Unknown...Despair...and totally Lost? von Cookie-Hunter ================================================================================ Kapitel 3: ...and totally Lost? ------------------------------- *The Final anstimmt* +~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~ Kapitel 3: …and totally Lost? „Ich verstehe das nicht“, seufzte Toshiya, „Warum lässt Kyo denn niemanden in seine Nähe? Was haben wir ihm getan?“ „Das Leben gerettet.“ „Das ist doch Blödsinn, Die“, meckerte Kaoru. „Wie kommst du überhaupt auf die Idee?“, hakte Toshi nach. „Überlegt doch“, begann der inzwischen wieder Dunkelhaarige, „Nach allem was wir gesehen haben? Seine Wohnung war ja nun wirklich nicht das, worin sich ein Lebender wohl gefühlt hätte, oder?“ „Es soll solche Leute geben, hab ich gelesen.“ Dai sah Shinya an. „Was? Kann ich doch nichts für.“ „Schon gut“, der Gitarrist schüttelte den Kopf, „Weiter im Text. Denkt doch auch mal an das Ritzen. Welche Ausmaße das angenommen hatte. Und sein jetziges Verhalten? Ihr habt gesagt, dass er nicht angefasst werden wollte, nachdem er aufgewacht war. Er zieht sich zurück. Zurück aus dem Leben.“ Kaoru seufzte und ließ seine Finger durch sein Haar gleiten. „Ihr habt doch auch erzählt, dass sie ihn festgeschnallt haben um die Routineuntersuchungen durchführen zu können. Von der einen Pflegerin hab ich gehört, dass sie das jedes Mal machen müssen. Außerdem müssen sie ihn schon regelrecht zum Essen zwingen, da er freiwillig nicht ein Bissen zu sich nimmt.“ Die Stimme des Leaders bebte. „Ohne den Tropf würde er gar keine Nährstoffe mehr bekommen, denn das was er isst kotzt er kurze Zeit später wieder aus. Er soll auch nicht ein Wort mehr gesagt haben.“ Seine Stimme versagte ihm jetzt ebenfalls den Dienst. Er konnte nicht mehr den starken, unerschütterlichen Bandleader mimen. Es war einfach zu viel. Die, der rechts von Kaoru saß, nahm den Gleichaltrigen fürsorglich in den Arm. „Schon gut. Weine ruhig.“ Und das tat er. Ließ die Tränen ungehemmt laufen, vergrub sein Gesicht tief in dem Pullover des Anderen. „Glaubt ihr, dass die Schnitte noch einen anderen Grund haben?“, fragt Shinya in die unangenehme, von Kaorus Schluchzern durchbrochene, Stille hinein. „Er hat immerhin Narben am ganzen Körper. Wenn er sich hätte umbringen wollen, dann hätte doch ein präziser Schnitt gereicht.“ Auch wenn es irgendwo unpassend war, aber Shin hatte recht. Um seinem Leben wirklich ein Ende zu setzen, hatte Kyo genug Möglichkeiten und Zeit. „Ich habe das Gefühl, dass er das eigentlich gar nicht will. Das Sterben. Er hängt noch an seinem Leben. Auf eine ganz verquere Art und Weise. Sein Blick damals…Der war nicht einfach nur panisch, sondern auch ängstlich und vor allem Hilfe suchend. Er braucht uns. Da bin ich mir trotz allem sicher.“ Aus Toshiyas enthusiastischem Gesicht, mit den riesigen Ringen unter den verheulten Augen, konnte man seine Überzeugung ablesen. Doch dann änderte sich ganz plötzlich seine Mimik. Seinen Blick fest auf einen Punkt in der Luft gerichtet. „Seine Seele ist kaputt. Das sah man ihm an. Ich möchte ihm helfen. Er soll wieder unser gutes, knuddeliges Warumono-chan sein.“ „Lass ihn das ja nicht hören“, smilte Die matt. Kaoru in seinen Armen stieß ein kurzes erheitertes Lachen aus. „Warum nicht? Dann ist er aber mit Sicherheit wieder der Alte“, witzelte er schniefend. Ganz leicht lockerte sich die Stimmung ein wenig auf, denn in den letzten Minuten war ihnen Kaorus große Wohnung erdrückend eng und winzig vorgekommen. Seit 2 Wochen war Kyo jetzt schon wach und seit 2 Wochen hielt er alle auf Abstand. Niemand wusste wieso, niemand konnte etwas dagegen tun. Durch eine schriftliche Erklärung von Kyos Familie, die sie kurz nach dessen Einlieferung eingeholt hatten, erhielten sie alle medizinische, Kyo betreffenden, Details. Die Familie selbst kam nicht. So hatte Dir en grey zumindest erfahren, dass Kyo mit Drogen in Kontakt gekommen war. Ein körperlicher Übergriff war ausgeschlossen worden, was die vier Männer natürlich ungemein erleichterte. Denn, obwohl es von keinem ausgesprochen worden war, hatte jeder aufgrund des Verhaltens Kyos gedacht ihm wäre etwas derartiges zugestoßen. Außerdem erzählten die Mediziner von Dehydrierung und Unterernährung. Traurig, dass es so weit gekommen war. Dass ein Mensch sich zu so etwas brachte. Dennoch blieb weiterhin die unbeantwortete Frage nach dem Grund und genau dieses ‚Warum?’ machte ihnen allen Angst und bereitete jedem einzelnen Unbehagen. Sie wollten es wissen. Sie wollten es mehr als alles andere. Nur so konnten sie ihrem gemeinsamen Freund helfen. Doch der war ja leider der Einzige, der wusste, was los war. Eine Zwickmühle sondergleichen. „Wir sollten mit zu starker Nähe warten bis er sich beruhigt hat. Auch wenn es einiges an Zeit in Anspruch nehmen wird. Aber er sollte diese Zeit bekommen“, bestimmte Die und sah nach Zustimmung suchend in die Runde. Die anderen nickten, wussten es würde das Richtige sein. Es ging um das Wohl Kyos und er sollte einfach nur wieder der Alte sein. „Wir können ihm ja eine kleine Freude bereiten. Ihn besuchen. Vielleicht freut ihn das doch. Man könnte ihm ja auch was mitbringen“, schlug Toshiya vor. „Und was?“, wollte Dai neugierig wissen. „Seinen Block. Damit er alles aufschreiben kann, was ihn beschäftigt. Oder damit er sich mit uns unterhalten kann. Dann muss er halt alles aufschreiben. Hoffentlich wird ihm das dann irgendwann zu lästig und er macht doch den Mund auf.“ „Keine schlechte Idee“, meinte Kaoru, der sich einigermaßen beruhigt hatte, und schniefte. „Ich hab noch ein paar Erdbeeren eingefroren. Hatte ich für Notfälle gemacht. Nun, der ist eingetreten, wie mir scheint. Mach ich ihm einen Kuchen draus.“ „Das wäre großartig, Shin“, sagte Die begeistert. „So kriegen wir ihn mit Sicherheit auch zum Essen. Irgendwie muss man ja anfangen.“ Was wollen die immer von mir? Sie sollen mich in Ruhe lassen. Mich allein lassen, aber sie verstehen nicht. Immer wieder versuchen sie mit mir zu reden. Sie fassen mich an, besudeln sich freiwillig. Wenn ich sie von mir weg stoße kommen sie mir nur noch näher, binden mich schlussendlich an das Bett. Die Ärzte und die ganzen anderen, die hier immer rumwuseln, versuchen zwanghaft mich am Leben zu erhalten. Mich Monster. In der Zeit, in der ich mal nicht festgeschnallt bin, fahre ich mit meinen Nägeln über meine Arme, meinen Hals und die Brust. Tue alles damit es blutet. Ich brauche das. Außerdem sind die Beruhigungsmittel, die sie mir bei meinen Ausbrüchen verpassen, doch auch nichts anderes als Drogen, die ich nicht in meinem Körper haben will. Wann verstehen die das endlich? Wann? Es ist gerade Nacht, denn es ist stockdunkel hier drinnen. Ausnahmsweise bin ich nicht an das dämliche Bett gebunden. Habe mich auch den ganzen Tag zurückgehalten und ihnen keinen Grund gegeben dies zu tun. Ich weiß nämlich, dass sie nachts nachlässiger sind. Auf dem Rücken liegend verweile ich hier auf dem Bett. Es kostet mich Kraft, doch meine rechte Hand fährt über den linken Unterarm. Die Finger bohren sich tief ins Fleisch, denn diese Idioten haben meine Nägel unnatürlich kurz geschnitten. Doch das macht nichts. Wenn man nur will dann klappt das alles. Meine Freunde besuchen mich nicht einmal. Nicht, dass ich dem nachtrauern würde, aber normalerweise müssten sie rund um die Uhr hier sein. So wie Shinya es gesagt hat. Sie waren hier, als ich im Koma lag. Warum also jetzt nicht? So sind sie doch. So kenne ich sie. Ach, Scheiße verdammt! Ich will sie hier haben. Sie sollen bei mir sein und mir auf die Nerven gehen. Vielleicht haben sie aber auch Angst. Shinya und Toshiya waren ja hier, als ich aufgewacht bin. Mit Sicherheit habe ich sie verschreckt. Und das keiner von ihnen hier ist kann nur eines bedeuten: Sie haben mich aufgegeben. Ich drücke meine Fingerkuppen noch fester in das zernarbte Fleisch meines Armes und endlich fängt es an zu schmerzen und zu bluten. Sie haben mich aufgegeben. Mich im Stich gelassen. Wie konnten sie nur? Wie? Der Schmerz in meiner Seele nimmt zu. Wieder einmal rinnen mir Tränen übers Gesicht und ich drehe mich zur Seite, um mich gleich darauf zu einer Kugel zusammen zu rollen. Das Gefühl der Einsamkeit ist so stark, wie nie zuvor. Als ich mich in meine Wohnung zurückgezogen habe waren sie immerhin noch besorgt und kamen zu mir, aber jetzt ist da nichts mehr. Kommt zurück, kommt bitte, bitte wieder zurück. Onegai. „AAAHH!“ Meine Verzweiflung braucht Platz und den nimmt sie sich. Durch meine Stimme. Meine Finger greifen nahezu automatisch in meine Haare, zerren daran. Aber den Schmerz nehme ich gar nicht richtig wahr. Der meiner Seele ist einfach größer. Noch immer ist meine Stimme ein Werkzeug meiner inneren Verzweiflung. Nicht einmal die unablässig fließenden Tränen schaffen es die Schreie zu ersticken. „Kommt zurück!“ Jetzt ist es raus. Ich habe es gesagt. Es ist mein derzeitig größter, stärkster und auch mein einziger Wunsch. Erfüllt ihn mir. Meine Gefühlswelt beruhigt sich wieder und könnte auch ganz zur Ruhe kommen, wenn nicht plötzlich die Tür aufgerissen werden würde. Herein stürmen diese grausamen, unverstehenden Menschen. Bleibt weg! Ihr wart nicht gemeint! Unnütz, denn wer kann schon Gedanken lesen. Sie fesseln mich ans Bett. Das kann nur eines bedeuten: Sie wollen mir wieder Drogen verabreichen. Mein Blick wird panisch, mein Körper zittert, als sich die Nadel in mein Blickfeld schiebt. Mein, mittlerweile altbekannter, Freund Angst ist wieder da, flüstert mir ins Ohr, dass der Teufelskreis wieder von vorne beginnt und mich das Zeug für den Rest meines Lebens begleiten wird. Meine Muskeln verkrampfen sich, je näher die Spritze der Tropfnadel in meiner Hand kommt. Mein Körper ist bereit zur Flucht. Zwecklos. Die dicken Lederbänder sind stabil und erfüllen ihren Zweck, ich hätte es wissen müssen. „NEIN!“ Doch es ist zu spät. Das Metall hat das Gummi durchbohrt, ehe ich schrie und der Mediziner das Mittel injiziert, bevor er reagieren konnte. So sollte es nicht laufen. So sollte der Abend nicht enden. Es ist ein starkes Zeugs. „Bitte…bitte nicht.“ Pfeif auf die Sünde meiner blutigen Hände. Sie sollen es endlich verstehen. Sie sind Mediziner. Sie müssten einen höheren IQ haben als jeder andere, aber bei mir scheinen sie immer auf dem Schlauch zu stehen. Mit noch immer nassen Augen schaue ich auf die Tropfnadel in meiner Hand. Dort ist es herein gekommen. Das Teufelszeugs. Mein Blick macht anklagend die Runde. Ihr dummen, dummen Menschen. Warum versteht ihr mich denn nicht? Wollt ihr mich nicht verstehen? Das Beruhigungsmittel fängt an zu wirken, denn meine Augenlider werden schwerer und mein Bewusstsein driftet ab. Ich fühle noch wie mein Arm behandelt und verbunden wird, doch dann ist es wieder einmal vorbei. Sie haben gewonnen. Ausnahmsweise träume ich sogar mal wieder, auch wenn es traurig ist. Um mich herum ist alles schwarz und ich laufe und laufe und laufe. Unermüdlich, immer weiter. Von meinem Körper geht sanftes Strahlen aus, welches aber angesichts dieser alles verschluckenden Schwärze viel zu schwach und zu unscheinbar ist. Erst jetzt bemerke ich , dass ich wieder ein kleines Kind bin. Mein Gesicht zu einer verängstigten und gepeinigten Fratze verzerrt, über das unerlässlich das salzige Wasser meiner Augen rinnt. Plötzlich greifen dürre, klapprige und mit Blut benetzte Hände nach mir. Ohne Vorwarnung stoßen sie aus der Dunkelheit hervor und auf mich zu. Sie wollen mich ergreifen. Mich zerfetzen. Ich kann ihnen kaum ausweichen und mehr als einmal drohe ich hinzufallen. „Mörder!“ Da steht sie plötzlich vor mir. Halb verwest und mit zerfressenen Klamotten. Ayaka. Das war ihr Name. Ayaka, die Frau, die ich tötete. Ihre Madenzerfressene und -übersäte Hand bewegt sich auf mich zu. Und nicht nur ihre. Ich bin stehen geblieben, erschreckt von ihrem Anblick. Mein Körper ist gelähmt vor Angst. Ein leichtes Angriffziel für die Hände. Meine Haut wird aufgekratzt, meine Kleidung zerrissen. Ich fühl mich fast wie in einem unserer Videos. Der Anblick, der von mir getöteten Frau, fesselt mich zu sehr. Fass mich nicht an! Geh weg! Lass mich in Ruhe! Du hast mir nicht minder schreckliche Dinge angetan! Komm nicht näher! Hilfe! Ich habe schon die Arme schützend vor mein Gesicht gehoben, erwarte das Schlimmste. Erwarte den Schmerz. Erschrocken reiße ich meine Augen auf, denn mit einem mal ist da ein helles Licht. Es verdrängt die garstigen Hände und hüllt mich ein. Unter mir ist eine leuchtende Scheibe. Das Licht fühlt sich warm an und schenkt mir Geborgenheit, die ich lange vermisst habe. Es wird nochmals heller. 4 vertraute Hände strecken sich mir entgegen. Zumindest seid ihr hier noch für mich da. Das Licht konzentriert sich auf den Rand der Scheibe und gibt mir den Blick auf euch frei. Ihr lacht mich an. Alles scheint vergessen. Glücklich lasse ich mich in das vermisste Licht fallen. Ihr schließt mich in die Arme, streicht mir über den Rücken, wuschelt durch mein Haar. Ich bin immer noch das kleine, schutzbedürftige Kind. Zumindest Zweiteres ändert sich, denn ihre warmen und starken Arme geben mir Halt. Das unermüdliche Lächeln auf ihren Lippen ist so sanft, genau wie der Ausdruck in ihren Augen. Ich fühle mich wohl. So unendlich wohl. Darf ich hier bleiben? „Wollen wir nicht endlich reingehen?“ „Schon Die, aber ich trau mich nicht ohne die anderen beiden“, sagte Toshiya und benutzte seinen Dackelblick. Daisuke ignorierte diesen jedoch und starrte nur die Tür zu Kyos Zimmer an. „Wir sollten ihn nicht so damit überrumpeln, dass wir alle auf einmal bei ihm auftauchen. Hoffentlich bringt Shinya den Kuchen nachher mit.“ „Tut er schon, da bin ich mir sicher.“ „Gut, dann mal rein in die gute Stube. Kyo wird ja schon nicht beißen“, fügte Dai hinzu, als Toshiya sich nicht vom Fleck bewegen wollte. „Aber…Aber…“ „Nix da.“ Die legte seine Hand um Toshis Oberarm, öffnete die Tür und zog den anderen hinter sich her. Drinnen war es dunkel. Jemand hatte trotz des angenehmen Wetters draußen die Vorhänge zugezogen, die einiges an Sonnenlicht verschluckten. Ein Blick zu dem Krankenbett ließ die beiden Musiker stocken. Es war leer. „Kyo? Wir sind’s.“ Keine Antwort, nur das Rascheln von Stoff. „Kyo-chan, zeig dich.“ Ein tiefes Ein- und Ausatmen. Kein Knurren, aber erste Anzeichen von Normalität. „Wo steckst du?“ Toshiyas Angst war wie weggeblasen. Das letztens war nur ein Ausrutscher gewesen und würde sich garantiert nicht wiederholen. „Da bist du.“ Die hatte den Schrank geöffnet und ein zusammengekauertes Häufchen Elend gefunden. „Komm schon raus da.“ Die warf dem Jüngeren ein ehrliches Lächeln zu und hielt ihm die Hand hin. Der Blonde sah dem Gitarristen direkt in die Augen und ein Funken Hoffnung erschien darin. Sein Schutzwall wurde sichtlich schwächer. Eine Hand löste die Umklammerung der Beine und hob sich Daisukes entgegen. Doch auf halbem Wege zuckte sie wieder zurück und Kyo wandte seinen Blick der Schrankwand zu. Kurz biss Dai sich auf die Unterlippe. Es wäre zu schön gewesen. Dann runzelte er die Stirn. „Kyo, hast du…“ Er wollte nach dem Handgelenk greifen, aber der Sänger nahm seinen Arm reflexartig aus der Schusslinie. Mit geschockten und zugleich unsagbar traurigen Augen sah er zu Die. Sich unbewusst, dass er genau das getan hatte, was der Dunkelhaarige vorhatte: Den Handrücken so halten, dass man ihn besser sehen konnte. Ein Rinnsal aus Blut hatte sich auf die Finger zu bewegt, war inzwischen getrocknet. „Warum hast du denn den Tropf rausgerissen? Du brauchst den doch noch. Außer du fängst bald an wieder zu essen.“ Daisuke wusste nicht warum, aber als Kyo ihm in die Augen geschaut hatte, da hatte er das Gefühl ein Kind anzuschauen. Der Sänger wandte abermals sein Gesicht ab, biss sich auf seiner Unterlippe herum. Sie haben mich doch noch nicht vergessen. Zumindest nicht alle. Aber anfassen lassen möchte ich mich von ihnen nicht. Das mit dem Reden scheinen sie jedoch verstanden zu haben. Ich brauch sie eigentlich nur in meiner Nähe. Wenn da nicht dieser Zweispalt wäre. Die Nähe macht mich glücklich, andererseits hab ich da gar kein Recht mehr zu. Dies Blick, seine Gestik und das, was er sagt… Er meint es gut mit mir. Ich fühle mich schon fast wie in meinem Traum. Toshiya gesellte sich zu Die und sah den Blonden an. Kyos Lächeln, welches im Augenblick schwach auf seinen Lippen lag, hatte all seine Ängste und Zweifel weggeblasen. Er traute sich sogar etwas zu sagen. „Hallo, Kyo“, begann er zaghaft, „Möchtest du nicht da raus kommen? Du kriegst auch was dafür.“ Er passte sich Dies Art zu reden an, denn er hatte das Gefühl, dass sie so etwas erreichten. Und wirklich, es klappte. Der Sänger sah sie neugierig, wenn auch leicht misstrauisch an. Anscheinend erinnerte er sich allzu gut an all den Blödsinn, den der Bassist schon veranstaltet hatte. „Ich leg es dir aufs Bett, hai?“ Der groß gewachsene Japaner ging auf die Liegestätte zu, legte Kyos mitgebrachtes Schreibzeug darauf. „Na komm schon Kurzer“, meinte Die dann lachend und als Kyo dann seine Unterlippe vorschob wurde sein Dauergrinsen wieder aktiv. Toshiya beobachtete die Szenerie schmunzelnd. „Kawaii.“ Er riss die Augen auf. Hatte er das gerade laut gesagt? „Findest du?“, fragte Dai lachend. Kyo hingegen klappte den Mund immer wieder auf und zu. Wie ein kleiner Fisch sah er aus. Hat der es gerade gewagt in meiner Gegenwart und im Zusammenhang mit mir das ätzende k- Wort zu verwenden? Am Liebsten würde ich ihm ja was entgegenschleudern und sei es verbal. Da ist es mir auch egal, ob sie mir was mitgebracht haben oder nicht. Aber ich darf mich nicht hinreißen lassen. Denn das würde Normalität bedeuten. Und das geht doch nicht. Ich hab mir meine Tat noch nicht verziehen. Die Angehörigen meines Opfers erst recht nicht. Also bleibt mir nur eine Möglichkeit: Es ignorieren. „Er hat es nicht so gemeint, Kyo“, versuchte Dai ihn zu beschwichtigen. Sie kamen doch gerade so schön voran. Aber der Sänger hatte wohl beschlossen diese Fortschritte wieder in den Wind zu schießen, in dem er der Schrankwand wieder einmal mehr Beachtung schenkte als ihnen. Dann blieb nur noch die Trumpfkarte. „Shinya und Kaoru kommen auch noch und Shin wollte einen Erdbeerkuchen mitbringen. Ist das keine gute Nachricht?“ Das musste jetzt aber klappen. „Aber so lange du im Schrank hockst gibt es keinen Kuchen.“ Erpressung! Sie nutzen meine Schwächen aus. So eine Frechheit! Das wagen auch nur Freunde. Wahre Freunde. Lange halte ich das nicht mehr aus. Dieser Zwiespalt in mir wird mich zerfressen, mich zerstören. Eine grausame Art zu sterben. Doch was ist mein Leben denn noch wert? In meinen Augen gar nichts, aber die da draußen denken etwas anderes. Und das Schlimmste ist: Egal was sie tun, egal was sie sagen, es wird diesen Konflikt nur noch weiter verstärken. Eine Teufelsspirale die unweigerlich in ein schwarzes Loch führen wird. Und es gibt kein Entkommen. „Kyo nicht! Hör auf!“, schrie Die, als er mit ansehen musste wie Kyo seine Arme wieder aufriss. Er griff schon nach Kyo, um ihn aufzuhalten. Das schreckhafte Zusammenzucken des Anderen jedoch ließ ihn inne halten. „Mist!