Die Buchhalterin von Animemelli ================================================================================ Kapitel 8: Happy End am Krankenbett ----------------------------------- Während all das passierte, saß Kiandra grübelnd auf ihrem Bett. Die Musik, die ihr beim Nachdenken helfen sollte, lenkte sie nur ab, deshalb schaltete sie sie ziemlich schnell wieder aus. Aber auch in der Totenstille konnte sie keinen klaren Gedanken fassen. Ständig schwankte sie hin und her. Es war einerseits schwer zu akzeptieren, dass Lars sich von Rita angezogen fühlen konnte aber andererseits hatte er es ja selbst zugegeben. Was nun? Sollte sie ihm das verzeihen? Immerhin war er ja nur in diese Situation geraten, weil er ihre Unschuld beweisen wollte. Aber hatte er sie nicht vorher beschuldigt? Doch er glaubte offenbar selbst nicht an ihre Schuld, sonst würde er nicht ihre Unschuld beweisen wollen. Außerdem hatte er sich für seinen haltlosen Verdacht entschuldigt und sie trug es ihm auch nicht nach. Es war einfach unmöglich, sich für oder gegen ihn zu entscheiden. „Er ist so süß und liebenswert aber andererseits… ach ich weiß auch nicht. Vielleicht übertreibe ich mit meiner Reaktion. Gut, er war erregt, na und? Männer sind doch schnell erregbar, was soll´s! Geplant war das sicher nicht. Und trotzdem kann ich da nicht so einfach drüber wegsehen.“ So grübelte sie laut vor sich hin. Bis das Telefon klingelte. Genervt schlurfte Kiandra zum Telefon. „Hallo?“ - „Hallo Kiandra, hier ist Sigi.“ – „Hallo, du, mir passt es gerade ganz schlecht. Falls es nichts Wichtiges ist, könntest du dich vielleicht später noch mal melden?“ Kiandra wollte zu Sigi nicht unfreundlich sein aber im Moment wollte sie mit niemandem reden. Sigi ging jedoch gar nicht auf ihre Bitte ein. „Stell dir vor, der Chef liegt im Krankenhaus! Er hatte einen Autounfall. Es geht ihm sehr schlecht, ich war gerade bei ihm.“ Am Ende der Leitung herrschte Totenstille. Sigis Worte hatten offenbar ihre Wirkung nicht verfehlt. Kiandra schien schockiert zu sein. Sie konnte ja auch nicht wissen, dass Sigi hier vom Gemütszustand ihres Chefs sprach und nicht von seinen Verletzungen, die keineswegs lebensbedrohlich waren. „Wird….wird er durchkommen?“ fragte Kiandra ängstlich. Sie rechnete mit dem allerschlimmsten. Sigi konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Doch sie klang todernst. „Es sieht sehr schlecht aus, ich hab da nicht viel Hoffnung“, erklärte sie mit einer resigniert klingenden Stimme, die sogar einem Optimisten das letzte Fünkchen Hoffnung genommen hätte. „Vielleicht solltest du hinfahren und noch einmal mit ihm sprechen, ehe es zu spät ist – ich meine, falls du ihm etwas zu sagen hast.“ Im nächsten Moment hörte Sigi nur noch ein Knacken und dann ein Tuten. Kiandra hatte nicht einmal Tschüss gesagt, so schnell hatte sie aufgelegt. Sigi lächelte triumphierend und machte sich dann wieder auf den Weg zum Krankenhaus. Wie ein Blitz war Kiandra in ihren Wagen gehechtet und kassierte für ihre Fahrweise sogar noch einen Effe-Finger mehr als Sigi. Als sie im letzten Moment über eine rote Ampel raste, erntete sie ein Hupkonzert vom Allerfeinsten. Während sie wie besessen Richtung Krankenhaus fuhr, machte sie sich die größten Vorwürfe. „Da mache ich einen Riesenaufstand wegen so einer Nebensächlichkeit und der Ärmste fährt sich vor Kummer fast zu Tode. Was bin ich doch für eine blöde Kuh!