Wenn die Nacht dich umarmt von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 3: ----------- In Rossmere Zwei Wochen war ich nun bereits hier, zwei Wochen, in denen ich mich genauestens in der Gegend und auf dem Schloss umgesehen hatte. Und doch gab es grade dort noch viele Orte, zu denen ich nicht hatte vordringen können. Nicht, dass ich keine Schlüssel gehabt hätte, doch zumindest bei den Türen, die hinab in die Tiefen der Kellergewölbe führten, waren die Schließmechanismen scheinbar so verrostet, dass ich es erst gar nicht schaffte, den Schlüssel zu drehen. Mit Damien hatte ich nur zu den Mahlzeiten Kontakt und auch da hielt er sich möglichst aus meiner Nähe fern. Zwar hatte er mir bereits am ersten Abend das Du angeboten, aber ich vermutete einfach, er nicht gerne unter Menschen war, denn ich sah ihn niemals im Schloss oder in der Umgebung. Aber da ich den Großteil meiner Zeit sowieso in der Bibliothek verbrachte, bekam ich auch nicht viel mit. In meiner dritten Woche auf McLachlan Castle bat ich um ein Auto und die Wegbeschreibung hinunter in das kleine Dorf, dass sich innerhalb der Ländereien befand. Interessierten mich doch auch die Menschen, die es in solch einer - für mich so erscheinenden - Abgeschiedenheit aushielten. Zwar gab es auch hier alle Annehmlichkeiten der modernen Zivilisation, doch größtenteils hielt man sich noch an die althergebrachten Werte und Traditionen. Nach einer halbe Stunde Fahrt erreichte ich das kleine Dorf Rossmere und fand es direkt wunderschön. In der Mitte erhob sich eine kleine, wohl noch aus dem Mittelalter stammende Kirche, direkt davor erstreckte sich ein Dorfplatz mit Brunnen, um den herum sich ein Gasthaus, ein Lebensmittelgeschäft und ein kleiner Laden mit allem, was man sonst so im täglichen Leben gebrauchen konnte, erstreckte. Mein Weg führte mich zunächst in das Lebensmittelgeschäft, denn obgleich ich oben im Schloss doch so ziemlich alles bekam, gab es immer noch gewisse Dinge, auf die ich nicht verzichten konnte und wollte. Als ich den Laden betrat, setzte Schweigen unter den vorher noch fröhlich schwatzenden Frauen ein. Ich fühlte mich kurz unbehaglich, doch dann trat eine etwas fülligere Dame auf mich zu, die – wie ich vermutete – wohl die Besitzerin des Ladens war. „Guten Tag Miss, willkommen in Rossmere!“ sprach sie mich mit einem freundlichen Lächeln an und mein Unbehagen verflog. „Sind Sie auf der Durchreise oder möchten Sie eine zeitlang hier Urlaub machen?“ fragte sie mich neugierig. Dann schien ihr jedoch aufzugehen, dass so etwas sicherlich sehr unhöflich war und sie sprach eilig weiter: „ Oh verzeihen Sie bitte, ich bin manchmal etwas sehr neugierig, aber es kommt nicht oft vor, dass wir hier Besucher begrüßen können. So weit in die Highlands traut sich kaum jemand und dann auch noch eine Frau… Wie auch immer, was kann ich für Sie tun?“ schloss sie mit einem Lächeln. Völlig überrumpelt musste ich mich erstmal kurz sammeln, bevor ich das Lächeln erwiderte und meine Antwort gab. „Aber ich bitte Sie, es freut mich doch, so nett begrüßt zu werden. Ich habe tatsächlich vor, einige Zeit hier zu bleiben und wohne oben auf dem Schloss bei Mr. McLachlan.