Das Blut an meinem Schwert von Hiko-Seijuro ================================================================================ Kapitel 3: ----------- Das Zwitschern der Vögel weckte Hideto aus der tiefen Finsternis. Zittrig öffnete er seine Augen – und blickte in die Grimasse eines Monsters! Riesige rote Augen blickten ihn an und ein Maul mit langen, scharfen Zähnen öffnete sich vor seinem Gesicht. Erschrocken richtete sich Hideto auf, Schmerz durchzuckte seinen Körper und er fiel wieder flach auf den sandigen Boden. Geschwind rollte er sich auf die Seite und blickte dem Ungetüm entgegen. Vor ihm saß ein Flughörnchen und sah ihn forschend an. Es legte den Kopf zur Seite und wackelte mit seiner kleinen Nase und den langen Schnurrbarthaaren. Unweigerlich musste Hideto lachen. Er rollte sich auf den Rücken und blickte in den hellblauen Himmel, an dem ein paar weiße Quellwölkchen vorüber zogen. Er schloss seine Augen und genoss den leichten Wind der über ihn hinweg wehte. Plötzlich brach die Erinnerung wie ein Fluss aus flüssigem Feuer über ihn herein. Der Überfall, die Schlacht, Wada… seine Angreifer! Hastig richtete er sich auf, ohne auf seine schmerzenden Muskeln zu achten und sah sich um. Wenige Meter links und rechts von sich sah er je eine Leiche liegen. Wuchtige Schwerthiebe hatten ihre Körper verstümmelt und die Köpfe von den Rümpfen getrennt. Beide lagen in einer großen Lache ihres eigenen Blutes. Fieberhaft versucht sich Hideto daran zu erinnern, was geschehen war. Doch so sehr er sich auch anstrengte, das letzte was ihm einfiel war, wie er von den zwei Männern umzingelt worden war. Dann hörte er diesen Schrei und danach war alles weg. Doch wer hatte diese Samurai getötet? Wer hatte ihm das Leben gerettet und war einfach verschwunden? Schon bald bekam er Kopfschmerzen vom ganzen Nachdenken und er entschied sich, es lieber bleiben zu lassen. Eine logische Erklärung schien es ohnehin nicht zu geben. Hideto ließ seinen Blick über die umliegenden Hügel schweifen und erblickte den großen, qualmenden Haufen Asche, der gestern noch die Kaserne war, in der er ausgebildet wurde. Mühselig schleppte er sich den Gras bewachsenen Abhang hinauf, auf die Wiese vor dem Tor. Die Halme waren von den vielen Füßen zertreten worden. Flecken brauner Erde schimmerten durch das frische Grün. Die weißen, irdenen Mauern der Kaserne hatten schwarze Flecken, die Wachtürme waren heruntergebrannt. Hideto schritt durch das zersplitterte Tor und blieb auf der Schwelle stehen. Was er sah, ließ heftige Übelkeit in ihm aufsteigen. Alle Gebäude waren bis auf die Grundsteine niedergebrannt. Mitten auf dem Platz war ein riesiger, schwarzer Haufen, von dem immer noch Rauch aufstieg. Aus diesem Berg ragten einige braun-schwarze Hände und Füße, sowie ein paar abgebrochene Speere. Überwältigt von diesem schrecklichen Anblick drehte sich Hideto um und erbrach an die Mauer. Als er sich vorüber beugte, hing ihm ein kleiner brauner Anhänger vor dem Gesicht. Wadas Glücksbringer. Er umfasste ihn und Tränen sammelten sich in seinen Augen. Er brauchte einige Minuten, bis er sich wieder gefasst hatte. Er erhob sich und steckte das Amulett unter seinen Kimono. Hideto schwor sich in diesem Moment, herauszufinden, wer für dieses Massaker verantwortlich war und diesen zur Rechenschaft zu ziehen. Er würde nicht eher ruhen, eh er diesen Schwur wahr gemacht hatte. Die Sonne war bereits hinter dem Horizont verschwunden und die Hitze des Tages war einer angenehmen Kühle gewichen. Hideto lief an einigen Reisfeldern vorüber auf ein kleines Dorf zu, das den Namen Imazaki trug, eine kleine Ansammlung von Häusern. Doch eines davon, das wusste Hideto, war ein Gasthaus in dem er Essen und eine Unterkunft für die Nacht finden konnte. Er hatte sich einen langen Stock gesucht, auf den er sich beim gehen