“ In den bangen Minuten zum Krankenhaus traf sie eine Entscheidung. Sie wollte Lars, egal was war. Und sie betete darum, nicht zu spät zu kommen. Das würde sie sich nie verzeihen. Am Empfang fragte sie nach Lars und eine Schwester erklärte ihr den Weg zu seiner Station. Kiandra wunderte sich, dass man ihn nicht auf die Intensivstation gebracht hatte aber vielleicht wollte er das ja nicht. Oh Gott, er hatte schon selbst die Hoffnung aufgegeben! Vielleicht wollte er sogar sterben, vielleicht war es ja gar kein Unfall! Konnte sie ihn jetzt genauso retten, wie er sie? Vor seinem Zimmer blieb sie einen Moment stehen. Wie sollte sie ihm bloß sagen, dass es ihr Leid tat? Am besten genau so. Entschlossen klopfte sie an die Tür. „Herein“, kam es leise und undeutlich von drinnen. Kiandra öffnete die Tür zaghaft und sah zuerst einmal einen fremden Rücken. Es war ein Mann, der da am Krankenbett saß. Er war schon älter. Sein linker Arm hing schlaff an seiner Seite. In der rechten hielt er ein Glas Wasser. „Verzeihung, ich wollte Lars sehen aber ich wusste nicht, dass er schon Besuch hat“, sagte Kiandra leise und wollte schon umdrehen und wieder hinausgehen. Da sprach der Mann sie an. „Bidde bleiben jie. I wollde grade gehen“, nuschelte er undeutlich. Aber Kiandra verstand ihn und trat näher. Sie hatte es hier mit dem Senior-Chef zu tun, dem Vater von Lars, eindeutig. Er hatte die gleichen grauen Augen und die Folgen des Schlaganfalls ließen keine Zweifel zu. „Er jläft grade. Wecken jie ihn aber ni auf. Er raut Ruhe. Wer jind jie?“ Jetzt war Kiandra klar, warum er die Firma übergeben musste. Es war nicht leicht, ihn zu verstehen. „Ich bin Kiandra. Ich arbeite in der Firma Ihres Sohnes. Aber ich kann auch später wiederkommen.“ „Ijd jon gut. Er had won ihnen gejbrochen. Gianra, ein hüjer Name. Un eine hüje Drägerin.“ „Oh, vielen Dank. Und ich weiß jetzt, warum Lars so gut aussieht.“ Kiandra musste lächeln, dass sie hier mit einem nuschelnden alten Mann flirtete, der noch dazu ihr Chef war, oder sein könnte, war irgendwie komisch. Und dann noch am Totenbett seines Sohnes! Und schon war das Lächeln verschwunden. „Ach, jie ädden mi mal wor twantig Jahren jehen jollen! Aljo, i gehe jedt. Auw Wieerjehen, Gianra.“ „Auf Wiedersehen.“ Als die Tür zugefallen war, sah sich Kiandra Lars aus der Nähe an. Sein Kopf war verbunden und seine Hand in Gips. Aber sonst hatte er keinerlei Wunden oder Verbände und er war auch nicht eine Herz-Lungen-Maschine oder ein EKG angeschlossen. Er wurde nicht einmal künstlich beatmet. Vielleicht hatte sein Vater gerade verfügt, dass alle Maschinen abgeschaltet und entfernt wurden. Bestimmt hatte er innere Blutungen, die man nicht stoppen konnte. Kiandra begann zu schluchzen. Sie setzte sich zu Lars ans Bett und legte ihre Hand auf seine. „Ach Lars, es tut mir so leid, dass ich wegen Rita so einen Aufstand gemacht habe! Ich hab total überreagiert. Du hast dich für mich überwunden. Und ein Teil von dir hat auf sie reagiert gegen deinen Willen. Du konntest gar nichts dagegen tun. Und ich blöde Kuh halte dir das auch noch vor! Ich hoffe, du kannst mir irgendwann verzeihen.“ Dann legte Kiandra ihren Kopf auf seinen Arm und weinte. Lars wachte auf, weil sein Ärmel immer nasser wurde. Als er die Augen öffnete, schaute er auf Kiandras Hinterkopf, der sich im Rhythmus ihres Schluchzens bewegte. Überrascht und überglücklich erkannte er sie. Gerade wollte er seine gesunde Hand auf ihren Kopf legen als sie anfing zu reden. „Bitte stirb nicht. Ich liebe dich und das schon seit unserer ersten Begegnung. Mir ist egal, ob du mich verdächtigt hast, mir ist auch egal, ob dich Rita angemacht hat. Es tut mir leid, ich bin so blöd. Bitte halt durch.