Das Blut an meinem Schwert von Hiko-Seijuro ================================================================================ Kapitel 15: ------------ 15 Hideto, Hotaru und der kleine Soji hatten das besetzte Haus verlassen. Die Besitzen waren ja offenbar verreist gewesen, doch Essensvorräte hatten sie nicht zurückgelassen. „Nach der Sache mit dem Haus, bin ich gespannt was für Tricks du für das Frühstück auf Lager hast.“, sagte Hideto herausfordernd zu Soji. Der Junge lief neben ihm und als Hideto ihn ansprach, legte er verlegen die Hand in den Nacken und lächelte unwissend. Hotaru wiederum lief neben Soji, doch sie hörte den beiden gar nicht zu. Viel zu sehr war sie von den Ständen der Händler abgelenkt, die sich links und rechts der staubigen Straße aneinanderreihten. Noch nie hatte sie so viele Läden und Händler gesehen! Hier war Einer, der kleine Windräder verkaufte, ein anderer schnitzte Kindermasken aus Holz, ein dritter räucherte aufgespießten Fisch über einem kleinen Ofen. „Die große Stadt ist so wunderschön.“, seufzte sie vor sich hin, „Zu schade, dass wir nicht das Geld haben, uns zu amüsieren…“ „Amüsieren?“, fragte Hideto, „Erstmal will ich meinen Magen füllen… Soji? Gibt es hier in der Nähe einen Fluss, sodass wir uns vielleicht einen Fisch fangen können?“, wollte er von dem Jungen wissen. Der Kleine nickte aufgeregt, „Natürlich!“, ich führe euch hin!“, rief er freudig. Die Sonne schwebte schon über den Dächern der hölzernen Gebäude, die meistens nur eine Etage besaßen, da diese Gegend oft von kleineren Erdbeben heimgesucht wurde. Eine ständige Gefahr, wie Hideto wusste. Doch solange man im Freien war, konnte nichts passieren. Dem Jungen folgend, zogen sie durch die halbe Stadt, vermutete Hideto. Mit leerem Magen kam ihm der Weg endlos lang vor. Nach einer ganzen Weile erreichten sie ein Viertel, das ärmlicher wirkte als das, durch das sich die Hauptstraße zog. Hier gab es keine Händler, keine spielenden Kinder. Nur kleine Häuser, Wand an Wand gebaut. Einige hatten kleine Löcher in den Dächern, die meist aus Stroh oder Holzlatten waren. Kaum ein Mensch war hier unterwegs. Bestimmt liegt es daran, dass die Luft hier nach öffentlichen Aborten und Müll stinkt, dachte Hideto. Ihm fehlte die frische Lust, die er in der Kaserne auf dem Land immer um sich hatte. „Fisch, Fisch, wir fangen uns einen Fisch. Einen Fisch, einen Fisch, einen dicken, frischen Fisch!“, singend stapfte Hotaru hinter Hideto her, Soji lief voran. Die Straßen waren hier nicht so breit, und wenn ihnen jemand entgegen kommen würde, müssten sie ohnehin beschämt Platz machen. Plötzlich bemerkte Hideto eine Gestalt, die zwischen zwei Häusern in einer engen Gasse stand und zu ihnen hinüber sah. Verdutzt blieb er kurz stehen und sah dem Mann entgegen. Er trug einen weiten Umhang aus Stroh und einen breitkrempigen Hut, sodass Hideto ihn unmöglich erkennen konnte. „Ist alles in Ordnung?“, fragte Hotaru verwirrt. „Ja. Es ist nichts.“, log Hideto und lief weiter. Seit sie am Morgen aufgebrochen waren, hatte er das Gefühl, dass sie verfolgt wurden. Er schallt sich einen Narren, in jedem Fremden einen Feind zu sehen. Wer in dieser großen Stadt wollte ihm, einem kleinen Samurai vom Land, schon etwas tun? „Sind wir bald da?“, fragte Hotaru jammernd, „Sonst verhungere ich noch…“ „Ja, ja! Wir sind gleich da!“, rief Soji freudig, doch Hideto konnte keinen Flusslauf sehen oder hören. Sie waren immer noch mitten in der Stadt. Eine große dunkle Wolke zog sich vor die Sonne, sodass die ganze Gegend plötzlich in Finsternis zu verschwinden schien. Jeder Schatten wirkte bedrohlich, jede Ecke barg unsichtbare Gefahren. Nervös verkrampfte sich Hidetos Hand um seinen Schwertgriff. Hotaru blickte ihn fragend an, als Sojis Stimme die unnatürliche Stille, die plötzlich auf der gesamten Stadt zu liegen schien, durchbrach. „Hier ist es!