Dreaming Society von Gepo (Fortsetzung von Dead Society) ================================================================================ Kapitel 78: Mitten in der Nacht ------------------------------- Hach... Weihnachten. Ich bin schon ganz im Ferien-Fieber. In den letzten sieben Tagen habe ich drei Vorlesungen verschlafen -///- Wenigstens bei meinen Pflichtkursen bin ich gewesen. Allerdings sind meine Gedanken so gar nicht bei Verdauungsenzymen, Ikterus nach Cholesterinüberflutung der Galle und der Funktionsweise der Niere - sie drehen sich darum, wann ich die Geschenke einpacke, für wen ich noch welche brauche, was ich Donnerstag alles packen muss etc. Ich hoffe, ihr seid weniger stressüberflutet. Liebe Grüße und viel Spaß beim Lesen ^.^ Und entschuldigt bitte die Verspätung, es gab ein wenig Stress mit Mexx. _________________________________________________________________________________ „Nächstes Jahr ist das Thema Naturalismus und Surrealismus.“, klärte Seto ihn auf, „Meinst du, das wäre etwas für dich?“ „Eher als Impressionismus und Expressionismus. Wird immer im Paradox ausgestellt?“ „Bisher ja.“, sie schlenderten neben einander her zum Auto, wieder einmal Hand in Hand, „Seit acht Jahren. Obwohl wir das Thema dieses Jahres schon einmal hatten, wenn ich mich recht entsinne.“ „Ich hatte die Werke zunächst für moderne Kunst gehalten.“, erwiderte Katsuya kritisch, „Und die mag ich gar nicht. Obwohl ich hiermit sagen kann, dass Neoexpressionismus auch nicht meine Welt ist.“ „Obwohl ich dieses Gemälde mit Öl mit der ästhetischen Fabrik und den verzerrten Menschen sehr beeindruckend fand.“, sie betraten den Fahrstuhl, wobei Seto Katsuyas Hand los ließ, ihm dafür nach Eingeben der richtigen Etage jedoch den Arm um die Schultern legte, „Genau so wie das Bild aus der Weihnachtsgeschichte.“ „Das würde ich allerdings nicht in die Kategorie Neoexpressionismus zählen. Die Intention ist dieselbe, aber die Zeichenführung entsprach dem impressionistischen Stil.“ „Tja... und welcher Stil ist es dann?“, Setos rechter Mundwinkel hob sich. „Neo... Übergangsphase?“, Katsuya hob die Augenbrauen und zuckte mit den Schultern, „Ich wette, du bist ein besserer Kunstkenner als ich. Du findest sicher was.“ „Wenn es nach mir ginge, hätte ich es in den Bereich Surrealismus gesteckt. Die Blumen aus Zahnrädern wären für mich ein klares Zeichen einer Realitätsabweichung.“, sie erreichten ihr Stockwerk und bogen nach rechts ab, „Ebenso die Tatsache, dass alle Sterne wie das Symbol von Mercedes aussahen-“ „Schwuchteln!“, plärrte eine Stimme von einem der hinteren Parkplätze, wo eine Gruppe Jugendlicher im Kreis auf dem Boden saß, zwischen ihnen ein Haufen Müll und ein paar Flaschen. „Und interessant fand ich, dass die Hirten Schweine statt Schafe hüteten. Ich glaube nicht, dass...“ „Hey, Weiber! Hier gibt es auch was zu holen, ihr Schwanzlutscher!“ „...es bedeuten sollte, dass die Hirten reich sind.“, fuhr Seto fort ohne sich in irgendeiner Form stören zu lassen, „Eher, dass sie auf Wesen achten müssen, die ihnen die Haare vom Kopf fressen. Schweine essen nämlich dasselbe wie Menschen.“, er tippte sich mit dem Zeigefinger der freien Hand gegen das Kinn, „Natürlich könnte es auch für einen Affront gegen die drei Weisen stehen, die von ihrer Religion her kein Schweinefleisch essen dürfen.“ „Ich glaube, das Letzte wäre überinterpretiert.“, Katsuya warf einen weiteren Blick zu den Jugendlichen rüber, die über sie tuschelten, „Stören die dich gar nicht?