Sport ist Mord von abgemeldet (Taito) ================================================================================ Kapitel 1: Ein kleiner Unfall ----------------------------- Genervt knurrte Matt und ließ seinen Bleistift kreisen. Er hasste Mathe, und wie er es hasste. Logisches und mathematisches Denken war einfach nicht seine Stärke und anscheinend brauchte man das für dieses Fach. Zum Glück schien er nicht der Einzige zu sein, dem im Moment hunderte von Fragezeichen um den Kopf schwirrten. Viel schlimmer schien es seinem Banknachbarn, Tai, zu gehen, der wohl bereits aufgegeben hatte zu versuchen den Unterricht zu verstehen. Gelangweilt malte dieser einen Fußball neben einer unfertigen Rechenaufgabe. Matt musste bei diesem Anblick unwillkürlich schmunzeln. „Kann mir jemand den Wendepunkt der Aufgabe 3 sagen?“, fragte Frau Mizuki mit herunter gerutschter Brille. Matt verdrehte die Augen. Es war ja nicht so, dass er sich nicht anstrengte. Früher war er in jedem Fach recht gut gewesen, sogar in Mathematik. Doch mit der Zeit entwickelte er ein Desinteresse, was wohl daran lag, dass er sich immer mehr mit seiner Musik beschäftigte. Vor vier Jahren hatte er mit seiner Schulband klein angefangen und nun waren sie bereits soweit ihre zweite Platte aufzunehmen. Es erschien ihm wie ein Traum. Sie hatten Gigs und konnten sich vor Fans kaum noch retten. Schon merkwürdig, dass sich alles innerhalb von ein paar Monaten so ändern konnte. Matt schüttelte seine Blonde Mähne. Er musste sich konzentrieren, auch, wenn es ihm schwer fiel. Hach, verdammt. Diese Ableitung war einfach zu schwierig! Neben ihm hörte er ein leises Seufzen. Dem Wuschelkopf schien es wohl genauso zu gehen. „Was ist denn mit euch los? Es wäre schön, wenn sich nicht immer die gleichen melden“, nörgelte Frau Mizuki und legte ihr Buch beiseite. Das Läuten der Schulglocke ertönte wie aus dem Nichts und die ganze Klasse seufzte kollektiv erleichtert auf. Matt tat es ihnen gleich. „Puuh, endlich ist die Stunde vorbei und wir können zu den angenehmeren Fächern des Tages übergehen“, sagte Tai und streckte sich ausgiebig. Matt hingegen schaute verwirrt. Angenehmere Fächer? Was hatten sie gleich nochmal nach Mathe? Es war Freitag. Freitag! Oh nein! Matt legte seinen Kopf auf die Bank und schloss seine Augen. Das konnte nicht wahr sein. Er hatte aber auch überhaupt kein Glück mehr. „Hey, Matt, geht es dir nicht gut?“, fragte Tai besorgt. „Du weißt, dass Herr Tomiya einen Anfall bekommt, wenn du Sport schon wieder schwänzt.“ „Ich weiß, ich weiß“, gab Matt genervt zurück. Träge öffnete der Blonde seine Augen. Er sah aus dem Fenster und was er dort erblickte bereitete ihm bereits jetzt Magenschmerzen. Die Sonne schien, es waren über dreißig Grad, ergo: Sportunterricht draußen. Und das war hundertmal schlimmer als in der Halle. „Wir müssen los, Yama. Sonst kommen wir noch zu spät“, sagte Tai und klopfte Matt auf die Schulter. „Ich bin doch schon halb auf den Beinen, siehst du das nicht?“, fragte der Blonde sarkastisch. „Oh doch, ich sehe es“, grinste der Braunhaarige und schulterte seine grüne Tasche auf. Es gab kein zurück - Matt musste aufstehen und sich auf den Weg in Blamage und sinnloser Schwitzerei machen. Fahrig fuhr er sich durch die blonden Haare und tat es Tai gleich, indem er seine Sporttasche nahm und sich auf den Weg machte. „Ist doch super Wetter zum Sporttreiben“, freute sich Tai und holte einen Lutscher aus seiner Tasche hervor, welchen er sofort in den Mund steckte. Matt musste schmunzeln. Tai war wirklich noch wie ein kleines Kind. Im Moment brachte ihn nicht viel zum Lachen, doch sein bester Freund schaffte es immer wieder. Und den Sportunterricht konnte er auch nur dank ihm überstehen. Lachend kamen beide in der Jungenumkleide an. Der Großteil ihrer Klassenstufe war bereits da. Seit diesem Jahr wurden alle Jungs der zwölften Klasse zusammengewürfelt und hatten einmal in der Woche Sport. Zum einen war es ja nicht schlecht, so konnte man in der Gruppe gut untergehen, aber zum anderen nützte es Matt so oder so nichts, da Tomiya ihn ohnehin auf dem Kieker hatte. Unsportlich war für Matt eigentlich schon gar kein Ausdruck mehr. „Hey, Tai, du hast ja wahnsinnige Bauchmuskeln bekommen“, rief ihm Sukada, ein Mitschüler, zu. „Du solltest auch anfangen mit Fußball, dann wirst du vielleicht eines Tages so gut aussehen wie ich“, lachte Tai. Neugierig musterte Matt seinen besten Freund. Es war ihm schon länger aufgefallen, dass dieser dabei war einen richtigen Sportlerkörper aufzubauen. Bei dem Anblick der gebräunten Haut wurde er merklich rot. Schnell schüttelte er seinen Kopf und sah enttäuscht zu sich selber runter. Hühnerbrust und Flachbauch. Ganz und gar nicht erotisch. Nicht so wie Tai. „Hey, alles in Ordnung, Matt?“, fragte der Wuschelkopf besorgt. „Ja klar, mir geht es super.“ „Wirklich? Du siehst ganz blass aus und... könntest mal wieder ne richtige Mahlzeit vertragen“, gluckste Tai und fing an seinen Freund in die Seite zu kitzeln, was diesen aufschreckte. „Na warte, das kriegst du zurück“, blaffte Matt und wollte sich gerade auf seinen Freund stürzen, als die Türe geräuschvoll aufgestoßen wurde. „Los, raus mit euch! Ich habe mir was nettes für heute ausgedacht“, bellte Tamiya und schaute seine „Untergebenen“ durch die Sonnenbrille an. Lautlos huschten die Jungen auf den Sportplatz. Ja, der Sportplatz, wie Matt ihn doch hasste, viel mehr als Mathe. Dieser glich einem riesigen Präsentierteller, den alle begaffen konnten. Und das taten auch wirklich alle. Matt wusste es, er tat es ja selber, wenn andere Klassen Sport hatten. Wie immer stellten sie sich in zwei Reihen auf und warteten darauf, was Herr Tamiya mal wieder geistreiches zu sagen hatte. Erhaben stolzierte der stämmige Mann vor den Schülern und blickte in die Sonne. Matt musste sich unwillkürlich an eine Szene aus dem Film "Die Akte Jane" erinnern. „Wie ihr alle wisst bin ich äußerst unzufrieden mit der Disziplin und der Bereitschaft sich schweißtreibenden Sport hinzugeben. Aber das hat nun ein Ende. Nach längeren Diskussionen mit dem Schülerrat haben wir beschlossen den Sportunterricht von zwei auf vier Stunden zu verlängern. Dies gilt leider erst ab nächste Woche. Es war mir eine besondere Ehre euch diese grandiose Neuigkeit zu überbringen“, beendete die Ignoranz in Person seine Rede. Matt stöhnte innerlich auf. Er fasste es einfach nicht. Zwei Stunden Sport waren schon die Hölle aber nun vier? Vier?! Das musste wirklich nicht sein. Vorsichtig schielte er zu Tai herüber. Wie erwartet freute sich der Wuschelkopf. „Zum Aufwärmen lauft ihr erst mal fünf Runden um den Platz“, rief Herr Tamiya und pfiff Lauthals in seine Pfeife. Freudig fing Tai an rumzuhüpfen und war einer der ersten in der laufenden Masse. Matt jedoch war wie immer das Schlusslicht. Es war wirklich beschämend, dass er keine Kondition hatte, aber was sollte er machen? Zeit für Sport hatte er keine und um ehrlich zu sein auch keine Lust. Zudem schien die Sonne ihn wirklich ärgern zu wollen, denn nach bereits einigen Sekunden lief ihm der Schweiß in Strömen über die Haut. Fünf Runden. Wie kann dieser Sklaventreiber nur auf so eine Idee kommen? Jede Runde hatte ungefähr 500m, nach Adam Riese waren dies dann 2,5km. Matt verdrehte eine Augen. Lustlos trottete er hinter seinen Schulkameraden hinterher, während er versuchte den Schweiß aus seinen Augen zu wischen. „Leg mal einen Zahn zu, Ishida!“, brüllte Tamiya. „Ja, ja“, japste Matt und versuchte schneller zu rennen. Tai wendete seinen Kopf einen Stück nach rechts, um Matt sehen zu können. Warum musste Tamiya Matt nur so hart rannehmen? Er wusste doch, dass Matt keine Sportskanone war. Besorgt sah er seinen Freund weiter aus den Augenwinkeln an. Diesem schien bereits nach einer Runde die Puste auszugehen und die Temperaturen machten es ihm nicht wirklich einfacher. Aber was hätte Tai schon tun können? Am liebsten wäre er die Runden für seinen Freund gelaufen. Super, dachte Matt, jetzt beobachtete ihn sogar sein Freund mit Adleraugen. Angestrengt wischte er sich die Schweißtropfen von der Stirn und aus den Augen. Langsam konnte er wirklich nicht mehr. Seine Beine fühlten sich an wie Blei. Und sie hatten noch nicht mal zwei Runden geschafft. Aus heiterem Himmel wurde ihm auch noch auf einmal schwindelig. Er kniff seine Augen fest zusammen in der Hoffnung, dass es weggehen würde, doch stattdessen stolperte er über seine eigenen Beine und fiel längs hin. „Verdammt, Ishida, das gibt es doch nicht“, rief Tamiya und pfiff wieder in seine grüne Plastikpfeife. „Steh endlich auf!“ Doch Matt rührte sich nicht. Nun blieben auch die anderen Jungen stehen, allen voran Tai, der sofort zurück lief, um nach Matt zu sehen. „Matt, was hast du?“, rief Tai besorgt und drehte den Blondschopf um. Matt hatte die Augen geschlossen und war aschfahl im Gesicht. Die Jungen hatten einen Kreis um ihn gebildet und begafften das Schauspiel. Tai sah wütend nach oben, in die Gesichter der anderen und gab ihnen mit seinen Augen zu verstehen, dass sie sich um andere Sachen kümmern sollten. „Herr Tamiya, Matt muss ins Krankenzimmer!“, rief Tai dem mürrischen Lehrer zu. „Er ist ohnmächtig.“ „Dann schaff' ihn halt hin!“, sagte der Sportlehrer mit einer genervten Stimme. „Und ihr anderen lauft gefälligst weiter!“ Kapitel 2: Die Welt ist gegen mich ---------------------------------- „Wohaaa... das gibt’s nicht! Mein Schädel!“, jammerte Matt, der seine Augen noch geschlossen hatte. Langsam kam er wieder zu sich und das erste, was ihn begrüßt hatte, war ein stetiges Pochen in seinen Schläfen. „Matt...!“, rief eine ihm wohl bekannte Stimme. „Sei bitte leise. Mir platzt gleich die Schädeldecke.“ „Oh, natürlich...“ Langsam machte Matt seine Augen auf. Das Erste, was er sah war einfach nur grelles, weißes Licht, dass ihn zu verspotten schien. Seine blauen Augen brannten und irgendwie fühlte er sich einfach nur wie ausgekotzt. „Wo bin ich eigentlich?“, fragte er nun. „Im Krankenzimmer. Du bist während des Sportunterrichts zusammengeklappt. Lag wohl an der Hitze.“ Matt stöhnte auf. Das konnte doch nicht wahr sein. Wirklich! Die Welt war gegen ihn... Gott war gegen ihn. Das war die einzige Erklärung, die es dafür gab. Ihr Sportlehrer war jetzt sicher angefressener als sonst und noch angepisster, wenn es um ihn ging. Er wollte sich nicht vorstellen, was nächste Woche passieren würde, wenn sie glatte vier Stunden Sport hätten. „Ich will nach Hause, Tai“, sagte er leise, während er sich seine Schläfen massierte. „Soll ich dich begleiten? Mir ist unwohl bei dem Gedanken, dass du alleine gehst“, sagte Tai mit einem fürsorglichen Unterton. Matt nickte schnell und versuchte nun wieder seine Augen zu öffnen und sich an das Licht zu gewöhnen. Ächzend richtete er sich auf und schwang seine Beine aus dem Krankenbett, um sich mit Tai zusammen auf den Weg zu machen. Doch kaum stand er und wollte einen Schritt gehen, gaben seine Beine schon wieder nach und er hätte beinahe den Boden geküsst, wenn ihn Tai nicht gehalten hätte. „Geht's?“, fragte Tai besorgt und setzte dabei diesen unwiderstehlichen Hundeblick auf. „Um ehrlich zu sein: nein! Meine Beine fühlen sich an wie Wackelpudding", nuschelte Matt an Tai gelehnt. Wenigstens konnte er sich auf seinen Freund verlassen, wenn es sonst niemanden gab. „Soll ich dich tragen?“, fragte Tai unschuldig und zwinkerte ihm zu. Matt schaute ihn verwirrt an, dann seine Füße, die er kaum spürte und dann wieder zu Tai, der immer noch diesen verdammten Dackelblick hatte. Leicht widerspenstig nickte Matt dann schlussendlich. Na das konnte ja was werden. Von dem Wuschelkopf getragen zu werden schien ihm irgendwie eine nicht gerade tolle Idee zu sein. Tai schien sich jedoch auf das Huckepack-Spiel zu freuen und so schulterte er seinen Freund augenblicklich auf, nahm noch schnell ihre beiden Schultaschen und ging mit ihm aus dem Krankenzimmer. Die Schwester war anscheinend nicht da, was Matt nicht verwunderte, da diese viel lieber mit dem Biologielehrer zu flirten schien und die meiste Zeit mit diesem irgendwo in der Schule verbrachte, wo sie nur keiner stören konnte. „Du bist ganz schön leicht, Matt“, stellte Tai fest, als sie auf den Schulhof traten. „Tja~, sei doch froh. Dann musst du nicht so viel schleppen“, lachte Matt und zog aber gleichzeitig einen Schmollmund. Er wusste worauf dies hinauslaufen würde. „Das ist nicht lustig, Matt. Kein Wunder, dass du zusammengeklappt bist, so wenig wie du anscheinend mal wieder isst.“ „Ich kann es mir halt nicht leisten dick zu werden... niemand kauft CDs, wo ein fetter Sänger auf dem Cover ist.“ „...