Momentaufnahmen von Cat_in_the_web (Final Fantasy 7) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Titel: Momentaufnahmen Autorin: Cat in the web Fandom: Final Fantasy VII Disclaimer: Ich habe keinerlei Rechte an Final Fantasy VII. Ich bin nur ein Fan, der sich die Charaktere kurz ausgeliehen hat, um ein paar kleine Geschichten zu schreiben. Und natürlich mache ich kein Geld damit. Im Folgenden finden sich einige kurze Szenen mit den Charakteren aus FF 7, die ich durch den „Random Final Fantasy 7 Yaoi Pairing Generator“ vorgegeben bekommen habe. Allerdings habe ich den Yaoi-Teil nicht ernst genommen, sondern mich nur von dem vorgegebenen Wort und den Charakteren inspirieren lassen. So ein Generator ist recht amüsant und stellt eine gute Schreibübung dar. Wer sich das auch mal ansehen möchte, soll einfach die obige Bezeichnung bei Google oder einer anderen Suchmaschine eingeben. Die folgenden Szenen sind zum Großteil mit den Charakteren aus dem Spiel geschrieben, ein paar Charaktere stammen aber auch aus dem FF 7-Film „Advent Children“. ---------------------- Rufus / Zack / Versprechen Das Breitschwert wirbelte mit einer Eleganz und Schnelligkeit durch die Luft, die seinen Gegnern keine Chance ließ. Mit sicherer Hand führte Zack seine Waffe durch die komplexen Manöver, zu denen nur ein Soldier First Class fähig war. Als der letzte Feind zu Boden ging, wandte er sich um und lief zurück zum Rand des Cliffs, zurück zu Cloud, der dort auf ihn wartete, damit er sie beide sicher nach Midgar brachte, so wie er es versprochen hatte. Er konzentrierte sich so stark auf das bereits in Sichtweite gerückte Ziel, dass er die Soldaten von ShinRa, die zu ihnen aufgeschlossen hatten, zu spät wahrnahm. Sein Schwert in der Hand, wirbelte er zu ihnen herum, doch so schnell er auch war, diesmal waren die Kugeln aus dem Maschinengewehr schneller. Diese Gegner wählten den leichteren Weg und schossen aus sicherer Distanz. Es war sicher kein ehrenhaftes Handeln, wenn es so was bei ShinRa überhaupt gab, aber es war effektiv. Gnadenlos bohrten sich die Kugeln durch den Körper, zerrissen Fleisch, Muskeln, Arterien, bis Zack sich nicht mehr auf den Beinen halten konnte. Er spürte und sah wie sein Körper fiel, jenseits seiner Kontrolle, und er fühlte und dachte so viele Dinge in diesem unendlich langen Moment: Zorn über den Verrat von ShinRa, Bedauern weil er sein Leben an diese Firma verschwendet hatte, die seine Treue nicht wert gewesen war, und Verzweiflung darüber, dass er jenen, die ihm in seinem Leben wichtig waren, nicht länger helfen konnte. Während er fiel, streifte sein Blick Cloud, und er wusste, er würde sein Versprechen ihm gegenüber nicht halten können. Dann schlug er auf den Boden auf, sein Körper glücklicherweise schon so gefühllos, dass er den Schmerz des Aufpralls kaum spürte. Für einen Augenblick sah er das Ziel ihrer Reise, die Stadt Midgar, wie sie sich stolz und fast bedrohlich ein paar Kilometer weiter aus der Ebene erhob. Auch dort wartete jemand auf ihn, den er enttäuschen würde. Der letzte klare Gedanke, der durch Zacks Kopf rannte, war: „Verzeih mir, Rufus, ich komme nicht zurück, wie ich es dir versprochen habe.“ Maschinengewehrfeuer aus nächster Nähe und ein gleißender Schmerz, dann nichts mehr. In einem der Luxusappartements auf der Platte von Midgar hob ein junger blonder Mann den Kopf und sah aus dem Fenster gegenüber seinem Schreibtisch. Für einen Moment war ihm fast so gewesen, als hätte ihn etwas gerufen, aber das war unmöglich. Er war ganz allein in seiner Wohnung. Rufus Shinra schüttelte kurz den Kopf, als wolle er ein lästiges Insekt verscheuchen, dann vertiefte er sich wieder in seine Studien. ------------------------ Barret / Reeve / Feuer Wenn es eine Sache gab, um die Reeve Barret beneidete, dann war es das Feuer, welches in dem anderen Mann zu brennen schien. Dieses Feuer, das Barret die Kraft gab, allem zu begegnen, was ShinRa gegen ihn ins Feld sandte. Eine innere Flamme, die hell und lodernd brannte, ganz gleich welche Schicksalsschläge Barret verkraften musste. Einst hatte Reeve sich gefragt, warum der mächtige Präsident Shinra Angst vor einem einzigen Mann, dem Anführer von Avalanche, zu haben schien. Als er Barret das erste Mal persönlich gegenüber stand und in die Augen des anderen sah, wusste er warum. Das Feuer, das in Barrets Innerem brannte und sich in seinen Augen widerspiegelte, war das Feuer der Revolution. ----------------------- Sephiroth / Loz / Melodie Manchmal wenn Kadaj und Yazoo sich ausruhten und die Jagd nach Mutter in ihrer Intensität nachließ, dann spürte auch Loz so etwas wie Ruhe in sich. Wenn all der Lärm und die Rastlosigkeit, aus der sein Leben zu bestehen schien, in den Hintergrund traten und verblassten, dann hörte er manchmal im Innersten seiner Seele eine Stimme, die weder ihm noch Mutter gehörte. Die Stimme seines großen Bruders Sephiroth schien von weit entfernt zu kommen, noch weiter entfernt als die Stimme von Mutter. Manchmal schien Sephiroth zu schreien, dann wieder tobte er oder redete unverständliches Zeug. Loz konnte nicht wirklich verstehen, was Sephiroth sagte, aber dass er seinen großen Bruder wahrnehmen konnte, hatte für ihn etwas Beruhigendes an sich. Und manchmal, aber eben nur manchmal schien Sephiroth auch Loz wahrzunehmen, und dann sang er zu ihm, ein Wiegenlied mit einer ganz einfachen Melodie. Loz konnte die Worte nicht verstehen, aber die Melodie hatte etwas ungemein Tröstendes an sich, und sie blieb noch viele Stunden nachdem Sephiroth verstummt war in seinem Kopf. ------------------------ Cloud / Reeve / Lebensstrom Reeve war immer ein pragmatischer Mann gewesen. Er glaubte nicht an Wunder und unerklärliche Phänomen, sondern an Logik und wissenschaftliche Erklärungen. Und dann war er Cloud begegnet und hatte sich ihm angeschlossen, um den Planeten zu retten. Er hatte das nicht getan, weil ein junges Mädchen behauptete, es könne mit dem Planeten reden, oder weil jemand erzählte, dass der Lebensstrom, an dessen Existenz Reeve ohnehin nicht glaubte, zu versiegen drohte. Er hatte es getan, weil er gesehen hatte, was Shinras unersättliche Gier nach Energie anrichtete, wie fruchtbares Land verdorrte und unfruchtbar wurde, und wie ein Menschenleben keinen Wert mehr in der Welt von Shinra besaß. Er hatte es getan, weil die Fakten für sich sprachen und er das nicht ignorieren konnte. Aber je weiter er Cloud folgte, desto mehr sah er Geschehnisse, die sich nicht so ohne weiteres mit Wissenschaft und Logik erklären ließen, und das verstörte Reeve. Die Welt – Reeves Welt – hatte immer nur aus Fakten bestanden, schwarz auf weiß auf Papier gedruckt, eine Welt in Grautönen. Doch durch Cloud bekam dieses Weltbild Risse, und es schlichen sich Farben ein, nicht erklärbar aber trotzdem schön. Die Farben begannen sich auszubreiten und Reeves Welt zu zerstören, während er nichts weiter tun konnte als zitternd dabei zusehen. Es war ein wundervoller und schrecklicher Prozess zugleich, das Alte, Vertraute loszulassen und Neues in sich aufzunehmen. Aber dann verschwand Cloud und tauchte mit einer schweren Mako-Vergiftung wieder auf, ohne Erinnerung an seine Freunde oder ihre gemeinsamen Taten, und der Prozess der Veränderung in Reeves Welt kam zu einem schmerzvollen Halt. Reeve gab sein Bestes, aber ohne Cloud schien ihrer Gruppe der rechte Antrieb zu fehlen, und die Farben in Reeves Welt, an die er sich langsam gewöhnt hatte, wurden blasser. Dann verschwand Cloud erneut, nur um aus dem an die Oberfläche drängenden Lebensstrom aufzuerstehen, und als Reeve Cloud vor sich stehen sah, vollkommen gesund und voller Tatendrang, hinter ihm der Lebensstrom, den Reeve bis vor kurzem noch als reine Fantasie abgetan hatte, da versank Reeves einstmals graue Welt endgültig in einem Meer von Farben. ------------------- Kadaj / Dio / Zerstörung Trotz der beißenden Rauchschwaden und schlechten Sicht eilte Dio zur Kampfarena im Gold Saucer. Er hielt sich ein Taschentuch über Mund und Nase, um sich so gut es ging vor dem giftigen Rauch zu schützen. Panische Schreie und die lauten Kommandos der Löschkräfte und des Sicherheitspersonals erfüllten die Luft. Jemand versuchte ihn aufzuhalten, aber Dio schüttelte die Hände einfach ab und lief weiter die Treppe hinauf und in das brennende Gebäude, das die Kampfarena und das kleine Museum beherbergte. Im Eingangsbereich musste er stehenbleiben, um sich zu orientieren. Dichter Rauch erfüllte das Gebäude, und die Hitze war mörderisch. Flammen schlugen aus den Eingängen zur Arena und dem Museum. Dios Augen fingen an zu tränen, und er musste mehrmals zwinkern, um noch etwas erkennen zu können. Durch die dichten Rauchschwaden sah er die Umrisse zweier Körper, doch selbst mit dieser schlechten Sicht konnte er sehen, dass hier jede Hilfe zu spät kam. Ein Besucher lag nur wenige Schritte von ihm entfernt auf dem Boden, eine riesige Blutlache um ihn herum. Die Bedienstete am Tresen war weiter entfernt und daher schwerer zu sehen, aber auch hier bestand kein Zweifel daran, dass sie tot war. Ihr Oberkörper war auf dem Tresen zusammen gesackt, und ihr abgeschlagener Kopf lag vor dem Tresen auf dem Boden. Das Atmen fiel Dio schwer und seine Augen brannten. Er musste das Gebäude verlassen. Jemand vom medizinischen Notfallpersonal nahm ihn draußen in Empfang, hüllte ihn in eine Decke und sprach beruhigend auf ihn ein. Dio hörte nicht zu. Er saß nur da, sah zu, wie die brennende Kampfarena langsam in sich zusammen stürzte und fragte sich, wie ein einziger weißhaariger Junge, fast noch ein Kind, mit grünen Augen, die fröhlich zu funkeln schienen, innerhalb weniger Stunden eine solche Zerstörung anrichten und entkommen konnte. ------------------------ Rude / Kadaj / Vertrauen Rude beobachtete die beiden, weit genug entfernt, um nicht zu stören, aber nah genug, um alles genau erkennen zu können. Er sollte jetzt eigentlich Erleichterung empfinden oder so etwas wie ein Siegesgefühl. Der Kampf war vorbei. Yazoo und Loz waren geschlagen, und Kadaj lag im Sterben. Doch was Rude empfand, während er beobachtete, wie Cloud seinen sterbenden Feind in den Armen hielt, war irgendwo angesiedelt zwischen Verwunderung und Staunen. Er beobachtete, wie Kadaj in Clouds Armen aufhorchte, als wenn ihn jemand rufen würde, und wie er den Arm hob und sich sein Körper langsam in grünem Licht auflöste, um sich mit dem Lebensstrom zu vereinen. Und er fragte sich, ob auch er einmal einen solchen Ausdruck von absolutem Vertrauen auf seinem Gesicht haben würde, wenn seine Zeit gekommen war. Er würde es sich wünschen, doch er glaubte es nicht. ------------------ Don Corneo / Dio / Rivale Manchmal, wenn der Gold Saucer in den frühen Morgenstunden ein wenig zur Ruhe kam und all die Sensationen und Shows für eine Weile leer blieben, betrat Dio eine der Aussichtsplattformen und starrte in die Dunkelheit hinaus in Richtung Midgar. Und dann erinnerte er sich an seine Jugend und den Wettstreit, den er mit Don Corneo ausgefochten hatte. Sie waren so etwas wie ewige Rivalen gewesen, stets hatte der eine versucht, den anderen zu übertrumpfen. Sie hatten sich gegenseitig zu Höchstleistungen angespornt. Kein Ziel war zu hoch gesteckt, keine Strapaze zu anstrengend. Aber trotz aller Bemühungen von Don Corneo war Dio der Erfolgreichere von beiden gewesen, und als Dio anfing, seine Pläne für den Gold Saucer zu realisieren, hatte es Don Corneo gereicht. Er war fortgegangen nach Midgar, um nicht mehr der ewige Zweite zu sein. Nur wenige Monate später war der Kontakt zwischen ihnen abgerissen. Dio hatte nie wieder etwas von Don Corneo gehört, und obwohl sie nicht gerade Freunde gewesen waren, vermisste er die Rivalität zwischen ihnen. Jetzt, wo niemand mehr da war, der ihn herausforderte, schien eine Leere in sein Leben getreten zu sein, die auch seine Lieblingssensation im Gold Saucer, die Kampfarena, nicht ausfüllen konnte. In den ruhigen Stunden vor dem Morgengrauen fragte sich Dio, was wohl aus Don Corneo geworden war. --------------------- Reno / Hojo / Angst In ShinRa herrschte eine strenge Hierarchie. An oberster Stelle stand natürlich der Präsident, dann der Vizepräsident und dann die Leiter der unterschiedlichen Abteilungen. Niemand in ShinRa würde es wagen, jemand zu widersprechen, der im Rang über ihm stand. Es ging hier immerhin um den eigenen Job, in einigen Fällen vielleicht sogar um das eigene Leben. Reno kümmerten solche Sachen allerdings gar nicht. Er widersprach Tseng, er ärgerte Scarlet, er hatte keinen Respekt vor Heidegger oder Palmer. Er trug die Uniform der Turks, einen maßgeschneiderten Anzug, auf eine Art und Weise, dass man die Sachen auch für einen alten Jogginganzug hätte halten können, und vergaß immer vorsätzlich seine Krawatte. Und anstatt vor einem Vorgesetzten stramm und proper dazustehen wie ein guter Soldat, schien es für Reno keinen Unterschied zu machen, ob er an irgendeiner Straßenecke rumlungerte oder vor dem Schreibtisch des Präsidenten stand. Normalerweise hätte man annehmen sollen, dass der Präsident ihn längst gefeuert hätte. Aber Reno war ein guter Turk. Er nahm jeden Auftrag an und stellte sich jedem Gegner. All dies brachte ihm den Respekt der anderen ShinRa-Angestellten und selbst seiner Vorgesetzten ein. Reno galt als furchtlos, jemand, der vor absolut nichts und niemanden Angst hatte. Ach, wie wenig die Leute doch wussten. Es gab einen Ort und einen Mann, dem sich Reno niemals freiwillig nähern würde und auf gar keinen Fall alleine. Dort hatte Reno ein Grauen gesehen, mit dem sich keine andere Gefahr in ShinRa oder außerhalb davon messen konnte. Die Versuchsreihen der Experimente in den Labors von ShinRa waren unmenschlich und grausam, und der Meister über all diese grauenhaften Geschehnisse war Professor Hojo, ein Mann, der weder Ethik noch Moral besaß. Das Lachen dieses Mannes kündete von einem Wahnsinn weit jenseits der menschlichen Vorstellungskraft. Wann immer Reno es hörte, beschleunigte sich sein Herzschlag und kalter Angstschweiß bildete sich auf seiner Haut. In Renos Augen war Hojo ein Monster, mit dem sich kein anderes Monster messen konnte, und sein Labor war die Hölle auf Erden. Und jeder andere Gegner, jeder andere Ort auf diesem Planeten war nur ein schwacher Abklatsch davon. Deshalb hatte Reno keine Angst vor ihnen. Er wusste, wer und wo das wahre Grauen war, und solange er nicht in dessen Nähe war, war alles gut. -------------------- Cait Sith / Rude / wieder Hochkonzentriert nahm Rude sein Ziel ins Auge und schätzte die Entfernung und die zu ihrer Überwindung benötigte Kraft ab. Mit ruhigen Händen nahm er den Schläger, holte aus und ließ ihn kraftvoll niedersausen. Er traf sein Ziel mit der von ihm zu erwartenden Präzision. Erwartungsvoll beobachtete er die von ihm ausgelöste Reaktion. Der kleine weiße Ball flog schnell, hoch und weit und – verfehlte sein Ziel um mindestens zwei Meter. Damit stand die Entscheidung fest. Mit einem enttäuschten Seufzen ließ Rude seinen Schläger sinken, während Cait Sith neben ihn in einen Siegestanz verfiel und fröhlich rief: „Ich habe wieder gewonnen! Tja, Rude, Golf spielen scheint doch nicht so ganz dein Fall zu sein!“ -------------------- Präsident Shinra / Barret / Angst Präsident Shinra war kein Mann, den man unterschätzen sollte. Trotzdem hatten viele Menschen dies schon getan und teuer dafür bezahlt. Dass er klein und dick war, täuschte viele darüber hinweg, wie gefährlich der Präsident von ShinRa war. Er hatte mit eiserner Hand und rücksichtslosen Methoden das weltweit mächtigste Firmenimperium aufgebaut. Er war skrupellos im Erreichen seiner Ziele. Die Zeiten, wo ihn sein eigenes Handeln am Einschlafen hinderte, waren schon seit Jahrzehnten vorbei. Sein Gewissen war tot, sein Herz aus Stein. Und doch… Während er an seinem Schreibtisch saß, musste er feststellen, dass er sich nicht richtig konzentrieren konnte. Immer wieder wanderten seine Gedanken zu der neu entdeckten Widerstandsgruppe Avalanche, ein Zusammenschluss irgendwelcher Spinner, die glaubten, sie könnten gegen ihn und seine Firma bestehen. Shinra ließ den Kugelschreiber fallen und griff nach der Mappe, die ihm Tseng vor einer Weile gebracht hatte. Sie enthielt Informationen über Avalanche, darunter sogar ein Foto des vermeintlichen Anführers, ein Mann namens Barret. Shinra nahm es in die Hand. Es war von einer Überwachungskamera aufgenommen und die Qualität war nicht gut. Doch der muskelbepackte großgewachsene Mann mit der dunklen Haut war trotzdem ganz gut zu erkennen. Und diese Augen… Der Mann sah genau in die Kamera, als dieses Foto gemacht wurde. Seine Augen glichen aufgrund der schlechten Qualität eher dunklen Flecken, aber da war etwas in seinem Blick, was den Präsidenten von ShinRa beunruhigte. Als wäre es mehr als nur der übliche Groll gegen ShinRa, als wäre der Kampf gegen ihn und seine Firma eine ganz persönliche Sache. Barret - der Name kam ihm vage bekannt vor, so als müsste er ihn schon einmal gehört haben. Nun, ShinRa hatte sich eine Menge Feinde gemacht, und manches war tatsächlich persönlich, aber es war nichts, was ihn beunruhigen sollte. Der Präsident schüttelte über sich selbst den Kopf. Avalanche war nur ein kleines Problem, nichts, worüber er sich Sorgen machen musste. Ein lauter werdendes Grollen war die einzige Vorwarnung. Dem Grollen folgte abrupt eine Explosion, deren Lautstärke die Scheiben in ihren Halterungen klirren ließ. Alarmanlagen gingen überall auf der Plattform von Midgar los. Der Präsident hatte in seinem Schreck die Mappe fallen lassen und war aufgesprungen. Nun ging er mit langsamen Schritten zu den großen Fenstern seines Büros. Eisige Finger schienen sich um sein Herz zu schließen, als er den Reaktor am äußeren Ring von Midgar sah. Das Gebäude war durch die Explosion praktisch zerfetzt worden, und riesige Flammen schlugen in den Himmel hinauf. Ungläubig starrte Shinra zu den Trümmern hinüber. Und während er das Feuer wüten sah, erinnerte er sich, wo er eine ähnliche Szene schon mal gesehen hatte, auch wenn es nur auf Fotos gewesen war. Als die Stadt Corel brannte, niedergebrannt von ShinRa-Truppen. Und jetzt fiel ihm auch wieder ein, wo er den Namen Barret schon mal gehört hatte – er war einer der Bewohner von Corel gewesen, der für den Bau eines Reaktors in Corel durch ShinRa gestimmt hatte. Wenn dieser Mann tatsächlich das Massaker überlebt hatte, hatte er sehr persönliche Gründe, ShinRa anzugreifen. Als Tseng den Präsidenten aufsuchte, um ihn über die Zerstörung des Reaktors durch Avalanche zu berichten, fand er den Präsidenten mit ungewöhnlich blassem Gesicht hinter seinem Schreibtisch sitzend vor. Präsident Shinras Stimme war nichts anzumerken, aber zum ersten Mal seit langer Zeit empfand er wieder Angst, nicht wegen der Zerstörung eines Reaktors oder vor Avalanche, sondern wegen eines Mannes mit einem persönlichen Rachefeldzug. Und zum ersten Mal seit Jahrzehnten konnte Shinra in dieser Nacht keinen Schlaf finden. -------------------------- Ende Kapitel 2: 10 weitere "Momentaufnahmen" --------------------------------------- Titel: Momentaufnahmen Autorin: Cat in the web Fandom: Final Fantasy 7 Disclaimer: Ich habe keinerlei Rechte an Final Fantasy VII. Ich bin nur ein Fan, der sich die Charaktere kurz ausgeliehen hat, um ein paar kleine Geschichten zu schreiben. Und natürlich mache ich kein Geld damit. Weiter geht’s mit dem Random Pairing Generator. Es macht einfach zu viel Spaß, um gleich wieder aufzuhören. ------------------------------------ Cloud / Rude / Berge Rude war sich nicht sicher, wie es jetzt weitergehen sollte. Im Auftrag von ShinRa hatten die Turks den Rebellen Cloud Strife verfolgt. Sie waren ihrer Beute sehr nahe gekommen, nur einige Stunden trennten sie noch von einer Konfrontation mit Cloud. Aber dann hatten sie die Spur in der Wildnis verloren, und die Turks beschlossen daraufhin, sich aufzuteilen, um Cloud doch noch zu finden. Rude war einem Weg in die Berge gefolgt. Und nun stand er hier auf dem Gipfel eines Berges, Angesicht zu Angesicht mit ShinRas Feind, Cloud Strife. Clouds blaue Augen trafen auf die von Rude und ließen sie nicht mehr los. Sie standen sich gegenüber in der typischen scheinbar entspannten Haltung, die erfahrene Kämpfer annahmen kurz bevor der Kampf begann. Normalerweise wäre es Rudes Pflicht gewesen, Cloud zu besiegen und als Gefangenen ins ShinRa-Hauptquartier zurückzubringen. Es gab da nur ein Problem: Cloud stand auf dem Gipfel eines anderen Berges, und zwischen diesen Bergen lag eine tiefe Schlucht, schmal genug, um den anderen gut zu sehen, aber zu breit, um hinüber springen zu können. Und während Rude sein Pech noch verfluchte, lächelte Cloud, hob die Hand zu einem flüchtigen Gruß und ging ungestört weiter seines