Das Blut an meinem Schwert von Hiko-Seijuro ================================================================================ Kapitel 11: ------------ Bakemono lief neben Yoshimaru, seine weite Kapuze bis ins Gesicht gezogen, dass niemand seine Bandagen sehen konnte. Er hinkte leicht auf dem rechten Bein, was sie langsamer vorankommen ließ. Hinzu kam noch, dass Bakemono oft Pausen brauchte, da er seinen verbrannten Körper nicht die ganze Zeit belasten konnte. „Dort vorn ist eine Raststätte.“, keuchte Bakemono, „Lasst uns eine Pause machen.“ „Ich habe leider kein Geld.“, antwortete Yoshimaru betrübt, sein Magen knurrte laut. Bakemono lachte trocken, „Lasst das meine Sorge sein.“ „Wie darf ich das verstehen?“, wollte Yoshimaru wissen. Bakemono griff in seinen weiten braunen Umhang und holte einen klingenden Geldbeutel heraus. „Verstehe.“, sagte Yoshimaru anerkennend, „Ihr steckt voller Überraschungen.“ Als Bakemono ihn schief anlächelte, fuhr Yoshimaru fort, „Ihr tragt einen sehr weiten Mantel. Doch selbst dieser vermag nicht immer Euer Schwert zu verstecken.“ Yoshimaru sah, wie sich Bakemonos Augen weiteten. Ob vor Überraschung oder Furcht vermochte er nicht zu sagen. „Eurem Auge entgeht nichts.“, gab der Verbrannte zögerlich zurück. „Ihr wart einst ein Samurai?“, fragte Yoshimaru. Bakemonos Gesicht verzog sich zu einer Fratze, die wohl ein melancholisches Lächeln hätte sein sollen. „Ja, so ist es.“, gab er zurück, „Doch so wie ich jetzt bin, kann ich niemandem mehr unter die Augen treten…“ „Falls nicht zu streng mit Euch ins Gericht. Es war sicherlich nicht Eure Schuld, dass diese Tragödie geschehen ist.“, versuchte Yoshimaru ihn zu beruhigen. Doch Bakemono schwieg. Yoshimaru spürte, dass etwas nicht stimmte, Bakemono verbarg etwas. Doch es war nicht an ihm, Bakemonos Probleme oder Fehler der Vergangenheit zu verarzten. Schweigend betraten sie das Gasthaus und setzen sich in den vorderen Teil, der als Restaurant diente. Eine beleibte Kellnerin brachte ihnen Tee und Soba, die Bakemono bezahlte. Als sich die junge Bedienstete verbeugte, stieß sie dabei einen Eimer mit Wasser zum Putzen um, und das Wasser verteilte sich im ganzen Raum. Unweigerlich musste Yoshimaru an Hotaru denken und seine ernste Miene wurde nachdenklich. Was Hotaru und Hideto wohl gerade machten? Ob sie wieder in irgendeinen Schlamassel geraten waren? Ob sie schon in Kanazawa angekommen waren? Doch plötzlich wurde Yoshimaru durch Bakemonos Stimme aus den Gedanken gerissen. „Ich war Soldat in einer Kaserne, nicht weit von hier.“, begann Bakemono ohne Umschweife zu erzählen, „In jener Nacht war ich an der Reihe, die Nachtwache zu übernehmen. Zusammen mit einem dutzend Anderer hatten wir die Mauern der Kaserne bemannt. Die Nacht war ruhig, kaum ein Lüftchen wehte.“, er machte eine Pause und schloss die Augen, als würde er sich in Gedanken in jene Nacht zurückversetzen um Yoshimaru jedes Detail berichten zu können, „Doch einige Missachteten Ihre Pflicht und verließen Ihre Posten. So geschah es, dass wir den Angriff nicht rechtzeitig erkennen konnten.“, Bakemonos Augen zuckten unter seinen Lidern hin und her, als würde er diese Schlacht ein zweites Mal durchleben, „Die durchbrachen das Haupttor und überraschten die meisten im Schlaf. Ein mutiger Samurai von uns schaffte es, zur Glocke zu gelangen und Alarm zu schlagen, doch wir waren hoffnungslos in der Unterzahl. Sie töteten meine Freunde und verbrannten unsere Kaserne. Durch einen Zufall überlebte ich, doch als ich aufwachte, brannte mein Körper lichterloh. Mit Mühe erreichte ich den nahe gelegenen Fluss. Seit dem bin ich ein Vagabund.