La Tua Cantante von absinthe (Alice schickt Edward ohne Grund nach Volterra. Dort trifft er Bella, die Teil von Heidis (ein Vampir aus Aros Garde) Reisegruppe ist. Plötzlich muss er eine Entschidung treffen, die sein ganzes Leben verändern kann... EPOV) ================================================================================ Kapitel 7: Tag Eins ------------------- Den Rest der übrig gebliebenen Nacht schlief sie so tief, dass ich kein einziges Wort mehr von ihr hörte. Hin und wieder murmelte sie etwas, das noch nicht einmal ich verstand, während ihre Atmung mehr als einmal ins Stottern geriet. Sie drückte meine Hand dann immer etwas fester. Einmal bemerkte ich, wie sie fröstelte, als ich meinen Arm weiter unter ihren schob und wollte ihn sofort wieder entfernen, doch sie hielt ihn fest, als hänge ihr Leben davon. Ich war im ersten Moment etwas überrascht über ihre Reaktion. Ihr Unterbewusstsein schien auf seltsame Weise meine Anwesenheit trotz des Schlafes zu spüren. Eine Anwesenheit, die ihr offenbar keineswegs missfiel, eher ersehnte. Erstaunlich. Das Glücksgefühl, das sich in mir ausbreitete, war unbeschreiblich. Würde sie ein Mensch bleiben und weiterleben, hätte ich mir diese Empfindung verboten. Sich mit einem Menschen einzulassen, wäre mehr als gefährlich gewesen. Doch jetzt, wo sicher war, dass sie ein Vampir würde, konnte ich es mir erlauben. Mich musste sie in den ersten Jahren nicht meiden, im Gegensatz zu den Menschen. Allerdings war es eher wahrscheinlich, dass sie mir trotzdem aus dem Weg gehen würde. Ich hatte sie zu dem verdammt, was wir waren. Eine Bestie. Sie würde es mir nie verzeihen. Vampire konnten über die Jahrhunderte hinweg sehr nachtragend sein und vergaßen nie etwas. Was würde Aro überhaupt mit ihr machen, wenn sie die Verwandlung erst einmal hinter sich hatte? Würde er sie hier behalten? Würde er sie mit uns schicken? Würde er so etwas überhaupt erlauben? Ich hätte sie gerne unserer Familie vorgestellt. Besonders Esme - Alice schien ja bereits über einiges im Bilde zu sein. Doch konnte ich darauf bauen? Konnte ich hoffen, dass alles gut gehen würde? Wie meine Mutter wohl reagieren würde, wenn sie Bella sah. Wenn ihr klar werden wurde, dass ich jetzt nicht mehr allein war. Ich hatte etwas gefunden, von dem ich nicht wusste, dass ich auf der Suche danach gewesen war. Fast neunzig Jahre lang umherzuwandern, ohne auch nur annähernd das zu finden, was jetzt direkt neben mir lag, war im nachhinein betrachtet doch recht frustrierend. Doch was konnte man schon tun, wenn man nicht einmal wusste, dass einem etwas fehlte? Und jetzt, wo ich diesen Teil meiner selbst gefunden hatte, wie würde es weitergehen? Ja, würde Bella bei uns leben, wären wir komplett. Jeder hätte dann seine andere Hälfte, die ihn vollkommen machte. Zwei Teile, eine Einheit. Ich könnte ihr ohne Worte alles mitteilen, so wie Alice und Jasper es taten, ich könnte sie so beschützen, wie Emmett es für Rosalie tat, ich könnte sie so lieben, wie Esme es bei Carlisle tat… Liebe. Ein kleines Wort und doch brachte es alles in mir durcheinander. Ich kannte dieses Gefühl nicht. Ich hatte es nie zuvor erlebt. Und doch war es, als würden meine Bewegungen wie von unsichtbarer Hand geführt werden, jedes Mal, wenn ich über ihre Haare oder über ihre zarte Haut und ihre Wangen strich, ohne ihr dabei wehzutun. Und es fühlte sich richtig an. Es war größer als der Drang, ihr das Blut auszusaugen und ihr damit das Leben zu rauben. Und es hatte soviel Macht über mich, dass ich sogar einer Verwandlung zustimmte, nur um sie nicht zu verlieren. Doch ich würde meine Strafe bekommen. Da war ich mir sicher. Niemand, den ich kannte, hatte eine Wahl gehabt, als er verwandelt wurde. Bella hingegen hatte sie - indirekt. Ich nahm sie ihr mehr oder weniger ab. Ich war verantwortlich für ihre Seele. Und ich hatte sie ihr bewusst geraubt. “Es tut mir Leid”, nuschelte