stützte, da seine Muskeln immer noch schmerzten. Als er das Gasthaus des Dorfes erreichte, war die Stunde des Ebers bereits angebrochen. Hideto hatte mehrere Pausen machen müssen, da seine Füße ihn einfach nicht mehr hatten tragen wollen. Als Hideto vor dem alten Fachwerkhaus mit Stroh gedecktem Dach stand, konnte er sich vor Erschöpfung kaum mehr auf den Beinen halten. Auf seinen Stab gestützt taumelte er durch den kurzen kobaltblauen Vorhang auf dem in weißen Schriftzeichen der Name des Gasthauses stand und fand sich in einem kargen Foyer wieder, an den ein langer Flur anschloss. Links und rechts des Durchgangs waren einzelne, mit Trennwänden voneinander abgeschiedene Zimmer. Aus manchen Zimmern schimmerte das gelbliche Licht einer Kerze und der Gestank von abgestandener Luft und Urin stieg Hideto in die Nase. Plötzlich öffnete sich zu seiner Linken eine Schiebetür und ein kleiner grauhaariger Mann in den Fünfzigern tippelte auf den Flur. Er trug einen kurzen blauen Kimono und ein geflochtenes Strohband um den Kopf. „Wie kann ich euch zu diensten sein, Herr?“, fragte er in freundlichem Tonfall, der seine Müdigkeit nicht verbergen konnte. Verschlafen rieb sich der Alte ein Auge und sah Hideto fragend an. „Ich hätte gerne ein Zimmer für dich Nacht und eine Mahlzeit.“, erwiderte Hideto erschöpft. Er öffnete einen kleinen Beutel, den er an seiner Schärpe trug und gab dem Vermieter einige Münzen in die Hand. Dieser ließ seinen Blick nur kurz über die Bezahlung wandern und ließ sie dann in seiner Kimonotasche verschwinden. „Gern, Herr. Wenn ihr mit bitte folgen würdet.“, der Mann lief mit schnellen kleinen Schritten über den Flur, blieb dann abrupt stehen, drehte sich nach rechts und schob eine mit Papier bespannte Schiebetür auf. Mit einer einladenden Geste verkündete er: „Dieses Zimmer ist frei, Herr Samurai. Euer Mahl werde ich euch gleich bringen lassen.“ Hideto bedankte sich kurz und ging dann in das Zimmer, was ebenso spärlich eingerichtet war, wie das Foyer. Ein einfacher Futon lag auf abgelaufene Tatamimatten, welche den Boden bedeckten. An der linken Wand stand ein kleiner grober Holztisch mit einer Schale Wasser und einer Kerze. In der Wand, die der Tür gegenüber lag, befand sich ein kleines Fenster auf Augenhöhe. Hideto ließ sich auf den Futon sinken und schloss die Augen. Außer den Grillen, die vor dem Fenster zirpten, herrschte Stille, die er genoss, als wäre sie das kostbarste Gut auf Erden. Nach einigen Momenten hörte er ein leises Räuspern vor der Tür, die gleich daraufhin aufgeschoben wurde und eine Frau rutschte auf den Knien über die Türschwelle ins Zimmer. Sie trug ebenfalls einen einfachen blauen Kimono und ein Band um den Kopf. Auch ihr Alter musste etwa dem des Herbergenbesitzers entsprechen. Hideto mutmaßte, dass dies seine Frau war. Als sie die Tür hinter sich schloss, lief gerade ein anderer Gast des Hauses vorbei, den Hideto im Vorbeigehen nur schemenhaft erkannte. Bedächtig schob die Frau ein Tablett neben den Futon und verbeugte sich. „Euer Mahl, Herr.“, flüsterte sie bevor sie ebenso unscheinbar wieder verschwand, wie sie hineingekommen war. Eilig verschlang Hideto sein Abendessen: Sashimi, Reis und eingelegtes Gemüse, dazu grünen Tee. Dann ließ er sich wieder rücklings auf den Futon fallen und noch bevor er über den Tag nachdenken konnte, war er in einen tiefen, traumlosen Schlaf versunken. Als Hideto wieder erwachte, tanzten feine Staubkörner in durch die Papierfenster fallende Lichtstrahlen. Vor dem Fenster hörte er Menschen, die sich unterhielte, ohne Genaues zu verstehen. Ausgeruht erhob sich Hideto und bemerkte erfreut, dass sich seine Muskeln erholt hatten. Nur die Schulterwunde machte ihm noch etwas zu schaffen. Er zog sich seinen Wappenrock über, steckte seine Schwerter in die Schärpe und machte sich auf