“, Bakemono endete seine Gesichte, öffnete seine Augen und trank einen seinen Tee mit einem einzigen Zug leer. „Ich verstehe…“, entgegnete Yoshimaru betrübt, er brauchte einen Moment, um diese Geschichte in sich aufzunehmen. Plötzlich kam ihm eine Idee. „Bakemono?“, sagte er erfreut, „Vielleicht sind nicht all Eure Freunde tot. Ich reiste einige Tage zusammen mit einem Jungen, der mir dieselbe Geschichte erzählte, möglicherweise kennt ihr euch.“ Bakemono sah Yoshimaru ungläubig an, konnte aber seine Neugierde nicht verstecken, „Und wer ist das?“ „Sein Name ist Hideto Yukishiro.“, antwortete Yoshimaru freudig. Bakemonos Augen weiteten sich und er sah Yoshimaru an, als hätte er einen Geist gesehen. Hinter eine große Holzkiste geduckt, sah sich Soji die lange Eskorte des Hauses Nyu an. Die stolzen Samurai auf ihren Pferden, die Dienerschaft mit dem Gepäck und die reich verzierte Sänfte mit dem Mitglied der fürstlichen Familie. Als die ganze Formation an ihm vorbeigezogen war, ließ er sich auf den Boden sinken und besah seine kleinen Hände. Sie waren schmutzig und hatten viele kleine Wunden. Wenn man auf der Straße lebte, und das in seinem Alter, war es nicht leicht zu überleben. Wehmütig dachte er wieder an die großen Samuraikrieger. Sie müssten niemals leben wie er, essen was andere wegwerfen oder stehlen. Schlafen im Dreck oder in Hauseingängen, um wenigstens ein wenig Wärme zu spüren in der kalten Nacht. Plötzlich hörte Soji Schritte, die auf ihn zukamen, es mussten zwei Mann sein. Er hob den Kopf und blickte die Gasse entlang. Zwei Männer in dunklen Kimonos liefen genau auf ihn zu. Ihre Zotteligen Frisuren und prunklose Schwerter an der Hüfte wiesen sie eindeutig als Ronin aus. Eilig erhob sich Soji, doch bevor er weglaufen konnte, standen die beiden Männer vor ihm. Angsterfüllt drängte er sich mit dem Rücken an die Holzkiste. „Na Kleiner?“, sagte der eine Mann in zuckersüßem Tonfall. „Du bist aber ein hübscher Bengel.“, fügte der andere ebenso schmalzig hinzu. Soji sah sich panisch nach einem Fluchtweg um, doch er fand keinen. Der eine Mann lachte leise, als der andere seine Hand nach Soji ausstreckte. „NEIN!“, rief Soji entschlossen. Er schlug die Hand des Mannes weg, stieß sich von der Kiste ab, sprang gegen den Oberschenkel des anderen Mannes und landete auf der Kiste. Eilig sprang er auf der anderen Seite wieder hinunter und fand sich auf einer der vier Hauptstraßen von Kanazawa wieder, alle vier führten von Außerhalb zur Residenz des Fürsten Nyu, dessen Palast in der Mitte der Stadt stand. Er blickte sich hastig um und hörte, wie die Männer fluchend die Kiste umstießen. Soji blickte über die Straße, wer konnte ihm helfen? Da fiel sein Blick auf einen jungen Samurai mit zotteligen Haaren, an seiner Hüfte trug er zwei schöne Schwerter und neben ihm lief ein Mädchen, das ihn lächelnd ansah. Ohne weiter nachzudenken rannte Soji los. Er spürte, wie die Hand von einem der Männer ihn nur knapp verfehlte, er als noch einen Zahn zulegte. Schnell erreichte er die beiden und warf sich dem Samurai ans Bein. „Und dann, dann habe ich die Nudelsuppe zum dritten Mal hinter einander verschüttet! Kannst du dir das vorstellen?