dort schloss ich mit meinen Erzählungen und versank in Schweigen. Dann spürte ich jedoch ihre Finger in meinem Gesicht und den Trost, den diese Berührungen mir gaben. Zufrieden ließ ich sie machen. Und zum erstem Mal seit Jahrhunderten fühlte ich mich leicht schläfrig. Uns drohte keine Gefahr momentan, das verrieten mir meine Sinne. Zur Sicherheit hatte ich Elenas Räume verschlossen. Also konnte ich mich getrost dem Schlaf hingeben. Doch vorher zog ich ihren Kopf noch einmal zu mir herunter und küsste sie, sanft und doch fordernd zugleich. Wieder entfachte sich die Leidenschaft zwischen uns, so mächtig diesmal, dass weder sie noch ich etwas tun konnten, um sie zu kühlen. Unsere Kleidung verstreute sich im Raum, während wir uns immer tiefer in einem Strudel wilder Gefühle verloren… Völlig erschöpft, aber rundum zufrieden, lag sie – genauso schwer atmend wie ich – wieder auf meiner Brust. Ich hatte eine Decke über und zwischen uns ausgebreitet, damit sie nicht fror. Merken tat sie es aber nicht mehr, denn sie schlief bereits tief und fest. Auch ich war erschöpft, aber ich war glücklich, hoffte aber, dass sie den eben gemachten Schritt in unserer doch recht am Anfang stehenden Beziehung nicht bereute, sobald sie morgen früh wach wurde. Aber das würde ich eh erst dann herausfinden, wenn es soweit war. Bis dahin würde ich mich ein wenig ausruhen. Und zum ersten Mal seit über dreihundert Jahren schlief ich ruhig und friedlich, die Frau, die nun mein Leben war, in meinen Armen haltend. Kapitel 10: ------------ Rachegedanken Wie ein Schatten glitt die Gestalt durch die Hügellandschaft Schottlands. Einzelne Blitze zuckten über den Himmel und erhellten so von Zeit zu Zeit den Mann, der auf dem Weg zurück zu seinem Clan war. Der Meister würde sicher nicht erfreut sein, wenn er ihm Damiens Antwort überbrachte, aber das würde sich zumindest ein wenig legen, wenn er ihm von dem neuen Druckmittel erzählte, dass er gegen ihn gefunden hatte. Ein bösartiges Lächeln erhellte Calums Züge. Er würde diesen Starrkopf schon dazu bringen, sich den Wünschen des Meisters unterzuordnen. Na schön, er war zwar von einem der mächtigsten Vampire aller Zeiten verwandelt worden und natürlich hatte er auch eine immense Macht dadurch. Aber trotzdem. Auch Damien McLachlan hatte einen Schwachpunkt. Einen überaus schönen zwar, doch auch das würde nichts ändern. Calum knurrte, als er daran dachte, wie weich die Haut von dieser Frau gewesen war. Ihr Herz hatte so schnell geschlagen und das Verlangen sie zu beißen, sie zu seinesgleichen zu machen, zu seiner Gefährtin, war so mächtig in seiner Brust erwacht, dass er es getan hätte. Doch Damien musste sich natürlich einmischen. Ihm fiel ja immer alles in den Schoß. Der Wohlwollen des Meisters, die Bewunderung der gesamten Bruderschaft – auf die er, wie er dauernd betonte, keinen Wert legte – und zu guter Letzt auch noch die Liebe einer Frau. Natürlich liebte sie ihn, schon ihr Blick hatte das verraten. Und Damien? Der gab sich als zurückhaltender, geheimnisvoller Sterblicher aus. Naja, die Tour hatte Calum ihm ja in dieser Nacht gut versaut. Fies grinste er. Oh ja, das Entsetzen der Frau, Damiens Wut und seine noch dazu, das hatte schon was gehabt. Einfach nur fantastisch. Vor ihm tauchte der halbzerfallene Umriss einer alten Abtei auf. Wie komisch, dachte er bei sich, dass sich ausgerechnet ein Clan bluttrinkender, verdammter Höllenwesen auf geweihtem Boden niedergelassen hatte. Aber da dieses ganze abergläubige Zeugs von den Sterblichen erschaffen wurde, machte es den Vampiren in Wahrheit kaum etwas aus, auf heiligem Boden zu sein. Na schön, Weihwasser konnte schon ein wenig die Haut reizen, aber das war es dann auch schon. Die Wächter am Eingang begrüßten in Ehrerbietig, schließlich war allgemein bekannt, dass er oft im Auftrag des Meisters unterwegs war und so auch sein Vertrauen genoss. Und dafür war er einen langen Weg gegangen, der nur so von Leichen gepflastert war. Calum genoss es, wenn die letzten Schreie seiner Opfer durch die Nacht gellten, die letzten Tropfen Blut aus dem Körper in seinen übergingen und ihn stärkten. Bei dem Gedanken verlängerten sich seine Fangzähne, denn gleichsam dachte er an die hübsche junge Frau die in seinem Zimmer auf ihn wartete. Er hatte sie von einem seiner Untergebenen holen lassen, als sie ihm am frühen Abend im Dorf aufgefallen war. Eine verwitterte Türe beendete seinen Weg durch die unterirdischen Gänge. Er klopfte und trat ein, sobald sein Meister ihm dies gestattete. Ehrerbietig kniete er mit gesenktem Kopf nieder, bemüht, nicht voller Abscheu in das uralte, entsetzlich aussehende Gesicht seines Meisters zu sehen. „Herr, ich habe euren Auftrag ausgeführt, jedoch kehre ich mit schlechten Nachrichten zu euch zurück. Der junge McLachlan weigert sich noch immer beharrlich, sich auf unsere Seite zu stellen.“ „Nun, ich hatte dies erwartet. Aber sage mir Calum, was ist mit deinem Gesicht passiert? Woher stammt diese tiefe Schramme?“ „Ich hatte – nun sagen wir mal eine kleine Meinungsverschiedenheit mit Damien.“ „Was ist vorgefallen?“ „Nichts von Bedeutung, Meister.“ „Ich wiederhole mich nicht gerne Calum. Also?“ „Nun, auf dem Schloss befindet sich seit einiger Zeit eine Frau. Damien scheint viel für sie zu empfinden und das beruht wohl auf Gegenseitigkeit.“ „Weiter.“ „Nun, mir gefiel diese Frau auch sehr, also wollte ich mir nehmen, was meiner Meinung nach von Damien nicht genutzt wurde. Doch das schien ihn geradezu rasend zu machen. Also hat er sein wahres Gesicht vor ihr gezeigt.“ „Du hast es also geschafft, ihn zu provozieren.“ „Ja Herr.“ „Sehr gut. Es scheint, als kämen wir unserem Ziel langsam näher.“ „Herr?“ „Wir locken ihn aus der Reserve. Jetzt, wo sie die Wahrheit gesehen hat, wird es sie vor Angst fast Vergehen. Es sei denn…“ „Was glaubt ihr Herr?“ „Ich frage mich eines. Aber gleichwohl, es ist eine Legende. Doch wer sagt, dass diese nicht wahr werden könnten?“ „Verzeiht mir, aber ich fürchte, dass ich nicht verstehe, worauf ihr hinaus wollt.“ „Sag mir eins Calum: glaubst du an Bestimmung?“ „Humbug, jeder anständige Vampir weiß, dass seine Bestimmung der Triumph über die Sterblichen ist.“ „Nein mein Guter, nicht diese Art von Bestimmung. Ich meine, ob du daran glaubst, dass es irgendwo dort draußen eine Seelenpartnerin für dich gibt?