“, erklärte er freundlich. Die Drei bogen um eine Hausecke und Hideto erblickte das Gewässer. „Was soll das denn sein?!“, rief Hideto aus. Der Fluss war ein Kanal, zu beiden Seiten mit flachem Stein begradigt. Das brackige Wasser war braun-grün von dem Schmutz und dem Abwasser der Stadt. An einigen Stellen ragte ein toter Fisch oder achtlos weggeworfener Müll aus dem zäh dahin fließenden Wasser. Der Gestank was sogar noch schlimmer als im Rest dieses ärmlichen Viertels. Wütend sah Hideto zu Soji hinüber, der immer noch freudestrahlend lächelte. „So ein Fußmarsch für nichts?“, rief Hideto, „Hier kann man doch keinen Fisch fangen! Und wenn doch, so wächst einem bestimmt ein zweiter Kopf, wenn man ihn isst!“ Verwirrt schaute Soji zu Boden, lächelte aber unverändert weiter. „Lass doch den Jungen, Hideto…“, sagte Hotaru besänftigend, „Er wollte uns doch nur helfen.“ „Aber das hier IST keine Hilfe!“, gab Hideto trotzig zurück, „Faulen Fisch finden wir in jeder Tonne!“ „Ja, aber…“, begann Hotaru, doch ein Ruf unterbrach sie. „Wen haben wie denn da?“, rief eine tiefe Männerstimme. Er klang so rau, als müsste er sich räuspern. Der Mann war etwas größer als Hideto, hatte kurze, glatte Haare und trug einen weiten Kimono lose über seine breiten Schultern geworfen. Im Mundwinkel hing ein langer Grashalm. Neben ihm stand der Mann mit dem Strohumhang und dem Strohhut. Jetzt erkannte Hideto, dass der Hut vorn ein paar schmale Schlitze hatte, dass der Träger sehen konnte, ohne gesehen zu werden. „Wer seid ihr?“, rief Hideto herausfordernd, „Und was wollt ihr von uns?“, schützend stellte er sich vor Hotaru und Soji. „Unsere Namen gehen euch nichts an!“, bellte der große Typ feindselig, „Sie werden euch sowieso nichts mehr nützen…“, fügte er drohend hinzu und grinste Hideto übermütig an. Erst jetzt bemerkte Hideto das Schwert an der Schärpe des Mannes – ein Rônin! „Wir haben euch gestern gesehen…“, erklärte der kleinere Mann mit dem Strohhut, „…auf der Hauptstraße. Ihr habt einen Mann erschlagen und einem zweiten den Arm abgeschnitten.“ „Na und?“, rief Hideto zurück, „Das ist nicht eure Angelegenheit!“ „Leider irrst du dich da gewaltig…“, antwortete der Große, „Die Männer gehörten zu uns!“, wütend ließ er den Kimono von seinen Schultern rutschen, sodass sein massiger, mit Tattoos übersäter Oberkörper zum Vorschein kam, „Außerdem wurden der Verletzte und zwei weitere Männer gestern Nacht ermordet! Einfach hingerichtet! Und nun sagt nicht, ihr hättet nichts damit zu tun!“ Verwirrt schaute Hideto den großen Mann an, „Wovon redest du überhaupt?“, wir haben niemanden hingerichtet! Die beiden Männer gestern Morgen haben UNS angegriffen! Wir haben uns lediglich verteidigt.“ „Schweig, LÜGNER!“, rief der Mann wütend aus und zog sein Schwert – ein Tachi! Von der Konstruktion und Form her entspricht es quasi einem Katana, doch das Tachi ist im Griff und der Klinge länger. Diese Klinge musste mindestens 2,5 Shaku lang sein, also 75cm. „Was schaust du denn so verdutzt?“, fragte der Große herausfordernd, „Noch nie so ein langes Schwert gesehen? Mit der Wucht dieser Waffe hau ich euch in Stücke!“ Wütend zog auch Hideto sein Katana, „Kennst du diese Männer, Soji?“, fragte er leise, ohne sich umzudrehen. „Ja, natürlich.