“ Dieser Satz schien wie eine Bombe eingeschlagen zu haben. Mit Erstaunen sah ich, wie die Gesichter der Frauen einen entsetzen Ausdruck annahmen, sie hastig das Kreuzzeichen schlugen und eilig an mir vorbei aus dem Laden stürzten, immer darauf bedacht, mich auch ja nicht zu berühren. Hatte ich etwas falsch gemacht? Ich verstand dieses Verhalten nicht und wandte mich an die Besitzerin, doch auch sie sah so erschrocken aus, dass ich nicht wusste, was ich sagen sollte. Also beschloss ich, dass es wohl das Beste wäre, erst einmal meinen Einkauf zu tätigen und dabei so unauffällig wie möglich den Grund dieses absonderlichen Verhaltens zu erfahren. Die Frau schien sich zu fangen und sah mich wieder mit einem Lächeln an, doch ihre Augen behielten einen besorgten Ausdruck. Mir kam das komisch vor, also beschloss ich, in meiner direkten Art zu fragen, was eigentlich los war: „Warum reagieren Sie alle so seltsam auf die Tatsache, dass ich dort oben wohne?“ „Ach junge Frau, wir sprechen eigentlich nicht darüber…“ „Bitte, ich möchte schon verstehen, was los ist, immerhin waren Sie grade noch zu lebhaft und fröhlich und von einem Moment auf den anderen schlug diese Stimmung um.“ Ich würde jetzt nicht locker lassen, oh nein! Die Frau wand sich innerlich, ich konnte das erkennen, schließlich sagte man mir eine gute Menschenkenntnis nach. „Wissen Sie, wir leben hier sehr zurückgezogen und halten sehr an den alten Dingen fest. Hier oben vergisst man fast niemals irgendwelche Geschichten, doch verhält es sich hier noch ganz anders. Wir alle halten uns vom Schloss fern, den dort geht Böses vor sich.“ Danach schwieg sie und ich mochte sie auch nicht drängen, denn es war mehr als offensichtlich, dass sie nichts sagen würde. Ich zahlte, dankte ihr und verließ den Laden. Auf dem Weg zum Wagen konnte ich deutlich die Blicke der Bewohner in meinem Rücken spüren, die Luft vibrierte schon fast vor Spannung und Angst. Ich legte die Einkäufe auf die Rückbank und sah mich noch einmal um. Mein Blick fiel auf die Kirche und dachte nach. Musste der Pfarrer nicht bescheid wissen? Schließlich verwahrte die Kirche doch in ihrem Archiv die Geschichte der Gegend. Warum also nicht ihn fragen? Gesagt, getan, ich machte mich auf den Weg und betrat schließlich das Kirchenschiff. Im Innern empfing mich Ruhe. Mattes Licht viel durch die bunten Bleiglasfenster ein. Ich musste kurz blinzeln, um meine Augen an die Lichtverhältnisse zu gewöhnen. Ich sah mich um und gewahrte vorne, schräg hinter dem Altar eine Bewegung. Ich sah genauer hin und ging näher ran. Es war der Pfarrer, er summte eine Melodie vor sich hin und bereitete wohl die nächste Messe vor. Ich trat vor die Stufen und räusperte mich. Er zuckte zusammen und sprang fast in die Luft. Ich musste mir ein Grinsen schwer verkneifen. „Du meine Güte, da haben Sie mich aber erschreckt Miss!“ brachte er hervor und musste dann lachen. „Ich vergesse zu oft, dass die Türen der Kirche jederzeit für jeden offen sind und erschrecke mich dann, wenn ich plötzlich nicht mehr allein bin.“ Er war sehr sympathisch und ich schloss sofort vertrauen zu ihm. „Aber Sie sind doch bestimmt nicht hier, um über meine Schreckhaftigkeit zu sprechen. Nein, Sie sehen eher so aus, als hätten Sie Fragen und möchten nun Erklärungen.“ Er überraschte mich. Aber dann dachte ich mir, wenn er so direkt war, warum sollte nicht auch ich so sein? „Sie haben Recht. Ich bin für einige Zeit hier in den Highlands und bin jetzt das erste Mal hier unten im Dorf. Und wurde sogleich sehr überrascht“ gab ich zu. „Überrascht?“ „Ja, in dem kleinen Lebensmitteladen wurde ich erst begrüßt und die Stimmung war sehr fröhlich. Als ich jedoch erwähnte, wo ich zur Zeit wohnte, schlug mir sofort Entsetzen entgegen und die Leute wollten möglichst schnell aus meiner Nähe.