Weges. ------------------------------------ Rude / Tseng / Schusswaffen Im Gegensatz zu den ShinRa-Soldaten, deren Ausbildung immer gleich war und die strenge Regeln befolgen mussten, waren die Turks ein Team von Individualisten, die alle ihre eigenen Fähigkeiten und ihren eigenen Stil hatten. Selbstverständlich erhielten auch die Turks eine Grundausbildung, die bei allen gleich war. Aber danach wurde jeder einzelne gemäß seinen individuellen Begabungen und Vorlieben ausgebildet. Rude hatte die Wahl einer Waffe abgelehnt und sich für den Kampf mit seinen Fäusten entschieden. In Anbetracht seiner körperlichen Stärke reichte ein Hieb von ihm bereits aus, um so manchen Gegner zu Boden zu schicken. Der Umgang mit Schusswaffen hatte zu seiner Ausbildung gehört, und er war wie bei einem Turk nicht anders zu erwarten ein guter Schütze. Doch er hatte die Verwendung einer Schusswaffe wenn möglich immer abgelehnt. Diese Waffen erschienen ihm plump und nicht angemessen. Jeder Idiot konnte einen Abzug drücken, jeder Schwächling konnte mit einer Schusswaffe in seiner Hand den starken Mann spielen. Aber sobald man diesen Leuten ihre Waffe wegnahm, waren sie wieder so erbärmlich wie vorher. Er fand es entwürdigend zu sehen, wie sich diese Leute hinter einer Waffe versteckten. Doch wenn Tseng seine Schusswaffe aus seinem Halfter zog und sich damit in den Kampf stürzte, dann wurde aus dem plumpen Stück Metall plötzlich ein todbringendes Kunstwerk aus schimmerndem schwarzem Stahl. Das Ausrichten der Waffe war eine elegante Bewegung in blitzschneller Ausführung, der Knall beim Abfeuern die Verkündung einer endgültigen Wahrheit. Tseng versteckte sich nicht hinter seiner Waffe, sie wurde zu einem Teil seines Körpers, der von ihm perfekt beherrscht wurde. In den Händen eines Meisters wie Tseng, so fand Rude für sich heraus, erhielt selbst ein reines Tötungswerkzeug wie eine Schusswaffe einen ästhetischen Aspekt. ------------------------------------ Rufus / Cloud / Schlamm Dreckiges Wasser drang durch die einstmals weiße Hose und brachte mit seiner kalten Berührung die Haut darunter zum Erschauern. Allerdings war sich Rufus nicht sicher, ob es tatsächlich die Kälte oder seine Abscheu gegen all den Dreck war, die ihn zum Erschauern brachte. Der Schlamm haftete an seiner Kleidung und färbte das einstmals so strahlende Weiß in einem dunklen Braun ein. Seine teuren Lederschuhe waren wohl für immer ruiniert. All das war schon schlimm genug, aber das Gelächter, welches die Luft um ihn herum erfüllte, setzte allem die Krone auf. Cloud Strife lehnte wenige Meter von ihm entfernt an einem Baum und hielt sich den Bauch vor Lachen. Von all den Menschen auf dieser Welt, die Zeuge dieses peinlichen Vorfalls hätten werden können, wie Rufus Shinra ausrutschte und sich rücklings in eine riesige Schlammpfütze setzte, musste es ausgerechnet Cloud sein. Rufus erhob sich seufzend und versuchte, den Schlamm zu ignorieren, der von seiner Hose tropfte. Er war sich sicher, dass Cloud diese Geschichte beim nächsten Treffen der Avalanche-Mitglieder zum Besten geben würde. Er hätte seine Turks mitbringen sollen, vielleicht hätten sie Cloud dazu überreden können, nichts zu sagen. Aber wenn er es recht bedachte: Reno als Zeuge wäre noch schlimmer als Cloud. ------------------------------------ Reno / Dio / Eleganz In einem der Kontrollräume des Gold Saucer saß Dio vor unzähligen Bildschirmen, die verschiedene Bereiche seines Vergnügungsparks zeigten. Seine Aufmerksamkeit galt allerdings nur einem einzigen davon, nämlich demjenigen, der das Innere der Kampfarena zeigte. Dies an sich war nicht ungewöhnlich, war doch allgemein bekannt, dass die Kampfarena Dios Lieblingsattraktion war. Aber die Intensität, mit dem er die Vorgänge auf dem Bildschirm beobachtete, überraschte selbst diejenigen, die seit langer Zeit für ihn arbeiteten. Dios ganze Aufmerksamkeit galt einem jungen Mann, der gerade in der Kampfarena gegen seine Monster antrat. Ein rothaariger Punk mit einem drahtigen Körperbau. Dio erinnerte sich daran, wie er gesehen hatte, wie der Rotschopf mit seinem Freund, einem muskulösen Glatzkopf, die Kampfarena betreten hatte. Er hatte angenommen, dass dieser kahlköpfige Mann, der aussah wie ein erfahrener Kämpfer, gekommen war, um in seiner Arena zu trainieren. Der Rotschopf war wohl nur da, um ihn anzufeuern und es dann vielleicht auch mal zu versuchen. Aber Dio hatte sich geirrt. Es war der im Vergleich zu seinem Freund fast schmächtig wirkende Rotschopf, der die Arena voller Selbstvertrauen betrat, und der Glatzkopf beobachtete die Vorgänge in der Arena geduldig und mit vor der Brust verschränkten Armen auf dem großen Bildschirm in der Vorhalle zur Arena. Und was für eine Show das war, die der Rotschopf ablieferte! Mit der Eleganz eines Tänzers bewegte er sich von einem Ort zum anderen und hob und senkte seine Waffe, einen Stab, mit dem er elektrische Entladungen abfeuern konnte, mit fast weich wirkenden flüssigen Bewegungen, die über die Kraft dahinter hinwegtäuschten. Und es war genau das, was Dios Aufmerksamkeit so fesselte. Da war nichts zu sehen von den ruppigen abgehackt wirkenden Bewegungen der anderen Kämpfer, die die Arena schon besucht hatten. Oh nein, die Bewegungen dieses Rotschopfs gingen so harmonisch ineinander über, dass es Dio an fließendes Wasser erinnerte, welches in ständiger Bewegung alle Hindernisse umflutete und sich nicht aufhalten ließ. Er wechselte so mühelos von seinem Angriff in eine Verteidigungsposition und wieder zurück, dass man den Übergang kaum wahrnahm, und wich allen Gegenangriffen geschickt aus. Und mit jeder seiner eleganten Bewegungen schien er Dios Aufmerksamkeit noch mehr an sich zu fesseln, bis dieser für die Dauer dieses Kampfes alles andere um sich herum vergaß. ------------------------------------ Tseng / Rude / Vertrauen Als Anführer der Turks hatte Tseng eine schwere Aufgabe. Er und die ihm unterstellten Personen waren nicht nur für die Sicherheit von Präsident Shinra und seines Sohnes verantwortlich, sondern sie erledigten auch die gesamte Drecksarbeit, die Präsident Shinra für nötig hielt, um seine Macht zu wahren. Einschüchterung, Entführung, Erpressung, Mord – dies waren Tätigkeiten der Turks, von denen die breite Masse der Öffentlichkeit niemals erfahren dürfte. Umso mehr musste sich Tseng auf seine wenigen, aber dafür speziell ausgebildeten Leute verlassen können. Turks hatte es immer nur sehr wenige gegeben, aber wie Reno es in diese Spezialeinheit geschafft hatte, das wusste außerhalb der Turks nicht einmal der Präsident. Der eigensinnige Rotschopf mit seiner ganz eigenen Interpretation von Respekt und Gehorsam war so manches Mal die Ursache für erhebliche Kopfschmerzen bei Tseng. Aber trotz allem hatte Tseng Vertrauen. Er hatte Vertrauen in Renos Fähigkeiten, und er hatte Vertrauen in Renos Partner Rude. Rude mit seiner beeindruckenden Erscheinung, seiner stoischen Selbstbeherrschung und seiner Loyalität würde Renos impulsive Energie in die richtige Richtung lenken und wenn nötig auch zügeln können. Und deshalb sorgte Tseng stets dafür, dass Rude Renos Partner war, denn er hatte absolutes Vertrauen in ihn. ------------------------------------ Reno / Rude / Stimme „Reno, greif nicht an. Wir warten, bis sie sich zerstreut haben, dann sehen wir nach, was sie dort verbergen.“ „Sind doch bloß ein paar Slumratten, Rude. Mit denen werden wir spielend fertig.“ „Sei nicht leichtsinnig. Das hier ist nur eine Erkundungsmission. Tseng ist sich nicht sicher, ob von dieser Gruppe hier in Sektor 4 überhaupt irgendeine Gefahr ausgeht.“ „Das ist doch der Moment, um es rauszufinden.“ „Und das werden wir auch. Aber dabei wollen wir keine unnötige Aufmerksamkeit auf uns ziehen.“ „Spielverderber. Aber wenn du es so willst, dann ist das auch okay mit mir.“ Viele Leute, speziell diejenigen, die in der Hierarchie von ShinRa über ihm standen, würden Reno als einen respektlosen Punk bezeichnen. Sein Verhalten grenzte an Insubordination, ohne jedoch diese Grenze jemals zu überschreiten. Viele von denen, die nur aufgrund ihrer gesellschaftlichen Stellung Respekt ihnen gegenüber erwarteten, waren fast schon schockiert, wenn sie dem jungen Turk das erste Mal begegneten. Und selbst Tseng hatte seine Schwierigkeiten mit Reno. Aber Rude hatte keine. Er musste nicht auf den Tisch schlagen, um Reno dazu zu bringen, ihm zuzuhören. Er hatte seine Aufmerksamkeit, sobald er den Mund aufmachte. Er musste auch keine Anweisung dreimal lautstark wiederholen, damit Reno sie befolgte. Es kostete ihn lediglich einige Worte, und Reno folgte seinen Vorschlägen. Reno selbst würde es nie zugeben, aber da war etwas an Rudes Stimme, was seine Aufmerksamkeit sofort fesselte, wenn er sie hörte. Der Klang seiner Worte schien den ganzen Raum auszufüllen, ruhige dunkle Töne, die sich selbst noch während eines Kampfes in beruhigendem Gleichklang über den Lärm der Kämpfenden erheben konnten. Reno hätte Rude mit verbundenen Augen unter Millionen von Menschen herausgefunden, einfach nur indem er seiner Stimme gefolgt wäre. Er wusste nicht, wieso das so war, aber Reno war nie der Typ gewesen, der lange über etwas nachdachte. Er folgte seinen Instinkten, seinem ‚Bauchgefühl’, und dieses Gefühl fing an, wohlgefällig zu kribbeln, wenn er Rudes Stimme hörte. Und so brauchte Rude nur sein Anliegen an Reno in den Klang seiner Stimme zu hüllen, und Reno tat für gewöhnlich, was sein Partner wollte. „Reno, ist dein Teil des Berichts über unsere Mission in Sektor 4 fertig?“ „Wozu die Eile, Partner? Das war doch erst gestern Abend. Ich bin sicher, Tseng erwartet unsere Berichte nicht vor Morgen früh.“ „Schreib deinen Bericht besser, solange alles noch frisch in deinem Gedächtnis ist. Dann können wir unsere Berichte noch abgleichen, bevor wir sie an Tseng geben.“ „Na jaaa, wenn du unbedingt meinst…“ „Ich korrigiere auch deine Rechtschreibfehler.“ „Du weißt immer, wie du mich rumkriegst, Partner.“ ------------------------------------ Rude / Hojo / Freund An seine erste Begegnung mit Professor Hojo konnte sich Rude gut erinnern. Er war noch neu in den Rängen der Turks gewesen, und er hatte bereits viele Geschichten über Hojo gehört, der Professor Gast nach dessen Verschwinden abgelöst hatte. Manche Geschichten mochten durchaus wahr sein, andere waren haarsträubende Gerüchte, die der Fantasie des Erzählers entsprungen waren. Rude gab nicht viel auf Gerüchte. Er hörte zu, weil sich ab und zu ein Funken Wahrheit darin wiederfand, doch er bevorzugte Fakten. Deshalb war er auch nur ein bisschen nervös, als er das erste Mal allein in die Labors gesandt wurde, um Hojo abzuholen und als dessen Leibwächter auf eine Forschungsmission zu begleiten. In dem Labor traf er auf einen schmächtigen Mann mit Brille. Sein weißer Laborkittel wirkte zwei Nummern zu groß an ihm, und wäre da nicht sein Namensschild gewesen, hätte er Hojo vielleicht gar nicht erkannt. Er wirkte gewiss nicht wie das Monster, als das viele der Gerüchte ihn beschrieben. Wäre da nicht sein zynisches Lächeln und der gehetzte Blick in seinen Augen gewesen, hätte Rude angenommen, er stände vor einer völlig normalen Person. Die Mission dauerte einige Wochen und fand im hohen Norden in einer einsam gelegenen Hütte statt, die ShinRa gehörte. Rude besorgte, was Hojo brauchte, auch Kreaturen in der Umgebung als Versuchstiere, und hatte ansonsten nicht viel zu tun. So kam es, dass er pünktlich um vier Uhr jeden Tag im Kaminzimmer saß und Tee trank sowie einen leichten Imbiss zu sich nahm. Und irgendwann gesellte sich Hojo zu ihm. Die Einsamkeit dieser Gegend schlug selbst ihm auf sein Gemüt. Sie unterhielten sich über alles Mögliche, wobei Hojos Lieblingsthema natürlich die Wissenschaft war, aber er erzählte nie von seiner Arbeit oder seiner Vergangenheit. Das war Rude nur recht, denn auch er redete nie über seinen Job oder sein Privatleben. Obwohl sie völlig unterschiedliche Betätigungsfelder und Interessen hatten, entdeckten sie, dass der jeweils andere ein äußerst angenehmer Gesprächspartner war. Es wurde schnell ein Ritual, sich jeden Tag für eine Stunde beim Tee zusammen zu setzen. Danach verschwand der Professor wieder in seinem Labor. Rude folgte ihm nie dorthin. Ihm jagten die Schreie der gefangenen Kreaturen, die er manchmal von dort hörte, einen kalten Schauder über den Rücken. Als sie nach Midgar zurückkehrten, setzten sie heimlich ihr Ritual fort, jedoch nur noch einmal die Woche. Ein kleiner Lagerraum, der praktisch nicht genutzt wurde, wurde ihr Treffpunkt. Hojo hatte Stühle und einen kleinen Tisch arrangiert, und Rude brachte den Tee und die Becher mit. Mit der Zeit bemerkte Rude eine Veränderung in Hojo. Zu dem gehetzten Blick in seinen Augen gesellte sich ein dunkles unheilvolles Leuchten. Sein zynisches Lächeln wurde ab und zu durch ein gackerndes Lachen unterbrochen, das abrupt abbrach, um einem fast hilflos wirkenden Kopfschütteln zu weichen. Irgendwann kam Hojo immer seltener, sein Charakter wurde dunkler, bedrohlicher. Die Gerüchteküche brodelte, wenn es um Professor Hojo ging, ein Gerücht haarsträubender und schrecklicher als das andere. Und Rude war hilflos. Er konnte nichts tun außer zu einer bestimmten Zeit in ihrem kleinen Teeraum auf Hojo zu warten, um für ihn da zu sein, wenn er kam. Und eines Tages kam er nicht mehr. Rude brauchte einige Wochen, um ganz zu begreifen, dass Hojo wirklich nicht mehr kommen würde. Als Rude ihn das nächste Mal sah, hielt Hojo einen Vortrag über seine wissenschaftlichen Errungenschaften vor dem Präsidenten. Rude selbst stand an der Tür. Die Augen hinter seiner schwarzen Sonnenbrille verborgen, musterte er Hojo genau. All die kleinen Macken, die er einst an ihm festgestellt hatte, das ruckartige Heben des Kopfes, das vergraben seiner Hände in den Taschen seines Laborkittels und die hektischen kleinen Gesten, wenn er seine Hände doch einmal aus den Taschen nahm, um seine Worte zu unterstreichen, waren jetzt viel ausgeprägter als früher. Das abrupte Lachen, das so plötzlich abbrach, wie es gekommen war, das Schütteln seines Kopfes über eine Absurdität, die nur er verstand, kam häufiger vor. Der Gesamteindruck war mehr als beunruhigend, auch wenn Rude der einzige im Raum zu sein schien, der es bemerkte. Als Hojo schließlich den Raum verließ, um in sein Labor zurückzukehren, hielt er für einen Moment vor Rude an. Es war nur ein kurzer Blick, den er dem Turk zuwarf, bevor er kichernd an ihm vorbei eilte, um zu seinen geliebten Experimenten zurückzukehren, aber dieser Blick teilte Rude alles mit, was er wissen musste. Hojos Augen trugen nicht mehr diesen gehetzten Ausdruck, als würde ihn etwas verfolgen. Sie waren gänzlich von einem dunklen Leuchten erfüllt, das alles Licht aufzusaugen schien. Welche dunklen Geister Hojo auch einst verfolgt hatten, sie hatten ihn eingeholt, und er hatte den Kampf gegen sie verloren. Rude betrat den kleinen Lagerraum, in dem sie sich einst getroffen hatten, nicht wieder. Es bestand kein Grund mehr dafür. Er hatte seinen Freund verloren. ------------------------------------ Sephiroth / Rufus / Wasser Wenn jemand Rufus Shinra fragen würde, was er auf dieser Welt für perfekt hält, so würde er antworten: „Die ShinRa Corporation natürlich.“ Aber das Bild in seinem Kopf wäre ein ganz anderes. Es war schon einige Jahre her, aber Rufus erinnerte sich bis ins kleinste Detail daran, als er zum ersten Mal Perfektion sah. Er war 15 Jahre alt gewesen und hatte mit seinem Vater die SOLDIER-Einheiten besucht. Um dem ganzen Zeremoniell zu entkommen, das mit einem Besuch des Präsidenten von ShinRa einherging, hatte sich Rufus heimlich davon geschlichen. Das war kein einfaches Unterfangen, denn die Leibwächter des Präsidenten und seines Sohnes waren die Turks, und so war Rufus stolz darauf, es überhaupt unbemerkt so weit geschafft zu haben. Leider war ihm bereits einer der Turks auf den Fersen, und Rufus war nun auf der Suche nach dem nächstbesten Versteck. Als geeignet erschienen ihm die Lüftungsschächte, die sich durch die Decken der jeweiligen Stockwerke zogen, ganz ähnlich wie die Lüftungsschächte im ShinRa-Hauptquartier, durch die er ein paar Mal als Kind auf der Suche nach Abenteuern gekrabbelt war. Er war zwar nicht begeistert von der Vorstellung, sich seinen weißen Anzug schmutzig zu machen, aber besser als von den Turks eingefangen und zu seinem Vater zurückgebracht zu werden, war das allemal. Rufus brauchte nicht lange, um einen guten Zugang in die Lüftungsschächte zu finden. Von einer Kiste in einem Lagerraum aus konnte er hoch genug greifen, um das Gitter zu entfernen und sich hoch in den Schacht zu ziehen. Wie erwartet war der Schacht breit und hoch genug, um ihm ein bequemes Vorwärtskommen auf allen Vieren zu ermöglichen. Darum bemüht, keinen Laut zu machen, damit ihn niemand entdeckte, kroch er durch die Schächte und warf einen Blick durch die vergitterten Öffnungen in die Räume, an denen er vorbeikam. Ein weiterer Lagerraum, zwei Büros und ein Raum mit endlosen Reihen von Spinden an den Wänden waren alles, was er zu sehen bekam. Und weil sich anscheinend jeder auf den Besuch des Präsidenten vorbereitete, waren alle diese Räume leer. Rufus wollte schon umkehren, als er das Geräusch von fließendem Wasser weiter vorne im Schacht hörte. Neugierig kroch er weiter, blickte durch das Gitter in den entsprechenden Raum – und hielt den Atem an! Unter ihm erstreckte sich einer der Duschräume der SOLDIER-Einheiten, und unter einer der Duschen stand ein Mann, den Rufus bisher nur aus Berichten und von Fotos kannte. General Sephiroth, SOLDIER First Class, war wirklich ein imposanter Anblick. Ohne Kleider unter der Dusche stehend, konnte man ihn ohne Übertreibung als atemberaubend bezeichnen. Unter dem Wasserstrahl der Dusche stehend, den Kopf in den Nacken gelegt, die Augen geschlossen, wirkte er fast wie eine Vision. Wasser ran über seine aristokratischen Gesichtszüge und von dort weiter hinab seinen durchtrainierten Körper, liebkoste die rosafarbenen Brustwarzen und umschmeichelte die kräftigen Beine, bis es schließlich den gekachelten Boden erreichte und verschwand. Das lange weiße Haar hatte sich voll Wasser gesogen und klebte nun an seinem muskulösen Rücken. Das Licht der Neonlampen zauberte Lichtreflexe in die seidig-nasse Haarpracht. Dann bewegte sich der General, streckte seine Glieder, um seine Muskeln zu dehnen, und das Licht warf einen schimmernden Glanz auf seinen nassen Körper. Rufus stockte der Atem. Fasziniert beobachtete er das Muskelspiel unter der nassen Haut, während der General sich unter dem künstlichen Regen der Dusche streckte. Dem Blick des jungen Mannes blieb nichts verborgen, und soweit es Rufus einschätzen konnte, war Sephiroth beeindruckend – in jeder Hinsicht! Eine leichte Röte hatte sich auf Rufus’ Wangenknochen ausgebreitet, und zu seiner eigenen Überraschung hatte sich sein Herzschlag beschleunigt. Eine kleine Stimme in seinem Kopf teilte ihm mit, dass es besser wäre, zu verschwinden, aber Rufus machte keine Anstalten, sich zu bewegen. Er war wie festgefroren, während seine Aufmerksamkeit einzig und allein dem General von SOLDIER galt. Sephiroth drehte das Wasser ab und griff nach einem großen Handtuch, mit dem er sich abrieb. Einzelne Wassertropfen entkamen seinen noch nassen Haaren und suchten sich ihren Weg über die nun fast trockene Haut, nur um von dem weichen Handtuch dann doch noch aufgesogen zu werden. Sephiroth nahm ein zweites Handtuch für seine Haare zur Hand, und erst als diese nur noch leicht feucht waren, nahm er beide Handtücher und wandte sich nackt wie er war zum Gehen, um im Vorraum der Dusche seine dort verwahrte Kleidung anzuziehen. Aber noch während er sich zum Gehen wandte, warf er einen Blick hinauf zum vergitterten Lüftungsschacht. Seine grünen Augen funkelten belustigt, und auf seinem Gesicht lag ein amüsiertes Lächeln, das vorher nicht da gewesen war. Rufus blieb fast das Herz stehen, als er begriff, dass der General offenbar wusste, dass ihn jemand vom Lüftungsschacht aus beobachtete! Bevor er sich von dieser Erkenntnis erholen konnte, war Sephiroth bereits aus dem Raum verschwunden. Rufus hatte es plötzlich sehr eilig, selbst zu verschwinden. Er krabbelte hastig den Schacht zurück zu seinem Eingangspunkt, kletterte hinab zum Boden und verließ fluchtartig den kleinen Lagerraum. Dann lief er einen der Gänge entlang, die in entgegen gesetzter Richtung zu dem Duschraum lagen. Als er um eine Ecke bog, stieß er prompt mit jemanden zusammen, und durch die Wucht des Aufpralls wäre er sicher wenig elegant auf seinem Hintern gelandet, wenn die Person vor ihm nicht schnell den Arm ausgestreckt und ihn festgehalten hätte, bis er seine Balance wiederfand. „Da sind Sie ja, Mr. Vizepräsident“, hörte er die ihm wohl vertraute Stimme von Tseng sagen. „Ihr Vater hat bereits nach Ihnen gefragt. Bitte folgen Sie mir.