ich leise in ihre Haare. Sie reckte kurz das Kinn und seufzte, ehe sie ihren Kopf dichter an meine Brust schmiegte. Ich ließ mich von dem Gefühl tragen, als ihre Wärme auf meine Kälte traf, wohl wissend, dass es bald enden würde. Wie ein Süchtiger, nein, wie ein fanatischer Genießer teurer Weine, kostete ich jede Sekunde, jede Berührung und jede Bewegung ihrerseits aus, als wären es bereits die letzten. Mehr oder weniger waren sie das auch. Die ersten Sonnenstrahlen stahlen sich durch die Gardine und verkündeten die Zeit, die ohne Pause fortwährend lief, und mir nur allzu gut ihre Begrenztheit vor Augen hielt. Bella müsste bald aufwachen, deshalb wollte ich meinen Arm wegziehen und aufstehen, doch sie hielt ihn eisern fest. Mit ein wenig Kraftaufwand meinerseits konnte sie jedoch nicht mithalten und so entfernte ich ihn letztendlich von ihr. Ich wollte sie nicht mit meinem Verhalten erschrecken, wenn sie wach würde. Ein fast Fremder würde ohne jeden Grund neben ihr auf dem Bett liegen. Sie hätte zu den völlig falschen Schlussfolgerungen kommen können, schließlich kannte ich ihre Gedanken nicht. All meine Erklärungen für ihr außerordentlich seltsames Verhalten waren nur Vermutungen, basierend auf Erfahrung und Kenntnis eines ganzen Jahrhunderts, welches ich durchlebt hatte und etliche Verhaltensmuster zu Gesicht bekam. Ihre wahren Gefühle kannte ich nicht. Ich setzte mich in einen Sessel, der nicht weit entfernt in einer Ecke des Raumes gegenüber dem Fenster stand und war im Schatten. Selbst dann noch, wenn das Sonnenlicht den Raum vollends erhellte. Ich betrachtete eine Weile das Mädchen vor mir. Ihre Brust hob und senkte sich in einen ruhigen Rhythmus und ich lauschte dem Klang ihrer Atmung. Ihr Gesicht war so friedlich im Schlaf. Kein Wässerchen konnte es trüben und all die Sorgen und Ängste schienen wie in Luft aufgelöst. Den ganzen Morgen über war kein einziges Anzeichen zu erkennen, das mir das Ende ihres Schlafes bedeutete. Bis hin zum Mittag. Von Minute zu Minute wanderte das Morgenlicht winzige Zentimeter weiter ins Zimmer, erreichten ihr Bett und schlängelten sich langsam über die Decke, unter der die Konturen ihrer Beine zu erkennen waren, ihren Armen, ihres zierlichen Körpers bis hin zu ihrem Gesicht, dessen Haut sich leicht rötete, als die Wärme der Strahlen das Blut in den feinen Äderchen darunter schneller fließen ließ. Als es dann ihre Lider traf, blinzelte sie plötzlich, kniff die Augen ein wenig zusammen und drehte den Kopf leicht hin und her. Sie holte tief Luft, bevor sie ihre Augen öffnete und verschlafen zum Fenster blickte. Verwirrung war zu erkennen. Womöglich musste sie sich erst wieder an die letzten Ereignisse erinnern. Langsam ließ sie ihren Blick durchs Zimmer wandern, welches sie mit Erstaunen betrachtete. Ihre Miene hatte sich in Enttäuschung verwandelt und kurz bevor sie mich hätte bemerken können, meldete sich ihr Magen plötzlich. Etwas gequält legte sie die Hand auf ihren Bauch. Wie ich es mir dachte. Sie hatte über Nacht nichts gegessen. Das nagende, leere Hungergefühl musste schon fast unangenehm sein. Lautlos stand ich auf, nahm das Telefon auf dem Nachttisch und bestellte beim Zimmerservice Frühstück. Bella erschrak in dem Moment, als ich den Hörer ergriff, wählte und die Dame am anderen Ende begrüßte. Ich sah zu ihr und stellte zu meiner Überraschung fest, wie ihre rehbraunen Augen sich weiteten und anfingen zu leuchten, während sie mich wie hypnotisiert musterte. Nicht sicher, ob ich wirklich da wäre. Beruhigend lächelte ich sie an und sie erwiderte es, wobei ihre Wangen sich leicht röteten. Ich legte auf und widmete mich jetzt voll und ganz dem einzigen Menschen, der mich je interessierte. “Guten Morgen.” “Morgen”, begrüßte sie mich ebenfalls. “Das Frühstück wird gleich da sein. Dann kannst du dich wieder stärken”, erklärte ich ihr und deutete mit einem leichten Schmunzeln auf ihren