Sacrament of Wilderness ~ Eine Ihr-entscheidet-Story von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 3: Kapitel 3: Stay -------------------------- Stay „Was zur...“ Tuomas rappelte sich vollständig auf und warf einen Blick in die Runde, der zwischen Verständnislosigkeit, Empörung und Wut hin und her schwankte. Damian fuhr ihr ein letztes Mal über das Fell, bevor er sich ihm zuwandte und etwas schief lächelte. Ein entschuldigender Blick begleitete diese Regung und Tuomas konnte ihn nur anstarren. Wer zur Hölle ist das??? Er war kein Mann, der allzu oft Kraftausdrücke verwendete. Nicht einmal wirklich in Gedanken und schon gar nicht völlig grundlos. Er kannte diesen Mann ja nicht einmal. In seinem ganzen bisherigen Leben hatte er sich nur ein paar Mal gehen lassen (zumeist natürlich gedanklich) und das seitdem er sich im Musikbusiness befand. Ein paar dieser äusserst negativen Gedanken hatten sich dann auch in einigen seiner Liedern niedergeschlagen. Das letzte war Master Passion Greed gewesen.... Nichtsdestotrotz konnte er nicht anders. Seine Haare schienen sich fast von selbst aufzustellen, als sich dieser Mann zu ihm umwandte und ihm ein leicht verkrampftes, entschuldigendes Lächeln schenkte. Er wusste nicht, warum, aber irgendetwas an dieser Person liess ihm fast einen Schauer über den Rücken laufen. Irgendwo in Tuomas Kopf begann eine Sirene zu schrillen, die ihm sagte, dass sein Gegenüber alles andere als harmlos war, auch wenn er nicht zu sagen vermochte, woher dieses Gefühl kam. Der Fremde tat nichts anderes, als bei ihm auf den Flurboden zu sitzen und den Kopf der Hündin zu halten. Nichts an seiner Haltung, seiner Körpersprache, seinem Aussehen rechtfertigte auch nur im Geringsten solcherlei Gefühle oder Gedanken. Und doch... Irgendetwas an ihm alarmierte Tuomas und liess ihn den jungen Mann anstarren. Damian entging keineswegs die Reaktion des Menschen. Er merkte nicht einmal, wie er sich innerlich spannte, als er die Hand hob und sich verlegen am Kopf kratzte. Der Wolf in ihm hatte bereits mehrere Angriffstaktiken durchdacht, bei denen es dem Mann unmöglich sein würde, auch nur einen Schrei auszustossen, doch Damian verwies seine tierische Seite wieder in seine Schranken. Es würde ihm nichts bringen, diesen Menschen zu töten. Viel eher würde das ihre Probleme nur vergrössern. „Entschuldige, dass ich so hereinplatze“, sagte er schliesslich an den dunkelhaarigen Mann gerichtet und gab seiner Stimme einen entschuldigenden Klang. Tuomas fuhr aus seinen Grübeleien den Fremden betreffend hoch. „Aber ich hab sie schon überall gesucht und als ich dich dann mit ihr gesehen hab, konnte ich einfach nicht anders.“ Verwirrung machte sich in Tuomas breit, doch bevor er diese artikulieren konnte, sprach sein Gegenüber bereits weiter. „Du hast ja sicher schon mitbekommen, dass sie auf Fremde nicht unbedingt positiv reagiert...“ Tuomas konnte nicht anders, als ein verkrampftes, abgehacktes Lachen auszustossen. „Na das ist noch untertrieben.“ Damians Lächeln wirkte leicht müde. „Ja... Sie neigt dazu, ziemlich schnell zuzubeissen...“ Waren es seine Augen? Es war eine fast schon beunruhigende Klarheit in ihnen... Und sie wirkten so wach... Obwohl sein ganzer Körper eher Erschöpfung ausdrückte. Damians ganze Haltung und auch seine Stimme suggerierten ihm eine Müdigkeit und eine Entspannung, die seine Augen jedoch nicht zu erreichen schien. Viel eher schienen diese jede noch so kleine Bewegung, jedes kleine Detail wahrzunehmen... Tuomas verlor sich fast in den klaren blauen Augen seines Gegenübers, bevor er sich losreissen und antworten konnte. „Gehört sie dir?“ Eine schon fast überflüssige Frage, so wie sie auf ihn reagiert hatte und er sie im Arm hielt... Er lächelte schief. „Sie gehört niemandem. Wir reisen lediglich zusammen.