“ „Sollten sie das?“, stellte der Brünette als Gegenfrage. „Vielleicht? Sie beleidigen uns.“ „Soll ich etwas dagegen unternehmen?“, Katsuya schluckte ob dem Gesichtsausdruck, der ihm auf Setos Zügen begegnete. Er lächelte. Nicht freundlich, nicht fröhlich, einfach nur... leblos. Genau genommen verzog er seine Mundmuskulatur. Und seine Augen wirkten dunkler. Gefährlicher. Wenn sich die Pupillen plötzlich zu einem langen Streifen verengt hätte, hätte Katsuya das auch nicht gewundert. Wollte er Seto auf eine Bande Halbstarker loslassen? Er nickte. Warum eigentlich nicht? „Guten Abend, meine Herren.“, der Ältere schritt freundlich lächelnd zu den Jugendlichen herüber, während Katsuya aus dem geöffneten Wagen sein Eisenrohr holte – nur zur Sicherheit. Die fünf Jungen lachten. Leise, unsicher. „Entschuldigen sie die Störung, bitte.“, noch immer strahlte die falsche Freundlichkeit von Setos Zügen, „Meine Begleitung kam nicht umhin sich durch ihre Aussagen angegriffen zu fühlen. Können wir ihnen weiterhelfen, um mögliche Missverständnisse aus dem Weg zu räumen?“ Auch Katsuya trat heran, stellte sich schräg hinter seinen Freund, das Eisenrohr in einer Hand und auf seine Schulter gestützt. „Du kannst dich selbst aus dem Weg räumen, du Transe.“, gab einer der Fünf zurück, die überhebliche Stimme mit einem leichten Zittern unterlegt. „Oh, ich verstehe das Problem.“, Seto nickte bedächtig, „Sie verwechseln uns mit Transvestiten, welche anscheinend von ihnen minderbewertet werden. Wenn ich sie aufklären darf...“, er machte eine ausladende Bewegung mit der Hand, „Transvestiten sind Männer, also Menschen männlichen Geschlechts über ungefähr sechzehn Jahren, die in ihrer Freizeit und, oder beruflich weiblich akzentuierte Kleidung tragen. Darunter fallen Kleider jeder Länge, abzugrenzen dabei von Kaftanen und Togen sowie Roben, die nicht unter diese Kategorie fallen. Auch rituelle Messgewänder sowie in einigen Kulturen Leinenkleider zählen nicht dazu. Ein weiteres als weiblich zugeordnetes Kleidungsstück ist der Rock, nicht zu verwechseln dabei mit den traditionellen türkischen Unterhosen oder den schottischen Kilts, die-“ „Willst du uns verarschen, Mann?“, einer der Typen sprang auf und schlug mit der Faust in die flache Hand, erstarrte aber, als er zu Katsuya sah, der lässig eine Augenbraue hob. Anscheinend sah man ihm nicht an, dass er innerlich vor Lachen am Boden lag. „Oh, Entschuldigung, bitte sagen sie doch etwas, wenn ich ihr Auffassungsvermögen überschreite.“, wand Seto sofort ein, den Gesichtsausdruck praktisch eins zu eins von Ryou übernommen. Er wirkte wie ein Lamm mit Zuckerwatte statt Wolle. Katsuyas Mundwinkel zuckte leicht. „Um meine Ausführungen also abzukürzen, um sie auch für sie verständlich zu machen – nein, wir sind keine Transvestiten. Sie dort allerdings...“, Seto deutete auf den Jungen mit den weiblichsten Gesichtszügen, „...tragen stark männlich betonte Kleidung, was sie in conclusio zu einer Transvestitin macht.“ Einen Moment lang herrschte Schweigen. Seto lächelte. Katsuya versuchte die Fassung zu halten. Seto auf diese Halbstarken loszulassen war die beste Idee seit Jahren gewesen. „Ich bin männlich!“, schrie eben Angesprochener doch noch und sprang auch auf. „Oh, wirklich?“, Seto legte grazil eine Hand an die Wange, „Welch Missgeschick. Ich bin untröstlich. Bitte nehmen sie meine von Herzen kommende Entschuldigung an.