“ „Püh, das sind doch nur Märchen. Und ihr wisst das genauso gut, wie ich auch. Wir empfinden ab und an fleischliche Lust, manche von uns glauben auch, dass sie mit jemandem zusammen leben könnten, aber diese Ammenmärchen von jenen, die mit uns die Ewigkeit verbringen, mit uns gemeinsam unsterblich werden und uns lieben können, nein, daran glaube ich nicht. Warum auch? Es gibt keinerlei Beweise für den Wahrheitsgehalt dieser Geschichten.“ „Und doch kamst du her und sagtest mir, dass du eine Frau gesehen hast, die offenbar dazu in der Lage ist, es seit mehreren Wochen mit einem unserer stärksten Brüder zu zusammen zu leben, mit ihm zu reden, zu lachen und sogar etwas für ihn zu empfinden?“ „Wollte ihr damit sagen-“ „Ja, ich glaube, Damien McLachlan hat seine Gefährtin gefunden.“ Calum bebte, als er auf dem Weg in sein Zimmer war. Er so wütend, dass er es an jedem, den er unterwegs traf und der den Fehler machte, ihn anzusehen, ausließ. Dieser… nicht mal ein Wort fand er für ihn… hatte es tatsächlich wieder einmal geschafft, sich beim Meister noch interessanter zu machen. Die Wut verflog, als er vor seiner Türe stand und den aufgeregten Herzschlag seiner Mahlzeit hörte. Er würde sie zunächst ein wenig leiden lassen, bevor er von ihr trank. Eigentlich hatte er sich vorgenommen, sich zunächst noch ein wenig mehr auszumalen, was er alles mit ihr anstellen wollte, doch das charakteristische Ziehen in seinem Hals, dass ihn immer daran erinnerte, sobald er Hunger bekam, hinderte ihn daran. Mit dem liebenswürdigsten Gesicht zu dem er fähig war, drückte er die Klinke hinunter und betrat den Raum. Hätte er noch andere Gefühle als Hass und Zorn, so hätte der Anblick der am Boden knienden Frau etwas in ihm ausgelöst. Doch alles was er wahrnahm, war das Blut, das durch ihre Adern rauschte. Mit kraftvollen, geschmeidigen Schritten näherte er sich ihr, bis er mit den Spitzen seiner Schuhe gegen ihre Knie stieß. Angstvoll sah sie zu ihm auf, die Haut blass, fast durchscheinend. Ja, sie hatte etwas Wundervolles an sich, wie sie da elfengleich vor ihm hockte. Ihr Kopf befand sich auf Höhe seiner Leisten und er genehmigte sich zunächst ein wenig Spaß. Keuchend stemmte er sich von dem Frauenkörper hoch. Zufrieden leckte er sich die letzten Tropfen Blut von den Lippen und auch noch von den Fingern. Er hatte ihre Haut beinahe komplett aufgerissen am Oberkörper. Und ihre qualvollen Schreie gellten noch in seinen Ohren, als er immer gieriger ihr Blut getrunken hatte. Er streckte sich noch einmal ausgiebig, bevor er sich friste Kleidung aus dem Schrank nahm und den Raum verließ, dabei noch einen der Diener anwies, sein Zimmer zu säubern. Dann machte er sich auf den Weg hinaus in die Nacht, um noch ein wenig mit seinen Brüdern zu trainieren. Kapitel 11: ------------ Verlorene Erinnerungen Mit einem Gähnen streckte ich mich unter der Decke und drehte mich dabei auf den Rücken. Völlig verschlafen setzte ich mich auf und wunderte mich über die Kälte, die ich komischerweise beinahe überdeutlich spürte – so, als hätte ich nichts an. Ein Blick nach unten zeigte mir, dass die Decke verrutscht war und Jedem – wirklich Jedem! – einen ausgesprochen guten Blick auf meinen unbekleideten Körper gewährte. Mit einem erschrockenen Quietschen wickelte ich die Decke um mich und suchte dann meine Kleidung zusammen. Wieder vollständig bekleidet sah ich mich im Raum um, denn mir war ja eingefallen, dass ich mit Damien zusammen eingeschlafen war. Nun ja, nicht nur eingeschlafen… Ich räusperte mich gedanklich. Allerdings war ich heute Morgen alleine. Wo war er denn hin? Um Himmelswillen… Was, wenn er die letzte Nacht bereute? Wenn ihm klar geworden war, dass ich nicht schön genug für ihn war, dass er Besseres verdiente? Tränen verschleierten meinen Blick. Während sie über mein Gesicht liefen, sah ich zu Boden und gewahrte ein Blatt Papier, das halb unter der Decke herausschaute. Neugierig wie ich war, wischte ich die Tränen weg und hob dann das Blatt auf. Als ich es umdrehte, sah ich eine Nachricht, die an mich gerichtet war. Ich begann zu lesen: Guten morgen meine Liebste, leider kann ich nicht in dein wunderschönes Gesicht sehen und dein Aufwachen verfolgen. Ich muss eine dringende Angelegenheit erledigen, die mit Calums unliebsamem Besuch zu tun hat. Sobald dies erledigt ist, kehre ich unverzüglich zu dir zurück. Nimm es mir nicht übel Liebste, aber damit du und ich zusammen glücklich werden können, muss ich diese Angelegenheit endgültig bereinigen. Elena, du bist das wunderbarste Geschöpf, welches jemals in meiner Nähe war. Du bist meine Sonne, mein Mond und – schlicht und ergreifend – mein Leben. Die letzte Nacht war wundervoll und ich bin froh, dich bei mir zu haben. Ich bin bald wieder bei dir, also mach dir bitte keine Sorgen. Ich liebe dich. Für die Ewigkeit. In Liebe, Damien Diese Nachricht ließ die Tränen wieder fließen. Gott, mein Herz zersprang beinahe vor Glück und ich konnte nicht fassen, dass dieser wundervolle Mann zu mir gehörte. Mit einem Lächeln faltete ich den Brief zusammen und schob ihn in meine Handtasche. Dann begab ich mich ins Badezimmer, wusch mich und wanderte hinüber ins Schlafzimmer, um mir frische Sachen anzuziehen. Ich vergrub meine Nase tief in die weiche Decke, nachdem ich wieder im Wohnraum angekommen war. Sie roch so einmalig nach Damien, dass ich nicht anders konnte, als nur an ihn zu denken. Doch ein lautes Knurren durchbrach die Stille. Erschrocken sprang ich auf, nur um zu registrieren, dass das Knurren mein Magen gewesen war. Ich hatte Hunger, darum dieses Geräusch. Ich musste lachen. Gott, es war helllichter Tag, wer sollte da schon hier sein? Damien lief ja auch nicht herum, wenn es Tag war. Ich verließ mein Zimmer und wanderte den halbdunklen Gang entlang in Richtung Galerie und Treppe, um mir in der Küche etwas zu essen zu holen, nachdem man mir ja erklärt hatte, wo ich was finden und wie ich den Gasherd bedienen konnte. Vor mich hin summend erreichte ich die Treppe. Gerade, als mein Fuß auf die erste Stufe trat. Verspürte ich einen Luftzug hinter mir. Ich erstarrte. War doch jemand hier? Oder war nur irgendwo hier oben ein Fenster auf, durch das der allgegenwärtige Wind blies? Mit wild klopfendem Herzen drehte ich mich langsam um, nur um erschrocken aufzukeuchen. Hinter mir stand eine Frau. Mein erster Gedanke war schön, doch das wurde ihr keinesfalls gerecht. Wunderschön würde eher passen oder auch perfekt. Doch ich konnte keine Details erfassen, denn ich sah nur ihre Augen und wusste sofort, dass sie auf keinen Fall etwas Gutes von mir wollte. Und ganz sicher war sie nicht gekommen, um freundlich mit mir bei einer Tasse Tee zusammen zu sitzen. Ich sah sie nicht näher kommen, aber plötzlich schwebten meine Füße einen knappen Meter über der nächsten Stufe und ihre eisige Hand umschloss meinen Hals. Vampir, schoss mir durch den Kopf, und kein Damien, der mir jetzt helfen konnte. Ich fluchte. Sie lächelte daraufhin, aber es war kein Lächeln, das ich erwidern konnte. Es war – bösartig, obwohl dieser Ausdruck irgendwie absurd erschien, schließlich waren Vampire im Allgemeinen genau dies, glaubte man der Allgemeinheit. „Nein wie süß, hat der große Damien seinem kleinen Frauchen denn gar keine Manieren beigebracht? Weißt du nicht, dass eine Dame niemals flucht?