“ Er zuckte unbekümmert mit den Schultern und mit einem warmen Lächeln fuhr er ihr über den Kopf. Ihr Atem ging regelmässig und er wischte ihr etwas Blut vom Maul. „Ihr reist zusammen...“, wiederholte Tuomas tonlos und als Damian seinen Blick wieder auf Tuomas Gesicht heftete, konnte er die Gedanken hinter seiner Stirn regelrecht umherwirbeln sehen. „Ja, schon etwas länger“, fügte er an und vergrub eine Hand zärtlich in ihrem Nackenfell. „Vielleicht zu lang...“ Verwundert sah Tuomas auf. Hörte er da Wehmut in seiner Stimme? „Vielleicht braucht sie einfach mal etwas Ruhe... eine Art Auszeit...“ Mit gerunzelter Stirn taxierte Tuomas sein Gesicht, versuchte, schlau aus seinen Worten zu werden. Er wurde das unbestimmte Gefühl nicht los, dass hier etwas nicht stimmte. Langsam umrundete er das ungleiche Paar, als etwas anderes konnte er die beiden nicht bezeichnen, und liess sich ihm gegenüber an ihren Pfoten nieder. Vorsichtig streckte er die Hand aus und berührte eine ihrer Vorderpfoten. Sie glühte. Er verharrte in der Bewegung und fragte sich unwillkürlich, ob Hunde eigentlich eine höhere Temperatur als Menschen hatten. Er konnte Damians Blick auf seinem Gesicht spüren und konnte nur knapp den Impuls unterdrücken, wieder in diese unheimlichen blauen Augen zu starren. Vielleicht hatte sie aber auch einfach nur Fieber. Noch in Gedanken versunken waren ihre Finger weitergewandert. Ihr Fell fühlte sich rau an und als er sich seine Fingerspitzen besah, konnte er den Staub und Dreck erkennen, den diese kleine Berührung an ihm zurückgelassen hatte. Er würde sie waschen müssen. Irgendwo in seinem Hinterkopf begann eine Stimme böse zu lachen. Vorausgesetzt er nahm sie nicht mit, flüsterte die leise Stimme und liess in kurz das Herz stocken. Was dachte er hier eigentlich!? Er hatte sie nur gefunden! Sie gehörte ihm nicht! Es war doch klar gewesen, dass ihr Besitzer irgendwann auftauchen würde. Wie war er auf die abwegige Idee gekommen, sie behalten zu können!? Er bemerkte erst jetzt, dass er immernoch auf seine verdreckten Fingerspitzen hinabstarrte. Halb in Gedanken rieb er sie aneinander und hob den Blick. Kurz streifte er Damians Augen und konnte sich nur schwer davon abhalten, den Blickkontakt zu halten. Irgendetwas darin schien seinen Blick festhalten zu wollen und er hatte das absolut erschreckende Gefühl, dass er durch seine Augen in sein Innerstes sehen könnte. Dass er sah, was Tuomas gerade vor sich selbst versteckte. Mit einem flauen Gefühl in der Magengegend erhob sich Tuomas wieder, doch kaum stand er, da wusste er schon gar nicht mehr, was er überhaupt hatte machen wollen. Das Einzige, dessen er sich bewusst war, war der bohrende Blick in seinem Rücken, ebenso wie die Gedanken, die sich um seine vierbeinige Mitbewohnerin und ihrem zweibeinigem Freund drehten. Fahrig fuhr er sich über die feuchte Stirn und über das Haar. Krampfhaft versuchte er, einen klaren Gedanken zu fassen. Wieso warf ihn dieser Typ so aus der Bahn!? Fast schon erschrocken fuhr er herum, als Damians Stimme plötzlich hinter ihm erklang. „Vielleicht sollte wir sie wieder hochbringen...“ Tuomas folgte seinem Blick zur Treppe und glitt an der Blutspur entlang nach oben. Kaum zu glauben, dass sie sich den ganzen Weg bis vor die Tür geschleppt hatte. „Bist du sicher, dass das so ne gute Idee ist!?“, hörte er sich fragen, bevor er es verhindern konnte. Am liebsten hätte er sich sofort auf die Zunge gebissen. „Warum?“, fragte der junge Mann und hörte sich dabei etwas verwirrt an. Tuomas schluckte schwer und brauchte ein paar Sekunden, um zu antworten. „Sie hat sich bis hierher geschleppt und das in ihrem Zustand. Deutlicher geht’s ja wohl kaum noch...