Bauch. Verlegen senkte sie etwas den Kopf und ihre Lippen formten sich zu einem zögerlichen, knappen Lächeln. “Danke”, sagte sie und wandte ihren Blick plötzlich ab, um sich im Zimmer umzusehen. “Das muss wirklich eine Menge kosten, diese Suite.” Eine ihrer Augenbrauen zog sich nach oben, dann seufzte sie resigniert. “Was ist?” wollte ich wissen und setzte mich an den Rand des Bettes. Der plötzlichen Nähe bewusst, klopfte ihr Herz schneller und lauter und ich musste mir beinahe auf die Lippen beißen, um mein Grinsen zu verbergen, was aber bald einfach wurde, da Bella nicht antwortete und mich das ziemlich ungeduldig machte. “Könntest du mir bitte sagen, was du hast?” fragte ich sie abermals und sah ihr tief in die Augen. Für einen Moment verlor sie sich in dem Blick und ich hätte am liebsten ihre Wange berührt, doch ich hielt mich dieses Mal zurück. “Bella?” hakte ich noch einmal nach und achtete auf einen ruhigen, melodischen Klang in meiner Stimme. “Ich… nehme nicht an, dass ihr hier zufälligerweise Kleidung in meiner Größe habt, oder?… Ich würde mir eigentlich liebend gerne ein paar frische Sachen anziehen…” erklärte sie und sah aus, als hätte sie sich innerlich die Frage schon selbst beantwortet. Es war offensichtlich, dass sie sich in den Sachen vom Vortag unwohl fühlte und sich wahrscheinlich frisch machen wollte, auch wenn mir das eigentlich nichts ausmachte, da ich nur ihren lieblichen, blumigen Duft wahrnahm. “Ist nicht weiter wichtig”, meinte sie plötzlich, als sie meinen überraschten Gesichtsausdruck sah, und winkte ab. “Nein, ist schon okay. Wenn du möchtest, gebe ich dir welche von mir. Sie sind zwar ein bisschen zu groß, aber…” “Wirklich?” fragte sie mich völlig verblüfft, wobei sich ihre Haut unterhalb der Augen wieder rötlich verfärbte. Einer meiner Mundwinkel zog sich nach oben, als ich nickte, und Bella kurz vergaß zu atmen. “Warte kurz. Ich hole sie.” Ich stand auf und ging ins Wohnzimmer. Unsere Taschen standen immer noch dort, wo wir sie bei unserer Ankunft abgestellt hatten. Schnell suchte ich etwas heraus, was nicht allzu groß für sie schien. Ein weißes Hemd, eine dunkle Jeans und einen Gürtel, damit die Hose nicht rutschte. Als ich wieder zurückging, blieb ich plötzlich eine Sekunde erschrocken stehen, da Bella nicht mehr im Raum war. Dann allerdings vernahm ich ihren Geruch im Bad, das gleich ans Schlafzimmer grenzte. Die Tür stand einen Spalt breit offen und ich klopfte vorsichtig. “Ja, herein”, hörte ich ihre Stimme, die viel zu schnell etwas ausgesprochen hatte, was Bella selbst zu überraschen schien, als ich ihren schneller werdenden Puls hörte. Ich kam ihrer Bitte nicht nach. Soviel war von meinen menschlichen Zügen noch übrig geblieben, dass ich einer Frau ihre Privatsphäre ließ. Ich hielt die Sachen durch den Türspalt, ohne auch nur zu versuchen, einen Blick hineinzuwerfen. “Danke.” Sie nahm die Kleider entgegen, wobei ihre Hand kurz meine streifte. Dieser Augenblick, und mochte er auch nur kurz sein, veranlasste einen unglaubliches Kribbeln und wäre ich dazu in der Lage gewesen, hätte ich eine Gänsehaut bekommen. Bella schien es nicht anders zu gehen. Zwar zog sie ihre Hand abrupt weg, als hätte sie ein Stromschlag getroffen, doch für mich war die Berührung immer noch lang genug, um die plötzliche Hitze zu spüren, die ihr schneller fließendes Blut verursachte. Ich konnte nicht anders, ich musste lächeln. Ich schloss die Tür, ging zurück ins Wohnzimmer und stellte mich seitlich ans Fenster, um hinaus zu schauen. Schon bald hörte ich aus dem Bad Wasser rauschen, als die Dusche aufgedreht wurde. Da sah ich es plötzlich. Nicht weit entfernt, in einer dunklen Gasse zwischen zwei Häuserreihen blickte mir ein purpurrotes Augenpaar entgegen. Der Vampir, dem sie gehörten, kam einen Schritt näher, wobei ein Sonnenstrahl seinen Umhang erfasste. Einen Umhang, der ihn soweit schützte, dass nicht die geringste