Unknown...Despair...and totally Lost? von Cookie-Hunter ================================================================================ Kapitel 1: Unknown... --------------------- Kapitel 1: Unknown „Komm schon, Kyo. Mach doch endlich die Tür auf.“ Kaoru hämmerte lautstark gegen die Haustür seines Freundes. Als dieses elende Holzding auch nach 2 weiteren Minuten immer noch nicht geöffnet worden war, gab er auf. „Na gut, für heute hast du gewonnen. Aber du brauchst gar nicht erst annehmen, dass ich nicht wieder komme. Ich weiß, dass du da bist und mich hörst!“, brüllte er die Tür an, verkniff sich aber dagegen zu treten. Hätte ja doch nichts gebracht. „Ach, Kyo“, seufzte der Leader und drehte sich um, ging zurück zu seinem Wagen. Schwer seufzend ließ sich der Schwarzhaarige hinter dem Steuer nieder, fuhr sich durch die Mähne. Nochmals einen Blick hinauf auf Kyos Wohnung werfend ließ er den Wagen an und machte sich auf den Weg zum Studio, wo die anderen bereits warteten. Schwermütig schlurfte Kaoru den Flur entlang, atmete vor der Tür zu ihrem Proberaum abermals tief durch ehe er eintrat. Die anderen 3 sahen Erwartungsvoll auf, als sich die Tür öffnete. Jedoch konnten sie ihre Enttäuschung nicht verbergen, als sie sahen, dass ihr Leader-sama allein aufgetaucht war. „Nichts?“ „Nein nichts, Toshi. Absolut gar nichts. Nicht einmal das kleinste Geräusch. Er gibt sich echt alle Mühe, damit wir denken, dass er nicht da ist. Aber als ich kurz vorher bei ihm vorbei gefahren bin hab ich ihn hinter der Gardine stehen sehen.“ Niedergeschlagen setzte sich der Schwarzhaarige auf den Hocker rechts neben sich nieder. „Ich weiß nicht, was wir noch machen sollen. Ich möchte mal gerne wissen, was ihn dazu gebracht hat sich so zurückzuziehen.“ „Ist schon gut, Kao“, sagte Die, hockte sich neben den anderen Gitaristen und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Du hast getan, was du konntest. Wenn Kyo sich nicht dazu bereit erklärt sich von sich aus zu öffnen kommt man nicht an ihn ran. Das kennen wir doch schon, wenn er sich mal wieder in seine Texte vertieft.“ „Aber Die“, meldete sich Shinya, „wir wissen doch, dass er nicht textet, denn dann warnt er uns doch immer davor ihn irgendwie zu stören, wenn wir an unserem Leben hängen sollte.“ „Ich weiß. Ich hab doch nur nach einer Erklärung für das seltsame Verhalten unseres Kleinen gesucht“, seufzte der Neublonde. Toshiya zog seine langen Beine an seinen Körper, legte sein Kinn auf seine Knie. „Ich versteh ihn nicht mehr. Absolut nicht“, flüsterte der Bassist traurig. Sonst hat er uns doch auch von seinen Problemen erzählt oder hat sich zumindest blicken lassen und sich dann alles einzeln aus der Nase ziehen lassen.“ Abwesend starrte er vor sich hin. „Verdammt!“, brach es aus dem Drummer hervor und er stürmte schon auf die Tür zu, wurde aber von Dai aufgehalten. „Lass mich los“, keifte Shinya und riss sich aus dem Griff an seinem Oberarm. „Ich geh da jetzt hin. Mir reicht es endgültig. 1 Woche: Gut, irgendetwas hat ihn verstimmt. 2 Wochen: Schlimmer als erwartet. 3 Wochen: Es ist noch ernster als angenommen. Aber 4 Wochen? Er kann sich doch nicht 4 Wochen lang einfach einschließen! Und wenn ich das gesamte Haus mit meinen eigenen Händen abreißen muss, ich krieg ihn zu Gesicht!“ Und damit verschwand der Jüngste unter ihnen. Die starrte ihm mit offenem Mund hinterher. Vielleicht hat das Chibi ja wirklich Erfolg, so wütend wie er im Moment ist. Wenn nicht würde er in spätestens einer Stunde genauso geknickt hier wieder auftauchen, wie ihr Leader kurz zuvor. Seufzend setzte Die sich neben Kaoru auf den Boden, lehnte seinen Kopf auf dessen Oberschenkel. Der Schwarzhaarige blickte auf den anderen Gitarristen hinunter, pattete ihm sacht den Kopf. „Gib’s auf, Die. Du weißt, dass wir schon alles getan haben, was möglich ist. Nicht einmal der Schlüsseldienst hat sich Zugang verschaffen können. Wenn das nicht bald was wird, dann…“ „Dann…? Dann was, Kao?“, erkundigte sich Die und legte den Kopf in den Nacken um dem Älteren besser ins Gesicht sehen zu können. „Dann gibt es kein weiter. Dann ist es aus. Dann sehe ich schwarz für ‚Dir en Grey’. Wir funktionieren perfekt zusammen, aber wenn einer von uns aufgibt…Nicht einmal mit einem guten Ersatz will ich dann noch weiter machen. Und ihr wisst wie ungern ich einen Ersatz für irgendeinen von euch haben möchte. Aber jetzt mit einer neuen Formation starten müssen. Nein, darauf hab ich keine Lust. Auch wenn dann alles andere umsonst war.