“, berichtete der Junge erfreut, „Der Große gehört zu den Männern, die Kinder für Geld verkaufen. Den kleineren habe ich noch nie gesehen…“ Vielleicht ein Söldner, dachte Hideto, wenn ich einen schnell genug erledige, kann ich den anderen im Zweikampf schlagen. Doch was für eine Waffe benutzt der mit dem Strohhut? Weitere finstere Wolken zogen den Himmel vollständig zu, während ein böiger Wind aufkam und die Schwüle des Vormittags verdrängte. Ein einziger dicker Regentropfen landete genau zwischen Hideto und dem Mann mit dem Tachi. Wie auf ein Zeichen bewegten sich beide aufeinander zu. Ziellos schlenderten Yoshimaru und Bakemono durch die belebten Straßen Kanazawas. Noch immer konnte Yoshimaru seine Gedanken nicht abschütteln. Immer wieder musste er an Yuuka denken. Sie fehlte ihm so unbeschreiblich. Ohne über den Weg nachzudenken durchquerten sie schweigend das zentrale Viertel der Stadt und landeten schließlich in einem ärmlich wirkenden Bereich, indem offenbar die weniger gut betuchten Bürger lebten. Der faulige Gestank des Abwasser tragenden Kanals zu ihrer linken wurde nur durch den beißenden Geruch einer Stoff-Färberei auf der rechten Straßenseite überdeckt. Die Gegend schien menschenleer zu sein. Während dunkle Wolken nach und nach den hellblauen Himmel füllten, folgten die Beidem dem Kanal durch das Viertel. „Wo wollen wir eigentlich hin?“, fragte Bakemono beiläufig. „Ich weiß nicht…“, entgegnete Yoshimaru verwundert. In Gedanken versunken, hatte er gar nicht bemerkt, wo sie waren und seine Umgebung nur teilweise wahrgenommen, „Wir sollten nach Hideto und Hotaru Ausschau halten.“ „Meinst du wirklich, dass sie in dieser verlassenen Gegend sind?“, wollte Bakemono wissen. „Ich weiß nicht…“, antwortete Yoshimaru nachdenklich, „möglich wäre es.“ Plötzlich bewegte sich eine kleine gebückte Gestalt auf die beiden zu. Eingewickelt in ein löchriges Leinentuch. Doch Yoshimaru spürte, dass von der Person keine Gefahr ausging. Als sie näher kam, erkannte Yoshimaru, das es sich um einen alten Mann handelte, vielleicht 60 Jahre alt. Sein Haar war weiß und licht, tiefe Falten zogen sich durch sein Gesicht. „Verzeiht, mein Herr.“, sagte Yoshimaru freundlich und verbeugte sich kurz. Der Mann schaute ihn verwirrt an. Offenbar fragte er sich, ob der fremde Samurai wirklich mit ihm geredet habe, wo er sich doch so viel Mühe gegeben hatte, unsichtbar zu sein. Nachdem er sich kurz umgeschaut hatte und anscheinend zu dem Schluss gekommen war, dass er der einzige Mensch auf der Straße war, antwortete er, „Äh, ja?“ „Wo sind wir hier?“, wollte Yoshimaru wissen. „Das hier ist das Viertel in dem sich Kanazawas Schmieden, Nähereien und Färbereien befinden, Herr.“ „Verstehe. Ich danke euch. Habt ihr zufällig einen jungen Soldaten und ein Mädchen in einem rosa Kimono gesehen? Sie sind Freunde von uns und wir suchen sie.“ Vorsichtig blickte der Mann sich um, als hätte er Angst, jemand könnte seine Antwort hören, „Ich weiß nicht wen ihr meint, Herr… Aber ein Stück weiter den Kanal hinunter werden ein paar Leute von den örtlichen Yakuza auseinander genommen… Besser, man ist nicht in der Nähe wenn so was passiert, nicht wahr?“, der Alte zwinkerte Yoshimaru zu und schlurfte von dannen. „Denkt du was ich denke, Bakemono?“, fragte Yoshimaru gespannt. „Wir sollten uns das mal ansehen…“, antwortete Bakemono ruhig. Hideto holte zu einem vertikalen Schlag aus, doch die langen Arme und das lange Schwert des Mannes ließen ihn gar nicht bis an ihn herankommen. Ihm blieb nichts anderes übrig, als im letzten Moment seinen Hieb in letzter Sekunde als Block zu nutzen, um nicht von dem Yakuza enthauptet zu werden. Verbissen wehrte Hideto den Schlag ab, die Wucht, die der Hüne mit dieser Waffe aufbrachte, war enorm! Doch auch die Zeit, die er brauchte, um zu einem neuen Schlag auszuholen war länger als bei einer kurzen Waffe, das wusste Hideto. Er musste nur die Lücke in der Verteidigung abwarten, wenn der Mann ausholte. Das war seine Chance! Aus seiner Parade heraus, riss Hideto das Schwert diagonal empor während er einen großen Schritt nach vorn machte. Doch sein Gegner grinste nur hämisch. „Du wagst dich in meine Reichweite? Du bist sehr mutig oder sehr dumm!