“, meinte der Finne, ohne ihn anzusehen und bemerkte somit auch nicht das amüsiert wirkenden Blitzen ins einen Augen. Doch seine Stimme verriet nichts von seiner Belustigung, als er die Arme unter ihren schlaffen Körper schob und sie auf seine Arme lud. „Sie wird das nicht noch mal machen. Ich glaub, ich kann sie überzeugen, noch etwas hierzubleiben.“ Überrascht drehte sich Tuomas zu ihm herum. „Was? Warum?“ Verwirrt beobachtete er Damian bei seinem Tun und wurde nicht ganz schlau daraus. Nur langsam sickerte die unausgesprochene Information zu ihm durch. Dann weiteten sich seine Augen und er starrte ihn an. Die leise Stimme in seinen Gedanken wiederholte süffisant das >noch etwas< und er konnte nicht verhindern, dass sein Herz einen kleinen Hüpfer machte. Gleichzeitig fühlte er ein anderes Gefühl in sich aufsteigen, welches er schnell zurückdrängte. Nicht ganz sicher, ob er erfreut oder beunruhigt sein sollte, vergewisserte er sich mit hochgezogener Augenbraue: „Sie soll hierbleiben?“ „Sicher“, meinte der junge Mann und wirkte nun selbst etwas verwirrt. „In dem Zustand“, er deutete mit einem kurzen Kopfnicken auf den Körper in seinen Armen, „kann sie wohl kaum weiterziehen und ehrlich gesagt...“ Sein Blick huschte auf Tuomas´ Gesicht und wandte sich dann wieder gen Fussboden. Als er nicht weitersprach, lehnte sich Tuomas mit verschränkten Armen gegen die Wand und sah ihn auffordernd an. Er wurde nicht schlau aus diesem Typen. Besagter Typ druckste noch einen Augenblick herum, bevor es schliesslich geradezu aus ihm heraussprudelte. „Ich weiss keinen anderen Ort, wo ich sie hinbringen könnte. Wir sind hier nur auf der Durchreise und viel Geld hab ich auch nicht. Ausserdem sah es so aus, als ob sie dir nicht egal wäre, auch wenn sie sich ab und an so anstellt.“ Tuomas Augenbrauen wanderten in Richtung Haaransatz, er unterbrach ihn aber nicht. „Deshalb hab ich einfach gedacht, das du bestimmt nichts dagegen hast, wenn sie vielleicht noch etwas länger bei dir bleibt...“ Mit den letzen Worten war seine Stimmer immer leiser geworden und verklang schliesslich eher als Frage. Tuomas konnte ihn nur noch völlig perplex anstarren. Er bemerkte gar nicht, dass sein Mund sich ein Stück geöffnet hatte, wusste nicht, ob er empört, verständnisvoll und sonstwie reagieren sollte, als Damian auch schon mit flehendem Unterton fortfuhr. „Ich kümmer mich auch um ihr Futter...“ Geräuschvoll klappte ihm der Mund wieder zu und blinzelte überrumpelt. „Bittee... Bei dir ist sie momentan einfach am besten aufgehoben...“ Seine Stimme konnte man nun als nichts anderes, als bettelnd bezeichnen und der Blick, dem er Tuomas dabei zuwarf, hätte der Urvater aller Dackelblicke sein können. „Na schön...“, hörte er sich selbst sagen. Kaum hatte er das letzte Wort ausgesprochen, als Damian auch schon lauthals losjubelte und den starken Eindruck erweckte, ihm um den Hals fallen zu wollen, hätte er nur die Hände frei gehabt. Tuomas war froh, dass das nicht der Fal war. Damian strahlte ihn an. „Danke! Danke! Oh Himmel, danke!“ Nun konnte Tuomas auch nicht mehr anders, als zu grinsen. „Solange sie nicht mein Haus zerlegt.“ Damian lachte und schüttelte den Kopf. „Bestimmt nicht!