“ „Sorry, aber du weißt, wie ich das meine“, sagte Matt zögernd und legte seinen Kopf auf Tais Rücken. Er wollte dieses Gespräch nicht führen. Nie wollte er das, weil er wusste, wie es enden würde. „Ja, und du weißt, was ich davon halte. Ich will nicht, dass es dir schlecht geht.“ „Mir geht es nicht schlecht!“ „Ja, ist ja gut... wir hatten das Thema schon zu Genüge.“ Den restlichen Weg bis zu Matts Wohnung sagte keiner von ihnen mehr ein Wort. Matt wusste, dass sich Tai im Moment wohl wieder die Lippen zerbiss. Wie jedes Mal, wenn sie sich zofften. Müde schloss er seine Augen. Er hasste es, wenn sie nicht einer Meinung waren und dann vor allem, wenn es um ihn ging. Der Blonde wollte einfach nicht, dass der braune Wuschelkopf böse auf ihn war. Die Augen des Blonden waren so schwer und er glaubte sie nie mehr aufmachen zu können. Noch dazu waren die gehenden und leicht ruckelnden Bewegungen von Tai einfach zu beruhigend. Am liebsten würde er hier und jetzt einschlafen und erst in drei Tagen aufwachen. Tai seufzte schließlich hörbar auf, als sie endlich seinen Wohnbock erreicht hatten und den Fahrstuhl belagerten. Es dauerte nicht lange, bis sie im sechsten Stock angekommen waren. Matt war zwar einer von der leichteren Sorte, doch jemanden eine halbe Stunde auf dem Rücken tragen und das bei so einer Abendsonne, war auch für eine Taichi Yagami nicht einfach. „Hey, Matt, aufwachen!“, sagte Tai vorsichtig als er über seine Schulter schielte. Matt stöhnte wieder auf. Er wollte noch nicht von Tais Rücken runter. Hier oben war es so gemütlich. Plötzlich riss der Blonde seine Augen auf. Moment mal! Gemütlich? Wie von der Tarantel gestochen strampelte er merklich, so dass Tai ihn runter lassen musste. Matt schaute starr auf den Boden. Irgendwie traute er sich nicht so recht seinem Freund in die Augen zu blicken. Er hatte wirklich gedacht wie gemütlich Tai doch war... das dachte er nie! Ok, ab und zu schon... Vor allem in den letzten Wochen. Immer wieder mal. Nicht oft! Nur ab und zu... „Hey, alles in Ordnung, Matt?“, fragte Tai unsicher und hielt vorsichtshalber dessen Arm fest, da er immer noch leicht schwankte. „Ja, ja natürlich...“, sagte der Blonde immer noch irritiert von sich selber. Er versuchte sein bummerndes Herz zu beruhigen, doch die Hand an seinem Arm machte es ihm nicht einfacher. Schnell kramte er in seiner Hosentasche auf der Suche nach dem Haustürschlüssel. Nach einigen Fehlversuchen fand er diesen dann endlich und machte die Wohnungstüre auf. Er konnte den stechenden Blick von Tai regelrecht spüren, wie dieser ihn die ganze Zeit musterte. „Willst du noch mit reinkommen?“, fragte Matt und hätte sich am liebsten im selben Moment geohrfeigt. Erst so schnell es geht von Tai wegkommen oder besser gesagt runter kommen ihn nun einladen. Super, Yamato, noch paradoxer geht es ja wohl nicht! „Oh ja~“, freute sich der Braunhaarige wie ein kleines Kind. Matt musste schmunzeln. Ja, diese kindliche Art liebte er so an Tai. Er selber konnte es sich schon seit Jahren nicht mehr erlauben. Viel zu sehr stand er bereits auf seinen eigenen Füßen. Aber sobald er mit dem Braunhaarigen zusammen war, konnte er alles vergessen. Den Stress, dass sein Vater selten zu Hause war, dass seine Eltern geschiedene Wege gingen und, dass er seinen Bruder nur selten zu Gesicht bekam. „Ist dein Vater nicht da?“, fragte Tai und zog sich seine Turnschuhe aus. „Nein“, sagte Matt leise. „Er musste gestern nach Osaka fahren. Wird wohl drei bis vier Wochen dort bleiben müssen, wegen irgendeiner Reportage.“ „Oh... das wusste ich nicht. Tut mir Leid, dass ich gefragt habe“, flüsterte Tai und senkte betreten seinen Kopf. Eigentlich hätte er ja wissen müssen, dass Matts Vater nicht da war. Die Schuhe standen nicht im Flur. Manchmal empfand er einfach nur Mitleid für seinen Freund, wenn dieser Monate lang alleine in der Wohnung war und sein Leben irgendwie meistern musste. Aber Matt kannte es wahrscheinlich nicht anders. „Braucht es nicht. Du weißt, dass ich ganz gut alleine klar komme“, sagte Matt nun ernst und ging ins Wohnzimmer. „Willst du was zu trinken?“ „Klaro, irgendwas kaltes, wenn's geht“, grinste Tai und folgte ihm, um sich auf das grüne Sofa fallen zu lassen. So ganz gingen die Temperaturen auch nicht an ihm vorbei. Matt verschwand im Zimmer und kam gleich darauf mit zwei Gläsern, einer Flasche Cola und einer Schüssel mit Süßigkeiten zurück. Irgendwie musste er sich ja bei Tai bedanken, dass dieser ihn getragen hatte und das konnte man am besten mit jeglichen Verarbeitungsvarianten von Zucker. „Schokolade~“, rief Tai freudig und steckte sich sofort ein Stück mit Nüssen in den Mund. „Du bist wirklich der Beste, Matt!“ „Ich weiß“, grinste der Blonde und ließ sich neben seinen Freund auf das Sofa fallen, um an seinem Glas zu nippen. Lächelnd betrachtete er das Schauspiel, wie sich die Schüssel mit Schokolade und Keksen immer mehr leerte und Tai zusehends glücklicher wurde. Er liebte diese Momente mit Tai. Sie kannten sich schon, seit sie klein waren und, wenn es nach Matt ginge, sollte sich dies nie ändern. Am liebsten würde er ihm immer beim Essen zusehen und Scherzen machen, wenn Tai mal wieder Hamsterbacken hatte, doch etwas trübte seine Stimmung. Dieser verfluchte Sportunterricht. Er gab es nicht gerne zu, aber letztes Jahr hatte er es gerade so schnapp-ab geschafft diesen zu bestehen und die Leistungsanforderungen wurden immer schwerer. Dieses Jahr sah er nur noch schwarz. Bedrückt biss er sich auf die Unterlippe und atmete dann tief ein. „Weißt du...“, begann Matt und nahm noch einen Schluck aus seinem Glas, „... ich weiß nicht, was ich machen soll...“ „Wegen was?“, fragte Tai, der sich ein weiteres Schokoladenstück mit Marzipanfüllung in den Mund schob. „Wegen nächster Woche... Sport.“ „Ach, du meinst das mit den vier Stunden?“ „Ja~“, sagte Matt gequält. „Hmmm... was machen wir da nur?“, nuschelte Tai und zupfte an seinem nicht vorhandenen Bart. „Ich hab's!“ „Hä?“, platzte es aus Matt raus. Nun war er völlig verwirrt. Wenn Tai eine Idee hatte, konnte das nie etwas gutes bedeuten. „Wir trainieren zusammen“, griente Tai ihn an und hatte dabei die Siegessicherheit in seinen Augen. „Bitte was meinen?“ „Nja, wir treffen uns zwei Mal die Woche und treiben Sport. Keine Angst. Wir fangen ganz klein an, damit du deine Kondition wenigstens auf Vordermann bringen kannst und, wenn du die erst mal hast, dürfte das Schwierigste überstanden sein und wir können zum Muskeltraining übergehen.“ Matt hatte seine Stirn in Falten gelegt und betrachtete seinen besten Freund mit einem durchdringenden Blick, als ob er in dessen Gesicht einen Anhaltspunkt finden würde, der darauf schließen ließe, dass die ganze Idee ein Scherz war. „Du machst Witze, nicht wahr?“, fragte der Blonde schließlich und kniff seine Augen zu Schlitzen zusammen. „Aber ganz und gar nicht! Wir fangen am besten gleich am Sonntag an... und dann Mittwoch noch. Das dürfte für den Anfang genügen, wenn wir das jede Woche machen.“ „Du meinst das also ernst?“, schrie Matt halb in Panik. „Natürlich, über so was mache ich keine Witze! Und ich will ja nicht, dass du gerade wegen Sport sitzen bleibst. Das ist alles purer Eigennutz, weil ich keinen Bock drauf habe das nächste Jahr ohne dich in eine Klasse gesteckt zu werden.“ „Hm...“ Matt wirkte nachdenklich. Zum einen schreckte ihn der Gedanke doch ab, nun auch außerhalb der Schule Sport zu treiben, aber zum anderen hatte er wohl keine wirkliche Wahl. Gequält stöhnte er auf. 'Vielleicht sollte ich zusagen. Abgesehen davon, dass meine Kondition dadurch vielleicht besser wird, kann ich Tai dadurch öfter sehen', dachte Matt und ließ sich nach hinten fallen in das weiche Polster. Plötzlich stockte er, als sein Herz einen Sprung machte. 'Moment, was habe ich da gerade gedacht? Nein, so war das nicht gemeint! Ich meine... uhm... was meine ich denn?! Kondition... ja, das ist der einzige Grund.' „Ja...“, nuschelte der Blonde nun zähneknirschend, obwohl er noch immer mit sich haderte. „Ja?“, harkte Tai mit großen und ungläubigen Augen nach. „Ja~, Mann! Auch, wenn ich keinen wirklichen Bock drauf habe.“ „Du wirst schon sehen! Ich bin um einiges sanfter als unser Sportlehrer“, hauchte Tai ihm plötzlich ins Ohr, was Matt peinlich berührt erröten ließ. „Woha, lass das!“ „Sorry~“, lachte Tai und streckte sich. „Wie spät ist es eigentlich?“ „Öhm“, Matt schaute mit leicht zitternd auf seine Armbanduhr, „Kurz nach 20 Uhr.“ „Uh! Matt, Matt, können wir den Fernseher anmachen und Gaki no Tsukai schauen?“, fragte Tai aufgeregt. Matts rechte Augenbraue schnellte nach oben, aber er nickte und schaltete den Fernseher ein, damit Tai endlich Ruhe gab. Matt achtete kaum auf die Sendung. Viel mehr wurde ihm langsam klar, wozu er gerade „Ja“ gesagt hatte. Sport... AH! War er denn nun komplett durchgeknallt? Irgendetwas musste seinen Körper besessen, und doch „Ja“ gesagt haben. Das konnte nicht aus seinem Mund gekommen sein... Langsam ließ er seine Schultern hängen. Aber schlecht war die ganze Sache schon nicht. So konnte er seinem Sportlehrer wenigstens mal zeigen, dass er es doch drauf hatte. Fraglich war nur, ob er das auch hin bekommen würde. Das Schuljahr ging zwar noch sieben Monate... aber Matt war so unsportlich, dass es dafür sicher schon keinen Begriff mehr gab, dessen war er sich sicher und, ob Tai aus ihn einen wenigstens halbwegs durchschnittlichen Sportler machen konnte, der nicht mehr nach 500m Sprint sofort um fiel, war wirklich fraglich. Vorsichtig schielte er neben sich. Tai lachte sich gerade scheckig. Neugierig wandte Matt wieder seinen Blick auf die Mattscheibe, um sich im nächsten Moment die Hand an seine Stirn zu schlagen. Das durfte doch nicht wahr sein! Er dachte die wären endlich aus diesem blöden Krankenhausoutfits raus?! Anscheinend nicht... Aber kein Wunder, dass sich Tai kaputt zu lachen schien, denn Matsumoto erzählte gerade, wie in Hamadas Kühlschrank ein Brot nur mit Mayonnaise drauf war... Ok, er musste irgendwie die Pointe verpasst haben... Aber Tai schien dies trotzdem urkomisch zu finden. Leise seufzte Matt auf. Er fühlte sich plötzlich so müde. Nun, es war Weißgott kein Wunder. Sein Kreislauf spielte bei diesem Wetter einfach verrückt. „Hey, alles ok, Matt?“, fragte Tai nun an ihn gewandt. „Ja, ich bin nur ein bisschen müde, um ehrlich zu sein. Ich glaube der Tag war ein wenig viel für mich.“ „Soll ich gehen?“, fragte Tai ein wenig enttäuscht. Der Blonde schüttelte seinen Kopf. „Du kannst hier schlafen, wenn du willst. Es ist schon ziemlich spät“, sagte Matt und kratzte sich am Kopf. Irgendwie hatte er keine Lust wieder alleine zu sein. Sein Vater war zwar die letzte Woche zu Hause gewesen, doch diesen hatte er nur am Abend gesehen. Es tat gut mal wieder etwas Gesellschaft außerhalb der Schule zu haben und, dass es Tai war, kam ihm einfach nur wie ein weiterer riesiger Pluspunkt vor. „Uuuuh ja! Ich habe schon lange nicht mehr bei dir gepennt.“ „Dann gehe ich schon mal ins Bad und mache mich Bett fertig. Du kannst ja die Folge noch zu Ende sehen“, gähnte Matt und begab sich in Richtung des Badezimmers. Doch Tai hörte anscheinend nicht richtig zu, da dieser schon wieder am Lachen war. Der Blonde wollte gar nicht wissen, was schon wieder dummes passiert war. Schnell verschwand er hinter der Türe und besah sich im Spiegel, um im nächsten Moment beinahe los zu schreien. Wie sah er denn aus??? Ein Drogenjunkie war ja nichts dagegen! Sein Kreislauf schien echt im Keller zu sein... Vielleicht sollte er doch mehr essen... viel mehr... demonstrativ knurrte gleichzeitig sein Magen, worauf er nur genervt aufstöhnte. Ok, schnell waschen, ausziehen, und ab in die Küche und noch was essen. Egal, ob er gleich ins Bett gehen würde... Und scheiß auf seinen Manager und die Musikbranche... Er hatte Kohldampf, verdammt. Sofort streifte er sein Shirt über den Kopf und strampelte die Hose von den Beinen, um sich sein Schlafhemd zu krallen, welches auf dem Wäschekorb war. Kurz noch das Gesicht gewaschen und ab in die Küche. Auf den Weg durch das Wohnzimmer stellte er fest, dass Tai immer noch diese blöde Show sah. „Woha, Matt, das MUSST du sehen!“, rief er ihm zu. „Ich muss hier gar nichts sehen“, sagte Matt. „Das einzige, was ich jetzt sehen will sind Instantnudeln.“ „Instandnudeln? Machst du mir auch welche?