“ Hallo? Was bildete die sich denn ein? Kleines Frauchen? Und vor allem: Damen fluchten nicht? War die irgendwie noch im Mittelalter gefangen? „Tut mir ja leid, dich darin enttäuschen zu müssen“, würgte ich hervor, „aber in diesem Jahrhundert herrscht die Emanzipation. Jede Frau hat hier das Recht, sich so auszudrücken, wie sie möchte und dazu brauch auch ich keine Erlaubnis.“ „Ah, du hast eine ausgesprochen vorlaute Zunge meine Liebe. Aber ich bin nicht hergeschickt worden, um mit dir über das angemessene Verhalten Gästen gegenüber zu reden.“ „Nein? Wie ungemein befreiend. Wo wir dabei sind: nimm deine Griffel von mir!“ Sie antwortete mir einfach nur mit einem Lachen, dabei warf sie den Kopf in den Nacken. Wunderbar, immerhin brachte ich eine Vampirin zum Lachen… Aber momentmal, hatte sie nicht gesagt, Jemand hätte sie hergeschickt? Sie ließ mich nicht los, was hatte ich mir denn auch erhofft? Also, Angriff ist die beste Verteidigung, jedenfalls sagte man das so. Ich beschloss, genauso zu verfahren. Konnte ja nicht so schlecht sein – oder? „Falls du mit Damien reden willst, der ist gerade nicht da.“ „Das weiß ich.“ Sie wusste es? „Du weißt es?“ „Natürlich“ nickte sie, „schließlich ist er bei meinem Meister, um endlich mit ihm über die Vernichtung unserer Feinde zu reden. Hat ja auch lange genug gedauert. Aber bevor du weiter fragst meine Liebe – ich werde dir nichts über diese Sache erzählen. Mein Auftrag ist ein anderer…“ „Ach ja? Na fein. Was zur Hölle willst du denn dann hier?“ „Hmm, ihr Sterblichen seid immer so – wie soll ich sagen – ihr wollt immer alles sofort wissen. Aber gut, lasse ich dich mal nicht weiter im Ungewissen: Verschwinde!“ Ich sollte was?!? Ja hatte die dumme Nuss sie denn noch alle? Mein Leben ging die ja wohl mal überhaupt nichts an! Trotzdem war ich total perplex. „Bitte?!“ „Verschwinde aus Damiens Leben! Verlasse Schottland und kehre zurück in deine Heimat! Damien will dich hier nicht haben, er sagt, deine Anwesenheit belastet ihn.“ Unmöglich. Das konnte doch nicht war sein. Er hatte mir doch diesen Brief hinterlassen. Er hatte mir geschrieben und gezeigt, dass er mich liebte. „Du lügst!“ Mitleidig sah sie mich an. Das konnte doch alles nicht wahr sein! „Es tut mir wirklich leid Mädchen, aber er ist nun einmal ein Vampir, verdammt dazu, für die Ewigkeit zu leben. Und wir brauchen ihn, um einen Krieg zu gewinnen. Du lenkst ihn jedoch zu sehr ab, als das er sich um seine Aufgaben kümmern könnte. Deshalb sollst du gehen und nie wieder herkommen!“ Bei ihren letzten Worten hatte sie mich zurück in den Gang geworfen, in dem mein Zimmer lag. Erschrocken robbte ich bis zur Türe zurück, zog mich dann an dieser hoch, dabei den Blick nicht von ihr lassend. Sie folgte mir langsam, mit katzenhaften Schritten. Ich riss die Türe auf und rannte in den Schlafraum, während sie mir mit kalter Stimme, die nur so vor Hohn triefte, erzählte, wie vielen Frauen er vor mir auch schon so begegnet wäre und dass er sie alle so behandelt hatte, nachdem er bekam, was er wollte. Schluchzend riss ich meine Sachen aus den Schränken und Schubladen, warf alles unordentlich in meinen Koffer und hinterließ dabei eine Spur der Verwüstung. Sie nahm die Koffer an sich und wandte sich zur Türe. „Komm, ich bringe dich zum Flughafen. Dein Ticket habe ich bereits.“ Widerstandslos folgte ich ihr. Ich war zu keinem klaren Gedanken mehr fähig. Ich stieg in das Auto, das draußen wartete, bekam jedoch nicht mit, wie sie hinter das Steuer glitt und mit rasantem Tempo den Weg zurück fuhr, den ich vor – mir schien es jedenfalls so – unglaublich langer Zeit hierher gekommen war. Am Flughafen angekommen, half sie mir noch, meine Koffer zum Check In zu bringen und ließ sich dann neben mir auf einer Bank nieder, um zu warten, bis ich die Maschine besteigen konnte. Mein Herz war leer, ebenso wie mein Kopf. Zu stark war der Schmerz über Damiens schmählichen Verrat. Und wieder einmal wurde mir bewusst, dass alle Männer – egal ob sterblich oder nicht – vollkommen gleich waren. Mein Flug wurde aufgerufen. Mit müden, abgehackten Bewegungen tat ich zwei Schritte in Richtung des Gates, als sie mich am Arm fasste und beinahe sanft zu sich herumdrehte. „Es tut mir wirklich leid. Ich wollte nicht, dass du leidest, glaub mir das. Aber ich kann noch eine letzte Tat tun, bevor du gehst. Ich nehme dir den Schmerz, sowie deine Erinnerungen an Damien. Du wirst nur noch wissen, dass du eine wunderbare Zeit hier in Schottland hattest. Nicht mehr.“ Damit senkte sie ihre Lippen auf meine Stirn und meine Sicht verschwamm… Als sie wieder klarer wurde, blinzelte ich verwirrt. Warum träumte ich denn hier vor mich hin? Ich war doch auf dem Weg nach Hause, zu Bine! Ich musste über mich selbst lächeln. Dann ging ich sicheren Schrittes durch die Schleuse, betrat das Flugzeug und setzte mich auf meinen Platz. Müdigkeit überkam mich fast schlagartig. Und noch bevor das Flugzeug startete, war ich im Land der Träume versunken. Die Vampirin saß vor dem Flughafen in ihrem Wagen. Bekümmert dachte sie daran, dass sie Damien, dem Einzigen, der ihr immer freundlich gegenübertrat, so weh tun musste. Und auch daran, dass sie das Herz seiner Auserwählten gebrochen hatte, einer jungen Frau, die ihn hätte glücklich machen können. Doch es war der Wunsch des Meisters gewesen und dem hatte sie sich nicht wiedersetzen können. Mit einem letzten Blick auf die Maschine, die sich elegant in den Himmel erhob, um ihre Passagiere sicher nach Deutschland zu bringen, ließ sie den Motor an und fuhr zurück in den Sitz der Bruderschaft, ihrem einzigen zu Hause. Kapitel 12: ------------ Das Ende eines Krieges „Was wollt ihr nun genau von mir?“ „Du sollst einfach nur an unserer Seite stehen und dem Clan damit Angst einjagen. Mehr verlangen wir eigentlich gar nicht von dir, Damien. Nun ja, wenn du uns allerdingst freiwillig hilfst, die Herrschaft in Schottland zu übernehmen, wäre dies auch nicht tragisch.