“, rief er. Noch eh Hidetos Klinge den Körper des Gegners berührte, schlug dieser ihm den langen Schwertgriff des Tachi ins Gesicht und Hideto wurde nach hinten geschleudert. „Hahaha!“, grunzte der Große, „Damit hast du nicht gerechnet, was?“ Hideto hob das Katana in eine abwehrende Haltung und spuckte Blut auf den sandigen Boden, „Mit so einem Treffer gibst du dich zufrieden? Lächerlich…“ Das boshaft grinsende Gesicht des Yakuza verwandelte sich in eine Fratze des Zorns. „Wie kannst du es wagen? Deine Tage sind gezählt!“, erneut holte der Große aus und drosch wuchtig auf Hideto ein. Zwar konnte er die Schläge parieren, da sein kürzeres Schwert wendiger war, doch zum Angriff kam er so nicht. Die Beiden tauschten einige Schläge aus, doch Hideto konnte keine Verteidigungslücke für sich nutzen. Hotaru legte einen Arm schützend um Soji, während sie dem Kampf aufmerksam folgte und den Mann mit dem Strohhut um Auge behielt. Als dieser merkte, dass Hotaru ihn ansah, rührte er sich. „Anscheinend sind wir an einem toten Punkt angekommen…“, zischte er bedrohlich, „Ich werde der Sache etwas mehr … Würze verleihen!“, mit einer schnellen Bewegung ließ er seinen weiten Strohumhang von seinen Schultern rutschen. Darunter trug er einen eng anliegenden Gi und einen Hakama, der zur Hälfte in seinen Beinschützern steckte. Seine Handrücken waren mit ledernen Panzern bedeckt. Doch was hielt er da in der Hand? „Pass auf Hotaru!“, rief Hideto warnend, „Das ist ein Kusarigama! Eine Distanzwaffe! Eine Sichel an einer Kette!“ Verängstigt schaute Hotaru zu dem Rônin hinüber, der unter seinem Hut her grinste. „Sehr clever der junge Samurai. Schade, dass es ihm nichts mehr nützen wird…“, zischte er und ließ eine Sichel auf Hotaru zuschießen. Panisch umklammerte sie den kleinen Soji und kniff die Augen fest zu. Ein metallisches Klingen ließ Hotaru die Augen wieder öffnen. Hideto hatte einen gewaltigen Sat gemacht und mit seinem Katana auf die Kett geschlagen, die den Mann mit der Sichel verband, so reichte sich nicht bis zu Hotaru und Soji. „Hideto…“, flüsterte Hotaru verwundert. „Das war dein letzter Fehler!“, rief der Mann mit dem Strohhut. Er riss an der Kette und die Sichel wickelte sich um Hidetos Klinge. Im selben Moment sprang der Große mit seinem Tachi auf Hideto zu, zum Hieb ausholend. „Verdammt!“, entfuhr es Hideto, der sein Katana nicht aus der Kette lösen konnte. Die Klinge des Langschwertes kam mit bedrohlicher Geschwindigkeit näher – und stoppte einige Zentimeter vor Hidetos Hals. Verwundert schaute er über die Schulter und erblickte – Soji! Der Junge hatte sich erneut Hidetos Wakizashi geschnappt. Und er hatte es fertig gebracht, damit die Wucht des Tachi abzuwehren. Der Kleine war wirklich immer für eine Überraschung gut. „Was zur…?“, entfuhr es dem Mann mit dem Hut, und Hideto spürte, wie sich die Spannung er Kette zu lösen begann. Mit einem Ruck zog er sein Katana aus der eisernen Falle und richtete sich neben Soji auf, während der Große verwirrt einen Schritt zurück machte. „Wie kann der Knirps mein Tachi abwehren?“, rief er ungläubig, „Das ist doch nicht möglich!“ „Alles in Ordnung Soji?“, fragte Hideto, während sich sein Atem langsam beruhigte. „Ja.“, antwortete der Junge, „Nur meine Hände sind taub von der Wucht des Schlages…“ „Verstehe.“, gab Hideto zurück, „Ich danke dir später, zuerst zeigen wir’s diesen Gangstern!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)