Das Blut an meinem Schwert von Hiko-Seijuro ================================================================================ Kapitel 12: ------------ 12 Kennt ihr ihn?“, fragte Yoshimaru, „Er müsste in der selben Kaserne gewesen sein wie Ihr.“ Bakemono schaute immer noch entgeistert geradeaus, als sähe er einen Punkt, weit entfernt, der ihn in seinen Bann gezogen hat. „Bakemono? Ist alles in Ordnung?“, wollte Yoshimaru behutsam wissen. Etwas schien nicht mit Bakemono zu stimmen. Einen Moment später atmete Bakemono ruckartig ein, seine Augenlider blinzelten schnell. Er blickte sich verwirrt um, als hätte er vergessen wo er war. Als er Yoshimaru erblickte, änderte sich sein Gesichtsausdruck und er war auf einmal wieder ruhig und konzentriert. „Ja ich… ich kenne ihn.“, antwortete Bakemono leise. Zwar war Yoshimaru in der Lage, die Gedanken einer Person zu erahnen, wenn er ihr gegenübersaß, doch bei Bakemono war er absolut ratlos. Zweifellos mussten seine Erlebnisse und die Verbrennungen ihn stark geprägt haben. „Wenn wir in Kanazawa sind, werden wir ihn treffen.“, erklärte Yoshimaru erfreut, „Da bin ich mir sicher.“, Yoshimaru entschied, einfach weiterhin freundlich zu sein und sein Misstrauen zu verdrängen. Was hatte er für einen Grund, Bakemono nicht zu vertrauen? „Wollen wir weiter gehen?“, fragte Yoshimaru schließlich. Beide hatten ihren Tee getrunken und eine Kleinigkeit zu sich genommen. Das sollte für den Rest des Weges reichen. Schwer atmend drückte sich Hideto gegen die Rückwand eines kleinen Holzhauses. Sie waren in ein Wohnviertel geflüchtet, nachdem der zweite Rônin ohne seine Hand geflüchtet war. Zwar war es das Recht eines Samurai, einfache Bürger zu töten, ohne einen Tadel dafür zu erfahren, auch war es durchaus Gang und Gebe jemandem bei einem Duell oder einer Rauferei zu töten. Doch trotzdem wollte sich Hideto aus dem ganzen Rummel lieber heraushalten. Kurzerhand hatte er dem Straßenjungen das Wakizashi aus der Hand gerissen, Hotaru am Handgelenk gepackt und war mit ihr fluchend quer durch Kanazawa gerannt. Jetzt, da sie endlich eine Stelle gefunden hatten, wo gerade niemand anders zugegen war, machten sie halt um zu verschnaufen. Schweißtropfen liefen über Hidetos Gesicht, die erbarmungslose Mittagssonne heizte die Stadt auf wie einen Ofen. Erschöpft richtete er sich auf und sah hinüber zu Hotaru, die wenige Meter neben ihm an der Hauswand lehnte. Doch was war das? Da war jemand hinter ihr! Hideto schirmte seine Augen mit der Hand ab, um mehr erkennen zu können – der Straßenbengel! „Was macht er denn hier?“, rief Hideto zu Hotaru hinüber. „Ich habe ihn natürlich mitgenommen!“, keifte Hotaru zurück und baute sich schützend vor dem Jungen auf, „Ich hätte ihn unmöglich inmitten dieser Meute lassen können.“ „Dieser Bengel ist doch für den ganzen Schlamassel verantwortlich!“, blaffte Hideto und schürzte die Lippen. „Sei nicht so gemein zu ihm, er ist doch noch ein Kind.“, verteidigte sich Hotaru. Bei dem Gedanken an das Leben des Jungen, machte sich tiefe Traurigkeit in ihr breit. Sie ließ die Arme und den Kopf hängen und dachte daran, was dem Jungen wohl passiert wäre, hätte er nicht Hideto angerempelt. „Jungen-Prostitution ist heutzutage etwas vollkommen Übliches.