“, fragte der Braunhaarige bettelnd. „Mach ich“, sagte Matt, bevor er in die Küche ging und einen der Schränke öffnete, wo er zwei Becher mit Instant-Ramen hervorfischte. Innerlich freute er sich richtig darauf. Er hatte das letzte Mal heute Morgen was gegessen, aber da war es auch nur ein Toast gewesen, da er wie so oft verschlafen hatte und auch nur gerade so rechtzeitig zur Schule gekommen war. Während der Wasserkocher gemütlich vor sich hinbrodelte, betrachtete er beide Instant-Ramen. Nja, er musste es ja nicht gleich übertreiben... Also entschied er sich für die vegetarischen Nudeln und, dass Tai das mit Schweinefleisch bekommen sollte. Der Wasserkocher machte 'klick' und Matt goss die beiden Behälter voll. Schnell nahm er sich noch zwei Paar Stäbchen aus dem Küchenschrank und wankte zurück zu Tai, der freudig das Essen entgegen nahm. „Was hat dich denn dazu veranlasst plötzlich Frustfressen zu machen?“, grinste Tai und pustete über seine Suppe. „Das ist kein Frustfressen, Tai. WENN ich Frustfressen machen wollen würde, hätte ich deine Süßigkeitenschale alleine aufgegessen“, lachte der Blonde und zwinkerte seinem Freund zu. Schweigend saßen sie nun wieder nebeneinander und sahen fern. Tai verschluckte sich aller paar Sekunden beinahe an seiner Suppe, da er lachen musste. Tja, Essen und Lachen passte einfach nicht zusammen! „Och menno... schon vorbei“, schmollte Tai, als der Abspann im Fernseher lief. „Kannst ja nächste Woche wieder gucken“, sagte Matt und trank den Rest seiner Instant-Ramens. „Wollen wir jetzt ins Bett? Mir fallen gleich die Augen zu.“ „Geht klar. Ich geh mich auch nur schnell im Bad waschen.“ Matt nickte und stand auf. Mit schmunzelndem Gesicht schaffte er den Süßigkeitenmüll, den Tai fabriziert hatte, ebenso wie die Gläser und die Ramen-Becher in die Küche. Nachdem er alles halbwegs sauber gemacht hatte, ging er noch kurz in das Badezimmer, um sich die Zähne zu putzen. Augenblinzelnd stellte er fest, dass Tai wohl bereits in seinem Schlafzimmer sein musste, da das Bad leer war. Gähnend und mit halb geschlossenen Augen kam er dann endlich mit frischen Atem in seinem Zimmer an und freute sich wie noch nie zuvor auf sein kuscheliges Bett. Doch diese Freude wurde umgehend gestoppt, als er Tai sah. „Was machst du da?“, zischte Matt. „Hm?“, fragte Tai unschuldig, der ausgestreckt auf dem Bett lag und allen Platz zu beanspruchen schien. „Ich liege hier.“ „Ja, das sehe ich! Mach gefälligst Platz“, sagte Matt genervt und lächelte trotzdem. Tai rückte ein Stück zur Wand und betrachtete Matt, der sich nun auf das Bett zu bewegte, um sich dort, mit einigem Abstand zu seinem Freund, fallen zu lassen. „Eigentlich ist es ein Unding bei dem Wetter mit dir in einem Bett zu schlafen, da mir dann nur noch heißer wird.“ „Ach, findest du mich etwas so heiß oder was?“, lachte Tai. Matt brauchte einige Sekunden, bis er den Satz vollständig verstand und dann noch einmal eine gefühlte Minute bis er diesen verarbeitet hatte. Scheiße... das war zweideutig gewesen! „So meine ich das nicht, du elender Narzisst...“, zischte Matt und drehte sich mit dem Rücken zu seinem Freund um. „Ich weiß, es macht nur so viel Spaß dich zu ärgern“, sagte Tai und zog die Decke ein Stück nach unten. „Und nun versuch zu schlafen... du hast schließlich einen beschissenen Tag gehabt.“ Kapitel 3: Zigaretten beruhigen ------------------------------- Toll! Wie sollte Matt denn schlafen, wenn Tai so dicht neben ihm lag? Ok, ganz ruhig! Früher hatte es ihn auch nie gestört. Aber es war nun doch schon einige Wochen her, dass Tai bei ihm übernachtet hatte. Müde drehte Matt seinen Kopf nach rechts, nur um in das friedlich schlafende Gesicht seines Freundes zu sehen. Lautlos stöhnte er auf und fuhr sich durch die Haare. Er MUSSTE doch endlich mal einschlafen können, schließlich war es bereits nach ein Uhr. Die ganze Zeit hatte er die Zimmerdecke angestarrt. Weiß, langweilig, aber irgendwie doch interessanter, als in das Land der Träume abzutrifften. Neben sich konnte er ein leises Schmatzen hören. Oh nein! Jetzt machte Tai auch noch irgendwelche süßen Geräusche - er konnte es nicht fassen. Von Minute zu Minute wurde ihm immer mehr bewusst, was er denn gerade im Bett machte. Naja... physisch nicht viel, aber sein Gehirn ratterte wie ein Schweizer Uhrwerk. Schon lange war ihm aufgefallen, dass er immer wieder dumme Sachen dachte, wie „Tai hat so schöne schokobraune Augen“ oder „Wenn er hinter diesem doofen Ball hinterherrennt, sieht er ganz schön sexy aus“. Aber jedes Mal, wenn er so was dachte, schüttelte er es im nächsten Moment ab und schob es auf den Alkoholeinfluss, den er in dem Moment vielleicht hatte, einen Hitzeschlag oder einfach ein Hirngespinst. Dann hätte er in letzter Zeit aber ganz schön viele Hirngespinste gehabt. Scharf sog er die stickige Luft ein und setzte sich auf. Alles Schwachsinn! Er war nur verwirrt, einfach verwirrt. Wieder sah er zu Tai, der seelenruhig zu schlafen schien. Vorsichtig musterte Matt den braungebrannten Körper. Der Braunhaarige schlief ohne Shirt und so konnte man deutlich sehen, wie sich dessen Brustkorb hob und senkte. Beinahe verträumte betrachtete Matt die weiche Haut und schüttelte im nächsten Moment seinen Kopf. Er brauchte jetzt unbedingt eine Zigarette und frische Luft. Oder besser gleich eine ganze Packung. Leise schlich er vom Zimmer aus auf den Balkon und setzte sich auf einen der beiden Plastikstühle, die dort standen. Schnell griff er nach der beinahe noch vollen Zigarettenpackung, die auf einem kleinen Tisch lag und holte sich einen Glimmstängel heraus, um diesen sofort anzuzünden und genüsslich daran zu ziehen. Mit einem wohligen Gefühl lehnte er sich zurück und schloss die Augen. Zwar war es immer noch viel zu warm für Matts Geschmack, aber wenigstens war es hier nicht so stickig, wie im Zimmer. Falls er denn zurück gehen sollte, sollte er unbedingt das Fenster aufmachen, was er irgendwie vorm schlafen gehen vergessen hatte. Kurz überlegte er, ob er vielleicht einfach auf dem Sofa schlafen sollte, dort würde er wenigstens nicht neben Tai liegen. Warum zum Henker fühlte er sich so? Er konnte sich nicht mal mehr an einen konkreten Augenblick erinnern, als sein Herz merklich schneller schlug, wenn er den braunen Wuschelkopf sah. Es mussten irgendwelche verwirrten pubertierenden Hormone sein, die ihm einen Streich spielten. Das musste es sein, alles andere war einfach zu abwegig und irreal. „Was machst du hier draußen, Yama?“, fragte eine verschlafene Stimme neben ihm. „Wuha!“ Matt schreckte hoch und hielt sich das rasende Herz. „Jag' mir doch nicht so einen Schrecken ein, Tai.“ Wenn man vom Teufel redet... da stand der Grund seiner schlaflosen Nacht. Nein, das war falsch formuliert! Matt biss sich kurz auf die Unterlippe und ließ sich dann wieder auf den Stuhl fallen. „Tut mir Leid“, grinste der Angesprochene reuevoll und setzte sich auf den anderen Stuhl. „Also, was machst du hier draußen?“ „Ich rauche...“, sagte der Blonde knapp, während er über den Balkon sah. „Und das Mitten in der Nacht? Ist die Sucht denn schon so weit fortgeschritten?“, lachte Tai, während er seine Beine überkreuzte. „Nein... ich konnte nur schlecht schlafen, weil es so heiß ist und da dachte ich mir, dass so ein bisschen frische Luft ja ganz gut sein kann“, nuschelte Matt. Wenigstens war das die halbe Wahrheit. „Ja, das stimmt. Aber rauche nicht so viel, sonst wird dein privater Sportunterricht total für den Arsch sein.“ „Ja~, Mama“, schmollte Matt und sog demonstrativ an seiner Zigarette. „Sag mal, Matt“, fing Tai leise an, „was ist eigentlich in letzter Zeit mit dir los? Du bist so wortkarg geworden.“ „Bin ich gar nicht. Mir geht im Moment einfach nur viel durch den Kopf, wegen der Band...“ 'Wow, Lügen gehen mir einfacher über die Lippen, als ich dachte', überlegt Matt. 'Ich kann ihm ja wohl kaum sagen, dass sein entblößter Oberkörper der Grund war, dass ich mich auf den Balkon zurückgezogen habe.' „Habt ihr heute Abend nicht einen Auftritt?“ „Ja... in einem Club in Shibuya. Kommst du uns zusehen?“ „Ich würde gerne... aber ich habe schon was vor“, nuschelte der Braunhaarige und kratzte sich am Kopf. Das war Matt neu. Eigentlich kam Tai zu jedem seiner Auftritte. Musste ja echt was unglaublich Wichtiges sein. „Hm...“, seufzte Matt leise. „Macht ja nichts. Dann kommst du halt das nächste Mal.“ „Versprochen!“, strahlte Tai und machte das Peace-Zeichen. „Sollen wir wieder ins Bett gehen?“, fragte Matt mit einem merkwürdigen Unterton. „Gute Idee, ich bin ziemlich müde. Ach, und ich muss heute übrigens schon 8 Uhr los. Habe Fußballtraining.“ „Geht klar... Aber bitte wecke mich nicht“, sagte Matt und schmiss seine Zigarette über den Balkon. „Du kannst dir ja was aus dem Kühlschrank nehmen, bevor du losgehst.“ „Mache ich. Danke!“ Irgendwann hatte es Matt geschafft einzuschlafen, da die Müdigkeit letztendlich doch gewann. Erst gegen Mittag wachte er wieder auf und streckte sich schmerzhaft. Die ganze Nacht auf bleiben sollte er in Zukunft echt lassen, auch, wenn es nicht wirklich sein Schuld gewesen war. Traurig musste er feststellen, dass Tai wohl schon seit Stunden weg war. Gähnend schwang er seine Beine aus dem Bett, schlürfte in Richtung Bad und bekam dort, wie schon Gestern, bildlich einen Herzinfarkt. Um heute Abend gut auszusehen brauchte das ja eine Tonne Make-up! Schnell schlüpfte er aus seinen Schlafsachen und stellte sich unter die Dusche. Das warme Wasser prickelte angenehm auf seinem Körper. Während er seine Haare wusch, schweiften seine Gedanken beinahe automatisch wieder zu dem Fußballer, der jetzt sicherlich über das Spielfeld jagte und diesen blöden Ball vor sich her trippelte. Widerwillig stellte er das Wasser ab und stieg aus der Dusche, um sich mit seinem blauen Badetuch abzurubbeln. Es war schade, dass Tai heute Abend nicht kommen konnte. Dabei war er bei jedem Auftritt dabei! Was fiel dem Braunhaarigen eigentlich ein..? Ohne seinem Freund konnte er weder richtig singen, noch Gitarre spielen. Seine Konzentration war dann immer nahezu futsch. Murrend ging er zurück in sein Zimmer und suchte sich eine schwarze Hose und ein weißes Shirt raus, welches er sofort überstreifte. Toll. Jetzt war es bereits 15 Uhr und er wusste nicht, was er die nächsten vier Stunden machen sollte. Vielleicht einfach ein bisschen sinnlos durch die Stadt laufen, bevor er sich mit seiner Band traf. Forschend schnellte sein Blick nach draußen. Sonne... ergo: viel zu heiß. Betrübt dachte er an den gestrigen Tag. Nein, freiwillig würde er nicht nach draußen gehen! So entschloss sich Matt bis zum Abend sinnlos fern zu sehen in der Hoffnung, dass die Zeit schnell vorüber gehen würde. Zapp... Nachrichten, Zapp... Sport. Zapp... irgendeine blöde Game-Show. Das gab's doch gar nicht! Nach mindestens dreißig Kanalwechseln hatte er endlich einen halbwegs spannenden Film gefunden. Genervt schaute er diesen an und fragte sich immer wieder, was Tai wohl gerade machte. „Maaaatt!“, schrie Satoshi, ihr Bassist. „Kommst du endlich. Wir müssen auf die Bühne!“ „Ja, ja, stress' doch nicht so!“, ballte Matt ihm entgegen und zupfte ein letztes mal an seinen Haaren. Irgendwie hatte er diesen langweiligen Nachmittag doch überstanden. Lustlos schlenderte er hinter seinen Bandmembers her. Er hatte keine richtige Motivation zu spielen, was auch ihrem Manager aufgefallen war. Nach einer gehörigen Standpauke, dass sich der Blonde mal schön zusammenreißen sollte, konnte Matt einfach nur noch nicken und hatte begonnen sich für den Auftritt fertig zu machen. Prüfend schnellte sein Blick durch die kreischende Menge, als er die Bühne betreten hatte. Mindestens 90% Weiber! Jetzt nicht, dass das schlecht war, doch irgendwann ging einem dieses Girlie-Gekreische doch leicht auf den Senkel. Wie immer legte er seine E-Gitarre um und stellte sich vor sein Mikro. Gerade, als er anfangen wollte die Fans zu begrüßen viel ihm eine gewisser brauner Haarschopf Mitten in der Menge auf. Tai! Aber er hatte doch gesagt, dass er heute Abend nicht konnte. Ein kleines Lächeln stahl sich auf die schmalen Lippen des Blonden. Tai grinste bis über beide Ohren, da er wohl gemerkt hatte, dass der Blonde ihn sah. Ja, jetzt konnte Matt wenigstens ordentlich spielen, dessen war er sich sicher. Auf Tai war eben doch Verlass. Das wäre ja auch die Höhe gewesen, wenn er nicht gekommen wäre. Schließlich tauchte Matt bei jedem Fußballspiel auf, auch, wenn sich dieser von den Proben oder anderen Terminen wegschleichen musste. Sein Freund war ihm in solchen Momenten hundert mal wichtiger. Der Gig war ein voller Erfolg. Man merkte, wie Matt seine Musik lebte, da er sich mit jeder seiner Bewegungen regelrecht hineinzuversetzen schien. Die Mädchen kreischten und schrien seinen Namen, doch das bekam er in solchen Momenten selten mit, da es nur noch die Musik um ihn gab. Mit letzten Gitarrengriffen verstummte nun auch seine Stimme und er öffnete wieder seine Augen, um in die tosende Masse zu schauen und nach dem Braunhaarigen zu suchen, der den Daumen hoch hielt. „Ihr ward super, Leute“, rief Matt in das Mikro und lächelte strahlend. „Unseren nächsten Gig haben wir in drei Wochen im P60. Ich hoffe wir sehen uns dort wieder!