Gefahr bestand, seine nackte Haut könne ebenfalls vom Licht getroffen werden. Er konnte sich ungehindert in der Hitze des Tages bewegen, ohne aufzufallen. Erst jetzt fiel mir auf, dass er nicht der einzige Vampir war, der in meine Richtung starrte. Hinter einer Ecke, neben einer Gruppe von Menschen, die denjenigen ungläubig ansahen, weil er bei diesen Temperaturen mit einem Mantel umherlief, hinter einem Baum, durch das Fenster eines Hauses, vor einem Auto, im Glockenturm, zwischen den Ruinen… Sie machten sich gar nicht erst die Mühe unentdeckt zu bleiben. Ich knirschte mit meinen Zähnen und presste wütend meine Lippen zusammen, als ich leise knurrte. Aro hatte nicht übertrieben, als er meinte, er würde die Stadt mit genügend Wachen besetzen. Sogar Demitri befand sich unter ihnen und grinste mir frech entgegen. Meine Augen verengten sich, als ich sein gehässiges Gesicht sah und kalt zurückstarrte. Unser kleines Blickduell wurde jedoch vom Klingeln an der Tür unterbrochen und ich wandte mich ab, um den Zimmerservice hineinzulassen. Als ich die Tür öffnete, sah die Kellnerin auf und sofort weiteten sich ihre Augen. Die haben wirklich nicht übertrieben… Oh mein Gott… “Zimmerservice…” japste sie mehr kleinlaut, doch ich schenkte ihrem Benehmen keinerlei Achtung. “Stellen Sie es bitte dort hin”, sagte ich und deutete auf die Stelle neben dem Sofa. Sie nickte nur benommen und schob den Wagen mit wackeligen Beinen in die genannte Richtung, wobei ihr Herz raste, als sie an mir vorbeiging. Als sie beim Sofa angekommen war und das Frühstück auf dem kleinen Tisch davor aufgebaut hatte, blieb sie stehen und wartete. Eigentlich nur auf Trinkgeld, doch ihre Gedanken verrieten mehr. Ich drehte ihr den Rücken zu, um schnell etwas Geld zu holen. Selbst wenn ich sie nicht sah, so wusste ich doch, dass sie sich leise an mich heranschleichen wollte, um eine Aus-Versehen-Situation zu erzeugen. Was auch immer sie sich vorstellte, ich wusste es bereits vorher und konnte dem ohne weiteres ausweichen. Diese Menschen waren wirklich mehr als einfach gestrickt. Sie war sogar über Bellas Anwesenheit im Bilde, doch das störte sie nicht, ihr Vorhaben in die Tat umsetzen zu wollen. Ich holte ein paar Dollar heraus und drehte mich wieder der Kellnerin zu, die erstaunlicherweise bereits sehr dicht stand. “Danke”, sagte sie und nahm das Geld entgegen, ohne ihren Blick von mir abzuwenden. Doch ich sah sie nicht an, sondern das Mädchen, das jetzt etwas verlegen in der Tür zum Schlafzimmer stand und mein Lächeln erwiderte. Die Kellnerin bemerkte ebenfalls meinen abwesenden Gesichtsausdruck und drehte sich zur Ursache meiner Ablenkung. Sie hielt kurz die Luft an, als ihr klar wurde, dass Bella meine Sachen anhatte und ich presste meine Lippen zusammen, um nicht zu grinsen. “Sie können dann gehen”, wies ich sie mit kalter Stimme an, als ihre Gedanken etwas feindselig wurden. Ich ging zur Tür und hielt sie ihr auf. “Ah, eine Bitte habe ich noch.” Schnell ging ich in Richtung Schlafzimmer, an Bella vorbei, wobei ich ihr von der Seite kurz in die Augen sah, und holte den Speisewagen mit den kalten Nudeln, der immer noch im Zimmer stand. “Den können Sie wieder mitnehmen. Wir sind leider nicht dazu gekommen, es zu essen.” Die Kellnerin starrte mich mit geweiteten Augen an, ehe sie ganz verwirrt nickte. Einen Moment lang sah sie noch zu Bella, dann zu mir - es war sicher, dass sie das falsch verstanden hatte - bis sie letztendlich den Wagen nahm und schnellen Schrittes unser Zimmer verließ. “Das Frühstück ist da”, meinte ich und deutete zur Couch. “Tut mir Leid wegen über Nacht. Du hast das Essen ganz umsonst bestellt gehabt.” Sie ging zum Sofa und setzte sich, während sie etwas misstrauisch das Frühstück betrachtete. “Ist schon in Ordnung. Das macht nichts.” Langsam ging ich auf sie zu und deutete neben sie. “Darf ich?” Sie sah mich kurz an, ehe sie begriff, was ich