“ Toshiya und Die nickten zustimmend. Es war halt nicht dasselbe, wenn sie nicht in der gewohnten Formation auftreten würden. Betrübt sahen die drei Männer zu ihren Instrumenten hinüber und man konnte meinen diese weinen zu sehen. Shinya erreichte derweil die Wohnung des Älteren und stand, wie vor kurzem noch Kaoru, auf die Tür einredend vor Kyos Behausung. „Bitte mach die Tür auf. Ich will mit dir reden, Kyo. Wir machen uns alle Sorgen um dich. Verstehst du das nicht? Bitte, Kyo. Nur 1 Wort.“ Stille drang aus den Räumen hinter dem Eingang. „Mensch, Kyo! Ist dir eigentlich klar, dass es uns auch schlecht geht, weil du absolut kein Lebenszeichen von dir gibst! Mach schon!“, keifte der Blonde, trat gegen das unnachgiebige und in letzter Zeit viel bequatschte Holz vor sich, konnte seine aufkommenden Tränen nicht mehr zurück halten. „Hau ab.“ Die Worte waren leise und beinahe nicht hörbar. 2 Worte die Shinya einen Funken Hoffnung gaben. Ein Anfang war also gemacht. Shinya erkannte, dass die Worte entgegen ihrer Bedeutung eher ein Hilferuf waren. Der Wunsch sich mitzuteilen. „Nein, jetzt erst recht nicht. Bitte Kyo, du brauchst auch die Tür nicht aufmachen, aber erzähl mir doch endlich warum du dich so zurückziehst.“ Es kam keine Antwort, weshalb Shin seufzte und ansetzte weiter zu machen. Doch dann war da wieder die leise Stimme des Vocals. „Es geht nicht.“ „Warum denn nicht? Sag es mir“, flehte Shinya, kämpfte bereits mit den Tränen. Wenn er es nun schon geschafft hatte seinen Freund zu einem Lebenszeichen und zum Sprechen zu bringen wollte er einfach nicht aufgeben und den Rest erfahren. Er war ihm entgegengekommen, in dem er gesagt hatte, dass der Ältere die Tür nicht öffnen musste. Sich nicht direkt mit jemandem auseinander setzen musste. „Bitte, oder es wird alles kaputtgehen. Das ist die Realität.“ Verzweifelt und mit Tränen im Gesicht kratzen seine Fingernägel über die Holzplatte vor sich. „Sieh es ein. Ich kann nicht.“ „Aber…“ „Geh!“ „Aber, Kyo!“, versuchte es Shinya nochmals, wurde diesmal nicht unterbrochen, weshalb er unbeirrt weiter sprach. „Egal was es ist, wir werden damit umgehen können und dir geht es danach mit Sicherheit auch viel besser, wenn du es dir von der Seele geredet hast.“ Er verstummte und lauschte gespannt nach einer Reaktion, nur dass da nichts war. „Bist du noch da? Hörst du mir überhaupt zu?“ Der Drummer war enttäuscht. Blockte der andere schon wieder. Geknickt ließ der junge Mann den Kopf hängen und die Tränen weiter ungehindert fließen, strich niedergeschlagen über die Tür und rutschte dabei über die Klinke, drückte sie unabsichtlich hinunter. Wider erwarten öffnete diese sich einen schmalen Spalt breit. Wann hatte Kyo denn die Tür geöffnet? Oder war sie etwa die ganze Zeit über offen? Aber warum? „Kyo?“, fragte Shinya leise, wischte sich die Tränen weg und drückte sacht gegen die Tür, um sie weiter aufzustoßen. Drinnen war es dunkel, die Luft abgestanden und übel riechend und der Boden bedeckt mit Müll. »Was ist nur mit dir los? «, fragte Shinya sich und quetschte sich durch die schmale Türöffnung, denn der Unrat auf dem Fußboden stellte sich als sperriger heraus, als zunächst angenommen. Endlich in der Wohnung knipste der Blonde erst einmal das Licht an, um sich so besser einen Weg durch das Zeug auf der Erde zu bahnen. „Hey, Kyo-chan“, rief Shinya und hoffte, dass sein Kumpel dadurch ein wenig aus der Reserve gelockt wurde. Nichts. Nicht einmal ein Knurren als Antwort. Kopfschüttelnd durchstreifte er weiter die Behausung seines Freundes, immer noch auf der Such nach jenem. Im Wohnzimmer war er nicht, wo also dann? Ein ungutes Gefühl und ein leises, widerhallendes Atemgeräusch machten dem Drummer Angst. Angst vor dem, wessen er sich sicher war. Zielstrebig trugen ihn seine Füße zum Badezimmer. Seine Hand zitterte, als er die angelehnte Tür weiter aufstieß. Sein Verstand flehte ihn an den Lichtschalter nicht zu betätigen, konnte er sich doch ausmalen, was er sehen würde. Doch seine Hand handelte von ganz allein. Kaum war das Licht an hätte er am liebsten die Flucht ergriffen. Mit geschlossenen Augen hing Kyo über seiner Badewanne, zog hin und wieder eine Rasierklinge über seinen bleichen Unterarm, der bereits über und über mit Blut und unzähligen verkrusten Schnittwunden bedeckt war. Einige davon sogar eitrig. Der Sänger sah fertig aus. So schlaff, wie er da hing hätte man meinen können er wäre tot und die Bewegung seines Arms mehr so etwas wie ein Muskelzucken, wäre da nicht das heben und senken seiner Brust gewesen, die zeigten, dass der kleine Körper noch lebte. Zögernd ging Shinya auf den Älteren zu legte ihm zitternd seine Hand auf die, die die Rasierklinge immer wieder durch das geschundene, gepeinigte Fleisch zog. Der kleinere Japaner hielt mit seiner Bewegung inne und schlug langsam die Augen auf. Sein leerer Blick aus den sonst so warmen braunen Augen