“ Auch die restlichen Bandmitglieder winkten zum Abschied und warfen ihre Plektren und Drumsticks in die Menge. Matt gab seine Gitarre einem Staffmitglied und ging die wenigen Stufen von der Bühne nach unten. Auch, wenn er wusste, dass er sofort von Mädchen belagert werden würde, drängelte er sich durch und versuchte sie abzuwimmeln, was auch recht gut gelang, musste er zugeben. Kalte Abweisung war halt doch manchmal der Schlüssel, um sein Ziel zu erreichen und sein jetziges Ziel war eindeutig Tai, der sich ebenso auf ihn zu bewegte. „Du warst klasse, Matt“, sagte er lächelnd und stupste ihn in die Seite. „Danke. Ich dachte du hättest was vor?“, fragte Matt immer noch verwundert, aber glücklich. Sein Herz hatte bei Tais Worten einen riesigen Sprung gemacht - es hatte sich gut angefühlt. „Ähm... nun ja...“, stotterte Tai. „Hatte ich auch, aber... ähm... Sakuya, komm mal bitte her!“ Matt schaute verwirrt. Was wird den hier gespielt? Beinahe stolpernd drängelte sich ein Mädchen mit schwarzen langen Haaren durch die Menge und stand nun neben Tai, der einen Arm um sie gelegt hatte. Hallo? Was geht hier ab? „Also, das ist Sakuya“, begann Tai schüchtern. „Um es kurz und schmerzlos zu machen... sie ist meine Freundin...“ Stopp! Moment... rückwärts spulen... Play! Seine Freundin? Hatte Matt das gerade richtig verstanden oder halluzinierte er? „Wie deine Freundin?“, fragte er baff. „Also... eigentlich wollte ich es dir schon lange sagen, aber wir sind heute erst richtig zusammen gekommen... und bevor irgendwas fest stand, dachte ich, dass es vielleicht besser ist, wenn ich es noch nicht erzähle.“ Matt starrte auf das Mädchen. Sie hatte ein zartes Gesicht, einen schlanken und scheinbar gut trainierten Körper. Matt schluckte und konnte seinen Blick nicht von ihr abwenden - viel zu geschockt war. „Also... hast du jetzt eine Freundin“, wiederholte er beinahe mechanisch und merkte, wie sich sein Blick verfinsterte, was das Mädchen zusammen zucken ließ. „Ja...“, sagte Tai unsicher, als er bemerkte, wie Matt Sakuya ansah. Der Blonde schloss kurz seine Augen. Er musste sich zusammenreißen. Ihm war im Moment tierisch nach heulen zu Mute, doch das konnte er nicht machen. Stattdessen setzte er ein gespieltes Lächeln auf und reichte ihr die Hand. „Hallo, Sakuya“, sagte er emotionslos. „Freut mich, Yamato“, erwiderte sie und nahm seine Hand. „Tut mir Leid, dass ich dir nichts gesagt habe, Matt... Aber jetzt, wo Sakuya und ich zusammen sind, war es mir das Wichtigste, dass du es als Erster erfährst.“ „Ach... du wolltest mich versetzen, um sie zu treffen oder was?“, fragte Matt und versuchte nicht gereizt zu klingen. „Nein! Also... ja... eigentlich nicht, aber sie fährt Morgen ihre Großeltern besuchen. Da wollten wir den Abend gerne zusammen verbringen, aber sie wollte unbedingt auf dein Konzert, also sind wir doch gekommen.“ „So ist das also“, sagte Matt und schaute das, nun langsam doch ein wenig verunsicherte, Mädchen an. Dieses... Miststück wollte ihm also seinen Tai wegnehmen. Beinahe erschrocken über sich selber zuckte er zusammen. SEIN Tai... Ja, verdammt! So ein Weib konnte sich doch nicht einfach zwischen sie stellen. „Ich freue mich für dich, Tai“, sagte Matt lächelnd und umarmte seinen Freund. Tief atmete er den Duft von Tai ein. Der Braunhaarige roch immer nach Honig. Lag wohl an seinem Shampoo. Beinahe widerwillig löste sich der Blonde von Tai und wuschelte ihm durch die Haare. „Hättest auch mal eher was sagen können“, sagte Matt. 'Damit ich dieses Weib hätte noch eliminieren können', fügte er still in Gedanken hinzu. „Tut mir echt leid.“ „Macht ja nichts. Ähm... du? Ich geh mal wieder hinter die Bühne, bevor sich die Gruppies noch auf mich stürzen und zerfleischen“, lachte Matt und winkte den beiden kurz zu. „Geht klar. Und vergiss nicht: Morgen fängt unser Training an.“ „Fuck! Ähm, ich meine, ja, na klar. Wie spät denn?!“ „So gegen 14 Uhr bei dir? Da haben wir es nicht weit bis zum Park.“ „Ok, bis Morgen Tai“, rief Matt. „Und tschüss, Sakuya“, fügte er mit einem falschen Lächeln hinzu. Das war ein grottenschlechter Film. Sicher war Matt vor seinem Fernseher eingeschlafen und träumte das ganze nur! Das war die einzig logische Erklärung. Mürrisch ging er in den Backstagebereich, vorbei an kreischenden Weibern, die ihn versuchten zu betatschen, doch er schüttelte alle aggressiv ab. „Tai hat eine Freundin“, murmelte er. Langsam wurden seine Augen wässrig. Jetzt musste er doch glatt deswegen heulen. Das konnte doch nicht sein. Forsch wischte er sich über die Augen und atmete tief ein. Irgendwann musste das ja mal passieren, so umworben wie Tai war. Fußballspielen hatte halt doch seine Vorzüge, genau wie Musiker sein. Doch noch nie war Matt bisher mit irgendeinem Mädchen ins Bett gesprungen, die er nach einem Konzert aufgegabelt hatte. Dazu war er zu stolz, er wollte seinen derzeitigen Ruhm nicht missbrauchen. Egal. Zurück zu Tai und dieses Weibsbild namens Sakuya! Tai schien so glücklich zu sein mit ihr. Schmerzlich wurde Matt bewusst, dass er sich im Innern wünschte, dass Tai vielleicht auch gerade wegen ihm hätte so glücklich sein können. „Nein, hör auf damit, Matt“, schrie er sich selber an. Das war doch lächerlich. Tai war sein bester Freund und nicht mehr. Nicht mehr, verdammt! Aber trotzdem tränten seine Augen wieder. Alles andere war nicht möglich. Sie kannten sich seit sie klein waren! Kapitel 4: Im Park ------------------ Matt saß wie auf heißen Kohlen in seiner Küche und trank einen Eistee. Mal abgesehen davon, dass es immer noch furchtbar heiß war, machte ihn der Gedanke, dass in wenigen Minuten wohl Tai vor seiner Haustür stehen und ihn zum gemeinsamen Sport abholen würde, mehr als nervös. Seufzend sah der Blondschopf auf die Uhr. Zwei Minuten nach Vier. Knurrend legte er seinen Kopf auf die Tischplatte und schloss seine Augen. Gestern Abend war wirklich zu viel für ihn gewesen. Erst der Gig und dann Tai, der ihm auch noch seine Freundin vorstellte. Diese... diese Sakuya! Wie konnte sie sich nur an Tai ranschmeißen und Matt seinen besten Freund wegnehmen?! Gequält unterdrückte dieser wieder seine Tränen. Er hatte die ganze Nacht, nachdem er den Backstagebereich betreten und die ersten Tränen sein seine Augen verlassen hatten, geweint. Er hatte dieses ungute Gefühl, dass Tai nun nicht mehr nur ihm allein gehörte, sondern er ihn mit jemanden, für Tai viel wichtigeren, teilen musste. Erschrocken fuhr Matt zusammen. Das schallende Klingeln der Haustüre fuhr ihm durch Mark und Bein. Zitternd erhob er sich vom Stuhl und ging in den Flur. Einige Sekunden starrte er den Türknauf an, bis er diesen schließlich drehte und die Tür langsam öffnete. Vor ihm stand ein fröhlich strahlender Wuschelkopf. Er hatte eine knielange Sporthose an und ein weißes Muskelshirt. Warum musste Tai verdammt noch mal so sexy Klamotten tragen? „Bereit für Sport?“, fragte Tai grinsend und nahm seine Sonnenbrille ab. „Nein“, knurrte Matt und verschränkte die Arme vor seiner schmalen Brust. „Hast du einen schlechten Tag?“, fragte der Braunhaarige, während er in den Flur trat und seine Schuhe auszog. „Kann ich noch was zu trinken haben, bevor wir loslegen?“ „Nein... und ja, was willst du denn?“, fragte Matt harscher, als beabsichtigt. „Irgendwas. Hauptsache kalt.“ „Na, dann komm mit in die Küche.“ „Und du hast doch schlechte Laune. Ich merk das doch“, sagte Tai und folgte seinem Freund in die kleine Küche. „Ich habe einfach nur keinen Bock bei gefühlten 100 Grad Hitze joggen zu gehen“, murrte Matt und stellte ihm ein Glas mit Eistee hin. Mal wieder nur eine Halbwahrheit, aber es war besser als gar kein Grund. „Jetzt übertreibe doch nicht. Wir werden im Schatten laufen, damit du nicht wieder einen Hitzschlag kriegst.“ „Die paar Grad weniger machen es auch nicht aus.“ Schweigend saßen sie nun gegenüber und schlürften an ihren Getränken. Matt tippte unruhig mit seinen Fingern auf den Tisch. Er traute sich nicht Tai in die Augen zu sehen oder ihn überhaupt anzusehen. Dieses verfluchte Top, das der Wuschelkopf trug, ließ ja kaum Platz für Fantasien. „Sag mal...“, begann Tai, „was hälst du von Sakuya?“ „Sie ist nett“, sagte Matt monoton. 'Oh, Gott, jetzt fängt er auch noch von ihr an? Das musste ja früher oder später kommen.' „Nur nett?“, harkte der Braunhaarige nach. „Tai, ich habe sie bisher einmal gesehen und kaum mit ihr geredet. Was soll ich da sagen? Wenn du glücklich mit ihr bist, bin... ich es auch“, sagte der Blonde und biss sich auch die Lippen. „Es bedeutet mir viel, dass du nichts gegen sie hast. Weißt du... eigentlich wollte ich gar nicht mit ihr zusammen kommen. Wir sind ein paar mal ausgegangen und haben uns gut verstanden, und mir dann auf einmal gesagt, dass sie mich liebt. Und da dachte ich mir... warum nicht?“ „Warum nicht? WARUM NICHT?“, schrie Matt verwirrt. „Willst du damit sagen, dass du sie gar nicht liebst?“ „Um ehrlich zu sein, ich weiß nicht“, sagte Tai verlegen. „Ich fühle mich wohl in ihrer Nähe, sie ist lieb und bringt mich zum lachen.“ „Tai, jeder bringt dich zum lachen...“ „Mensch, du weißt, was ich meine!“, versuchte Tai sich aus der Affäre zu ziehen. „Nein, ich weiß es nicht... ich war noch nie... verliebt“, sagte der Blonde und trank seinen letzten Schluck Eistee aus. Nein, das war er noch nie. Wie fühlte sich liebe an? War es einfach nur Zuneigung und ein warmes Gefühl? „Wirklich nicht?“, fragte Tai ungläubig und mit großen Augen. „Nein! Und jetzt hör auf so blöd zu fragen“, zischte Matt. Nein, er war noch nie verliebt. Noch nie! „Hm ok... dann“, Tai grinste fies. „Gehen wir jetzt Sport machen.“ „Ich glaube mir ist die blöde Fragerei doch lieber...“ „Jetzt komm schon, Prinzesschen“, lachte Tai. „Ich... bin... kein... Prinzesschen“, keuchte Matt und versuchte mit seinem Freund Schritt zu halten. Sie liefen nun schon seit einer Stunde im Rikugien Garten ihre Runden, obwohl Matt schon nach den ersten zehn Minuten keine Puste mehr hatte, aber Tai ließ nicht locker und stachelte ihn immer wieder an weiter zu laufen. Irgendwann hatte der Blonde nachgegeben und seine Luft, die er bis dahin für Flüche missbraucht hatte, doch lieber zum atmen benutzt. „Oh doch, du bist eins“, grinste Tai und hielt an. „Ich glaube wir sollten eine Pause machen.“ „Gott sei dank“, schnaufte der Blonde und legte sich an Ort und Stelle ins Gras. Lächelnd kam Tai näher und setzte sich neben ihn. Blinzelnd sah der Braunhaarige in die Sonne. Langsam wurden die Temperaturen erträglicher. „Ich sterbe...“, jammerte Matt und atmete immer noch keuchend. „Dafür bist du gar nicht so schlecht gelaufen“, widersprach ihm Tai und legte sich nun auch hin. „Ich bin mir sicher, dass wenn wir das noch drei-vier Wochen machen, sich deine Kondition um einiges verbessern wird und du dann bei der Sportprüfung sicher keine Probleme mehr haben wirst.“ „Wenn du meinst...“, nuschelte Matt und schloss seine Augen. Er wollte diesen Moment genießen. Seine Lungen brannten zwar wegen des Sauerstoffmangels und seine Beine fühlten sich an wie Blei, doch mit Tai hier im Gras zu sitzen, fühle sich unbeschreiblich an. Die trüben Gedanken, die er sich noch heute Morgen gemacht hatte, waren wie weggeblasen. „Nicht einschlafen. Wir machen jetzt weiter.“ „Waaaaas?“, fragte der Blonde ungläubig. „Ja los, hopp. Kniebeugen sind angesagt.“ „Kniebeugen? Tai, das hier ist kein Schulsport...“ „Ja, aber alleine vom joggen wird das nichts“, grinste Tai und stand wieder auf, um sich zu strecken. „Ok... und wie viele?“ „Bis ich stopp sage“, schellmte Tai und stupste seinem Freund in die Rippen. „Oh mein Gott“, seufzte Matt von neuem. Nach fünf Minuten qualvollen Kniestrapatzen war Matt schon wieder am meckern und Tai konnte nichts anderes als Lachen und ihn den Schulsport vor Augen halten, welchen Matt nächste Woche ausstehen musste. Also blieb dem Blonden wohl nichts anderes übrig als durchzuhalten. „Tai, huhu“, drang plötzlich eine Stimme von weitem. „Sakuya“, rief Tai dem schwarzhaarigen Mädchen zu, welches auf sie zu lief. „Was machst du denn hier? Ich dachte du fährst heute weg?“ „Meine Eltern fahren erst in einer halben Stunde und solange gehe ich mit Chizu spazieren“, strahlte sie und gab Tai einen Kuss auf die Wange. Neben ihr wedelte ein kleiner schwarz-weißer Border-Collie mit seinem Schwanz und wollte Tai anhüpfen. „Na, das ist aber ein Zufall“, grinste der Braunhaarige und strich sich einige verschwitzte Strähnen aus den Augen. „Matt und ich machen ab heute aller paar Tage in dem Park Sport.