“ Innerlich wurde sein Grinsen noch eine Spur breiter und um einiges gerissener, als er Tuomas schliesslich die Treppe hinauf folgte. Der Mensch schien gar nicht bemerkt zu haben, wie die Anspannung aus seinem Körper gewichen war und sein Misstrauen nachgelassen hatte. Es hatte nur einer kleinen Theatereinlage bedurft, seine verkümmerten Instinkte zu täuschen. Wie einfältig Menschen doch sein konnten. Ein vertrauter Duft, gemischt mit dem Geruch nach Rauch, stieg ihr in die Nase. Ihre Gedanken fühlten sich zäh und klebrig an. Sie hatte Probleme aus diesem Sumpf hinter ihrer Stirn irgendetwas Sinnvolles herauszufiltern. Blinzelnd versuchte sie, die Augen zu öffnen, doch helles künstliches Licht stach ihr in die Augen und liess sie diese unwillig knurrend wieder zusammenkneifen. Sie nahm einen erneuten tiefen Atemzug und konnte den Geruch ganz deutlich als den Damians festmachen. Das Knurren wandelte sich augenblicklich zu einem Seufzen und sie entspannte sich. Was tat er hier? Mit geschlossenen Augen runzelte sie die Stirn. Dann filterte sie die anderen Gerüche heraus und schlagartig riss sie die Augen auf. Es stach in ihren Augen, doch es interessierte sie nicht mehr. Er war auch hier. Ihr Blick nagelte den Mann vor ihr regelrecht im Boden fest. Noch bevor Tuomas vor Schreck zur Bewegungslosigkeit erstarren konnte, hatte Damian auch schon den Griff um ihren Hals gefestigt und verhinderte so, dass sie nach seinen Händen schnappen konnte, die sich nur wenige Zentimeter von ihrem Hals entfernt waren. „Ganz ruhig“, sagte Damian, selbst die Ruhe in Person, aber aufgrund ihres Knurrens kaum zu verstehen. „Schschsch...“, machte er gelassen und fuhr ihr mit dem Daumen beruhigend über den Kopf. „Du solltest dich jetzt vielleicht nicht bewegen“, meinte er an Tuomas gewandt. „Das brauchst du mir nicht zu sagen, ihr Blick ist da recht eindeutig...“, wisperte er zurück und wagte nicht einmal zu blinzeln. Bis ihm siedendheiss einfiel, dass Blickkontakt sie höchstwahrscheinlich noch mehr anheizen könnte und er schlug schnell den Blick nieder. Seine Hände zitterten leicht. Aus den Augenwinkeln konnte er sehen, wie Damian ihr eine Wange auf den Kopf legte und leise auf sie einsprach. Zu leise, als dass er ihn verstehen konnte. Die Bewegung seines Mundes liess jedoch erkennen, dass er sich immer wieder selbst unterbrach und sie auch mit dem bereits bekanntem „Schsch“ zu beruhigen versuchte. „Beruhig dich, er ist keine Gefahr“, wisperte er an ihrem Ohr, doch sie reagierte nur mit einem noch schärferem Knurren darauf. Keine Sekunde wandte sie den Blick von dem Menschen ab und sämtliche Gerüche, die von ihm kamen, schien sie doppelt so intensiv wie normal wahrzunehmen. „Du bist hier sicher, vertrau mir!“ Damians Stimmlage war beschwörend geworden, doch sie entspannte sich auch weiterhin nicht. Sie wollte Erklärungen! Sie wollte wissen, was verdammt nochmal hier los war! Und warum, zum Jäger, hatte er sich die Mühe gemacht und diesen Menschen eingelullt?! Sie konnte Damian leise seufzen hören. Immer und immer wieder strich er ihr über das Gesicht, über die Augen, was sie äusserst lästig fand und wofür sie ihm am liebsten die Hand abgebissen hätte. Das einzige, was sie davon abhielt war der Mensch. Sie würde ihm nicht den Gefallen tun und ihn aus den Augen lassen, da konnte Damian noch so sehr versuchen, den Blickkontakt zu stören. Sie würde nicht einmal blinzeln! Und wie sie Damian kannte, wusste er das auch, also musste er dies für den Menschen machen. Was die Frage, die in ihrem Kopf hämmerte, nur noch drängender werden liess. Was, bei den Knochen ihrer Vorfahren, war hier los!? Und endlich begann Damian zu berichten. „Dem Rudel geht es gut, also mach dir darum mal gar keine Gedanken. Aber unsere Situation hier erfordert etwas mehr Einfühlungsvermögen als sonst, also bitte hör auf, diesem Menschen an die Kehle springen zu wollen. So wie es aussieht, ist er derjenige, der dich mehr als einmal vor dem Tod bewahrt hat.“ Er stockte kurz und auch ihr stockte für eine Sekunde der Atem. Was?!?!? „Na ja, wenn man mal davon absieht, dass es dich nicht wirklich getötet hätte, aber zumindest hat er damit das Rudel vor weiteren Problemen bewahrt.