“, erklärte Hideto, der angesichts der traurigen Hotaru spürte, wie sein Zorn verflog wie Nebel, der von frischem Wind hinfort geblasen wird. Er drehte sich zur Seite und starrte gegen die Wand des gegenüberliegenden Hauses, „Dieses Schicksal erleiden hunderte von Jungen täglich in ganz Japan, wenn nicht sogar noch mehr.“, verstohlen sah er aus dem Augenwinkel zu Hotaru hinüber und erkannte, dass ihr eine Träne über die Wange lief. „Aber das… das ist doch schrecklich…“, entgegnete sie leise, „Diese armen Kinder…“ Hideto atmete laut aus und drehte sich wieder zu den Beiden um. Der Junge stand hinter Hotaru und sah sie verwundert an. Plötzlich legte er ihr eine Hand auf die Schulter. Hotaru hob langsam den Kopf und sah den Jungen an. Tränen zeichneten ihr hübsches weiches Gesicht. Als sich ihre Blicke trafen, begann der Junge freudig zu lächeln und Hotaru konnte nicht anders, als selbst zu lächeln. „Aber eins würde mich noch interessieren…“, begann Hideto neugierig. Hotaru und der Junge sahen ihn verwundert an. „Wie hast du es geschafft, mein Schwert zu ziehen?“, Hidetos Blick wurde ernst, fast finster, als er den Straßenjungen musterte, der ängstlich einen Schritt zurück machte. „Wie konntest du, ein einfach Bengel, ohne Probleme das Wakizashi aus meiner Schärpe stehlen und ziehen? Und wie kommt es, dass du damit auch noch umgehen kannst?“, er machte eine unheilvolle Pause. Die angespannte Atmosphäre in der Gasse schien die Geräusche der Umgebung vollkommen zu absorbieren. „Du bist kein gewöhnlicher Junge, nicht wahr? Wer bist du?“, fragte Hideto argwöhnisch, als der Junge noch einen Schritt nach hinten macht, ihn aber unverändert anlächelte. „Und wieso lächelst du andauernd?“, bellte Hideto, woraufhin der Junge stolperte und mit seinem Po auf dem sandigen Boden landete. „Ich… ich…“, stotterte der Kleine. „HIDETO! LASS DEN JUNGEN IN RUHE!“, ertönte plötzlich Hotarus Stimme so laut, dass Hideto das Gleichgewicht verlor und sich nur knapp davor bewahren konnte, ebenfalls hinzufallen. Verärgert schaute Hideto zu Hotaru, die auf den Jungen zuging und freundlich lächelte, „Wer bist du? Kannst du uns das sagen?“, fragte sie behutsam und hockte sich hin, da der Junge noch recht klein war. „Mein Name ist Sojiro Okita, aber man nennt mich Soji.“, antwortete der Kleine tapfer. „Soso, ein Spross einer Samuraifamilie?“, schloss Hideto daraus, dass der Junge einen Familiennamen trug. „Mein Vater war ein großer und mächtiger Samurai!“, rief Soji, „Und eines Tages werde ich genau so stark sein wie er!“ Hideto sah dem Jungen in die Augen. Sein Wille, stärker zu werden, brannte in seinen kindlichen Augen. „Wenn du also ein kleiner Samurai bist …“, Hideto machte wieder eine kurze Pause und genoss den fragenden Blick auf dem Gesicht des Kleinen, „Wieso rennst du dann auf der Straße herum und wirst von solchen eigenartigen Leuten verfolgt?“ Sojis Gesicht nahm einen trotzigen Ausdruck an, als er Hidetos Worte aufnahm. „Mein Vater war ein ehrenhafter Mann!“, rief er unvermittelt und erhob sich ruckartig, sodass Hotaru aus dem Gleichgewicht geriet und sich an der nächsten Hauswand abstützen musste, um nicht umzufallen, „Er hätte meine Mutter und meine Schwester niemals umgebracht! Ich werde herausfinden, wer dafür verantwortlich ist und ihn zur Strecke bringen! Und dazu ist mir jedes Mittel recht!