“, er wandte sich Katsuya zu, „Schatz, was können wir bloß tun, um das wieder gut zu machen? Wir wollen den armen Jungen doch nicht in seinem Stolz kränken. Nicht, dass das noch bleibende Schäden hinterlässt.“ „Wir könnten einen Spendenfond zur Förderung homophober, schlappschwänziger Schwachsinniger eröffnen.“, gab Katsuya zurück und versuchte dabei Setos zuckersüße Stimme nachzuahmen. „Eine wundervolle Idee.“, der Ältere wandte sich wieder den fünf zu, „Wir benachrichtigen sie, wenn wir eine adäquate Grundförderung aufgestellt haben. Ich vermute, es wird einer Menge Lehrkräfte benötigen, um ihr Defizit aufzuarbeiten, aber grämen sie sich nicht, mit der Zeit werden sicherlich ein paar Menschen zusammen kommen, deren hohe soziale Gesinnung sogar Abschaum wie ihnen einen Standard an höflichen Benehmen zuführen kann.“ Schweigen. Was war bei Seto auch anderes zu erwarten. „Ich wünsche ihnen noch einen schönen, guten Tag.“, er nickte ihnen zu, machte auf dem Absatz kehrt und begab sich zum Wagen, Katsuya stets an seiner Seite. „Hach...“, der Fahrer seufzte zufrieden, während sie aus dem Parkhaus fuhren, „Mir war noch nie klar, wie viel mehr Spaß es macht so etwas zu zweit zu tun. Jetzt verstehe ich, warum du Bakura mitgenommen hast.“ Bakura? Wie? Ach so, Ryuji! Ja, stimmt, sie waren zu zweit da. „Das war seine Voraussetzung dafür, dass er mir die Adresse heraus sucht.“, Katsuya seufzte leise – so wie Seto gerade, so hätte er das auch machen können, „Woher wusstest du überhaupt, wo ich bin?“ „Ich habe deine Schwester gefragt.“, er wagte einem schnellen Blick zu dem Sprechenden – Seto lächelte, „Sie war etwas aufgelöst nach eurem Gespräch. Hat geweint, alles Mögliche hervor gestottert, mich dreimal gebeten, dass ich mich für sie bei dir entschuldige... nun ja, ich habe ihr gesagt, dass wir beide sie morgen besuchen und ich bis dahin mit dir gesprochen habe.“ „Morgen?“, Katsuyas Stimme war nicht mehr als ein hohes Quietschen. „Heute, genau genommen.“, der Brünette deutete auf die Uhr, die mittlerweile drei Uhr achtundzwanzig anzeigte, „Ich habe Noah schon angerufen und Yami vorhin Bescheid gesagt. Wir werden morgen im Krankenhaus Kaffee trinken.“, mit einem Mal hoben sich seine Mundwinkel noch weiter, „Noah hat mir eine Sahnetorte versprochen!“ Katsuya zog verzweifelt die Augenbrauen zusammen und nach oben, bevor er nach einem Moment des Schweigens nachfragte: „Du bist doch sauer, oder?“ „Sauer?“, der Fahrer blinzelte, „Nein, ich mag Süßes.“ Na klasse. Klein-Seto. Genau der richtige Moment, um ein süßes Kind vorzuschieben. Um es auszuformulieren: Du hast Scheiße gebaut, also zwinge ich dich sie wieder gut zu machen. Na, vielen Dank auch. „Dir bringt er Orangen-Sahne-Biskuit mit. Die Bäckerei hat den ohne Likör. Ist das richtig, dass du auch in Kuchen keinen Alkohol haben möchtest?“, plapperte Seto einfach weiter. „Mir egal.“, murrte Katsuya nur und ließ sich tiefer in den Sitz sinken, „Wegen einem Kuchenstück fange ich nicht an massenweise Alk in mich rein zu schütten.“ „Ich wahrscheinlich schon.“, der Blonde, der schon fast auf Durchzug geschaltet hatte, horchte auf, „Bei mir würde es die Hemmschwelle senken wieder anzufangen.“ „Ein einfaches Stück Kuchen?“, er zog die Augenbrauen zusammen, diesmal allerdings in Sorge. „Einmal krank, immer krank. Du kriegst eine Alkoholsucht nicht wieder unter Kontrolle, dass du nur noch hier und da mal ein wenig trinkst. Wenn du einmal wieder runter bist, heißt es Abstinenz, komplett und unerschütterlich oder du wirst rückfällig.