“ Er schnaubte kurz und ihr Herzschlag beschleunigte sich unmerklich, als das Gesagte zu ihr duchsickerte. Was war passiert!? „Die Menschen haben den Lärm gehört, den die Jäger veranstaltet haben und sind am nächsten Morgen losgezogen, um zu sehen, was passiert ist.“ Sie keuchte und ihre Augen weiteten sich vor Schreck. Der Mensch verschwamm vor ihren Augen, als ihre Konzentration auf die Nacht des Kampfes gelenkt wurde und das, was die Stadtbewohner wohl alles gefunden haben mochten. „Keine Sorge, wir konnten noch rechtzeitig das Gröbste beseitigen. Die Jäger und ihre Fahrzeuge liegen sicher auf dem Grund des Sees, die Köpfe natürlich etwas abseits der Körper, versteht sich, aber gegen den Rest konnten wir nichts mehr machen. Sie haben die Lichtung so verwüstet und blutgetränkt vorgefunden, wie wir sie zurückgelassen hatten.“ Er verstummte kurz, bevor er weiter fortfuhr, doch obwohl er nichts sagte, wusste sie doch genau, was er nicht aussprach. >Die Lichtung, die sie auf ihren Befehl hin verlassen hatten. Die Lichtung, die sie hatte aufräumen wollen.< Die Angst, die sie bis jetzt niedergedrückt hatte, wurde nun durch Schuld ersetzt. Sie hatte versagt. Mehr noch: Sie hatte das Rudel in Gefahr gebracht! „Sie suchen nun die Gegend weitläufig nach Raubtieren ab. Sie vermuten wohl auch Tollwut oder sowas. Auf jeden Fall ist jeder, der eine Waffe hat, ist in den Wäldern unterwegs und die Menschen hier in der Stadt sind äusserst vorsichtig geworden. Dass sie Angst haben und leicht reizbar sind, brauch ich dir ja nicht zu sagen.“ Wieder fuhr er ihr über die Augen. Diesmal wohl, um sie wieder aus ihren Gedanken zu holen. Sie registrierte wieder den Mann vor sich und zeigte wieder leise knurrend die Zähne. „Also bis eben warst du noch gut...“, hörte sie ihn zu Damian sagen, als er wieder zur Bewegungslosigkeit erstarrte. Seine Hand hatte er an den Körper zurückgezogen. Ihr Blick verdunkelte sich. „Tut mir Leid“, hörte sie Damian abwesend murmeln, bevor er an sie gewandt leise weitersprach. „Wer hätte je gedacht, dass ich das mal sagen würde, aber... Das ist der Grund, warum wir diesen Menschen brauchen. Was meinst du, was passiert, wenn du mit deinen Verletzungen draussen rumläufst!?“ Sie wusste, dass diese Frage nur rhetorisch gemeint war, doch sie zog trotzdem unwillig die Stirn kraus und bleckte einmal kurz ihr imposantes Gebiss, um ihre Abneigung deutlich zu machen. Damian erwartete doch nicht wirklich, dass sie hier blieb!? „Ich sag ja gar nicht, dass du dich mit ihm anfreunden sollst! Tauch einfach unter, bis deine Wunden verheilt sind.“ Er zog sie enger in seine Umarmung und plötzlich bekam sie das ungute Gefühl, das da mehr war. Er war zu erleichtert, sie zu sehen. Zu erleichtert, sie AM LEBEN zu sehen. Ihre immernoch vorhandenen Wunden schienen ihn nicht einmal ansatzweise so sehr zu beunruhigen, wie sie. >Was verschweigst du mir!?< Die erste direkte Frage, die sie an ihn richtete und sie konnte spüren, wie er sich versteifte. Dann wandte er den Kopf und bat den Mann, etwas von unten zu holen. Etwas, dass er wohl eingekauft hatte. Sie hatte nicht einmal etwas dagegen. Wie durch einen Schleier sah sie seinen verwirrten Gesichtsausdruck und wie er zögernd aufstand und ging. Kaum hatte er das Zimmer verlassen, vergrub Damian das Gesicht in ihrem Nackenfell, bevor er leise fortfuhr. So leise, dass selbst sie Probleme hatte, ihn zu verstehen. „Sie haben Sascho erwischt. Er wird es wahrscheinlich nicht schaffen.