“, fragte Hotaru lachend. Hideto hob seine Arme und verschränkte seine Hände hinter seinem Kopf. Hotaru tänzelte neben ihm her und lächelte ihn an. „Nunja… weißt du…“, antwortete Hideto. Seit er Hotaru mehr über seine Vergangenheit erzählt hatte, hatte sie nicht mehr aufgehört zu reden. Plötzlich nährte sich jemand geschwind von rechts, Hideto drehte seinen Kopf, doch es war zu spät. Ein Junge rannte mit voller Wucht in sein Bein, was beide prompt zu Boden riss. „Was fällt dir ein?!?“, schrie Hideto wütend, „Guck gefälligst, wo du hinläufst, du Bengel!“ Hotaru sah die beiden verwundert an, als plötzlich ein Mann das Wort ergriff. „Das ist unser Junge. Rückt ihn raus.“ Hideto schaute sich um und erblickte die Beine von zwei Männern, sie trugen dunkelgraue Kimonos. Schnaufend erhob er sich und klopfte sich den Staub von der Hose. „Habt ihr nicht gehört?“, sagte der Mann wütend, „Gebt uns den Bengel!“ Hideto sah zu dem Jungen hinab, der sich langsam aufrichtete. Er hatte ein wunderschönes Gesicht, fast dem eines Mädchens gleich. Sein Haar war Kinnlang, der Pony war kurz und verdeckte nicht mal die Augen. An seinem Hinterkopf trug er einen kurzen Zopf. Hideto sah den Jungen an und dachte nach. Der Kleine lächelte Hideto freundlich entgegen. „Seid ihr taub oder was?!“, meldete sich nun der andere Mann zu Wort, „Her mit ihm oder ihr werdet es bereuen!“ Hideto bemerkte, wie Hotaru ihn furchtsam ansah. Langsam drehte er sich zu den Männern um und hob seinen Kopf. Die Männer waren unrasiert und trugen schäbige Kleidung, doch an ihren Schärpen hingen Schwerter – Ronin. „Und aus welchem Grund gehört euch der Junge?“, fragte Hideto ernst. „Das geht Euch gar nichts an!“, bellte der Eine und griff nach seinem Schwertgriff. „Verstehe…“, entgegnete Hideto kurz, er senkte leicht den Kopf und sah auf den sandigen Boden, „Dann nehmt ihn doch mit.“ „Na also, warum nicht gleich so.“, der Mann ließ sein Schwert los und machte einen Schritt auf den Jungen zu, wobei er bedrohlich seine Hand ausstreckte. Soji traute seinen Ohren nicht, der Samurai wollte ihn wirklich einfach so diesen Männern überlassen! Hastig sah er sich nach einer Lösung um und erblickte… das Schwert des Samurai. Entschlossen machte Soji einen Satz nach vorne und ergriff das Wakizashi des Samurai. Die Hand des Mannes kam immer näher. Seine Gedanken überschlugen sich. Er spürte den Schmerz, fühlte die Pein. Er sah seine Mutter, die ihm zulächelte, seinen Vater, mit dem strengen aber gutmütigen Blick. Die Hand des Fremden berührte Sojis Schulter. Mit einem Ruck zog er das Kurzschwert und stieß es mit aller Kraft empor. Hideto brauchte einen Moment um zu begreifen, was geschah. Blut spritzte auf seine Lederrüstung, der Mann schrie, während der andere Mann sein Schwert zog und brüllend auf den Jungen losstürmte. „Hideto, tu was!“, erklang Hotarus verzweifelte Stimme. Er hatte keine Zeit zu denken, und plötzlich übernahmen seine Reflexe die Kontrolle über seinen Körper. Der Mann lief knapp an Hideto vorbei, als er plötzlich sein Katana ergriff und es in einer halben Drehung des Körpers zog. Seine Klinge sauste durch die Luft und schlitzte dem Angreifer die Seite aus. Dieser stöhnte und fiel leblos zu Boden. Hideto schaute sich um. Menschen versammelten sich. Hotaru hatte ihre Hand vor den Mund geschlagen. Der Junge sah Hideto an… und lächelte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)