meinte, dann nickte sie und rückte etwas zur Seite, wobei ihr Puls wieder deutlich schneller wurde. Verlegen wandte sie sich ab und fing langsam an zu essen. “Wie es aussieht, passen die Sachen einigermaßen”, bemerkte ich, als ich mich aufs Sofa setzte. “Ja, ein klein wenig zu groß, aber das ist nicht weiter tragisch.” Sie nahm sich eines der Croissants, rückte auf der Couch ein wenig nach hinten, um ihre Beine hochzulegen und anzuwinkeln, und dann zur Seitenlehne, um mich direkt ansehen zu können. “Also, ich bin ganz Ohr.” Früher oder später musste es zu dieser Situation kommen, die unausweichlich war. Mir wäre später lieber gewesen, doch wir hatten keine Zeit dafür. Ich lehnte mich ebenfalls zurück und legte einen Arm über die Rückenlehne. So konnte ich sie direkt ansehen und jede einzelne ihrer Reaktionen beobachten. Reaktionen, die wichtig für das Nachher waren. Wenn sie alles wusste und eventuell die Flucht ergreifen wollte. “Es ist schwer, den richtigen Anfang zu finden.” Ich war nervös, doch ich konnte es soweit unter Kontrolle halten, dass Bella es nicht mitbekam. “Ist dir an mir oder gestern in dem anderen Gebäude irgendetwas ungewöhnliches aufgefallen?” fragte ich. Vielleicht war das die beste Möglichkeit, eine Verbindung zu schaffen. Ich sah, wie sie einen Moment lang überlegte und dann die Luft scharf einsog, als ihre Augen feucht wurden. Ihr Herz schlug unregelmäßig. Plötzlich wusste ich, woran sie gerade denken musste. “Es tut mir Leid. Ich wollte nicht, dass du dich wieder an diese grässlichen Ereignisse erinnerst”, versuchte ich es und legte meine Hand auf ihre nackten Füße. Sie zuckte kurz, als meine Kälte sie berührte und ich zog meine Hand schnell wieder weg. Allerdings war ihre Haut nicht sehr viel wärmer als meine, auch wenn ihr Blut wieder schneller durch die Venen floss. Ich nahm die Decke, die hinter mir über der Lehne hing, legte sie über Bellas Beine und wickelte ihre Füße fest darin ein. “Danke…” sagte sie etwas zögerlich. Sie musste wirklich seltsam von mir denken. So wie ich mich in ihrer Nähe benahm. “Na ja, ein paar Dinge sind mir schon aufgefallen”, fing sie an und kam von ganz alleine auf das Thema zurück. “Zum Beispiel, dass du ungewöhnlich schnell bist. Nicht nur in den alten Theaterruinen, auch gestern… Und ziemlich stark. So wie du diesen anderen Kerl gepackt hast… Der, der Jen… der sie…” Sie schluckte. Den letzten Satz konnte sie nicht aussprechen. “Schon gut. Ich weiß, wen du meinst.” Ich lächelte mitfühlend und sie nickte dankbar. “Sonst noch etwas, das vielleicht etwas komisch ist?” fragte ich weiter. “Deine Augen. Das hab ich über Nacht ja bereits gesagt. Ihre Farbe wechselt irgendwie ständig. Heute zum Beispiel sind sie hellbraun. Vor ein paar Tagen waren sie heller, mehr golden…” Ich nickte. “Noch mehr?” Einen Augenblick überlegte sie. “Ich weiß nicht, ob das jetzt so ungewöhnlich ist. Vielleicht hab ich mir das auch nur eingebildet, aber mir kam es so vor, als würdest du manchmal auf etwas antworten, was niemand gefragt hat.” Etwas erstaunt hob ich die Augenbrauen. Dass sie das auch bemerkt hatte, überraschte mich. Ich dachte immer, dass ich leise genug gesprochen hatte, sodass es kein Mensch mitbekommen würde. Doch scheinbar entging ihr noch nicht einmal das. “Wie gesagt, es kann sein, dass ich mir das nur eingebildet hab”, meinte sie, als sie meinen verblüfften Gesichtausdruck sah. “War das alles, oder gibt es noch mehr?” Sie schüttelte den Kopf. “Abgesehen davon, dass du eine ziemlich niedrige Körpertemperatur hast und vielleicht mal einen Arzt konsultieren solltest, eigentlich nicht.” Einer meiner Mundwinkel zuckte leicht nach oben. “Ja, das stimmt.” Einen Moment schwiegen wir und Bella kaute an ihrem Croissant. “Warte, eins wäre da noch”, sagte sie plötzlich. “Diese anderen Leute… Die hatten Ähnlichkeit mit dir und deinem Freund. Aber nur fast. Ihre Augen waren nicht so