“ Hideto traute seinen Ohren kaum. Sein Erstaunen musste sich auf in seinem Gesicht widerspiegeln, denn Hotaru sah ihn gleichzeitig fragend und entsetzt an. „Du meinst also, dein Vater ist einem Komplott zum Opfer gefallen?“, fragte Hideto vorsichtig. Er war sich nicht sicher, ob der Junge die Wahrheit erzählte oder nur versuchte, Aufmerksamkeit zu bekommen. „Ja genau!“, erwiderte Soji, „Mein Vater lebte schon immer in Kanazawa. Früher war es nur ein kleines Dorf. Doch mit dem Bau des Palastes des Fürsten, wuchs das Dorf. Dies zog auch allerhand Gesindel und Abschaum an.“ „Wie diese Kerle…“, fiel ihm Hotaru leise ins Wort. Langsam begann sie zu verstehen. „Ja. Mein Vater wollte nicht, dass solche Leute hier tun und lassen dürfen, was sie wollen. Er verschaffte sich eine Audienz bei dem Fürsten, doch dieser war nicht zugegen und so musste er mit dessen Stellvertreter vorlieb nehmen. Uyeda Yoshifumi, diese Schlange. Er hat meinen Vater angehört, ihn ausgelacht und wieder davon geschickt. In der folgenden Nacht…“, Soji machte eine Pause und Hideto konnte sehen, wie der Junge seine Zähne fest aufeinander biss, „… ich hörte Geräusche und ging in den Garten um nachzusehen. Doch es war niemand dort. Als sie wieder in das Haus ging, sah ich meine Mutter und meine Schwester auf dem Boden liegen. Beide lagen sie in ihrem eigenen Blut.“, wieder wartete Soji. Sein Blick war erst, doch konnte Hideto keine Trauer in seinen Augen erkennen. Wer war dieser Junge? „Mein Vater wurde des Mordes an ihnen angeklagt und am folgenden Tag öffentlich hingerichtet. Er war ein rechtschaffener Mann und musste in Schande sterben, nur weil Gauner und Ganoven wie Uyeda hier etwas zu sagen haben.“ „Du glaubst, Uyeda hat deine Familie umbringen lassen?“, fragte Hideto erschrocken. „Natürlich!“, rief Soji, „Das kann kein Zufall gewesen sein. Außerdem sagt man sich, Uyeda hätte eine Schwäche für Knaben. Er steckt mit diesen Leuten unter einer Decke und fürchtete, mein Vater könnte mehr Leute auf seine Seite ziehen und Uyeda gefährlich werden.“ „Ich verstehe…“, entgegnete Hideto niedergeschlagen. Als er zu Hotaru hinüber sah erkannte er, dass Tränen in ihren Augen schimmerten. „Hat dein Vater dich auch im Umgang mit dem Schwert unterrichtet?“, fragte Hideto, um das unangenehme Thema zu wechseln. „Ja.“, antwortete Soji freudig, „Jeden Tag. Doch er sagte immer, ich hätte ein außergewöhnliches Talent für den Schwertkampf. Ich war immer besser als die anderen Jungen in meinem Alter.“ „Darauf würde ich wetten…“, erwiderte Hideto nachdenklich. Dieser Junge musste ein göttliches Talent besitzen, sonst hätte er es niemals geschafft, das Wakizashi zu ziehen. Es muss mehr Instinkt als Übung gewesen sein. „Wir sollten uns eine Unterkunft suchen.“, sagte Hotaru plötzlich, „Es wird bald dunkel.“ Hideto erkannte, dass sich Hotaru aufgerichtet und ihre Tränen von den Wangen gewischt hatte. „Aber wir haben kein Geld.“, bemerkte Hideto. „Vielleicht kann ich da etwas für euch tun.“, sagte Soji lächelnd. „Wie soll ein Straßenjunge uns helfen, eine Unterkunft zu finden?“, fragte Hideto verächtlich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)