“ Sakuyas Blick schweifte zu Matt, der aufgehört hatte mit den albernen Übungen und stattdessen wie bestellt und nicht abgeholt in der Gegend stand. „Hallo“, brachte der Blonde gedrückt hervor. „Hallo, Yamato“, strahlte das zierliche Mädchen und winkte ihm kurz zu. „Läuft's denn gut?“ „Ziemlich gut bist jetzt. Auch, wenn uns das Wetter zu schaffen macht“, lächelte Tai. „Das glaube ich. Aber du müsstest doch da kaum Probleme haben, du kleiner Sportfreak“, lachte Sakuya und knuffte Tai in den Bauch. ‚Du kleiner Sportfreak...‘, äffte Matt in Gedanken nach und verdrehte seine blauen Augen. ‚Hat die jetzt etwa vor hier ewig zu bleiben? Scheint so...!‘ Matts Augen verengten sich, als er zusah wie dieses Miststück durch die braune Haarpracht von Tai strich und ihm irgendwas ins Ohr flüsterte, dass Tai ein liebevolles Lächeln aufs Gesicht zauberte. Jetzt reichte es. Matt musste seinen Kopf kurz zur Seite drehen, weil ihm schon wieder nach flennen war. Das durfte doch nicht wahr sein! Dieses schmerzende Gefühl in seiner Brust war auch nicht gerade eine Hilfe aufkommende Tränen zu unterdrücken. „Tai, können wir für heute Schluss machen? Ich muss noch Hausaufgaben erledigen“, fragte Matt und versuchte so gelassen wie möglich zu klingen. „Oh... ja klar“, antworte Tai, während er den Hund streichelte. ‚Ja klar? JA KLAR? Das war's? Lieber streichelst du diesen blöden Köter und machst dem Weib schöne Augen, als mich anzusehen und ein trauriges Gesicht zu machen, weil ich gehen will? Du versuchst mich doch sonst immer noch ewig zu überreden! Na schön!‘ „Ich geh dann mal. Wir sehen uns morgen in der Schule“, sagte Matt und schluckte hart. „Matt!“, rief Tai ihm nach, da der Blonde beinahe fluchtartig los gerannt war. „Ich ruf dich heute Abend an, um sicher zu gehen, dass du Muskelkater hast. Wenn nicht, dann müssen wir mehr trainieren!“ Matt antwortete nichts, sondern hob im Gehen seinen Arm als Bestätigung. Der Blonde lief noch einige Meter und wurde dann langsamer, bis er wieder einen normalen Gang annahm. Sein Herz raste und schmerzte. Es tat so höllisch weh wegen Tai. Warum musste diese Sakuya nur auftauchen. Ohne sie, hätte er Tai noch eine ganze Weile für sich haben können. Seinetwegen hätte er ruhig auch noch 3 Stunden Runden um den Park gedreht, nur, um mit Tai rumzualbern. Schmerzlich wurde Matt klar, dass umso mehr Sakuya und Tai ihre Beziehung vertiefen würden, der Braunhaarige kaum noch Zeit für ihn haben würde. Noch weniger als ohnehin schon. Was war nur mit ihm los? Es konnte doch nicht sein, dass er sich nur so beschissen fühlte, weil Tai nun eine Freundin hatte. Was war diese Beklommenheit? War es womöglich Eifersucht? Zuhause angekommen war die erste Handlung, die Matt vollbrachte der Gang zur Dusche, um den stinken Schweiß von seinem Körper zu waschen und endlich wieder wie ein normaler Mensch zu riechen. Vielleicht sollte er Hausaufgaben machen, um sich abzulenken. Ja, das wäre wirklich das beste. Am besten Mathe! Er würde sich dann so sehr über diese blöden Gleichungen aufregen, dass er keinen Gedanken mehr an Tai verschwendete. Seufzend trat er aus der Dusche und trocknete sich ab. Musternd betrachtete er seinen Körper im Badezimmerspiegel. Blasse Haut, blonde Haare und blaue Augen. Ja, er hatte eine recht zierliche Gestalt, wenn er wollte, könnte er als Mädchen durchgehen. Langsam strich er über seine Brust und den flachen Bauch. Einen kurzen Moment überlegte er, was gewesen wäre, wenn er als Mädchen auf die Welt gekommen wäre. „Scheiße“, schrie Matt und schlug vor Wut auf den Spiegel ein, der sofort zerbrach. Erneut schluchzend sank er zu Boden und kniete sich genau in die Scherben hinein. Es war ihm egal. Der Gedanke, dass Tai ihn vielleicht mehr beachten würde, wenn er ein Mädchen wäre, war doch absurd. Der Wuschelkopf war sein bester Freund! Und er würde Matt nie einfach so fallen lassen, wegen einer Frau, die er gerade mal ein paar Wochen kannte. Aber dieser Gedanke, dass er eifersüchtig war auf eine FRAU, brannte weiterhin in ihm. Er wollte an ihrer Stelle sein, verdammt. So absurd dies auch sein mag, aber er wollte Tai Sachen ins Ohr flüstern, die ihm zum lachen brachten, er wollte ihm einen Kuss auf die Wange geben, wie es Sakuya getan hatte. 'Das ist doch nicht normal... ich tu ja gerade so, als ob ich in ihn verliebt wäre', lachte Matt innerlich und fasste sich an die Stirn. 'Verliebt...' Nein, er war noch nie verliebt gewesen, aber was war, wenn er es im Moment ist? War das Liebe? War er deswegen eifersüchtig? Tai war ein junger Mann, ebenso wie er und noch dazu kannten sie sich seit einer Ewigkeit. Das durfte nicht wahr sein! Kraftlos wischte er sich einige Tränen weg und merkte erst jetzt, dass seine Hand blutete. Er war wirklich zu einer Heulsuse mutiert. Das musste aufhören. „Das ist doch scheiße...“, fluchte er ein weiteres Mal, als er seine verletzte linke Hand betrachtete. Schnell stand er auf und holte aus dem Medizinschrank Verbandszeug, welches er so gut es ging selber anlegte. Die kleinen Schnitte auf seinen Knien ignorierte er. Warum konnte er nicht erst denken und dann handeln. Mit der Hand konnte die nächsten Tage keine Gitarre spielen. Gut gemacht, Matt. Wütend zerrte er den Verband fest und machte eine Klammer zur Befestigung darauf. Mit Boxershorts bekleidet machte er sich auf in sein Schlafzimmer. Den Scherbenhaufen konnte er morgen Früh immer noch beseitigen. Träge setzte er sich auf seinen Stuhl und klappte das Mathematikbuch auf. Das würde die richtige Ablenkung sein. Gerade als er die erste Ableitung beginnen wollte, klingelte sein Handy. Es war dieses penetrante Klingeln, welches nur zu seinem besten Freund gehören konnte. Es schien „Tai will mit dir reden“ zu schreien. Genervt klappte er das Störenfried-Objekt auf und drückte die grüne Taste. „Hallo?“, sagte er monoton. Eigentlich hatte er keine Lust mit seinem Freund zu reden. „Hoi, Matt. Bist du gut nach Hause gekommen?“ „Nein, ich bin unterwegs verloren gegangen, weißt du!“ „Bist du sauer, weil Sakuya uns gestört hat? Du klingst schon wieder so angefressen.“ „Nein, ich versuche nur gerade Mathe zu machen“, seufzte Matt. 'Irgendwas muss ich ihm ja erzählen, damit er nicht weiter nachfragte. „Oh, ja ich sollte vielleicht auch mal versuchen die Aufgaben zu lösen.“ „Wäre keine schlechte Idee.“ „Matt... ich...“, zögerte Tai und wurde immer leiser. „Hm, was ist?“ „Matt, wenn irgendwas ist, dann sagst du es mir doch?“ Tais Stimme klang merkwürdig gedrückt. Matt öffnete seinen Mund, um etwas zu sagen, doch kein Wort kam heraus. Er konnte nicht. Er wollte nicht darüber reden. Was hätte er Tai schon erzählen sollen? Dass er auf Sakuya eifersüchtig war, weil diese ihn umarmen, küssen und sonst was mit ihm machen konnte und er nicht?! „...“ „Yama?“ „Ja... ja natürlich! Ich... wenn irgendwas ist, dann sage ich es dir“, stotterte der Blonde, als sich ein schmerzhafter Kloß in seinem Hals bildete. „Aber mit mir ist nichts, du brauchst dir keine Sorgen machen.“ „Gut, dann werden wir uns Morgen in der Schule sehen?“ „Ja... werden wir...“ „Mach nicht zu lange, Matt.“ „Mach ich nicht. Nacht, Tai.“ „Nacht.“ Tief durchatmend klappte er das Handy wieder zu und versuchte den Matheaufgaben seine ganze Aufmerksamkeit zu schenken. Kapitel 5: Gewitter ------------------- Matt hatte die ganze Nacht nicht schlafen können. Blinzelnd sah er zu seinen Klassenkameraden, die sich wie immer zu kleinen Grüppchen zusammengefunden hatten und ihren morgendlichen Klatsch austauschten. Der Blonde war heute einer der ersten gewesen, die die Schule betreten hatten. Nachdem er vergeblich versucht hatte einzuschlafen, war er einfach wieder aus seinem Bett gekrochen und hatte Mathe gelernt und versucht einen Song zu schreiben (was jedoch vergebliche Mühe war), bis die Sonne aufging. Die Lichtstrahlen verrieten ihm, dass es wohl zu spät war wieder ins Bett zu gehen und so hatte er sich auf den Weg in „Hölle“ gemacht. Er sah sicher furchtbar übermüdet aus. Seine Augenringe konnte er regelrecht fühlen und zum duschen war er auch noch zu faul gewesen. „Hey, Matt!“, rief eine ihm wohl bekannte Stimmte. „Boha scheiße, wie siehst du denn aus?“ „Danke für die Blumen. Dir auch einen guten Morgen, Tai.“ „Hey, hast du die Nacht nicht geschlafen oder warum siehst du aus wie der wandelnde Tod?“ „Ich habe Mathe gemacht und an einem neuen Song gearbeitet.“ „Darf ich den hören, wenn er fertig ist?“, fragte der Braunhaarige mit seinen typischen Hundeaugen. „Meinetwegen...“, knurrte Matt und schlug wahllos eine Seite seiner Rechenaufgaben auf. Der wird wohl nie fertig werden, wenn es so weiter geht. Seit Wochen konnte er keinen klaren Gedanken mehr fassen und seit einigen Tagen war das nur noch schlimmer. Erst lag es daran, dass ihm die Inspiration gefehlt hatte und nun war er depressiv wegen einem gewissen Freund, der nun neben ihm saß. Wenn das so weiter geht, würde er doch nie wieder einen Song zustande kriegen. „Warum bist du denn zu mürrisch?“, fragte der Braunhaarige. „Und... was hast du mit deiner Hand gemacht?“ „Nichts~! Ich hab mich nur beim Kochen geschnitten. Und nun hör mit der ewigen Fragerei auf.“ Matt war genervt. Mehr als sonst. Auf einmal sprang ihm dieses Wort wieder in den Sinn. Liebe. Nein, das durfte einfach nicht sein. Aber warum fühlte er sich sonst wie Dreck und wollte einfach nur im Erdboden versinken? „Ist ja gut... ich merk schon... du bist heute nicht gut drauf", nuschelte der Wuschelkopf. Matt biss sich auf die Unterlippe. Er musste einen weiteren Kommentar unterdrücken. Aus den Augenwinkeln konnte er sehen, wie ihn Tai noch eine Weile beobachtete und dann sein Schulzeug rausholte. Irgendwie war ihm eindeutig nicht nach Reden zu Mute. Kaum eine Minute später kam Frau Mizuki mit einem furchterregendem Lächeln in die Klasse, welches sicher nichts gutes zu bedeuten hatte. „Meine Lieben, ich habe mir einen hübschen Überraschungstest einfallen lassen“, strahlte sie und wedelte mit einigen Blättern in der Luft. Kollektiv stöhnte die Klasse auf. Das konnte ja was werden. Nacheinander wurden die Tests nach hinten durchgereicht und ein weiterer nerviger Tag begann. Matt versuchte sein bestes und die Aufgaben, die er vor einigen Stunden noch gelöst hatte in seinen Gedanken abzurufen, was ihm auch erstaunlicherweise halbwegs gelang. Schlussendlich schaffte er es sogar bis zur letzten zu kommen und diese zu lösen. Ob das denn auch alles richtig war, wusste er beim besten Willen nicht, aber es schien wenigstens so. Und Taschenrechner konnten nicht lügen! Nach einer qualvollen Stunde war es dann endlich vorbei und alle streckten ihre verspannten Gliedmaßen. Der Blonde vernahm ein gequältes Stöhnen neben sich und er musste merkbar schmunzeln. „Nicht gut gelaufen?“, fragte Matt und trank einen Schluck aus seiner Wasserflasche. Irgendwie war sein Laune nun besser. Das lösen der Aufgaben hatte ihn ein wenig runtergebracht. Er musste auch zugeben, dass er ein klein wenig stolz auf sich war, dass er die Rechnungen lösen konnte. „Mehr als schlecht“, seufzte Tai und raufte sich die Haare. „Und bei dir?“ „Es geht~“ „Matt?“, fragte Tai zögerlich. „Ja?“ „Ich... Sakuya ist ja nicht da und ich habe mich gefragt, ob du heute nicht vielleicht mit zu mir kommen willst. Meine Mutter kocht uns sicher was.“ Matt blickte verwundert zu Tai, der wie ein eingeschüchterter Junge auf seinem Stuhl saß. Es schien, dass es ihm viel Überwindung gekostet hatte zu fragen, da der Blonde ihn davor ja so angezickt hatte. „Gerne“, sagte Matt und lächelte leicht. Er wollte nicht, dass eine merkwürdige Stimmung zwischen ihnen stand. Also warum nicht die Einladung annehmen? Vielleicht würde er sich seinen Gefühlen somit klarer werden. Ein Versuch war es schließlich wert. „Wirklich?“, schrie Tai beinahe. „Natürlich... kann ich gleich nach der Schule mit zu dir kommen?“ „Klaro. Oh, meine Mutter wird sich freuen. Du weißt doch wie gerne sie für dich kocht und dir dann die Reste mitgibt, die locker für einen Monat reiche.“ Der Tag ging nur schleppend voran und vor allem die Pausen schienen sich in eine unermessliche Länge zu ziehen. Was wohl auch daran lag, dass sich Matt auf den Besuch bei Tai freute. Er hatte sich lange nicht mehr bemuttern lassen und irgendwie hatte er seit einiger Zeit dieses grässliche Gefühl, dass ihm seine Mutter fehlte und da kam ihm Frau Yagami ganz gelegen. „Wollen wir gehen?“, fragte Tai, als er seinen Rucksack aufschulterte. „Jup, ich muss nur schnell meine Sachen einpacken“, antwortete Matt. „Hat sich dein Vater eigentlich mal gemeldet? Ich meine er müsste dich doch wenigstens mindestens einmal die Woche anrufen, um zu fragen, ob du noch lebst“, schellmte der Braunhaarige. „Sehr witzig“, grinste Matt schief. „Aber nein, er hat sich nicht gemeldet. Ist mir auch ziemlich egal. Ich komme ja schließlich auch ganz gut alleine klar.