jagte dem Drummer einen Schauer über den Rücken. Tränen wollten ihm erneut in die Augen treten, aber er schluckte sie, zusammen mit dem Kloß in seinem Hals, wieder hinunter. Nervös bog er Kyos Finger auseinander, um ihm das Metall wegnehmen zu können. Dass er sich dabei selbst ein wenig in die Fingerkuppen schnitt ignorierte er krampfhaft, auch wenn es weh tat. Sein Freund war ihm wichtiger. Angewidert ließ er die Klinge in das Innere der Wanne fallen, deren Boden bereits mit Blut bedeckt war, das nur langsam abfloss. Tage und Wochen alte Blutspuren zierten das weiße Porzellan und bestätigten nur die zahlreichen Wunden, die, wie Shinya erst jetzt bemerkte nicht nur auf den Armen des Sängers vorhanden waren. Auch am Hals waren feine Linien zu erkennen, ebenso an den Füßen. Womöglich war der ganze ausgemergelte Körper mit diesen Verletzungen übersät. Shinyas lange Finger schlossen sich um Kyos Hand, drückten sie ganz fest, in der Hoffnung auf Widerstand zu treffen. Vergebens. „Was ist dir nur passiert, Kyo-chan“, flüsterte Shinya mehr zu sich selbst, glaubte nicht daran, dass Kyo ihn in diesem Zustand verstehen würde. Kyo hatte den Blick die ganze Zeit auf Shinyas Hände und ihr tun gerichtet gehabt, aber als er Shinyas sanfte, leise Stimme hörte, die ihm nur durch ihre Beschaffenheit das Gefühl gab, dass alles wieder gut werden würde, sah er ihn direkt an. Seine emotionslosen Augen musterten den anderen, als hätte er ihn noch nie zuvor gesehen. Als wäre er nur eine Illusion. Nach und nach glühte ein schwaches Lebenslicht in ihnen auf, nachdem er erkannte hatte, dass da keine Erscheinung vor ihm saß. „Frag lieber nicht“, hauchte die kratzige, sonst so kraftvolle Stimme des Sängers und als Shinya aufsah fiel er ihm ohnmächtig in die Arme. „Kami-sama!“, war das einzige, was Shinya noch sagen konnte, ehe er seine Arme schützend um den strapazierten, kraftlosen Körper legen konnte. Er spürte wie das Blut aus Kyos Verletzungen seine Kleidung durchweichte, aber das machte ihm nichts aus, presste seinen Freund nur noch enger an sich. „Stirb nicht, ja?“ „Endlich“, seufze ich nur, als ich vor dem Gebäude stehe, in dem wir unsere Proberäume haben. Kaoru hatte mal wieder übertreiben müssen. Jetzt ist es bereits dunkel und die meisten Geschäfte zu. Dabei ist mein Kühlschrank leer und ich hungrig. Bleibt nur noch der 24 Stunden Laden um die Ecke und da mag ich das Personal nicht. Aber um die Zeit ist es mit liefern auch so gut wie Essig. Folglich muss ich da jetzt wohl oder übel hin. Die Hände tief in den Jackentaschen vergraben und die Schultern hoch gezogen versuche ich dem kalten Frühlingswind keine Angriffsfläche zu bieten. Ist aber auch ein Dreckswetter. Nach ein paar hundert Schritten stehe ich dann auch schon im Laden, genieße die Wärme. Ich schnappe mir einen von diesen kleinen Einkaufskörben und schlendere gemütlich durch die Regale und Truhen. Mein Magen dirigiert mich zu den Nudeln. Keine schlechte Idee. Dazu ein bisschen was an Gemüse und klein geschnibbeltes Hühnchen und fertig. Jeder Meisterkoch wird vor Neid erblassen. Und zum Nachtisch: Ein leckeres Erdbeereis. Das wird schön. Noch ein paar Kleinigkeiten für das morgige Frühstück und noch ganz dringend Zahnpasta. Dass diese dämlichen Tuben auch ständig so schnell leer sein müssen. Dann wandert auch noch dies und das in den Korb und ich merke schon, wie der immer schwerer wird. Hab ich eigentlich genug Bares dabei? Wäre peinlich wenn nicht. Das Mädchen an der Kasse döst vor sich hin. Kann ich nachvollziehen. Halb 12 ist fast vorbei und ich würde mich jetzt auch am Liebsten ins Land der Träume verziehen, aber erst verlangt mein Magen nach Arbeit und mein Geruchssinn nach einer Dusche. Mit Wucht wird der prall gefüllte Korb auf das Förderband geknallt, so dass die Kassiererin aus ihrem Dämmerschlaf hochschreckt und verwirrt blinzelnd ihre Umgebung absucht. Leicht schadenfroh in mich hineingrinsend packe ich meine Einkäufe aus. Sie zieht ein Teil nach dem anderen über den Scanner und ich verstaue widerrum alles in Plastiktüten. Die Summe, die dabei zusammenkommt, ist nicht ohne. Noch ein Grund warum ich nicht so gerne herkomme: Vieles kostet ein paar Yen mehr als in den meisten anderen Läden. Aber vielleicht bildet dieser hier auch die Ausnahme. Ohne Widerworte bezahle ich dann auch leise grummelnd und verlasse den Laden beladen wie ein Packesel. Warum habe eigentlich den Wagen auf dem Parkplatz bei unserem Proberaum gelassen? Bewegung tut gut, oder wie war das? Dann mal los. Nochmals tief durchatmend setze ich schlussendlich einen Fuß vor den anderen. Zurück zum Wagen. Zurück nach Hause. Vor mich hin summend latsche ich die leere Straße hinunter und will um die Ecke biegen, als irgend so ein Vollidiot in mich hineinrennt. So klein bin ich doch gar nicht, verdammt noch mal! „Haben Sie ne Meise? Man rennt nicht um Ecken!