“ Angewidert drehte ich mich weg. Der Meister – keiner kannte seinen wahren Namen mehr – wurde von Jahr zu Jahr schlimmer. Als nächstes Unterfangen würde er wohl noch die Weltherrschaft anstreben… „Was genau hat der Clan euch denn getan?“ „Aber Damien, das ist doch wohl offensichtlich!“ „Für mich nicht. Also?“ „Diese Bastarde wollen ein friedliches Zusammenleben mit den Menschen! Doch wir Vampire, die mächtigsten Wesen, die auf dieser Welt wandeln, brauchen dies nicht. Wir sind da um zu herrschen, nicht um freundlich neben den Sterblichen zu existieren und ihnen bei all ihren noch so unwichtigen Problemen zu helfen!“ „Was ist falsch daran, dass wir genau das anstreben?“ Diese neue Stimme ließ uns beide herum fahren. Dort stand ein ebenso alter Vampir wie der Meister, allerdings strahlte er eine solche Freundlichkeit und Güte aus, dass mir die Erwiderungen, die ich auf diese – für mich sehr dämliche – Rede des Führers der Bruderschaft hatte geben wollen, glatt entfiel. Er war Seorus, der Clanoberste. „Seorus, was willst du hier?“ Der Meister schien vor Wut zu kochen… „Mich unterhalten, so, wie es zivilisierte Wesen zu tun pflegen. „Veralbere mich nicht, du willst doch nur unseren Untergang!“ „Wenn dies unvermeidbar ist, dann ja. Ansonsten wäre mir eine Einigung ohne weitere kriegerische Handlungen weitaus lieber.“ „Nein, wir sind die Herrscher“ Und damit du dies ein für allemal verstehst, wird Damien-“ „Gar nichts tun. Ich finde Seorus Weg nämlich besser. Es ist möglich, friedlich neben den Menschen zu existieren. Das ist meine Meinung. Ich werde mich jedoch auf keine Seite stellen. Also macht den Rest unter euch aus.“ Ich zog mich in den Hintergrund des Raumes zurück. Auch die anderen Vampire im Raum, die zur Bruderschaft gehörten, wichen zurück. Jeder von ihnen schien mehr als neugierig zu sein, was passieren würde. Und die Meisten schienen gar nicht so abgeneigt, dem Clan zuzustimmen. Es würde noch interessant werden, soviel war sicher… „Vergiss es, niemals werde ich aufgeben! Ich bin der Meister und ich bestimme über Sieg oder Niederlage des dunklen Volkes!“ „Hör mit dem Unsinn auf! Jeder ist für sich selbst verantwortlich, mehr nicht! Frag doch deine Leute, frag sie, ob sie nicht endlich mit diesem vermaledeiten Krieg aufhören wollen!“ Seorus sah sich um. Beifälliges Gemurmel erklang von allen Seiten, auch von draußen, wo sich wohl der Rest der Bruderschaft eingefunden haben musste. Der Meister raste jetzt vor Wut. Und das war wohl sein größter Fehler. Aber auch der Letzte. Mit einem Knurren warf er sich auf den Clanobersten und versuchte, ihn zu töten. Doch der hatte damit gerechnet und schob sich blitzartig zur Seite, nur um das Knie hochzureißen, es in den Magen seines Gegners zu rammen und die verschränkten Hände auf den Nacken des Anderen zu schlagen. Mit einem Ächzen ging der alte Vampir zu Boden und blieb dort liegen, unfähig – so schien es uns jedenfalls – aufzustehen. Seorus hatte sich gerade umgewandt, um sich an die Bruderschaft zu wenden, als der Meister aufsprang und ihn von hinten attackieren wollte. Doch seine Reaktion bestand darin, einen alten schottischen Dolch zu ziehen und ihn direkt in das Herz des Feindes zu stoßen. Mit einem letzten qualvollen Schrei, brach der Führer der Bruderschaft zusammen, nachdem sein letzter, hinterhältiger Angriff ins Leere gegangen war. Stumm hatten wir alle zu gesehen. Einen Moment lang starrten wir auf die Überreste des Mannes, der dafür verantwortlich gewesen war, dass wir so viele Freunde verloren hatten. Als Calum vortrat, dachte ich, er wolle Rache für seinen Meister, doch stattdessen kniete er vor Seorus nieder und senkte den Kopf. „Es tut mir leid, dass unser Meister in seiner letzten Handlung so ehrlos war. Man greift einen Gegner, der einen verschont niemals aus dem Hinterhalt an.“ „Es ist gut Calum. Steh auf. Vergessen wir doch diese ganzen Gedanken an Rache und Krieg. Es besteht keine Notwendigkeit dafür. Wenn ihr wollt, werden wir sofort damit beginnen, Verhandlungen zu führen. Ich möchte einen Rat aufstellen lassen, der aus beiden Seiten besteht und der dabei mithilft, den Frieden zwischen Vampiren und Menschen zu wahren. Seid ihr damit einverstanden?“ Einstimmiges Gebrüll erscholl. Zufrieden wandte ich mich ab und wanderte durch die langen, dunklen Gänge der alten Abtei in Richtung des Ausgangs, denn ich wollte so schnell wie möglich zu meiner Liebsten zurück. Doch als hinter mir schnelle Schritte erklangen, wurde ich wachsam und fing die Faust ab, die mich eigentlich im Nacken treffen sollte. Überrascht weiteten sich meine Augen, als ich Calum erkannte. „Was soll das Calum? Willst du jetzt deine Rache?“ „Nein, ganz im Gegenteil. Ich möchte unseren Streit beenden. Seorus hat Recht. Diese ganzen Gedanken von Rache und Tod bringen nichts. Schließlich wollen wir alle nur unsere Ruhe. Und außerdem – naja, ich will die Zeit mit meiner Gefährtin genießen.“ Verschmitzt grinste er. Das verwirrte mich. „Seit wann hast du denn eine Gefährtin?“ „Seit letzter Nacht. Du kennst sie bereits, denn sie gehörte ebenso wie ich zur Bruderschaft.“ Angestrengt dachte ich nach. Doch mir fiel nur eine Vampirin in den Reihen der Bruderschaft ein und die war für mich immer so etwas wie eine Schwester gewesen. Daher freute es mich ungemein, dass auch sie nun genauso glücklich sein dufte wie ich. „Du meinst Aimil? Das sind doch mal wunderbare Neuigkeiten!“ Erfreut schlugen wir uns gegenseitig auf die Schultern und verließen zusammen die Abtei. Draußen empfing uns das trübe Licht eines typischen schottischen Tages. Ich wollte mich gerade von Calum verabschieden, um zu Elena zurück zu kehren, als ich plötzlich ein Schluchzen hörte, ebenso Calum. Als wir uns umwandten, saß Aimil auf einem Felsblock hinter uns. Hätte sie noch weinen können, wären die Tränen nur so über ihr Gesicht geströmt. Wir traten gemeinsam auf sie zu, lag sie uns doch beiden am Herzen. „Was hast du Liebste?“ Calum war so besorgt, wie es nur ein echter, liebender Gefährte sein konnte. „Ich… ich… oh Damien… ich.. habe… etwas Schreckliches getan…“ Schluchzer unterbrachen ihre Worte. „Aber Kleines, was solltest du schon Schreckliches tun?“ „Deine Gefährtin… ich habe… sie…“ Eisige Finger schienen sich auf mein Herz zu legen. Was war mit ihr? War Elena etwas passiert? Beruhige dich, Mann, versuchte ich mir einzureden, aber es half nicht sonderlich viel. Tief atmete ich durch, dann sah ich das engumschlungene Paar vor mir wieder an. „Aimil, was ist passiert?