“ Zusammen machten sie sich aus den Weg aus der Schule. Merkwürdigerweise zogen langsam dunkle Wolken auf, obwohl kein Regen gemeldet war. Aber eine Abkühlung konnte der Stadt nur gut tun und so begrüßte Matt die frische Brise, die durch die verdunkelte Sonne herbeigerufen wurde, nur allzu gern. „Du weißt, dass du jederzeit auch bei uns wohnen kannst“, sagte Tai ohne Vorwarnung. „Ich weiß... dein Vater hat es mir das letztes Mal vorgeschlagen, aber ich brauche eure Hilfe nicht. Ab und zu bei euch vorbeischauen ist nicht schlimm, aber ich möchte euch nicht dauerhaft auf die Nerven gehen.“ „Du gehst uns nicht auf die Nerven, Dummerchen“, lachte Tai und wuschelte durch die blonde Haarpracht. Die Hand auf seinem Kopf fühlte sich wunderbar an, aber umso schlimmer war das Gefühl, als diese sich zurück zog. Er wollte, dass Tai ihn weiterhin berührte, ihm zu verstehen gab, dass er ihn lieb hatte, gerne bei ihm war. Die beiden hatten es gerade noch geschafft die Wohnung der Yagamis zu erreichen, als der Wolkenbruch über sie hereinbrach. Tai schloss die Wohnungstür auf und ließ Matt als erstes eintreten. Dem Blonden schlug sofort der liebliche Geruch von Hausmannskost entgegen. „Tai, bist du das?“, fragte eine zarte Stimme. „Oh Yamato, wie geht es dir?“ „Danke, gut, Frau Yagami.“ „Tai du hättest ruhig sagen können, dass Matt nach der Schule zu uns kommt. Dann hätte ich ihm sein Lieblingsessen gekocht. Tempura, habe ich recht?“, strahlte die braunhaarige Frau und schwenkte einen Kochlöffel. „Ja~ aber machen Sie sich doch keine Umstände!“, sagte Matt und winkte ab. „Nichts da! Ihr beide geht jetzt in Tais Zimmer. Und Ich koche weiter an dem Chanko-nabe und mache noch Tempura. Nur für dich, Matt!“ „Aber-“, warf der Blonde ein, doch Tai pieckte ihm in die Seite. „Sei doch ruhig“, flüsterte Tai und grinste ihn engelsgleich an. „Es ist ewig her, dass ich Tempura gegessen habe. Meine Mutter probiert gerade ausnahmsweise Rezepte von normalem Essen aus. Also verdirb mir nicht die Chance echte Nahrung zu mir zu nehmen. Du weißt doch, dass sie eher auf der Öko-Schiene fährt.“ „Meinetwegen“, seufzte Matt. „Danke, Frau Yagami.“ „Für dich doch immer. Du bist doch bereits wie ein zweiter Sohn für mich.“ Immer noch lächelnd, was wahrscheinlich am Essen lag, machte sich Tai auf in sein Zimmer, gefolgt von Matt. Es hatte sich wirklich nichts bei Tai verändert. Tais Bereich war leicht chaotisch und überall lag Fußballkram. Man musste aufpassen, wo er hintrat, da man leicht irgendwo ausrutschen konnte. „Du bist schlampig, weißt du das?“, sagte Matt frech und setzte sich auf das Bett. „Ich weiß~. Aber nimm's mir doch nicht übel“, lachte Tai und setzt sich auf seinen Schreibtischstuhl. „Ich bin beeindruckt, dass du Mathe anscheinend gut hinbekommen hast. Bin richtig neidisch, um ehrlich zu sein.“ „Ich hatte die ganze Nacht ja nichts anderes zu tun und so habe ich gelernt. Hat echt geholfen, muss ich sagen, auch, wenn ich glaube, dass mindestens 50 Prozent davon falsch ist“, griente der Musiker und zuckte auf einmal zusammen, als man von draußen Donnergrollen hören konnte. „Ein Gewitter“, sagte Tai monoton. „Dann wird es morgen wenigstens ein bisschen kühler.“ „Ja...“, sagte Matt. „Ich hasse Gewitter.“ „Ich weiß. Ich kann mich noch dran erinnern... als du ein kleines Kind warst und bei mir geschlafen hast, hast du dich immer heulend unter der Bettdecke verkrochen.“ „Komisch nicht wahr? Auch, wenn ich jetzt älter bin, habe ich immer noch Angst vor Gewitter...“ „Tai, Matt! Kommt zum Essen“, hörte man aus der Küche rufen. „Oh endlich! Mein Magen hängt schon in den Kniekehlen.“ „Du bist echt ein Nimmersatt“, lächelte Matt leicht und folgte Tai in die Küche. „Ja, aber du weißt doch, dass niemand so gut kochen kann wie du“, zwinkerte ihm der Braunhaarige zu. 'Oh Gott, bitte sag so etwas nicht, dann bilde ich mir noch was drauf ein', schrie Matt in seinen Gedanken, als er merkte wie sein Herz schneller schlug. Da er praktisch alleine wohnte, musste er kochen lernen, um nicht zu verhungern und dies schon mit jungen Jahren. Tai hatte dies mitbekommen und war öfters nach der Schule mit zu ihm gekommen, um seine Kochkünste zu genießen. Matt wusste, dass Tais Magen eigentlich recht einfach gestrickt war und, dass ihm alles schmeckte, was nicht gerade verbannt war oder ein Jahr übers Verfallsdatum. Doch, dass Tai ihm so was sagte, bedeutete ihm mehr, als er zugeben wollte. „Was muss ich da hören, mein Sohn?“, sagte Frau Yagami und stellte das Essen auf den Tisch. „Yamato kocht besser als ich? Muss ich eifersüchtig sein?“ „Aber nein“, versuchte sich Tai aus der Affäre zu ziehen. „Wo ist eigentlich Kari?“ „Bei einer Freundin. Ich werde mich jetzt auch langsam auf den Weg machen“, sagte die Mutter und band sich die Schürze ab. „Wohin denn?“, fragte Tai verwundert und stopfte sich bereits das erste Gemüse-Tempura in den Mund. „Dein Vater und ich sind zum Abendessen eingeladen.“ „Dann wünsche ich Ihnen viel Spaß“, meldete sich der Blonde zu Wort und löffelte weiter an seiner Suppe. „Und ich wünsche euch einen schönen Abend. Stellt mir ja keinen Unfug an, Kinder. Ich will nicht, dass das Haus in Schutt und Asche liegt, wenn wir wiederkommen.“ „Ja, Mama“, äffte Tai. „Meine Mutter behandelt mich echt wie ein Kleinkind.“ „Sei doch froh, dass sie sich solche Sorgen um dich macht“, lachte Matt und stürzte sich auf eines der Tempura. Er hatte immer Hunger, wenn er nicht selber kochen musste und Essen von anderen schmeckte bekanntlich besser als das eigene. So voll gestopft, wie jetzt, war er schon lange nicht mehr gewesen. Er fühlte sich pudelwohl, eigentlich fühlte er sich immer wohl, wenn er bei Tai war. Leise kichernd sah er zu wie dieser gerade den Rest der Suppe runter schlang und sich seinen Bauch rieb. „Oh mein Gott, war das lecker!“, stöhnte Tai und schloss seine Augen. „Ja, das war es. Deine Mutter hat echt kochen gelernt. Hätte nicht gedacht, dass sie mal von ihrem Ökotrip runterkommt und was richtiges zu Essen macht.“ „Ja... seither muss ich nicht mehr hungern und mich bei dir durchschlagen“, prustete der Braunhaarige und nahm einen Schluck Wasser. „Wollen wir wieder in mein Zimmer gehen und vielleicht ein bisschen Musik hören?“ „Sollen wir das Geschirr einfach so stehen lassen?“, fragte Matt, der eigentlich schon dabei war die Teller zusammen zu räumen. „Musst du immer so ordentlich sein?“ „Besser ordentlich, als so schlampig wie du“, scherzte der Blonde und stellte das dreckige Geschirr in die Spülmaschine, während Tai am Tührrahmen lehnte und ihn dabei beobachtete. „Jetzt können wir gehen.“ „Na endlich. Du bist ja beinahe so wie meine Mutter.“ „Bin ich gar nicht“, schmollte Matt, während sie die Treppe zu Tais Zimmer hoch gingen. „Willst du eigentlich hier schlafen?“, fragte Tai auf einmal und öffnete die Holztür. „Wenn ich darf... dann gern. Ich meine es ist ja schon ziemlich spät.“ „Na, dann hätten wir das beschlossen“, freute sich Tai und machte seine Stereoanlage leise an. „Ich such dir schon mal ein Shirt zum Schlafen raus.“ „Aber nicht das mit den Teddybären, das du von deiner Großmutter letztes Jahr zu Weihnachten bekommen hast.“ „Nein? Oh schade... hätte sicher scharf ausgesehen!“ Scharf... Matt schüttelte seinen Kopf. Nein, Tai hatte das nur scherzhaft gemeint. Dieses verfluchte Herzklopfen sollte endlich aufhören, aber es geschah nichts. Er besah sich Tai, wie dieser in seinem Kleiderschrank nach einem geeigneten Shirt für ihn suchte und ein weiteres Mal, musste sich der Blonde eingestehen, dass Tai eine unglaubliche Figur hatte. Der Braunhaarige war mit seinen 17 Jahren bereits von stattlicher Natur. Groß gewachsen, einen schlanken, aber dennoch durchtrainierten Körper. Eigentlich war er das genau Gegenteil von Matt. „Hier, ich glaube das müsste dir passen“, sagte Tai und reichte Matt ein weiß-schwarz gestreiftes Shirt. „Da- danke“, stotterte Matt und nahm es entgegen. „Hast du schon wieder geträumt, Matt? Dein Blick war so weit weg“, kicherte der Größere und setzte sich neben Matt auf das Bett. „Vielleicht ein bisschen“, sagte Matt und knöpfte sein Schulhemd auf, um es sich von den Schultern zu streifen. „Du weißt doch, dass ich schon immer ein Träumer war. Hey, glotz mich nicht so an!“ Matt hielt sich das Schlafshirt vor den Oberkörper und schaute seinen Freund mit einem merkwürdigen Ausdruck in den Augen an. Tai hatte ihm beim Ausziehen seines Hemds beobachtet und mit einem nicht deutbaren Blick seinen Oberkörper gemustert. „Ich hab mir nur gerade gedacht wie schön deine Haut doch ist.“ „Was? Mensch, Tai, lass den Scheiß“, zischte der Sänger und streifte sich das Shirt über. „Soll ich auf deinem Futon schla-... aaaah!“ Wieder ein Donnergrollen. Als sie in der Küche waren hatten sie nichts mehr gehört und Matt hatte gehofft, dass das Gewitter vorbeiziehen würde, doch dieses Donnern gerade schien verdammt nah. „Sei doch nicht so schreckhaft, Yama“, zwinkerte Tai und ging zu seinem Wäschekorb, um sich seine Schlafsachen anzuziehen. Matt schaute zur Seite und schmollte. Er durfte Tai jetzt auf keinen Fall ansehen! Also weg gucken, aufstehen und sich die Hose ausziehen und schnell unter die Bettdecke! Ja, guter Plan und dann am besten Tai den ganzen Abend nicht mehr angucken. Gerade als sich Matt die graue Hose von den Beinen strampeln wollte, blitzte es ein paar mal hintereinander und das Licht fiel aus. „Scheiße!!!“, schrie Matt und fiel vor Schreck über seine eigenen Beine und krachte gegen etwas unbekanntes. „Tai, mach das Licht an!“ „Ja doch... ich glaube die Sicherung ist raus gesprungen. Ich muss schnell in den Keller“, nuschelte Tai und tastete sich im Dunkeln zu seiner Tür. „Nein, bleib hier!“, schrie Matt. „Ich dachte ich soll das Licht anmachen?“ „Aber... aber... nein bleib lieber bei mir. Ich will nicht alleine sein.“ „Du klingst wie ein kleiner Junge, Matt“, lachte Tai und versuchte sich im Dunkeln zu orientieren. „Hey, alles in Ordnung?“ „Nein, ich habe mich glaube ich in meiner Hose verheddert und bin gegen dein Bett gefallen...“ „Moment. Ich glaube ich habe noch eine Kerze hier im Zimmer. Bleib einfach dort, wo du bist!“ Es dauerte einige Zeit, bis Tai die Kerze fand und sie anzündete. Nur langsam gewöhnte sich der Sportler an die dämmernde Helligkeit des Raumes. Er stellte die Kerze auf seinem Schreibtisch ab und ging dann langsam auf Matt zu, der immer noch auf dem Boden saß und einen leicht panischen Blick hatte. „Hey, sei ganz locker, OK? Warte ich helfe dir mit der Hose, du Tollpatsch.“ „Ich bin kein Tollpatsch... normal bist du doch derjenige, der immer gegen alles rennt oder ausrutscht!“ „Ich weiß, aber dass du es mal zur Abwechslung bist, finde ich amüsant“, grinste Tai und schaffte es endlich Matt die Hose von den schlanken Beinen zu streifen. „Ach, du findest es amüsant, wenn ich mir weh tue?“, knurrte Matt. Er fühlte sich gerade verdammt unbehaglich. „Wo tut es denn weh?“, fragte Tai auf einmal ernst und auch leicht nervös. „Es geht schon... ich habe mir den linken Unterschenkel gestoßen... an deiner Bettkante...“ „Hier?“, fragte Tai und legte seine Hand auf die schmerzende Stelle. Scharf sog Matt die Luft ein und wollte sein Bein zurückziehen, doch Tai hielt ihn fest. Dort wo die gebräunte Hand lag, schien seine Haut unglaublich zu kribbeln. Er spürte keinen wirklichen Schmerze, obwohl er Morgen einen blauen Fleck haben würde, stattdessen schienen unter seiner Haut tausend Ameisen zu kribbeln. „Tut mir Leid, was ich gesagt habe... das mit dem amüsant meine ich", flüsterte Tai mit einem entschuldigenden Blick. „Ist schon OK...“, flüsterte Matt und zuckte sofort wieder zusammen, als das nächste Donnergrollen über dem Haus einbrach. Die Hand auf seinem Unterschenkel war ihm verflucht unangenehm. Und dann auch noch dieses Gewitter! Schlimmer konnte es wohl nicht mehr kommen. Diese Situation gefiel ihm ganz und gar nicht. Warum musste eigentlich immer gerade er in solche Fettnäpfchen treten? „Lass uns schlafen gehen Matt, ja?“, sagte Tai und strich einige Blonde Strähnen aus dem zarten Gesicht. „In Or- Ordnung...