“, blöke ich den Fremden an. Meine Einkäufe pflastern derweil den Bürgersteig neu. Großartig. Na warte, du Baka. Weil der sich aber geradeaus dem Stauben machen und so einer Moralpredigt entgehen will, greife ich nach seinem Knöchel, den ich auch tatsächlich zu fassen kriege, und er daraufhin der Länge nach auf die Fresse fliegt. Ja, blute du Arsch. Du hast es verdient! Gerade will ich meine Wut an ihm auslassen da höre ich eine Frauenstimme, die immer wieder schreit: „Haltet den Dieb!“ Ich sehe mich um und um die Ecke, die ich schon vor gefühlten Stunden hatte passieren wollen, taucht eine junge Frau auf, die völlig aus der Puste ist. Der Typ in meinem Klammergriff windet sich und traut sich sogar nach mir zu treten. Da fühlt sich wohl einer angesprochen. Seinen 2. Knöchel ergreife ich ebenfalls und drücke beide fest auf den Boden, lege das gesamte Gewicht meines Oberkörpers auf die Gelenke. Ich bin mir sicher, dass das verflucht weh tut. „Lass los, verdammt“, brüllt mich der Typ an. „Sie haben ihn. Danke“, sagt die eben aufgetauchte Frau. „Keine Ursache“, murmle ich daraufhin, hab ich den Typen doch eigentlich nicht aus diesem Grund aufgehalten. Sie geht um den Idioten herum und reißt ihm etwas aus der Hand, dass aussieht wie eine Handtasche. Das hatte er also gestohlen. Was auch sonst. „Wir sollten die Polizei rufen und Anzeige erstatten“, schlage ich vor. Sie denkt nach und wirft einen Blick auf ihre wiedererlangte Tasche. „Ach…wissen Sie…so lange ich mein Eigentum wieder habe ist doch alles in Ordnung, oder? Ich denke wir können ihn laufen lassen.“ Ich merke, wie meine Augenbrauen nach oben wandern und meinem Haaransatz ‚Guten Tag’ sagen. Was soll das bitte? Wenn man den Typen jetzt laufen lässt macht der doch nur weiter. Aber es bin ja nicht ich der beklaut wurde. „Wenn Sie meinen. Aber er darf erst abzischen, wenn er meine Einkäufe wieder in die Tüten zurückpackt. Sonst verpfeif ich ihn doch noch.“ Dem Mistarsch werfe ich einen besonders bösen Warumonoblick zu, nachdem ich ihn losgelassen habe. Unter strengem Blick sucht der Baka, der Gemeinerweise größer ist als ich, meine Sachen zusammen und packt sie zurück. Als er fertig ist drückt er mir die Plastiktüten in die Hände und verschwindet schnell, da ich mir Mühe gebe so auszusehen, als ob ich ihn jeden Moment zerfleische. Hätte ich meine eisblauen Kontaktlinsen heute drin käme das bestimmt sogar noch besser. Ich seufze. Konnte ja kein Schwein ahnen, dass mir heute sowas passiert. Merke, ein Warumono ärgert man nicht und wenn es hungrig und angepisst ist erst recht nicht. Gut für ihn, dass er in die Richtung geht aus der ich gekommen bin, sonst würde mir der Kragen platzen, wenn ich den noch länger hätte sehen müssen. Grummelnd drehe ich mich um und will nun endlich zu meinem Wagen und nach Hause. Aber die Frau hält mich durch einen Griff an meinem Unterarm auf. Fragend sehe ich sie an. „Ich wollte mich noch richtig bei Ihnen bedanken. Kann ich Sie vielleicht zu irgendetwas einladen? Sie müssen wissen, dass ich noch nicht lange hier wohne und niemanden kenne. Ich würde mich freuen, wenn Sie meine Einladung annehmen würden.“ Shinya stand vor dem Telefon im Schwesternzimmer, welches er freundlicherweise benutzen durfte und tippte langsam Kaorus Handynummer ein, denn darauf war ihr Leader ja eigentlich immer erreichbar. Mit jedem tuten wurden der Drummer nervöser. Wie sollte er das Kaoru erklären? Als er dessen Stimme am anderen Ende der Leitung hörte rutschte ihm das Herz einige Etagen tiefer. "Hallo Kao", nuschelte er in den Hörer. "Shin? Bist du das? Wo bist du denn, dass du nicht dein Handy benutzen kannst?" "Naja, im Krankenhaus ist das telefonieren mit dem Handy ja nicht erlaubt und auf der Intensiv..." Shinya brach ab. Die Vorstellung, die Erinnerung an Kyo, der nur einige wenige Meter von ihm entfernt lag und um sein Leben kämpfte, überkam ihn und stimmte ihn traurig. Wollte Kyo sein Leben eigentlich noch? Oder hatte er sich bereits aufgegeben? "Intensiv? Wieso Intensiv? Wer...?" Der Schwarzhaarige stockte und ein grausamer Gedanke erfasste sein Bewusstsein. "Doch nicht etwa...Du hast...Du bist also...Welches Krankenhaus?" "Hibiya Klinik" "Ist gut. Halt noch ein wenig durch", sagte Kaoru sanft und aufmunternd, da er hörte wie sehr der Jüngere von dem Erlebnis mitgenommen war. "Wir beeilen uns." Damit legte er auf und sah die anderen beiden Bandmitglieder an. Sie befanden sich noch immer in dem Proberaum und hatten auf die Rückkehr des Drummers gewartet. Als Kaorus