“ Rufus nickte nur und folgte ihm. Er war plötzlich froh, wieder unter der Aufsicht der Turks zu sein. Und wenn Tseng bemerkte, dass sein Schützling ein wenig durcheinander wirkte und sein Gesicht leicht gerötet war, so war er taktvoll genug, nicht nachzufragen. ------------------------------------ Zack / Tseng / Experiment Spät am Abend saß Tseng immer noch an seinem Schreibtisch im ShinRa-Hauptquartier. Normalerweise bedeutete dies, dass der Papierkram überhand genommen hatte, sei es aufgrund von maßlosen Erwartungen ihrer Vorgesetzten oder weil die Turks alle in Missionen unterwegs gewesen waren und deshalb niemand zur Erledigung der Schreibtischarbeiten gekommen war. Heute Abend allerdings erledigte Tseng keinen Papierkram. Vor ihm lag eine aufgeschlagene Akte, deren Inhalt abgeschlossen und damit keine Bedeutung mehr für ShinRa hatte – außer für Tseng. Diese Akte enthielt einen Teil seiner Vergangenheit, und ein Gefühl der Reue kam in ihm auf, wann immer er sie zur Hand nahm. Tseng bereute selten. Er mochte am Anfang vielleicht bei der Durchführung der einen oder anderen Mission noch leicht gezögert haben, aber er hatte alle zur vollen Zufriedenheit von ShinRa ausgeführt. Moral und Skrupel hatten wenig bis keinen Platz in seiner Arbeit. Auch soziale Bindungen wie Freunde außerhalb der Turks waren nicht gerne gesehen. Diese Gefühle könnten einem Turk bei seinen Missionen im Weg stehen. Trotzdem hatte Tseng einst einen guten Freund außerhalb der Turks gehabt. Er hatte sich nichts dabei gedacht, war der andere doch ebenfalls ein Mitglied von ShinRa gewesen. Er hatte nie geglaubt, dass er einmal auf eine Mission gesandt werden könnte, deren Zielperson sein eigener Freund sein würde. Aber seine Leistungen und sein hoher Rang innerhalb von ShinRa hatten Tsengs Freund nicht beschützen können. Tseng fühlte, wie sich seine Kehle zusammenzog und sich ein bitterer Geschmack in seinem Mund ausbreitete. Ein Versuchsobjekt für Hojo, das war sein Freund gewesen. Bis zu seinem Tod, auf der Flucht von ShinRas Soldaten erschossen. Und Tseng hatte als guter Turk bei all dem geholfen. Tseng atmete tief ein und aus. Es hatte keinen Sinn, der Vergangenheit nachzuhängen. Er war ein Turk, er hatte diesen Weg für sich gewählt. Es wurde Zeit, auch diese Mission endgültig abzuschließen. Tseng schloss die Akte und schrieb eine Notiz, den Inhalt ins digitale Archiv einzuscannen und die Akte dann zu vernichten. Am nächsten Morgen fand Elena diese Notiz auf ihrem Schreibtisch und gleich darunter eine Akte mit der Aufschrift: „Experiment 178: Zack Donovan“. ------------------------------------ Rude / Rude / Klon Eigentlich war es Rudes Absicht gewesen, Präsident Shinra über die letzte Mission der Turks zu informieren, aber sein Bericht war von Professor Hojo unterbrochen worden. Hojo marschierte einfach herein und baute sich neben Rude vor dem Schreibtisch des Präsidenten auf. Diesen schien dies jedoch nicht zu kümmern, er war heute wohl in einer ausnehmend guten Laune. „Ich wollte Sie nur in Kenntnis setzen, dass die Projekte Eins, Drei und Vier fehlgeschlagen sind, Herr Präsident. Das Projekt Zwei läuft zwar noch, der Fehlschlag scheint jedoch unausweichlich“, sagte Hojo und warf dabei Rude einen fast spöttischen Blick zu. „Ich dachte mir schon, dass dieses genetische Material nicht standhalten würde. Ich bitte darum, mich wieder vollständig dem SOLDIER-Projekten zuwenden zu dürfen.“ Der Präsident runzelte die Stirn. Er wirkte nun nicht mehr so zufrieden, doch bevor er dem Professor antwortete, wandte er sich an Rude: „Sie können gehen, Rude. Mir reicht der schriftliche Bericht über Ihre Mission völlig aus.“ Rude nickte dem Präsidenten respektvoll zu und wandte sich zum Gehen. Niemand sprach ein Wort, während er zur Tür schritt, doch er konnte fühlen, wie die Blicke der beiden anderen sich geradezu in seinen Rücken brannten. Er war erleichtert, als sich die Tür hinter ihm schloss. Eine solche Aufmerksamkeit sowohl vom Präsidenten als auch von Professor Hojo zu erhalten, war nicht nur ungewöhnlich sondern auch sehr beunruhigend. Er konnte das Gefühl drohenden Unheils nicht abschütteln, das sich nun in seinem Inneren breit machte. Um seinen Gedanken Zeit zu geben, sich zu klären, beschloss Rude die Treppen zu benutzen, anstatt den Fahrstuhl nach unten zu nehmen. Aber dies hatte leider nicht den gewünschten Erfolg. Als er das Stockwerk erreichte, auf dem sich Hojos Laboratorien befanden, hatte sich das Gefühl drohenden Unheils zu einer schwarzen Wolke in seinem Inneren verdichtet. Rude zögerte, hinunter ins nächste Stockwerk zu gehen. Seine Instinkte, geschärft durch seine jahrelange Tätigkeit als Turk, schrien ihn geradezu an, weiterzugehen, denn er würde mit Sicherheit in den Labors Dinge sehen, von denen er lieber nichts wissen wollte. Aber irgendwas zog ihn in Richtung der Labors, eine Mischung aus Neugier und der instinktiven Ahnung von Gefahr. Hojo hatte sich vor einigen Wochen sehr stark für die Turks interessiert. Es hatte sogar eine medizinische Untersuchung ihres Blutes gegeben, aber kurz darauf hatte Hojo sie wieder völlig ignoriert. Bei irgendjemand anderem hätte sich Rude nichts dabei gedacht, aber dass Hojo die Untersuchung geführt hatte, war Anlass zu großer Sorge. Bevor er sich dessen überhaupt selbst richtig bewusst war, war er hinaus in den Gang getreten und näherte sich nun den Labors. Wie meistens auf diesem Stockwerk herrschte eine gespenstische Stille. Hojo bevorzugte es, allein zu arbeiten, und niemand außer ihm betrat freiwillig seinen Arbeitsbereich. Auch Rude spürte einen starken Widerwillen, als er vor dem Eingang des Hauptlaboratoriums stand. Aber er trat trotzdem ein. Er war nicht zum ersten Mal hier. Und als er durch den großen Raum schritt, in dessen Ecken sich die Schatten zu sammeln schienen wie dunkle Tore zur Hölle, konnte er nicht sofort feststellen, dass sich etwas geändert hätte. Lediglich aus einer Ecke, hinter einem Generator verborgen, drang das Summen einer eingeschalteten Maschine. Als Rude darauf zuging, kam er an einer großen Kiste vorbei. Sie stand ein paar Meter zu seiner linken Seite mit geöffnetem Deckel, und Rude warf im Vorbeigehen zuerst nur einen flüchtigen Blick hinein, doch dann blieb er wie angewurzelt stehen. In der Kiste lag der Leichnam einer Frau. Der Verwesungsprozess war schon recht fortgeschritten, so dass nur noch Umrisse und hier und da eine Strähne blonden dreckigen Haares zu sehen war. Aber trotz des Zustandes der Leiche war in der Luft kein Verwesungsgeruch zu entdecken. Die Luft roch muffig, war jedoch ansonsten klar, was ungewöhnlich war. Rude trat zögernd ein wenig näher und entdeckte unter dem Körper zwei weitere Leichen. Beide schienen männlich zu sein, doch ihr Zustand war nur unwesentlich besser als bei der Frau. Der Mann direkt unter ihr wirkte seltsam deformiert, als wäre sein Körper nicht richtig geformt. Von dem letzten Leichnam unter den beiden konnte Rude nur ein paar rote Haare erkennen. Rude wandte sich ruckartig von dem obszönen Bild ab. Selbst für den Magen eines Turks war ein solcher Anblick schwierig zu ertragen. Er hätte das Labor liebend gerne verlassen, doch das Summen der Maschine vor ihm war nun lauter, da er näher dran war. Nur noch ein paar wenige Meter, und er konnte sehen, was sich hinter dem Generator verbarg. Es machte keinen Sinn, so kurz davor umzukehren. Rude ging die letzten Schritte, bog um die Ecke des Generators – und dann wünschte er sich, er wäre umgekehrt. Vor ihm erhob sich ein gläserner Zylinder, der mit einer durchsichtigen Flüssigkeit gefüllt war. In dieser Flüssigkeit, an viele Schläuche angeschlossen, schwebte eine Kopie von Rude selbst! Es war sein nackter Körper, auf den Rude starrte, auch wenn es keine perfekte Kopie war. Die Haut war fast weiß, denn sie hatte nie Sonnenlicht gespürt. Die Augen wirkten selbst durch die Flüssigkeit stumpf und schienen Rude nicht wahrzunehmen, obwohl sie ihn direkt ansahen. Die Glieder hingen schlaff und leblos nach unten. Rudes Blick glitt ungläubig über den Körper vor ihm, dann wurde er auf das Schild aufmerksam, das am Fuß des Zylinders angebracht war: „Projekt Nr. 2“. Hastig hob er den Blick und sah sich um. Drei weitere leere Zylinder standen neben dem Zylinder vor ihm, einer zu seiner Rechten und zwei zu seiner Linken. Und an jedem von ihnen war ein Schild mit einer Projektnummer angebracht. Rudes Knie wurden weich als er begriff, was Hojo mit den Projekten Eins bis Vier gemeint hatte. Aber bevor er seine Gedanken noch einigermaßen ordnen und die ganze Tragweite des Gesehenen begreifen konnte, begann der Körper vor ihm plötzlich zu zucken und sich in der Flüssigkeit zu winden. Mit wachsendem Entsetzen und einem Gefühl der Übelkeit beobachtete Rude, wie sein Ebenbild wie eine Marionette an Fäden hin und her zuckte. Der schauerliche Anblick dauerte nur wenige Sekunden, dann erschlaffte der Körper, und alles Leben, wie grotesk es auch gewesen sein mag, wich aus ihm. Als der Computer des Versuchszylinders feststellte, dass er keine Lebenssignale mehr empfangen konnte, begann er damit, seine Systeme herunterzufahren. Das Summen der Maschine verstummte, und die Flüssigkeit im Zylinder begann sich grau zu färben. Innerhalb weniger Minuten konnte Rude nur noch schwach die Umrisse des leblosen Körpers in der nun grauen Flüssigkeit sehen. Mit weichen Knien und leicht taumelnd eilte Rude aus dem Labor. Ihm war nun so übel, dass er sich genötigt sah, eine Hand auf seinen Mund zu pressen. Er verließ fluchtartig das Stockwerk über die Treppe und eilte dann weiter zur Toilette im nächsten Stock, wobei er trotz allem darauf achtete, nicht gesehen zu werden. Erst als er sich in einer der Toilettenkabinen eingeschlossen hatte, erlaubte er sich ein paar tiefe Atemzüge und setzte sich auf den Deckel der Toilette. Es dauerte einige Minuten, bis er sich soweit erholt hatte, dass die Übelkeit abgeklungen war und seine Beine ihn wieder sicher tragen würden. Während er zur Sicherheit noch ein paar Minuten länger wartete, eilten seine Gedanken zurück zu dem, was er gesehen hatte. Deshalb also hatte Hojo sich so für die Turks interessiert. Er hatte ihnen Blut abgenommen, um an genetisches Material zu kommen. Und damit hatte er mit Erlaubnis des Präsidenten versucht, die Turks zu klonen. Doch das Forschungsprojekt war nicht gelungen. Rudes Klon hatte am längsten durchgehalten, aber auch er war ein Fehlschlag. Rude war ungemein erleichtert darüber, dass Hojo dieses Projekt offenbar aufgeben wollte. Er wollte keine Klone von sich und seinen Kameraden. Mit einem Seufzer stand Rude auf, trat aus der Kabine und ging zum Waschbecken. Er benutzte die Papiertücher, die er dort vorfand, um sich den kalten Schweiß von seinem kahlgeschorenen Kopf zu wischen. Nach einem letzten Blick in den Spiegel ging er mit wieder festen Schritten zum Fahrstuhl. Er hatte das dringende Bedürfnis, seine Kameraden zu sehen, aber er würde ihnen niemals erzählen, was er heute erfahren hatte. ------------------------------------ Ende Kapitel 3: Und weiter geht's... ------------------------------- Titel: Momentaufnahmen Autorin: Cat in the web Fandom: Final Fantasy 7 Disclaimer: Ich habe keinerlei Rechte an Final Fantasy VII. Ich bin nur ein Fan, der sich die Charaktere kurz ausgeliehen hat, um ein paar kleine Geschichten zu schreiben. Und natürlich mache ich kein Geld damit. Besten Dank an Kyrara für deinen Kommentar! Ich hoffe, diese 10 Momentaufnahmen gefallen dir genauso gut. ------------------------------------ Reno / Rufus / Illusion „Ich hoffe, Sie hatten einen schönen Abend, Herr Vizepräsident. Es wäre mir eine Ehre, Sie bald wieder begrüßen zu dürfen“, verabschiedete der Restaurantbesitzer Rufus und verbeugte sich tief. Rufus nickte ihm freundlich zu und verließ das Restaurant. Das Essen war vorzüglich gewesen, wie es auch nicht anders zu erwarten war in einem der besten Restaurants von Midgar. Es war genau das Richtige nach dem vorangegangenen Theaterbesuch gewesen, und Rufus überlegte, ob er noch woandershin gehen sollte. Es gab da eine neue Szene-Bar, die bei der High Society von Midgar zurzeit sehr angesagt war. Rufus hatte noch keine Lust, nach Hause zu gehen, der Abend war perfekt – oder vielleicht doch nur fast perfekt. Rufus hätte fast geseufzt, als sich zwei weitere Personen zu ihm gesellten, während er die Straße entlang ging. Rudes imposante Gestalt schritt an ihm vorbei, um die Straße vor ihnen auf mögliche Gefahren zu überprüfen. Aufmerksam drehte sich der Kopf des Turks hin und her, während er jede Seitenstraße, jeden Schatten in Augenschein nahm. Reno lief währenddessen neben Rufus die Straße entlang, als hätte er keine Sorgen in der Welt. Doch der Eindruck täuschte, denn er hielt seinen Elektrostab einsatzbereit in der Hand und auch er beobachtete die Gegend um sie herum. Diese beiden waren für heute seine persönlichen Leibwächter. Wie Schatten klebten sie an ihm. Selbst die Theaterloge und das Restaurant hatten sie überprüft, bevor es ihm erlaubt worden war, einen Fuß hineinzusetzen. Wohin Rufus auch ging, sobald er seine Wohnung verließ, waren Leibwächter um ihn herum. Rufus fühlte sich wie jemand, dem nicht erlaubt wurde, erwachsen zu werden, obwohl er es längst war. Es reichte ihm langsam. „Warum verschwindet ihr zwei nicht und macht euch einen schönen Abend?“, fragte er Reno. „Wir haben doch einen schönen Abend“, antwortete dieser. „Wir waren im Theater, und da gab es sogar Livemusik. Und wir waren schön essen.“ „Du meinst, ich war im Theater und habe gut gegessen. Soweit ich mich erinnere, habt ihr beiden nur irgendwo rumgestanden und aufgepasst, dass mir niemand den Wein über die Hose schüttet.“ Reno grinste, beobachtete aber auch weiterhin die Gegend um sie herum. „Rotweinflecken gehen schwer aus weißen Hosen heraus.“ Rufus hatte genug. Er blieb stehen und drehte sich zu Reno um. „Wir sind hier auf der obersten Plattform von Midgar. Hier dürfen sich nur Personen aufhalten, die dazu befugt sind. Das ist der sicherste Ort von ganz Midgar, vermutlich sogar einer der sichersten Orte der Welt.“ Eine Mülltonne fiel scheppernd um, und ein Fluch ertönte, der sicherlich nicht von Rude stammte. Rufus drehte sich in die Richtung, aus der die Geräusche kamen, und sah Rude im Kampf mit zwei Männern. Bevor er die Szene noch richtig begreifen konnte, prallte ein Körper auf ihn und warf ihn zu Boden. Mit dem Gesicht auf die Straße gedrückt, eine Person, von der er nur annehmen konnte, dass es Reno war, auf seinem Rücken liegend, konnte Rufus nicht mehr tun, als still liegen bleiben. Die Person auf ihm bewegte sich und ließ etwas durch die Luft sausen. Eine elektrische Entladung und ein Schrei folgten, bevor ein Körper neben ihnen zu Boden sackte. Es war also tatsächlich Reno, der ihn zu Boden geworfen hatte, vermutlich um ihn aus der Reichweite eines Angreifers zu bringen. Rufus drehte den Kopf, so weit er es in dieser Position konnte, und sah Reno, der schützend über ihm lag und sich nach weiteren Angreifern umsah, bevor er seinen Blick nach vorne richtete. „Yo, Partner! Brauchst du Hilfe?“, rief Reno. „Nein, die sind erledigt“, kam Rudes Antwort. „Bring den Vizepräsidenten hier weg. Ich informiere Tseng.“ „Tseng? Warum nicht einfach die Polizei?“, fragte Rufus überrascht. „Jeder in Midgar kennt Sie und weiß, welche Macht hinter Ihnen steht, Mr. Vizepräsident. Und niemand legt sich so einfach mit ShinRa an“, erwiderte Reno, während er aufstand. „Diese Typen sind entweder die dümmsten Straßenräuber von Midgar oder inkompetente Attentäter.“ Reno beugte sich hinunter, um Rufus beim Aufstehen behilflich zu sein. Dabei flüsterte er ihm ins Ohr: „Sicherheit ist eine Illusion.“ ------------------------------------ Barret / Cloud / Schönheit Auf ihrem Weg, Sephiroth zu stoppen und den Planeten zu retten, bemerkte Barret, wie er immer öfter die wenige freie Zeit, die sie hatten, damit verbrachte, Cloud zu beobachten. Zuerst hatte er nur den Kopf darüber geschüttelt und sich abgewandt, sich eine andere Aufgabe gesucht. Aber es passierte immer wieder. Der junge Mann zog Barrets Blicke auf sich, wann immer er in seine Nähe kam. Mit der Zeit nahm Barret immer mehr Details an Cloud war, zum Beispiel dass das Sonnenlicht wärmer wirkende Lichtreflexe in Clouds blondes Haar zauberte als das künstliche Licht der Lampen. Oder das Clouds Haut in warmen sonnenreichen Regionen wie Costa de Sol einen leicht goldfarbenen Ton annahm, der jedoch innerhalb weniger Tage wieder verschwand, wenn man diese Regionen verließ. Er bemerkte, dass das Blau von Clouds Augen die Farbe eines Spätsommerhimmels annahm, wann immer er fröhlich oder zuversichtlich war, aber wenn er unglücklich oder wütend war, wurden seine Augen dunkel und unergründlich tief wie ein vom Sturm gepeitschtes Meer. Barret verstand zuerst nicht, wieso Cloud ihn so fesselte. Er hatte ihn nicht einmal gemocht, als er ihn das erste Mal traf. Er hatte außer Marlene und Avalanche niemanden gemocht, wenn er ehrlich war. Er hatte sich in seine selbstauferlegte Mission festgebissen wie eine wütende Bulldogge. Doch sowohl Niederlagen als auch Siege hatten den gleichen bitteren Geschmack gehabt – einen Geschmack nach Hoffnungslosigkeit. Erst Cloud hatte dies langsam aber sicher geändert. Er hatte ihm einen anderen Weg gezeigt, sein Ziel zu erreichen. Er hatte ihm neue Mitstreiter gegeben. Er hatte ihm bewiesen, dass es möglich war, ihr gemeinsames Ziel zu erreichen, auch wenn die Umstände schlecht für sie standen. Und erst da verstand Barret. Cloud hatte ihm die Hoffnung zurückgegeben. Etwas, was Barret, ohne es zu merken, bereits verloren hatte. Und deshalb war Barret so fasziniert von Clouds Anblick, denn Cloud verkörperte für ihn Hoffnung, und Hoffnung gehörte zu den schönsten Dingen, die Barret kannte. ------------------------------------ Rufus / Tseng / Melodie Rufus war in seinem Leben bisher nur ein einziges Mal wirklich ernsthaft krank gewesen. Die Krankheit hatte hohes Fieber verursacht, so hoch, dass Rufus ins Krankenhaus gebracht werden musste. Er konnte sich an seine Zeit dort kaum erinnern, denn das Fieber hatte dafür gesorgt, dass er die meiste Zeit über seine Umgebung kaum oder sogar gar nicht wahrnahm. Er hatte geschlafen oder war bewusstlos gewesen. Aber er wusste, dass weder sein Vater noch seine Mutter ihn besucht hatten. Sie hatten vor der Presse die besorgten Eltern gespielt, hatten verkündet, dass alles unternommen würde, damit ihr Sohn bald wieder gesund wurde, und hatten sich dann wieder ihrer Arbeit und ihren Vergnügungen gewidmet. Nicht ein einziges Mal hatten sie das Krankenhaus betreten. Wieso also erinnerte sich Rufus an eine Person, die neben seinem Bett gesessen und seine Hand gehalten hatte, wenn er aufgrund des hohen Fiebers unruhig geworden war? Wieso glaubte er, sich an eine Stimme erinnern zu können, die in sanften Tönen zu ihm gesungen hatte, wenn er sich im Fieberwahn in seinem Bett hin und her geworfen hatte? Es war niemand vom Krankenhaus gewesen. Die Stimme war männlich, die Gestalt dunkel gekleidet gewesen, soweit konnte sich Rufus noch erinnern. Und er erinnerte sich am deutlichsten an die Melodie, die der unbekannte Mann gesungen hatte. Manchmal, wenn es Rufus nicht gut ging oder seine Eltern ihn wieder mal ignorierten, rief er sich die sanften Töne ins Gedächtnis, ließ die Melodie wie in einer endlosen Schleife durch seine Gedanken wandern, und dann fühlte er sich wieder besser. Auch heute war wieder so ein Tag, an dem diese schöne Melodie in seinem Kopf erklang, um ihn zu beruhigen, während er die Tiefgarage von ShinRa betrat, um sich nach Hause fahren zu lassen. Die sanften Töne entspannten ihn so sehr, dass er eine Weile brauchte, bis er bemerkte, dass er sich nicht nur an die Melodie erinnerte, sondern sie tatsächlich hörte! Eine männliche Stimme, dunkel und weich, entfaltete sich in der Tiefgarage wie in einem Opernsaal und sang – nicht laut, eher verhalten und leise – die Melodie, die Rufus seit jener Krankheit vor vielen Jahren so vertraut geworden war. Rufus blieb überrascht stehen, dann schritt er leise vorwärts, mit klopfendem Herzen, welches von einem ihm unbekannten Gefühl erfüllt war - vielleicht war es so etwas wie Sehnsucht nach einer Person, die er für unauffindbar gehalten hatte. Als er um eine der vielen Betonsäulen herum trat, fiel sein Blick auf einen Mann in dunkler Kleidung, der neben einer großen Limousine stand und leise sang, während er in seinem Terminkalender blätterte. Der Mann war Rufus nur zu vertraut, und sein Herz klopfte schneller, als er begriff, dass jener Mann aus dem Krankenhaus seine Seite nicht verlassen hatte, sondern ihm immer nah gewesen war. Jemand, der sich immer um ihn gekümmert hatte. Tseng sah auf als er spürte, dass er nicht mehr alleine war, und der Gesang stoppte. Vizepräsident Rufus Shinra, sein Schutzbefohlener, stand nur wenige Meter entfernt neben einer Säule. Rufus sah ein wenig geistesabwesend aus, was für ihn eher ungewöhnlich war. „Alles in Ordnung, Mr. Vizepräsident?