“, stotterte der Blonde, als er die Hand an seinem Gesicht spürte. Ein wenig schwankend rappelte sich Matt auf und ließ sich sofort in das weiche Bett fallen. Das Gewitter wurde immer schlimmer, denn die Blitze und das Grollen schienen gar nicht mehr aufhören zu wollen und der Regen schlug regelrecht gegen die Fensterscheiben. Matt hasste diese Art von Wetter. Als er 8 Jahre alt war, hatte sein Vater ihn über das Wochenende alleine gelassen, weil er arbeiten musste. Damals gab es auch ein Gewitter und der Strom war ausgefallen. Noch nie hatte der Kleine solche Angst gehabt. Angst im Dunkeln, vorm alleine sein, vor den Geräuschen. Sofort kuschelte sich Matt unter der Decke ein und bekam nur am Rande mit wie sich Tai neben ihn legte. Er realisierte es erst als dieser ihn in seine warmen Arme nahm. Die Hitze, die Tais Körper ausstrahlte war so unglaublich schön. Wieder wurde Matts Herz schwer, so unsagbar schwer, dass es ihm regelrecht die Luft zum atmen nahm. Und auf einmal traten Tränen in seine Augen. Es war nicht die Angst wegen dem Gewitter. Er weinte schon seit Jahren nicht mehr wegen diesen Wettereinbrüchen. Nein, es war wegen Tai. Ihm wurde schmerzlich klar, dass er nicht mehr der einzige war zu dem Tai so lieb war. In dem Augenblick, als er Sakuya gesehen hatte, wusste Matt, dass er einen großen Teil seines Freundes verlieren würde. Und es war nicht nur das, auch die ihm immer mehr klare Bewusstheit, dass er in seinen besten Freund womöglich echt verliebt war. Es war so falsch, einfach so falsch. „Weinst du, Yama?“, fragte Tai zögerlich als er das immer stärker werdende Zittern spürte. Doch Matt antwortete nicht. Er drehte sich einfach um und krallte sich an Tai. Seine Tränen kullerten immer weiter und durchnässten den Stoff des Schlafshirts. „Du brauchst doch keine Angst vor dem Gewitter haben“, sagte Tai unsicher und streichelte über das blonde Haar. Der braune Wuschelkopf war mit der Situation leicht überfordert. „Das ist es nicht...“, schluchzte Matt. „Dein Bein?“, fragte Tai, aber er konnte ein Kopfschütteln spüren. „Yama... was hast du? Was ist los?“ Die Stimme des Braunhaarigen klang nun reichlich Besorgt. Er wusste nicht, was mit seinem Freund los war. Er weinte sich praktisch die Seele aus dem Leib und zitterte wie Espenlaub. „Ich...“, Matts Stimme versagte, doch er zwang sich weiter zu reden. „Ich... habe Angst, dass ich dich verliere...“ „Warum solltest du mich denn verlieren?“ „Deine Freundin...“, presste er hervor. „Bist du etwa eifersüchtig?“, fragte Tai halb im Scherz. „JA, verdammt! Ich bin verflucht eifersüchtig. Ich könnte sie umbringen dafür, dass sie dich mir weg nimmt“, schrie Matt und setzte sich auf, damit Tai sein Gesicht nicht sehen konnte. „Yama...“, flüsterte Tai. „Schau mich an.“ „Nein“, stammelte der Blonde trotzig. Doch Tai ließ sich nicht beirren, packte Matt an den Schultern und drehte ihn so, dass er sein Gesicht sehen konnte. Die blauen Augen waren von Tränen verschleiert und gerötet. Auf einmal schämte sich der Sänger für diesen Gefühlsausbruch. So war er doch normal nicht. Er war immer berechenbar und versuchte Gefühle so gut es ging zurück zu halten. „Du wirst mich nicht verlieren“, sagte Tai und kam dem Gesicht von Matt erschreckend nah. Die blauen Augen wurden immer größer, doch dann als er den heißen Atem des Braunhaarigen spüren konnte, kniff er sie zusammen. Was machte der Braunhaarige da nur? Matt hatte mit allem und mit nichts gerechnet, aber nicht damit, dass er die weichen Lippen auf seiner Stirn fühlte. „Tai... was machst du... da?“, stotterte Matt und wurde rot. Kapitel 6: Mit dem linken Fuß aufgestanden ------------------------------------------ „Dich trösten, du Dummerchen“, schmunzelte sein Gegenüber. „Du sahst so bedrückt aus wegen der Sache und da dachte ich mir, dass ich dich ein wenig aufheitere. Als wir klein waren, hat das jedenfalls noch geholfen.“ „Ja... ja natürlich wolltest du das“, lachte Matt verunsichert und wischte sich über die Stirn. „Danke.“ „Gerne doch. Und nun lass uns endlich schlafen oder es wenigstens versuchen. Das Gewitter ist auch nicht mehr so schlimm.“ „OK“, schniefte Yamato ein letztes mal und kuschelte sich unter die Decke. Er fühlte sich schon ein wenig besser, auch wenn er wusste, dass Tai ihn nur auf die Stirn geküsst hatte, damit er Ruhe gab. Und verflucht nochmal, es hatte funktioniert! Müde schloss er seine Augen und konnte Tai neben sich ruhig atmen hören. Es beruhigte ihn und irgendwo in seinem Innern hoffte er, dass der Braunhaarige sein Versprechen halten würde. Der nächste Tag sollte sich länger hinziehen, als Matt je gedacht hätte. Nichtsahnend hatte er größtenteils noch schweigend und in Gedanken versunken den Morgen verbracht. Tai und er waren zusammen zur Schule gelaufen, wo der Braunhaarige, kaum nachdem er das Schultor passiert hatte, von seinem Fußball-Club in die Mangel genommen und in Richtung Sporthalle gezerrt wurde. Zurück blieb ein verdutzter Matt, der noch wie vom Blitz geschlagen immer noch an der selben Stelle stand. „Na toll“, zischte der Blonde und rümpfte seine Nase. „Die Typen wissen einfach nicht, dass man so früh am Morgen ruhig sein sollte.“ Noch immer leicht murrend ging Matt in Richtung Schule, vorbei an den anderen ebenso genervten Schülern. In der ersten Stunde hatten sie Biologie. Wenigstens konnte er da noch ein wenig dösen, dachte er. Wie immer ging er ohne ein Wort des Grußes zu sagen in das Klassenzimmer und setzte sich an seinen Fensterplatz. Er war wie Luft für die anderen. Der Blonde wusste warum. Er hatte nie sonderlich viel mit seinen Klassenkameraden geredet und auch wenn er ein angehender Rock-Star war, schien das in der Klasse niemanden zu interessieren. Ganz im Gegenteil zur restlichen weiblichen Bevölkerung der Schule, die ihn regelrecht anhimmelten. Müde legte er seinen Kopf auf den Tisch und seufzte leicht. Eigentlich war es ein schöner Tag, der auf der Matt-Skala eine glatte neun von zehn Punkten bekommen würde. Die Sonne brannte nicht, was wohl daran lag, dass es die ganze Nacht geregnet hatte und der Himmel war leicht bewölkt - so wie er es mochte. „Hey, Yama“, japste Tai, der sich an der Tür festhielt. „Hilf mir doch mal!“ Wie ein Zeitlupe drehte Matt seinen Kopf in Richtung Tür und sah einen völlig zerzausten Wuschelkopf. „Du hast zwei Beine, also kannst du auch alleine laufen“, konterte Matt, der im Moment eindeutig zu faul war noch einmal aufzustehen und den ganzen Weg bis zu seinem Freund zu laufen. „Was ist denn passiert?“ „Unsere Mannschaft...“, begann Tai und ging langsam zu seinen Sitzplatz neben Matt. „Hat diese Woche ein Spiel gegen den besten Highschool-Verein von Tokyo.“ „Das ist doch toll... aber erklärt nicht, warum du aussiehst wie ein Penner, der verprügelt wurde.“ „Die Jungs haben sich einfach zu sehr gefreut und sind der Meinung, dass das alles ganz alleine mein Verdienst ist.“ „Aber das ist es doch auch“, lachte der Blonde und zwinkerte ihm zu. „Ohne dich würde unsere Schulmannschaft doch in regelmäßigen Abständen verlieren.“ „Zu viel des Lobs“, sagte Tai und kratzte sich sichtlich verlegen am Kopf. Der Blonde ließ seinen Blick wieder durch die Klasse streifen, als die Schulglocke anfing schallend seinen Ohren weh zu tun. Er verfluchte dieses „Ding“. Jede verdammte Glocke in Toyko klang gleich. Gleichartig Tinnitus-erregend. Und kaum hatte es zum zweiten mal geklingelt, kam auch schon ihr Biolehrer in den Raum gestolpert. Er war ein kleiner Mann mittleren Alters, mit leicht ergrauten Haaren und einer dicken Brille. „Seit mal ruhig“, hustete Her Taka. Matt musste sich ein Lachen verkneifen. Es war ironisch. Ihr Biolehrer war ausnahmsloser Kettenraucher der übelsten Art. Man sah ihn außerhalb des Unterrichts immer mit einer Zigarette im Mund, an der er genüsslich zog und anscheinend zu vergessen versuchte, dass er Biologie unterrichtete. „Ich darf euch heute eine neue Schülerin vorstellen. Sie ist vor einige Tagen in unser Stadtteil gezogen und wird nun bis zum Ende des Schuljahres bei uns sein“, sagte Herr Taka beinahe auswendig gelernt und schien zur Tür zu schielen und das Mädchen rein winken zu wollen. Normalerweise ging Matt so was immer am Arsch vorbei, weil er eh nicht vorhatte neue Kontakte zu schließen. Aber als die „Neue“ in das Klassenzimmer trat schien ihm der nicht vorhandene Bissen im Hals stecken zu bleiben. Das gab es nicht! Der Blonde war sich ganz sicher, dass er mal wieder einen Albtraum hatte, aus welchem er in wenigen Sekunden hochschrecken würde. „Guten Tag, mein Name ist Sakuya“, stellte sie sich vor und verbeugte sich leicht. „Ähm ja“, fing ihr Lehrer wieder an und ließ seinen Blick durch die Klasse schweifen. „Du kannst dich da hinten hinsetzten.“ Sakuya lächelte und schlängelte sich durch die Reihen neugieriger Augen, die sie begafften. Die Klasse tuschelte leise, aber man konnte Worte wie „süß“ und „Püppchen“ erhören. Als sie in der letzten Reihe angekommen war ging sie an Tai vorbei und formte mir ihrem Lippen ein leises „Hallo“. Tai tat es ihr gleich und lächelte sie an. „Taichi? Was macht die hier?“, fragte Matt vielleicht ein klein wenig harscher als beabsichtigt. „Sie und ihre Eltern sind letzte Woche umgezogen und naja... ich wollte es dir eigentlich gestern Abend sagen, aber irgendwie war dann doch nicht der richtige Zeitpunkt“, versuchte sich der Sportler aus der Affäre zu ziehen. „Und dann hast du gedacht, dass so eine kleine Überraschung am Morgen vielleicht meine müden Glieder aufweckt oder was?“ „Nicht so ganz... bist du mir böse?“, fragte Tai und ließ wieder seine Hundeaugen sprechen. „Lass. Ich habe ja nichts dagegen. Bin nur überrascht.“ Von wegen nichts dagegen. Was soll das? Matt fühlte sich verarscht und zwar gewaltig! Ihn einfach ins kalte Wasser hüpfen zu lassen. Plötzlich wurde ihm bewusst, dass er Tai bisher nur für sich hatte, weil sie die selbe Schule besuchten und nun würde das auch vorbei sein. Warum musste sich sein Leben nur so schlagartig innerhalb weniger Tage verändern? Was hatte er nur falsch gemacht? Deprimiert seufzte er und schaute in Richtung der Tafel, wo ihr Biologie-Lehrer einige Zellen zeichnete und deren Aufbau erklärte. Zuhören und Lernen konnte ab und zu eben doch die beste Ablenkung sein, aber war es das wert? Er würde lieber Zeit mit seinem besten Freund verbringen, als sich in Biologie oder sogar Mathe zu vertiefen. Irgendwie hatte Matt dieses ungute Gefühl, dass dieser Tag einer der beschissensten in seinem ganzen Leben werden würde. Die bald darauf folgende Pause schien im das sogar zu beweisen. Es war der beinahe GENAUE Ablauf, den er sich Minuten zuvor in seinem Kopf zusammen gesponnen hatte. Sakuya kam an ihren Tisch, zwinkerte Taichi einige male zu, bis er weich wie Butter würde, schnappte sich seine Hand und zerrte ihn aus dem Klassenraum. Doch das war nicht das einzige Mal! Es ging den ganzen beschissenen Tag so! Jede blöde Pause das selbe Spiel. Ein Wort und Tai war weg, hatte für Matt nur ein müdes „Bis gleich“ parat. Der Blonde wollte gar nicht wissen, was die beiden alleine machen würden. Mit jeder Sekunde wurde sein Herz immer schwerer und er wünschte sich einfach nach Hause gehen zu können und dort in seinem Bett die nächsten Tage zu verbringen. Allein und ungestört. Einfach weg von dieser Ziege, weg von Tai und vor allem weg von diesen Gefühlen, die drohten über ihn einzustürzen. Genervt schaute er auf seine Armbanduhr und er merkte, dass große Pause war. Er traf sich jeden Dienstag mit seiner Band. Vielleicht konnte er dort etwas Ablenkung und ein wenig Aufheiterung finden. Schleppend machte er sich auf den Weg. Ihr Proberaum war in einem angrenzenden Gebäude der Schule und er konnte schon einige Meter davor hören, dass Misaki auf seinen Drums einschlug. Seine Band war der einzige Lichtblick an diesem Tag. „Hallo, Leute“, sagte Matt so fröhlich wie möglich und setzte ein falsches Lächeln auf. „Oh, Guten Morgen, Yamato“, grinste ihn Satoshi an und stellte sein Bass zur Seite. „Hat dich unser Manager schon angerufen?“ „Angerufen?“, fragte der Blonde verwundert und nahm seine E-Gitarre in die Hand. „Was will er denn von mir?“ „So wie es aussieht sollen wir ein Album aufnehmen.“ „Ein Album? Scherze nicht 'rum, Satoshi! Womit denn? Wir haben doch gerade mal vier neue Lieder“, lachte Matt und fing an seine Gitarre zu stimmen. „Naja...“, warf Misaki ein und kratzte sich an den Kopf. „Lass mich machen, Misaki“, zischte Satoshi drohend und wendete sich nun wieder dem Blonden zu. „Also die Sache ist so... Unser Manager und auch die Record Company sind wohl der Meinung, dass es ihnen zu langsam geht und haben daher entschieden, dass jemand anderes die Texte und Lieder schreiben soll.“ „Bitte? Sag das noch Mal!“, sagte der Blonde, der das wohl als Scherz abtat. „Das war ein guter Witz.“ „Das ist kein Witz, Matt“, sagte Misaki nun und schaute zur Seite. „Wir haben einen Vertrag und...“ „Vertrag hin oder her! Ich lass mir doch MEINE Musik nicht von anderen schreiben.“ Was war denn jetzt los? Der einzige Lichtblick, wie er gedacht hatte, verwandelte sich nun in den zweiten Albtraum des Tages. „Ja, aber was sollen wir da machen?