Telefon klingelte sah Toshimasa von seiner Kaffeetasse und Die von seiner Gitarre auf und den Band-Leader gebannt an. Nach dem beendeten Gespräch war Daisuke der erste, der seine Stimme wieder fand. "Krankenhaus? Doch nicht etwa...?" "Kyo?", vervollständigte Toshiya Dais Gedanken. Doch statt zu antworten nickte Kaoru einfach nur. Worte trauten sich nicht aus seinem Mund zu entweichen. Es kostete ihn daher viel Kraft und Überwindung sie aus sich heraus zu bekommen. "Doch. Genauso ist es." Kaorus Blick huschte quer durch den Raum und er fuhr sich fahrig durch das dichte schwarze Haar. "Wir sollten los. Ich hab Shin doch versprochen, dass wir uns beeilen." Die stellte eilig seine Gitarre zur Seite und hielt Kaorus Hand fest. "Ist gut. Wir fahren zu Shin und zu Kyo." Die ignorierte schweren Herzens den Schock, die aufsteigende Trauer in seinem Körper. "Toshimasa, du schnappst dir jetzt deine Autoschlüssel und wir fahren in deinem Wagen. Ich glaube nämlich nicht, dass Kao in der Lage ist das zu tun." Der Bassist nickte und erhob sich vom Sofa, um sich Jacke und Schuhe anzuziehen. "Wo müssen wir denn hin? Was hat Shinya gesagt?" "Die Intensivstation von der Hibiya Klinik. Da ist Kyo", murmelte der Gitarrist den Boden abwesend anstarrend. "Und da wollen wir auch hin. Also steh auf und komm mit." Kaoru ließ sich widerstandslos von Die aufhelfen und Richtung Ausgang bewegen. Keine 20 Minuten später erreichten sie dann auch das Krankenhaus, benötigten weitere 5 um zum Intensivbereich vorzudringen. Vor einem der Zimmer saß Shinya. Er hatte sich auf den Boden gehockt, den Rücken an die Wand gelehnt, und durchlöcherte mit seinem Blick die Luft vor sich. Langsamen Schrittes näherten sich die drei Freunde dem Drummer, wollten sie ihn doch nicht erschrecken. Bei ihm angekommen hielten alle kurz inne, ehe Toshimasa sich hinkniete und dem anderen eine Hand auf die Schulter legte. "Hey, Shin." Angesprochener zuckte zusammen und sein Blick kam in die Realität zurück. "Toto...", hauchte er und sah den sanft lächelnden Bassisten an. Sein Gesicht hellte sich auf als er auch die anderen beiden erblickte. "Endlich seid ihr da." Die nickte bestätigend, lächelte seinem Bandkollegen aufmunternd zu und sah dann auf die Tür vor der sie standen. Er begann zu zittern und fühlte, wie seine Knie nicht mehr wollten. Zögernd fragte er deshalb: "Ist...Ist er da drin?" "Hai, aber ich traue mich nicht hinein zu gehen. Außerdem sind die Ärzte noch immer bei ihm. Und keiner will mir irgendetwas sagen, weil ich kein Angehöriger bin." Erste Tränen rannten über sein Gesicht. "Ihr hättet ihn sehen müssen, als ich ihn gefunden habe. Es war schrecklich." Weitere Tränen perlten aus den Augen des Drummers und glitten seine, bereits befeuchteten, Wangen hinab, fanden aber recht schnell den Tod im Stoff seines Jackenärmels. Ja, sie konnten sich vorstellen, was gewesen sein musste, als Shinya den Sänger gefunden hatte, denn die Blutbefleckte Kleidung sprach Bände. Toshiya konnte sich das nicht mit ansehen und nahm den Blonden deshalb in den Arm um ihn zu trösten. "Die wollen uns nicht zu Kyo lassen, ja?", grummelte Kaoru. "Wir sind für ihn doch schon mehr Familie als seine eigene. Das werde ich denen gleich erstmal verständlich machen." "Tu das, Kao", nickte Dai, wollte er doch schnell wissen, wie es dem Kleineren ging. Er holte tief Luft, ehe er um das Shinya-Toshiya- Knäuel herumging, sich neben die beiden hockte und dem Drummer eine Hand auf den Rücken legte. "Bitte, Shin. Wie hast du es geschafft zu ihm vorzudringen? Ich meine, wir haben so lange versucht an ihn heran zu kommen und hatten keinen Erfolg. Wie- Wie hast du das geschafft?" Es war viel verlangt, aber er war begierig darauf es zu erfahren. Shinya betrachtete erst Dies verzweifeltes Gesicht, dann den Boden, überlegte ob er sich erinnern wollte. "Ich hab ihm einfach nur das gesagt, was wir ihm auch sonst immer erzählt haben und dann fing er einfach an mit mir zu reden. Er hat mir erst nur ein 'Hau ab!' an den Kopf geworfen. Ich hab dann nicht locker gelassen und ihn gefragt was denn los sei, aber von ihm kam nur, dass er mir das nicht sagen könne. Er wollte, dass ich verschwinde, aber ich wollte ihn einfach weiter zum Reden bringen." Der Blick des Drummers wurde glasiger und sein Körper begann zu zittern. "Gomen, Shinya. Du brauchst nicht Weiterzusprechen, wenn du nicht willst." Daisuke strich dem Jüngeren über den Rücken, bemüht den anderen zu beruhigen. "Ist schon gut", murmelte der Neublonde, hörte nicht auf mit seiner Tätigkeit. "Die Tür war offen. Sie war einfach offen", flüsterte der Blonde und krallte seine Finger in Toshiyas Arm. Die beiden Gitarristen und der Bassist tauschten