“, fragte Tseng. Rufus nickte nur, und Tseng öffnete die Tür der Limousine für ihn. „Dann werde ich Sie jetzt nach Hause fahren.“ Rufus stieg ein, und während Tseng ihn durch die Straßen von Midgar fuhr, fragte sich Rufus, wie er all die langen Jahre nicht bemerken konnte, dass Tsengs Stimme genau jenen weichen dunklen Klang besaß, nach dem er sich all die Jahre lang gesehnt hatte. Die Melodie in seinem Kopf hatte nun ein Gesicht und einen Namen, und Rufus hätte darüber nicht glücklicher sein können. ------------------------------------ Cait Sith / Reeve / Vergangenheit Eigentlich hatte Reeve viel zu tun. Nach dem Sieg über Sephiroth und dem Fall von ShinRa richtete sich die Gesellschaft in Midgar neu aus. Wo früher allein ShinRa herrschte, gab es nun wieder ein Stadtparlament, dessen Entscheidungen tatsächlich Einfluss auf Midgars Zukunft nehmen konnten. Und Reeve war ein Mitglied dieses Stadtparlaments. Die Stadt war immer noch in Aufruhr, und dementsprechend viel Arbeit gab es zu erledigen. Trotzdem hatte Reeve sich für ein paar Stunden frei genommen. Im einstigen ShinRa-Firmengebäude stand er in einem kleinen Lagerraum tief unten in den Kellergewölben, die normalerweise kaum jemand betrat. Hier waren uralte Archive untergebracht, deren Inhalt langsam zu Staub zerfiel, und Lagerräume voller alter Maschinen, die niemand mehr brauchte. Es tat Reeve fast ein wenig weh, ausgerechnet diesen Ort dafür ausgesucht zu haben, aber nach gründlicher Überlegung hatte er entschieden, dass dies der beste Ort dafür war. Der beste Ort, um seine Vergangenheit zu begraben und noch mal von vorne anzufangen. Diesen Ort würde niemand entweihen, an diesem Ort konnte seine Vergangenheit für immer ruhen, ohne je gestört zu werden. Reeve warf einen letzten Blick auf die kleine schwarz-weiße Gestalt, die zusammengesackt auf dem weißen Koloss vor ihm saß. Es sah fast so aus, als würden sie und ihr großer Gefährte nur schlafen. Reeve zögerte, doch dann trat er aus dem Raum und betätigte das elektronische Türschloss. Auch diese beiden Gestalten waren letztlich nur Maschinen, deren Dienste nach dem Sieg über Sephiroth nicht mehr benötigt wurden. Es wurde Zeit, sie rasten zu lassen. Ein leises Surren war zu hören, und fast widerwillig setzte sich die Tür in Bewegung. Reeves Blick ruhte fast wehmütig auf den beiden Gestalten. Kurz bevor sich die Tür schloss, flüsterte er: „Ruhe sanft, Cait Sith.“ ------------------------------------ Barret / Rufus / Herausforderung Es war eine Herausforderung, und obwohl der Herausgeforderte alle Asse in diesem Spiel in seiner Hand zu halten schien, war er sich nicht sicher, ob sein Gegenspieler ihm nicht doch noch ein Schnippchen schlagen würde. Es war ein Kräftemessen der besonderen Art. Auf der einen Seite ein bunt zusammen gewürfelter Haufen Individuen, auf der anderen Seite die gut funktionierende Maschinerie von ShinRa. Für jeden Außenstehenden schien der Ausgang klar, der Herausforderer würde verlieren, wie schon so viele gegen die mächtige ShinRa Corporation verloren hatten. Doch sowohl der Herausforderer als auch der Herausgeforderte kannten sowohl die Stärken als auch die Schwächen nicht nur von ihrem Gegner, sondern auch von sich selbst. Und mit diesem Wissen erhielt das Spiel zwischen ihnen eine neue Dimension. Barret sah hinauf zu der Plattform, die hoch über den Slums von Midgar thronte, und lächelte grimmig. ShinRa kontrollierte die ganze Welt, so sagten die Leute. Aber dabei vergaßen sie, wie groß die Welt tatsächlich war. Mochte ShinRa auch die offiziellen Schaltzentralen der Macht kontrollieren, ihr weltumspannendes Netz hatte zwangsweise Löcher. Avalanche schlüpfte durch die Maschen des Netzes und griff an, nur um wieder in die Dunkelheit zurückzufallen und sich in den Slums zu verstecken, ungesehen von den Häschern ShinRas, die auf der Jagd nach ihnen waren. Als Kriminelle in der Gesellschaft gebrandmarkt, Außenseiter ohne Rückhalt in der Öffentlichkeit. Ein Team von Individualisten, jeder für sich allein in der Lage, seinen Pfad jenseits der offiziellen Wege zu finden, die von ShinRa kontrolliert wurden. Barret scherte es nicht, dass ihn andere für verrückt hielten. Er hatte mit Avalanche ShinRa herausgefordert, und er kannte ihrer beider Möglichkeiten. Rufus Shinra trat an die breite Fensterfront seines Büros und sah über den Rand der obersten Plattform von Midgar hinab zu den Slums, und ein kapriziöses Lächeln zeigte sich auf seinem ansonsten kalten Gesicht. ShinRas Feinde lauerten in den Slums, verborgen im Schatten der Plattform, so sagten die Leute. Aber dabei vergaßen sie, wie arm und hoffnungslos die Situation in den Slums war. Die Leute wünschten sich einen guten Job, ein Leben ohne finanzielle Sorgen. Und der größte Arbeitgeber weltweit war die ShinRa Corporation. Die breite Masse der Menschen würde sich nicht auflehnen, solange es ihnen gut ging. Und sie hassten die Leute, die ihr friedliches Leben störten. Auch wenn ShinRa nicht alles und jeden kontrollieren konnte und manchen Leuten sogar verhasst war, hatte seine Firma den Rückhalt in der Öffentlichkeit und fast unbegrenzte Ressourcen. Früher oder später kam für jeden Herausforderer das Ende im Netz von ShinRa. Der diesmalige Herausforderer war jedoch stark. Mit Erfindungsreichtum und roher Gewalt war es ihm bereits mehrfach gelungen, ShinRa zu schaden und zu entkommen. Das machte die Jagd interessant. Rufus liebte eine gute Herausforderung. ------------------------------------ Reno / Cid / Krieg Cid seufzte und strich sich mit müder Geste einmal durch sein Haar. Die letzten Tage waren anstrengend gewesen. Nachdem Sephiroth besiegt worden war, hatte er Cloud und die anderen aus seiner Gruppe mit seinem Luftschiff, der Highwind, nach Midgar geflogen. Hier unterstützten sie nun Reeve, der mit dem Stadtparlament sowie mit den Überbleibseln der ShinRa Corporation versuchte, die durch Meteor entstandenen Schäden zu reparieren und das Leben in Midgar für alle leichter zu machen. Überraschenderweise hatten sie auch die Turks bei Reeve angetroffen, und genau hier fingen die Probleme Cids Meinung nach an. Es war nicht so, dass die Turks ihnen Probleme machten. Sie waren schließlich Profis und hatten besseres zu tun, als auf Rache zu sinnen. Tseng und Elena waren sogar ausgesprochen hilfreich. Rude sagte zwar selten etwas, kochte dafür aber einen ausgezeichneten Kaffee. Es war Reno, der die Probleme machte. Es war nicht so, dass Reno feindselig war oder gar ihre Bemühungen sabotierte. Im Gegenteil, er war in kürzester Zeit der beste Kumpel von Yuffie, flirtete mit Tifa und trank abends einen Schlummertrunk mit Barret und Cloud. Tatsache war jedoch auch, dass all die Besprechungen und Diskussionen, die in Midgar geführt wurden, so gar nicht nach dem Geschmack des temperamentvollen Rotschopfs waren. Reno langweilte sich. Wie Cid und auch alle anderen, die es noch nicht wussten, sehr schnell lernten, war ein gelangweilter Reno keine gute Sache, denn er kam schnell auf dumme Ideen. Eine seiner bevorzugten Methoden, der Langeweile zu entkommen, bestand darin, anderen Leuten Streiche zu spielen. Cid hatte schon so manchen jungen Spund in seine Schranken gewiesen, aber dieser Turk war eine wirklich harte Nuss. Wenn Cid an Reno nur dachte, bekam er schon Kopfschmerzen. Die letzten Tage waren voller Überraschungen gewesen. Es fing an dem Tag an, an dem Cid Reeve ohne Hose über den Gang laufen sah, weil jemand (ein gewisser Rotschopf, wie sich später herausstellte) seinen Bürostuhl mit Leim eingestrichen hatte. Da hatte Cid noch gelacht, während Reeve ihn beschworen hatte, bloß nichts davon zu erzählen, während er nach einer neuen Hose suchte. Eine Stunde später war Tifa mit grün gefärbten Haaren in eine Besprechung gekommen und hatte verärgert gefragt, wer Färbemittel in ihr Shampoo getan hatte. Die Frage wurde beantwortet, als Elena mit ebenfalls grünen Haaren in den Raum platzte und wütend wissen wollte, wo Reno sich gerade aufhielt. Es blieb nicht allein bei diesen Vorfällen. Reno schien wild entschlossen zu sein, jeden von ihnen möglichst mehrmals mit seinen Streichen zu erwischen. Und natürlich war auch Cid unter seinen Opfern. Mit einem gewissen Grauen erinnerte er sich an den Kaffee, den Reno mit einer besonders scharfen Soße gewürzt hatte. Es wäre fast lustig gewesen zu beobachten, wie Tseng nach dem ersten Schluck das eklige Gebräu über seine Akten spuckte, wenn Cid nicht im selben Moment genau das gleiche getan hätte. Oder da war der Krapfen, den Cid auf seinem Schreibtisch vorfand, eine leckere Spezialität aus Hefeteig, gefüllt mit süßer Marmelade - zumindest normalerweise. Dieser war allerdings mit scharfem Senf gefüllt, wie Cid nach einem herzhaften Biss feststellen musste. Es blieb nicht dabei, und sie waren nicht die einzigen. Es kam immer wieder zu Beschwerden, und einmal mussten Cloud, Reeve und Cid sogar eine aufgebrachte Menschenmenge mit einer ganzen Menge netter Worte beruhigen, damit die Leute wieder zurück an die Arbeit gingen. Cid hatte keine Ahnung, was Reno angestellt hatte, um das zu erreichen. Er wollte es auch gar nicht wissen. Er schlug lediglich vor, der nächsten Meute, die an ihre Türen klopfte, die Lynchjustiz einfach zu genehmigen. Tseng hatte sich aus dem Staub gemacht, sobald er die Leute kommen hörte, aber Cid konnte es ihm nicht übel nehmen. Immerhin hatte er in den letzten Tagen gelernt, dass Tseng und er tatsächlich etwas gemeinsam hatten: sie griffen beide mindestens genauso oft zur Aspirin-Tablette, und der Grund ihrer Kopfschmerzen hieß Reno. Am liebsten hätte Cid den Rotschopf geschnappt und übers Knie gelegt, aber leider besaß Reno einen sechsten Sinn für so etwas und entkam immer wieder. Aber jetzt waren der ganze Stress und die Streiche erst einmal vorbei. Cid war unterwegs zur Highwind, denn heute Morgen würde er sein Luftschiff endlich wieder einmal fliegen. Er hatte mehr als genug Zeit am Boden verbracht. Er war schließlich Pilot und kein Verwaltungsangestellter. Bei dem Gedanken, in kürze wieder in der Luft zu sein, steigerte sich Cids Laune ungemein. Keine Besprechungen, kein Reno, nur sein Luftschiff, seine Mannschaft und der weite Himmel. Cid trat auf das Landefeld hinaus, wo die Highwind auf ihn wartete. Er schloss die Augen und zog tief die frische Luft ein. Als er die Augen wieder öffnete und den Blick auf die Highwind richtete, musste er zweimal hinsehen, um sich davon zu überzeugen, dass er richtig sah. Die Highwind war bunt! Schreiend bunt! Sie sah aus, als hätte sich ein verrückter Maler an ihr ausgetobt. Ohne Ordnung oder sichtbares Muster waren Farben über ihre Außenhülle verteilt. Es sah aus, als wäre sie mit Farbe bombardiert worden. Cid stand wie zur Salzsäule erstarrt da und starrte sein geliebtes Luftschiff an. Seine Mannschaft, die auf dem Landefeld stand, hatte ihn mittlerweile entdeckt, und einer war mutig genug, seinen Kapitän anzusprechen: „Kapitän Cid, wir wissen nicht, wie das passiert ist. Als wir heute Morgen herkamen, sah die Highwind so aus. Gestern Abend war noch alles wie immer.“ Der Mann sprach noch weiter, beteuerte die Unschuld der Mannschaft, aber Cid hörte schon gar nicht mehr zu. Er wusste ohnehin, dass seine Leute keine Schuld traf. Oh, er kannte den Schuldigen ganz genau, da war er sicher. Cid holte tief Luft und dann schrie er über das Landefeld: „Reno! Das bedeutet Krieg!“ ------------------------------------ Reeve / Yazoo / rennen Reeve rannte, so schnell ihn seine Beine nur trugen. Sein Atem ging stoßweise, seine Seiten schmerzten, er war nicht in Form, er war nie ein sportlicher Typ gewesen, aber das war jetzt egal. Das Adrenalin in seinem Körper trieb ihn vorwärts, und die Angst, die sein Herz schneller schlagen ließ als es die körperliche Anstrengung allein vermocht hätte, ließ ihn seine körperlichen Beschwerden ignorieren. Den harten Stoß, den eine Mauerkante seiner Schulter verpasste, als er eine Kurve des Korridors zu eng nahm, bemerkte er kaum. Es zählte nur vorwärts zu kommen, dem Alptraum davon zu rennen, der hinter ihm lag. Reeve wusste nicht, woher die drei jungen Männer mit dem silberfarbenen Haar gekommen waren. Sie waren plötzlich im alten ShinRa-Hauptquartier, welches teilweise noch von der Stadtverwaltung genutzt wurde, aufgetaucht, und kurz darauf fingen die Schreie an. Reeve wusste nicht, was genau geschehen war, aber als er die Tür seines Büros geöffnet hatte, um nachzusehen, was los war, flüchteten die Menschen in Panik in alle Richtungen, und die drei silberhaarigen Männer hatten Waffen in ihren Händen, und das Blut ihrer Opfer färbte den Boden rot. Für einen Moment war Reeve wie erstarrt, doch dann begegnete sein Blick dem Blick eines dieser Männer, ein Mann mit langem silberfarbenen Haar und grünen Augen, die einen unnatürlichen Glanz zu haben schienen wie er durch Mako verursacht wurde. Der Anblick traf Reeve wie ein Faustschlag in den Magen, und nur ein Gedanke zuckte durch seinen Kopf: Sephiroth! Und dann rannte er los, und auch ohne sich umzudrehen wusste er, dass der andere, dieser junge Mann, der solche Ähnlichkeit mit Sephiroth hatte, ihm folgte. Reeve rannte nun durch den Keller des alten ShinRa-Hauptquartiers, wo unbenutzte Archive und nicht mehr benötigte Maschinen lagerten. In den halbdunklen verwinkelten Korridoren hoffte er, seinen Verfolger abschütteln zu können. Reeve bog von dem noch einigermaßen erhellten Korridor in einen fast völlig dunklen Nebenkorridor ein und dann noch mal um eine Ecke, wo er sich zitternd an die Wand presste. Er verfügte weder über die Ausdauer noch die Schnelligkeit, um seinen Verfolger abzuhängen, aber er betete darum, dass seine Ortskenntnisse ihm den entscheidenden Vorteil bringen würden, um entkommen zu können. Die Schritte seines Verfolgers erklangen und wurden langsam lauter. Offenbar hielt es der junge Mann mit den langen Haaren nicht für nötig, sich sonderlich zu beeilen. Oder besonders leise zu sein. Reeve wurde an eine Katze erinnert, die mit ihrer Beute spielte, wohl wissend, dass diese ihr nicht entkommen konnte. Unwillkürlich hielt er den Atem an. Dann zerriss ein Klingeln die Stille, und fast hätte Reeve vor Schreck einen Laut von sich gegeben. Aber er beherrschte sich gerade noch rechtzeitig. Das Klingeln brach ab, und Reeve hörte, wie der junge Mann sagte: „Was gibt es?... Jetzt gleich? Ich habe ihn noch nicht, aber er ist ganz nah, ich weiß es… Ist ja gut, ich komme ja schon.“ Und dann hörte Reeve, wie sich die Schritte seines Verfolgers wieder entfernten und schließlich ganz verstummten. Reeve rutschte an der Wand hinunter bis er auf dem Boden kniete, und ein erleichtertes Wimmern brach aus seiner Kehle heraus. Was ihn gerettet hatte, war das Klingeln des Handys seines Verfolgers – er war zurück gerufen worden, von einem seiner zwei Kameraden, ohne Zweifel. Reeve brauchte ein paar Minuten, um sich zu erholen, doch dann stand er auf und sah sich um. Er erkannte sehr schnell, wo im alten ShinRa-Hauptquartier er war. Mit sicheren Schritten wandte er sich den dunklen Gängen zu und schritt tiefer in ihr Gewirr hinein. Er hatte nicht geglaubt, noch mal diesen Weg zu gehen, aber nun schien es ihm die einzige Möglichkeit zu sein. Er wusste nicht, wer diese drei neuen Gegner waren, doch ihre Ähnlichkeit mit Sephiroth und die Gefahr, die sie darstellten, dürfte er auf keinen Fall ignorieren. Innerhalb weniger Minuten hatte er sein Ziel erreicht. Er berührte das elektronische Türschloss und mit einem fast widerwillig klingenden Surren öffnete sich die Tür. Ein altes Notlicht ging flackernd an und warf ein gespenstisches Licht auf die kleine schwarz-weiße Gestalt, die zusammengesackt auf ihrem reglosen großen Gefährten saß. „Hallo, Cait Sith“, sagte Reeve in die Stille des kleinen Raums hinein. „Ich brauche dich erneut.“ ------------------------------------ Cid / Sephiroth / Sterne Etwas außerhalb von Rocket Town in der weiten Grasebene, die die Stadt umgab, lag im hohen Gras ein flacher Felsen. Er wirkte fast ein wenig fehl am Platz, so weit weg vom Gebirge, der einzige Felsen weit und breit. Wie er dorthin gekommen war, wusste keiner. Der Felsen lag schon da, als Cid Highwind noch ein Kind gewesen war und nur davon träumte, eines Tages ein Pilot zu sein. In der Tat war Cid schon als kleiner Junge oft hierher gekommen, hatte sich auf die von Regen und Wind glatt polierte Oberfläche des Felsens gesetzt und hatte hinauf in den Himmel gesehen. Tagsüber war der Himmel von einem herrlichen von Licht durchströmten Blau gewesen oder auch mal wolkenverhangen und von stürmischen Winden durchzogen. Nachts war der Himmel meist völlig klar, und die Sterne funkelten und strahlten wie die kostbarsten Juwelen. Cid liebte diesen Ort. Hier konnte er in Ruhe seinen Gedanken nachhängen. Und hier hatte er angefangen zu träumen. Zuerst davon, Pilot zu werden, dem Himmel näher zu sein als andere und durch sein herrliches Blau in absoluter Freiheit zu fliegen, ohne all die Sorgen und Grenzen, die die Leute in den Städten auf der Erde hatten. Und später dann, unter dem atemberaubend schönen Sternenhimmel, hatten sich seine Träume geweitet, umfassten nicht mehr nur den Himmel, sondern auch das Weltall. Zu den Sternen wollte er fliegen, einen der größten Träume der Menschheit wahrmachen. Und seine Träume waren wahr geworden. Er besaß sein eigenes Luftschiff, und er war zu den Sternen geflogen. Und nun saß er wieder hier auf dem Felsen nahe Rocket Town und sah hinauf in den Nachthimmel. Die Sterne waren so strahlend wie er sie als Kind in Erinnerung behalten hatte. Auch nach so vielen Jahren und Abenteuern hatten sie für ihn nichts von ihrer Schönheit verloren. Und wie immer verleiteten sie Cid dazu, seine Gedanken treiben zu lassen, über sein Leben nachzudenken und über seine Träume. Seine Gedanken wanderten zu den Kämpfen, die er für die Sicherheit des Planeten zusammen mit seinen Kameraden ausgefochten hatte, zu ShinRa und Jenova, die beide eine Bedrohung für den Planeten dargestellt hatten, und schließlich auch zu Sephiroth, der zum Handlanger Jenovas wurde, genauso wie er vorher auch der Handlanger von ShinRa gewesen war. Und Cid fühlte Mitleid. Mitgefühl für Sephiroth, den Alptraum, wie er nun von vielen genannt wurde, war sicher nicht das vorherrschende Gefühl in den meisten Menschen auf diesem Planeten. Aber Cid fragte sich, wie viele der Entscheidungen, die Sephiroth’ Leben bestimmt hatten, seine eigenen gewesen waren. Noch vor seiner Geburt und noch lange danach war Sephiroth ein Experiment von Hojo und ShinRa gewesen. Der in ShinRas Labors gezüchtete Supersoldat, eine lebende Waffe, die ShinRas Willen durchsetzte. Und als er die Wahrheit erfuhr und langsam wahnsinnig wurde, war er zum Spielball Jenovas geworden, einem Monster außerirdischer Herkunft, dessen Zellen er in sich trug ohne je eine Wahl gehabt zu haben, ob er sie überhaupt wollte. Cid fragte sich, wovon Sephiroth wohl geträumt hatte, bevor er wahnsinnig wurde. Welche Wünsche hatte er wohl für sein Leben gehabt, und war es ihm gelungen, wenigstens einen seiner Träume zu verwirklichen? Oder hatte er nur den Träumen anderer gedient, solchen Leuten wie Hojo oder Shinra? Cid sah hinauf zu den Sternen, nahm ihr Funkeln und Strahlen in sich auf, die Schönheit eines klaren Sternenhimmels, der ihn schon sein ganzes Leben lang zum Träumen verleitete. Und er fragte sich, ob Sephiroth jemals zu den Sternen hinauf gesehen und dabei das Gleiche empfunden hatte wie er. ------------------------------------ Tseng / Cloud / Feuer Das Schwert wirbelte durch die Luft, sicher und voller Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten von Cloud geführt, und verfehlte doch sein Ziel um Haaresbreite, als Tseng mit einer eleganten mühelos erscheinenden Bewegung der scharfen Klinge auswich und zum Gegenschlag ausholte. Die schnelle Schlag-Tritt-Kombination ging ins Leere, als Cloud mit ebensolcher Leichtigkeit dem Gegenangriff auswich. Ihre Bewegungen waren von einer atemberaubenden Schnelligkeit, Angriff und Verteidigung wurden mit großer Präzision ausgeführt. Tseng und Cloud konzentrierten sich nur aufeinander, erkannten an der Körperhaltung des jeweils anderen bereits, was dieser plante und passten ihre Kampfstrategie einander an. Ihre Bewegungen gingen in so vollkommener Harmonie ineinander über, dass bisher keiner von beiden die Oberhand