“ Der Gitarrist ohrfeigte sich innerlich selbst dafür vergessen zu haben, dass Kyo dies ja nicht wollte. Toshiya, der immer noch neben dem Bett stand, wusste, dass sie nichts machen konnten, außer hilflos zuzusehen. Er biss sich auf die Unterlippe, dachte über einen Ausweg nach. Dann herrschte plötzlich absolute Stille auf seinem Gesicht. Er hatte eine Idee. Eilig und ungeschickt zog er den Bezug vom Kopfkissen. Die beobachtete ihn, nachdem er die Hektik hinter sich bemerkt hatte, und zog eine Augenbraue in die Höhe. Mitsamt Bezug kam Toshiya auf seine beiden Freunde zu und hockte sich neben den Dunkelbraunen. „Was hast du vor?“ Der Bassist steckte seine Arme in den Stoffbezug. „Vielleicht hat er ja Angst vor direkten Berührungen. Und da hab ich mir gedacht…“ „Ich versteh schon. Wir können es ja probieren.“ Ihr seid doch dumm. Ich höre jedes Wort von ihrem kindischen Vorhaben. So etwas idiotisches kann auch nur Toshiya verzapfen. Lösch diesen fixen Gedanken wieder! Außerdem siehst du absolut bescheuert aus mit dem Kopfkissenbezug auf deinen Armen. Ich sollte mich da nicht drauf einlassen. Denn es würde einen Schritt in die falsche Richtung bedeuten. Aber sind das nicht alle Schritte, die ich machen würde? Toshiya! Komm mir nicht näher! Toshiya bewegte seine Hände auf den Älteren zu. „Komm doch endlich da raus. Ist doch unbequem in dem engen Ding.“ Je näher er kam umso mehr zitterte der Andere jedoch. „Hör auf Toshiya. Es hat keinen Sinn. Für ihn ist und bleibt es eine Berührung.“ Man sah dem Bassisten die Enttäuschung deutlich an. Die seufzte und stand wieder auf. Das lange Hocken hatte seine Beine ganz taub gemacht. Er ging aufs Bett zu, nachdem er das Licht angemacht hatte, setzte sich darauf und schnappte sich das mitgebrachte Schreibzeug. „Komm, Toshi. Wir spielen noch was, bevor die anderen Beiden auftauchen.“ Sich den Stoff von den Armen streifend bewegte sich der Schwarzhaarige auf Daisuke zu. „Was denn?“ Der Gitarrist zuckte mit den Achseln. „Such’s dir aus. Galgenmännchen wär doch mal wieder ganz lustig. Können das ja auf Englisch versuchen. Mal gucken, was du noch so kannst“, neckte er den jüngeren. „Bist du fies“, nölte dieser, ließ sich aber dennoch neben dem Dunkelhaarigen nieder. „Ich fang an!“, erklärte Dai auch sogleich, zog die Knie an und begann Striche auf das Papier zu zeichnen. „Jetzt tu nicht so als ob du die Wörter auch schreiben könntest.“ „Klar kann ich das. Ich frage mich nur, ob du intelligent genug bist das zu lösen“, grinste der Ältere. Toshiya grinste zurück. „Wenn ich es bei deiner Sauklaue überhaupt schaffe die Buchstaben zu entziffern.“ „Hey!“ „Ich werde dich haushoch schlagen. Dann darfst du mich Genie nennen.“ „So weit kommt’s noch.“ Lachend saßen sie dort auf dem Krankenbett und versuchten den anderen in die berühmte Pfanne zu hauen. Kyo hockte noch immer im Schrank, verfolgte angespannt das Treiben. Zumindest erschien es Daisuke so, der hin und wieder zu diesem hin schielte. Das ist mein Schreibblock auf dem die sich ‚verewigen’. Wie können sie nur? Die wollen mich doch nur auf die Palme bringen. Eine Reaktion von mir erzwingen. „Komm schon, Die. Das Wort solltest du kennen.“ Es gibt viele Englische Wörter, die er kennt. „Sei still, Kurzer, ich muss mich konzentrieren.“ Kurzer? Toshiya ist alles andere, aber nicht kurz. „Pah, du simulierst doch nur zu denken.“ Das Gefühl hab ich manchmal auch. Aber nicht nur bei Die… „Hältst du endlich mal die Klappe?“ Hat er da schon jemals drauf gehört? „Wer von uns kann hier kein Englisch?“, zieht Tosh unseren Gitarristen weiter auf. Ich wusste doch, dass der nicht still sein kann. „Schnauze!“ Bringt auch nix. „Kyo hat das schon mal gesungen. Der wüsste das mit Sicherheit.“ Ich wüsste es? Was könnte es sein? Es gibt so viele Englische Begriffe, die ich verwendet habe. „Nimm doch einfach noch ein paar Buchstaben.“ Welche hatte er eigentlich schon? Ich sehe wie Die unseren Spaßvogel böse anfunkelt. „Noch mehr Buchstaben? Noch einmal daneben und ich hänge!“ Dann hat das aber seltene Buchstaben. „Eben drum.“ Die Antwort musste kommen. „Hättest du wohl gerne?“ Darauf kann doch nur eins folgen… „Ja.“ Dafür muss man absolut kein Hellseher sein. Toshiya sitzt mit dem Rücken zu mir, dennoch kann ich mir das tierisch breite Grinsen auf seinem Gesicht sehr gut vorstellen, welches sich locker um seinen gesamten Kopf ziehen könnte. „Ich brauch noch mindestens einen Buchstaben. Dann hab ich´s.“ Wenn das so weitergeht hat Die bald keine Haare mehr auf dem Kopf. „Warum können diese Engländer nicht genau wie wir sprechen?“ „Weil das dann kein Englisch wäre.“ Genau. Wo läge denn dann der Reiz eine Fremdsprache zu erlernen? „Und jetzt komm. Rate deine Buchstaben. So viel ist doch mit Sicherheit nicht mehr in der Auswahl.“ „Aber ich weiß ja nicht mehr welche ich schon hatte. Wir hätten die daneben schreiben sollen.“ Gleich schmollt er. Hat Toshiya so ein schweres Wort ausgesucht? Denn allmählich bezweifle ich, dass die nur so tun. Warum mussten die mich auch so verdammt neugierig machen? Kuso! Ich will nicht hier raus! Es wäre besser hier drin zu bleiben. Meine Hände denken jedoch nicht so wie ich und berühren schon diesen hässlichen PVC-Boden. Hör auf, Körper. Alles zurück. Zurück in den Schrank! Zu spät… Ich stehe neben dem Bett. Die beiden sehen mich mit großen Augen an. Sind verwundert, dass ich hier stehe. Genau wie ich. Plötzlich wechselt Dais Blick und er sieht mich an wie ein Hund. „Hilfst du mir, Kyo? Ich schaff das nicht alleine.“ Wo hat er diese Art zu gucken her? „Hey! Keine Hilfe von außerhalb. DU sollst raten. Nicht er.“ „Als ob du nicht fragen würdest.“ Wo er recht hat…Aber kindisch wie immer, die Zwei. Ich nehme meinen Block an mich. Ziemlich viele Galgen drauf. Ganz unten das Wort, das ist es was Dai sucht. 9 Striche. 9 Buchstaben. Zweimal ein ‚o’, eines davon gleich auf dem zweiten Strich, dann - was ist das für ein Ding? ‚k’? –zwei Striche nach dem ersten und zwei Striche vor dem zweiten ‚o’ ein ‚k’. Gleich rechts daneben ein ‚r’ und dem ‚o’ folgt ein ‚a’. Das Wort soll ich kennen? Toshiya, du spinnst. „Wie viele Buchstaben braucht man denn noch?“ Gute Frage, Die. „So viele wie Striche da sind?“ „Toshi~!“, droht Die. Dass dieser Bassist nicht ernst bleiben kann. Gib eine vernünftige Antwort. „Na gut. 2, du musst nur noch 2 Buchstaben erraten.“ „Lustig. Mir fehlt nur noch 1 Falscher zum Tod.“ „Dann streng deinen Kopf an!“ Wenn die beiden ruhig wären würde ich vielleicht darauf kommen, ehe Die einen Hirnkrampf bekommt. 2 Buchstaben… ‚kroa’… Gespannt sah Daisuke zu dem Schwarzblonden hinüber und beobachtete wie sich dessen Lippen bewegten. Er hatte es auch schon auf diese Weise versucht. Das Erraten des Lösungswortes durch vor sich hin murmeln. Erfolglos, wie man bemerkt hatte. Die Mimik des Kleineren war tief nachdenklich. Dann suchten seine Augen nach etwas, fanden es in Toshiyas Hand: Seinen Füller. Toshiya folgte Kyos Blick, verstand und reichte ihm das Schreibgerät. Mit zitternden Fingern griff er danach und betrachtete den Gegenstand schwach lächelnd. Waren wohl angenehme Erinnerungen. Der Vocal malte etwas auf den Zettel und hielt ihn dann dem Gitarristen hin. „Ein ‚h’? Nein. Nein, das hatte ich noch nicht“, antwortete Die nah kurzem überlegen. Anschließend bekam Toshiya den Zettel gezeigt. „Ja, es ist ein ‚h’ drin. Ganz am Schluss.“ Kyo nickte und malte das lateinische ‚h’ mit großer Sorgfalt auf das Papier. „Also, wenn du das Wort nicht errätst sollten wir uns wirklich Sorgen machen“, scherzte der Schwarzhaarige, woraufhin der Sänger ein wenig schmollte. „Lass dir nichts einreden Kyo. Du schaffst das.“ Schnauze! Ich kann mich nicht konzentrieren. Ich kenne das Wort. Es liegt mir auf der Zunge. Es will nur nicht weiter. Verdammt, was kann das nur sein? Dann schießt mir eine Melodie durch den Kopf. ‚Clever Sleazoid’. Aber natürlich. Da hätte Die noch echt lange grübeln können. Wer soll auch auf dieses ‚c’ kommen. ‚Cockroach’. Ja, das Wort kenne ich wirklich. Toshiya kriegt meinen Block in die Hand gedrückt. „Wusste ich doch, dass du das rauskriegst.“ Dai greift nach dem Papier und ist begierig darauf die Lösung zu erfahren. „Das war’s? Man bin ich blöd.“ „Wenn du das sagst…“ Toshiya bekommt einen Todesblick zugeworfen. Naja, der Versuch eines Todesblicks. Der kann das einfach nicht. War vermutlich auch nicht ganz ernst gemeint. „Danke Kyo“, grinst Die mir zu und… knufft mir in die Seite! Nein, nicht du Dai! Das Rot steht dir nicht. Dieses dreckige Blutrot, welches sich wieder auf meinen Händen befindet. „Nein…Nein…“, höre ich mich lautlos wimmern. Kyo stolperte zurück. Als er an die Wand prallte, glitt er an ihr hinab, starrte mit weit aufgerissenen Augen auf seine zitternden Hände. Sein Gesicht verzerrte sich zu einer Grimasse der Verzweiflung. Er versuchte etwas nicht vorhandenes von seinen Händen zu wischen, in dem er sie immer wieder an seinem Krankenhaushemd rieb. „Weg. Es muss weg.“ Traurig. Hoffnungslos. Verzweifelt. Toshiya und Daisuke sahen ihn hilflos an. „Kyo, hör auf. Lass das! Da ist nichts! Absolut gar nichts!“, rief Toshi ihm zu und bewegte sich Richtung Sänger. „Da ist nichts! Absolut gar nichts. Hörst du?!“ Der Bassist versuchte mit Reden etwas zu erreichen. Noch eine Berührung und Kyo könnte womöglich an einer Panikattacke sterben. „Kyo!“ Jener sprang in diesem Moment auf und rannte zu dem Waschbecken in der entgegen liegenden Ecke des Zimmers. Das Wasser voll aufgedreht hielt er die Hände darunter, schrubbte sich mit der Nagelbürste die Haut beinahe blutig. „Weg, weg, weg. Es soll weg. Es soll weg!“, krakelte der Sänger und rieb noch stärker über die wunde Haut. Durch die lauten Stimmen angelockt betraten 2 Krankenschwestern herein. „Ich hol den Doktor“, erklärte die eine der Anderen und verschwand wieder. „Bring am Besten eine der Jacken mit“, rief die Zweite hinterher, ehe sie sich Kyo zuwandte. „Die Jacke? Sie meinen doch wohl etwa nicht…?“ Die war geschockt. Was hatte er nur angestellt? Warum hatte er sich nicht einfach beherrschen können? „Ist das denn wirklich nötig?“, erkundigte er sich, biss sich unsicher auf die Unterlippe. Die Schwester hielt inne und sah den Besuch ihres Patienten mitfühlend an. „In diesem Zustand leider schon. Es ist nur zu seinem Besten“, entgegnete sie und legte ihr Augenmerk wieder auf Kyo. Sie ging näher und näher an ihn heran. Ganz langsam, um ihn nicht zu sehr zu erschrecken. „Nein. Bleiben sie weg von ihm.“ Toshiya war aufgesprungen und stellte sich nun Mauerartig vor die Frau. „Sie dürfen ihn nicht anfassen. So wurde es ausgelöst.“ „Ich weiß, dass er Berührungen nicht schätzt, aber es gibt keine andere Möglichkeit ihm dann zu helfen.“ Toshiya war geschockt, was es der Frau einfacher machte ihn zur Seite zu Schieben und sich so Kyo nähern zu können. Er musste erst einmal verdauen, was ihm da gehört hatte. Sie wussten von seiner Angst und dennoch hielten sie sich nicht zurück? Verschlimmerten es vielleicht noch. Doch…Einerseits war es das Beste für Kyo. Sie wollten ihm schließlich helfen. Es sollte ihm wieder besser gehen. Manchmal muss man halt zu drastischen Maßnahmen greifen. Andererseits…Kyo hasste es im Moment. Der Hautkontakt zu anderen löste etwas aus. Und diese ganzen Schocks waren seiner Genesung mit Sicherheit im Weg. Kami-sama. Es würde ihm helfen und gleichzeitig alles nur noch mehr kaputt machen. Der Schwarzhaarige sah zu Kyo hinüber. Die Schwester wollte ihn gerade vom Waschbecken wegzerren, da schreckte er auf und presste sich flach an die Wand. Sein Brustkorb hob und senkte sich. Sein Atem war rasselnd . Seine Augen weit aufgerissen und auf die Frau gerichtet. Ein in die Ecke getriebenes Kaninchen im Angesicht der Schlange. Die Maus, die sich schon als Abendessen der Katze sieht. „Bleiben sie ganz ruhig, Niimura-san. Es wird alles gut.“ Die beiden Musiker betrachteten ihr Vorgehen skeptisch und konnten ihr voraussagen, dass sie keinen Erfolg haben würde. Recht hatten sie. Kyos lauter Schrei zerschnitt die schneidbare Anspannung in der Luft, ließ alle zusammenzucken. Dann hörte man das Patschen von nackten Füßen auf dem Fußboden und der Schwarzblonde hockte zitternd in der Ecke. Die Finger tief in die langen Haare vergraben, regelrecht reingekrallt. Die Augenlider fest aufeinander gepresst. Arme und Beine eng an den Körper gezogen. Die zweite Krankenschwester kam wieder, im Gepäck den Arzt und 2 kräftige Pfleger. Die und Toshiya konnten nur hilflos dabei zusehen wie Kyo in die Zwangsjacke gesteckt wurde. Wie er dabei zappelte und schlug. Als guter Freund wollte man nicht zusehen, man wollte etwas tun oder aber nicht im Raum sein. Kyo wurde von den kräftigen Männern links und rechts an den Oberarmen ergriffen und aus dem Zimmer getragen. „Ich hatte es schon kommen sehen“, nuschelte der Arzt seufzend in seinen Schnurbart. Sofort erwachten die Dir en grey- Member aus ihrer Starre. „Was?“, kam es zeitgleich aus ihren Mündern. „Es tut mir außerordentlich Leid und ich hätte sie vielleicht besser in Kenntnis setzen sollen über meine Überlegungen. Wie dem auch sei. Wir werden ihn in die psychiatrische Abteilung bringen müssen. Hier können wir nichts tun, solange seine Psyche so schwer geschädigt ist.“ „Kyo ist nicht verrückt!“ „Genau. Es mag seltsam sein was er tut und wie er sich verhält, aber mit einigen Abstrichen ist er fast so wie immer!“ schmiss der Gitarrist dem Mediziner an den Kopf. „Ich bezweifle, dass ein derartiges Verhalten normal ist. Deswegen diese Maßnahme. Wenn ich fragen darf: Wie ist dieser Ausbruch eigentlich zustande gekommen?“ Daisuke senkte Schuldbewusst den Kopf, fand den steril weißen Bettbezug interessanter als alles andere. „Eigentlich war alles super“, gestand er leise, „Er hatte sich sogar ein wenig geöffnet, aber dann…dann musste ich Vollidiot ihn anknuffen. Was habe ich mir nur dabei gedacht?“ Blankes Entsetzen auf Dies Gesicht. „Ganz ruhig, Die“, versuchte Toshiya sacht auf den Älteren einzureden. Er setzte sich neben ihn, legte ihm einen Arm um die Schulter. „Mit Sicherheit hätten wir anderen das auch getan. Ich meine, er hat sich doch beinahe schon so wie immer verhalten. Es war eine lockere Stimmung. Wir haben gelacht, er sowas wie ein lächeln gezeigt und sein Warumonoblick war doch auch so wie immer.“ „Was geht denn hier ab?“, fragte Kaoru, der zusammen mit Shinya im Türrahmen stand. „Wo ist Kyo?“ Der sprichwörtliche letzte Tropfen. Die konnte nicht mehr. Kyos Augen blitzten vor ihm auf. Dieses Entsetzen, diese Panik. Und er selbst hatte es verursacht. „Oh, Totchi.“ Er vergrub sein Gesicht in seinen Händen, konnte die Tränen nicht mehr verhindern. Sie bringen mich weit weg von meinem Zimmer. Ich hatte das Wehren aufgegeben. Es brachte mir nichts und es raubte mir zu viel Kraft. Ein weiter Weg, den sie da mit mir zurücklegen. Wir kommen an einigen Glastüren und Fenstern vorbei. Draußen hängen schwarze Wolken tief am Himmel. Ich kann mich in den Scheiben der Fenster sehen. Jedes mal blickt mir eine untersetzte und verwahrloste Person entgegen. Das Haar wirr, ein Stoppelfeld am Kinn, die Augen eingefallen. Darunter Ringe, die ein Blinder aus 2 km Entfernung erkennen könnte. Ein Kinderschreck. Das Wort ‚süß’ würde jetzt mit Sicherheit keiner mehr mit mir in Verbindung bringen. Ein schwacher Trost. Schilder. Jetzt weiß ich zumindest wo es hingeht: Psychiatrie. Hätte ich mir ja denken können. Bei der modischen Jacke. Wurde ich also weggesperrt. Hauptsache sie lassen mich endlich in Ruhe und allein. Dann kann ich vielleicht weiterhin über meine Tat nachdenken. Es gibt womöglich einen Ausweg. Obwohl mir persönlich nur der Tod einfällt. Die beiden Glastüren da vorne. Sie sind das Tor zu meiner Hölle und zu meinem Paradies. Ich werde hineingehen, aber nicht mehr heraus. Ganz sicher. Ich werfe einen Blick zurück. Natürlich. Weder Toshiya noch Die sind zu sehen. Sie lassen es passieren. Jetzt ist es auch egal. Auch wenn es schade ist um den Erdbeerkuchen von Die gesprochen hat. Kami-sama, ich trauere einem Erdbeerkuchen nach. Ich bin wirklich reif für die Jacke. Ein Lachen. Mein eigenes. Es ist aber auch zu absurd. Die Türen werden von den Kerlen, die mich hier durch die Gegend schleppen, aufgestoßen. Mit dem Passieren des Rahmens nehme ich endgültig Abschied. „Kyo!“ Erschrocken drehe ich den Kopf nach hinten. Ein fieser Schmerz zieht sich von meinem Nacken bis in den Schädel. Sie werden jedoch unwichtig beim Anblick der Person die mich rief. Ganz außer Atem ist er. Seine Augen können nicht glauben was sie sehen. Eine Hand streckt sich nach mir aus. Das bringt nichts. Es gibt kein zurück mehr. Tut mir Leid. „Gokigen yō , Kaoru.“ Ich kann nicht anders als ihm zuzulächeln. Er soll zum Abschied noch eine gute Erinnerung von mir haben. Die Türen schwingen zu und geben mir keinen Grund weiter zurückzuschauen. Es ist besiegelt, dass ich ab sofort allein sein und in die Vergessenheit gelangen werde. Wir halten kurz an einem Tresen an. Sie sagen Bescheid, dass ich jetzt in den Raum soll. Wenn sie mich für so verrückt halten sollte ich dem wohl gerecht werden. Wieder fange ich an zu zappeln, zu schreien und diesmal sogar zu spucken. Erschrecktes Aufschreien und das Fallen von Papierstapeln. Der Druck an meinen Oberarmen fühlt sich jetzt an wie der von Schraubstöcken. Plötzlich haben diese Fleischberge dann auch noch meine Beine in ihren riesigen Pranken. Entkommen? Unmöglich und auch gar nicht meine Absicht. Sie werden hektisch. Haben Sie Angst vor mir? Oder wollen Sie mich meiner Sünde wegen endlich loswerden? Unwahrscheinlich, woher sollen Sie von meiner Tat wissen. Aber jetzt sind Sie auch besudelt. Es war nicht in meinem Sinne. Es liegt alles an Ihnen. Sie sind selbst Schuld daran etwas von dem Blut meiner Hände und dem Dreck meiner Seele an sich zu haben. Dafür sollten Sie mich umbringen. Oder mich zumindest in Frieden lassen. Unbeirrt mache ich mit meiner Vorstellung weiter. Fängt sogar an Spaß zu machen. Hat was von unseren Auftritten. Vielleicht gehöre ich doch hier hin. Sie gehen weiter. Obwohl mein Körper immer noch geschwächt von meinem Koma und meinem Ausraster von vorhin ist, bin ich doch stark und wendig genug, um den beiden Pseudo- Sumoringern arge Probleme zu bereiten. Jedoch nicht für lange. Das merke ich. Dafür ist mein Körper einfach noch nicht fit genug. Aber sie haben es eilig. Gut für mich. Einige Türen werden geöffnet, wie ich das aus den Augenwinkeln heraus bemerke. Es geht immer weiter hinein in die Klapse. Sie öffnen eine Zimmertür. Und dahinter befindet sich… ein Schrecken aus beige. War der Innenarchitekt blind UND verrückt? Potthässlich die Farbe. Kein Wunder, dass viele ihren Verstand verlieren.. Würde es mir ja fast überlegen, wenn mir mein Gewissen nicht im Nacken sitzen würde. Sie legen mich einfach mitten in dem Raum ab, passen darauf auf nichts abzubekommen. Der eine grummelt etwas, was ich nicht verstehen kann. Soll mir auch egal sein. Die Tür geht zu, das Licht aus und augenblicklich ist meine Vorstellung zu Ende. Hätte auch keine Sekunde länger ausgehalten. Jetzt liege ich hier. Bin völlig allein, im stockdunklen und schwer am Keuchen. Fast so wie ich es haben wollte. Zufrieden rolle ich mich auf die Seite. Ich sollte vielleicht schlafen. Und wenn möglich dabei sterben. Die Augen sind geschlossen und ich bereit innerlich abzudriften. Da taucht Kaorus Gesicht vor mir auf. Er sah so verdammt traurig aus. Nur wegen mir. „Gomen, Kao“, flüstere ich in die Stille des Raumes. Lächerlich. Als ob er das hören würde. Ich fühle schon wieder diesen Klos in meinem Hals und das Brennen in meinen Augen. Eigentlich müsste ich mich bei Dai entschuldigen. Er muss sich doch schrecklich fühlen, nachdem ich… Er fühlt sich mit Sicherheit schrecklich. Verzeih mir, Großer, bitte. Du…Du kannst im Endeffekt gar nichts dafür. Absolut nicht. Es ist ganz allein meine Schuld. Nein, auch nicht. Es ist ihre. Die Schuld dieser furchtbaren Frau. Du hast nichts getan, Daidai. „Aaaahrgh!