“ „Hm“ Er schien kurz in Gedanken versunken, dann richtete er jedoch seinen Blick fest auf meine Augen. „McLachlan Castle, nicht wahr? Ihr Wohnsitz“ sagte er, als er meinen überraschten Blick sah. Ich war so überrascht und er schien das zu merken, denn er lächelte kurz und bat mich platz zu nehmen. Dann begann er seine Geschichte. „Hier in der Abgeschiedenheit der Highlands herrscht zum Teil noch der alte Aberglauben, Legenden sind hier gegenwärtiger und wenn man lange genug hier lebt, ist das auch nicht schwer nachzuvollziehen. Es sind einfache Menschen, die hier leben, auch wenn die Technik hier natürlich allgegenwärtig ist. Nun ja. McLachlan Castle ist alt, sehr alt und natürlich gibt es auch um das Schloss Legenden. Doch nur eine vermag es wirklich, eine solche Furcht in den Menschen auszulösen, wie die, die Sie wohl eben erlebt haben. Man sagt, dass dort Böses vor sich geht. Und vielleicht ist auch etwas Wahres an diesen ganzen Geschichten dran, denn es passiert grade in der näheren Umgebung des Schlosses viel Seltsames. Früher verschwanden viele Leute, die sich des Nachts zu nah heranwagten. Man fand keinerlei Spuren. Doch wenn man den Überlieferungen Glauben schenken mag, tauchten nach einiger Zeit die Leichen der Vermissten auf; jedoch trugen sie keinen Tropfen Blut mehr in sich und am Hals fand man immer zwei kleine Löcher. Die Menschen glaubten natürlich sofort an Vampire und rückten den Schlossherren mit Weihwasser, Kreuzen und Knoblauch zu Leibe. Doch das alles zeigte keinerlei Wirkung. Dann muss es wohl eine zeitlang aufgehört haben und nichts passierte; die Sage über die Vampire rückten fast in Vergessenheit und man erzählte sie sich nur noch in geselligen Runden, als Spukgeschichten. Niemand glaubte mehr daran. Doch seit einiger Zeit finden die Männer, die in den Wald zum Holz schlagen gehen, des Öfteren Tierleichen, die die selben Merkmale aufweisen, wie einst die Menschen in den alten Geschichten. Natürlich lebt damit die Angst wieder auf, zu mal der junge McLachlan genau zu der Zeit wieder aufs Schloss zurückkehrte, als man die ersten Tiere fand. Und die Menschen glauben natürlich, dass er etwas damit zu tun hat.“ Er schwieg. Ich dachte über all das nach und kam zu dem Schluss, dass es wohl amüsante Geschichten waren, jedoch keinerlei Wahrheitsgehalt in ihnen enthalten war. Ich glaubte nicht daran. Und doch… Die Neugier überwog. „Was halten denn Sie davon? Glauben Sie auch, dass Mr. McLachlan ein Vampir ist?“ Ich konnte die Belustigung nicht ganz aus meiner Stimme verbannen. Auch der Pfarrer grinste nun ganz offen. „Ehrlich gesagt: Nein! Ich glaube nicht daran, denn dann würde er ja wohl kaum eine so nette junge Dame bei sich wohnen lassen und sich nicht dem Blutdurst hingeben.“ Er lachte und ich stimmte mit ein. Natürlich wäre das Unsinn, denn ich lebte dort und hatte bisher noch keine Löcher in meinem Hals. „Glauben Sie nicht alles, was die Leute hier denken und sagen, ich tue es auch nicht. Genießen Sie einfach Ihren Aufenthalt hier und haben Sie Spaß.“ „Danke, das werde ich machen. Und danke auch, dass Sie sich die Zeit genommen haben, mir das Verhalten der Leute zu erklären.“ Ich stand auf, gab ihm die Hand und wandte mich zum gehen. Kurz bevor ich die Kirche verließ, drehte ich den Kopf noch einmal in Richtung des Pfarrers und nannte ihm meinen Namen. Mit einem Lächeln und einem kurzen Winken begab ich mich auf den Weg zurück zum Schloss. Ich hatte mich nach dem Abendessen in die Bibliothek zurückgezogen. Mrs. McCane fragte zwar, wie mir Rossmere gefallen hatte, doch ich gab nur eine ausweichende Antwort, die sie wohl zufrieden stellte. Das, was der Pfarrer mit erzählt hatte, ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Und