goldfarben, sondern irgendwie schwarz. Unheimlich auf eine merkwürdige Weise…” Ich nickte wissend. “Das hängt mit unserer Ernährung zusammen.” Bella hob verwirrt die Augenbrauen. Jetzt würde der Teil kommen, vor den ich mich am meisten fürchtete. Als Ewiglebender hatte ich nie vor etwas Angst gehabt, doch jetzt gab es etwas. “Weißt du… Ich… Wir, Carlisle und die Personen von gestern sind keine… Menschen”, fing ich an, hielt dann aber inne. Was wenn sie plötzlich Panik bekam und anfing zu schreien? Was sollte ich dann machen? Es wäre ein Leichtes, sie ruhig zu stellen, doch ich wollte ihr nicht wehtun. Auf gar keinen Fall. In diesem Hotel für Unruhe zu sorgen, wäre unangebracht. “Was meinst du damit?” Sie sah mich fragend an, wobei ihre Atmung langsam schneller ging. Einen Moment lang schwieg ich, ehe ich ihr mit langsamer Stimme antwortete. “Du hast bestimmt schon mal von… Vampiren gehört, oder?” Mit größter Achtsamkeit betrachtete ich jeden ihrer Gesichtszüge. Sie hatte aufgehört zu essen, hielt das halbe Croissant lose in der Hand und starrte mich nur an. Ich sah, dass ihr Gehirn auf Hochtouren arbeitete, allerdings hätte ich nicht damit gerechnet, dass sie mir bereits beim ersten Versuch Glauben schenken würde. Eher dass sie es als Scherz abtat und vielleicht sogar anfing zu lachen. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis sie sich endlich wieder regte. “Soll das heißen, du bist einer? Ein… Vampir?” fragte sie zögerlich. Ihr Herz klopfte wild und sie sog zittrig die Luft ein. Ich nickte. Abermals fing sie an, über alles nachzudenken und eventuell sogar die letzten Tage Revue passieren zu lassen. Ich bemerkte, wie sie ihre Hand langsam an ihren Hals legte und sich womöglich genau in diesem Moment an das alte Theater erinnerte. Als ich sie damals fast gebissen und somit getötet hätte. “Dann hast du mich gar nicht…” stellte sie fest, ohne den Satz wirklich beenden zu wollen. Ich wartete bereits auf einen Schrei ihrerseits oder etwas Ähnliches, das ihre Angst signalisierte - wenn ich ihre Gedanken lesen könnte, wüsste ich schon, was genau sie jetzt von mir dachte, von dem Monster, das ihr gegenübersaß. Doch ich sah nichts. Kein Zeichen, dass sie drauf und dran war, die Flucht zu ergreifen. Zwar konnte ich ihre Aufregung spüren, doch diese hatte nicht wirklich etwas mit Furcht zutun. Sie saß nur da und beobachtete mich, so genau wie ich sie. “Tut mir Leid wegen damals. Glaub mir, wenn ich mich besser unter Kontrolle gehabt hätte, wäre es gar nicht soweit gekommen.” Ich hoffte, sie würde mir glauben. Hastig schüttelte sie den Kopf. “Nein. Es ist ja nichts passiert. Außerdem, wenn du nicht da gewesen wärst, wäre ich jetzt vielleicht tot. Du hast mir das Leben gerettet. Und das nicht nur einmal. Gestern auch. Dafür bin ich dir mehr als dankbar”, sprach sie so schnell, dass ein normaler Mensch wahrscheinlich nicht viel verstanden hätte. “Hast du gar keine Angst vor mir?” fragte ich sie vorsichtig. Ihr Verhalten passte so gar nicht in das Schema eines Menschen. Einer Rasse, die vor allem Angst hatte, was sie nicht kannte. “Nein”, kam ihre Antwort viel zu schnell. Ein klein wenig war sie durchaus auf der Hut, wollte es mir gegenüber jedoch nicht zeigen. Oder sie redete sich selbst ein, keine Angst zu haben. Ich wurde einfach nicht aus ihr schlau. Ihr Handeln war so unvorhersehbar. So vollkommen abwegig von dem, was man eigentlich erwartete. “Wirklich nicht”, sagte sie noch einmal mit etwas Nachdruck, als sie meine Skepsis sah. “Und du glaubst mir tatsächlich?” Ich musste diese Frage noch einmal stellen, um mehr Gewissheit zu haben. Sie nickte. “Also sind die anderen auch alles… Vampire… Das würde das, was ich mit angesehen hab, doch irgendwie erklären… Ich meine, ich hab keine Waffen oder Ähnliches gesehen oder gehört…” Sie holte tief Luft - und fing an zu zittern. “Das, was sie gestern gemacht haben… Mit all den Menschen…” “Das