“ „Jetzt gibt es nichts mehr was wir für ihn tun können. Wir kommen dort nicht mehr an ihn ran“, seufzte der Band-Leader. Sie saßen alle 4 in der Krankenhauscafeteria, genehmigten sich einen Kaffee. Shins Erdbeerkuchen durften sie nicht anrühren. Hätte ja sonst Ärger gegeben. Während Kaoru unermüdlich in dem braunen Getränk rumrührte, starrte Die apathisch und immer wieder von einem Schauer durchgeschüttelt hinein. Toshiya wischte sich immer wieder die aufkommenden Tränen aus den Augen. Er war fertig. Einzig Shinya trank wirklich von seinem Kaffee. So verarbeitete er alles. Auf die ruhige Art. „Ich hab ihn soweit gebracht. Nur wegen mir ist er jetzt dort“, nuschelte der Dunkelhaarige vor sich hin. „Ich habe ihm Angst gemacht.“ „Die! Zum hundertsten mal: Das war doch keine Absicht. Das hätte jeder von uns gemacht. Also krieg dich wieder ein, denn das bringt uns nicht weiter.“ 3 weit aufgerissene Augenpaare richteten sich auf Shinya.. Seine Ausbrüche waren halt viel zu selten und viel zu plötzlich. „Und jetzt helft mir beim nachdenken. Wir müssen da rein und zu Kyo. Ihr habt Fortschritte mit ihm gemacht. Gut, im Endeffekt war es ein Schritt vorwärts und zwei zurück, aber es hat gezeigt, dass man etwas erreichen kann bei ihm.“ Er widmete sich wieder seinem Kaffee. Kaoru war der Erste, der sich wieder fing. „Es gibt absolut nichts was wir im Moment tun könnten. Wir werden vorerst nicht nah genug an ihn rankommen. Dafür müsste er erst beweisen, dass er die Jacke nicht braucht.“ „Wir können uns ja noch mal als hartnäckig erweisen und einen Sitzstreik fabrizieren. Die sollten uns kennen und auch wissen wie ernst wir manches nehmen.“ „Für den Anfang könnte man das machen, Toshi. Aber ich befürchte fast, dass die in der Abteilung immun gegen solche Aktionen sind“, entgegnete Kaoru seufzend. Er wäre ja dafür eine Zeitmaschine zu besorgen, gut ein halbes Jahr zurück zu reisen und zu verhindern, dass es soweit kam, indem sie dem anderen hinterher spionierten. Zu schön, um wahr zu sein. Shinya stellte seine Kaffeetasse ab. „Wir besorgen uns ein paar Kostüme und schauen mal wie weit wir damit kommen können.“ „Die Idee gefällt mir“, sagte Toshiya schon weitaus fröhlicher als noch wenige Momente zuvor. „Als ob wir in einer Verkleidung nicht noch mehr auffallen würden“, nuschelte Die betrübt und versuchte sich an seinem Kaffee. Toshiya seufzte. „Sind einfach zu bekannt. Manchmal ist es echt ätzend so berühmt zu sein.“ „Ich bin dafür, sie zumindest mal zu fragen, ob sie ihm etwas von dem Kuchen zu essen geben könnten. Ersticken wird er nicht daran und einen Versuch ihm so Nahrung zuzuführen, wäre es wert. Schlimmer dürfte es dadurch nicht werden.“ Mit schwermütigem Blick verpasste Kaoru seinem Kaffee einen weiteren Drehwurm. „Und fragen kostet ja bekanntlich nicht viel. Nur Überwindung. Außerdem hab ich das Ding nur für ihn gebacken“, ergänzte der Drummer seine Aussage noch. Weitere verschwiegene Momente vergingen, in denen sie alle die Tischplatte anstierten, ehe Die sich urplötzlich die Plastikbox mit dem Mitbringsel schnappte und aufsprang. „Viel Glück“, wünschte Kaoru ihm und die beiden Anderen stimmten mit. Als der Gitarrist aber außer Sichtweite war, fragte Shinya: „Ist es wirklich gut ihn gehen zu lassen? So mitgenommen wie er ist? Ich hab ihn eben zwar deswegen angemotzt, aber…“ „Ja, das ist gut“, begann der Schwarzhaarige Gitarrist, „Sollte es klappen hat er für sich etwas von seiner Schuld wett gemacht.“ „Und wenn nicht?“, erkundigte sich der andere Schwarzhaarige. „Dann hat er es zumindest versucht. Was auch schon zählt.“ Die wurde währenddessen immer unsicherer mit jedem Schritt, den er auf die Psychiatrie zutat. Er hatte Angst vor der Zurückweisung. Sein Griff um die Tragevorrichtung der Kuchenbox verfestigte sich, als er die Eingangstür sah. Kurz vor besagter Tür hielt er inne und atmete tief durch. Das hier war schlimmer als jedes Lampenfieber, das er bisher gehabt hatte. Er atmete nochmals tief durch. Einmal, zweimal, dann stieß er die Tür auf. Seine Füße trugen ihn immer weiter hinein, durchschritten einen Durchgang nach dem anderen, bis sie vor einem Tresen standen, wo sich die Angestellten vorzugsweise aufhielten. „Was kann ich für sie tun?“, fragte ihn auch sogleich ein Pfleger. „Ich hätte da was für Niimura Tooru. Damit Sie ihn wieder zum Essen kriegen.“ Er stellte die Plastikdose auf die Ablagefläche. „Ist mit seinen Lieblingsfrüchten. Das müsste klappen.“ Misstrauisch besah sich der andere Mann das Mitbringsel. „Versuchen Sie es bitte“, versuchte Die auf den Angestellten einzureden. „Das müsste ich mit dem Arzt besprechen. Ich kann da nicht eigenmächtig handeln.“ „Ich verstehe“, gab Die resigniert von sich, „Gut, machen Sie das bitte. Wäre nämlich schön, wenn er was davon bekommen würde. Würde ihn sicherlich freuen.“ Kyo musste etwas von dem Kuchen bekommen. Das war Die jetzt wichtig. Abwesend verabschiedete er sich und ging. „Bitte, ihr Götter. Es ist zwar nur Kuchen, aber es ist wichtig für seinen Weg zurück“, flehte der Dunkelhaarige gedanklich. Er fühlte sich jetzt selbst schon ein wenig besser. Denn er hatte etwas unternommen. Allmählich wird es warm in dieser ätzenden Jacke und ein Arm ist bereits eingeschlafen. So macht das doch Spaß. Hey, mein Sarkasmus lebt wieder. Der wird auch das Letzte sein, was stirbt. Es ist so ruhig hier. Mein Atem und die gelegentlichen Bewegungen, die ich mache, um irgendetwas zu tun und dabei ein Rascheln hervorrufe, sind das Einzige, das man hören kann. Irgendwie ist es schon zu still hier. Ich bin den typischen Großstadtlärm gewöhnt, den ich in der Stille meiner Wohnung immer gehört habe. Auf dem Rücken liegend starre ich an die Decke. Man erkennt nicht viel durch die Dunkelheit, aber es beruhigt irgendwie. Schlaf. Den brauch ich jetzt, damit ich nicht wieder daran denken muss. Ich fühle schon, wie ich wegdämmere. Das ist so schön. Doch kurz bevor ich ganz weg bin, geht die Tür auf und das Licht wird angeschaltet. Raus, ich will schlafen. „Hast Glück, dass der Arzt immer noch Heilchancen bei dir sieht und du da draußen wohl noch ein paar Leute hast, die was mit dir zu tun haben wollen.“ Unfreundlicher geht’s wohl nicht. Und was fällt dem ein mich überhaupt zu duzen? Da hilft nur eins: Wegdrehen und nicht weiter beachten. „Hab hier was für dich. Lass es dir schmecken.“ Irgendetwas wird neben mir abgestellt. Das Geräusch wird zwar von der Polsterung geschluckt, aber ich bemerke es dennoch. Etwas, vermutlich nicht nettes, murmelnd verlässt der Typ wieder meine Gummizelle. Ja, genau. Meine. Da ich hier nicht wegkommen werde, kann ich das gute Stück auch ‚mein’ nennen. Ein mir gut bekannter Geruch steigt mir in die Nase. Ist das…? Es muss. Es kann nichts anderes sein. Ich muss es mit eigenen Augen sehen. Was auch klappen wird, denn der Typ hat das Licht angelassen. Zuerst auf den Bauchrollen. Das ist einfach. Nur zur Seite fallen lassen. Geschafft. Jetzt den Kopf zur Seite richten und…Tatsächlich. Es ist ein Erdbeerquarkkuchen. Das gibt’s nicht. Haben sie den extra hergebracht. Blöde Tränen. Muss ich denn vor Rührung gleich weinen? Ich kann sie ja nicht einmal wegwischen. Jetzt bleibt nur die Frage, wie ich da hin komme. Kami-sama, hoffentlich guckt keiner. Das wäre so demütigend, denn mehr schlecht als recht robbe ich zu dem Pappteller mit diesem himmlisch duftenden Gebäck. Ich öffne den Mund, strecke mich dem Kuchen entgegen. Das schmeckt so gut. Und ich brauch auch nicht so viel zu kauen, was anstrengend wäre. Gesegnet sei die Quarkcreme. Schniefend beiße ich noch ein Stück ab. Und noch eins und noch eins. Ehe ich mich versehe ist die Portion leer. Das schmeckt einfach zu gut. So nach Liebe und Normalität. „Das hast du aber nicht verdient.“ Diese Stimme! Geschockt schaue ich mich um. Wo ist sie? „Suchst du mich?“ Ayaka. Genau über mir. Das Blut läuft in kleinen Rinnsälen in ihr Gesicht. Sie lächelt mich an. Eines dieser allwissenden, gehässigen Lächeln. „Geh weg!“ „Warum? Ich möchte mich gern mit dir unterhalten. Weißt du, dass Leben im Jenseits ist gar nicht so schön, wie man sich das immer vorstellt. Im Gegenteil. Es ist furchtbar. Es ist langweilig, öde, schwarz und äußerst schmerzhaft. Das lässt sich gar nicht beschreiben. Und du bist Schuld. Nur wegen dir sitze ich dort fest. Weil du mich getötet hast.“ Während sie spricht, wandert sie gemütlich um mich herum, guckt mich mit so einem merkwürdigen Blick an. Sie mustert mich. „Steht dir gut, das Outfit. Passt zu dir, du kleiner Psychopath.“ Sie lacht. „Verschwinde. Lass mich in Ruhe. Hau ab!“, brülle ich ihr entgegen. Ich bin ihr ausgeliefert. Ich weiß das und sie weiß, dass ich das weiß. „Weggehen? Ich bin doch gerade erst her gekommen und ich werde meinen kleinen Urlaub genießen. Mit dir. Das hast du nämlich verdient.“ Ein siegessicheres Lachen ihrerseits. „Verschwinde endlich! Ich will dich nicht hier haben. Lass mich in Ruhe. Du hast mir schon genug angetan! Hau ab!“ Sie lacht immer noch. Hat Spaß daran mir dabei zuzusehen, wie weh mir ihre Anwesenheit tut. „Geh! Lass mich in Ruhe! Zisch ab! Ich will dich nicht sehen!“ In der Hoffnung, dass es klappt schreie ich ihr immer wieder diese Phrasen entgegen. Doch sie lacht nur. Und lacht. Und lacht. Höhnend, verspottend. Das will ich nicht hören. Es tut weh in den Ohren. „Hör auf! Hör doch auf!“ Ich brauche meine Hände. Ich will mir das nicht anhören müssen. Mein Körper wälzt sich hin und her. Auch er will, dass der Schmerz verschwindet. „Aufhören! Aufhören!“ Weit entfernt höre ich das Öffnen einer Tür. Jetzt geht sie mit Sicherheit allen erzählen wie kümmerlich ich bin und was ich getan habe. Jemand greift nach mir. „Nein! Aufhören! Loslassen!“ Ihr wollt mich wegbringen, oder? An den gleichen Ort wie Ayaka? Dann ist da plötzlich ein Schmerz. An meinem Hals. Als hätte eine Monstermücke zu gestochen. Mein Körper wird taub. Ich verliere die Kontrolle über ihn. „Ich denke wir müssen andere Maßnahmen ergreifen. So geht das nicht weiter.“ Die Stimme kommt von ganz weit weg. Was hast du vor Stimme? Was wirst du tun? Lass mich in Ruhe. Lass mich allein. „Bitte was? Und jetzt?“, sagte Kaoru entsetzt und etwas lauter in sein Handy. „War das nötig?…Ja…Ja, ich verstehe. Danke für ihren Anruf.“ Niedergeschlagen und ratlos legte er auf. So weit war es jetzt also mit ihrem Sänger gekommen. Da war er keine halbe Stunde zu Hause und er erhielt solche Anrufe. Da war es ja kein Wunder, dass er kaum geschlafen hatte in letzter Zeit. Eigentlich trieb es ihn wieder zurück in die Hibiya Klinik, doch er war zu ausgelaugt von dem heutigen Tag und rein konnte man jetzt bestimmt auch nicht mehr. „Mist!“ Das Handy landete auf dem Wohnzimmertisch und der Schwarzhaarige im Badezimmer unter der Dusche. Einer langen, heißen Dusche, die ihn von seinen Gedanken abbrachte und befreite und ihn gleichzeitig auch noch müde machen sollte. Seine Haare trocken rubbelnd, stand Kaoru, wie er von den Göttern und Genen geschaffen war, in dem erhitzen Raum, ließ sich Zeit. Ein Seitenblick in den Spiegel lenkte jedoch seine Aufmerksamkeit auf sein Abbild. „Wenn du nicht innerhalb der nächsten zehn Minuten im Bett liegst und schläfst, kriegst du diese Augenringe nicht mehr weg“, ermahnte er sich selbst. Den Ratschlag annehmend rubbelte er seine Haare nochmals durch, schnappte sich dann seine Boxer und ging fertig angezogen in sein Schlafzimmer. Er überlegte noch kurz ob am morgigen Tag irgendein wichtiger Termin anstand. Jedoch fiel ihm nichts ein, wofür er auch ganz dankbar war. Konnte er ein bisschen länger als gewöhnlich schlafen. Sich schon im Halbschlaf befindend kroch der Gitarrist unter seine Decke und dämmerte kurz darauf auch schon ganz weg. In seinem Traum sah er sie alle wieder auf der Bühne. Spielten etwas, dass er nicht kannte. Sah, wie seine ‚Schäfchen’ in der Musik und dem Jubel aufgingen. Ein wundervoller Anblick, egal aus welcher Perspektive. Seine Finger flogen über die Seiten seiner Gitarre, seiner geliebten Ganesa. So sollte es wieder sein. Er ließ seinen Blick über die Menschenmassen schweifen. Alles gesichtslose Wesen. Wie Dämonen. Sein Blick ging weiter, blieb an Kyo hängen. Aus der eben noch blonden Wuschelmähne ist eine Langhaarfrisur mit schwarzem Ansatz geworden. Das Mikro liegt auf dem Boden. Unbeachtet, kaputt. Während der Sänger sich umdreht wechseln die Jeans und das Shirt zu dem Krankenhauspyjama und der Zwangsjacke. Traurig sieht er jeden einzelnen von ihnen an. „Helft mir.“ Die, Shinya, Toshiya und Kaoru lassen alles fallen, stürmen auf ihn zu, doch bevor sie ihn erreichen können wird er von den gesichtslosen Menschen in die Menge gezogen und verschwindet in dem schwarzen Meer. Fetzen von Stoff und Büschel blondierter Haare fliegen aus der Menge hervor. Schweißgebadet wachte der Schwarzhaarige auf. So hatte er sich die Nacht garantiert nicht vorgestellt. Ein Albtraum. Benommen wischte er sich über die Augen, versuchte die Erinnerung zu verscheuchen, aber der intensive flehende Ausdruck des Sängers hatte sich einfach zu fest gebrannt. „Wir werden dir helfen, Tooru“, flüsterte er in die Stille hinein. Er warf einen scheuen Blick Richtung Wecker, erwartete schon das schockierende Ergebnis: 4:22 Uhr. Dem Gerät eine Morddrohung entgegen murmelnd ließ er sich wieder in die Kissen sinken und zog die Decke über die Ohren. Mehr oder weniger ausgeschlafen stand Kaoru Stunden später auf. Nach dem allmorgendlichen Badbesuch führte ihn sein Weg in die Küche zu seiner Kaffeemaschine. Die geübten Handgriffe zur Herstellung seines Wachmachers beherrschte er buchstäblich im Schlaf, denn von einem wachen Kaoru war dieser hier noch weit entfernt. Auf dem Sofa im Wohnzimmer sitzend, wartete er auf das Ende des Brühvorgangs. In seinem Kopf spukte die Frage, ob er den Anderen von dem gestrigen Anruf erzählen sollte, herum. Er verstand einfach nicht, wie das alles in so kurzer Zeit, so schlimm werden konnte. Am besten fuhr er heute noch wieder ins Krankenhaus um mit dem Arzt zu sprechen. Vielleicht würde es dann mit dem verstehen klappen. Das Piepen seines heiß geliebten Kaffeemaschinchens holte ihn aus seinen Gedanken und zurück in die Küche. Kurz nach Mittag saß Kaoru bei Kyos Arzt und hörte sich an was vorgefallen war. „Scheinbar hat er halluziniert. Er schrie eine nicht anwesende Person an.“ „Sprechen kann er also noch. Gut zu wissen“, murmelte der Gitarrist. „Was hat er dieser Person gesagt?“ „Dinge wie ‚Hör auf!’, ‚Verschwinde!’. Solche Sachen eben. Deshalb vermuten wir auch, dass es eine Person war, die er nicht leiden kann“, erläuterte der Mediziner. „Einen Namen hat er nicht zufällig erwähnt?“ „Nein, tut mir Leid. Kein Name.“ „Schade, sonst hätte ich vielleicht wissen können, warum das so kam.“ Für einen Moment herrschte Stille. Kaoru haderte mit sich selbst ob er anfragen sollte Kyo besuchen zu dürfen. „Zu seiner Sicherheit mussten wir ihm starke Beruhigungsmittel verabreichen. Wir befürchten allerdings einen Dauerzustand daraus machen zu müssen.“ Kaoru war entsetzt. „Aber seine Heilungschancen werden damit gegen Null gehen. Das geht so nicht. Und die Halluzinationen wird er dadurch auch nicht los. Man muss sich um ihn kümmern.“ „Ich kann Sie verstehen“, sagte der Mediziner und hob beschwichtigend die Hände. „Nein, tun Sie nicht!“ Wütend schlug der Musiker mit der flachen Hand auf den Schreibtisch, worauf sein Gegenüber zusammenzuckte. „Sie haben nicht die geringste Ahnung was passiert, wenn Sie das durchziehen. Es wird Tote geben und viele weitere am Boden zerstörte Menschen. Wollen Sie das etwa verantworten?“ „Ich…Nein, natürlich nicht. Aber…“ „Ich rate Ihnen das noch mal zu überdenken. Kein ‚aber’.“ Kaoru hatte sich so in Rage geredet, dass er aufgestanden war und sich über den Tisch gebeugt hatte. Ein paar Hörner fehlten noch, aber ansonsten war die Rolle eines rasenden Stieres perfekt erfüllt. „Welches Zimmer?“ Ein paar Mal verwirrt blinzelnd starrte der Arzt den anderen Mann an. Die Frage ‚Haben Sie genau in diesem Moment Angst?’ erübrigte sich von selbst, so wie der Doktor am zittern war und ihm der Schweiß auf die Stirn trat. „Sie wollen allen ernstes zu ihm?“ Mutig. Oder aus der Sicht eines Dir en grey- Member: Schlichtweg Lebensmüde. Einen zornigen Kaoru sollte man nicht reizen. Diesem rutschten gerade die Augenbrauen noch enger zusammen und sein Blick wurde stechender. „Zimmernummer.“ „Drei- Dreihundertdreiundachtzig.“ Ein sarkastisches ‚Danke’ seitens des Musikers, ein lautes Türknallen und der Arzt befand sich wieder alleine in seinem Sprechzimmer. Der Schwarzhaarige stampfte nun schnaufend durch die Gänge auf der Suche nach Zimmer 383. Das hier ist schlimmer als alles, was ich mir je hätte vorstellen können. Zur Bewegungsunfähigkeit verdammt und Schlaf wird einem auch nicht erlaubt, denn die Deckenlampen sind noch an. Aber das allerschlimmste: Ich bin allein mit dieser schrecklichen Frau. Sie steht neben der Tür und hat ihre Augen fest auf mich gerichtet. Sie erfreut sich an meinem Leid. Ich geb ja zu, dass ich sie umgebracht habe, aber ist das hier nötig? Ich kann mich auch ganz gut allein fertig machen. Da brauche ich keine Hilfe. „Geh weg.“ „Nein.“ Dreistes Biest. Die Türklinke. Sie bewegt sich. Ganz langsam. Also ist es keiner von den hier Arbeitenden. Plötzlich geht die Tür mit einem Ruck auf und knallt ihr voll ins Gesicht. Ich kann nicht anders. Ich muss grinsen. Wen ich allerdings dort in der Tür sehe verwundert mich. Great Leader-sama. „Tag, Kyo“, lächelt er mir zu. Vermutlich, weil ich es so will. Vermutlich ist dieser Kaoru nur eine Einbildung. Der falsche Kaoru, es muss ein Falscher sein, denn meine echten Freunde würden sich jetzt bestimmt nicht mehr hier blicken lassen, macht die Tür zu, zieht seine Jacke aus und hängt sie über die Lehne des Stuhls zu meiner linken, auf dem er anschließend Platz nimmt. „Geht es dir gut?“ Er fragt einfach. Tut so als ob nichts wäre. „Bist du der Kaoru aus meinem Traum?“ Der Kaoru blinzelt mich an. „Woher weißt du das?“, antwortet er schließlich und lächelt wieder. „Nur so ein Gefühl.“ Dann bilde ich ihn mir wirklich ein. Was soll’s. „Hilfst du mir?“ „Gern. Wenn du mir sagst wie.“ Seine Antwort ist so ehrlich und lieb. Ich werde wieder sentimental. „Nimm mich in den Arm. Nimm mich in den Arm und beschütze mich vor ihr. So wie im Traum.“ Ohne zu zögern steht er auf und setzt sich neben mich auf das Bett. Er löst die Lederbänder, damit er mich besser umarmen kann. Das fühlt sich gut an. Wenn er es doch nur wirklich wäre. Ich bedaure, dass ich ihm dieses Gefühl nicht auch geben kann, aber ich kann meine Arme beim besten Willen nicht bewegen. „Ist das gut so?“ „Hai“, flüstere ich und nicke. „Das ist schön.“ „Du erbärmlicher, kleiner Wurm. Schick ihn wieder weg. Dein Schicksal ist ein anderes.“ Mach mir doch nicht wieder alles kaputt. „Kaoru, mach das sie geht. Sie sagt ständig so gemeine Dinge zu mir.“ Ich verstecke mein Gesicht in seinem Shirt. Meine Einbildung ist so stark, dass ich sogar seinen Geruch wahrnehme. „Sag mir ihren Namen. Dann kann ich etwas gegen sie unternehmen. Nur ihren Namen.“ „Wage es nicht!“ Schnauze, ich brauche jetzt Hilfe. Ich kann nicht mehr. „Ayaka. Ihr Name ist Ayaka. Mehr weiß ich nicht.