“ „Der… Meister wollte sie… aus dem Weg haben… da hat er mich geschickt… aber ich konnte nicht tun, was er wollte… du warst doch so… glücklich… aber ich wollte meinen Herrn… nicht enttäuschen… also hab ich ihr gesagt… dass du nur… mit ihr gespielt hast… und dann hab ich sie zum Flughafen gebracht…“ Gott im Himmel, wenigstens lebte sie… Aber Moment, Flughafen? Naja, dieses Missverständnis konnte ja aus der Welt geschafft werden. Ich würde meiner Liebsten einfach folgen und die Sache klarstellen. Arme Aimil. Sie hatte es gutgemeint, wollte es jedem Recht machen und hatte doch für einige Verwirrung gesorgt. „Das ist schon in Ordnung Kleines, ich werde die Sache schon wieder gerade biegen. Elena wird verstehen, dass das Ganze nicht so ist, wie sie glaubt.“ Ich lächelte sie an. Doch genau das schien Aimil noch mehr zum Weinen zu bringen. „Du kannst nicht mit ihr reden Damien.“ „Warum denn das nicht? Ich muss einfach nur nach Deutschland und ihr alles erklären.“ „Nein, so einfach ist das nicht… weil… weil… ich habe…-“ „Was hast du Aimil? So sprich doch endlich!“ Meine Ungeduld war beinahe grenzenlos. Doch der nächste Satz brachte sogar mich, einen starken, mächtigen Vampir dazu, in bodenlose Schwärze zu fallen. „Ich habe ihre Erinnerungen an dich gelöscht.“ Kapitel 13: ------------ Unerklärliche Erinnerungen Zurück in Deutschland betrat ich grade die Ankunftshalle des Flughafens, als mir auch schon meine beste Freundin laut jubelnd um den Hals viel. „Du bist endlich wieder da Eli, Gott, ohne dich war es so langweilig!“ Ich erwiderte ihre Umarmung. „Danke Bine, ich freu mich auch, dich wieder zu sehen.“ „Weiß ich doch. Aber jetzt laden wir erst mal deine Sachen in mein Auto und dann fahren schön irgendwo was essen. Dann kannst du mir in aller Ruhe von deiner Reise erzählen. Wie findest du das?“ „Klingt gut, ich hab nämlich wahnsinnigen Hunger! Lass uns gehen!“ Fröhlich schwatzend liefen wir in Richtung Ausgang, doch kurz bevor ich durch die großen Glastüren trat, sah ich vor meinem geistigen Auge ein paar eisblauer Augen… Verwirrt blieb ich stehen, bis es Bine zu bunt wurde und sie mich energisch weiter zog. Warum kamen mir denn diese Augen in denn Sinn? Ich kannte schließlich niemanden, der solche Augen besaß. Eine dreiviertel Stunde später saßen wir in einer kleinen Pizzeria, in der hintersten Ecke und warteten auf unsere Pizza. „So Eli, erzähl mal, wie war Schottland?“ „Naja, die Landschaft ist einfach einmalig. Berge und Wälder so weit das Auge reicht.“ „Klingt ja echt toll. Und wie war McLachlan Castle?“ McLachlan Castle… Dieser Name löste tief in mir etwas aus, etwas, das ich mir nicht so richtig erklären konnte. Eine Wärme, die bis in die letzte Faser meines Herzens vordrang. Warum? „Eli?“ „Was?“ „Wie war das Schloss so?“ „Groß. Alt. Wunderschön. Eine fantastische Bibliothek, alles war so – alt, aber wunderbar romantisch. Und mein Zimmer erst – der pure Luxus! Ein riesiges Bad für mich, sowie ein Schlafzimmer mit einem fantastischen Bett und ein Wohnraum mit einem tollen Kamin.“ Als ich von dem Kamin erzählte, sah ich ein prasselndes Feuer vor mir; es war dunkel und ich war nicht allein… Aber wer zur Hölle war das? Ich wusste es nicht. Plötzlich übermannten mich rasende Kopfschmerzen, so stark, dass meine Augen zu tränen begannen. Besorgt musterte Bine mich, aber ich konnte keinen klaren Gedanken fassen. Am Rande bekam ich noch mit, wie sie mit dem Kellner sprach, zahlte und mich dann zum Wagen führte. Ich bekam kaum mit, wie wir zu uns nach Hause fuhren. Erst, als sie mich auf mein Bett drückte und mir beim Umziehen half, wurde meine Sicht wieder klarer. „Danke“ hauchte ich, doch sie winkte ab und meinte, es wäre doch selbstverständlich. Dann reichte sie mir noch ein Glas Wasser und eine Tablette und innerhalb weniger Momente befand ich mich im Tiefschlaf. Im Traum sah ich mich auf McLachlan Castle, sah die freundliche Molly und den tollpatschigen Sturgis, erinnerte mich an Begebenheiten, die ich dort erlebt hatte. Und immer wieder tauchte da ein großer, gutaussehender Mann mit eisblauen Augen auf – dieselben Augen, an die ich mich bereits am Flughafen erinnert hatte. Wer war das? Die Szene wechselte. Ich saß vor dem Kamin in meinem Wohnraum, ein munteres Feuer flackerte im Kamin und wärmte den Raum auf. Ich lag in den Armen dieses Fremden. Er erzählte mir irgendetwas. Dann wechselte die Szene wieder: der Fremde und ein weiterer Mann, ein entsetzliches Gesicht mit messerscharfen Fangzähnen und glühenden Augen. Und ein zweites, diesmal jedoch des Mannes, in dessen Armen ich gelegen hatte. Und dann standen wir plötzlich im Wald und ich hörte meine eigene Stimme: ´Du bist kein Monster`. Schweißgebadet schreckte ich auf; was sollten diese Erinnerungsfetzen? Woher kamen sie? Ich kannte diesen Mann doch gar nicht… oder doch? Ich trat ans Fenster und blickte auf den Mond. Irgendetwas stimmte nicht mit mir. Warum konnte ich mich so genau an solche Sachen erinnern, wenn ich sie doch gar nicht erlebt hatte? Verdammt. Ich schlug mit der Faust ans Fenster – die Scheibe klirrte. Dann hörte ich Schritte und wie meine Tür geöffnet wurde. „Ist alles ok Elena?“ Arme Bine, ich hatte sie wohl geweckt, jedenfalls sah sie sehr verschlafen aus. „Ja Bine, entschuldige. Ich konnte bloß nicht schlafen. Aber geh du ruhig wieder ins Bett.“ „Ok, gute Nacht dann.“ Und ich war wieder allein mit meinen Gedanken. Ich würde ja eh nichts rausfinden, also konnte ich genauso gut wieder ins Bett gehen. Kaum lag ich, da fielen mir auch schon wieder die Augen zu. Dass letzte was ich vor mir sah, war das Gesicht dieses Mannes und seine Worte: ´Ich liebe dich`. Kapitel 14: ------------ Sehnsucht Ein Schrei zerriss die Stille des Waldes. Erschrocken hob die Gruppe Wanderer, die mit ihrem Führer eine Tour durch die Berge hatte machen wollen den Kopf. „Bei allen Heiligen, was war das?“ fragte die bebende Stimme einer Frau. „Beruhigen Sie sich meine Herrschaften, das wird wohl nur ein Tier gewesen sein. Wenn Sie mir jetzt bitte weiter folgen würden? Bis zum Einbruch der Nacht würde ich sehr gerne zurück im Dorf sein.