“ Lars lag bewegungslos in seinem Bett und hörte erleichtert zu. Sie hatte ihm also verziehen aber wieso nicht sterben? Darauf konnte er sich nicht sofort einen Reim machen. Aber nach einigen Sekunden dämmerte ihm etwas. Anscheinend glaubte sie, er würde sterben müssen. Nur wie kam sie darauf? Die Schwestern würden doch so etwas nicht sagen, wenn es nicht stimmte. Es fiel ihm nur eine Person ein, die auf so eine Idee kommen konnte: Sigi! Sollte er ihr danken oder sie feuern? Als Kiandra endlich den Kopf hob, hielt Lars seine Augen geschlossen. Kiandra sah ihn eine Weile an und wollte dann gehen. Aber vorher wollte sie ihn noch ein letztes Mal küssen. Nur noch ein Mal bevor sie ihn für immer verlor. Sie stand von ihrem Stuhl auf und beugte sich über ihn. Als ihre Lippen seine berührten, schloss sie die Augen und ihre Gedanken wanderten zurück zu ihrem ersten Kuss. Soviel Leidenschaft und Sehnsucht würde sie wohl nie wieder in einem Kuss spüren. Auf einmal bewegten sich seine Lippen und etwas drückte ihren Körper nach unten! Erschrocken riss sie ihre Augen auf und starrte in diese leuchtenden grauen Augen, die vor Liebe förmlich sprühten. „Deine Entschuldigung ist angenommen“, grinste Lars. „Und ich liebe dich auch seit unserer ersten Begegnung.“ „Was ist denn jetzt los? Geht es dir auf einmal besser?“ fragte Kiandra verwirrt. Sie begriff gar nicht, was los war. In diesem Moment ging die Tür auf und Sigi trat ein. „Also wenn ich euch zwei so sehe, würde ich sagen, mein Plan hat funktioniert.“ „Was für ein Plan? Hä? Ich kapier überhaupt nichts.“ Kiandra verstand noch immer nichts und Sigi klärte sie auf. „Nun ja, für mich war sonnenklar, dass ihr beide zusammen gehört. Also habe ich dafür gesorgt, dass es auch soweit kommt. Entschuldige, Kiandra. Lars wird natürlich nicht sterben. Er hat zwar ein paar Schrammen aber sonst ist alles heil geblieben. Bis auf seine Seele, die wäre wirklich fast gestorben. Aber wie ich sehe, hast du die gerade noch vor dem Tode gerettet.“ Endlich verstand Kiandra. „Tja, damit wären wir wohl quitt“, stellte Lars fest. „Und du Sigi kannst froh sein, dass ich so ein weiches Herz hab, eigentlich müsste ich dich für dieses fiese Täuschungsmanöver feuern.“ Doch diese Drohung wurde begleitet von einer Reihe von Augenzwinkern. Er meinte es natürlich nicht ernst. Kiandra fiel erst einmal ein Stein vom Herzen, weil Lars nicht sterben würde. Doch dann fuhr sie ihn an: „Hast du etwa von diesem Scherz gewusst?“ Aber Lars legte seine linke Hand auf sein Herz und beteuerte: „Ich hatte keine Ahnung, ich schwöre.“ Da drehte sich Kiandra zu Sigi um und fragte zuckersüß: „Das war also deine Idee?“ Sigi nickte. Da stürzte Kiandra hinüber zum zweiten Bett im Raum, griff sich das Kopfkissen und fiel dann mit Kampfgebrüll über Sigi her. „Gnade!“ rief Sigi immer wieder und Lars lachte, bis ihm der Bauch wehtat. Schließlich sanken Kiandra und Sigi erschöpft zu Boden und schnaufend und keuchend sagte Kiandra: „Danke. Vielen Dank für deine Hilfe.“ Dann umarmte sie Sigi. In diesem Moment kam die Schwester ins Zimmer, sah die beiden Frauen auf dem Boden und schüttelte den Kopf über so ein merkwürdiges Verhalten. „Es tut mir leid aber Sie müssen jetzt gehen. Die Besuchszeit ist vorbei. Kommen Sie doch morgen wieder.“ Kiandra und Sigi standen auf und Sigi gab ihrem Chef zum Abschied die Hand. Auch Lars dankte ihr für alles. Dann verließ sie den Raum und wartete im Flur auf Kiandra. Kiandra trat an Lars´ Bett und streichelte ihm über die Wange. Dann gab sie ihm einen Abschiedskuss und sagte: „Ich komme morgen wieder. Ruh dich jetzt aus.“ Lars lag jedoch noch eine ganze Weile wach und grübelte, wo er wohl bis zum nächsten Morgen einen Verlobungsring auftreiben konnte. Ende Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)