“ Ich würde mich gern an mehr erinnern. Aber da ist nichts. „Das ist schon gut. Damit kann ich was anfangen. Du musst allerdings noch ein wenig warten.“ „Mach ich.“ „Er wird nichts machen können, du Spinner! Du sagst doch selbst, dass du ihn dir nur einbildest. Also such keine Hilfe bei ihm! Du liegst hier und wartest auf deinen Tod und den Beginn des Leidens.“ Ihre Stimme ist so schrill und scheint aus jeder Ecke des Raumes zu kommen. Ich kann sie nicht ignorieren. „Sei doch endlich still.“ Kaoru reagiert, indem er meinen Kopf an seine Brust drückt, so dass ich ihm bestens beim Atmen zuhören kann. Seine andere Hand platziert er auf meinem anderen Ohr. Sofort sind die Geräusche gedämpft und ihr weiteres Gemecker nicht mehr so deutlich. „Arigatou.“ „Keine Ursache.“ Durch seine Stimme entsteht so ein angenehmes Vibrieren. Es beruhigt mich. Ebenso die gleichmäßigen Atemzüge seinerseits. Ein bisschen wie Wellenrauschen. „Erzählst du mir von dem Traum?“ Warum will er das wissen? Er war doch dabei. „Ich möchte gerne wissen, wie du ihn empfunden hast. Bitte.“ Ich bin mir unsicher. Sein Argument leuchtet mir ein. Allerdings will ich diesen Albtraum nicht noch einmal durchmachen. Aber ihm kann ich vertrauen. Er war in dem Traum für mich da und er ist jetzt für mich da. Ich muss seufzen. Doch dann fange ich an ihm zu erzählen. Er unterbricht mich nicht. Er hört mir einfach nur zu. Und das tut so gut. „Danke, dass du mir das erzählt hast. Das war lieb von dir.“ Er wuschelt mir durchs Haar. Normalerweise wäre ich jetzt angepisst, aber…dafür strahlt es einfach zu viel Geborgenheit aus. „Versuch ein bisschen zu schlafen. Du bist erschöpft. Und wer weiß? Wenn du wieder wach bist, ist einer von den anderen da, um auf dich aufzupassen.“ Ja, das würden sie sein. Wenn ich es nur wollte, sie mir stark genug vorstellte. Ich schloss die Augen und hoffte inständig, dass dieser Kaoru recht behalten würde. Kyo schlief schnell ein. Sein Körper suchte die Erholung. Kaoru war zufrieden. Nein, er war glücklich. Der Sänger hatte ihn zwar für eine Einbildung gehalten, aber dafür hatte er viel von ihm erfahren. Schluss mit dem Teufelskreis. Schluss mit der Ungewissheit. Er hatte einen Namen bekommen: Ayaka. Er musste nur noch herausfinden was es genau mit ihr auf sich hatte. Natürlich war er geschockt gewesen als Kyo ihm, wenn auch indirekt, gesagt hatte, er hätte getötet. Doch es erklärte ihm ein wenig. Durch seine Tat hatte Kyo den Verstand verloren. Das stand soweit fest. Es würde zwar noch andere Folgen haben, doch vorerst sollte das nicht interessieren. Kaoru stand bei seinem Wagen, vernichtete eine Zigarette. Er musste sich jetzt über Ayaka informieren. Nur wie? Er nahm einen Zug. Was wusste er? Kyo hatte jemanden umgebracht. Unschöne Vorstellung, aber wahr. Das ganze war ungefähr 4 Monate her. Also sollte er die Zeitungen um die Zeit kontrollieren. Er konnte sich allerdings nicht daran erinnern etwas gelesen oder gehört zu haben. Gut, wann hatte er das letzte Mal eine Zeitung in der Hand gehabt oder Nachrichten im Fernsehen oder im Radio verfolgt. Das hieß dann wohl recherchieren bis spät in die Nacht und über Tage, womöglich sogar Wochen, hinweg. Ein tiefer Seufzer seinerseits. Ein letztes Mal ziehen, dann wurde dem Glimmstängel der gar aus gemacht und das Handy aus der Jackentasche geholt. „Das werde ich nicht alles alleine machen“, entschied der Leader und schickte an die anderen 3 jeweils eine SMS mit dem Inhalt, dass sie sich innerhalb der nächsten Stunde vor der Bibliothek einzutreffen hatten. Alles weitere würde er ihnen dann dort erzählen. Einen letzten Blick in Richtung Psychiatrie werfend, schloss er seinen Wagen auf und nahm hinter dem Steuer Platz. „Na dann mal los.“ Kaoru startete den Wagen und machte sich auf den Weg zur Stadtbibliothek. Er überlegte fieberhaft, wie er den anderen am Besten erzählen konnte was er in Erfahrung gebracht hatte. Am besten wäre es wohl chronologisch vorzugehen. So konnte er nichts durcheinander bringen. Es gab zum Glück noch genügend freie Plätze auf dem Bibliothekseigenen Parkplatz, weshalb Kaoru nicht ewig nach einer Lücke suchen musste. Lag wohl daran, dass es Freitagnachmittag war. Der Schwarzhaarige stellte seinen Wagen ab, schloss zu und bewegte sich Richtung Eingang. Der Weg hatte alles in einem eine Viertelstunde gedauert und er hatte eigentlich damit gerechnet, dass zumindest Toshiya, der den kürzesten Weg von hier aus hatte, da wäre. Doch wie es aussah, war er wohl der Erste. Gemächlich ließ er sich auf der Treppe, direkt neben dem Mülleimer mit integriertem Aschenbecher, nieder und wartete. „Hoffentlich haben sie die Nachricht auch schon gelesen“, überlegte er, als auch nach weiteren 15 Minuten noch keiner zu sehen war. Aber er war ja geduldig. „Hi, Kao“, schreckte ihn eine bekannte Stimme hoch. „Ruf das ruhig noch lauter, damit wir die Fans auch möglichst schnell am Hals haben.“ „Was hast du denn für eine Laune?“, fragte Die, guckte mit gerunzelter Stirn über den Rand seiner Sonnenbrille, ehe er den Platz neben Kaoru für sich beanspruchte. „Hast du das Treffen etwa angelegt um dich abzureagieren?“ „Nein, habe ich nicht. Möchte nur nicht, dass die ganze Welt gleich mitbekommt, was ich euch gleich zu erzählen habe. Wenn denn die beiden anderen auch mal auftauchen.“ „Wie lange haben sie noch?“ „Eine halbe Stunde.“ Die seufzte. „Das ist aber noch so lange hin. Willst du es mir nicht vorher erzählen?“ „Nö.“ „Gemein“, murmelte Die beleidigt und schob die Unterlippe vor. „Kleinkind.“ „Ich bin nur neugierig. Vor allem, weil wir uns hier treffen.“ Kaoru packte seine Zigarettenschachtel aus, entnahm einen Sargnagel und hielt Die die geöffnete Packung hin. Wortlos zog dieser sich eine heraus und hielt dem etwas Älteren im Gegenzug ein Feuerzeug vor die Nase. Der Rhythmusgitarrist machte das Feuer an und entflammte das Papierröllchen. Kaoru nahm einen ersten, beruhigenden Zug, pustete den blauen Dunst in aller Ruhe wieder aus. „Du glaubst gar nicht wie toll dieser Tag ist.“ Der Dunkelbraune runzelte wiederholt die Stirn und sah den Leader schief von der Seite an. „Hast du deine übliche Kaffeedosis noch nicht gehabt? Oder warum träumst du noch? Die Wolken da oben sind nicht gerade wenig und die sind auch noch tief dunkelgrau.“ Der Ältere zuckte mit den Schultern und grinste verschwörerisch. „Du sagst es mir, wenn alle da sind. Hab ich recht?“ „Ja.“ Die grummelte und richtete den Blick wieder geradeaus, beobachtete die Menschen und Autos, die sich an ihnen vorbei bewegten. „Hallo Shin“, begrüßte der Dunkelbraune den näher kommenden Drummer, der einmal kurz die Hand zur Begrüßung hob. Er setzte sich neben Daisuke und fragte: „Was gibt es denn so wichtiges?“ „Das will uns unser Leader-chan erst verraten, wenn wir vollzählig da sind“, erklärte der Dunkelbraune gelassen, zog an seiner Zigarette. „Dann soll er mal anfangen. Toshiya kommt nämlich nicht. Der war die ganze Nacht bei mir und hat sich die Augen ausgeheult.“ „Dann hast du ihn schlafen lassen?“, erkundigte sich Kaoru und sah in Shinyas Richtung. Als Antwort erhielt er ein Nicken. „Ist vielleicht auch besser so.“ In aller Ruhe rauchten die Gitarristen ihre Zigaretten auf. Nachdem die Kippen in dem Sand des Aschenbechers über dem Mülleimer ausgedrückt worden waren, drängte Die darauf, dass Kaoru endlich anfangen möge. „Immer mit der Ruhe, mein Großer.“ Kaoru klopfte dem anderen auf die Schulter und holte tief Luft. „Kurz nachdem ich gestern zu Hause war erhielt ich einen Anruf von Kyos Arzt. Unser Kurzer ist ausgetickt. Ruhe! Ich will keine Zwischenkommentare.“ Natürlich hatten die anderen Beiden was sagen wollen doch Kaoru wollte das jetzt in einem Stück erzählen, damit sie früher anfangen konnten mit recherchieren. „Sie haben ihn mit Beruhigungsmitteln voll gepumpt, weil er eine imaginäre Person angeschrieen hat. Aber der Kuchen muss ihm wohl geschmeckt haben. Den soll er restlos aufgegessen haben. Jedenfalls ist er aus der Jacke raus. Dafür ist er buchstäblich ans Bett gefesselt.“ „Armer Kyo“, meinte Shinya leise und sah den Boden zu seinen Füßen an. „Das ist doch…“, empörte sich Die, fand aber keinen gerechten Ausdruck für seine Empfindung. „Ja, ist es. Ich hab ihn gesehen. Erst hab ich dem Doc allerdings meine Meinung gegeigt und dann bin ich zu unserem Warumono. War echt nicht schön ihn so zu sehen. Aber…“, er machte eine kleine Kunstpause und fing an zu lächeln, „…er hat mit mir geredet.“ Die beiden anderen Musiker sahen ihn mit großen Augen an. „Er hielt mich für eine Halluzination. Doch damit kann man leben, nicht wahr? Er dachte ich wäre der Kaoru, den er in einem Traum gesehen hatte. Er bat mich um Hilfe.“ „Wobei?“ Die wurde strafend von dem Schwarzhaarigen angesehen. „Bin ja schon ruhig.“ „Da wollte ich gerade zu kommen, aber wenn du schon mal so schön fragst: Kyo wollte in den Arm genommen und beschützt werden. Vor einer Person, die noch ihm Raum sein sollte. Diese Person konnte ihn wohl nicht leiden, denn sie hat immer ‚gemeine Dinge’ zu ihm gesagt. War auf jeden Fall dieselbe Person, weswegen er jetzt in diesem Zustand ist. Ich hab ihn dann auch gefragt, wie dieser jemand heißt und dass er mir von dem Traum erzählen sollte. Dadurch ist mir dann so einiges klar geworden. Diese Person heißt Ayaka und Kyo…Er ist schuld an ihrem Tod. Mehr weiß ich nicht, wollte ihn ja auch nicht belasten.“ Er ließ seinen Freunden Zeit, um zu verdauen. Das war kein einfacher Stoff, aber es war leichter und besser, wenn auch sie es wussten. „Jedenfalls, hab ich gedacht, dass wir nachhaken sollten und hier mit suchen anfangen. Außerdem habe ich ihm zwei Dinge versprochen. Erstens: Wird er von Ayaka befreit und Zweitens: Einer von uns ist bei ihm, sobald er aufwacht. Gibt es Freiwillige?“ Shinya erhob sich. „Ich gehe ihn besuchen. Ich hab ihn schon länger nicht gesehen.“ Ein schiefes Lächeln entstand auf seinem Gesicht. „Mach das. Und vergiss nicht: Du bist aus seinem Traum und bist da, um auf ihn aufzupassen.“ „Keine Sorge, Kaoru. Das hätte ich so oder so gemacht. Sag mir lieber welche Nummer sein neues Zimmer hat.“ „Dreihundertdreiundachtzig.“ „Geht klar. Wir sehen uns dann später.“ Die beiden Gitarristen winkten kurz zum Abschied und sahen dem von dannen ziehenden Shinya hinterher. „Erklärst du mir jetzt genau warum wir hier sind?“ „Wir zwei, mein Lieber“, er legte ihm grinsend einen Arm um die Schulter, worauf Die schon nichts Gutes ahnte, „werden uns jetzt die Zeitungen von vor vier Monaten ansehen und die Augen aufhalten nach Berichten über eine Tote. Am Besten noch irgendetwas mit Drogen. Immerhin ist er mit dem Zeug in Kontakt gekommen, wie wir wissen. Also denke ich, dass er über sie daran gekommen ist.“ Die sah ihn entsetzt an. „Weißt du wie viel Arbeit das ist?“ „Deswegen sollt ihr, oder im Moment du, mir dabei auch helfen. Also komm.“ Surren? Ach ja, die ollen Lampen. Sind die immer noch an? Kann nicht. Ich bin zwischendurch wach geworden und da war es dunkel. Irgendwer zerrt an meinem Handgelenk herum. Mürrisch mache ich ein Auge auf, schaue mich um. Eine von den Schwestern ist da und ist damit beschäftigt mich wieder fest zu binden. Warum denn? Sie merkt, dass ich wach bin, ignoriert mich aber gleich wieder. Muss sie mich denn unbedingt anfassen? Warum tut sie sich das denn nur an? Ich mache das Auge wieder zu. Versuche sie zu ignorieren. Will nicht wahr haben, dass jemand mich dreckiges Ding anfasst. Das dürfen nur meine Einbildungen. „Na, bist du auch endlich wach, du feiges Vieh? War schon langweilig dich nicht ärgern zu können. Und? Hast du schon gemerkt, dass du dich jetzt ganz alleine mit mir rumschlagen musst? Deine kleinen Fantasiefreunde sind nicht hier.“ Ayaka. „Lass mich doch in Ruhe“, murmle ich ihr zu. Weit entfernt höre ich, wie die Tür auf und zu geht. Jetzt bin ich wohl ganz allein mit ihr. „Erst wenn ich dich mit ins Jenseits genommen und zu einer qualvollen Existenz verdammt habe. Nicht eher.“ „Halt doch den Mund.“ „Wen meinst du?“ Erschrocken drehe ich meinen Kopf nach links und reiße die Augen auf. „Schön dich zu sehen, Kyo.“ Shinya. Und er strahlt regelrecht. So wie ich ihn kenne, wenn er lächelt. „Ist doch einer von euch da.“ Er lacht und steckt mich damit an. „Du kannst es ja noch. Vergiss das Lachen nicht wieder.“ „Werd mich bemühen. Versprochen.“ „Das höre ich gerne.“ Er lacht wieder. Schön es zu hören. Weiterhin lachend zieht er sich die Jacke aus, setzt sich auf den Stuhl neben mich und sieht mich. „Du, Shinya?“, frage ich und sehe ihn traurig an. „Ja?“ „Ich glaube, ich habe dem wirklichen Shinya sehr viel Angst gemacht. Meine Erinnerung sagt mir, dass er mich gefunden hat. Das muss doch schrecklich für ihn gewesen sein.“ Sanft legt der Traum- Shinya eine Hand auf meinen Arm. „Er wird drüber hinwegkommen. Da bin ich mir ganz sicher. Öffne dich ein bisschen, zeig ein Lächeln und wenn alles vorbei ist und die Zicke einen Abgang gemacht hat…“, eine ungewöhnliche Ausdrucksweise von ihm. „Unverschämtheit! Mich ‚Zicke’ zu nennen. Das lass ich mir doch nicht bieten!“ „…wird eh alles besser.“ „Sie regt sich gerade darüber auf, wie du sie genannt hast“, informiere ich ihn. „Mir egal. Sie ist Schuld daran, dass du hier bist und das findet von deinen Freunden und Fans keiner schön.“ So hochnäsig kannte ich unseren Chibi gar nicht. „Ich weiß. Aber ich finde es halt auch nicht richtig mich auf die Bühne zu stellen und mich feiern zu lassen und zu tun als ob nichts wäre, wenn ich doch so etwas Schlimmes getan habe.“ „Das verstehe ich. Aber was ist mit deinen Freunden?“ „Hättest du sie mit diesem Wissen belastet?“, stelle ich die Gegenfrage und sehe ihn eindringlich an. „Nein, vermutlich nicht.“ Er kratzt sich verlegen am Hinterkopf und guckt etwas verpeilt. Das sieht lustig aus. „Lach doch nicht über mich.“ „Doch.“ Ich grinse ihn nochmals an, ehe ich ernst werden muss. „Weißt du etwas über die Echten?“ Eigentlich idiotisch diese Frage. Woher soll er das denn wissen. Für einen Augenblick sieht er etwas verwirrt aus, dann lächelt er. „Ihnen geht es gut. Sie sind ein wenig erschöpft von den vielen Sorgen, die sie sich machen, aber es geht ihnen gut. Sie haben sich gefreut, dass du den Kuchen gegessen hast. Das gab ihnen Hoffnung.“ „Woher wissen sie das?“ „Dein Arzt hat es Kaoru erzählt. Und solch gute Nachrichten sollte man nicht für sich behalten.“ „Ach so.“ Der falsche Shinya weiß mehr, als ich dachte. „Mach dir keine Sorgen. Es geht ihnen wirklich gut. Und es würde ihnen noch besser gehen, wenn du wieder auf die Beine kommst.“ Ich sag ja nicht, dass er unrecht hat. Im Gegenteil. Es ist nur… „Ich habe Angst.“ „Wovor?“ „Das es herauskommt und ich weggesperrt werde.“ Er sieht mich mitfühlend an, hebt dann seine rechte Hand und streichelt meinen Kopf. „Das wird schon. Vertrau mir. Du hast es doch nicht absichtlich getan. Habe ich recht?“ „Ja, hast du.“ Plötzlich steht sie hinter Shinya und sieht ihn böse an. „Er wird nicht davonkommen. Glaub das ja nicht.“ Ich kann mir das kaum mit ansehen. Sie sieht aus als würde sie ihm am liebsten wehtun wollen. „Geh da weg. Du wirst ihm nichts tun können.“ „Aber ich kann es versuchen.“ Sie ist verrückt. Langsam bewegen sich ihre Finger auf Shins Hals zu. „Tu ihm nicht weh.“ „Das kann sie nicht“, mischt sich mein Freund ein. „Immerhin bin ich doch gar nicht wirklich hier. Da wird sie mir nichts tun können.“ Tatsächlich. Er hat recht. Ihre Finger können sich nicht um seinen Hals schließen. Sie gehen hindurch. „Nein! Ich will dir jetzt weh tun. Setz ihm nicht solche Flausen in den Kopf. Er hat getötet. Er wird nicht so einfach davon kommen.“ Immer und immer wieder greift sie zu und ins nichts. Shinya fängt an zu grinsen. „Ich spüre rein gar nichts. Siehst du. Sie kann mir nichts.“ „Sei froh, dass du sie nicht hören kannst. Ihre Stimme ist unerträglich und jedes Mal beleidigt sie mich, wenn sie den Mund aufmacht.“ „Mach’s wie ich: Ignorier sie einfach“, sagt er Schulter zuckend, als wäre es das Banalste der Welt. „Na komm. Du kannst das doch sonst so gut.“ „Aber es ist nicht mehr wie sonst.“ „Gib dir ein bisschen Zeit.“ „Um auf die Beine zu kommen?“ „Ja. Übe es doch einfach. Jeden Tag ein bisschen. Dann wird das schon. Wir helfen dir auch.“ „Danke.“ Jetzt strahlt er schon wieder. Und ich dachte immer Die wäre der mit dem Dauergrinsen. „Keine Ursache. Aber jetzt befreie ich dich erstmal wieder von den Bändern. Macht doch gar keinen Sinn.“ Er steht auf und geht einmal rund um das Bett um die Schnallen zu lösen. In dem Moment knurrt mein Magen. Peinlich. „Hast du noch nichts gegessen?“, fragt er Stirn runzelnd. Ich schüttle den Kopf. „Unverschämtheit. Der Tag ist schon fast vorbei. Wie sollst du denn da überhaupt zu Kräften kommen. Warte kurz.“ Und weg ist er. Aber was kann er denn schon anrichten. Er ist doch nicht real. „Du willst mich also ignorieren, ja? Daraus wird nichts Ich bin sowas wie dein Gewissen. Mich nicht zu beachten. Das ist unmöglich.“ Doch, es muss möglich sein. Es muss. Ich schließe meine Augen, konzentriere mich auf etwas anderes. Auf einen Song, Meeresrauschen, Origami, den Flug eines Schmetterlings! ... Stille. Sie sagt nichts. Ist sie weg? Zögerlich mache ich die Augen auf . Sie ist weg. Ayaka ist weg. Nein, sie versteckt sich. Mit Sicherheit. Damit sie mich wieder ärgern kann, wenn ich nicht an sie denke. Denn sie kann nicht verschwinden. Immerhin ist sie real. Zur Vorsicht sehe ich mich lieber noch einmal um. Nix. Ich sehe absolut nix von ihr. „Was ist?“, fragt Shinya, als er wiederkommt. „Suchst du etwas?“ „Sie- Sie ist weg.“ „Ayaka?“ „Ja. Ich habe versucht mich auf etwas anderes, als sie zu konzentrieren und dann…“ „War sie weg. Ist doch schön. Und guck mal. Ich hab dir was zu essen mitgebracht. Was einfaches, das nicht so schwer im Magen liegt.“ Auf dem Tablett steht eine Reisschüssel, ein Schälchen mit eingelegtem Gemüse und ein Schokopudding zum Nachtisch. „Brauchst du Hilfe beim essen?“, fragt er. Ich versuche meine Arme anzuheben, aber es kostet Kraft und nach einigen Millimetern ist Schluss. „Dann helfe ich dir“, bietet er mir an und ich nicke dankbar. „Das mit den Armen kriegen wir auch wieder hin. Jeden Tag ein bisschen üben.“ Er nimmt die Stäbchen und die Reisschüssel in die Hand und nimmt ein wenig Reis auf. Sich füttern lassen hatte ich zwar schon lange hinter mir gelassen, doch so schlimm finde ich die Vorstellung jetzt gar nicht. Artig mache ich den Mund auf und esse was Shinya mir gibt. Es schmeckt alles so real und mein Hungergefühl verabschiedet sich auch mit jedem Bissen. Wir sind mittlerweile beim Schokopudding angekommen und…er schmeckt so viel besser als ich es in Erinnerung hatte. Es ist als ob meine Erinnerungen aufgefrischt werden. „Shinya?“ „Hm?“ „Wenn ich mir dich nur einbilde, wie bist du dann an dieses Essen gekommen?“ „Ähm…“, stottert er rum. Wieso weiß er darauf keine Antwort? Oder ist er…? Ich merke, wie mir sämtliche Farbe aus dem Gesicht weicht. Nein, das kann nicht sein. Er ist es nicht. „Shinya? Bist du das?“ „Natürlich bin ich ich.“ „Nein. Bist du wirklich hier?“ „Ich bin hier, ja.“ „Du hast mich nicht verstanden, oder? Ich will wissen, ob du es wirklich bist.“ Er sieht mich verwirrt an, macht den Mund auf und wieder zu. Dann seufzt er resigniert: „Ja, ich bin es wirklich und keine Halluzination von dir.