“ Die noch immer murmelnde Gruppe folgte dem Führer zurück. Dieser warf einen kurzen Blick aus den Augenwinkeln in die Richtung, aus der der Schrei erklungen war. Da er aus Rossmere kam, wusste er natürlich um die Geschichten über die Vampire, die in dieser Gegend leben sollten. Und er war sich auch ziemlich sicher, dass der Schrei nicht von einem Tier gekommen war. Diese Qual, die mitgeklungen hatte, die konnte nur Jemand empfinden, dem das Wichtigste im Leben genommen worden war. Er bekreuzigte sich und brachte die Leute auf den richtigen Weg hinunter ins Dorf. Regen setzte ein und verbarg den Wald hinter einem dichten Schleier. Damien war gelaufen. Er wusste nicht, wohin und es war auch egal. Nichts hatte mehr eine Bedeutung. Gar nichts. Denn sein Herz, seine Liebe, all das wurde ihm genommen. Und das alles nur, weil irgendein dämlicher alter Kauz seine kleinen Machtspielchen zelebriert hatte. Doch auch diese Sache hatte sich erledigt. An einem Berghang blieb er schließlich stehen. Unter sich konnte er sein zu Hause erkennen. McLachlan Castle. Nie wieder würde er dort Elenas sanfte Stimme hören, nie wieder würde er herein kommen und ihren unvergleichlichen Duft einatmen. Er würde sie nicht in der Küche antreffen, wo sie Molly beim Kochen zu sah oder im Hof, wenn sie neugierig beobachtete, was Sturgis machte. Und er würde nie wieder mit ihr vor dem Kamin sitzen. Schmerz überrollte ihn. So stark, dass er seine Augen schließen musste. Sie brannten. Aber niemals würde er eine Träne weinen können. Um irgendetwas zu tun, damit der Schmerz vielleicht ein bisschen abflachte, schrie er. So laut er nur konnte. Und auch er selbst hörte die Qual, die darin mitschwang. Als der Regen einsetzte, ließ er sich vorne über fallen, auf die Knie. Er spürte die Tropfen, die über sein Gesicht liefen, als er es dem Himmel zuwandte und wünschte sich, es wären Tränen. Die Tränen, die er nicht vergießen konnte. ´Warum schaust du denn so? Hast du Schmerzen Liebster?´ Er riss die Augen auf und für einen Moment glaubte er, Elena stände vor ihm. Doch da war nichts. Enttäuschung überkam ihn. Er hatte ihre Stimme doch gehört, so deutlich, als stände sie vor ihm. Sein Herz brach. Solche Schmerzen, wie in diesem Augenblick, hatte er noch niemals empfunden. Warum durfte er nicht glücklich sein? Warum hatte sich jeder einmischen müssen? Wäre er kein Vampir und gäbe es diese verdammte Art überhaupt nicht, dann hätte er jetzt mit Elena glücklich sein können. Sie wären eine wunderbare Familie geworden, hätten vielleicht auch Kinder bekommen. Vor seinem inneren Auge sah er sich selbst auf der Terrasse sitzen, Elena neben ihm. Und auf dem Rasen spielten Kinder mit eisblauen Augen und schwarzen Haaren. Seine Augen brannten wieder. Und wieder verfluchte er das Schicksal, das so grausam zu ihnen beiden war. ´Damien´ Was? ´Damien´ Was sollte das? Wollte ihn jemand verhöhnen? Wer sprach da zu ihm und dann auch noch mit ihrer Stimme? Wut packte ihn. Er sprang auf und wirbelte herum. Und stand ihr gegenüber. Oder eher einem Produkt seiner Fantasie. ´Damien, warum verzweifelst du? Ich bin doch nicht tot. Nur meine Erinnerungen wurden verschlossen. Komm zu mir. Hilf mir, mich an dich zu erinnern.´ Gott, er wollte ja, und wie er das wollte, aber wie sollte er das nur anstellen? Er hatte doch keine Ahnung, wie man eine Frau umwarb… „Ich weiß nicht, was ich tun soll“ flüsterte er. Und wieder hatte diese seltsame Erscheinung einen Rat: ´Liebe mich einfach. Zeige meinem wirklichen Ich, wie wichtig es für dich ist und wie stark deine Gefühle sind.´ Langsam verblasste sie und er war allein. Mitten im Regen, auf einem Berg. Sollte er es riskieren? Sollte er ihr wirklich folgen? Die Erkenntnis kam. Ja, er würde es tun. Er würde über seinen Schatten springen und sie zurückgewinnen. Sie lebte ja schließlich noch, was machte es da schon, dass sie sich nicht erinnerte? Und diesmal schwor er sich, würde er es richtig anfangen. Sie umwerben, auf jede nur erdenkliche Art und Weise. Und er wusste auch schon genau, wer ihm dabei helfen würde. Zum ersten Mal stahl sich ein kleines Lächeln auf seine Lippen und im gleichen Moment kam die Sonne hervor. Damien drehte sich um und lief den Weg zurück zum Schloss mit einer Geschwindigkeit, die er dem Vampir in sich verdankte. Und während er die Stufen zur Eingangshalle hinauflief, um weiter in die Küche zu gehen und Molly um Hilfe zu bitten und in den Plan einzuweihen, passierte etwas Einmaliges: sein Herz heilte. Kapitel 15: ------------ Wie man eine Frau zurückgewinnt Hinter der Küchentür konnte ich Molly´ s Stimme hören, die leise vor sich hin summte. Laut genug, damit sie mich auch hören konnte, öffnete ich die Türe und trat ein. Freudig drehte sie sich sofort zu mir um und umarmte mich. „Ah Damien, ich dachte schon hier wäre gar niemand, als ich eben wieder her kam.“ Bei diesen Worten zuckte ich zusammen, denn sie verdeutlichten mir ja nur, was ich selbst wusste. Nicht dran denken, ermahnte ich mich. „Ist alles in Ordnung Damien? Du wirkst so… angespannt.“ „Nein Molly, es ist nichts in Ordnung, jedenfalls noch nicht. Aber damit das so wird, brauche ich deine Hilfe.“ Sie trat einen Schritt zurück und sah mir ins Gesicht. Dann nickte sie und trat zum Tisch, setzte sich und bedeutete mir, es ihr gleich zu tun. Ich kam dieser Aufforderung nach und ließ mich auf dem Stuhl nieder. Dann sah ich meiner langjährigen Freundin fest in die Augen. Sie war die erste, die zu sprechen begann. „Also was ist los? Und vor allem: wo ist Elena? Ich hatte gehofft, ihr wäret euch näher gekommen und würdet mich jetzt gemeinsam begrüßen?“ Ich musste einfach die Augen schließen, zu weh tat mir das Gesagte. Und wieder erschien Elenas Abbild vor meinem geistigen Auge… Mühsam konzentrierte ich mich wieder auf mein Gespräch mit Molly. „Wir sind uns… nahe gekommen Molly, das ist nicht das Problem.“ „Sondern? Nun lass mich doch nicht raten. Hast du ihr die Wahrheit erzählt?“ „Ja.“ „Wie hat sie es aufgenommen?“ „Ganz gut… denke ich.“ Ihre Augenbraue zuckte langsam, mir wurde dabei früher schon angst und bange, denn eine wütende Frau, konnte mitunter gefährlicher werden als ein Vampir… Schnell erzählte ich ihr daraufhin, was in ihrer Abwesenheit so alles passiert war. Wie Elena auf Calum getroffen war, dass er mich dadurch verraten hatte, wie sie mich gesucht und gefunden hatte; auch die Szene vor dem Kamin ließ ich nicht aus. Betroffenheit, Wut, Traurigkeit und Freude wechselten sich auf ihren Zügen ab. Aber als ich ihr das Ende des Clankrieges erzählte, seufzte sie erleichtert auf. „Gott sei gedankt, es hat endlich ein Ende… Aber dann müsste doch jetzt alles gut sein. Ihr beide müsstet doch jetzt in purem Glück leben können!