doch – irgendwie kam es mir mehr als unwahrscheinlich vor, schließlich gab es keinerlei Beweise dafür, dass Vampire tatsächlich existierten. Ich seufzte und beschloss, noch ein wenig spazieren zu gehen. Ich trat also durch die Terassentüren hinaus und wanderte ein wenig durch den Park. In Gedanken versunken merkte ich gar nicht, wie ich den Park verließ und in den Wald gelangte. Als ich es merkte, blieb ich stehen und sah mich um. Doch mehr als Bäume konnte ich nicht erkennen. Was erwartest du denn Mädchen, dachte ich ärgerlich und schalt mich eine Närrin. Ich wollte mich grade wieder umdrehen und zurück gehen, als ich hinter mir ein Schlürfen hörte. Neugierig wie ich nun mal bin, drehte ich mich um und folgte den Geräuschen. Ich blickte hinter einem Baum hervor und sah eine Lichtung. Doch das, was ich dort sehen konnte, ließ mein Herz rasen und Entsetzen durchflutete mich. Mitten auf der Lichtung standen zwei Menschen. Ihm fahlen Mondlicht konnte ich nichts genaues erkennen, doch als ich mich anstrengte und genauer hinsah, erkannte ich, dass die eine Person sich am Hals der anderen zu schaffen machte. Naja, dachte ich, heutzutage standen die Leute ja auf die verrücktesten Sachen. Und sich die von jemandem die Zähne in den Hals rammen zu lassen schien wohl dazuzugehören. Ich wollte mich schon umdrehen, als ich erstarrte. Moment! Zähne im Hals?! Hallo, Erde an Relena!!! Das. Ist. Unmöglich! Und doch sah ich genau das vor mir. Als der Beißer sich aufrichtete, setzte mein Herz aus. Ich blickte direkt in die Augen von Damien! Blut lief sein Kinn hinunter und er war wie mitten in der Bewegung erstarrt. Sein Blick hielt mich gefangen, ich konnte mich nicht bewegen. Als er seine Hand in meine Richtung streckte, fiel die Starre von mir ab und ich drehte mich rum und rannte los. Ich konnte hören, dass er mir folgte und versuchte schneller zu laufen. Doch er kam näher und ein Blick über die Schulter zeigte mir, dass er nur noch die Hand aus trecken musste, um mich zu fassen. In diesem Moment blieb ich an einer Wurzel hängen und stürzte. Ich nahm noch wahr, wie Damien sich über mich beugte, dann wurde auch schon alles schwarz um mich. Ich spürte die Wärme eines Feuers auf meiner Haut und wachte auf. Plötzlich fiel mir alles wieder ein. Ruckartig riss ich meine Augen auf und schoss mit dem Oberkörper hoch. Sofort erfasste mich Schwindel und ich lies mich langsam zurück sinken. Moment. Feuer? War ich nicht eben noch im Wald gewesen? Wie kam ich hierher? Ich tastete meinen Hals ab, doch da war nichts. „Elena, um Himmels Willen, was hast Du denn so spät noch alleine draußen gemacht? Ich habe Dich auf dem Rückweg von der Garage im Hof gefunden, bewusstlos!“ Erschrocken drehte ich mich um, ich hatte gar nicht bemerkt, dass außer mir noch jemand im Raum war. Ich blickte direkt in Damiens besorgte Augen. Ich musste wieder an die Szene im Wald denken. Forschend besah ich mir sein Gesicht, noch genauer die Augen. Nichts gab Anzeichen auf das Geschehen, dass ich meinte, gesehen zu haben. Ich gab eine ausweichende Antwort, doch die Besorgnis blieb in seinem Blick. Er nickte jedoch und ließ mich dann mit einem gemurmelten Nachtgruß alleine in meinem Zimmer zurück. Er war mir immer noch ein Rätsel, doch an eine Halluzination glaubte ich nicht. Was auch immer du zu verbergen suchst Damien McLachlan, ich werde es herausfinden! Mit diesem Schwur drehte ich mich im Bett auf die Seite und war innerhalb weniger Sekunden wieder eingeschlafen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)