“ „Nein“, kommt es gehaucht über meine Lippen. Ich habe ihn mir nicht eingebildet? Dann war Kaoru gestern auch der Echte. Sonst wüsste Shinya doch nichts von all dem. Das heißt, dass sie jetzt alle wissen, was passiert ist. „Kyo, ganz ruhig. Wenn du wieder ausrastest muss ich dich festbinden.“ Man sieht ihm an, dass er das nicht gerne machen würde. Zur Vorsicht hält er jedoch meine Handgelenke fest. Sein Gesicht ist direkt vor meinem. „Trotz allem bist du hergekommen?“ Ich muss ihn das fragen. Ich muss es einfach wissen. „Wie du siehst. Aber das ist doch auch selbstverständlich.“ Wieder einmal erscheint ein sanftes Lächeln auf seinem Gesicht und er legt seine Stirn an meine. „Wir sind für dich da. Kaoru ist entschlossen sein Versprechen dir gegenüber einzulösen und wir anderen unterstützen ihn. Du musst uns nur lassen.“ Er…ist so ernst. So entschlossen. „Lässt du uns?“ Was soll ich antworten? Ich möchte es gerne, nur andererseits will ich keinen von ihnen belasten. „Lässt du uns?“, wiederholt er, diesmal schon eindringlicher. Darauf bleibt mir eigentlich nur eine Antwort: „Ja.“ Kaoru und Die hatten sich durch unzählige Zeitungen gewühlt. Jeder noch so kleine Artikel wurde mehrfach überflogen und sie waren schlussendlich doch noch fertig geworden: 26-jährige Drogenabhängige ermordet in der Wohnung aufgefunden In einem Tokioter Hochhaus fand man gestern die Leiche einer jungen Frau. Takeno A. wurde durch einen Schlag auf den Hinterkopf getötet. Die Polizei fand Drogen in ihrer Wohnung und in ihrem Blut. Es wird vermutet, dass sie von einem zahlungsunfähigen Käufer erschlagen wurde. Die Mordwaffe schien jedoch spurlos verschwunden zu sein. Bei Hinweisen wenden Sie sich bitte an die Polizei von Tokio. Tel.: 12x98/163872c Zumindest hatten sie nun den ganzen Namen herausgefunden. Takeno Ayaka. Was anfangen können sollte man damit. Den Punkt mit der Polizei ließen sie aus. Immerhin wollten sie Kyo nicht ausliefern. Auch wenn es sie schon gewundert hatte, dass man ihn noch nicht verdächtigt hatte. Bei Gelegenheit sollte man den Jüngeren dazu mal befragen. Nachdem die Bibliothek geschlossen hatte, waren die Beiden zu Dies Wohnung gefahren, um gemeinsam im Internet zu recherchieren. „Ist alles nicht wirklich hilfreich“, murmelte Kaoru. „Nach was suchst du denn?“ „Weiß ich noch nicht. Wenn ich es gefunden habe, dann weiß ich das vielleicht.“ Daisukes Kopf rutschte Richtung Schreibtischplatte. „Wonach würdest du denn suchen?“, zischte der Schwarzhaarige. Er wollte etwas finden. Es hatte schon gut angefangen und er wollte jetzt noch ein weiteres Erfolgserlebnis. „Lass uns doch mal schauen, ob wir sie nicht noch irgendwo finden. Ich wäre nämlich dafür, dass wir ihre Familie aufsuchen und zu Kyo bringen, damit er sich mit ihnen aussprechen kann“, schlug der etwas Jüngere vor. „Und gegenseitige Entschuldigungen. Hätten die nämlich besser auf ihre Tochter aufgepasst hätten wir den Salat nicht.“ Kaoru grummelte noch eine Weile vor sich hin. Wenn er nur daran dachte was für Auswirkungen das Tun dieses Mädchens hatte… Er war so in seine Gedanken vertieft, dass er nahe an einem Herzinfarkt war, als sein Handy begann zu klingeln. „Hey Shin“, begrüßte er den Anrufer. Die warf ihm einen fragenden Blick zu, den Kaoru mit einem unwissenden Gesichtsausdruck beantwortete. „Du bist vor dem Krankenhaus…Ja, ist schon spät…wir sind bei Die und recherchieren noch ein wenig im Netz…Ja, komm ruhig her…Neuigkeiten?“ Er runzelte die Stirn. „Was denn für Neuigkeiten?…Von mir aus…Bis gleich.“ Murrend legte er auf. „Neuigkeiten. Und dann macht der da auch noch ein Geheimnis draus.“ Daisuke schüttelte den Kopf, wandte sich dem Monitor zu und meinte: „Er ist gleich hier, dann wird er dir schon erzählen was er weiß.“ „Gleich ist zu lang. Er war bei Kyo. Da ist jede Nachricht wichtig.“ „Jetzt schmoll doch nicht gleich. Du hast heute Nachmittag dasselbe mit uns gemacht, falls du dich erinnerst.“ Kaoru machte den Mund auf und fixierte Dies Hinterkopf, wurde von diesem jedoch unterbrochen: „ ‚Ich bin Band-Leader, ich darf das’ zählt nicht. Hilf lieber beim Suchen. Schließlich war es deine Idee.“ Der Schwarzhaarige gab sich geschlagen und sah nun ebenfalls auf den Monitor, überflog die Suchergebnisse. Drei Seiten und etliche Misserfolge später seufzte Die entmutigt auf. „Die vielen anderen Zeitungsartikel sagen auch nicht mehr, als wir schon wissen. Und der Rest meint jemand anderes. Wir sollten etwas anderes versuchen.“ „Was schwebt dir denn diesbezüglich vor?“, fragte Kaoru. Auch er hatte sich schon mehr erhofft. „Weiß nicht. Schlag was vor.“ „Was meinst du, warum ich dich frage?“ Bevor sie allerdings weiter streiten konnten klingelte es an der Tür. Kaoru stand auf und öffnete dem späten Besuch den Weg in die Wohnung. Dieser war nur zur Hälfte wie erwartet. „Konbanwa ihr Zwei“, begrüßte er Shinya und Toshiya und ließ sie hinein. „Habt ihr schon etwas herausgefunden?“, fragte Shinya, während er sich seiner Schuhe und Jacke entledigte. „Haben wir, aber es ist nicht viel und helfen tut es auch nicht wirklich“, stöhnte Kaoru, „Allerdings bestätigt das bisher Gefundene meine Vermutung. Blöderweise haben wir bis jetzt noch kein Foto gefunden oder etwas über die Familie“, erklärte der Band-Leader weiter und führte seine Freunde ins Wohnzimmer, wo Die immer noch einige Seiten durchsuchte. Als Kaoru mit den beiden Anderen den Raum betrat sah er auf und grinste ihnen matt zu. „Hi Jungs.“ „Hallo Die“, grüßte Shinya zurück und Toshiya ließ ein leises ‚Hi’ verlauten. Der Bassist sah verschlafen und verheult aus. Die erhob sich von seinem Bürostuhl, streckte sich ausgiebig und rieb sich über die schmerzenden Augen. „Ich hole uns mal was zu trinken. Gibt es irgendwelche Wünsche? Sonst mach ich Kaffee.“ „Kaffee ist gut“, meinte Toshiya leise und die anderen stimmten ihm zu. Damit verschwand Dai in seiner Küche. Kaoru sah Shinya an und fragte: „Hast du es ihm eigentlich schon erzählt?“ Shinya nahm auf dem Sofa Platz, lehnte sich zurück. „Hab ich.“ „Ja, hat er. Was meinst du warum ich so fertig aussehe“, scherzte der zweite Schwarzhaarige sarkastisch und setzte sich auf die Armlehne des Sofas. Um nicht als einziger stehen zu müssen platzierte sich Kaoru auf dem 2. Sitzmöbel. Er seufzte. „Ich will jetzt mehr über diese Frau erfahren!“ „Das kommt noch, Kaoru“, meldete sich Dai aus der Küche zurück. „Vor allem, wenn Shinya endlich anfängt zu erzählen.“ Er ließ sich neben Kaoru fallen und sah den Drummer neugierig an. Der Kaffee brauchte noch einen Moment. „Ich mach ja schon. Also, wir können uns die Nummer mit der Einbildung ab sofort sparen. Er hat kapiert, dass Kaoru und ich echt waren.“ „Shimatta!“, fluchte Kaoru. „Dabei war das so eine gute Möglichkeit an ihn ran zu kommen. Ist er wieder ausgetickt?“ „ ‚Wie hat er es herausgefunden?’ würde mich mehr interessieren“, sagte Die. „Er hatte Hunger“, begann Shinya, „und da habe ich ihm eben etwas zu essen besorgt. Er konnte sich dann jedoch nicht erklären wie eine Halluzination an echtes Essen heran kam. Da hat es wohl ‚klick’ gemacht. Zum Glück erst nachdem er alles aufgegessen hatte.“ „Wieso zum Glück?“, hakte der Zweitälteste nach. „Weil er sonst noch verhungert wäre. Hättest mal das Magenknurren von ihm hören sollen. Außer unserem Kuchen und der Tropfnahrung muss er wohl in den letzten Tagen nichts bekommen haben.“ Shinya war empört. „Ist er ausgeflippt oder nicht?“, kam Kaoru nochmals auf seine Frage von vorhin zurück. „Nein.“ Auf den Gesichtern der Anderen zeigte sich eine Mischung aus Verwunderung und Freude. „Bevor er das nämlich konnte, habe ich ihn an die Konsequenzen erinnert. Er akzeptiert jetzt, dass wir ihm helfen wollen. Er lässt uns jetzt an sich heran.“ Allgemeine Erleichterung und Freude lag in der Luft. Jetzt konnte es ja nur bergauf gehen. Kurz darauf musste Shinya dann gehen. Weil er das Krankenhaus sonst nicht mehr hätte verlassen können. Kann ich ja verstehen. Vermutlich wollte er den Anderen erzählen was hier passiert ist. Sie wollen mir helfen. Endlich habe ich das verstanden. Jetzt ist meine Welt nicht mehr schlicht schwarz, sondern weitaus grauer. Ich muss endlich eingestehen, dass ich etwas falsch gemacht habe und dafür gerade stehen muss. Meine Teufelsspirale ins Verderben hat ein Ende. Ich wollte es nur nicht wahr haben. Ich muss dazu stehen. Es geht nicht anders. Und außerdem soll Ayaka ihre Ruhe finden und ihre Familie sollte auch endlich die Wahrheit erfahren. Er hat gelächelt. Shinya hatte gelächelt. Er hatte sich wirklich gefreut. Weil ich mit ihm geredet habe. Kaoru hatte das auch getan. Nicht alle Menschen hassen mich für meine Tat. Es ist so schön das zu wissen. Ich seufze vor Glück, muss lächeln. Ich hätte mir, und vor allem den anderen, viel ersparen können. Eigentlich möchte ich mich ja jetzt gern auf die Seite drehen, weil das Ewige liegen langweilig wird, aber dazu fehlen mir die Muskeln, oder besser gesagt, die sind nicht stark genug. Sie sind erschöpft, erledigt, weil ich sie mit aller Kraft und all meinem Willen benutzt habe. Dabei war meine Muskulatur noch nicht so weit. Ich könnte ja noch ein bisschen üben. Es ist zwar gefühlt mitten in der Nacht, aber großartig schlafen kann ich nicht. Nicht nach diesem Tag. Ich bin ja gespannt wer mich als nächstes besuchen kommt. Am liebsten würde ich Toshiya und Die gleichzeitig sehen. Mich dafür entschuldigen, dass ich ihnen soviel Angst und Kummer bereitet habe. Obwohl es Dai vielleicht noch härter getroffen hat, bei unserem Treffen. Hoffentlich haben sie es mir nicht übel genommen und sich von mir abgewendet. Ich sollte ihnen zeigen, dass ich es ernst meine. Ich schließe die Augen, konzentriere mich auf meinen rechten Arm und meine Finger. Mit denen sollte ich anfangen. Ich übe mich daran die Finger nach unten zu drücken. Es ist nicht leicht, aber ich fühle wie die Matratze ein wenig nachgibt. Ein gutes Gefühl. Ich habe etwas geschafft. Motiviert doch gleich wieder. Und jetzt jeden Finger einzeln. Anstrengend. Unglaublich. Eigentlich etwas ganz alltägliches, aber für mich grenzt es schon an ein Wunder. Was mache ich erst, wenn ich wieder laufen kann? Die Vorstellung bringt mich zum grinsen, denn wahrscheinlich wird es etwas ganz verrücktes sein. Wie auch immer. Nächste Hand. Doch gerade als ich anfangen will, geht die Tür auf und eine von den Ziegen von Krankenschwestern kommt herein. „Haben die den schon wieder losgebunden.“ Sie will die Lederschnallen wieder anbringen. „Bitte nicht.“ Sie hält sofort inne und sieht mich mit großen Augen an. Auch wenn mich das Flurlicht ein wenig blendet und ihren Rücken anstrahlt ist es erkennbar. „Es ist nicht nötig. Ich kann mich nicht bewegen“, versuche ich zu erklären. Sie sieht mich nur noch geschockter an. Weiß wohl nicht was sie von der ganzen Sache halten soll, wie? Plötzlich dreht sie sich um und rennt aus dem Raum. Hab ich ihr jetzt Angst eingejagt? Wollte ich gar nicht. Dann übe ich eben weiter. Wo war ich? Ach ja, linke Hand. Durch das hereinströmende Licht kann ich sogar sehen, dass es klappt. Erst alle zusammen und dann wieder jeden Finger einzeln. Das ist zwar alles nur schwach, doch man erkennt was das werden soll. Als nächstes: Anheben. Schon schwieriger, aber zu machen. Die Bewegungen sind zittrig. Verständlich. Doch es verlangt mir mehr ab, als ich es gern hätte. „Aber wenn ich es ihnen doch sage, Herr Doktor. Er hat mich angesprochen.“ Kaum ist das an mein Ohr gedrungen steht die Pflegerin von eben wieder in meinem Zimmer, hinter ihr ein Arzt. Ich glaube, dass das meiner ist. „Wieso sollte er von einem Tag auf den anderen sein Verhalten ändern? Das ergibt keinen Sinn. Und jetzt machen Sie ihn bitte wieder fest, falls er einen weiteren Anfall bekommen sollte.“ Der redet so, als wäre ich nicht da. Oder zu bescheuert um etwas zu verstehen. Na, der wird sich wundern. „Sie als Arzt sollten eigentlich wissen, dass ich durch das lange Liegen keine Muskelkraft habe. Einen von den ‚Anfällen’ werde ich so schnell nicht wieder bekommen.“ Ha, jetzt ist er platt. „Würden Sie jetzt bitte beide gehen? Es ist mitten in der Nacht und ich möchte jetzt gerne etwas schlafen.“ Auch wenn letzteres nicht stimmt schließe ich demonstrativ die Augen. Spätestens jetzt sollten sie verstanden haben, dass die unerwünscht sind und ich keine Lust auf weitere Gespräche verspüre. Allerdings brauchen sie länger, als ich erwartet habe. Doch dann höre ich Schritte, das Schließen der Tür und bemerke wie es dunkler wird. Na also geht doch. Warum nicht gleich so. Die Augen weiterhin geschlossen setze ich meine Übungen so lange fort, bis meine Finger schon völlig fertig sind. Und nicht nur die. Meine Arme schmerzen auch schon. Mach ich eben mit den Füßen weiter. Man, ich muss echt zum lachen aussehen, wie ich hier liege und leicht mit den Zehen wackel, mit einem dümmlichen Grinsen, denn irgendwie machte es Spaß, im Gesicht. Aber ich will und muss ‚wieder auf die Beine kommen’. Für die anderen und auch für mich. Vielleicht auch ganz besonders für mich. „Ich glaube, wir werden so nichts finden.“ Die rieb sich über die müden Augen. „Es ist gleich zwei Uhr durch. Mir tun die Augen weh und du siehst auch nicht mehr wach aus, trotz drei Tassen Kaffee.“ Er stöhnte entnervt auf. „Unsere Kleinen“, er nickte Richtung Couch, „besetzen schon ganz breit das Sofa und schlummern bereits vor sich hin.“ „Ich kann aber nicht aufgeben“, protestierte der Ältere. „Verlangt auch keiner, aber wir haben jetzt so viel gesucht und sind nicht weiter gekommen, als dass wir ihren Nachnamen und ihr Alter herausgefunden haben.“ „Lass mich doch.“ „Nein, du gehörst nämlich ins Bett.“ Allmählich wurde es lächerlich. „Nur noch dieses eine Ergebnis.“ „Du hörst dich an wie ein Kleinkind“, seufzte Die Kopfschüttelnd. „Gar nicht“, kam die patzige Antwort. „Von mir aus.“ Die war zu müde um sich mit dem Anderen zu streiten. Kaoru klickte das von ihm auserwählte Suchergebnis an. Während die Seite, irgendeine kleinere Lokalzeitung, sich aufbaute bekam er große Augen. Schnell haute er Dai seinen Ellenbogen in die Rippen, da dieser den Kopf auf seine Arme gelegt hatte. „Hast du ’ne Meise? Das tut verdammt noch mal weh!“ „Sei still und schau was ich gefunden hab.“ Immer noch wütend wandte Die seinen Blick dem Bildschirm zu. „Was?“ „Schade, dass man solche kleinen Zeitungen nicht eher findet.“ „Lass mal lesen.“ Schnell überflogen die beiden Gitarristen die Zeilen. „Wow“, äußerste sich Die. „Jetzt haben wir mehr erfahren als in den letzten 3 ½ Monaten zusammen. Druck die Seite mal aus“, bat der Dunkelbraune seinen Freund, der die Finger noch an der Maus hatte. Ein paar Klicks und der Drucker begann zu arbeiten, spukte wenig später ein bedrucktes Blatt Papier aus. „Und jetzt fährst du das Ding runter.“ Kaoru folgte nichts ahnend der Anweisung. „Jetzt stehst du auf“, Kaoru erhob sich, gefolgt von Die, „Gehst zur Couch und legst dich schlafen.“ Kaoru drehte sich um, machte den Mund immer wieder auf und zu, wollte etwas sagen. Doch der Andere stoppte den Versuch: „Kao, tu dir selbst einen Gefallen und leg dich schlafen. Ich besorge jetzt noch ein paar Decken für euch und ich will keinen Mucks mehr hören.“ „Ja, Mama.“ „Nee, Papa. Die Mama bist immer noch du. Aber wenn Mama nicht auf sich aufpassen kann muss Papa mal ernst werden und eingreifen.“ Er schubste den Schwarzhaarigen Richtung Sofa. „Hey, nicht so grob!“ „Memme. Los hinlegen! Und wehe, du weckst die Kinder auf. Soll ich dem gnädigen Herrn noch ein Glas Wasser holen?“ „Nein, Papa, brauch ich nicht.“ „Dann schlaf endlich.“ Entschlossen und entnervt packte der Rhythmusgitarrist den Leadgitarrist bei den Schultern und drückte ihn auf das Sitzmöbel. „Komme gleich wieder. Wehe du bewegst dich auch nur einen Millimeter.“ Seufzend drehte sich Die um und ging in sein Schlafzimmer, um noch die Decken aus dem Schrank zu holen. Wieder zurück musste er sich beherrschen nicht über das heutige ‚Problemkind’ herzufallen und es zu erwürgen. Da war er keine 5 Minuten weg und der lag selig schlummernd auf der Couch. „Sturkopf“, murmelte er grinsend, legte danach jedem einzelnen seiner Freunde eine der Decken über, ehe er sich selbst in sein Bett verkroch. Als ich meine Augen wieder öffne fühle ich mich zum ersten Mal seit langem erholt. Hatte schon vergessen, wie sich das anfühlt. Es ist toll. Mit noch immer müden Augen schaue ich mich ein wenig um, kann aber keinen von den anderen oder einen Hinweis auf ihre Anwesenheit finden. Ist es denn wirklich noch so früh? Oder haben sie es sich anders überlegt? Bitte nicht. Nicht jetzt. Wollt ich euch jetzt wirklich von mir abwenden? Mich wieder kaputt machen? Das traue ich euch nicht zu. Nach dem was gestern passiert ist? Nein. Es wird noch einer von euch kommen. Da bin ich mir sicher. Positiv denken. Nur positiv denken. Schwer wenn einem der Magen knurrt. Und ich komm auch nicht an diesen blöden Knopf ran um jemanden zu rufen. Da sieht man mal für wie selbstverständlich wir jede banale Bewegung halten. Ich komme mir wieder so hilflos vor. So schrecklich hilflos. Und diese Stille um mich herum. Vor einigen Wochen habe ich diese Stille noch gesucht, aber jetzt wäre mir vieles lieber als diese drückende Geräuschlosigkeit. Wenn ich es meiner Stimme zutrauen würde, würde ich anfangen zu singen, aber dafür schwankt sie zu sehr. So ein Mist. Aus Langeweile fange ich wieder an mit den Zehen zu wackeln und die Finger zu bewegen. Einfach nur wackeln und anheben. Einfach so munter vor mich hin wackeln. Plötzlich geht die Tür auf, das Licht an und mein Arzt kommt herein. „Guten Morgen, Niimura-san.“ „Was wollen Sie?“ „Ich will mich nur nach Ihrem Zustand erkundigen.“ „Zustand?“, frage ich skeptisch nach. „Ja, nach Ihrem körperlichen Befinden und nicht zu vergessen dem geistlichen.“ Aha, der Zustand also. Vermutlich auch der einzige Grund warum er hier ist. „Mit dem Kopf gibt es kein Problem. Nur mit dem Körper. Der will sich nämlich nicht bewegen.“ Der Arzt nickt und notiert sich etwas. „Könnten Sie bitte den linken Arm anheben? Dann kann ich mir ein Bild davon machen.“ ‚Wenn es hilft’, denke ich so bei mir, ‚tue ich ihm den Gefallen.’ Mit größter Anstrengung bekomme ich meinen Unterarm ein wenig angehoben, aber es kostet mich heute Morgen einfach zu viel Kraft und auch wenn es nur wenige Sekunden sind, bevor ich den Arm wieder fallen lasse, atme ich so schwer wie nach den ersten paar Songs bei einem Auftritt. Passt mir ja gar nicht. „Dann werden wir wohl ganz von vorne anfangen müssen. Ist nicht weiter schlimm, dauert nur ein bisschen länger. Auf jeden Fall werden wir das wieder hinbekommen.“ Er schreibt wieder etwas auf. Irgendwie hätte ich gern meine Stille zurück. Oder zumindest eine andere Person. Wenn ich es mir recht überlege, dann wohl doch eher Letzteres. „Ich denke, wir werden Sie bald ruhigen Gewissens auf die normale Station verlegen können. Allerdings möchte ich zuvor noch gerne einige psychologische Tests durchführen. Denn erst dann kann ich mir sicher sein was ihre Genesung betrifft.“ Psychologische Tests. Kann er vergessen. Ich bin nicht, war nicht und werde hoffentlich nie verrückt sein. „Ich hatte Gründe für mein Verhalten. Die Sie auch nicht im Geringsten etwas angehen“, erkläre ich ihm laut und deutlich. „Es ist nicht unbedingt ihr hier gezeigtes Verhalten, sondern vielmehr das Selbstverletzen im allgemeinen, dass mir Sorgen bereitet.“ Das hat er nicht wirklich gesagt, oder? Er will mir mein Ventil nehmen? Meine Möglichkeit dem Schmerz Ausdruck zu verleihen verbieten? Das werde ich niemals akzeptieren. Lieber bleibe ich hier liegen. „Das werden Sie mir nicht wegnehmen. Das dürfen Sie mir gar nicht wegnehmen.