“ Ups... vielleicht sollte er doch auch abstinent bleiben? Er hatte keine Probleme gehabt mit Drogen und Alkohol aufzuhören, aber wenn das beim nächsten Mal nicht so einfach wäre, sollte er nochmal da rein rutschen... den Stress eines Entzugs wollte er sich eigentlich ersparen. Außerdem war es nicht so, als würde er Alkohol jetzt groß vermissen. Und wenn Seto eh nie welchen zu sich nahm, könnte er eigentlich auch solidarischerweise keinen nehmen, oder? „Und wenn du jetzt doch mal welchen trinkst? Ganz aus Versehen? Falsches Glas gegriffen oder versehentlich was anderes serviert oder so?“ „Das kommt manchmal vor, das ist wahr.“, mittlerweile trug Seto kein Lächeln mehr auf den Lippen, „Sofort aufhören. Nicht aus Höflichkeit doch trinken. Man kann die Vergangenheit nicht ändern, aber man muss es nicht schlimmer machen als es ist.“ „Huh...“, der Blonde legte den Kopf ein wenig schief, „Schränkt ja schon ziemlich ein, nicht?“ „Eine aktive Alkoholsucht schränkt einen noch mehr ein. Ich kann meine Fehler nicht mehr ändern.“, das Kindliche wich vollkommen aus Setos Stimme, „Will ich auch nicht. Ich habe aus ihnen gelernt. Sollte ich was-weiß-ich-weswegen wieder rückfällig werden, wüsste ich, was zu tun ist. Und ich würde es tun. Zumindest ich werde kaum in einen volltrunkenen, aggressiven Schläger mutieren, das kann ich dir versprechen.“ Versprechen. Katsuya konnte einen Moment lang seinen Herzschlag hören. Seto würde niemals, niemals wie sein Vater werden. Obwohl auch er alkoholkrank war und seine aggressiven Aussetzer hatte, niemals würde er so wie Herr Jonouchi werden. Niemals. „Danke...“, flüsterte Katsuya leise und schlank den Mantel um sich, während seine Augenlider einen Moment lang flackerten und er gähnte, „Ha-haaa... ich bin froh, wenn wir zuhause sind. Langsam werde ich ziemlich müde...“ „Du kannst ruhig schlafen, wenn du möchtest.“, bot Seto ihm mit sanfter, leiser Stimme an, „Ich trage dich auch gern ins Bett.“ „Is' nich' gut für deine Schulter...“, murmelte Katsuya, doch schloss trotzdem seine Lider, „Weck' mich...“ Nur ein wenig dösen. Schließlich war er schon ziemlich lange auf den Beinen. Und hatte so einiges erlebt. Zwei Heiratsanträge zum Beispiel. Ein Lächeln legte sich auf seine Lippen. Wer konnte schon von sich behaupten zwei Heiratsanträge am selben Tag bekommen zu haben? Und das vom selben Mann? Nein, das war definitiv ein besonderer Tag. Er hatte einen Neffen und einen Verlobten. Beides am selben Tag bekommen. Wer wusste schon, vielleicht würde er in ein paar Monaten auf heute als den schönsten Tag seines Lebens zurück blicken? Trotz Schwierigkeiten und Turbulenzen, trotz Ryuji und exzessiven Panikattacken, trotz seiner bescheuerten Mutter, die ihn nicht angerufen hatte. Trotz des Streites mit seiner Schwester, den er in weniger als zwölf Stunden klären sollte. Vor Seto, Yami und Noah, mit Kaffee und Kuchen. Komischerweise war der einzige Gedanke, der ihm zu dem Thema kam, ob Seto denn der Krankenhauskaffee schmecken würde. Aber wahrscheinlich ging er einfach im Schwesternzimmer selbst welchen kochen. So viele unwichtige Gedanken. Er wollte schlafen. Nicht durch Sorgen und Unsinn wach gehalten werden. Ein kleiner Drache. Zwei kleine Drachen. Drei kleine Drachen... Vier kleine... Drachen... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)