in diesem Duell gewinnen konnte. Ihr Kampfeswille rann wie Feuer durch ihre Adern, brannte hell und lodernd in ihren Herzen, während sie sich im Zweikampf umkreisten, eine helle und eine dunkle Flamme, die um die Vorherrschaft kämpften. Dann hielten beide wie auf ein vorher verabredetes Zeichen hin an. Sie standen einander gegenüber, die Hände gesenkt, die Blicke fest aufeinander gerichtet. Tseng war der Erste, der sich bewegte. Er senkte leicht den Kopf, ohne jedoch den Blickkontakt mit Cloud aufzugeben. Eine leichte Verbeugung, nicht das Eingeständnis einer Niederlage, sondern ein Zeichen von Respekt für die Leistung eines ebenbürtigen Gegners. Cloud erwiderte die Geste. Dann drehten beide sich um und gingen ohne ein Wort zu wechseln in entgegen gesetzte Richtungen davon. Für heute war der Kampf unentschieden ausgegangen. Aber es würde sicher ein nächstes Mal geben, und vielleicht würde sich dann entscheiden, wessen Feuer weiterbrennen würde und wessen Feuer erlosch. ------------------------------------ Zack / Reeve / elegant Zack war ins Hauptgebäude von ShinRa gerufen worden wegen irgendeiner Belobigung, die er erhalten sollte. Um ehrlich zu sein, kümmerte ihn das überhaupt nicht. Er wusste aus Erfahrung, dass ein Ruf in die Chefetage von ShinRa mit endloser Warterei verbunden war, an deren Ende ein Handschütteln und ein „Gut gemacht“ von irgendeinem hohen Tier wie Heidegger oder vielleicht auch dem Präsidenten stand. Er würde in irgendeinem Büro warten müssen und sich furchtbar langweilen, bis derjenige, der ihn hergerufen hatte, endlich mal zwei oder drei Minuten Zeit für ihn fand. Und so war es dann auch, allerdings mit einer unerwarteten Ausnahme – Zack langweilte sich kein bisschen. Stattdessen beobachtete er fasziniert die Bewegungen des ShinRa-Angestellten, in dessen Büro er wartete. Oder besser gesagt, er beobachtete dessen Handbewegungen. Zack hatte noch nie vorher besonderes Interesse für die Körperteile eines Mannes aufgebracht, es sei denn um zu entscheiden, wo er zuschlagen musste, um einen Kampf zu gewinnen. Er hielt sich auch ganz bestimmt nicht für einen Fetischisten, schon gar nicht mit einem Händefetisch, aber trotzdem konnte er nicht anders als die Hände des anderen immer wieder anzustarren. Sie waren sehr gepflegt, die Haut wirkte glatt und weich, die Fingernägel waren ordentlich manikürt. Die Hände waren lang und schmal und hätten an einem anderen Mann vielleicht sogar ein wenig zu weiblich gewirkt, doch sie passten gut zu der schlanken hochgewachsenen Gestalt, die vor Zack an ihrem Schreibtisch saß. Fasziniert beobachtete Zack, wie diese schmalen, fast ein wenig zerbrechlich wirkenden Finger einen Kugelschreiber umfassten und schwungvoll eine Unterschrift unter ein Dokument setzten. Eigentlich, so dachte Zack, passten solche Finger viel besser zu einem Musikvirtuosen, anstatt zu einem Büroangestellten. Er konnte sich sehr gut vorstellen, wie diese eleganten Finger sanft über die Tasten eines Klaviers glitten und dem Instrument klangvolle Töne entlockten. Zacks Gedankengang wurde unterbrochen, als der andere aufsah und seinen Blick bemerkte. „Ist etwas nicht in Ordnung, Mr. Donovan?“ „Nein, alles ist bestens, Mr. Reeve.“ ------------------------------------ Ende Kapitel 4: Hier kommen noch mehr... ----------------------------------- Titel: Momentaufnahmen Autorin: Cat in the web Fandom: Final Fantasy 7 Disclaimer: Ich habe keinerlei Rechte an Final Fantasy VII. Ich bin nur ein Fan, der sich die Charaktere kurz ausgeliehen hat, um ein paar kleine Geschichten zu schreiben. Und natürlich mache ich kein Geld damit. ------------------------------------ Reno / Cloud / Einkaufen Es gab nur wenige Dinge auf dieser Welt, vor denen es Cloud graute. Einkaufen gehen mit Tifa gehörte eindeutig dazu. Wann immer er bemerkte, wie Tifa Einkaufslisten schrieb, den Inhalt ihrer Geldbörse checkte oder ihren vollen Kleiderschrank durchging, während sie darüber klagte, dass sie nichts anzuziehen hätte, stand Cloud leise auf und versuchte, sich durch die Hintertür davonzustehlen. Manchmal gelang es ihm auch. Manchmal aber auch nicht, und dann musste er mit Tifa stundenlang durch alle möglichen Geschäfte wandern, sämtliche Tüten hinter ihr hertragen (meistens sah er schon nach einer Stunde aus wie ein Lasten-Chocobo) und – und dies war das Allerschlimmste – seine Meinung zu den unzähligen Kleidern äußern, die Tifa in den Geschäften anprobierte und ihm dann vorführte (er hatte keine, und wenn doch, war er klug genug, sie für sich zu behalten). Einmal hatte er versucht, Tifa zu überreden, doch lieber mit Elena einkaufen zu gehen anstatt mit ihm. Tifa war von der Idee begeistert, aber irgendwas musste sie missverstanden haben. Denn kaum hatte Cloud sie zum Treffpunkt mit Elena gebracht und wollte sich davon machen, da schnappten ihn sich die beiden Frauen und zerrten ihn mit zum Einkaufen. Letztendlich war das Resultat, dass Cloud die doppelte Menge an Tüten und Paketen tragen musste, bis selbst Tifa und Elena eingestehen mussten, dass noch mehr einfach nicht ging. Als wieder einmal das Unheil einer Einkaufstour mit Tifa drohte, kam die Rettung für Cloud in unerwarteter Gestalt daher. Reno war zu Besuch gekommen, um sich Cloud für einen Nachmittag auszuleihen. Cloud fragte gar nicht lange, sondern nutzte die sich ihm bietende Möglichkeit sofort. Er bestand darauf, Reno bei was auch immer zu helfen, und bevor der verdutzte Reno sich über Clouds plötzliche Hilfsbereitschaft noch weiter wundern konnte, zerrte dieser ihn auch schon hinter sich her zur Tür hinaus, während die enttäuschte Tifa das Nachsehen hatte. Zwei Stunden später war Cloud immer noch im Geschäftsviertel der Innenstadt unterwegs, so bepackt mit Tüten und Paketen, dass er aussah wie ein Lasten-Chocobo. Neben ihm her schritt Reno, der im Gegensatz zu Cloud kein bisschen erschöpft aussah und immerhin den Anstand hatte, zwei von den kleineren Tüten selbst zu tragen. Cloud verfluchte seine Dummheit, Reno nicht gefragt zu haben, wofür dieser seine Hilfe in Anspruch nehmen wollte. Er hatte sich inzwischen der traurigen Erkenntnis stellen müssen, dass Einkaufen mit Reno genauso anstrengend war wie mit Tifa. „Hey, Cloud, da vorne ist dieser neue Klamottenladen, der zurzeit total angesagt ist! Da gehen wir rein. Ich möchte ein paar neue Outfits anprobieren, und du sagst mir dann, was du davon hältst. Du könntest übrigens auch ein paar neue Klamotten gebrauchen. Ich werde gleich mal nachsehen, ob für dich nicht auch was dabei ist.“ ------------------------------------ Cid / Rufus / Lebensstrom Cid Highwind war eine Legende. Er galt als einer der besten Piloten, die es je gab, und war als einer der ersten Menschen zu den Sternen geflogen. Er war ein Mysterium, denn vieles aus seinem Leben war den Leuten nicht bekannt, obwohl sich durchaus einige sehr neugierige Leute, wie zum Beispiel Reporter aber auch Geschichtsforscher, um eine Biografie dieses großartigen Piloten bemüht hatten. Cid Highwind war eine sehr private Person, auch wenn sein oftmals ruppiges Verhalten darüber hinweg täuschen konnte. Und er selbst wusste am besten, wie gut es war, dass er seine Geheimnisse für sich behielt. Jetzt, wo er sich nach vielen Jahren eines erfüllten und abenteuerreichen Lebens darauf vorbereitete, sich mit dem Lebensstrom zu vereinen, erlaubte er sich den Luxus, in seinen Erinnerungen zu schwelgen und jene Geheimnisse, die er so gut bewahrt hatte, vor sich selbst auszubreiten. Er hatte Shera geheiratet, obwohl er eigentlich gedacht hatte, ein eingefleischter Junggeselle zu sein. Und die Tochter, die aus dieser Verbindung entstand, war Cids Stolz und Augenstern. Sie war den Fußstapfen ihres Vaters gefolgt und Pilotin geworden, eine verdammt Gute sogar, die wenn in Rage genauso gut fluchen konnte wie Cid selbst. Shera selbst hatte Cid leider schon vor einigen Jahren zu Grabe tragen müssen. Gott, er hatte Shera wirklich geliebt, er hatte sogar eins seiner Luftschiffe nach ihr benannt. Aber sie war nicht seine erste große Liebe gewesen. Cids Gedanken kehrten noch weiter in seine Vergangenheit zurück, in eine Zeit, die so glücklich und gleichzeitig so schmerzlich gewesen war, dass er sich manchmal fragte, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn er sie ganz vergessen hätte. Aber niemand vergaß seine erste große Liebe. Er erinnerte sich noch ganz genau, wie er Bianca das erste Mal gesehen hatte. ShinRa hatte sein Weltraumprogramm gestartet, und sie war mit anderen Vertretern von ShinRa nach Rocket Town gekommen, um endlich einmal aus Midgar herauszukommen, wo sie ihr ganzes Leben zugebracht hatte. Unter all den Leuten, die sich selbst viel zu wichtig nahmen, war sie ihm sofort aufgefallen. Ihre blonden Locken und die fröhlich funkelnden blauen Augen sowie das freundliche Lächeln waren ein starker Kontrast zu den Wichtigtuern aus ShinRas Forschungsabteilung gewesen. Sie hatten sich sehr gut verstanden, trotz seines rauen Charakters und der Tatsache, dass Bianca von der obersten Plattform von Midgar stammte und damit einer Gesellschaftsschicht angehörte, zu der Cid normalerweise keinen Zugang hatte. Doch das störte sie beide nicht, sie verliebten sich ineinander. Und Cid war sich bis heute nicht sicher, ob das nun ein Fehler gewesen war oder nicht. Er und Bianca hatten sich ohne jeden Zweifel geliebt, sie waren glücklich gewesen für die wenigen Stunden, die sie unbemerkt zusammen verbringen konnten. Aber das Wissen, dass ihre Zeit zu zweit nur von kurzer Dauer sein würde, hatte wie ein Damoklesschwert über ihrem Glück gehangen. Es gab keine gemeinsame Zukunft für sie, denn Bianca war verheiratet. Die Ehe war arrangiert gewesen und hatte einen großen gesellschaftlichen Aufstieg für Bianca und ihre Familie bedeutet. Und Bianca erfüllte ihre Pflicht als Tochter eines vornehmen Hauses, sie blieb an der Seite ihres ungeliebten Ehemannes. Cid konnte es ihr nicht verübeln, auch wenn es ihm damals das Herz brach. Er wäre mit ihr ans Ende der Welt geflohen, wenn sie nur ja gesagt hätte, doch selbst er wusste damals schon, dass das Ende der Welt nicht weit genug sein würde, um ihrem Ehemann zu entfliehen. So wie die Dinge standen, befanden sie sich bereits beide in Gefahr aufgrund ihrer Affäre. Niemand legte sich mit Präsident Shinra an, und man schlief schon gar nicht ungestraft mit seiner Frau! Als Bianca zurück nach Midgar ging, verschwand sie für immer aus Cids Leben. Neun Monate später brachte sie ihren Sohn Rufus zur Welt. Cid verfolgte unauffällig aus der Ferne den weiteren Werdegang von Bianca und Rufus. Biancas Tod traf ihn wie ein Schlag in den Magen. Es war noch schlimmer als die Einstellung des Weltraumprogramms, die ShinRa später verkündete. Cid brauchte lange, um sich von beiden Schicksalsschlägen zu erholen. Jetzt am Ende seines Lebens fragte er sich, ob er vielleicht etwas an den Geschehnissen in seinem Leben hätte ändern können, wenn er etwas anders gemacht hätte. Als Biancas Ehemann Präsident Shinra von Sephiroth ermordet wurde, war ihr Sohn Rufus Präsident geworden, und er tat, was ihm beigebracht worden war – er folgte in den Fußstapfen des vorherigen Präsidenten, regierte über ShinRa wie über ein Königreich, ohne Rücksicht oder Skrupel. Cid fragte sich manchmal, ob der Junge auch so geworden wäre, wenn er ein anderes Vorbild gehabt hätte als den alten Präsident Shinra. Aber diese Frage war nun unwichtig. Weder der alte Präsident Shinra noch Rufus oder irgendjemand anderes hatten je die Wahrheit erfahren. Bianca hatte das Geheimnis mit ins Grab genommen, und Cid würde das Gleiche tun. Es war nun ohnehin zu spät. Und als das Leben aus Cids Körper wich und er sich mit dem Lebensstrom vereinte, wünschte Cid seinen Kindern alles Gute in der Welt, seiner Tochter Alina und seinem Sohn Rufus. (Anmerkung: Im Spiel FF7 ist Cid 32 Jahre alt und Rufus ist irgendwas um die 20 Jahre. Das war mir leider entfallen, als ich die oben stehende Momentaufnahme schrieb. Einigen wir uns einfach darauf, dass Cid in dieser kleinen Story älter ist – alt genug, um Rufus’ Vater zu sein.) ------------------------------------ Reeve / Rude / Telefon Rude war ein schweigsamer Mensch, der zwar durchaus die Gesellschaft anderer Menschen genoss, selbst aber nie viel sprach. Er erzählte auch nie aus seinem Privatleben, was einige Leute dazu brachte anzunehmen, er habe überhaupt kein Privatleben, sondern sei einer dieser Workaholics, die nur für ihre Arbeit lebten. Umso überraschender war es für Rude, an einem Morgen wie gewöhnlich ins Büro der Turks zu kommen und festzustellen, dass eines seiner am besten gehüteten Geheimnisse aufgeflogen war. Alle Turks wussten über seine Beziehung zu Reeve Bescheid! Rude hatte keine Ahnung, wie sie es herausbekommen hatten, dass Reeve und er ein Liebespaar waren. Als Turk hatte er viele Feinde, und um Reeve nicht zur Zielscheibe für Racheakte zu machen, die eigentlich ihm galten, hatte er stets darauf geachtet, dass sie nicht zusammen gesehen wurden. Nicht einmal den anderen Turks hatte er von Reeve erzählt. Sie hatten bis heute nicht einmal gewusst, dass er sich auch für Männer interessierte, oder dass Reeve den Annäherungsversuchen eines anderen Mannes nicht abgeneigt war. Wie also war er aufgeflogen? Hatte vielleicht Reeve einen Fehler gemacht? Aber Reeve war ein vorsichtiger Mann, der ebenfalls nie über sein Privatleben plauderte. Irgendwie konnte sich Rude nicht vorstellen, dass ihm ein solcher Fehler unterlief. Während Rude an seinem Schreibtisch saß und seine Arbeit machte, überlegte er hin und her, wie das geschehen konnte. Aber die einzigen Ergebnisse, zu denen er kam, waren, dass er immer noch keine Ahnung hatte, wie die anderen Turks es erfahren konnten, und dass er Reno zu einem Sonderkampftraining bitten würde, wenn sein Partner nicht bald aufhörte, schmutzige Zoten von sich zu geben, deren Ziel mehr oder weniger direkt Rude und Reeve waren. Selbst Elena, die schon einiges als Turk erlebt hatte, das für sittsame Augen und Ohren ganz gewiss nicht bestimmt war, trieben seine Sprüche bereits die Röte ins Gesicht. Rudes Gedanken wurden unterbrochen, als Tseng an seinen Schreibtisch trat. Für andere mochte Tseng so ernst wie immer aussehen, aber Rudes geschulter Blick bemerkte das belustigte Funkeln in seinen Augen und das leichte Zucken in seinen Mundwinkeln, das darauf hindeutete, dass er ein Lächeln oder sogar ein Lachen unterdrückte. „Rude“, begann Tseng, „als Turk musst du immer erreichbar sein. Ich muss dich daher leider daran erinnern, dass das Handy, das du bei dir trägst, immer eingeschaltet sein muss. Die einzige Ausnahme sind Einsätze, wie du sehr wohl weißt.“ „Aber ich habe mein Handy doch eingeschaltet“, antwortete Rude verwirrt. Er kannte die Regeln ganz genau und befolgte sie auch. „Ich weiß, dass dein Handy eingeschaltet ist. Ich habe die Nummer heute Morgen schon angewählt, genau wie Elena und Reno“, antwortete Tseng, und diesmal zeigte sich ein Lächeln auf seinem Gesicht. Rude dagegen war verwirrt, denn das Handy in seiner Brusttasche hatte heute noch nicht einmal geklingelt. Wie konnten seine Kameraden da mit ihm telefoniert haben? „Aber das Handy, das du bei dir trägst, ist nicht eingeschaltet“, fuhr Tseng fort. „Huh?“, kam es von Rude wenig intelligent. In diesem Augenblick öffnete sich die Tür zum Büro der Turks, und Reeve kam herein. Ein wenig zögernd durchquerte er das Büro, sich der amüsierten Blicke von Tseng, Reno und Elena wohl bewusst, die er mit seinem Auftauchen auf sich gezogen hatte. Er blieb vor Rudes Schreibtisch stehen, und nach einem kurzen Seitenblick auf Tseng legte er ein Handy vor Rude auf den Tisch und sagte: „Hallo, Rude. Du hast heute Morgen dein Handy bei mir vergessen und stattdessen aus Versehen das meine eingesteckt. Ich konnte dich leider nicht anrufen, weil mein Handy ausgeschaltet ist.“ Rude holte das Handy aus seiner Brusttasche und warf einen Blick darauf. Es war dasselbe Modell wie sein eigenes, und es war ausgeschaltet. Ohne ein weiteres Wort reichte er es Reeve, der es entgegennahm. Ihre Finger berührten sich, und war das Elena, die da im Hintergrund ein Kichern zu unterdrücken versuchte, oder doch eher Reno? Reeves Gesicht rötete sich ein wenig. „Ich sehe dich heute Mittag, okay?“, flüsterte er Rude zu. Rude nickte nur, und Reeve hatte es sehr eilig, das Büro der Turks zu verlassen. Kaum war er weg und Tseng hatte sich wieder seinen eigenen Arbeiten zugewandt, hörte Rude hinter sich Reno leise singen: „Rude und Reeve sitzen auf einem Baum…“ Diesmal kämpfte Elena vergeblich gegen ihren Lachreiz, doch Rude zeigte sich unbeeindruckt. Aber gleich nach dem Mittagessen mit Reeve würde er zu Tseng gehen und ihm vorschlagen, Reno zu einem Sondertraining einzuteilen, mit Rude als seinen Trainer. ------------------------------------ Barret / Dyne / Flüstern Seit der Zerstörung seiner Heimatstadt durch ShinRa wurde Barret von Schuldgefühlen geplagt. Sie begleiteten ihn durch sein Leben und trieben ihn erbarmungslos vorwärts. Die Schuld, ShinRas falsches Spiel nicht durchschaut zu haben, bis es zu spät war. Die Schuld, einer der wenigen Überlebenden seiner Heimatstadt gewesen zu sein, während so viele andere unverdient den Tod fanden. Die Schuld, die er fühlte, wenn Marlene ihn „Papa“ nannte, obwohl sie doch Dynes Tochter war. Die Schuld, die fast unerträglich wurde, wenn er daran dachte, dass Dyne seine Tochter nicht aufwachsen sehen würde. Er schwor sich selbst, er würde alles wieder gut machen. Er gründete Avalanche, um ShinRas böse Taten zu rächen und den Planeten zu schützen. Er kümmerte sich aufopferungsvoll um Marlene. Er half dabei, Sephiroth und ShinRa zu besiegen, und danach baute er seine Heimatstadt wieder auf. Er tat sein Bestes, um Abbitte zu leisten. Doch die Dämonen seiner Vergangenheit ließen ihn nicht in Ruhe. Selbst als er Marlene zum Traualtar führte, hörte er eine böse Stimme in seinem Herzen flüstern, dass Dyne seine Tochter ihrem künftigen Ehemann hätte übergeben sollen. Wenn Dyne damals doch nur überlebt und Barret an seiner Stelle gestorben wäre… Es sollte erst viele Jahre nach dem Sieg über Sephiroth geschehen, dass Barret hinauf in die Berge ging. Dorthin, wo sein und Dynes Lieblingsplatz gewesen war, ein Ort, von dem er seine wieder aufgebaute Heimatstadt überblicken konnte. Und während Barret auf die friedliche Stadt hinab sah, hörte er im Wind Dynes Stimme flüstern: „Ich vergebe dir.“ Und zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte Barret wieder den Frieden in seinem Herzen, den er für immer verloren geglaubt hatte. ------------------------------------ Sephiroth / Reno / Flüstern Reno rannte so schnell er nur konnte, und da er ein Turk und damit sehr trainiert war, war das verdammt schnell. Er flog förmlich über die Straße, bog haarscharf um Ecken und wich blitzschnell Passanten aus. Und während die unglücklichen Spaziergänger noch erschrocken zusammen fuhren, war er schon längst wieder verschwunden, ein blauer Schemen, dessen schnell verklingende Schritte alles waren, an das sich die Passanten erinnern konnten. Reno fühlte sich, als habe er bereits halb Midgar durchquert. Sein Herz raste, und seine Beine fühlten sich langsam immer schwerer an. Er rannte schon viel zu lange mit Höchstgeschwindigkeit, aber er wollte nicht anhalten. Es war für einen Turk ein äußerst seltenes Gefühl, das ihn vorwärts trieb. Es war Angst. Reno wäre bis ans Ende der Welt gerannt, wenn er diesem Gefühl und seiner Ursache dadurch hätte entkommen können. Aber er wusste, er konnte nicht fliehen. Nicht vor dem, was er in seinem eigenen Körper trug. Nicht vor dem, was er selbst war. Und so blieb er schließlich doch stehen, in einer engen menschenleeren Gasse irgendwo in den Slums von Midgar. Keuchend lehnte er an der Wand, und er zuckte überrascht zusammen, als sein Handy klingelte. Es war ein weiteres Zeichen, wie aufgeregt er war, denn normalerweise hätte ihn das Klingeln seines Handys nie aus der Ruhe gebracht. „Hier Reno“, meldete er sich. „Hier Tseng“, hörte er die ihm so vertraute Stimme des Anführers der Turks. Einen Moment schien Tseng zu zögern, dann fragte er: „Du klingst etwas außer Atem, Reno. Stimmt was nicht?“ Reno versuchte, seine Atmung wieder besser unter Kontrolle zu bringen. „Bin nur ein wenig gerannt, Boss. Alles Bestens.“ Er war sich nicht sicher, ob Tseng es ihm abkaufte, aber sein Boss antwortete nur: „Gut. Wir haben in einer Stunde eine Konferenz im ShinRa-Hauptquartier. Sei bitte pünktlich, der Präsident wird auch da sein.“ „Okay.