“ Ich sehe ihn eindringlich an. „Das gehört zu mir. Es darf nicht fehlen. Wenn ich mich nicht selbst verletze gehe ich kaputt!“ Er ist verwirrt. Der glaubt mir nicht. Er will es mir unbedingt wegnehmen. „Es stellt eine Gefahr für Sie dar.“ „Was stellt eine Gefahr dar?“ Toshiya. Er ist es also, der mich als Nächster besucht. „Was ist denn so gefährlich?“, fragt er ganz unschuldig. Wenn die große, in meinen Augen gerade vollkommen unnütze, Sonnenbrille nicht wäre könnte man seinen Engelsblick passend dazu sehen. „Hallo Toshi“, lenke ich seine Aufmerksamkeit auf mich. „Hi Kyo“, erwidert er und lächelt. Aber es wirkt nicht ganz so fröhlich wie es vermutlich sein sollte. Der Arzt räuspert sich und erhält nun Toshiyas Aufmerksamkeit. „Nun, ich werde Ihnen erklären, was ich als gefährlich betrachte. Es ist Herr Niimuras hang zur Selbstverletzung. Ich möchte gerne die Ursache dafür herausfinden und versuchen diese dann zu beseitigen.“ Toshiya guckt ihn an wie ein Auto, dass sieht man an den hochgezogenen Augenbrauen. „Hat Ihnen jemand den Verstand amputiert?“, platzt es aus ihm heraus. Jetzt guckt der Typ doof aus der Wäsche. Was für ein herrlicher Anblick. „Das geht sie ja wohl überhaupt nichts an, verstanden? Lassen Sie das mal schön unsere Sorge bleiben. Wir finden das zwar auch nicht gerade erste Sahne, aber wir wissen damit umzugehen und es einzudämmen. Und sollte es mal doch zu viel werden, weil er meint übertreiben zu müssen, dann bekommt er eine von den berühmten Niikura-Gardinenpredigten!“ Ich muss zusammenzucken. Ja, diese Predigten sind echt mies machend. Nichts woran man gerne denkt. Ich bemerke, dass der Arzt etwas blasser geworden ist. Hat er Bekanntschaft mit diesen Standpauken gemacht? Würde ich Kaoru zutrauen. Jedenfalls wurde er ziemlich bleich. Einen Blick zwischen Toshiya und mir hin und her werfend, beschließt er Leine zu ziehen. „Danke Toshiya.“ „Keine Ursache. Er hat’s ja auch nicht anders verdient.“ Er grinst wieder, diesmal weitaus gelungener. „Ich habe dir etwas mitgebracht.“ Stolz zeigt er mir eine Plastiktüte. Ist mir gar nicht aufgefallen, dass er eine dabei hat. Er stellt die Tüte neben mir auf dem Bett ab und holt eine Plastikbox raus. „Die hat das heute Morgen für dich gemacht, weil Shinya erzählt hatte, dass du gestern nichts zu essen hattest. Er hofft deinen Geschmack getroffen zu haben“, berichtet er mir, während er aus dem Behälter einige lecker aussehende Sandwiches hervorholt. „Ich habe den Auftrag ihm das Ding leer wieder zurückzugeben. Also musst du jetzt ganz fleißig essen.“ Das hört sich schon fast wieder wie der normale Toshiya an. „Mach ich.“ „Gut, dann mach mal den Mund auf.“ Ich grinse ihn unweigerlich an und öffne artig meine große Klappe. Schon wieder füttern lassen. Als Toshiya mir das erste Brot unter die Nase hält, versuche ich zu erkennen was da drauf ist, doch bevor ich auch nur das Geringste identifiziert habe, habe ich das Essen auch schon im Mund. „Und schön kauen.“ Behandle mich wie ein Kleinkind. Mach das ruhig. Hab ich nichts gegen. Unverschämtheit. „Jetzt schau nicht so. Iss lieber.“ Ich kaue und kaue und Toshiya sorgt fleißig für Nachschub. Mir tun schon die Kiefergelenke weh. Er hat schon das letzte der vier Brote in der Hand und will es auch noch an mich verfüttern. Dazu kriegt er keine Chance, denn ich drehe meinen Kopf zur Seite. „Kein Hunger mehr?“ Ich schlucke den letzten Bissen herunter und sehe ihn an. „Auch. Aber…Nimm bitte die Sonnenbrille ab. Ich möchte gerne dein Gesicht sehen bei dem, was ich dir noch sagen muss.“ Toshiya wendet seinen Kopf ab, betrachtet seine Hände. Warum will er die Brille nicht abnehmen? Ich möchte mich bei ihm entschuldigen, aber das fällt mir schwer, wenn ich ihm nicht in die Augen sehen kann. Irgendwie erscheint es mir dann nicht mehr so persönlich. Nach kurzem aufseufzen nimmt er das getönte Nasengestell endlich ab. Er sieht mitgenommen aus. Richtig fertig. Und die verweinten Augen … „Wegen mir?“ Er wirft mir einen kurzen Blick und ein schiefes Lächeln zu. „Das tut mir Leid. Ich habe das nicht gewollt. Wegen mir musst du dich doch nicht so…auspowern. Mir tut alles so Leid. So furchtbar Leid. Dabei habe ich eigentlich die ganze Zeit gehofft gehabt, dass ihr nicht wegen mir weinen müsst, dass ihr glücklich werdet.“ Kurz bleibt mir die Luft weg. Mein Mund ist auch ganz trocken. „Ich habe dir wehgetan. Sehr wehgetan. Das weiß ich. Bitte, das wollte ich wirklich nicht. Glaub mir.“ Schau mich an Toshiya. Bitte schau mich an, damit ich weiß was du denkst. Ob du die Entschuldigung annimmst. Wie geht es dir? Plötzlich fängt er an zu weinen. Tu das nicht. Tu das bitte nicht. Nicht jetzt, wo ich keine Möglichkeit habe dich in den Arm zu nehmen und zu trösten. „Toshi.“ „Entschuldige. Eigentlich wollte ich nicht schon wieder weinen. Aber du kennst mich ja.“ Verzweifelt versucht er sich die Tränen aus dem Auge zu wischen. Durch Lachen überdeckt er seine…ja, was eigentlich. „Du hast ja keine Ahnung, wie froh ich bin, dass du wieder mit uns redest und uns so nah an dich heran lässt.“ Also ist das Lachen gar kein Vertuschungsversuch, sondern ganz einfach ein Zeichen seiner Freude. Ach Toshiya. „Toshiya, hör doch auf zu weinen. Lachen reicht völlig.“ Vorsichtig hebe ich meine linken Finger, versuche die Hand zu erwischen, die im Moment auf dem Bett liegt und das Sandwich noch immer hält, um ihm zu zeigen, dass ich es zu schätzen weiß, dass er so fühlt. Aber ich komme nicht nah genug an ihn heran. Es fehlt nur noch ein winzig kleines Stück. Das deprimiert. Mit einem letzten Energieschub erreiche ich zumindest ihn gestreift zu haben. Jedoch scheint diese kleine Geste bereits zu wirken. Er sieht mich an und lächelt. „Danke.“ „Ist doch selbstverständlich. Außerdem habe ich dir zu danken.“ Toshiya wischt sich die Tränen weg und atmet tief durch. „Besser?“, frage ich. „Besser“, antwortet er mir und strahlt schon wieder, wie der Toshiya, den ich kenne, mag und der mir manchmal auf die Nerven geht. Er sieht auf das belegte Toast in seiner Hand. „Hast du noch Hunger?“ Ich schüttle nur mit dem Kopf. „Das war erstmal genug.“ „Gut, dann packe ich das erst wieder weg.“ Er legt es zurück in die Plastikbox und stellt diese anschließend auf den Tisch neben meinem Bett. „Erzählst du mir ein bisschen was?“ „Worüber denn?“, stellt er die Gegenfrage. „Weiß nicht. Erzähl mir doch was in der Welt passiert ist während ich mich zurück gezogen und hier gelegen habe.“ Kaoru las sich immer wieder den ausgedruckten Zeitungsartikel durch, um auch wirklich jede enthaltene Information herauszubekommen. Nicht nur die offensichtlichen. „Wieso haben wir das Ding nur so spät gefunden. Das hätte doch viel weiter vorne sein müssen bei den Suchergebnissen.“ „Hätte er, war es aber nicht. Wir haben es jedenfalls gefunden. Das zählt.“ Die war mittlerweile genervt. Seit Kaoru wach war hatte er diesen Zettel in der Hand und grummelte vor sich hin. Ihn zum Frühstück bewegt bekommen zu haben war immer noch ein Wunder. Kopfschüttelnd trank der Dunkelbraune einen Schluck Kaffee. „Leg jetzt endlich diesen Artikel weg“, meckerte Shinya. Sie wussten bereits alles, was der Bericht hergab. „Glaubst du etwa der Verfasser hat da geheime Botschaften rein geschrieben? Das ist alles rein sachlich.“ Er sah Kaoru streng an. „Ja, ja“, bekam er aber nur zu hören und ihr Leader hatte dabei nicht mal hochgeblickt. Shinya schnappte nach Luft. Sein Freund hatte ihn ignoriert. Eingeschnappt riss er den Zettel an sich. „Wa-?“ „Solltest du noch ein mal nach einer tiefgründigeren Information suchen zerreiße ich diesen Zettel und stecke die Schnipsel in Brand“, drohte Die und holte schon mal sein Feuerzeug aus der Hosentasche und machte die Flamme an. „Wollt ihr Kyo etwa nicht helfen?“ fragte der Älteste und schaute eindringlich von einem zum anderen. „Doch“, antwortete Shinya, „aber das hier ist einfach nur ein Zeitungsartikel. Wir werden nicht mehr finden als das, was hier offensichtlich geschrieben steht.“ „Eben. Wir sollten erstmal den Hinweisen folgen, die wir haben, denn dann kommen wir vermutlich noch an weitere und vielleicht auch zur Lösung.“ Kaoru fing an zu schmollen. Was unter anderen Umständen sogar ganz niedlich ausgesehen hätte. Er sah ein, dass die anderen Beiden recht hatten. Vielleicht war er wirklich zu verbissen gewesen. Nur war er seine ganzen Sorgen mittlerweile Leid. Als Die und Shinya bemerkten, dass der Schwarzhaarige nachgab, legte der Drummer das Papier auf den Tisch und der Gitarrist steckte sein Feuerzeug wieder ein. „Kaoru, lass uns in diese Stadt fahren. Die liegt nur ein paar Kilometer außerhalb von Tokyo. Da lässt sich schnell hinkommen“, versuchte Shinya den Band-Leader zu überzeugen. „Fahrt ihr mal. Ich warte auf Toshiyas Anruf“, winkte Die ab. Kaoru seufzte auf und erhob sich vom Sofa. „Dann lass uns fahren. Ich will keine Zeit mehr verschwenden.“ „Jetzt ist unser Leader-sama wieder voller Tatendrang“, lachte Shinya, worauf Die nickte und scherzhaft meinte: „Schön, dass ihr euch selbst rausschmeißt. Kann ich noch ein bisschen was an Schlaf nachholen.“ Die drei Musiker fingen an zu lachen. „Du Spinner“, sagte Kaoru und schlug dem Dunkelbraunen spielerisch auf den Hinterkopf. „Na los Shinya. Lassen wir dem gnädigen Herrn seinen Schönheitsschlaf genießen. Den hat er auch dringend nötig.“ „Und das von dem Mann mit den größten Augenringe, die ich je gesehen habe.“ „Mehr weiß ich nicht mehr“, meinte Toshiya und überlegte trotzdem noch mal, ob er denn auch wirklich alles berichtet hatte, von dem er wusste. „Nein, mehr fällt mir nicht mehr ein. Auch wenn da mit Sicherheit mehr war.“ „Macht doch nichts, Toshiya. Das waren reichlich viele Informationen für mich.“ Wir lachen. Für mich ein Zeichen dafür, dass nichts mehr zwischen uns steht. „Ich freue mich schon wieder darauf am normalen Leben teilzunehmen.“ „Dann können wir auch viel besser wieder etwas unternehmen“, freut sich Toshi und grinst. Er ist wieder ganz der Alte. „Ob sie dich auch ohne Test auf die normale Station verlegen? Man merkt doch, dass du wieder ‚normal’ bist.“ „Eigentlich war ich ja die ganze Zeit über ‚normal’, also hatte keine psychische Störung in dem Sinne. Ich habe alles mitbekommen, was um mich herum passiert ist. Zumindest, seitdem ich wach bin. Ich wollte euch nur nicht…Meine Hände sind…Ich konnte nicht, weil ich…“ Meine Stimme fängt an zu zittern und ich schaffe –nein- ich kann die Sätze einfach nicht vervollständigen. Es fällt mir schwer die Worte über meine Lippen zu bringen. „Schon gut, Kyo.“ Beruhigend legt er seine Hand auf meine, drückt sie sanft. „Ich weiß, was du meinst.“ „Und dennoch…?“ „Und dennoch mag ich dich anfassen und in deiner Nähe sein.“ Er sieht mich lächelnd an. Man merkt, dass er wirklich keine Angst davor hat. „Danke, Toshi.“ Ich muss das sagen. Denn, dass er und die anderen ihre Freundschaft mit mir aufrecht halten wollen, bedeutet mir sehr viel. Eigentlich reicht dieses ‚Danke’ gar nicht aus, um meine Gefühle richtig ausdrücken zu können. „Aber immer doch.“ Er lehnt sich auf dem Stuhl zurück, nimmt dabei seine Hand weg. Jetzt fehlt mir diese Geste und die Geborgenheit, die sie ausgestrahlt hatte. „Soll ich dir was erzählen?“ „Hm?“ „Du lagst gar nicht richtig im Koma. Eher in einer tiefen Ohnmacht, denn du hast auf einiges reagiert.“ „Wie?“ Warum erfahre ich das erst jetzt? Ich bin der Patient, wenn ich richtig informiert bin. „An dem ersten Tag hier…“, erinnert Toshiya sich, „Als wir endlich wussten was mit dir war, da…da konnte ich nicht anders und musste tierisch anfangen zu flennen.“ Es ist ihm peinlich davon zu erzählen. Er sieht auf seine Finger, die nervös miteinander spielen. Bevor ich ihn allerdings trösten kann redet er weiter: „Ich habe mich an deiner Hand festgehalten und du hast darauf reagiert, in dem dein Herz schneller schlug und du eine Träne vergossen hast.“ „Wirklich?“ „Hai.“ „Ich weiß da gar nichts von. Dabei möchte ich mich so gerne an solche Momente erinnern.“ „Aber du kannst dich nicht daran erinnern, denn du warst nicht bei Bewusstsein.“ Ich beiße mir auf die Unterlippe. Es wäre so schön gewesen, so früh schon zu merken, dass ich Hilfe habe. „Aber ich will mich daran erinnern. Ich muss mich erinnern.“ „Nein, das musst du nicht, Kyo. Es war dein Unterbewusstsein, dass reagiert hat. Deswegen hast du keine Erinnerungen daran. Aber das ist in Ordnung. Völlig in Ordnung. Mach dir also keine Vorwürfe. Ganz im Gegenteil, denn durch diese unbewussten Reaktionen hast du uns jedes Mal Hoffnung gemacht. Es hat uns geholfen durchzuhalten.“ Dann hat zumindest ein Teil von mir etwas richtig gemacht. Toshiya fängt an zu kichern. Was ist denn jetzt in ihn gefahren? „Weißt du was ich gemacht habe, während du ‚bewusstlos’ warst?“ Ganz der alte Scherzkeks. „Schon gut. War rhetorisch. Also…Ich hab mir zwischendurch Karten mitgenommen und dann haben wir zwei zusammen gespielt.“ „Aha.“ Moment. Toshiya und ich haben Karten gespielt, obwohl ich in einem Komaähnlichen Zustand war? Meine Augenbrauen ziehen sich dramatisch eng zusammen und meine Stirn schmeißt mit Sicherheit mehr Falten, als ich zählen kann. Geht es nur mir so oder war diese Aussage gerade wirklich unlogisch? „Erklärungsbedarf“, fordere ich ihn deshalb auf. „Ist doch ganz einfach Kyo: Ich habe für uns beide gespielt.“ „Du meinst, du hast geschummelt.“ „Ja, aber nicht nur. Aber wer hätte das auch nicht getan. Und du hast mich manchmal echt fertig gemacht. Ich weiß ja nicht wie es bei dir war, aber ich hatte immer großen Spaß.“ Ich versuche mir vorzustellen, wie lustig das ausgesehen haben musste, wenn Toshiya neben mir saß und fluchte, wenn ich –vermeintlich- gewonnen hatte. Verdammt, das sieht zu lustig aus. Lauthals beginne ich zu lachen. Warum hat man ihn eigentlich noch nicht für verrückt erklärt? „Findest du das so lustig?“, fragt er mich. Doch ich kann nur mit nicken antworten, denn ich bekomme vom ganzen Lachen kaum Luft. Und das bei einem Beatmungsschlauch in der Nase. Mir tun schon Brust und Bauch weh. „Was hast du denn mit dem angestellt?“, kommt es von der Tür und holt mich damit aus dem Lachflash zurück. „Hallo Jungs.“ Da steht ein Die in der Tür. Mit diesem breiten Grinsen im Gesicht von dem ich schon sagen muss, dass ich es vermisst habe. Er kommt weiter in den Raum hinein, schließt die Tür hinter sich. „Na?“, wendet er sich an mich, „Hat dir das Essen geschmeckt?“ „Es war lecker. Hast du wirklich gut gemacht.“ „Dann ist meine Zweitkarriere als Koch also doch nicht Eimer?“ Ich schüttle den Kopf und muss grinsen. Er hat immer noch diese wundervolle Art einen zum Lachen oder zumindest zum Lächeln zu bringen.. „Doch“, mischt sich Toshiya ein und ein diabolisches grinsen ziert sein Gesicht, „die ist im Eimer. Er hat nämlich nicht aufgegessen.“ Die macht große Augen. Ist er jetzt beleidigt oder geschockt oder…? Auf jeden Fall will er irgendetwas sagen, aber da komme ich ihm zuvor: „Es war zu viel. Ich kann noch nicht wieder so viel zu mir nehmen.“ Seine Mimik nimmt verständnisvolle Züge an und er lächelt mir verstehend zu. „Ach so ist das.“ Er wendet sich wieder Toshiya zu. „Wenn du möchtest kannst du jetzt gehen. Kaoru und Shinya können dich mit Sicherheit noch brauchen.“ Er nickt mit dem Kopf in Richtung Tür. „Gut, ich helfe den beiden. Wir sehen uns Kyo“, verabschiedet sich Toshiya von mir, während er aufsteht und sich seine Jacke wieder anzieht. An der Tür winkt er noch, dann ist er verschwunden. Die setzt sich zu mir aufs Bett, mustert mich erstmal. „Was?“, frage ich misstrauisch. „Nichts. Ich habe nur gerade festgestellt, dass du viel besser aussiehst als noch vor einem Monat.“ „Danke.“ Auch wenn ich nicht weiß, ob das gerade ein Kompliment sein sollte. „Tut mir Leid wegen vorgestern. Ich wollte nicht…Also, es war keine Absicht…“ „Iie Die. Ich sollte mich entschuldigen. Ich hätte mich nicht so zurückziehen dürfen“, gebe ich zu, denn er soll sich nicht schuldig fühlen. „Was redest du denn da?“, wehrt er allerdings ab und wuschelt mir durchs Haar. „Du darfst dir nicht allein die Schuld geben. Vermutlich hätte ich mich auch abgekapselt. Ich hätte vorgestern einfach aufpassen müssen.“ Er lässt von meiner –nicht vorhandenen- Frisur ab. Ich schüttle leicht den Kopf. „Nein, Die. Wenn du diesen ‚Fehler’ nicht gemacht hättest, wer weiß was wir dann heute machen würden. Vermutlich würden wir in diesem Moment nicht einmal miteinander reden. Ich bin eigentlich schon ganz froh, dass es so gekommen ist.“ Dai lächelt. Ein gutes Zeichen. „Warum hast du dich denn nicht anfassen lassen?“, fragt er und blickt mich von der Seite an. „Du weißt doch was ich getan habe“, entgegne ich. Er nickt. Klar, warum sollte auch er als einziger nicht wissen was los ist. „Ich habe immer wieder Blut an meinen Händen gesehen. Ich wollte nicht, dass irgendjemand mit dem Blut in Berührung kommt.“ Ich muss schlucken. Erinnerungen sind belastend. „Außerdem fühlte ich mich schmutzig, eben weil ich das getan habe. Ich wollte nicht, dass ein Teil dieses Schmutzes, der Sünde auf jemand anderen übergeht. Davor hatte ich wirklich Angst. Der Mord war ganz allein mein Fehltritt. Aus dem gleichen Grund wollte ich mit niemandem reden. Ich wollte euch schützen. Nichts anderes.“ Ich muss meinen Blick abwenden. Obwohl es doch erleichternd ist, tut es weh das alles zu äußern. Es ist eine dumme Wahrheit, eine dumme Reaktion auf das, was ich getan habe. Allerdings für mich, noch immer, die einzige Möglichkeit niemanden sonst hineinzuziehen. Wo ich doch schon nicht den Mut hatte mir das Leben zu nehmen. Oder Dumm genug war? Wer weiß das schon. So konnte ich meine Freunde schützen. Und mich. Zu niemandem geredet, damit mich niemand verurteilen und ablehnen konnte. Die sieht mich mitfühlend an und wischt mir die Tränen aus dem Gesicht. „Brauchst doch nicht weinen“, raunt er. „Ich kann aber nicht anders.“ „Das was du getan hast war, mit einigen Abstrichen, doch ziemlich weise von dir. Das Verstecken, versteht sich.“ „Inwiefern?“ Was soll daran denn schon bitte ‚weise’ gewesen sein? „Du hast uns vor einer Mittäterschaft geschützt.“ Daran hatte ich noch gar nicht gedacht gehabt. Aber… „Das ist doch jetzt zunichte, weil ihr doch wisst was passiert ist.“ Die überlegt. Bestimmt sucht er nach einer Ausrede. Vielleicht…Vielleicht sollte ich wieder anfangen zu verstummen. „Ich glaube nicht, dass das zählt, denn wir haben uns das, was wir wissen selbst erarbeitet. Das geht also in Ordnung.“ „Du bist und bleibst ein Optimist., Dai.“ „Hast du Lust ein bisschen spazieren zu gehen? Mal wieder raus an die frische Luft?“ „Wie denn? Außer meinem Kopf und meinem Gesicht kann ich sonst nichts von mir bewegen. Zumindest nicht großartig. Außerdem lassen die mich bestimmt nicht raus.“ Unser Ex-Rotschopf legt den Kopf schief und zieht die Augenbrauen hoch. Wusste er das etwa nicht? Musste Shinya denn ausgerechnet das verschweigen? „Und wo liegt das Problem?“ „Wie?“ Ihm ist irgendetwas eingefallen. „Ich wollte immer schon mal Azubi sein und einen Rollstuhl durch die Gegend schieben.“ „Ich hätte schon Lust mal wieder nach draußen zu gehen.“ Die Vorstellung ist wirklich verlockend. „Aber der Arzt…“ „Na, dann ist doch alles geklärt. Um den Arzt und seine Meinung kümmere ich mich schon. Bin gleich wieder da“, sagt er noch und ist dann auch schon aus dem Raum. Bin ja gespannt was er jetzt anstellt. „Was habt ihr herausgefunden in diesem kleinen Ort?