war ihre Nahrung. Eure so genannte Reiseleiterin ist ebenfalls ein Vampir. Sie ist dafür zuständig, immer frische Beute anzulocken. Ich hatte Glück, dass ich noch rechtzeitig bei dir war, bevor sie anfangen konnten.” Bella schluckte und blickte nachdenklich ins Leere. Plötzlich hob sie ihren Kopf und sah mich direkt an. “Warum hast du mich gerettet? Wir kennen uns kaum.” Ehrlich gesagt war ich auf diese Frage nicht gefasst. Die ganze Zeit hatte ich mir darüber den Kopf zerbrochen, wie sie es aufnehmen würde, wenn ich ihr von unserem Geheimnis erzählte. Allerdings tat es auch wirklich gut, mich mit ihr zu unterhalten, nachdem sie Bescheid wusste - auch wenn ich immer noch jede Sekunde erwartete, dass sie schreiend herauslief. “Ich… Eigentlich sollte ich mich von dir fern halten. Ich bin gefährlich für dich. Besonders für dich. Und trotzdem konnte ich nicht zulassen, dass dir etwas passiert, was eigentlich einen Widerspruch in sich darstellt”, versuchte ich zu erklären. “Wieso solltest du gefährlich für mich sein?” “Dein Blut… Es hat einen besonderen Reiz auf mich. Es singt für mich…” Etwas verwirrt hob sie eine ihrer Augenbrauen, wartete aber, bis ich fortfuhr. “Das ist schwer zu erklären. Dein Blut… Es wirkt auf mich tausendmal stärker als das von anderen. Die Verlockung, es zu trinken, ist viel größer. Wenn man jemandem begegnet, der eine solche Verlockung auf einen Vampir ausübt - und das passiert nicht sehr oft -, dann hat man sich kaum noch unter Kontrolle. Die Instinkte gewinnen die Oberhand über das Handeln und schieben den Verstand in den Hintergrund. Eigentlich wärst du schon lange tot.” Spätestens jetzt sollte sie Angst haben, richtige Angst. Zwar unbegründet, da ich es mittlerweile beherrschen konnte, doch für sie musste es sich noch erschreckend anhören. “Was ist los?” fragte sie mich, als sie bemerkte, dass ich sie genauestens betrachtete. “Ich warte darauf, dass du wegläufst.” “Wieso sollte ich weglaufen?” “Jeder normale Mensch würde es.” Ihre Augen wurden schmal. “Vielen Dank.” “Bitte versteh mich nicht falsch. Es ist einfach ungewohnt, sich mit jemandem darüber zu unterhalten, der selbst keiner von uns ist und mehr unsere Beute darstellt”, erklärte ich. “Wenn wir eure… Nahrung sind… Wieso hast du dich dann nicht daran beteiligt? Stattdessen beschützt du mich. Ich verstehe das nicht.” Ihr Gesicht verriet Skepsis und Verwirrung. “Oh, wir - unsere Familie - trinkt kein Menschenblut. Das würden wir nie tun. Wir haben dem abgeschworen. Mein Vater ist der Überzeugung, dass es noch einen anderen Weg gibt, als Vampir die Ewigkeit zu verbringen. Er ist wirklich unglaublich. Seine Fähigkeit, menschlichem Blut komplett zu widerstehen, hat noch niemand übertroffen. Dadurch kann er sogar in einem Krankenhaus arbeiten…” “Warte mal, Edward”, unterbrach sie mich. “Wenn ihr unser Blut nicht trinkt, meins aber so reizvoll auf dich wirkt und dein… Vater der Einzige ist, der dem so gut standhalten kann, wieso hast du mich… dann noch nicht angefallen?” Eine Frage, bei der ich wirklich Schwierigkeiten hatte, eine passende Antwort zu finden. Ich verstand es selbst kaum, wie ich ihr geradeso widerstehen konnte. “Carlisle ist nicht der Einzige, der dem entsagen kann. Wir alle können das. Schließlich leben wir schon eine ganze Weile auf diese Art. Nur dein Blut hat so einen unwiderstehlichen Reiz auf mich. Einem, bei dem man normalerweise nicht Nein sagen kann. Irgendwie habe ich es geschafft, nicht auf dich loszugehen, doch ich hab keine Ahnung wie. Ständig kamen mir Ideen, wie ich dich an einen einsamen Ort locken könnte, oder ob ich mich nicht einfach gehen lassen sollte, meiner Natur folgen. Doch dann kam mir meine Familie wieder in den Sinn. Das, was wir aufgebaut hatten, wollte ich nicht durch meine Unfähigkeit wieder zerstören. Ich gebe zu, dass ich dich dafür am Anfang gehasst habe.” Eine ihrer Augenbrauen hob sich. “Tut mir