“ „Ja, doch leider hat der Meister noch einen Trumpf ausgespielt.“ Verwirrt sah sie mich an und ich sagte ihr, was Aimil in seinem Auftrag getan hatte. Molly weinte lange und nicht zum ersten Mal wünschte ich mir an diesem Tag, dass ich es auch könnte. Tröstend schloss ich sie in die Arme und zusammen gaben wir uns für einen Moment unserem Schmerz hin. Denn Molly hatte Elena genauso gern wie ich, jedoch auf eine andere Art und Weise. Schließlich löste sie sich von mir, wischte sich die Tränen ab und griff dann zu einem Tuch, um sich zu schnäuzen. Dann atmete sie tief ein, stieß die Luft wieder aus und sprang auf, sodass ich kurz zusammen zuckte. „Wir beide werden dafür sorgen, dass Elena sich wieder an dich erinnert! ICH werde persönlich für ein Happy – End sorgen!“ Dieser Kampfgeist gab auch mir wieder neuen Mut. Es war richtig gewesen, mich meiner Freundin anzuvertrauen. „Ich bin dabei, keine Frage. Allerdings – wie sollen wir das anstellen?“ Und schon steckten wir mitten in den Überlegungen, wie ich meine Seelengefährtin noch einmal erobern konnte. Drei Stunden später hatte ich bereits mit dem Flughafen telefoniert und mich informiert, wann der nächste Flieger zu meiner Liebsten gehen würde. Sofort buchte ich für zwei Personen und hatte noch genügend Zeit, meine Sachen zu packen. Molly würde mich begleiten, denn ob ich auch wirklich alleine alles schaffen würde, bezweifelte ich stark. Nach einigem Hin und Her hatte sie dann – dem Himmel sei Dank – endlich zugestimmt. Während Molly also ebenfalls ihre Sachen packte, bereitete ich das Schloss auf unsere Abwesenheit vor. Als Vampir bekam man die schließlich den einen oder anderen Trick mit, wie man unliebsame Besucher fernhalten konnte. Sturgis wusste Bescheid und würde während unserer Abwesenheit noch ein bisschen bei seiner Familie bleiben. Pünktlich machten wir uns auf den Weg zum Flughafen. Während der Fahrt machte ich mir Gedanken über das Wiedersehen mit Elena. Würde ich es schaffen, sie zu umwerben und zu mir zurück zu holen? Würde ich in der Lage sein, auch wirklich meine Menschenscheuheit zu überwinden, damit ich überhaupt erst einmal in den Flughafen gehen konnte? Oder würde ich Reißaus nehmen, wenn ich die ganzen Menschen dort sah? Ich wusste es nicht. Aber da mir diese Frau so wichtig war, würde ich eher freiwillig zur Hölle fahren, als sie aufzugeben! Die ganze Welt konnte meinetwegen erfahren, wie sehr ich Elena liebte. Dieser Gedanke zauberte mir ein Lächeln aufs Gesicht und ich sah Mollys verzückten Gesichtsausdruck. „Was hast du?“ „Nichts, aber es macht mich glücklich, wenn du lächelst.“ „Vielleicht siehst du das in Zukunft öfter.“ Dann fuhren wir auf den Parkplatz des Flughafens, stellten das Auto dort ab und ich nahm unsere Koffer. Nervös ging ich mit Molly zusammen auf das große Gebäude aus Chrom und Glas zu. Verdammt. Beinahe wäre ich wieder umgedreht. Doch dann hörte ich wieder Elenas Stimme in meinen Gedanken und das gab mir den Mut, weiter zu gehen. Den Rest jedoch überließ ich meiner Haushälterin und langjährigen Freundin. Ein wenig erleichterter ließ ich mich auf meinen Platz im Flugzeug sinken. Neben mir saß eine freudig – aufgeregte Molly, die es kaum erwarten konnte, mit der Aktion „Wie gewinne ich eine Frau“ zu beginnen. Der Flieger rollte über die Bahn und schon waren wir in der Luft. Und als ich aus dem Fenster sah, tauchte in einer Wolkenbank das wohl schönste Gesicht der Welt auf. Ich tat das Richtige, davon war ich fest überzeugt. Molly tätschelte meine Hand und lächelte mich an. Ich war nicht allein und dafür dankte ich dem Schicksal schon wieder ein wenig. Wieder stand ich auf einem Flughafen und die Aufregung erfüllte mich wieder stärker. Ich war Elena so nahe. Schmunzelnd überlegte ich, ob ich mich nicht kindischer anstellte, als nötig. Aber den Gedanken verwarf ich wieder. Schließlich war ich im Begriff, die Liebe meines Lebens zurück zu holen! Unweit ihrer Wohnung hatten wir ein gutes Hotel gefunden, in dem wir eine Suite gebucht hatten. Ich spürte sie, so deutlich, als stände sie endlich wieder neben mir. Meine Haut brannte; sie sehnte sich genauso wie ich nach der Wärme, die ihre Berührungen mir schenkten. Und wieder kehrte die Traurigkeit zurück, bis Molly mir einen sanften Klaps auf den Arm gab. Weg mit diesem Quatsch! Ich war so nahe dran, da würde ich doch jetzt nicht aufgeben. Ein Grinsen erschien auf meinem Gesicht. Mit einem schnellen Griff zum Telefon war der Anfang unseres Plans schnell angelaufen. Zufrieden lehnte ich mich zurück. Phase eins konnte losgehen… Epilog: -------- Irgendwo, irgendwie, irgendwann... Seufzend trat ich aus der Dusche. Wieder eine Nacht, in der ich nur von diesem Unbekannten geträumt hatte. Und wieder gab es so viele Szenen, die aussahen, als wären sie auf McLachlan Castle geschehen. Was sollte das bloß? Es half doch nichts, ich würde wohl nie darauf kommen, warum das so war. Also wischte ich diese trübsinnigen Gedanken beiseite und stellte mich vor meinen Schrank. Jetzt, wo ich wieder zu Hause war, konnte ich mich nicht mehr so gehen lassen. Hier waren es alle – genau wie ich – gewohnt, dass ich immer gut aussah. Also zog ich mir eine schmale Jeans und ein dunkelblaues Poloshirt an, schminkte mich noch ein bisschen und besah mir das Ergebnis noch einmal im Spiegel. So konnte ich mich sehen lassen. Ich ging in die Küche, sagte Bine „Guten Morgen“ und setzte mich mit einem Kaffee zu ihr an den Tisch. Wie sie nahm ich mir ebenfalls einen Teil der Zeitung. Wir saßen ungefähr eine knappe viertel Stunde so da, als es an der Tür klingelte. Überrascht sahen wir uns an. „Weißt du wer das sein könnte?“ Beide hatten wir das gleichzeitig gesagt und kicherten. „Nein.“ Und wieder. Immer noch kichernd erhob ich mich und ging zur Türe. Dann öffnete ich sie mit einem Schwung und sah – nichts. Jedenfalls nichts anderes, als einen wahnsinnigen Strauß roter Rosen. Verblüfft starrte ich diese Pracht an, als irgendwo dahinter eine Stimme erklang. „Guten Morgen! Ich habe etwas für eine Elena Vermillion.“ „Ähm, ja. Das bin ich.“ „Dann sind die hier wohl für Sie“ sprach´ s und verschwand. Verdattert stand ich in der noch immer offenen Türe, einen gigantischen Strauß Rosen in der Hand. Ich blinzelte verwirrt und ging zurück zu Bine. Die sah beim Anblick dieser Pracht auch nicht anders aus als ich. „Sag mal Eli – Schatz, hast du mir irgendwas zu beichten?“ „Ähm, nein… Wieso?“ „Nun, du bekommst einen so wunderschönen Blumenstrauß. Gibt es da einen Mann, von dem du mir noch nichts erzählt hast?