“, fragte Toshiya gleich nach der Begrüßung. Er hatte die Beiden auf dem Parkplatz gefunden. „Einiges. Auch wenn Kaoru einem ganz schön auf den Zeiger ging“, erklärte Shinya und verdrehte beim zweiten Satz die Augen. „Hätte ich das nicht getan hätten wir die Familie nicht gefunden oder besser gesagt: Hätte uns niemand geholfen.“ Toshiya sah verwirrt zwischen den beiden Männern hin und her. „Ihr- Ihr habt allen Ernstes die Familie gefunden?“ Der Gitarrist und der Drummer nickten einstimmig. „Dann erzählt! Gebt mir Infos! Was habt ihr denen gesagt? Was haben die gesagt? Redet mit mir!“ „Aber nicht hier. Es ist kalt und ich brauche jetzt einen schönen starken Kaffee“, lenkte Kaoru ab. „Und irgendetwas zu beißen. Ich habe Hunger.“ „Toshiya spendiert dir ein Stück Kuchen, Shinya.“ „Ich tue was?“ Toshiya hatte den Faden verloren. „Du steigst erstmal in deinen Wagen und kommst hinter uns her“, ordnete Kaoru an und trat den Stummel seiner aufgerauchten Zigarette aus. „Steig ein, Shin-chan.“ „Ne.“ „Ne?“ „Genau. Du bist nämlich im Moment der grottigste Autofahrer den ich kenne. Toshiya, ich fahre bei dir mit.“ Demonstrativ stellte sich der Dunkelblonde neben den Bassisten. Der Gitarrist schaute den Drummer derweil entsetzt an. „Ich bin ein grottiger Autofahrer?“, fragte er noch mal nach, wo er doch glaubte sich verhört zu haben. „Und wie“, kam es trotzig von dem Jüngsten. Kaoru schnappte nach Luft und: „Und du fährst dagegen wie ein ängstliches…Etwas, dass noch nie hinter einem Steuer gesessen hat!“ „Besser als mit gebrochenen Knochen in irgendeiner Mauer oder anderem Auto zu stecken.“ „Jetzt reicht es aber!“, platze Toshiya dazwischen. Dieses Gezanke war mehr als unnötig. Außerdem wollte er jetzt was ganz anderes von den beiden hören. „In welches Café wolltest du denn eben noch fahren?“, fragte er Kaoru. „Fahr hinter mir her, dann siehst du es.“ Damit drehte sich der Gitarrist um und öffnete die Fahrertür. Toshiya griff nach dem Handgelenk des wuscheligen Blonden. „Wir sind gleich wieder da“, rief er dem anderen Schwarzhaarigen noch zu, während er den Drummer mitzog zu seinem eigenen Wagen. Zum Glück hatte Die ihn nach dem Frühstück nach Hause gefahren, zum Umziehen und frisch machen. Hätte er jetzt nicht seinen eigenen Wagen hier müssten die beiden Streithähnen in einem Auto sitzen und er dazwischen. Das wäre in einem Massaker geendet. „Kaoru kann so ein Idiot sein. Der fährt wirklich so. Es ist auch ätzend, dass er an allen rummeckern darf. Nur wenn wir ihn mal wegen etwas kritisieren geht er gleich in die Luft. Das ist so…so…“ „Ganz ruhig, Shinya. Ich weiß was du meinst. Und jetzt setz dich, sei artig und du bekommst zwei Stück Kuchen.“ „Bist du etwa auf seiner Seite?“ „Nein. Ich möchte nur gleich in aller Ruhe hören, was passiert ist. Und überhaupt. Ihr seid beide absolut gestresst, übermüdet und kindisch. Und ja, dass werde ich Kaoru auch gleich verklickern. Der hat das nämlich auch verdient.“ Toshiya setzte sich hinters Steuer, schnallte sich an und, ohne auf Shinya zu achten, ließ er bereits den Motor aufheulen. Der Dunkelblonde eilte um den Wagen herum und sprang regelrecht auf den Beifahrersitz. „Was ist denn mit dir?“ „Ich stehe unter Hochspannung. Er soll da endlich raus. Sonst machen die den kaputter, als sie ihn halten.“ Er parkte aus. „Du weißt aber schon, dass das bedeutet, dass Kyo sich dem Gesetz stellen muss. Ich möchte gar nicht wissen, wie das noch ausgeht.“ Leider wusste er nicht, dass er dieses Ende bald erfahren würde. „Lass uns diesen Gedanken auf später verschieben, ja? Ich muss Kaoru wieder finden.“ „Der steht da vorne.“ Shinya deutete auf den Wagen des Band-Leaders. Toshiya betätigte seine Lichthupe, signalisierte dem Älteren, dass dieser losfahren konnte. Es war ein eher kleineres Café, welches Kaoru besuchen wollte. Der Bassist erzählte ihm, wie angekündigt, dasselbe wie Shinya und verlangte dass sie sich wieder vertragen müssten. „Willst du meinen Platz einnehmen?“, fragte Kaoru Toshiya mit hochgezogener Augenbraue, nachdem sich Shinya bei ihm und er sich bei Shinya entschuldigt hatte. „Nö, nicht mal ansatzweise. Das darfst du immer noch schön alleine machen. Aber wenn ihr zwei vor euch hingrummelt und ich von eurem Ausflug nicht ein Wörtchen erfahre, kriege ich eine Krise. Ich will Kyo auch helfen und das geht nicht, wenn unter uns schlechte Luft herrscht.“ „Dann wollen wir mal erzählen. Auch wenn es nicht viel ist.“ „Schau mal, was ich schönes gefunden habe.“ Die kommt freudestrahlend wieder. Er hat es wirklich geschafft mir einen Rollstuhl zu organisieren. Unglaublich wie er das hinbekommen hat. „Ich habe mir auch noch Hilfe mitgebracht. Wegen der ganzen Plastiktüten, die du da mit dir rumschleppen musst.“ Ja, streu auch noch Salz in diese Wunde. War es jetzt unbedingt nötig mich daran zu erinnern? Zusammen mit der Krankenschwester verfrachtet er mich in den fahrbaren Stuhl. „Und damit dir nicht kalt wird“, sagt Die und mummelt mich in eine Decke, die er auch mitgebracht hat, ein. „Eine Erkältung ist wohl das Letzte, was du gebrauchen kannst, hab ich recht?“ Ich nicke nur. Worte fehlen mir, denn was Die tut…wie gesagt, mir fehlen die Worte. „Und die lassen uns jetzt wirklich nach draußen?“ Die nickt. „Klar, sonst wäre ich wohl kaum mitsamt Rollstuhl hier aufgetaucht. Wie genau ich das jetzt geschafft habe, weiß ich zwar nicht, aber der hat mich zum Schluss gar nicht richtig ausreden lassen, als ich meinte, dass ich mit Kaoru und den anderen Beiden hier auftauchen würde, um ihm kräftig mal die Leviten zu lesen.“ Gut, dann weiß ich was der Grund war. Vielleicht hätte Die sich auch einfach nur vor den Typen stellen und ihm sagen müssen, dass er Kaoru anruft, um seine Meinung dazu zu hören. „Rollstuhlrennen?“ Die steht hinter mir und beugt sich über mich. Grinsend natürlich. „Heute nicht. Ich glaube, das vertrage ich noch nicht.“ „Schade“, kommt es von Die. Ich will ihm ja auch nicht den Spaß verderben, aber ich fühle mich wirklich nicht in der Verfassung dafür. In einem gemütlichen Tempo geht es dann doch endlich los. „Was ist eigentlich für ein Wetter draußen?“, frage ich beiläufig, denn in meinem Zimmer ist kein Fenster. Haben wohl Angst ich würde da raus hüpfen, wenn ich eins hätte. „Es ist ein bisschen windig und leider scheint die Sonne nicht. Den ganzen Tag lang ist es schon bewölkt. Dabei würde Sonne dir echt gut tun.“ „Nein, würde sie nicht“, erwidere ich. „Wie kommst du denn auf sowas? Sonne hat noch nie jemandem geschadet.“ Ich muss seufzen. Aber ich kann es ihm auch nicht übel nehmen. „Du weißt, dass ich recht habe.“ „Die Sonne hat also noch nie jemandem geschadet? Und was ist dann mit Vampiren, Sonnenbrand und den Menschen mit einer Sonnenallergie?“ Er hat ein Argument auf der Zunge, das höre ich, weil er nach Luft geschnappt hat. „Und was ist“, lege ich nach, „mit den Leuten, deren Augen eher an die Dunkelheit gewöhnt sind? Zu denen ich derzeitig zähle? Es gibt Momente in denen mir sogar das gedämpfte Licht weh tut.“ „Oh“ ist das einzige, was er daraufhin von sich gibt. Daran hatte er wohl nicht gedacht gehabt. Stillschweigend geht er mit mir weiter. Im vorbeirollen schaue ich immer wieder durch die Fenster nach draußen. Es ist angenehm bewölkt. Für meine Augen angenehm. Nach draußen gehen. Das letzte ‚draußen’ war der Weg von mir zu Hause nach hierhin und von dem habe ich ja nicht allzu viel mitbekommen. „Freust du dich trotzdem?“, holt Die mich aus meinen Gedanken zurück.. „Hai“, nicke ich und lege meinen Kopf in den Nacken, beobachte Die. „Du solltest dich mal wieder rasieren. Da wächst was“, ziehe ich ihn auf. „Musst du gerade sagen.“ „Ich habe eine Ausrede, du nicht.“ „Doch, die habe ich.“ „Und welche?“ „Dich.“ „Mich?“ „Ich hatte so viel damit zu tun mir Sorgen und Gedanken um dich zu machen, da habe ich für sowas keinen einzigen Gedanken verschwendet.“ Ja, ich weiß, dass ich wieder der Grund für das Problem bin. Habe ich wirklich so viel Platz in dem Leben meiner Freunde eingenommen? „Schau doch nicht so, Tooru. War nicht so gemeint. Gomen. Ich habe mich nur seit einigen Tagen nicht mehr rasiert, weil ich nicht daran gedacht habe. So einfach ist das. Und es hilft bei der Tarnung, wie ich festgestellt habe.“ „Es war trotzdem gemein. Und sag nicht ‚Tooru’.“ Als ob er nicht wüsste, wie ungern ich den Namen höre. „Ich will dich doch nur ein bisschen ärgern. Guck mal, wir sind da.“ Stimmt. Ich habe gar nicht bemerkt, dass wir schon hinaus gefahren sind. „Sieht ein bisschen…öde aus.“ „Wir befinden uns schon halb im Winter. Da wachsen nun mal keine Blümchen mehr. Auch nicht extra für dich.“ „Ach nee, sag bloß. Das enttäuscht mich jetzt aber schon.“ So viel war mir dann doch schon klar. Aber diese weißen Wölkchen beim ausatmen schon hätten auffallen müssen. „Gefällt’s dir trotzdem?“ Ich nicke. Es tut wirklich gut mal wieder draußen zu sein, etwas anderes zu sehen. „Ist nur ein bisschen kalt“, erzähle ich ihm und wünschte, ich könnte mich noch mehr in die Decke einwickeln. „Ich hätte wohl eine dickere Decke besorgen müssen“, murmelt Die. „Geht wohl. Eine Weile kann ich das aushalten.“ „Na gut, aber wir bleiben dann besser auch nicht so lange, ja?“ „Okay.“ „Und die wollten euch nicht anhören?“, fragte Toshiya entsetzt. „Wenn ich es dir doch sage“, beteuerte Kaoru und nippte an seinem Kaffee. „Sie haben uns ja nicht einmal die Tür geöffnet. Dabei wollten wir nur mit ihnen reden“, ergänzte Shinya. „So eine Scheiße“, fluchte der Bassist und stierte in seine Tasse, die er mit beiden Händen fest umklammert hielt. Eine Weile herrschte Schweigen an ihrem Tisch. Shinya stocherte lustlos in dem von Toshiya spendierten Kuchen und aß ihn mit einer ebenso großen Begeisterung. „Gibt es irgendwelche Neuigkeiten aus dem Krankenhaus?“, erkundigte sich Kaoru. Neugierig wurde Toshiya von den beiden anderen angesehen. „Nur das der Arzt Kyos Psyche untersuchen und herausfinden will, warum er sich ständig selbst verletzt.“ „Aha“, machte der Gitarrist misstrauisch und wartete auf weitere Neuigkeiten. „Und wenn er den Grund gefunden hat will er den beseitigen“, beendete der Zweitjüngste unter ihnen seine Ausführungen und nahm seelenruhig einen weiteren Schluck Kaffee. „Ach so…“, seufzte Kaoru, stockte dann aber. „Was?“, riefen er und Shinya gleichzeitig und mit einer Mischung aus Unglaube und Entsetzen auf dem Gesicht. „Wenn die rauskriegen, dass…“, überlegte Shinya laut. „Das auch, aber es geht auch um die Selbstverletzungen von vor dem ganzen Trubel.“ Kaoru lachte verwirrt auf. „Wenn er die Ursache beseitigen will, dann muss er die Menschheit ändern oder abschaffen. Anders geht es nicht.“ „Kannst du ihm gerne erzählen, Kao. Ich habe ihm zwar auch schon einiges an den Kopf geworfen, aber du bist da besser und überzeugender drin.“ Wieder nippte der Bassist an seinem Getränk. Kaoru atmete tief durch. Er würde diesem Mediziner wirklich einen Besuch abstatten, sollte er es wagen in Kyos Kopf rum zu werkeln und Kyo verändern zu wollen. „Ich hab da noch eine Frage“, begann Toshiya und lehnte sich vor. Eindringlich sah er seine Freunde an. „Ganz ehrlich: Was hättet ihr der Familie erzählt? Ihr wisst, wer ihre Tochter auf dem Gewissen hat? Könnt dafür sorgen, dass sich alles aufklärt und sie ein bisschen Frieden finden?“ Er stöhnte niedergeschlagen auf: „Dass Kyo sich entschuldigen muss, um so eventuell sein Gewissen ein wenig zu erleichtern, ist klar, aber dafür müsste er gestehen. Sich stellen und alles beichten. Dazu dürfte er noch nicht bereit sein.“ „Ich weiß, Toshiya. Doch ich bin, ehrlich gesagt, der Meinung: Je eher, desto besser. Hinauszögern dürfte alles nur noch schlimmer machen.“ „Du willst Kyo also der Polizei zum Fraß vorwerfen?“ Shinya war entsetzt. „Nein, aber soll er sich die nächsten zwanzig Jahre verstecken und darauf warten, dass der Vorfall verjährt ist?“, stellte der Gitarrist als Gegenfrage. „Kaoru hat recht, Shinya“, pflichtete Toshiya dem anderen Schwarzhaarigen, wenn auch nur ungern, bei. „Ich denke, dass Kyo das nicht durchhalten dürfte. Es belastet ihn zu sehr. Da können wir ihn ja gleich in der Klapse lassen.“ Shinya resignierte. Ja, Kyo würde nicht auf ewig mit seinem Gewissen klar kommen.. Doch wenn er sich aussprechen würde, sich bei jemanden entschuldigen würde, dann hätte das unweigerlich zur Folge, dass Kyo… „Ich will das nicht.“ „Wir möchten das alle nicht, Shin-chan. Doch es gibt keinen anderen Weg.“ Wieder herrschte Schweigen. Insgeheim suchte nämlich jeder von ihnen nach einem Ausweg. Dabei wussten sie tief in sich drinnen, dass es doch das einzig Richtige war. „Sollten wir dann nicht noch mal zu der Familie fahren und das Gespräch gleich damit beginnen, dass wir wissen, wer…na ja ihr wisst schon.“ „Können wir machen, Shinya, aber wenn, dann frühestens morgen. Heute bin ich zu müde um noch groß irgendwohin zu fahren. Außerdem sollte Kyo auch darauf vorbereitet werden“, überlegte Kaoru und massierte sich die Schläfen. „Das mach ich“, meldete sich Shinya. „Gut, dann fahre ich morgen wieder zu denen.“ „Und was mache ich?“ Kaoru und Shinya sahen sich fragend an. Ja, was könnte Toshiya machen? Eigentlich nur den Job des Kameradenschweines. „Wenn Kyo schon zum Gestehen gezwungen wird sollte er das auch vorerst nur einmal tun.“ „Wollen wir ihm das wirklich antun, Kao?“ „Wem? Kyo oder Toshi?“ „Beiden, aber eher Kyo.“ „Es muss sein, Shinya. Außerdem werden es die Eltern verlangen und du erinnerst dich doch an das, was ich eben gesagt habe. Mit dem verstecken? Und wenn wir es noch weiter hinauszögern machen wir uns nur der Mittäterschaft schuldig. Wie Kyo darauf reagiert möchte ich dann doch lieber nicht erfahren. Womöglich tut er sich dann noch mehr an.“ „Müsst ihr zwei eigentlich in Rätseln sprechen?“ „Entschuldige Toshiya.“ Shinya seufzte. „Kaoru meint, dass die Polizei anwesend sein sollte.“ „Wie bitte? Damit gleich die ganze Ladung auf Kyo zu kommt? Aber sonst geht es dir gut“, sprudelte es entsetzt aus dem langbeinigen Schwarzhaarigen heraus. „Die Takenos werden das verlangen. Und wenn wir das nicht tun, dann machen die das. Vermutlich erzählen die denen dann vorher sonst was.“ „Dass heißt also im Klartext: Die einzige Aufgabe, die übrig bleibt, ist die, dass einer die Polizei verständigen und mitbringen muss. Na toll.“ „Tut mir Leid, Toshimasa“, meinte Kaoru und legte seinem Freund einen Arm um die Schulter. Niedergeschlagen seufzte dieser auf. „Da nehme ich mir aber Die mit. Alleine packen meine Nerven das nicht.“ Kaoru nickte zustimmend. Daraufhin leerte Toshiya seine Tasse und starrte traurig auf ihren Grund. „Hoffentlich steht Kyo das morgen durch.“ Außer uns waren auch noch ein paar andere so bescheuert und sind nach draußen gegangen. Dabei ist es scheiße kalt. Ich weiß schon, warum ich den Polarkappen niemals näher komme als nötig. „Lass uns bitte wieder reingehen Die.“ „So kalt?“ Ich nicke heftig. Zumindest so gut ich kann. „Hai~“ Wir biegen bei der nächsten Möglichkeit ab und kommen dem Krankenhaus schon ein gutes Stück näher. Unweigerlich fange ich an zu gähnen. „Müde?“ „Ein bisschen.“ „Dann lasse ich dich gleich schlafen.“ „Du musst noch nicht gehen. Schlafen kann ich noch genug. Und zu früh ist es auch.“ Dai fängt an zu lachen. „Dann machen wir eben die Nacht durch.“ „Das nun auch wieder nicht, aber ich will nicht schon wieder allein sein.“ „Ach Kleiner“, seufzt er und tätschelt mir den Kopf. Was haben die eigentlich alle mit mir? „Wuff“, gebe ich von mir, denn in solchen Momenten komme ich mir vor wie ein Schoßhündchen. Von Die kommt wieder Gelächter. „Zumindest hast du gute Laune“, nuschle ich in meine Decke. Daisuke klopft mir auf die Schulter. „Du wirst auch noch wieder aus ganzem Herzen Lachen können.“ „Das wird aber noch lange dauern.“ „Und wenn schon. Brauchst ja auch nicht ständig lachen. Wäre eh seltsam bei dir. Außerdem wissen wir ja warum dem so ist. Was du mir auf jeden Fall glauben kannst ist, dass es bergauf gehen wird.“ Schön wäre es. Ich würde mich freuen, ehrlich freuen. „Gleich sind wir im Warmen. Dann bringe ich dich auf dein Zimmer und anschließend besorge ich uns was zum aufwärmen.“ Was warmes zu trinken? „Kaffee“, bringe ich begierig hervor. Ich hatte schon so lange keinen Kaffee. „Von dem rate ich dir ab. Der ist so stark, der weckt beinahe Tote. Leider keine Komapatienten.“ Ich werde hellhörig. „Kannst du mir erklären wieso ich das Gefühl eines Versuchskaninchens habe?“ Abwartend lege ich den Kopf in den Nacken und sehe ihn an. „Ähm…ich weiß nicht…Hehe.“ Ist mir Antwort genug. „Du verrückter Kerl.“ „Danke“, kommt es fröhlich von ihm zurück. Mit einem leichten Lächeln schaue ich mir wieder die Umgebung an. Ich muss erneut feststellen, dass unheimlich viel Zeit vergangen ist. Kaum noch Laub an den Bäumen und alles ist verblüht. Außerdem wird es bereits dunkler. Passt ironischerweise genau zu meiner Gefühlswelt. „Halt“, höre ich mich plötzlich sagen. Ein Stückchen vom Wegrand entfernt steht eine Blume. Nicht, dass ich ein großer Fan von dem Zeug bin, aber die hier sticht doch ganz schön hervor, denn sie blüht immer noch. Ein trotziges Etwas. Hinter mir höre ich den Auslöser einer Kamera. „Ist ein schöner Anblick“, erklärt mir Die und steckt sein Handy wieder weg. „Ich druck dir das aus und pack es dir in einen Bilderrahmen.“ Ich will gerade nach dem ‚Warum?’ fragen, da lächelt er mich wissend an und schiebt mich weiter. Doch im Prinzip, weiß ich die Antwort bereits, immerhin ist sie der Grund warum ich ihn anhalten ließ. Wenn ich stark bin kann ich auch in meiner kalten, harten Realität überleben. „Und rein in die gute Stube“, scherzt Die und rollt mich durch die Schiebetüren. Die Wärme tut fast weh, so durchgefroren bin ich. Die geht es nicht besser, obwohl der warm eingepackt ist. „So“, fängt Die an und schaut sich suchend um, „Wo geht es jetzt zur Cafeteria?“ Er will gleich mit mir…? „Dai?“ „Hai?“ „Bring mich bitte erst ins Zimmer zurück.“ „Möchtest du nichts trinken?“ „Doch, aber dort sind mir zu viele Menschen.“ Sie würden mich alle anstarren, wissen was ich getan habe. „Schon gut, Kyo. Kein Grund zu zittern. Wir gehen nicht in die Cafeteria, sondern in dein Zimmer. Ganz ruhig.“ „Tut mir Leid, aber es…ich…“ Er versucht zwar mich in die Normalität zurückzubringen, mit mir umzugehen, als wäre nichts passiert. Nur bin ich schlichtweg noch nicht bereit. „Ich verstehe schon. Es war dumm von mir, das vorzuschlagen. Es ist noch zu früh. Eindeutig zu früh.“ Die Stimmung ist gedrückt auf dem Weg zurück. Unterwegs bittet er eine der Schwestern mit uns zu kommen. Wir wechseln kein Wort miteinander. Das schmerzt. Toshiya wälzte sich unruhig in seinem Bett hin und her. Er sollte ein Verräter werden. Aus seiner Sicht war ihr gesamtes Handeln sowieso einfach noch zu früh. Viel zu früh. Bei Die anzurufen hatte er sich auch noch nicht getraut. Er war ja so ein Feigling. Wütend auf sich selbst und die ganze Welt versteckte er seinen Kopf unter seinem Kissen, stieß einen Schrei der Verzweiflung aus. „Ich will nicht“, nölte er und fing an wie ein Kleinkind mit Armen und Beinen zu strampeln. Außer Atem zog er das Kissen vom Gesicht und stierte böse zur Decke. „Will nicht.“ Er sah zur Seite und auf seine Digitaluhr. 