verwunderte Blicke aus. Doch angesichts der psychischen Verfassung des Jüngsten wagten sie auch nicht ihn in irgendeiner Form weiter zu fragen. Aber das war auch gar nicht nötig, denn der redete von allein weiter: "Es herrschte das totale Chaos. Als ob er die letzten 4 Wochen dort verbracht hätte. Ich hab ihn dann im Badezimmer gefunden. Ritzend! Und..." "Nicht, Shinshin. Tu dir nicht noch mehr weh. Wir können uns denken, was los war." Toshiya drückte den Jüngeren enger an sich, ließ nun auch seinen Tränen freien Lauf. Die wechselte von seiner hockenden in eine sitzende Position, lehnte sich an die Wand in seinem Rücken und kaute an seiner Unterlippe herum. "Shimatta!", fluchte er und ließ den Kopf in den Nacken fallen.. Kaoru stand, die Hände seitlich zu Fäusten geballt, vor der Tür zu Kyos Zimmer, den Blick auf das abweisende, sterile weiß vor sich gerichtet. »Bleib bei uns, Kleiner. Bleib bei uns.« „Ein andermal vielleicht“, erwidere ich nur auf ihre Einladung hin. „Ist schon reichlich spät und ich hatte einen anstrengenden Tag. Wenn Sie mich also entschuldigen würden.“ Ich versuche trotz vorangeschrittener Stunde noch höflich zu sein. Ich deute also eine Verbeugung an und drehe mich um, um endlich hier weg zu kommen. „Dann gebe ich Ihnen meine Karte, dann können Sie mich ja mal anrufen.“ Freudig lächelnd wühlt Sie in ihrer Handtasche und hält mir dann mit dem gleichen, irgendwie unecht wirkenden Lächeln so ein lilafarbenes -eine Mischung aus pink, violett und rot, wenn ihr mich fragt- Stück Papier unter die Nase. Notgedrungen nehme ich das Ding dann auch an, verbeuge mich abermals und mache mich dann schnell aus dem Staub. Der Abend war für meinen Geschmack einfach zu seltsam. Die Visitenkarte landete, sobald ich aus ihrer Sichtweite, sprich um diese dreimal verfluchte Ecke, bin, im nächsten Mülleimer. Ist aber auch eine scheußliche Farbe. Da war mir Kaorus lila Phase lieber. Das war wenigstens ein angenehmes Lila. Apropos, wieso steht sein Auto denn noch immer auf dem Parkplatz? Ist er doch hier eingezogen? Wir hatten uns ja schon sowas gedacht. Ich stelle mir schon vor, wie sich unser Proberaum so ganz still und heimlich in eine Wohnung verwandelt. Bei dem Gedanken muss ich dann doch grinsen. Meine Einkäufe verschwinden vorerst im Fußraum vom Beifahrer, ehe ich meinen Platz hinterm Steuer einnehme, den Schlüssel im Zündschloss umdrehe und anfahre. Bitte lass heute keine Kontrolle sein. So müde, wie ich bin lassen die mich heute dann nicht mehr weiterfahren. Nein, danke. Zu meinem Glück kann ich aber bereits jetzt schon das Haus sehen, in dem meine Wohnung liegt. Also keine Kontrolle und dank des kaum vorhandenen Verkehrs ging das ja auch recht fix. Wehe, die haben mir den Parkplatz wieder zu gestellt. Bin ich denn der Einzige, der hier vernünftig parken kann? Haben wohl alle den Führerschein im Lotto gewonnen. Oh Wunder, sie haben es verstanden. Endet mein Tag doch halbwegs positiv. Oder der Neue beginnt halbwegs positiv, wenn es nach der Uhr in meinem Armaturenbrett geht. Problemlos gelange ich in meine Parklücke, stelle den Wagen ab und steige, meine Einkäufen natürlich mitnehmend, aus. Ich schließe die Haupttür auf und überprüfe meinen Briefkasten. Ein bisschen Werbung und die üblichen Rechnungen. Also nix interessantes. Wird dennoch mit nach oben genommen. Mit zwei Schritten stehe ich vor dem Fahrstuhl, der praktischerweise bereits unten ist. Nachdem ich den kleinen Knopf, trotz voll beladener Hände, gedrückt habe öffnen sich die Türen und ich kann eintreten. Die Tüten stelle ich dann für einen Moment auf den Boden. Die blöden Dinger werden schwer mit der Zeit. Meiner Finger huschen über die verschiedenen Stockwerke und betätigen dann den für die 5. Etage. Die Türen gehen wieder zu und der Fahrstuhl setzt sich in Bewegung. Ungeduldig warte ich auf das Geräusch, welches mir sagt, dass ich angekommen bin. Dann geht ein Ruck durch den beweglichen Raum und diese melodische ‚Ping’ ertönt. Beides veranlasst mich dazu mich runter zu beugen um das abgestellte Gepäck wieder aufzunehmen. Einige wenige Augenblicke bin ich dann auch schon draußen. Vor meiner Wohnungstür wechsle ich die Tüten von einer in die andere Hand, damit ich die Tür auch aufschließen kann. Schuhe und Jacke wandern an ihren Stammplatz im Flur und meine müden Füße schleppen mich in die Küche. Obwohl, müde traf es nicht ganz. Komatöser Zustand, auf den ganzen Körper bezogen, traf es wohl eher. Tja, Magen. Essen wird warten müssen. Den Einkauf verstaue ich so wie er ist im Kühlschrank. Wird schon nicht schaden. Leicht wankend mache ich mich auf den Weg zum Schlafzimmer, wo ich mich dem Großteil meiner Klamotten entledige. Badezimmer? Will ich vor morgen früh nicht sehen. Kommt mir das nur so vor oder ist das Bett heute weicher als sonst? Kommt mir wahrscheinlich nur so vor, weil ich so verdammt müde bin. Ach ja. Augen zu und durch. Daisuke blinzelte und folgte mit seinen warmen, leicht verschlafen dreinblickenden, braunen Augen dem auf und ab laufenden Leader-Tiger. „Kaoru, setz dich endlich hin. Du machst mich richtig nervös mit der Lauferei. Mehr als diese Ungewissheit.