den Weg, das Gasthaus zu verlassen. Auf dem Flur begegnete er dem Herbergenbesitzer, von dem er sich kurz verabschiedete. Als er durch den blauen Vorhang auf die Straße trat, blendete ihn die Sonne, sodass er sich die Augen mit der Hand abschirmen musste, um etwas zu erkennen. Vor der Herberge herrschte ein reges Treiben. Leute unterhielten sich, Kinder spielten auf der Straße und Ochsenkarren transportierten Waren zu den Händlern oder Kunden. Doch Hideto hatte keine Zeit mehr, sich auszuruhen. Er musste herausfinden, wer für den Angriff auf die Kaserne verantwortlich war. Doch wo sollte er seine Suche beginnen? Die Angreifer hatten das Wappen des Fürsten Niu getragen, doch konnte Hideto nicht einfach in den Palast des Lehnsherren gehen und diesen dazu befragen. Doch was blieb ihm anderes übrig, als es zu versuchen? Bis zur Burg des Fürsten mussten es etwa fünf Tage Fußmarsch sein. Ein Grund mehr, sich sofort auf den Weg zu machen, zumal Hideto kein Pferd besaß, was die Reisezeit mehr als halbiert hätte. Hideto folgte der Straße Richtung Süden aus dem Dorf heraus. Mehrere reisende Händler und Pilger benutzte diese Straße, die geradewegs ins Zentrum der Provinz führte. In Regelmäßigen Abständen gab es hier Gasthäuser, in denen die Reisenden Unterkunft und Nahrung fanden. Ohne genau sagen zu können wieso, fühlte sich Hideto verfolgt. Als würde ihn ein stetiger Schatten begleiten, den er weder sehen, noch anfassen konnte. Wenn er sich umdrehte, erblickte er Bauern, Händler, Lastenträger. Niemanden Verdächtiges. Doch sein Gefühl sagte ihm, dass da jemand oder etwas war. Seit der Zerstörung des Dorfes war Yoshimaru schon etwa sieben Tage unterwegs. Er durchstreifte das Land ohne Weg und ohne Ziel, schlief unter Bäumen und aß, was die Natur hergab. Wenn er einem Soldaten mit der goldenen Libelle auf dem Wappenrock begegnete, war er diesem immer unauffällig gefolgt und hatte ihn bei einer guten Gelegenheit angegriffen. Leider schien keiner der Männer, die Yoshimaru auf seinem Weg getötet hatte, etwas über den Angriff gewusst zu haben. Oder sie hatten Anweisung erhalten, auf Gedeih und Verderb zu schweigen. Am Vortag hatte Yoshimaru ein kleines Dorf erreicht. Von dem Geld, was er seinen Opfern abgenommen hatte, kaufte er sich etwas zu Essen und einen weiten Mantel, um seine Schwerter zu verstecken, als er wieder einen dieser gemeinen Meuchelmörder erblickte. Dieser Mann war keine zwanzig Jahre als, ein junger Samurai, wie seine beiden Schwerter an der Hüfte bewiesen. Er trug einen schmutzigen und angekokelten Wappenrock mit der Goldenen Libelle. Er hatte müde ausgesehen und seine Haltung verriet, dass er eine Wunde an der rechten Schulter haben musste. Ein Umstand, der ihn zu einer leichten Beute machen würde. Als der Fremde in einem Gasthaus Unterkunft suchte, wartete Yoshimaru eine Weile, bevor er selbst ebenfalls ein Zimmer in dieser Herberge mietete. Er bat den Besitzer, ihn wissen zu lassen, wenn der junge Samurai mit der goldenen Libelle das Gebäude verließ und drückte dem alten Mann für diesen Gefallen einige Münzen in die Hand. Die Gier in den Augen des kleinen Alten verriet Yoshimaru, dass er für Geld alles tun würde. Und da er selbst den Wert des Geldes nicht kannte, war es ihm egal, was er diesem bestechlichen Menschen zahlte. Am nächsten Morgen hatte der Herbergenbesitzer an Yoshimarus Zimmertür geklopft und ihn von dem Aufbruch des Samurai in Kenntnis gesetzt. Gleich darauf war auch Yoshimaru auf dem Weg Richtung Süden unterwegs. Wie er jemandem folgte, ohne entdeckt zu werden, wusste er ganz genau. Er verstand es vortrefflich, mit der Menge der Reisenden zu verschmelzen und kein Aufsehen zu erregen. Nun musste er nur noch auf die passende Gelegenheit warten, sein Opfer anzugreifen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)