Leid.” Ich musste gerade wirklich überlegen, ob ich mich nicht eben verhört hatte. “Wieso entschuldigst du dich? Du bist doch die Letzte, die etwas dafür kann. Du warst nur ein einfacher Mensch und trotzdem hieltest du mich auf eine gewisse Weise gefangen. Das war mir bis dahin noch nie passiert.” Als ich die Worte aussprach, verfärbten sich Bellas Wangen wieder leicht rot und etwas überrascht weitete sie die Augen. Ganz kurz, und so, dass nur ich es sehen konnte, zuckten ihre Mundwinkel. Sollte das bedeuten, der Gedanke daran gefiel ihr? Ich musste zugeben, im Nachhinein war ich froh, dass sie mir begegnet war. Auch wenn die Umstände besser hätten sein können. Plötzlich setzte Bella sich erschrocken auf, als wäre ihr gerade etwas wichtiges eingefallen. “Oh mein Gott!” “Was ist los?” fragte ich und mein Körper spannte sich bereits an - achtsam, was als nächstes kommen würde. “Ich muss meine Mum anrufen. Sie macht sich immer gleich Sorgen, wenn ich mich einen Tag mal nicht melde. Außerdem sollten wir heute normalerweise wieder nach Hause fliegen. Das heißt, ich muss vorher unbedingt mit ihr reden. Ich darf doch dein Telefon benutzen, oder?” Sie wollte bereits aufspringen und vom Sofa herunter, doch ich packte sie vorsichtig am Arm und hielt sie zurück. “Du kannst nicht mit ihr sprechen.” Ich versuchte, so ruhig wie möglich zu klingen, um keine Panik in ihr aufkommen zu lassen. Doch bei dem, was ich ihr gleich sagen musste, würde sie garantiert so reagieren. Keine Angst vor Vampiren hin oder her. “Wie bitte?” Fragend und verwundert sah sie mich an und ihr Herz hämmerte unaufhörlich. “Offiziell bist du tot. Genauso wie der Rest deiner Reisegruppe.” Im ersten Moment war sie wirklich sprachlos. Sie sah mich nur an und ihre Augen wurden immer größer. “Warum?” flüsterte sie so leise, dass ihre Stimme nicht mehr als ein Hauchen war. “Auch Vampire müssen ihre Spuren verwischen. Diese anderen, die du gestern gesehen hast - Volturi nennen sie sich -, müssen ihre Beute auch irgendwie beseitigen, ohne das jemand verdacht schöpft. So eine Reisegruppe verschwindet nicht einfach so von heute auf morgen. Euer Bus hatte heute wahrscheinlich einen Unfall.” Nur langsam sickerten die Informationen in ihr Bewusstsein, das krampfhaft versuchte, das eben gehörte zu verstehen. Ich sah, wie ihr Blick leer wurde, als sie an mir vorbeistarrte und sich auf einen Punkt irgendwo hinter meinem Rücken konzentrierte. “Aber das Blut… Sie müssen doch merken, dass die Körper keines mehr haben.” Ihre Stimme klang tonlos und wirklich interessieren schien es sie auch nicht. Dennoch erklärte ich es ihr vorsichtig. “Nach einer vollständigen Verbrennung des Autowracks ist das nicht mehr nachzuweisen.” Ihr Kopf schnellte wieder zu mir und ich erkannte, wie ihre Augen langsam feucht wurden und sich mit Tränen füllten. “Und warum bin ich dann noch am Leben? Wenn ich sowieso nicht zurück zu meiner Familie kann…” fragte sie in einem brüchigen Ton. Zu gerne hätte ich sie jetzt in die Arme genommen und sie getröstet. Ihr gesagt, dass alles gut werden würde und dass sie sich keine Sorgen machen brauchte. Doch das wäre gelogen gewesen. Und von einem Vampir hätte sie sich bestimmt auch nicht mehr berühren lassen. Wer würde das schon? Ich hatte gerade ihr gesamtes Leben mit nur ein paar Worten zerstört und dabei wusste sie noch nicht einmal das Schlimmste von alldem. Dass sie selbst ein Vampir werden würde. Plötzlich spürte ich ihre Hand auf meiner und erschrocken schreckte ich aus meinen Gedanken. “Edward? Da ist noch mehr, oder?” Ich erwiderte leicht den Druck ihres Griffes und blickte ihr mitfühlend in die Augen. Nur ein paar Worte, die ich versuchte, über die Lippen zu bringen, und dennoch musste ich hart kämpfen, um sie auszusprechen. “Bella… Du hast nur überlebt, weil ich mit Aro ausmachen konnte, dich zu… verwandeln.” ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)