“ „Du kennst mich doch. In solchen Situationen brauche ich Bewegung“, gestikulierte der Schwarzhaarige weiter marschierend. Abrupt blieb er stehen und starrte die Tür an hinter der sich Kyo befand. „Jetzt kommt endlich da raus!“ „Das bringt doch nichts“, ertönte Toshimasas Stimme. Er war zusammen mit dem Drummer Kaffee holen gegangen und hatte noch eine geraucht, um seine Nerven zu beruhigen. Zwei Becher mit braunem, dampfendem Inhalt wurden an die Gitarristen weiter gereicht und die beiden Jüngsten ließen sich neben Die nieder. Weitere Minuten des Wartens vergingen. Kaoru versuchte weiterhin einen Graben in den Fußboden zu laufen, während Toshiya ihm abwesend dabei zu sah. Shinya und Dai hingegen hatten es geschafft in diesen Minuten die Augen zu schließen und zu dösen. Der Lead-Gitarrist trottete gerade wieder zurück, als die Tür aufschwang und ihm beinahe die Nase zertrümmert hätte. Alle 4 waren aus ihren Gedanken gerissen. Ein Bett wurde hinausgeschoben. Der Krankenpfleger hatte ein wenig zu kämpfen mit der Masse der Liegestätte. Kaoru war ein Stück zur Seite gegangen und starrte mit weit aufgerissenen Augen auf die Person, die dort lag. Die, Shinya und Toshi erhoben sich von ihren Plätzen und taten es ihrem Leader gleich. „Kyo“, hauchte Kaoru, als müsse er sich erst begreiflich machen, dass das wirklich der war um den sie sich, berechtigterweise, Sorgen machten. Man sah ihnen allen an, dass sie ihm hinterher wollten, sich über seinen gesundheitlichen Zustand erkundigen wollten, aber ihre Körper waren vom Schock über das Gesehene gelähmt, bewegungsunfähig. Nicht einmal das Atmen war ihnen richtig möglich. Die Tür hinter ihnen, hatte sich bereits wieder schließen wollen, wurde jedoch ein weiteres Mal aufgestoßen und einige Personen wollten nach draußen treten. Angesichts der 4 Männer, die dort mitten im Weg nebeneinander standen, dem eben hinausgeschobenen Bett hinterher starrten und sich in nächster Zeit auch nicht so schnell vom Fleck bewegen würden, kein leichtes Vorhaben. Einer der Ärzte, die aus dem Zimmer wollten, räusperte sich, so dass die Musiker zusammenzuckten und dem Krankenhauspersonal, immerhin 5 Schwestern und 3 Ärzte, platz machten. Eiligen Schrittes wollten sie Kyo hinterher, doch Kaoru fasste sich wieder und hielt einen der Männer in weiß am Arm fest. „Was ist mit ihm? Was ist mit Kyo?“ Der ältere Mann sah ihn eindringlich musternd an. „Sind sie ein Familienmitglied des Patienten?“ „Ja…Nein…fast“ „Tut mir Leid, aber ich kann Ihnen nur Auskunft geben, wenn sie ein Angehöriger des Patienten sind. Würden Sie mich dann auch wieder los lassen. Ich muss mich um den Patienten kümmern.“ Kaum hatte Kaoru seinen Griff gelockert war der Mediziner auch schon verschwunden. „Was haben die vor?“, fragte der Leader die Luft um sich herum, doch statt ihrer antwortete Die: „Keine Ahnung, Kao. Aber ich wüsste es auch nur allzu gern.“ Mit einem mulmigen Gefühl stellte er sich neben den Schwarzhaarigen Gitarristen und starrte den Gang hinunter, so als könnte Kyo allein dadurch wieder zurückkehren. „Die wollen uns also immer noch nichts sagen, hai?“ Verwundert richteten sich drei Augenpaare auf den Bassisten. Der Tonfall in seiner Aussage zog irgendwie nichts Gutes mit sich. Es traute sich auch keiner von den anderen zu fragen, was er denn vorhatte. Wir sprachen hier immerhin von Toshiya. Der setzte sich nun mit resolutem Gesichtsausdruck vor die Tür, aus der der Sänger geschoben worden war. „Ich streike jetzt“, gab der Zweitjüngste unter ihnen bekannt. Drummer und Gitarristen warfen sich viel sagende Blicke zu. Anerkennendes Nicken bestätigten Toshiyas Idee und gleich darauf begannen die drei Männer dem Beispiel des Größten zu folgen. Sollte es doch jetzt noch einer wagen sie abzuweisen, man würde ihn für lebensmüde erklären. Die bösen Blicke aus ihren Augen…ja, Kyo wäre stolz auf sie gewesen, hätte er sie in diesem Moment gesehen. Sie wirkten alle auf ihre Art bedrohlich und bei Shinya wurde es noch durch das Rot auf seiner Kleidung verstärkt. Krankenschwestern, Pfleger, andere Besucher und sogar vorbeilaufende Ärzte wechselten ihre Richtung, gingen schneller. Heimlich schickten sie jedoch flehende Gebete zum Himmel, dass alles wieder gut werden möge. Die Zeit