“ Reno hörte das Klicken in der Leitung, nachdem er bestätigt hatte, legte ebenfalls auf und steckte sein Handy wieder weg. Sein Herzschlag war nun fast wieder normal, und zum nächsten Bahnhof war es nicht weit. Reno wandte sich zum Gehen, doch gerade als er die Gasse verlassen wollte, hörte er eine Stimme, die er für die von Sephiroth hielt, in seinem Kopf flüstern: „Du kannst nicht davon laufen, Bruder. Auch du bist eines von Jenovas Kindern.“ ------------------------------------ Reeve / Vincent / Schwerter Nach allem, was geschehen war, wunderte es Vincent nicht besonders, als Reeve zu ihm kam und ihn bat, ihm das Kämpfen beizubringen. Er war lediglich verwundert darüber, dass Reeve ausgerechnet ihn fragte, ob er sein Lehrer sein wolle. Reeve gestand ihm, dass er vorher schon andere gefragt hatte, aber sie waren entweder zu beschäftigt oder hatten über seine Frage lachen müssen. Reeve und kämpfen? Offenbar konnten sich das viele nicht vorstellen. Für sie war Reeve ein Büroangestellter im Anzug, der hinter seinem Schreibtisch saß und sich höchstens durch seine Akten kämpfte. Dass er Cait Sith gesteuert hatte, zählte für viele nicht so sehr. Immerhin hatte er Cait Sith aus der Ferne gesteuert, riskierte also beim Kämpfen keine Verletzungen an sich selbst oder gar den Tod. Vincent sah das anders. Reeve hatte viel riskiert und sich gegen ShinRa gestellt, obwohl er vom Kämpfen nicht viel Ahnung hatte. Er hatte sich auf andere Fähigkeiten verlassen. Anstelle von Kraft hatte er seine Intelligenz benutzt. Und er war ein äußerst nützliches Mitglied ihrer Gruppe geworden. Aber als Kadaj und seine beiden Brüder auftauchten, war Reeve wieder schutzlos gewesen. Er hatte Cait Sith reaktivieren müssen, um sich selbst und andere zu schützen. Es war verständlich, dass Reeve nach diesen Erfahrungen lernen wollte, wie er sich auch ohne Cait Sith wehren konnte. Denn wenn der Angreifer erst einmal im selben Raum war wie Reeve, dann würde ihm Cait Sith als ferngesteuerte Waffe unter Umständen auch nicht mehr helfen können. Vincent begann also, Reeve zu trainieren, und wie er es bereits vermutet hatte, wurde er nicht enttäuscht. Reeve hatte einen eisernen Willen, und was ihm an Kraft fehlte, glich er durch Entschlossenheit aus. Was Vincent jedoch überraschte, war die Wahl seiner Waffen. Reeve wählte keine Schusswaffe, die eigentlich für ihn die offensichtlichste Wahl gewesen wäre. Er wählte für sich eine weit ältere, traditionsreichere Waffe, deren Umgang sowohl Präzision als auch Körperbeherrschung und damit viel Übung erforderte. Und wieder enttäuschte er Vincent nicht. Innerhalb eines Jahres führte er seine Waffen mit sicherem Griff durch die Übungen seines Trainers, seine Bewegungen elegant und selbstsicher, die Samuraischwerter, das lange Katana und das kleinere Wakizashi, fest in den Händen haltend. ------------------------------------ Reno / Zack / Tempel Reno fluchte, als er durch die endlos erscheinenden Gänge des Tempels rannte. Die Turks hatten den verletzten Tseng aus dem Tempel geborgen, und während Rude und Elena ihren Anführer wegbrachten, war Reno allein in den Tempel eingedrungen, um Clouds Gruppe zu verfolgen. Das war ein Fehler gewesen, wie Reno sich nun eingestehen musste. Zwar hatte er in Erfahrung bringen können, dass die schwarze Materia sich wohl irgendwo im Tempel befand, aber um sie zu erhalten, musste der Tempel und alles, was sich darin aufhielt, zerstört werden. Und Clouds Gruppe war gerade dabei, das zu tun. Nur Schade, dass sie nicht wussten, dass sich noch jemand im Tempel aufhielt, und dieser jemand war Reno. Der Tempel erbebte erneut, und fast hätte Reno sein Gleichgewicht verloren. Er bemühte sich, noch schneller zu rennen. Doch selbst seine Schnelligkeit würde ihn nicht retten, falls er nicht bald einen Ausgang fand. Aber egal wohin sich Reno wandte, die Gänge um ihn herum sahen alle gleich aus, und die Räume, die er betrat, führten nur zu noch mehr Gängen. So langsam fragte sich Reno, ob dieser Tempel sein Grab werden würde. Er schüttelte über sich selbst den Kopf und verdrängte diesen Gedanken. Er war nicht der Typ, der jemals aufgab, und er würde sich auch diesmal nicht unterkriegen lassen. Wieder kam er in einen Raum mit unzähligen Gängen, die hinausführten. Welchen sollte er nehmen? Sein Leben hing davon ab! „Hey!“ Der Ruf kam plötzlich und völlig unerwartet. Reno sah überrascht in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. Für einen Moment sah er in einem der Gänge eine Gestalt stehen, gekleidet in die Uniform eines SOLDIERS von ShinRa, blaue Augen, die in ihren Tiefen ein vergnügtes Funkeln bargen, und rabenschwarzes Haar. ‚Zack?!’ Der Name durchfuhr Reno wie ein Blitz. Doch bevor er den Mann im Zwielicht des Ganges richtig sehen konnte, wandte dieser sich ab und verschwand in dem Gang. Reno machte ein paar zögernde Schritte, dann rannte er los, genau in den Gang, in dem der Mann, der Zack so ähnlich sah, verschwunden war. Renos Verstand sagte ihm, dass es unmöglich war, dass dies nicht sein einstiger Freund Zack sein konnte. Reno hatte Zack gut gekannt, aber Zack war tot, getötet von ShinRa. Vielleicht hatte er Halluzinationen. Aber spielte es wirklich eine Rolle? Dieser Gang war so gut wie jeder andere. Vor sich sah Reno eine Gabelung auftauchen, und wieder stand dort dieser Mann – und ja, es war tatsächlich Zack! – und bog seelenruhig nach rechts ein. Und Reno folgte ihm. Er folgte diesem Mann, um ihn einzuholen, um ihn zu fragen, ob er wirklich Zack war. Aber egal wie schnell er rannte, er war nicht schnell genug. Obwohl Zack sich gar nicht zu beeilen schien, war er immer weit vor Reno, gerade so weit entfernt, dass Reno sehen konnte, wo Zack entlangging, und ihm folgen konnte. Und dann stand Reno in einem großen Raum, und nirgends war ein Gang oder Zack zu sehen. „Reno.“ Reno hob den Kopf, und da war Zack. Er stand in einer Öffnung in der Wand gut vier Meter über dem Boden, die Reno zuerst nicht gesehen hatte, und schien auf ihn zu warten. Hinter Zacks Gestalt fiel Sonnenlicht in den Raum, es war ein Ausgang aus dem Tempel. Zack lächelte Reno an, und dann trat er hinaus und verschwand aus Renos Sicht. Reno rannte zu der Öffnung. Gleich unter ihr waren in einer Art primitiver Leiter Stufen aus der Wand geschlagen worden. Reno kletterte hinauf und stand im Freien. Hinter ihm erzitterte und bebte der Tempel wie ein riesiges Tier im Todeskampf. Reno rannte weiter in den Wald hinein, um sich im Schutz der Bäume erst einmal zu verbergen. Aber auf dem Weg dorthin und während er sich in den Schutz eines großen Baumes duckte, suchten seine Augen ununterbrochen nach Zack. Doch sein Freund war nirgendwo zu entdecken. Er war tot, erinnerte sich Reno, tot und begraben. Reno rutschte mit dem Rücken am Stamm des Baumes nach unten, bis er auf dem Boden saß, und richtete seinen Blick zum Blätterdach weit über ihm. „Danke, Zack“, flüsterte er. ------------------------------------ Rufus / Reno / Reißverschluss Rude schritt durch die Gänge des ShinRa-Gebäudes auf der Suche nach Rufus Shinra. Im Festsaal fand eine Party statt, und als Gastgeber sollte Rufus eigentlich nicht fehlen. Doch der junge Präsident war schon seit einer Weile abwesend, lange genug, um Tseng zu veranlassen, Rude loszuschicken, um nach dem Rechten zu sehen. Und wenn Rude es so überdachte, seinen Partner Reno hatte er auch schon seit einiger Zeit nicht mehr gesehen. Als er sich im oberen Stockwerk, wo sich nur wenige Leute hinverirrten, befand, hörte er Stimmen, die ihm vertraut waren. Er ging noch ein paar Meter den Gang hinunter, bis er vor der Tür der Herrentoilette anhielt. Jetzt hörte er eine der Stimmen ganz deutlich, und es war Präsident Rufus Shinra: „Wenn du es auch nicht kannst, dann lass es mich lieber wieder machen.“ „Unsinn, natürlich kann ich es. Halt nur still, ich hab’ es sicher gleich.“ Das war ohne Zweifel Reno. Rude wollte schon die Hand heben und an die Türe klopfen, als ihn die nächsten Worte inne halten ließen. „Sei gefälligst vorsichtig da unten. Du klemmst mir noch mein edelstes Teil ein.“ „Der Präsident als Kastrat. Autsch! War doch nur ein Witz, Boss. Kein Grund, mir eine Kopfnuss zu verpassen.“ „Wenn du noch lange mit meinem Reißverschluss herumhantierst, wird Tseng uns noch vermissen. Glaubst du, ich will in der Toilette mit dir erwischt werden?“ „Ich hab’s gleich, Boss. Ehrenwort. Aber das ist ja wirklich ein widerspenstiges kleines Ding.“ Rude debattierte kurzfristig mit sich selbst, ob er die Tür öffnen sollte oder besser nicht, entschied sich dann aber doch für Ersteres. Mit einem etwas flauen Gefühl im Magen drückte er die Türklinge nach unten und gab der Tür einen leichten Stoß. Langsam schwang die Tür nach innen und gab den Blick auf Rufus Shinra frei, der mit weit aufgerissenen Augen und einem blassen Gesicht die Gestalt von Rude in der Türöffnung anstarrte. Vor dem Präsidenten kniete Reno, beide Hände am offenen Reißverschluss von Rufus’ Hose. Auch er starrte Rude an, und sein Gesichtsausdruck war praktisch identisch mit dem von Rufus. Rude trat ein, schloss die Tür hinter sich und blieb unbewegt und mit stoischem Gesichtsausdruck vor den beiden jungen Männern stehen. Trotz Renos Turk-Training war es der Präsident, der als Erster die Fassung zurück gewann. Sein Mund schloss sich ein-, zweimal, ohne dass ein Laut herauskam, und eine leichte Röte überzog sein zuvor so blasses Gesicht, dann sagte er: „Es ist nicht das, wonach es aussieht.“ „Kein Witz!“, platzte es aus Reno heraus, dessen Wangen inzwischen fast so rot wie seine Haare waren. „Der blöde Reißverschluss hat sich verhakt.“ Und damit widmete er sich wieder seiner vorherigen Aufgabe, nämlich zu versuchen, den Reißverschluss wieder zu lösen. Rufus hatte mittlerweile die Augen geschlossen, um nicht mehr sehen zu müssen, wie Rude vor der Tür stand und ihnen zusah. Seine Stimme klang etwas gepresst, als er sagte: „Vielleicht sollte ich es doch lieber alleine machen.“ „Ich sage dir, ich habe es gleich. Ich muss hier nur ein wenig zerren, und mit sanfter Gewalt…“ Ratsch! Das kurze, aber überraschend laute Geräusch von reißendem Stoff veranlasste Rufus, seine Augen wieder zu öffnen. „Du hast es also gleich, ja? Das sehe ich.“ Rufus betrachtete mit einer Mischung aus Verärgerung und Verzweiflung seinen nun kaputten Reißverschluss, der sich mit Sicherheit nicht mehr schließen lassen würde. „Verdammter Mist.“ Renos Fluch fehlte das übliche Feuer, er wirkte eher niedergeschlagen. Ohne ein weiteres Wort zog Rufus seinen Hosenbund ein Stückchen höher und knöpfte dann sein Jackett ordentlich zu. Wenn er stillstand, sah man den kaputten Reißverschluss an seiner Hose nicht, doch sowohl Rufus wie auch die beiden Turks wussten, wenn sich der Präsident bewegte, würde sich über kurz oder lang der Schaden nicht länger verbergen lassen. Rufus richtete seinen Blick auf die beiden Turks. „So, und wer von euch rennt jetzt los und holt mir schnellstmöglich eine neue Hose aus meinem Schrank?“ „Das mache ich, Boss. Ich bin am Schnellsten“, antwortete Reno und wandte sich zum Gehen. „Und was hast du hier eigentlich zu suchen, Rude?“, fragte Rufus, und Reno verhielt für einen Moment, um die Antwort seines Partners zu hören. „Tseng hat mich auf die Suche nach Ihnen gesandt, Präsident Shinra. Ihre Gäste vermissen Sie bereits.“ Reno stöhnte leise und drückte sich so schnell wie möglich an Rude vorbei zur Tür hinaus, um Rufus eine neue Hose zu holen. Der Präsident atmete einmal tief ein und aus, dann wandte er sich mit strengem Blick an Rude: „Kein Wort davon zu Tseng, verstanden? Oder zu sonst irgendjemandem.“ „Sehr wohl, Sir“, antwortete Rude, ohne sich seine Belustigung auch nur im Geringsten anmerken zu lassen. ------------------------------------ Barret / Präsident Shinra / Vergangenheit Als Barret noch ein Kind war, hatte seine Familie einmal Urlaub in Costa del Sol gemacht. Costa del Sol war damals schon ein typischer Urlaubsort gewesen, aber noch nicht so teuer, und da die Stadt auf der anderen Seite des Gebirges lag, auch nicht gar zu weit weg von seiner Heimatstadt. Allerdings waren sie außerhalb der normalen Urlaubssaison dort, und es gab kaum andere Kinder in Barrets Alter. Er war damals erst sieben oder acht Jahre alt gewesen. Nur ein einziger anderer Junge, wenn auch einige Jahre älter als Barret, war noch in Costa del Sol, ansonsten schien es nur Erwachsene oder Mädchen zu geben. Barret fand die Erwachsenen langweilig und die Mädchen doof. Der andere Junge war zwar um einiges älter als er, schien aber noch am interessantesten von allen Leuten hier zu sein. Aber Barret traute sich nicht so recht, ihn anzusprechen. Dieser Junge war offenbar reich. Er trug vornehme Kleidung und wohnte in einer großen Villa. Und sein Benehmen wirkte arrogant, was Barret einschüchterte. Also spielte er allein, auch wenn er sich ab und zu fragte, ob der andere Junge wohl Spaß daran hätte, zusammen mit ihm Sandburgen zu bauen oder Muscheln zu suchen. Barret spielte wieder einmal allein am Strand. Er hatte sich von dem durch Touristen und Einheimische benutzten Teil des Strandes ein wenig zurückgezogen, weil dort so viele Mädchen herumrannten, und er wollte nicht gefragt werden, ob er mit ihnen und ihren Puppen spielen wollte. Seine Eltern würden es fertigbringen und für ihn ja sagen. Stattdessen spielte er auf einigen Felsen, die ins Meer hineinragten. Dort war er noch in Sichtweite seiner am Strand ruhenden Eltern, aber trotzdem für sich. Barret beugte sich über den Felsenrand, um ins Wasser sehen zu können. Er konnte bis auf den Grund sehen, und dort lag eine so schöne Muschel. Aber das Meer war hier tief, bestimmt fast zwei Meter. Barret beugte sich noch ein wenig weiter vor, um zu sehen, ob es nicht doch eine Möglichkeit gab, an die Muschel zu kommen. Seine Mutter würde sich bestimmt freuen, wenn er ihr die Muschel brachte. Der Felsenrand war mit Algen bewachsen und wurde von Meereswellen umspült. Er war glitschig und nicht dafür geeignet, einem kleinen Jungen halt zu geben. Barret fühlte, wie er rutschte, und versuchte, sich noch irgendwo festzuhalten. Aber es war schon zu spät. Sein kleiner Körper verlor den Halt, und mit einem erschrockenen Schrei stürzte er kopfüber in das für ihn viel zu tiefe Wasser. Und Barret konnte nicht schwimmen! Wild schlugen seine kleinen Arme und Beine um sich. Sein Körper drehte sich im Wasser, bis er nicht mehr wusste, wo oben und unten war. Er brauchte Luft, er hatte Angst! Irgendetwas Großes schlug neben Barret ins Wasser ein, und Barret öffnete den Mund, um vor Angst zu schreien. Das Meerwasser drang erbarmungslos ein, brachte keine Atemluft, nur den Geschmack nach Algen und Salz. Barrets Bewegungen wurden schon schwächer, da packten ihn zwei Arme um die Mitte und zogen ihn nach oben. Sein Kopf durchbrach die Wasseroberfläche, und Barrets Körper versuchte zur gleichen Zeit, das Salzwasser aus seinem Mund zu würgen und Luft zu holen. Jemand zog ihn mit sich auf die Felsen hinauf und hielt ihn fest. Barret zog hastig Luft in seine Lungen, und als er sich wieder einigermaßen erholt hatte, blickte er zu seinem Retter, der nun neben ihm auf dem Felsen saß. Es war der blonde Junge, den er sich nicht getraut hatte anzusprechen. Sein teurer Anzug war durch das Salzwasser ruiniert, und aus der Nähe betrachtet schien er sogar noch ein wenig älter zu sein als Barret ihn geschätzt hatte. Eigentlich kein Junge mehr, sondern ein junger Mann. Aber er grinste Barret fast schon ein wenig vergnügt an. Vielleicht war er froh, dass Barret nichts passiert zu sein schien, vielleicht war er stolz darauf, ihn gerettet zu haben, oder es war eine Mischung aus beidem. Jedenfalls wirkte er jetzt nicht mehr so arrogant. „Warum spielst du denn so nah am Wasser, wenn du nicht schwimmen kannst?“, fragte er. „Da ist so eine schöne Muschel…“, begann Barret, brach dann aber ab. Plötzlich kam er sich unglaublich dumm vor. Wegen einer albernen Muschel war er ins Wasser gefallen, und der andere Junge hatte Recht, Barret konnte nicht schwimmen. Der blonde Junge sah hinab ins Wasser, dann sprang er plötzlich wieder hinein. Sein Kopf tauchte unter, und für einen Moment durchfuhr Barret ein furchtbarer Schreck, war sein eigenes schreckliches Erlebnis mit dem Wasser doch erst wenige Momente her. Aber der andere tauchte schon wenige Sekunden später wieder auf, die schöne Muschel, die für den ganzen Ärger mitverantwortlich war, in seiner Hand haltend. Er reichte sie Barret. „Hier, bevor du deswegen noch einmal ins Wasser fällst“, meinte er lachend. Barret nahm die Muschel, und ein nach dem Schrecken der letzten Minuten etwas zögerliches Lächeln zeigte sich auf seinem Gesicht. „Vielen Dank. Ich heiße übrigens Barret“, stellte er sich vor. „Mein Name ist Robert“, erwiderte sein Retter. Es war der Beginn einer Freundschaft zwischen zwei völlig unterschiedlichen Menschen. Robert war reich, und er war auch recht arrogant. Aber er war sich nicht zu fein, sich mit Barret zu treffen und mit ihm Muscheln zu suchen oder Sandburgen zu bauen. Er brachte Barret sogar das Schwimmen bei. Dennoch war zumindest Robert von Anfang an klar, dass diese Freundschaft nur einen einzigen Sommerurlaub anhalten würde. Als Barret mit seinen Eltern zurück nach Hause musste, winkte er Robert zum Abschied noch zu. Aber es war ihm nie in den Sinn gekommen, seinen Freund nach seinem vollständigen Namen zu fragen. Er war ein Kind, an solche Dinge dachte er nicht. Und Robert war zu realistisch, um sich des Altersunterschiedes und auch der sozialen Unterschiede zwischen ihnen nicht bewusst zu sein. Er fragte Barret nie nach seinem vollständigen Namen oder woher er kam. Aber es war ein schöner Sommerurlaub gewesen, das musste sich Robert Shinra lächelnd eingestehen, als er einige Tage später zurück nach Midgar reiste. Jahre später dachten beide nicht mehr an jenen Sommerurlaub und ihren für eine kurze, aber schöne Zeit gefundenen Freund. Dieser Urlaub unter der strahlenden Sonne am Strand von Costa del Sol gehörte schon lange der Vergangenheit an. Und als Barret Wallace, der Gründer von Avalanche, und Robert Shinra, der Präsident der ShinRa Corporation, ihren Kampf miteinander begannen, erkannten sie einander nicht wieder. Die Welt hatte sich verändert, und sie sich mit ihr. ------------------------------------ Rude / Yazoo / Alptraum „Einer ist entkommen.“ Tsengs Stimme, die über Funk leicht verzerrt klang, veranlasste Reno und Rude, von den Steinen, auf denen sie gesessen hatten, aufzuspringen und aus dem Hauseingang des zerstörten Hauses in den Slums von Midgar in den Regen zu starren. „Aber Boss, wir haben doch gesehen, wie Cloud diesen Typen den Rest gegeben hat“, argumentierte Reno über sein Handy, aber entgegen seiner Worte hielt er wachsam Ausschau nach der Gefahr, sein Elektroschockstab einsatzbereit in seiner Hand. Rude konnte jedes Wort über den Lautsprecher des kleinen aber leistungsstarken Handys von Reno mithören, als Tseng erwiderte: „Das war leider ein Irrtum. Der Langhaarige von den Dreien, dieser Yazoo, ist entkommen, und er erholt sich zusehends von seinen Verletzungen. Elena und ich haben ihn gesehen und sind ihm gefolgt. Wir sind im alten Miller-Tunnel, ganz in der Nähe von eurer Position. Ich denke, er versteckt sich hier irgendwo. Ihr kommt besser her. Ich möchte kein Risiko eingehen. Er könnte… Einen Moment mal. Elena? Was ist los?... Elena?... Nein… Elena!“ Tsengs Ruf war noch nicht verklungen, da hatten sich Reno und Rude schon in Bewegung gesetzt und rannten so schnell sie konnten durch den Regen zum alten Miller-Tunnel. „Tseng! Was ist passiert? Melde dich!“, rief Reno in sein Handy, aber niemand antwortete ihm. Die Verbindung schien plötzlich unterbrochen worden zu sein. Reno fluchte und steckte sein Handy weg. Die Entfernung zum Miller-Tunnel betrug etwa einen Kilometer, eigentlich nicht sehr weit, doch in den zerstörten Slums lagen überall Schutt und Geröll auf den Straßen, so dass die beiden Turks langsamer vorankamen als ihnen lieb war. Aber selbst wenn der Weg völlig frei gewesen wäre und sie ein Auto gehabt hätten, so dachte Rude, wäre ihnen das noch zu langsam gewesen. Trotzdem erreichten sie den Tunneleingang in Rekordzeit. Die Sorge um Elena und Tseng trieb sie an. Immerhin waren die Turks ein Team und hielten zusammen. Ein Turk konnte sich nur auf einen Turk wirklich verlassen, außerhalb ihrer Gruppe gab es nicht wirklich jemanden, der einem Turk vertrauen oder ihm gar helfen würde. Sie betraten den Tunnel kampfbereit. Ihre Augen brauchten einige Minuten, um sich an das Zwielicht im Tunnel zu gewöhnen. Obwohl der Tunnel halb zerstört war und überall Löcher in der Decke und den Wänden aufwies, fiel nur wenig Licht herein, denn draußen regnete es noch immer in Strömen, und der Himmel war dementsprechend wolkenverhangen. Als sich ihre Sicht endlich den neuen Lichtverhältnissen angepasst hatte, sahen sie weiter vor sich im Tunnel eine Gestalt liegen. „Oh, nein“, flüsterte Reno. Vorsichtig näherten sie sich dem reglosen Körper, der mit dem Gesicht voran über einem Haufen Steine lag. Es war Tseng. Die Steine unter seinem Körper hatten sich von seinem Blut rot gefärbt. Direkt über ihm war ein Loch in der Tunneldecke, durch das der Regen fiel. Die Tropfen prasselten auf Tsengs Rücken hinunter, flossen über die Steine und sammelten sich um seinen Körper herum in einer großen Lache, deren vorher klares Wasser nun durch das mit dem neuen Wasser kommende Blut verunreinigt wurde. Rude trat näher heran. Er fühlte sich, als würde er sich in einem bösen Traum bewegen. Sorgsam musterte er das Bild vor sich, aber er konnte kaum glauben, was er sah. Er streckte die Hand aus und versuchte, am Hals von Tseng einen Puls zu fühlen, doch da war nichts. Tseng war tot. Rudes Blick fiel auf Tsengs Arme, die er vor sich ausgestreckt hatte, so als wollte er seinen Sturz abfangen. Am rechten Arm war die Hand sauber abgetrennt. Nur noch ein blutiger Stumpf hing hinunter in die Wasserlache. Rude sah sich um und entdeckte Tsengs Hand etwa zwei Meter entfernt auf dem Boden. Die Finger umfassten noch immer den Griff von Tsengs Schusswaffe. Es sah fast aus wie ein geschmackloser Scherzartikel. „Hey, Rude!