3 Uhr Morgens. Und er konnte nicht schlafen. Was sollte er nur machen? Er hatte mit Kaoru abgesprochen, dass dieser ihn anriefe, egal ob die Familie kommen würde oder nicht. Sollten die sich nämlich als Härtefall herausstellen und nicht mitkommen wollen hatte er trotzdem den Auftrag zur Polizei zu gehen. Wie Kyo wohl reagieren würde? Hoffentlich hasste er ihn nicht dafür. Wenn doch, dann wäre er auch wütend auf Die. Der musste immerhin mit. „Kann der Tag nicht schon vorbei sein?“ Missmutig drehte er sich auf den Bauch, versuchte zumindest noch einige wenige Stunden Schlaf zu bekommen. Später: „Wann ruft Kaoru endlich an? Ich will es hinter mich bringen.“ „Ruhig Toshi. Er wird anrufen, wenn er ein Ergebnis hat. Und hör auf so zu zappeln. Ich bin schon nervös genug für zehn!“ „Wenn ich mich nicht bewege, dann…dann…dann platze ich!“ Die verdrehte genervt die Augen. Warum hatte er gleich noch mal den hier zugestimmt? War ja nicht zum aushalten. Sobald Kaoru anrief würden sie bei ihrer derzeitigen Anspannung einen Herzinfarkt erleiden.. Das kleinere Übel, wenn man die Situation bedachte. „Komm, wir stürmen die Polizeistation und lassen uns erschießen..“ Für diesen äußerst dummen Vorschlag erntete der Schwarzhaarige statt Zustimmung eine Kopfnuss von Die. „Sonst geht’s dir aber gut, oder? Ich habe noch was vor in meinem Leben.“ Sich die schmerzende Stelle reibend fragte der Bassist: „Ach, und was hast du vor?“ „Die Welt weiter erobern, ein Haus kaufen und…Papa werden.“ „Papa?“ „Ja, warum denn nicht. So einen Mini-Die stelle ich mir schon lustig vor.“ „Dann gibt es ja zwei mit diesem Megagrinsen und der dauerhaften guten Laune.“ „Spricht da irgendetwas gegen?“ „Nein, ich freu mich nur tierisch. Dann haben wir jede Menge Spaß. Vielleicht sollte ich auch Papa werden.“ „Nein!“, rief Die entsetzt, „Du bist ja schon schwierig, aber zwei von deiner Sorte? Das…“ In dem Moment gab Toshiyas Handy eine Melodie von sich. Beide schluckten synchron. „Ob er auflegt, wenn ich-“ „Geh ran!“ Toshiya holte sein Telefon aus der Tasche, nahm ab und meldete sich mit: „Moshi moshi Hara Toshimasa desu.“ Dabei hatte er genau gesehen wer anrief. „Hai…Wirklich?…eine halbe Stunde…ja, machen wir…wir werden da sein…können wir gebrauchen…bis nachher.“ Er legte wieder auf und starrte durch die Windschutzscheibe. „Bringen wir es hinter uns“, seufzte Daisuke und öffnete die Tür. „Komm Toshiya. Wir schaffen das.“ Der Schwarzhaarige nickte abwesend und stieg auch aus. Gemeinsam und mit stark klopfenden Herzen näherten sie sich dem Eingang. Kneifen und zurück gehen war nicht. Denn dieses Unterfangen war einem Motto unterworfen: „Jetzt oder Nie.“ Und ‚nie’ konnte dann doch keiner von ihnen mit seinem Gewissen und dem Willen Kyo zu helfen vereinbaren. „Ich habe Angst, Shinya.“ Vor so vielen Leuten zu erzählen was passiert ist…das ist schwer. Und dann auch noch vor diesen Menschen. „Deswegen bin ich ja hier und deswegen kommen die anderen noch nach. Wir stehen dir zur Seite und wenn es dir zu viel wird brechen wir ab. Kein Problem.“ Er drückt meine Hand und spendet mir dadurch Kraft. Nur schwach kann ich es erwidern. Aus einer Laune heraus wandert mein Blick über meine Unterarme. Die sind nämlich immer noch bandagiert. Ich kann mir auch denken, wieso: Damit ich sie mir nicht wieder blutig kratzen kann. „Machst du mir die Verbände ab?“, frage ich Shinya, sehe ihn bittend an. „Ich weiß nicht, ob ich das darf.“ „Ob du es sehen willst. Wolltest du nicht das sagen?“ Bedrückt sieht er weg, beißt sich auf die Unterlippe. „Schon gut. Du musst nicht. Ich verstehe schon warum du es nicht möchtest.“ Auch, wenn ich das dumme Weiß nicht mehr sehen mag. „Danke“, nuschelt er lächelnd. Nach einer kurzen, nicht unangenehmen Stille hört man viele Schritte auf dem Flur, die näher kommen und vor meinem Zimmer plötzlich verstummen. Mein Körper verspannt sich, mein Herzschlag setzt aus und kommt doppelt so stark zurück. Ich habe Angst, immerhin kann ich mir denken, wer da vor meiner Tür steht. „Wir sind für dich da“, höre ich Shinya sagen. Er will mir Mut machen, aber die Angst davor, verurteilt zu werden, abgelehnt zu werden, die ist es, die mir so zu schaffen macht. Die Tür geht auf und die ersten Personen, die ich sehe, sind meine 3 Freunde. „Guten Morgen, Kyo“, begrüßt mich Kaoru. Shinya hatte nicht gelogen. Diese Entscheidung ist ihm sichtlich mehr als schwer gefallen. Und schmerzt ihn auch jetzt. Toshiya mag mich gar nicht ansehen, weil er –wie hatte Shinya es mir erzählt? Ach ja- das ‚Kameradenschwein’ sein musste. „Morgen“, erwidere ich, denn ‚gut’ ist dieser Morgen nicht. Und der Rest des Tages wird vermutlich auch nicht besser werden. Zusammen mit 4 anderen, mir unbekannten, Personen kommen die 3 in mein Zimmer. Nachdem alle drin sind räuspert sich Kaoru. „Kyo, dieser junge Mann hier ist Hiroaki Takeno.“ Ich sehe ihn an und mir wird unheimlich mulmig. Er sieht ihr so verdammt ähnlich. „Er ist Ayakas Bruder“, ergänzt Kaoru und beißt sich auf die Unterlippe. Takeno sieht mich hasserfüllt an. Zwar kann ich es ihm nicht verübeln, aber es tut doch weh. Dabei weiß ich, was ich getan habe und diese Menschen sind doch nur hier, weil ich mich dem stelle. Dennoch. Ich kann ihn nicht ansehen. Wer wäre denn nicht wütend, wenn man ein Familienmitglied verloren hätte. „Herr Niimura, ich bin Chefinspektor Kimiwara, zuständig für den Fall Takeno. Uns wurde gesagt, dass sie etwas wüssten.“ Aha, soweit muss ich also mit dem Geständnis ausholen. „Etwas Wissen? Natürlich weiß er ‚etwas’! Er hat meine Schwester ermordet!“ Oder auch nicht. Wäre mir das schon mal abgenommen. „Beruhigen Sie sich“, mischt sich dieser Chefinspektor ein. „Hat der junge Mann recht?“, wendet er sich mit dem nächsten Satz an mich und sieht mich scharf an. Der ist mir unheimlich. Unter dem Blick wird selbst ein Warumono, wie ich es einst war, ganz klein und feige. „Ja, hat er“, gebe ich kleinlaut zu und fange an die Bettdecke anzustarren. Den ersten Schritt habe ich jetzt dadurch getan. Ich bin über den Grenzpunkt gegangen. Ab hier ist der Weg hinter mir weggebröselt. Den Notizblock gezückt tritt dieser Kimiwara näher an mich heran. „Sie geben also zu, dass sie Takeno Ayaka ermordet haben.“ Ganz sachlich. Keine Frage. Sondern die Feststellung, die er von mir bestätigt hören will. „Ja, das tue ich. Ich habe Takeno Ayaka erschlagen.“ „Mörder!“, schreit der Bruder los, stürmt auf mich zu. „Du mieses Arschloch hast meine Schwester ermordet!“ Ich kneife die Augen zusammen, erwarte den Schlag, zu dem er bereits ausgeholt hat. Aber der kommt nicht. „Lasst mich los! Er hat es verdient!“ Zaghaft öffne ich wieder die Augen. Der Bruder wird von den beiden Polizeibeamten und Kaoru festgehalten und er ist verdammt wütend. Sogar so zu dritt haben sie Schwierigkeiten ihn auf der Stelle zu halten. Aus dem Augenwinkel heraus bemerke ich wie Dai sich bewegt. Er geht genau auf den Typen zu. „Hör dir doch erst mal alles an!“, brüllte er ihm ungehalten entgegen. Plötzlich hat er eine Faust im Gesicht. „Halt du dich da raus, du Gockel!“ „Die!“ Er taumelt ein wenig, hält sich die getroffene Wange. „Schon gut, Kyo. Geht schon.“ „Wirklich?“, frage ich nach, denn ich habe das Gefühl, dass dem nicht so ist. Als Antwort bekomme ich ein Nicken und den Versuch eines Lächelns. Mehr brauche ich nicht, um meine Vermutung bestätigt zu wissen. Auf einen Wink vom Inspektor hin bekommt Takeno -kun Handschellen angelegt. Ist vielleicht auch besser so. Der Inspektor tritt neben mich und zieht ein Diktiergerät aus seiner Innentasche. „Dürfte ich Sie dann bitten uns alles zu erzählen.“ Stille herrschte in dem Zimmer und alle lauschten Kyos Stimme. Hörten zu was ihm passiert war und woran er sich erinnern konnte. Shinya versuchte Trost zu spenden und Halt zu geben, in dem er die Hand des Kleineren fest umklammert hielt. Die und Kaoru schenkten ihre Aufmerksamkeit scheinbar dem Boden, bissen sich krampfhaft auf die Unterlippe. Innerlich gaben sie sich die Schuld an der jetzigen Situation. Sie hätten die Vorzeichen sehen müssen, erkennen, dass mit dem Sänger etwas nicht stimmte. Alles hätte vermieden werden können. Toshiya hatte sich neben Kyo aufs Bett gesetzt und seine Hand auf Kyos Unterarm gelegt. Auch er wollte ein Halt für den Sänger sein. Aber sich gegenseitig ansehen traute sich keiner von den 5 Musikern. Inspektor Kimiwara stellte noch einige Fragen, wollte noch weitere Details hören. Aber vieles wusste der Sänger nicht mehr. Mit jedem Wort wurde Hiroaki Takeno wütender, ungehaltener. „Schweig! Die Drogen hatte sie doch von dir, du durchgeknallter Junkie!“ Er hatte sich schon wieder erhoben, wurde jedoch an den Schultern gepackt und zurück auf den Stuhl gedrückt. „Lasst mich! Ich bin nicht der Täter, sondern ein Opfer!“ Kyo sah zum ersten mal wieder auf und Takeno direkt an. „Nein, es war alles so, wie ich es gesagt habe. Jedes einzelne Wort stimmt.“ „Lügner!“, wurde Kyo angeschrieen. Die funkelte den Bruder durch seine Haare hinweg an. Man konnte ihm ansehen, wie gern er sich in diesem Moment wünschte den Schlag zu erwidern. „Takeno-san“, mischte sich der Inspektor ein, „Ein Test hat ergeben, dass ihre Schwester bereits seit Monaten regelmäßig Drogen konsumierte. Und Herr Niimura erscheint mir nicht wie jemand der mit Drogen viel zu tun hat.“ Kaoru stieß sich von der Wand ab, sah dem wütenden Bruder direkt in die Augen. „Kyo hat nie etwas mit solchem Zeug zu tun hab wollen. Und sein Arzt hat uns erzählt, dass Kyo nur über wenige Wochen hinweg Drogen genommen hatte.“ „Kao, beruhige dich bitte wieder.“ „Schon gut Kyo. Der regt mich nur auf.“ Er lächelte dem Sänger zu und lehnte sich wieder an die Wand. „Shinya? Toshiya?“, sprach Kyo die beiden Jüngsten an. „Hai?“ „Könntet ihr bitte?“ Toshiya sah ihn erst verwirrt an, bemerkte dann, dass Shinya dabei war den Verband an dem Unterarm auf seiner Seite zu lösen. Schluckend begann auch er der Bitte des Sängers nachzugehen. Lage um Lage wickelten sie den Verbandmull ab, legten die großen, vernarbten Flächen der Unterarme frei. Sie waren zwar alle verheilt, doch man erkannte feine, weiße Linien, wo einst Schnittwunden waren. „Die habe ich mir alle zugefügt, weil ich dieses Dreckzeug in meinen Adern hatte. Der Rest meines Körpers sieht in etwa genau so aus. Wäre ich süchtig, würde ich doch froh sein den Stoff in meinem Körper zu haben. Oder etwa nicht?“ „Nicht jeder Dealer muss Stoff nehmen. Und erschlagen hast du sie, weil sie nichts mehr verkaufte oder nicht genug. Wahrscheinlich sollte sie auch noch für dich anschaffen, du Dreckskerl!“ „Nein. Nein, so war das nicht. Ich habe nichts von alldem getan!“, kreischte der Sänger schrill. Hätte er gekonnt, hätte er wild um sich geschlagen. „Kyo, ganz ruhig. Du brauchst keine Angst haben.“ Toshiya hatte den Sänger in den Arm genommen und strich ihm über den Rücken. Schwach versuchte dieser Shinyas Hand zu ergreifen, war dafür aber immer noch zu schwach. „Was ist Kyo?“ „Sie- Sie ist wieder da. Sie ist zurück.“ Der Drummer verstand und wandte sich an den Schwarzhaarigen Gitarristen. „Wir müssen aufhören, Kaoru, sonst verlieren wir ihn wieder.“ Verstehend nickte Kaoru und trat auf den Inspektor zu. „Es wäre wirklich besser, wenn wir abbrechen. Wir waren wohl zu früh.“ Der Inspektor nickte. „Aber ich werde meine Leute vor der Tür postieren. Nur um sicher zu gehen, dass er einerseits nicht einfach verschwindet“, meinte er und sah den Schwarzhaarigen ernst an, als ob er ihn warnen wollte, „Und andererseits zu seinem eigenen Schutz.“ Ein strenger Blick zur Seite folgte, der von Takeno nur wütend erwidert wurde. „Bringt ihn raus und nehmt ihm dort die Handschellen wieder ab“, befahl er den beiden Polizeibeamten, die dem auch gleich nachgingen. Leider hielt der Bruder dennoch nicht viel davon. „Was wird das hier eigentlich? Sie tun so, als ob ich hier der Schwerverbrecher wäre! Ich habe ein Recht darauf wütend zu sein. Und ihr Idioten“, damit meinte er die Dir en grey- Mitglieder, „Ihr nehmt ihn auch noch in Schutz! Setzt euch für ihn ein! Ihr seid doch alle krank!“ Die platzte der Kragen. „Na warte. Jetzt erzählt dir der ‚Gockel’ mal was: Du“, er durfte das, der andere war Jünger und verhielt sich auch nicht gerade respektvoll, „Du hast vielleicht das Recht angepisst zu sein, aber nicht uns anzupöbeln! Zu wem wir halten und warum geht dich überhaupt nichts an. Kyo ist unser Freund. Wir glauben ihm! Wir kennen unseren Freund und er ist nicht so, wie du ihn darstellen willst.“ „Stimmt, er ist ein jämmerlicher Versager.“ Er spie die Worte verächtlich aus. „Der ist sogar weniger Wert als ein Kaugummi unter einem Schuh.“ Das war zu viel für den Dunkelbraunen. Er machte einen Schritt nach vorne und wollte dem uneinsichtigen Typen eine knallen, aber Kaoru machte ihm einen Strich durch die Rechnung, indem er sein Handgelenk ergriff. „Kao, lass mich!“ „Nur, wenn du dich auf sein Niveau begeben willst“, sagte Kaoru ruhig. Ganz sachlich klang er. Die öffnete seine Faust, resignierte. „Nein, sein Niveau ist mir zu tief.“ Die beiden Gitarristen wandten sich von dem aggressiven, schäumenden Hiroaki ab und stellten sich zu Kyo ans Bett. Allerdings sah Kaoru noch mal zu ihm hin, schüttelte traurig den Kopf: „Ich kann mich in Sie hineinversetzen, kann verstehen, warum Sie so aufgebracht sind, aber diese Reaktion hätte ich nicht erwartet. Man kann über solche Dinge reden ohne handgreiflich oder beleidigend zu werden.“ Damit lenkte er seine Aufmerksamkeit wieder auf Kyo, strich ihm durch das lange schwarz-dunkelblonde Haar. „Alles wird gut, Kyo-chan“, flüsterte Shinya und strich mit dem Daumen über den Handrücken des Sängers. Widerspenstig wurde Takeno Hiroaki derweil aus dem Zimmer gebracht. Kimiwara-san blieb noch. Es gab da noch eine Mitteilung, die er ausrichten wollte, jedoch hatte er ein schlechtes Gewissen dabei diese Szenerie stören zu müssen. Schlussendlich räusperte er sich doch. „Es war sehr mutig von Ihnen uns hierher zu holen.“ Er nahm sein Diktiergerät an sich. „Ich werde mir das hier im Zusammenhang mit den Fakten anhören. Herr Niimura wird sich heute jedoch nochmals der Wahrheit stellen müssen.“ „Inwiefern?“, fragte Toshiya dazwischen und zog schniefend die Nase hoch. „Ich werde jemanden von der Spurensicherung herschicken, der eine DNA- und eine Haarprobe für einige Tests nehmen wird. Das Übliche eben. Außerdem benötigen wir die Fingerabdrücke. Dumm ist nur, dass der Vorfall schon einige Zeit zurückliegt und auch die Mordwaffe fehlt. Das wird bei einer Verhandlung nicht einfach für Ihre Seite werden.“ Höflich verabschiedete er sich und folgte seinen Kollegen nach draußen. Derweil weinte sich Kyo noch immer an Toshiyas Schulter aus. Er hatte genauso ausgesehen wie sie, als er mich anschrie und beschuldigte. Und plötzlich war da auch wieder ihre Stimme gewesen. Diese schrille, penetrante Stimme. Aber das war alles nicht wahr, was er gesagt hatte. So etwas würde ich nie tun. Niemals. Sie fängt wieder an, um mich herumzustreifen, mich zu beleidigen. Doch die anderen schirmen sie ab, geben ihr keine Chance. Alle vier sind für mich da, halten mich. Das kommt mir so…bekannt vor? So vertraut. „Wie in deinem Traum, nicht wahr Kyo?“ Die. Kann er meine Gedanke lesen? Auf jeden Fall hat er Recht. Da sind unweigerlich Parallelen. „Das Schwerste hast du jetzt hinter dir“, redet mir Toshiya gut zu, drückt mich gleich noch ein wenig mehr an sich. „Alles andere dürfte jetzt einfacher für dich werden.“ „Glaubst du, Toshiya?“ „Ja, tue ich. Wir bleiben auch bei dir.“ „So gut und so lange es uns möglich ist.“ Ich sehe Die an und lächle ihm schwach zu. „Ich hoffe, dass unmöglich bleibt noch eine ganze Weile fern.“ „Wir auch Kyo“, versichert mir Shinya. „Bleib aber auf jeden Fall bei uns, hörst du? Verkriech dich nicht wieder in dich selbst.“ „Das werde ich nicht Kao. Zumindest werde ich es versuchen.“ „Dann versuch mal schön.“ Schniefend nicke ich, habe mich ein wenig beruhigt. Mich an Toshiya lehnend schließe ich die Augen, fühle mich total erschöpft. Dabei ist der Tag noch gar nicht so alt. „Wirst ja immer mehr wie früher.“ „Inwiefern?“ „Du kannst zu jeder Tages- und Nachtzeit schlafen und auch in jeder Situation.“ „Lass ihn, Die“, tadelt Shinya ihn, „Er braucht seine Ruhe.“ Stimmt. Die brauche ich jetzt. Und in der Anwesenheit meiner Freude wird das wohl der erholsamste Schlaf seit langem. „Ich habe trotzdem noch Angst vor dem Kommenden.“ „Nicht nur du Kyo“, beichtet mir Kaoru, „Davor haben wir alle Angst. Aber wir können es schaffen. Irgendwie wird alles gut ausgehen. Ganz sicher.“ „Genau, wir müssen nur fest daran glauben.“ Toshiya und seine kindliche Zuversicht. Aber so eine Einstellung kann in solchen Momenten doch hilfreich sein. „Ja, das müssen wir“, bestätige ich ihm lächelnd. „Schlaft ihr auch noch ein wenig“, murmle ich den anderen zu und lehne mich noch ein wenig mehr an unseren Bassisten. Dieser streicht mir auch gleich über den Rücken. Das ist schön beruhigend und es macht mich auch so herrlich müde. „Er ist eingeschlafen“, flüsterte der Bassist, unterbrach das Streicheln jedoch nicht. „Dann sollten wir ihn hinlegen. Ist doch mit Sicherheit bequemer.“ Die streckte seine Hände aus, um Kyo sanft auf das Bett zu legen. „Nein. Toshiya sollte ihn noch eine Weile im Arm halten“, mischte sich Kaoru ein. „So wird seine Rückenmuskulatur wieder aktiviert. Wird Zeit, dass sein Körper merkt, dass er wieder was tun muss. Außerdem bleibt dann das Gefühl, dass jemand für ihr da ist.“ „Gut, überredet, aber dann gehe ich jetzt erstmal eine Schere besorgen.“ „Wofür willst du eine Schere haben, Dai?“ Misstrauisch sah Shinya zu dem Dunkelbraunen hin. Mit einem unschuldigen Blick sah der Gitarrist zurück. „Was du nur wieder von mir denkst…Ich will ihm einfach nur den Bart stutzen. Sonst sieht er doch immer mehr aus, wie ein Obdachloser oder so ein Kerl aus der Wildnis.“ „Aber nur der Bart. Die brauchen nämlich noch eine Probe von dem jetzigen Haar.“ „Also ganz doof bin ich ja auch nicht. Ich habe vorhin zugehört, Kao, nur damit du es weißt. Die bekommen schon was sie brauchen. Mach dir da mal keinen Klecks ins Hemd.“ „Bei dir schon. Auch wenn ich keine Hemden trage.“ „Nö, aber Zelte“, warf Toshiya scherzend ein, versteckte sich dann aber hinter dem schlafenden Kyo, weil Kaoru ihn anfunkelte. „Das sind immer noch Shirts gewesen. Wann geht das in eure Köpfe? Die waren hochmodisch und außerdem unheimlich bequem.“ „Hört ihr wohl auf euch zu streiten“, zischte Shinya dazwischen, „Sonst weckt ihr ihn noch auf.“ Sofort verstummten die Männer. Ihre Stimme der Vernunft hatte wieder zugeschlagen. „Schon gut. Wir sind ja still.“ Kleinlaut sahen Die und die anderen Beiden zu Boden. „Gut, dann organisiere mal die Schere Daisuke. Wird schon keiner meckern, wenn wir Kyo ein bisschen herausputzen“, sprach Shinya überzeugt. Die nickte Kaoru zu und gemeinsam verließen sie das Zimmer. Toshiya begann aus einer Laune heraus mit Kyo vor und zurück zu wippen. „Es wird alles wieder gut. Da bin ich mir sicher. Anders darf es auch gar nicht laufen.“ +~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~+~ Das ist es. Das Ende von diesem Kapitel. Hat ganz schön lange gedauert, bis wir hier hin kamen. Am 29.11.2008 hat dieses Kapitel angefangen und seit dem habt ihr das so fleißig mitverfolgt. Insgesamt ist diese FF schon fast 1 Jahr alt. Wäre ich gemein, würde ich sagen: Der Epilog kommt am Geburtstag, aber ich wollte noch eine Weile leben... Wir lesen uns also nächste Woche zum letzten Mal. Ich besorg schon mal einen großen Vorrat an Taschentüchern und dann schaun wa mal Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)