“ Verwirrt starrte ich vor mich hin und wieder kam mir dieser Fremde mit den blauen Augen in den Sinn. Quatsch, sagte ich mir ärgerlich, diesen Kerl kennst du nicht. Also wird er dir wohl auch keine Rosen schicken. „Nein Bine, ich hab keine Ahnung, von wem die Blumen sind.“ Während ich sie ihr in die Hand drückte, um nach einer Vase zu suchen, steckte sie ihre Nase in die Rosen und sog tief den fabelhaften Geruch ein, der ihnen entströmte. „Hey Eli, da ist eine Karte bei!“ Ich kam eiligst zu ihr zurück. Vielleicht löste sich ja jetzt, von wem die Rosen waren? Sie gab mir das Kärtchen und ich schlug es auf. Mein Herz klopfte erwartungsvoll schneller. Auf der Karte war nicht mehr als ein Spruch, geschrieben in einer unglaublich eleganten Handschrift: Deine Liebe färbt meinen grauen Alltag bunt, belebt mich wie ein Glas Champagner und beruhigt mich im nächsten Augenblick, ist wie ein warmer Pelz aus einem Stück, stillt meine Sehnsucht und ruft neue gleich hervor, erlöst mich, bindet mich befreit mich verwandelt uns. Diese wunderschönen Zeilen weckten in mir Erinnerungen an eine verregnete Nacht, in einem Wald. Und wieder verband sich diese Erinnerung mit dem Mann aus meinen Träumen. „Und, von wem sind sie?“ „Ich weiß es nicht. Da steht nur dieser Spruch, nicht mehr.“ „Kein Absender?“ „Nein.“ Enttäuscht sahen wir uns an. Wieder klingelte es an der Tür. Ich zuckte mit den Schultern und sah nach, wer es diesmal war. Und blickte auf einen noch größeren Strauß roter Rosen. Ich bedankte mich und schloss die Türe, dann lief ich eiligst zu Bine, die mich schon mit offenem Mund ansah. Es gab auch diesmal eine Karte: Einen Menschen wissen, der dich ganz versteht, der in Bitternissen immer zu dir steht, der auch deine Schwächen liebt weil du bist sein; dann mag alles brechen du bist nie allein. „Ich glaube, du hast jemandem den Kopf verdreht Kleines.“ Ja, das schien mir auch so. Aber wem?! Zum dritten Mal an diesem Morgen klingelte es und diesmal schickte ich Bine zur Tür. Ihr Kichern ließ mich darauf schließen, dass sie noch mehr Blumen annahm. Hätte ich doch nur meinen Mund gehalten… Säuerlich betrachtete ich unser Wohnzimmer, das nur so vor Rosen überquoll. Auf den Tischchen, Kommoden, Fensterbänken, ja sogar dem Fußboden standen sie! Ich hielt den letzten Boten auf, der grade gehen wollte. „Entschuldigen Sie, aber könnten Sie mir sagen, wer Ihnen den Auftrag dazu gab?“ „Tut mir wirklich leid, aber wir bekommen unsere Aufträge von der Hauptzentrale und die sagen uns nur, welche Blumen wohin gehen.“ Ich dankte höflich, war aber immer noch nicht weiter. Meine beste Freundin trat zu mir und hielt mir ihre Hände hin. Darin waren lauter Kärtchen und wir beide hatten wohl den Verdacht, dass in ihnen ebenso liebevolle Zeilen standen, wie in den ersten beiden. Jetzt war ich doch sehr gespannt. Wer bitte schön machte sich schon die Mühe und vor allem die Kosten, mir so viele Rosen zu schenken? Wir setzten uns auf das Sofa und ich begann, die Kärtchen laut vorzulesen. Das Erste lautete: Ach, wie sehn ich mich nach dir, Kleiner Engel! Nur im Traum, Nur im Traum erscheine mir! Ob ich da gleich viel erleide, Bang um dich mit Geistern streite Und erwachend atme kaum. Ach, wie sehn ich mich nach dir, Ach, wie teuer bist du mir, Selbst in einem schweren Traum. Das Zweite: Lösch mir die Augen aus: ich kann dich sehn, wirf mir die Ohren zu: ich kann dich hören, und ohne Füße kann ich zu dir gehen, und ohne Mund noch kann ich dich beschwören. Brich mir die Arme ab, ich fasse dich mit meinem Herzen wie mit einer Hand, halt mir das Herz zu, und mein Hirn wird schlagen, und wirfst du in mein Hirn den Brand, so werd ich dich auf meinem Blute tragen. Ich war so gerührt. All diese Worte machten mich so glücklich, als kämen sie direkt von jenem Mann, der mich mehr liebte als alles andere auf der Welt. Eine einsame Träne löste sich aus meinem Auge, als ich mir das vierte Kärtchen ansah. Nur wer die Sehnsucht kennt, Weiß, was ich leide! Allein und abgetrennt Von aller Freude, Seh ich ans Firmament Nach jener Seite. Ach, der mich liebt und kennt, Ist in der Weite. Es schwindelt mir, es brennt Mein Eingeweide. Nur wer die Sehnsucht kennt, Weiß, was ich leide! Jetzt weinte ich wirklich. Wer vermisste mich denn da so? Ich musste ihn doch kennen, oder? Hätte ich einen solchen Menschen einfach vergessen können? Jemanden, der so sehr lieben konnte, so tief in seinen Gefühlen und darin noch so aufrichtig war… Ich wusste es nicht. Vorsichtig griff ich nach einem neuen Kärtchen. Dann sah ich Bine an. Auch sie schien sehr ergriffen zu sein. Dann las ich jene Worte, die mich in einen Abgrund aus Schwärze zogen. Am Rande hörte ich noch Bines Stimme, doch die Gegenwart des Einen, den ich liebte, war stärker. Und so trieb ich in die Bewusstlosigkeit, um ihm nahe zu sein und sah noch einmal die Verse, die mir einen Teil meiner Erinnerungen wieder gaben: Ich bin mir meiner Seele In deiner nur bewußt, Mein Herz kann nimmer ruhen Als nur an deiner Brust! Mein Herz kann nimmer schlagen Als nur für dich allein. Ich bin so ganz dein eigen, So ganz auf immer dein. Als ich meine Augen wieder öffnete, lag ich auf der Couch. Neben mir saß Bine und sah zum Fernseher. Sobald ich mich aufrichtete, sah sie mich an. „Geht´ s wieder Elena?“ „Ja danke. Wie lange war ich weg?“ „Nicht lang, vielleicht fünf Minuten.“ „Ah ok.“ Wir schwiegen und sahen beide fern. Dann, ohne Vorwarnung sagte ich „Damien“ und Bine sah mich verwirrt an. „Bitte was?“ Ich wandte mich ihr zu, war ganz aufgeregt, denn ich wusste jetzt, wer der Mann aus meinen Träumen war. Und ich wusste auch wieder was er war. Aber das blieb mein Geheimnis, selbst Bine würde ich nichts sagen. „Das ist der Name des Mannes, den ich dauernd in meinen Träumen sah. Der, von dem ich dir erzählt habe. Weißt du noch?“ „Ja, jetzt kann ich mich wieder erinnern. Also hast du doch jemanden kennen gelernt!“ „Ich geb es ja zu, aber irgendwie konnte ich mich nicht mehr dran erinnern.“ „Und, was wirst du jetzt tun?“ „Ich weiß es noch nicht. Zunächst muss erst mal alles wieder klarer werden. Und dann sehe ich weiter.“ Sie lächelte und ich gab es aus ganzem Herzen zurück. Ich war endlich wieder glücklich. Und ich wusste, dass Damien und ich uns wieder sehen würden. Irgendwo, irgendwann. Schließlich war ich seine Seelengefährtin. Und darum hatten wir beide alle Zeit der Welt, um uns endlich wieder zu finden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)