“, erklang Renos Stimme weiter weg im Tunnel. Rude zuckte zusammen und wandte sich blitzschnell wieder dem Tunnel zu. Er hatte nicht einmal gemerkt, dass sich Reno von ihm entfernt hatte. Diese Unaufmerksamkeit war sehr leichtsinnig von ihm. Schnell schritt er in die Richtung von Renos Stimme. Für Tseng konnte er nichts mehr tun. Erneut erklang Renos Stimme, und er schien sehr aufgeregt zu sein: „Ich habe Elena gefunden. Sie ist tot. Sie – Yaaargh!“ Renos Schrei verstummte abrupt in einem schrecklich anzuhörenden Gurgeln. Rude rannte los. Er konnte nur hoffen, dass er nicht zu spät kam. Vor sich sah er Reno aus den Schatten taumeln, und für einen Moment machte sich Erleichterung in seinem Herzen breit – eine Erleichterung, die jäh erlosch. Reno hob mit letzter Kraft den Kopf, und Rude sah Blut überall an seinem Hals und an seinem einstmals weißen Hemd. Reno öffnete den Mund, um ihm etwas zu sagen, aber nur weiteres Blut kam zwischen seinen Lippen hervorgeflossen wie in einer Art grotesken Fontäne. Dann knickten Renos Beine ein. Sein Körper fiel zu Boden und blieb reglos liegen. Die Auswirkungen eines Schocks begannen, von Rude Besitz zu ergreifen. Er hatte das Gefühl, alles durch die Augen eines anderen zu sehen. Sein Körper bewegte sich wie ferngesteuert. Die Szene vor ihm war so alptraumhaft und wirkte irgendwie unwirklich. Das konnte doch alles gar nicht wahr sein, oder? Rude starrte auf seinen toten Partner hinunter, seinen Freund, dann hob er den Blick und sah in die Richtung, aus der Reno gekommen war. Sein Verstand weigerte sich zuerst zur Kenntnis zu nehmen, was dort lag. Es war ein Kopf. Der abgetrennte Kopf von Elena. Ihre blonden Locken umspielten das nun geisterhaft blasse Gesicht, und trübe Augen blickten für immer blind in seine Richtung. Rude stand wie zur Salzsäule erstarrt da. Er hatte jegliches Zeitgefühl verloren und wusste daher nicht, wie lange er so stand. Aber ein Geräusch hinter ihm riss ihn aus seiner Lähmung. Er fuhr herum und sah nun vor sich schwarzes Leder, unheilvoll leuchtende grüne Augen und silberweißes langes Haar. Yazoo stand vor ihm, sein Schwert, dessen Klinge selbst im Halbdunkel gefährlich aufblitzte, hoch über seinen Kopf erhoben. Die Klinge sauste herab, geführt von seinen kraftvollen Armen, direkt auf Rudes ungeschützten Kopf. Rude öffnete den Mund zu einem Schrei und… …setzte sich schweißnass und mit panisch klopfendem Herzen abrupt in seinem Bett auf. Ein gehetzter Blick stand in seinen Augen, und sein Atem ging nur stoßweise, als er sich hektisch umsah. „Hey, Mann, was is’n los?“, murmelte eine schlaftrunkene Stimme zu seiner Linken, und Rude sah hinüber zu dem Bett, in dem Reno nun den Kopf hob, um mit noch immer halbgeschlossenen Augen und überhaupt noch halb im Tiefschlaf steckend zu ihm herüber zu sehen. „Nichts, Reno. Schlaf weiter“, sagte Rude leise. „Hmhm“, kam es von Reno. Er drehte sich auf die andere Seite und war sofort wieder eingeschlafen. Rude sah sich im Zimmer um. Er war jetzt schon ruhiger, obwohl sein Herz immer noch recht schnell klopfte. Das Zimmer war so wie immer. Vier Betten in einem ansonsten kargen Raum mit einer Tür und einem Fenster – die provisorische Unterkunft der Turks, bis sie was Besseres finden konnten. In einem der Betten lag er selbst, in den anderen schliefen Reno und Elena. Nur Tsengs Bett war leer, er hatte Nachtdienst. Rude stand leise auf, um seine beiden Kameraden nicht zu wecken, und trat ans Fenster. Es war immer noch tiefe Nacht über Midgar, aber schräg gegenüber konnte Rude durch erleuchtete Fenster direkt in Tsengs derzeitiges Büro sehen. Der Anführer der Turks schien zu spüren, dass ihn jemand beobachtete, denn er hob den Blick von seinen Akten und sah direkt in Rudes Richtung. Als er seinen untergebenen Turk sah, lächelte er und hob die Hand zu einem kurzen Gruß. Rude erwiderte den Gruß und wandte sich dann ab, um sich wieder in sein Bett zu legen. Er hatte nur einen Alptraum gehabt, es war nur ein schlimmer Traum. Bei der Erinnerung daran fröstelte er und zog sich seine Bettdecke fast bis über den Kopf. Er hoffte, dass er diesen Alptraum möglichst schnell wieder vergessen würde. ------------------------------------ Ende Kapitel 5: Jetzt sind es fünfzig... ----------------------------------- Titel: Momentaufnahmen Autorin: Cat in the web Fandom: Final Fantasy 7 Disclaimer: Ich habe keinerlei Rechte an Final Fantasy VII. Ich bin nur ein Fan, der sich die Charaktere kurz ausgeliehen hat, um ein paar kleine Geschichten zu schreiben. Und natürlich mache ich kein Geld damit. ------------------------------------ Hojo / Cloud / Held Hojo taumelte unter dem letzten Schlag. Er öffnete den Mund, doch anstelle eines Schmerzenslautes war ein schrilles Lachen zu hören, das seinen Angreifern einen eiskalten Schauder über den Rücken jagte. Hojo wusste, dass seine Verletzungen für einen Menschen tödlich waren, und dass Clouds kleine Gruppe erwartete, dass er zu Boden ging, aber diesen Gefallen konnte er ihnen leider nicht tun. Er schloss die Augen und fühlte, wie eine fremde Energie sich in seinem Körper ausbreitete und sich jeder einzelnen Zelle bemächtigte, sie nach ihren eigenen Vorstellungen veränderte und entmenschlichte. Ein kleiner Teil von Hojos Persönlichkeit, der sich verzweifelt an seine Menschlichkeit klammerte, war entsetzt, aber Hojo zwang sich, diesen Teil von sich selbst zu ignorieren und die ganze Situation durch die Augen eines Wissenschaftlers zu betrachten. Es war seine wissenschaftliche Neugier gewesen, die ihn dazu brachte, Selbstversuche mit Jenova an sich vorzunehmen. Er hatte zu spät erkannt, dass Jenova sich wie ein Krebsgeschwür durch Zellen fraß und die Kontrolle über den Organismus an sich riss. Er hatte Jenova nicht widerstehen können, und nur durch seine rein wissenschaftliche Perspektive allem gegenüber, auch anderen Menschen, war es ihm gelungen, einen kleinen Teil von sich selbst vor Jenovas Zugriff zu retten und diesen tief in sich zu verbergen. Doch jetzt gab es keine Rettung mehr vor Jenova. Hojo fühlte, wie Jenova seinen ganzen Körper ihrem Willen unterwarf, wie sich seine Gliedmaßen zu verformen begannen und sich aufblähten. Sein Bewusstsein schwand, verdrängt von Jenovas unbändigem und bösartigem Willen, und das Letzte, was er wahrnahm, war ihr Triumphgeheul. Schmerz, wie er ihn noch nie zuvor gefühlt hatte, brachte Hojos Wahrnehmung zurück zu seinem deformierten Körper. Jenovas Wutgeschrei war ohrenbetäubend, aber Hojo hätte gelächelt, wenn er es noch gekonnt hätte. Jenova hatte Hojo besiegen können, doch mit ihren Angreifern war ihr das nicht gelungen, und nun würde sie gezwungen sein, auch Hojo gehen zu lassen, denn dieser Körper lag im Todeskampf, und Hojos Seele würde in Kürze zum Planeten zurückkehren. Jenova konnte ihm dorthin nicht folgen. Hojo blickte noch ein letztes Mal auf und sah an der Spitze seiner Angreifer jenen Mann stehen, auf den er so große Hoffnungen gesetzt hatte, die letzten Endes auch erfüllt worden waren. Cloud hatte Jenova widerstanden, und Cloud hatte ihn von ihrem Fluch befreit. Und nun würde er sich auf den Weg machen, auch Hojos Sohn zu befreien. Für Hojo war Cloud ein Held. Und als die Welt um Hojo herum langsam in Dunkelheit verschwand, die auch die Schmerzen von ihm nahm, hörte er eine warme, sanfte Stimme nach ihm rufen. ‚Komm nach Hause’, sagte sie, und Hojo folgte willig ihrem Ruf. ------------------------------------ Reeve / Tseng / kalt Es war eine dieser informellen Partys im ShinRa-Hauptquartier, bei denen Tseng immer irgendwann bereute, dass er überhaupt hingegangen war. Es war nicht so, dass er sich nicht amüsierte. Zwar verhielten sich die anderen Gäste, die durchweg nur ShinRa-Angestellte waren, am Anfang immer ein wenig ängstlich gegenüber den Turks, aber das gab sich im Laufe des Abends. Eine gute Stimmung und Alkohol trugen zu einer entspannten Atmosphäre bei. Und nicht zuletzt auch Reno. Der rothaarige Turk war eine Stimmungskanone. Je später der Abend und je höher sein Alkoholspiegel, desto ausgelassener wurde Renos Verhalten. Für gewöhnlich war genau das der Grund, warum Tseng seine Anwesenheit auf diesen Partys irgendwann bereute. Auch diese Party sollte keine Ausnahme sein. Es war schon spät am Abend, und viele der Gäste hatten sich bereits verabschiedet. Nur der harte Kern der Partylöwen, mit Reno im Zentrum, war noch kräftig am feiern. Vereinzelt hockten ein paar müde Gäste auf den Sofas, die das Spektakel, welches Reno aus sich machte, amüsiert verfolgten. Rude saß schweigend in einem Sessel und schien darauf zu warten, dass sein Partner Reno seinem Alkoholkonsum erlag und umgibte, damit er ihn nach Hause tragen konnte. Ein paar Meter weiter saß Reeve. Er hatte sich zusammen gekauert und schien zu frieren. Das überraschte Tseng ein wenig, denn eigentlich war es im Raum ziemlich warm. Aber vielleicht war Reeve auch einfach nur übermüdet. Immerhin war es kurz vor Mitternacht. Tseng stand auf. Wie die meisten musste er morgen wieder zum Dienst antreten, und da es bereits so spät war, wurde es höchste Zeit zu gehen. Er hatte noch nicht einmal die Hälfte des Weges zur Tür hinter sich gebracht, als die Zeiger der Uhr im Raum auf Mitternacht sprangen, und Reno wie aufs Stichwort aus vollem Halse schrie: „Mitternacht! Zeit für eine Herausforderung, um den neuen Tag mit einer mutigen Tat zu begrüßen! Tseng! Bleib hier und sei ein Mann! Ich fordere dich heraus!“ Tseng unterdrückte ein Stöhnen. Er hatte ursprünglich gehofft, Reno würde durch den vielen Alkohol einschlafen, bevor er Tseng in irgendeine seiner verrückten Ideen integrieren konnte, aber leider erfüllte sich diese Hoffnung nicht. Nun würde er sich einem betrunkenen und völlig überdrehten Reno entgegen stellen müssen. Langsam drehte sich Tseng zu Reno um und sagte mit einem warnenden Unterton in der Stimme: „Waffen oder Fäuste, Reno? Wie hättest du es denn gerne?“ Einige Gäste schluckten schwer, als sie Tsengs Stimme hörten. Die Warnung war eindeutig, aber Reno blieb davon absolut unbeeindruckt. Er galt nicht umsonst sogar unter den Turks als furchtlos, obwohl Tseng auch noch das Wort ‚verrückt’ zu Renos hervorstechenden Eigenschaften hinzugefügt hätte. Reno wedelte nur großspurig mit einer Hand, was ihn gefährlich ins Wanken brachte, und erwiderte: „Tseng, du Huhn, ein Kampf ist doch keine Herausforderung für dich. Nein, es muss was sein, was du normalerweise nie machen würdest. Irgendwas großes, irgendwas…“ Renos Blick glitt durch den Raum und blieb dann an etwas in unmittelbarer Nähe zu Tseng hängen, oder besser gesagt an jemandem. „Aha!“, rief er triumphierend und deutete auf die Person, die auf einem Sofa zwei Meter neben Tseng hockte und sich zusammen gekauert hatte, als betete sie, von Reno übersehen zu werden. Oder vielleicht war ihm auch nur kalt, oder er war müde, denn es handelte sich um Reeve. „Tseng, ich fordere dich heraus!“, rief Reno erneut. „Und zwar sollst du Reeve einen Kuss geben, aber einen Richtigen mitten auf den Mund!“ „Was!?“, brauste Tseng auf, und neben sich hörte er Reeve protestieren: „Davon rate ich dringend ab!“ „Was ist denn? Ich dachte immer, der Anführer der Turks wäre ein Vorbild an Tapferkeit und Kühnheit und ginge keiner Herausforderung aus dem Weg. Oder sollte das übertrieben sein? Tseng, du Hühnchen!“, stichelte Reno. Tseng schnaubte vor Wut. Das würde Reno ihm noch büßen. Aber alle Augen im Raum ruhten jetzt auf Tseng, und jeder hatte Renos Herausforderung gehört. Vielleicht war es tatsächlich die Sorge um seine Ehre, vielleicht war es der Alkohol in seinem eigenen Blut, aber Tseng drehte sich zu Reeve, überwand die Entfernung zwischen ihnen mit zwei großen Schritten und packte ihn an den Oberarmen, um ihn zu sich zu ziehen. „Mach das besser nicht! Ich glaube, ich habe…“, begann Reeve, aber weiter kam er nicht. Tsengs Mund legte sich über den seinen, und weil Reeve auch noch den Mund offen hatte, wurde es ein richtiger Kuss, so wie Reno es gefordert hatte, auch wenn er nicht lange anhielt, sondern gleich wieder beendet wurde. Tseng ließ Reeve los, der geschockt auf das Sofa zurück sank, und drehte sich zu Reno um. „Zufrieden?“, fragte er. Reno nickte nur mit selbstgefälligem Gesicht. „Gut. Denn Morgen wirst du das bereuen“, warnte Tseng, verließ den Raum und machte sich auf den Heimweg, während er schon mal überlegte, zu welchen Extraaufgaben er Reno in den kommenden Tagen alles verdonnern würde. Zurück blieben eine weiterhin lärmende Festgesellschaft und ein erschöpft wirkender Reeve, der nur langsam den Kopf schüttelte und zu niemandem Speziellen im Raum sagte: „Das hätte Tseng besser nicht getan.“ Dann holte er ein Taschentuch aus seinem Jackett hervor und putzte sich gründlich die Nase. Ihm war so kalt. Am nächsten Tag warteten die Turks gespannt auf das Erscheinen ihres Bosses Tseng. Rude und Elena mit einer gewissen Schadenfreude, und Reno eher nervös, während er sich den vom gestrigen Alkoholkonsum schmerzenden Kopf hielt. Doch acht Uhr ging vorbei, und Tseng erschien nicht. Das war ungewöhnlich. Als einige Minuten später Rudes Telefon klingelte und Tsengs Nummer im Display zu sehen war, schaltete Rude die Lautsprecher ein, damit auch die anderen Turks mithören konnten. „Hier Rude.“ „Hier Tseng“, erklang Tsengs Stimme seltsam belegt und recht erschöpft. „Ich komme diese Woche nicht zur Arbeit. Es hat sich herausgestellt, dass Reeve eine schwere Erkältung hat, und ich habe mich bei ihm angesteckt.“ Elenas Hand klatschte gegen ihre Stirn, während sie ungläubig und mit einer gewissen Enttäuschung Rudes Telefon anstarrte. Reno dagegen strahlte übers ganze Gesicht und setzte sich aufrechter in seinem Stuhl hin. Nur Rude ließ sich wie immer nichts anmerken. „Verstanden“, bestätigte er. „Ach ja, und richte Reno aus, dass ich die Sache von heute Nacht sicher nicht vergessen werde. Schon gar nicht, nachdem ich ihm diese Erkältung zu verdanken habe.“ Tsengs Stimme mochte durch die Erkältung kratzig und erschöpft klingen, aber der verärgerte Unterton war trotzdem deutlich zu hören. Rude und Elena blickten Reno an, aber der grinste nur unbekümmert. Bis nächste Woche war noch massig Zeit. Bei sich zuhause legte Tseng den Hörer auf und vergrub sich wieder tief in den Decken seines Bettes. Ihm war so kalt, und es war ihm kein Trost, dass es Reeve in dessen Wohnung genauso ging wie ihm. Aber immerhin konnte er sich jetzt eine Woche lang überlegen, was er alles mit Reno machen würde, sobald er wieder arbeitsfähig war. ------------------------------------ Reeve / Tseng / beeindruckend Reeve arbeitete nun schon fast seit einem Jahr für ShinRa. Seine Probezeit war fast vorbei, und man hatte ihm bereits mitgeteilt, dass man ihn fest anstellen würde. Er würde in der Stadtverwaltung arbeiten, die sich mit den Belangen von Midgar beschäftigte. Reeve freute sich darüber. All die Zahlen und Berge von Papier, die seine Arbeit beinhaltete, schreckten ihn nicht im Geringsten. Und er fand es auch nicht langweilig. Immerhin war ShinRa der wohl größte Wirtschaftskonzern weltweit, der auch in der Stadt Midgar das Sagen hatte. Reeve fand seine Arbeit wichtig und sinnvoll. Es gab nur eine Sache an Reeve, die seinen Kollegen und Vorgesetzten nicht so positiv aufgefallen war. Es war auch nicht unbedingt negativ zu sehen, zumindest nicht für die recht amüsierten Beobachter dieser Sache. Reeve war ziemlich schreckhaft. Wenn sich ihm jemand von hinten näherte, ohne dass er es bemerkte, und ihn dann – für Reeve unerwartet und plötzlich – ansprach, konnte man die heftigsten und nicht selten höchst amüsanten Reaktionen beobachten. Es reichte vom Luftsprung bis zum wortwörtlichen Sprung über den Schreibtisch (an Letzteres wurde Reeve nicht gerne erinnert, er war dabei auf sein Gesicht gefallen). Die Reaktion konnte auch ein peinliches Quieken sein oder sogar eine Verteidigungsgeste. Reeve hätte fast einmal mit einer Akte nach jemanden geworfen. Besonders schlimm war es, als dieser rothaarige Turk mit Namen Reno einmal hier aufgekreuzt war. Nicht nur, dass der Ruf der Turks ihnen vorauseilte, und Reeve daher ohnehin nervös war, wann immer er von den Turks hörte. Reno hatte auch noch den absolut leisen Gang einer Katze und tauchte plötzlich und völlig unerwartet hinter, neben oder vor einem auf. Und als er erst einmal bemerkt hatte, was mit Reeve dabei vor sich ging, hatte er viel Spaß daran gehabt. Reeve war zu der Ansicht gekommen, dass dieser Turk ein Sadist war. Auch der längste Tag in den Büros von ShinRa geht irgendwann zu Ende. Reeve war in seiner Abteilung der Letzte für heute. Er hatte noch eine Präsentation vorbereitet, und nun legte er die vorbereitete Mappe mit den Papieren auf den Schreibtisch seines Chefs. Es war schon dunkel in den Büros, und wo sonst so viele Leute arbeiteten und durcheinander redeten, herrschte Stille. Vielleicht war es Reeve deshalb ein wenig unheimlich zumute. Und vermutlich war er deshalb so erschrocken, als die Tür des Büros plötzlich mit einem in der Stille unnatürlich laut erscheinenden Knall zufiel. Reeve machte einen Satz nach vorne und drehte sich noch im Sprung, um hinter sich zu sehen. Der Schreck war ihm in alle Glieder gefahren, doch anstatt ihn zu lähmen, hämmerte sein Herz wie verrückt und jagte Adrenalin durch seine Adern. Ein Schatten bewegte sich bei der Tür und kam auf ihn zu! Bevor Reeve auch nur nachdenken konnte, was er da tat, packte er den runden Briefbeschwerer auf dem Schreibtisch seines Chefs und warf ihn in die Richtung der Bewegung. Eine Hand schnellte aus den Schatten und fing das Wurfgeschoss auf, bevor es Kontakt machen konnte. Das Licht ging an. Für einen Moment blinzelte Reeve, geblendet von der plötzlichen Helligkeit. Aber dann sah er den Mann an der Tür stehen, den Briefbeschwerer in der Hand. Und Reeve wäre am Liebsten im Erdboden versunken vor Scham und Entsetzen. Tseng, der Anführer der Turks, ging langsam durch den Raum auf Reeve zu. „Sie sind Reeve, nicht wahr?“, fragte er, ohne eine Antwort zu erwarten. „Reno hat von Ihnen erzählt. Bitte verzeihen Sie, mir ist die Tür aus der Hand gerutscht.“ Tseng blieb neben Reeve stehen, betrachtete kurz den Briefbeschwerer in seiner Hand und richtete seinen Blick dann wieder auf Reeve. „Guter Wurf. Schnell und präzise. Ich bin beeindruckt.“ Er stellte den Briefbeschwerer wieder auf den Schreibtisch, nahm stattdessen die Präsentationsmappe auf und wandte sich zum Gehen. Als er verschwunden war, seufzte Reeve tief auf und machte sich ebenfalls auf den Heimweg. Er hoffte nur, dass von dieser peinlichen Episode niemand erfahren würde. ------------------------------------ Dyne / Cid / unerwartet Es war spät am Abend in irgendeinem Gasthaus. Die anderen von Clouds Truppe hatten sich bereits zum Schlafen zurückgezogen, nur Cid und Barret saßen noch im Gastraum. Sie waren die letzten Gäste, selbst der Wirt hatte sich zurückgezogen. Cid rauchte eine Zigarette und hörte nur mit halbem Ohr zu, was Barret sagte. Er war nicht wirklich interessiert daran, was der andere ihm erzählte, aber das änderte sich, als er einen ihm bekannten Namen hörte. „Dyne?