verrann und noch immer passierte nichts . Hatten sie Kyo vielleicht auf ein anderes Zimmer verlegt? Damit ihnen nichts erzählt werden konnte? Oder war…? Nein, daran durfte kein Gedanke gerichtet und verschwendet werden. Das lange Sitzen ließ Müdigkeit in ihre Körper herein. Ihre Augen brannten regelrecht und angenehm war es eigentlich nur, wenn die Lider geschlossen waren. Als Shinya seine wieder gewaltsam öffnete merkte er wie Die und Toshi eingenickt waren. Kaoru starrte böse geradeaus, aber erweckte mehr den Eindruck, als ob er mit offenen Augen tief und fest schlafen würde. Müde lenkte der Drummer wieder die Augen nach vorne, um seine Umgebung zu inspizieren. Seine braunen Iriden wurden jedoch vom Anblick eines großen Ungetüms, welches auf sie zu gerollt kam, gefesselt. Weiterhin diese Etwas anstarrend rammte er Toshiya unbarmherzig seinen spitzen Ellebogen in die Rippen. Der schaffte es durch sein übertriebenes Zusammenzucken Daisuke zu wecken. Verwirrt sahen die beiden Männer den Jüngeren an, der aber keine Anstalten machte ihnen zu erzählen worum es ging. Nach einigen Augenblicken bemerkten auch sie, wie sich ihnen etwas großes näherte, welches schlussendlich wenige Zentimeter vor den Musikern halt machte. Hektisch und umständlich richteten sich Die, Shinya und Toshiya auf und sahen in das Bett vor sich. Ihnen stockte der Atem. Die Hände und die Unterarme waren in dicke Verbände gehüllt. Einer dieser Beatmungsschläuche steckte in dem Mund und einige Kabel an der Stirn, die wohl zu einer dieser piepsenden Maschinen führten. Die mit Narben übersäte Brust war hinter weißem Mullverband verschwunden, durch dessen Lagen sich ebenfalls Kabel nach außen und zu einem entsprechenden Gerät schlängelten. Soweit Shinya erkennen konnte endeten sie bei dem EKG, das einen schwachen Puls anzeigte. In der Halterung für den Tropf hingen eine Blutkonserve und noch eine weitere, jedoch klare, Flüssigkeit deren Inhalte zu dem Körper wollten. So lag die Person dort. Das Gesicht mittlerweile wieder erkennbar, nachdem der ganze Schmutz abgewaschen worden war. Auch die Haare schienen gebürstet worden zu sein, denn sie waren bei weitem nicht mehr so verfilzt wie noch vor einiger Zeit. Die schubste Kaoru mit dem Fuß an, damit dieser endlich bemerkte, was hier vor sich ging. Der Schwarzhaarige kniff die Augen zusammen, schüttelte den Kopf und streckte sich ausgiebig, ließ ein herzhaftes Gähnen verlauten. Schlaftrunken öffneten sich seine Lider einen Spalt breit wurden dann aber wegen des sich bietenden Anblicks aufgerissen. Hastig rappelte Kaoru sich auf und tat es den anderen gleich, indem er ebenfalls die Person in dem Krankenbett begutachtete. „Kyo“, hauchte der Leader. „Würden Sie bitte zur Seite gehen“, forderte eine der Krankenschwestern, die den Sänger schoben, die Musiker auf. „Unter einer Bedingung“, sagte Kaoru ernst und verschränkte bedeutungsvoll die Arme vor der Brust, „Wir wollen wissen, was mit unserem Freund los ist.“ „Das müssen Sie mit dem behandelndem Arzt abklären. Darüber kann ich nicht entscheiden. Und jetzt lassen Sie uns bitte durch. Der Patient braucht dringend Ruhe.“ Allen vieren war ein wenig mulmig zumute, als sie die Tür freigaben und mit ansehen mussten wie der Dunkelblonde, schlafend und scheinbar hilflos, an ihnen vorbei rollte. Das Geräusch der ins Schloss fallenden Tür hörte sich schrecklich an. Irgendwie…endgültig. Aber nicht für Toshiya. Er betätigte die Klinke und betrat den Raum. „Sie können doch nicht einfach hereinplatzen“, keifte auch gleich eine der Schwestern und ging auf den langen, schlaksigen Musiker zu. Doch die anderen drei schoben sich bereits ebenfalls durch die Tür, bewegten sich weiter in den Raum, direkt auf den Sänger zu und stellten sich rechts und links neben ihn. „Verlassen sie sofort dieses Zimmer. Sie sind nicht befugt hier zu sein. Gehen Sie!“ Noch versuchten es die Pflegerinnen auf die freundliche Art, doch sollte das nicht funktionieren gab es da noch andere Wege und Methoden. Eine von ihnen ging gerade auf die Eindringlinge zu, um diese doch noch zum Gehen zu bewegen, aber auf gut 2 Schritt Entfernung funkelte Shinya sie an. „Was wurde mit ihm gemacht?“, fragte Die, ohne die Frauen auch nur anzusehen. „So verstehen Sie doch endlich. Darüber darf ich ihnen nichts sagen. Sie sind keine Familienangehörigen.“ „Kommen Sie uns nicht mit diesem Argument!“, blaffte Kaoru sie lautstark an. „Haben sie überhaupt eine Ahnung, wie scheißegal uns diese Familienangehörigkeit ist? Wir machen uns als seine engsten Freunde natürlich auch Sorgen. Und jetzt holen Sie sofort seinen Arzt her, damit wir erfahren, was los ist!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)