“ Sie wusste nicht, wie lange sie so dagelegen hatte. Regungslos. Ohne ein Gefühl. Ohne ihre Umgebung wirklich wahrzunehmen. Sascho... Sie sah seine graue Gestalt durch den Schnee jagen, dicht hinter einer Ricke, die er Zuhause am liebsten gefressen hatte. Sah ihn an ihrer Seite durch den Wald rennen, an ihrer Seite kämpfen. Er konnte nicht sterben... Sie hörte nicht einmal mehr Damians Worte. Das Einzige, was sie hörte, war das weiche Geräusch von Saschos Pfoten auf dem moosbedeckten Waldboden. Und ihren eigenen Herzschlag, der mit jedem Schlag lauter zu werden schien. Um mit jedem Schlag ein grösseres Stück aus ihrer Brust zu reissen, bis ihr gesamter Brustkorb nur noch aus einem einzigen, grossen Loch zu bestehen schien. Angefüllt mit nichts als gähnender, unendlich schmerzhafter Leere. „...- du. Deshalb musst du hierbleiben! Ich weiss, dass du das nicht willst und ich an deiner Stelle würde das auch nicht wollen, aber wir können nicht noch dich verlieren.“ Ein klagender Laut stieg ihre Kehle hinauf und das Loch, das einmal ihre Brust gewesen war, schien sich vor Schmerz zusammenzuziehen. Damian strich mit seinem Gesicht über ihren Kopf. „Die anderen versuchen, ihn wieder auf die Beine zu bringen, doch er will nicht essen und trinken tut er auch kaum. Sie haben schon versucht, ihn zu zwingen, etwas zu essen, aber er kann es auch nicht bei sich behalten.“ Sie spürte den Schmerz hinter Damians Worten und war kein bisschen überrascht, die nächsten zu hören. „Seine Wunden heilen nicht. Nichtmal ein bisschen...“ Seine Finger gruben sich in ihr Fell und sie konnte hören, wie ihm fast die Stimme brach. a) Sie ignorierte den Schmerz, den sein Griff ihr verursachte und liess den Kopf erschöpft auf seine Beine sinken. Es zerriss ihn förmlich, Sascho in diesem Zustand zu wissen und sie ebenfalls. Und doch war er hier. Hatte nach ihr gesucht und sie glaubte fast mit Gewissheit sagen zu können, dass mindestens zwei weitere Wächter ihn begleitet hatten. Wäre es nach ihr gegangen, hätten sie an der Seite ihres Bruders bleiben können, er brauchte die Drei jetzt weitaus dringender als sie. Dies war wieder einer dieser Momente, wo sich ihre Stellung als Alpha-Tier als störend und eher behindernd als fördernd sah. Vielleicht war es auch wieder so ein Überbleibsel aus ihrer Zeit als Mensch, dass sie in solchen Momenten auf die Rangordnung pfeifen liess. Sie sollten bei ihm sein und nicht hier. Aber sie war nunmal das Alpha-Weibchen. Und sie zu verlieren, würde das Rudel noch mehr treffen und eine weitaus grössere Lücke zurücklassen. In der Hinsicht liessen die anderen nicht mit sich reden. Sie ging vor. Ergeben schloss sie die Augen und schob den Kopf unter Damians Arm. Sie würde ihm vertrauen. Im Gegensatz zu ihr, wusste er über alles Geschehene Bescheid und konnte sich draussen frei bewegen. Sie würde ihm wohl noch etwas in seiner Rolle als ihr Stellvertreter belassen müssen. b) In ihrem Kopf begannen trotz allem die Sirenen wieder zu läuten. Deshalb also war er nicht überrascht gewesen, all die Wunden an ihr zu sehen. Ein Grollen stieg in ihrer Kehle auf, vermochte es aber nicht vollständig, sie aus ihrem Dämmerzustand zu reissen. Sascho lag im Sterben... Und sie lag hier. Bei einem Menschen. Und konnte rein gar nichts tun. Das Grollen brach in ihrer Kehle. Sie schluckte hart und versuchte auf die Beine zu kommen. Wahrscheinlich würde Damian ihr jetzt den Kopf abreissen, aber verdammt nochmal, sie war verantwortlich für ihre Brüder und Schwestern. Sascho lag im Sterben! Sie konnte unmöglich hierbleiben und so tun, als ob nichts wäre. *-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*-*- Verdammt... Ich sollte aufhören, mir selbst mit diesen Wahlmöglichkeiten, Steine in den Weg zu werfen... Wenn ich das so lesen, könnt ich mich auch nicht so leicht entscheiden, auch wenn ich weiss, mit welcher Option ich weiterschreiben wollen würde... Verdammt... Wahrscheinlich nehmt ihr wieder die Andere... <_< *Seufz* Warum is mir nur nix besseres und logischeres eingefallen?! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)