“, wiederholte er. „Ja“, sagte Barret und schaute finster in sein Bierglas, als wäre dort der Ursprung für alles Schlechte zu finden. „Dyne. Er war mein bester Freund, und ShinRa hat uns beide verraten. Ich dachte, er wäre tot, und dann treffe ich ihn wieder im Gefängnis vom Gold Saucer. Er ist dort gestorben, hat sich umgebracht. Verdammt, Dyne…“ Barret sprach noch weiter, aber Cid hörte nicht mehr zu. Er erinnerte sich an jemanden namens Dyne, aber das war schon Jahre her. Damals war Cid Pilot eines Luftschiffes, das Kohle aus einer alten Bergwerkstadt transportierte. Er hatte dort einen jungen Mann namens Dyne kennen gelernt. Sie hatten sich gut verstanden, der Bergmann mit dem rauen Lachen und der Pilot mit der scharfen Zunge. Sie hatten ein wenig miteinander herum gealbert, nichts ernstes, nur ein paar Berührungen hinter Kisten voller Ladegut, die ersten Erfahrungen mit einem Mann, die Aufregung und die Andersartigkeit im Vergleich zu Frauen. Aber ihre Beziehung zueinander war nur lose, und Dyne hatte irgendwann ein Mädchen an seiner Seite gehabt. Cid war es recht, und er wünschte seinem Bergmann-Kumpel alles Gute. Durch die Mako-Energie wurde Kohle immer weniger nachgefragt, und irgendwann flog Cid nicht mehr zur alten Bergwerkstadt. Er hatte Dyne mit der Zeit einfach vergessen. Doch die Nachricht von seinem Tod kam trotzdem… unerwartet. ------------------------------------ Rude / Tseng / Schnee Der Hubschrauber landete auf einer schneebedeckten Ebene in der Nähe des Gasthauses und stieg gleich wieder auf, nachdem sein Passagier ausgestiegen war. Tseng richtete seine Krawatte, zog seinen warmen Mantel zurecht und stapfte dann durch den Schnee den Weg entlang zum Gasthaus, wo seine Turks bereits auf ihn warteten. Obwohl er als Boss der Turks ausgezeichnete Reaktionszeiten vorweisen konnte und seine Umgebung stets aufmerksam im Auge behielt, kam das Folgende für ihn völlig unerwartet. Tseng hatte nur für einen kurzen Moment zu der Hütte hinauf geschaut, in der einst Professor Gast gelebt hatte, und als er seinen Blick wieder auf den Weg vor ihm richtete, traf ihn ein Schneeball mitten im Gesicht. Tseng blieb wie angewurzelt stehen. Der Schneeball war aus weichem Schnee nur sanft zusammengedrückt worden, damit er beim Aufprall keinen Schaden anrichtete, und Tseng fühlte, wie die auf seinem Gesicht kleben gebliebenen Reste schmolzen und eiskalte Wassertropfen seine Wangen hinunter in seinen Kragen liefen. Seine für einen Moment ungläubig aufgerissenen Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, und er sah sich schnell um. Aber wie zuvor auch schon war niemand zu sehen, keine Kinder und schon gar kein Erwachsener. Tseng empfand dies als Bestätigung seiner Vermutung, wer der Übeltäter war, und er stapfte erneut los, diesmal wesentlich schneller, während er sich den Schnee und das Wasser aus dem Gesicht wischte. Er stürmte in das Gasthaus und fand Reno an einem Tisch sitzend, mit einer Tasse heißen Punsch in der Hand. Elena saß an einem Tisch etwas weiter entfernt von ihm und las in einem Buch. Beide sahen auf, als Tseng herein kam. „Da bist du ja, Boss“, begann Reno, wurde jedoch von Tseng unterbrochen: „Reno, unterlass gefälligst diese Kindereien!“ „Was für Kindereien, Boss?“, fragte Reno und sah recht überrascht aus. „Also, wenn du die Sache mit Heidegger meinst, er kann seine Behauptung nicht beweisen, dass ich ihm die mit Meerrettich gefüllten Pralinen untergejubelt habe, und er hätte sie ja nicht essen müssen.“ „Nein, Reno, ich meine deine Tat von eben, mich mit einem Schneeball zu begrüßen“, antwortete Tseng durch zusammen gebissene Zähne. „So was nennt man auch Angriff auf einen Vorgesetzten. Unterlass die Albernheiten, wir sind nicht zum Spielen hier.“ „Aber Boss, ich war die ganze Zeit hier“, protestierte Reno, dann wandte er sich an Elena: „Sag du doch auch mal was.“ „Du hast Rude und mich die ganze Woche schon mit Schneebällen beworfen“, sagte Elena. „Aber jetzt grade habe ich keinen geworfen“, beeilte sich Reno zu sagen, und er warf Tseng dabei einen nervösen Blick zu. Tseng richtete sich zu seiner vollen Größe auf und sah aus gefährlich zusammen gekniffenen Augen auf Reno hinunter. „Noch ein einziger Schneeballwurf von dir, Reno, egal ob auf mich oder einen anderen Turk, und du wirst abkommandiert für eine Woche Schnee schippen, während wir anderen wieder nach Midgar zurück fliegen werden.“ Damit wandte er sich ab, um sein Zimmer aufzusuchen. Als Tseng den Gastraum verlassen hatte, wandte sich Reno erneut an Elena. „Vielen herzlichen Dank“, maulte er, aber Elena lächelte nur und antwortete: „Hab ich doch gern getan.“ In diesem Augenblick betrat Rude den Gastraum, setzte sich zu Elena an den Tisch, beugte sich zu ihr hinüber und sagte laut genug, dass Reno es hören konnte: „Weißt du was, Elena? Reno hat Recht. Schneebälle zu werfen macht tatsächlich Spaß.“ Renos Kinn klappte ungläubig nach unten, und Elenas Lachen füllte den Raum. ------------------------------------ Barret / Rude / Regen Die beiden so unterschiedlichen Männer saßen Rücken zu Rücken unter dem Dach der kleinen halb verfallenen Schutzhütte, um sie herum nur Wiesen und Wälder und ein Himmel voller dunkelgrauer schwerer Regenwolken. Das Wasser fiel in Strömen vom Himmel und verbarg die Welt schon nach wenigen Metern hinter dichten Regenschleiern. Es war eine wirklich ungewöhnliche Situation, fand Rude, während er die Regenlandschaft vor sich betrachtete. Barret und er hatten einander nicht gesucht oder auch nur erwartet, sich hier zu treffen. Rude hatte zurzeit keine Befehle von ShinRa, die Avalanche betrafen. Und Barret hatte hier draußen nicht mit einem ShinRa-Angestellten gerechnet. Es war purer Zufall gewesen, dass sie sich auf der Flucht vor dem beginnenden Regen plötzlich in der kleinen Schutzhütte gegenüber gestanden hatten. Beide hatten überrascht inne gehalten, und keiner von ihnen hatte etwas gesagt. Nach einer Minute des Schweigens und einander Anstarrens hatten sie sich einfach auf die kleine Bank gesetzt, mit dem Rücken zueinander, und nun betrachteten sie seit gut einer halben Stunde den Regen und taten ihr Bestes, den jeweils anderen zu ignorieren. Eine stille Übereinkunft war zwischen ihnen getroffen worden. Sie würden das Ende des Regenschauers abwarten und sich dann einfach trennen. Ihre Begegnung hier war unwichtig. Jeder würde seinen eigenen Weg gehen, ohne Kampf, ohne Diskussion, als hätten sie sich nie gesehen. Barret und Rude betrachteten die Regenlandschaft vor sich, lauschten dem leisen Murmeln des herab fallenden Regens und ignorierten die sanfte Wärme in ihrem Rücken, die vom Körper des jeweils anderen stammte. ------------------------------------ Reno / Tseng / Kirche Reno ging bis in die Mitte des Raums und betrachtete fast verwundert die hohen Wände und die halb zerfallene Decke, durch deren breite Risse Sonnenlicht fiel. Unter seinen Füßen fühlte er einen leicht nachgiebigen Boden – Erde und Gras. Einen solchen Ort hätte es in den Slums der Industriestadt Midgar eigentlich gar nicht geben dürfen. Hier in Midgar, wo Beton und Stahl das Stadtbild regierten, und wo der Himmel normalerweise von dichten Wolken verhangen war, wenn man nicht ohnehin nur die Plattform der oberen Ebenen der Stadt über sich hatte, waren Sonnenlicht und Pflanzen eine Seltenheit. Aber dies war kein normaler Ort, dies war eine Kirche, und obwohl sie zerfallen war, hatte sie sich ihre Erhabenheit bewahrt. Das Bild, das sich ihm hier bot, hatte etwas Surreales an sich. Reno war lautlos näher getreten, wie man es ihm im Training der Turks beigebracht hatte, aber er hatte trotzdem keinen Zweifel daran, dass Tseng sich seiner Anwesenheit bewusst war. Der Anführer der Turks befand sich am anderen Ende des Raumes vor einem halb zerstörten Altar, über dem wie durch ein Wunder oder göttliche Fügung noch immer ein Kreuz an alten dünnen Seilen hing. Tseng kniete auf dem Boden, den Kopf gesenkt, völlig reglos als wäre er in tiefer Meditation versunken. Reno wagte nicht, ihn zu stören. Vielleicht zum ersten Mal, seit er ein Turk geworden war, stand ihm nicht der Sinn nach Witzen oder flotten Sprüchen. Er verharrte so reglos wie Tseng und fragte sich verwundert und möglicherweise sogar mit ein wenig Furcht, ob Tseng nur meditierte oder ob er für seine als Turk begangenen Sünden um Vergebung bat. ------------------------------------ Hojo / Hojo / schuldig Es war schon spät am Abend, als Professor Hojo in sein Laboratorium im ShinRa-Hauptquartier zurück kehrte. Für Hojo war es nicht ungewöhnlich, dass er bis spät in die Nacht hinein arbeitete. Er liebte seine Arbeit und empfand es daher nicht als Last. Aber heute war einiges schief gelaufen, und selbst er fühlte sich nun erschöpft. Es hatte Komplikationen bei der Mako-Behandlung einiger SOLDIER-Rekruten gegeben. Die Substanzen, die den jungen Männern gespritzt worden waren, hatten unerwartete Nebenwirkungen gehabt. Krämpfe und innere Blutungen waren die Folge gewesen. Die Ärzte hatten die Rekruten nicht retten können, sie waren innerhalb von sechs Stunden alle gestorben. Hojo hatte noch während des Todeskampfes der Rekruten Tests durchgeführt, um die Ursache für diese Reaktionen herauszufinden. Er hatte darauf bestanden, dass ihm die Leichen für weitere Forschungen übergeben wurden. Der behandelnde Arzt hatte ihn mit Abscheu in den Augen angesehen, als wäre er ein besonders ekliges Insekt, doch er hatte nicht gewagt, dem Chef-Forscher von ShinRa zu widersprechen. Aber die Mutter von einem der verstorbenen Rekruten war weniger zurückhaltend gewesen. Die Soldaten mussten die hysterische Frau nach draußen bringen. Sie hatte versucht, sich auf Hojo zu stürzen. Es verärgerte Hojo, dass diese Leute ihm die Schuld am Tod der Rekruten gaben. Dabei war das von ihm entwickelte Verfahren brillant. Es brachte die perfekten Soldaten hervor, die Eliteeinheit SOLDIER. Aber selbst mit seinen Mako-Behandlungen, die er stetig verbesserte, konnte nicht jeder zu einem SOLDIER werden. Manche Leute waren einfach nicht geeignet, Körper und Geist waren zu schwach. Hojo fühlte für einen Moment Reue, als er an die schmerzverzerrten Gesichter der verstorbenen Rekruten dachte, aber er verdrängte das Gefühl. Es war nicht seine Schuld, dass jeder noch so unfähige Narr heutzutage ein SOLDIER werden wollte. ShinRa sollte sein Auswahlverfahren verschärfen, anstatt fast jeden ins SOLDIER-Programm aufzunehmen. Hojo bot den Leuten die Chance, bessere Menschen zu werden. Das war sein Traum: der beste Wissenschaftler von allen zu werden. Er wollte jemand sein, der die ganze Welt veränderte. Das dabei ein paar Subjekte auf der Strecke blieben, war nur natürlich. Es gab keinen Erfolg, ohne Opfer zu bringen. Aber es war wie immer, wenn etwas schief ging: die Leute machten ihn allein verantwortlich, zeigten heimlich mit dem Finger auf ihn und flüsterten hinter seinem Rücken, dass es seine Schuld war. Hojo betrat sein Labor, ohne das Licht einzuschalten. In diesen Räumen fand er sich auch im Halbdunkel zurecht, hier war sein wahres Zuhause. In Gedanken beschäftigte er sich bereits mit den Testreihen, die er an den toten Rekruten vornehmen würde. Da bemerkte er plötzlich aus den Augenwinkeln eine Bewegung in einer Ecke seines Labors und sah auf. Nur wenige Meter von ihm entfernt stand im Dunkeln eine Person in einem weißen Laborkittel wie er ihn auch trug. Sie verharrte nun reglos, genau wie Hojo selbst. Das Gesicht war im Schatten nicht zu erkennen. „Wer ist da?“, fragte Hojo. Aber er erhielt keine Antwort. Der Unbekannte bewegte sich nicht und gab auch keinen Ton von sich. Er stand nur da und starrte Hojo an. Ein Schauder lief über Hojos Rücken. Auch wenn das Gesicht nicht zu erkennen war, hatte er das Gefühl, dass in diesem intensiven Starren, das seinen Blick erwiderte, der Irrsinn lag. Hojo drehte kurz den Kopf und warf einen Blick auf den Lichtschalter an der Wand, genau auf halber Strecke zwischen ihm und dem Fremden. Auch der andere drehte den Kopf und sah den Schalter. Dessen war sich Hojo sicher, darum handelte er. Er sprang vorwärts und sah, wie der andere das Gleiche tat. Aber Hojos Finger fanden den Lichtschalter als Erstes, und wütend fuhr Hojo im nun hell erleuchteten Labor herum, um sich dem Eindringling zu stellen. Seine Augen waren an das plötzliche Licht noch nicht ganz gewöhnt, aber Hojo sah vor sich einen Mann im weißen Laborkittel mit einem wütenden Gesichtsausdruck, die Lippen wie zu einem lautlosen Knurren zurückgezogen, das schwarze Haar aus Mangel an Pflege wirr und strähnig. Doch was ihn wirklich erschreckte waren die Augen des anderen. Wie von einem inneren Licht erhellt strahlten sie einen nur mühsam verborgenen Wahnsinn aus, wirkten aber trotzdem seltsam kalt und leblos, als hätte sich der Geist dahinter schon vor langer Zeit von der Welt zurück gezogen. Hojo taumelte zurück und landete unsanft auf seinem Hintern, die Arme vor sein Gesicht gehoben, als wollte er sich vor einem Angriff schützen. Doch es kam kein Angriff. Hojo ließ die Arme sinken und starrte das Bild vor sich an. Der Fremde war kein Fremder. Es war sein Spiegelbild. Er hatte ganz einfach vergessen, dass in diesem Bereich seines Labors ein großer Spiegel stand. Hojo saß auf dem Boden und starrte sein Spiegelbild an, das natürlich unverwandt zurückstarrte, und es war ihm fast, als wenn er es flüstern hörte: ‚Du bist schuldig.’ ------------------------------------ Palmer / Rude / verzweifelt „Du musst es tun! Bitte, Rude!“ Palmer unterstrich seine Worte mit heftigen Gesten seiner Hände, doch das alles konnte über seine Nervosität nicht hinweg täuschen. „Er muss endlich gestoppt werden!“ „Es handelt sich nicht um eine Bedrohung von ShinRa. Somit ist meine Zuständigkeit nicht gegeben“, antwortete Rude mit ausdrucksloser Stimme. „Keine Bedrohung?!“, explodierte Palmer. „Er ist die schlimmste Bedrohung überhaupt!“ „Eine Beeinträchtigung von ShinRas Interessen kann nicht festgestellt werden.“ Rude beobachtete interessiert, wie sich dicke Schweißtropfen auf Palmers Stirn bildeten. Eigentlich war es nicht besonders warm in Palmers Büro, aber diese Angelegenheit schien den doch sehr beleibten (um nicht zu sagen fetten) Mann dermaßen in Wallungen zu versetzen, dass sich die Auswirkungen zeigten. Hastig kramte Palmer ein Taschentuch hervor und tupfte sich die Stirn ab. „Es liegt sehr wohl eine Beeinträchtigung vor“, klagte er. „Mein Leben ist seit gut drei Wochen die Hölle. Und nichts kann ihn stoppen. Er vergiftet meinen Kaffee, mein Essen! Ich kann meiner Arbeit so nicht ungestört nachgehen.“ „Ein Mordanschlag wurde den Turks nicht gemeldet.“ „Du weißt ganz genau, wovon ich rede!“ Palmer warf ihm einen giftigen Blick zu. „Er gibt Chilisoße in meinen Kaffee, füllt meine Sahnetörtchen mit Meerrettich und meine Pfannkuchen mit Senf. Und letztens habe ich Pralinen auf meinem Schreibtisch gefunden, die mit Essig gefüllt waren. Das war auch sein Werk, da bin ich sicher!“ Palmers Gesicht wandelte sich von Verärgerung zu einer leidgeprüften Miene. „Tseng will nichts tun, um ihn zu stoppen. Er sagt, er hat Wichtigeres zu tun, dabei ist seine Aufgabe der Schutz von ShinRa und seinen Angestellten. So kann ich nicht arbeiten.“ Rude überlegte, ob er eine Antwort geben sollte, entschied dann aber, lieber abzuwarten. Palmer deutete sein Schweigen richtig: „Du willst auch nichts unternehmen.“ „Es ist nicht meine Aufgabe…“, begann Rude, aber er wurde von Palmer unterbrochen. „Also gut, also gut“, rief Palmer und warf in einer Geste der Kapitulation seine Arme in die Höhe. „Ich erwarte keine Hilfe ohne Gegenleistung, Rude. Wenn du ihn stoppst, werde ich dich belohnen.“ Rude musste ein Grinsen unterdrücken, aber da er sich gut amüsierte, beschloss er, Palmer noch ein wenig zu ärgern. „Ist das ein Bestechungsversuch?“, fragte er, ohne es allerdings ernst zu meinen. „Nach den Vorschriften der Turks…“ „Sei nicht albern!“, unterbrach ihn Palmer erneut. „Du weißt genau, worum es hier geht.“ Aus seinen Augen blitzte die nackte Verzweiflung, und seine Stimme nahm einen flehenden Klang an: „Wenn du ihn dazu bringst, mich wieder in Ruhe zu lassen, gebe ich dir einen Freipass für das neue Casino hier in Midgar. Damit kommst du sogar in den VIP-Bereich.“ „Vier.“ „Was?“ „Ich will vier Freipässe.“ Für einen Moment sah es so aus, als wollte Palmer protestieren, aber dann sackten seine Schultern nach unten, und er bot das Bild eines gebrochenen Mannes. „Also gut“, stimmte er zu, ging zu seinem Schreibtisch und holte die vier Freipässe aus einer Schublade. „Hier sind sie, aber dafür musst du dafür sorgen, dass er mich endlich in Ruhe lässt.“ Rude nahm die Pässe entgegen. „Einverstanden.“ In Palmers verzweifeltes Gesicht schlich sich so etwas wie Hoffnung. „Und du meinst es auch ernst?“, fragte er unsicher. „Natürlich“, antwortete Rude und verließ das Büro. In sicherer Entfernung zu Palmers Büro zückte er sein Handy und wählte eine Nummer. Kaum meldete sich sein Gesprächspartner, sagte Rude mit einem leicht triumphierenden Unterton in seiner Stimme: „Hi, Reno. Du kannst jetzt damit aufhören, Palmer zu drangsalieren, und Tseng und Elena Bescheid sagen. Ich habe die Freipässe.“ ------------------------------------ Dyne / Hojo / Vergangenheit Die Seilbahn, die die Kunden zum Gold Saucer brachte, benötigte ein paar Minuten, um ihr Ziel zu erreichen. Dafür entschädigte sie ihre Passagiere aber mit einem grandiosen Blick über die Umgebung. Doch der Mann, der als einziger Passagier zurzeit in der Gondel stand, hatte keinen Blick für die Schönheit seiner Umgebung. Stattdessen schweiften seine Gedanken zurück in die Vergangenheit, als seine Stadt von ShinRa-Truppen in Schutt und Asche gelegt worden war. Er hatte versucht, sie aufzuhalten, aber die Soldaten hatten seine linke Hand zerschossen, und er war in die Tiefe einer Schlucht gestürzt. Er hatte keine Ahnung, wie lange er bewusstlos gewesen war. Doch er erinnerte sich daran, wie die Worte eines Fremden das Erste waren, was er hörte, als er das Bewusstsein wiedererlangte. „Linke Hand... zerschossen… Finger nicht wieder herstellbar… Mentaler Zustand unbekannt. Als Testsubjekt unbrauchbar.“ Dyne – denn das war sein Name damals, als er noch Wert auf Namen legte - öffnete die Augen. Es dauerte ein paar Minuten, bis er seine Umgebung klar erkennen konnte. Sein ganzer Körper schmerzte, aber am meisten schmerzte seine linke Hand, oder besser gesagt, was davon noch übrig war. Fast teilnahmslos betrachtete er den mit blutigen Bandagen umwickelten Stumpf. Das Denken fiel ihm schwer. Sein Kopf fühlte sich an wie in Watte verpackt. Sein Blick glitt zu einem hageren Mann in einem weißen Laborkittel, der ihn interessiert beobachtete. Es war keine Anteilnahme oder Mitgefühl in seiner Haltung zu entdecken, nur eine gewisse Neugier, fast so als würde der fremde Mann ein interessantes Insekt studieren anstelle eines verwundeten Menschen. „Die Stadt?“, fragte Dyne. Die Worte kamen ihm nur mühsam über die Lippen. Es fiel ihm schwer, zu sprechen. Doch der Fremde wusste offenbar, was Dyne meinte. „Völlig zerstört“, antwortete er. Dyne schloss die Augen. Wenn es ihm körperlich nicht so schlecht gegangen wäre, hätte er sicherlich geschrien. Der emotionale Schmerz war größer als der seines Körpers, aber trotzdem konnte er sich nicht bewegen. Er war zu erschöpft. „ShinRa“, flüsterte er, und etwas von dem Schmerz und dem Hass, den er fühlte, floss in dieses eine Wort mit ein. „Willst du Rache?“, fragte der andere. Dyne öffnete die Augen wieder und starrte den Fremden an. Er wirkte interessiert, aber ansonsten emotional völlig distanziert. Die Zerstörung von Dynes Heimatstadt schien ihn nicht zu berühren. „Natürlich“, antwortete Dyne schließlich. Auf das Gesicht des anderen schlich sich ein Lächeln. „Gut“, sagte er. „Ich kenne da jemanden, der dir anstelle deiner zerstörten Hand eine Waffe einsetzen kann. Diese Prozedur wollte ich schon immer einmal sehen. Ich werde dich zu ihm bringen.“ Der Fremde hielt Wort und brachte Dyne zu einem Arzt, der seine zerstörte Hand amputierte und ein Gewehr einsetzte. Damals wusste Dyne nicht, wer der Fremde war, aber später erfuhr er, dass es sich um Hojo gehandelt hatte, den führenden Wissenschaftler von ShinRa. Dynes Hand ballte sich zur Faust. Hätte er das damals schon gewusst, Hojo wäre das erste Opfer seines Gewehrarmes geworden. Doch er hatte erst viel später erfahren, um wen es sich handelte. Da war Hojo längst wieder in der Sicherheit seines Labors im ShinRa-Hauptquartier. Laute Musik schreckte Dyne aus seinen Gedanken. Seine Gondel war im Gold Saucer angekommen. Er zwang sich, sich auf die Gegenwart zu konzentrieren. Die Vergangenheit konnte nicht mehr geändert werden. Egal, was er tat, diejenigen, die er einst so geliebt hatte, waren tot und würden das auch bleiben. Aber er konnte etwas anderes tun. Er konnte Rache nehmen an dieser Welt, die die Zerstörung von allem, was er einst liebte, zugelassen hatte. Die Gondeltüren öffneten sich. Der Gewehrarm, wo einst seine linke Hand gewesen war, erwachte zu todbringendem Leben. ------------------------------------ Ende Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)