“, fragte Satoshi. „Ich finde die Idee nicht mal so schlecht. Ich meine, so können wir ja auch eine andere Musikrichtung einschlagen. Wir sollten einfach mal abwarten, was sie sich so einfallen lassen.“ „Vergiss es! Ich habe auf so was keinen Bock. Ich will, dass mir niemand da reinpfuscht", giftete Matt und sah seine Bandmitglieder abwechseln bösartig an. „Dann sag das mal unseren Manager“, seufzte Misaki. „Der wird da gar nicht begeistert davon sein. Du weißt ja wie er ist, solange wir neue Songs liefern ist es ok, aber sobald wir ins Stocken geraten, was übrigens im Moment deine Schuld ist, wird er forsch.“ „Ach, jetzt ist das meine Schuld oder was?“, japste der Blonde und stellte seine Gitarre zur Seite. „Also... wir haben ja Lieder... aber die Texte fehlen und die willst du ja unbedingt alle schreiben.“ „Und was ist da falsch dran?!“, schrie Matt außer sich. Er hatte verflucht noch Mal die Band gegründet und er war es auch, der die meisten Lieder komponierte und alle Texte schrieb. Warum sollte er von irgendwelchen Hirnis, die er nicht mal kannte, seine Lieder schreiben lassen und dann sogar noch singen und so tun, als ob es seine wären! Das konnte doch nicht Wahr sein. Der Tag hatte eigentlich recht gut begonnen, doch nun schien es steil Bergab zu gehen. Was hatte er in seinem letzten Leben nur verbrochen, dass ihn sein Karma nur so sehr straft? Erst diese Tussi und nun das?! Matt war einfach nur noch stinksauer. Warum konnte es nicht ein Mal im Leben nach ihm gehen? Warum musste er sich immer verbiegen und es allen recht machen? Er spürte regelrecht wie sich alles in ihm zusammen zog und wie die Wut in seinem Brustkorb zu brodeln schien. „Wisst ihr, mir reicht's“, schrie Matt auf einmal und packte sein liebstes Instrument in den Gitarrenkoffer. „Wie meinst du das?“, warf Misaki ein und stolperte beinahe über seine Drums. „Heißt das du steigst aus?“ „Wenn es wirklich darauf hinausläuft, dass sich Songtexter und andere Komponisten da einmischen...JA!“, schnalzte Matt und schulterte den Gitarrenkoffer auf. „Ich geh' jetzt.“ „Ja, jetzt warte doch mal. Du kannst nicht einfach so abhauen mit dieser Begründung. Unser Manager wird uns killen.“ „Das ist mir egal!“, fauchte Matt. Ohne ein weiteres Wort ging Matt aus dem Proberaum. Das war doch einfach die Höhe. Ihr Manager hatte es anscheinend nicht mal für nötig gehalten ihm was davon zu erzählen. Mit rotem Kopf und einem Blutdruck, der höher nicht hätte sein können, kam er nach einigen Minuten stapfend in sein Klassenzimmer an und das erste was er dort sehen musste war dieses Miststück, die doch tatsächlich auf Tais Schoß saß und mit ihm zu flirten schien. Das war der Tropfen, der das Fass, nein die Wanne, zum überlaufen brachte. Sein Toleranzpegel war ja eigentlich recht hoch, doch wenn jetzt noch irgendwas winzig kleines passieren sollte, war es endgültig aus mit seiner Geduld. Auf seiner Unterlippe kauend ging er geradewegs zu seinem Sitzplatz. „Hey, Matt! Warst du bei deiner Bandprobe? Die war heute aber früh zu ende“, stellte Tai fest und versuchte die Aufmerksamkeit seines besten Freundes auf sich zu ziehen. „Hallo Yamato“, sagte Sakuya. „Wir haben heute noch gar nicht richtig miteinander geredet.“ Doch der Blonde sagte nichts. Er packte wahllos die Schulbücher in seine Tasche. Er wollte nur noch nach Hause. Einfach weg von hier und alleine sein. War es denn nicht schon schlimm genug, dass er anscheinend in Tai verliebt war? Auch schon, bevor diese Ziege aufgetaucht war? Nein, anscheinend nicht. Alles, was in seinem Leben ein wenig an Bedeutung hatte und ihm Freude gab, schien gerade Wegs den Bach runter zu gehen. Er war gerade dabei zu gehen, als er am Arm festgehalten wurde. Er erkannte die Hand. Eigentlich müsste er sie nicht mal sehen. Die Berührung hatte ausgereicht, um ihm zu zeigen, wer ihn da festhielt. Das bloße Gefühl der heißen Haut auf seiner kalten, war mehr als nur ausreichend dafür. „Was ist denn los mit dir, Yama?“, fragte Tai neugierig. „Lass mich gefälligst in Ruhe!“, schrie Matt den Braunhaarigen an und schlug Tais Hand weg. 'Nicht jetzt, verflucht! Nicht... jetzt... ich will nur nach Hause...' Jetzt war es passiert. Matt hatte zum ersten Mal seit langem wieder die Aufmerksamkeit der Klasse. Alle drehten sich zu ihm um. Sie wirkten wie Hyänen, die gierig auf Streit waren. „Was soll das denn jetzt?“, stutzte Taichi und rieb sich seine Hand. „Hast du einen schlechten Tag oder was?“ Ok, nun reichte es Matt. Die erhoffte Ruhe schien er ja nicht zu kriegen. Oder besser gesagt gönnte man diese ihm nicht. „Jetzt will ich dir mal was sagen, Herr Yagami!...“ Kapitel 7: Gestrichen, doppelt und dreifach ------------------------------------------- Matt schmiss seine Tasche vor Wut regelrecht auf den Boden und schaute dem Braunhaarigen in die Augen. Er war voller Wut. Auf seinen Manager, auf die Band, auf diese Tussi, die sich Tai geschnappt hat, auf Tai und auf die Welt. Aber vor allem war er auf sich selber wütend. „Ich habe einen verdammt beschissenen Tag, ja! Und willst du hören, warum das so ist? Warum ich keinen Bock mehr habe länger in diesem Klassenzimmer zu sein? Ich kann dir den Hauptgrund gerne nennen, wenn du magst!“, schrie Matt und ballte seine Hände zu Fäusten. „Der Hauptgrund ist die Tussi da!“ „Meine Freundin?“, fragte Tai verwirrt und blickte abwechselnd von Matt zu Sakuya. Die ganze Klasse schien es ihm gleich zu tun. „Ganz recht, deine Freundin. Du schleppst sie einfach so an, sagst mir nicht einmal, dass du ein Mädchen kennen gelernt hast und dann muss sie auch noch an unsere Schule, in unsere Klasse, kommen. Mir hängt das einfach zum Hals raus.“ „Sag mal spinnst du?“, mischte sich Sakuya ein und schritt näher an den Blonden heran, bis sie schließlich neben Tai stand. „Was hast du denn gegen mich? Weil ich mit Tai zusammen bin? Hast du schiss, dass ich ihn dir wegnehme?“ „Genau das ist der Grund. DU nimmst mir MEINEN besten Freund weg!“ Jetzt war es raus. Super gemacht, Yamato. Mach noch ein bisschen weiter und du hast dir einen perfekten Strick zum aufhängen geknüpft. „Matt, du weißt, dass das nicht stimmt“, versuchte Tai ihn zu beruhigen. „Ich habe dir doch versprochen, dass-“ „Es stimmt! Und du merkst es nicht einmal. Es ist nur eine Frage der Zeit bis du mir nichts mehr erzählen wirst, wir uns gar nicht mehr sehen und du nur noch mit ihr zusammen sein willst...“ Matts Stimme versagte langsam. Er war nicht oft laut oder schrie jemanden an. Normalweise war er immer einer der ruhigeren Menschen gewesen. In seinem ganzen Kopf wütete ein riesiger Sturm und er konnte seine Gedanken kaum ordnen. Er wusste nur, dass er jemanden anschreien wollte. „Du...“, Sakuyas Augen verengten sich und sie suchte wohl nach den richtigen Worten. „Du... tust ja gerade so, als ob du Tai als Freund haben willst. So wie ich ihn habe.“ Das waren genau die Worte, die Matt erwartet hatte, aber nie hören wollte. Er sah immer noch auf den Boden, aber konnte regelrecht fühlen wie die Klasse ihre Augen auf ihn gerichtet hatten. Sie fingen an leise zu tuscheln, aber für ihn war es laut. Unglaublich laut. Diese Situation war so grotesk. Wie ist er nur da rein geraten. Ah, richtig... er hatte ironischerweise damit angefangen. Bei diesem Gedanken musste er anfangen leise zu lachen. „Na, was ist nun?“, fragte Sakuya mit einer merkwürdigen Stimme, die sogar eine Spur gehässig klang. „Matt?“, konnte man nun auch leise fragend von dem Braunhaarigen hören. „Und was wäre, wenn...?“, sagte der Musiker und hob seinen Kopf an, um wieder auf Augenhöhe mit den Anderen zu sein. Kurz schaute er Sakuya an, die ihn weiterhin mit Schlitzaugen erstach. Sein Blick blieb jedoch an Tai haften, der einen undefinierbaren Ausdruck in seinem sonst so fröhlichen Gesicht hatte. „Was wäre, wenn das die Wahrheit ist?“ Ohne noch etwas weiteres zu sagen, hob er seine Tasche auf und ging aus dem Klassenzimmer, welches sofort ein neues Gesprächsthema für mindestens eine Woche hatte. Tai war so irritiert, dass er seinem Freund sofort nach wollte, aber Sakuya hielt ihn auf. „Lass ihn. Du hast doch gehört, dass du ihn in Ruhe lassen sollst.“ Toll, jetzt war es aus und vorbei. Matt stand kurz vorm Heulen, als er das Schulgebäude verließ und über den Hof ging. In nächster Zeit in die Schule gehen war wohl gestrichen. Die Band war gestrichen. Tai war ebenso gestrichen. Hey, sein ganzes Leben war gerade von ihm selber gestrichen worden. Er wusste wirklich nicht, ob er lachen oder weinen sollte. So viele Gedanken waren gerade in seinem Kopf und sie schienen alle gleichzeitig auf ihn einzuhämmern und ihn fertig machen zu wollen. Indirekt hatte er Tai gestanden, dass er in ihn verliebt war. Was hatte er sich dabei nur gedacht? Er hätte gehen können, ohne noch etwas sagen zu müssen. Er war niemanden Rechenschaft schuldig, vor allem nicht dieser Tussi. Sein Blick schweifte über die Fußgängerzone. So viele davon schienen glücklich zu sein. Warum kamen all die Liebespärchen nur aus ihren Löchern gekrochen sobald die Sonne schien? Wie Ameisen, die vom Zucker angezogen werden. Er seufzte. Was sollte er jetzt tun - was? Er blieb stehen und setzte sich auf die nächste Bank, die zu finden war. Seine Schultasche ließ er achtlos zu Boden gleiten, doch seinen Gitarrenkoffer stellte er vorsichtig neben sich. All die Menschen liefen an ihm vorbei, beachteten ihn nicht. Er fühlte sich unsichtbar. Gerade, als er seine Augen schließen wollte, klingelte sein Handy. Welch Idiot wagt es gerade jetzt anzurufen? Sein erster Gedanke war: Tai. Zögernd kramte er sein Handy aus der Hosentasche und schaute auf das Display. Was er da sah war wirklich unerwartet. „Hallo“, sagte Matt monoton. „Hallo, Sohn“, konnte der Blonde am anderen Ende hören. „Tut mir Leid, dass ich dich nicht früher angerufen habe. Du hast doch jetzt große Pause oder?“ „Ist in Ordnung, Paps und... ja, habe ich.“ „Ist irgendetwas passiert? Du klingst so bedrückt.“ „Ich...“, stotterte der Blonde und wusste nicht, ob er die Wahrheit sagen sollte oder nicht. Wahrheit? OK, die ganze Wahrheit konnte er Weißgott seinem Vater nicht sagen. „Paps, ich kann nicht mehr zur Schule gehen.“ „Was? Hast du was angestellt?“ „Nicht... wirklich, es ist weniger so, dass ich nicht mehr in die Schule kann, eher... dass ich nicht mehr will.“ „Was ist passiert?“, die Stimme seines Vaters war eindeutig besorgt. „Soll ich zurück nach Tokyo kommen?“ „Nein, das brauchst du nicht und... ich weißt nicht. Paps, ist es OK, wenn ich nicht zur Schule gehe, bis du wieder da bist?“, fragte Matt hoffnungsvoll. „Uhm... ist das dein Ernst? Ich meine, ist es so schlimm?“ „Glaub mir, das ist es.“ „Mach, was du willst, aber wenn ich zurück bin sagst du mir, was los ist. Versprochen?“ „... In Ordnung.“ „Ich müsste in zwei bis drei Wochen mit der Arbeit hier fertig sein. Aber ich glaube... ich nehme mir mal für ein paar Stunden Zeit und komme irgendwann die Woche vorbei so, dass wir reden können. Ich kann aber keine Ewigkeit bleiben.“ „OK...“ „Bis nachher, Matt.“ „Bye“ Der Blonde steckte sein Handy wieder zurück in die Hosentasche und war nun wenigstens ein klein wenig erleichtert. Das Problem, genannt Schule, war vorerst abgehakt. Problem Numero zwei war die Band. Eigentlich war das mitunter das größte Problem, dass er sich nun selber eingebrockt hat. Er konnte regelrecht die Stimme seines Managers hören, die schrie „WAS ZUM HENKER BILDEST DU DIR EIN? DU HAST EINEN VERTRAG“. Ja, der Vertrag. Vertragsbruch bedeutet: zahlen. Und das mächtig. Wenn er wieder zu Hause war musste er unbedingt in die Papiere sehen und überprüfen um welche, für ihn unbezahlbare, Summe es sich handelte. Problem Numero drei: Tai. Da dran konnte er nichts mehr ändern. Worte und Gefühle waren nicht wie ein Vertrag, den man vielleicht umgehen oder bei Vertragsbruch abbezahlen kann. Wie bereits gesagt... Tai war gestrichen. Doppelt gestrichen. Zur selben Zeit in der Schule war Tai immer noch konfus über das, was vor ungefähr einer Stunde passiert war. Sie hatten gerade Physikunterricht, aber er konnte sich kein bisschen darauf konzentrieren. Was hatte Matt nur mit „Was wäre, wenn es die Wahrheit ist“ gemeint? Etwa wirklich, dass er in ihn verliebt sei? Nein, das war völlig undenkbar. Sie waren Freunde, seit sie kleine Hosenscheißer waren und noch dazu Männer! So in Gedanken versunken bemerkte der Braunhaarige gar nicht, dass es zum Stundenende läutete und alle um ihn herum aufstanden. „Tai?“, fragte Sakuya und legte eine Hand auf seine Schulter. „Macht dir keine Gedanken um Ishida.“ „Aber-“ „Nichts aber. Komm, lass uns etwas zu Essen kaufen“, sagte sie schnell und zog ihn aus dem Klassenzimmer. „Du solltest dir keine Gedanken machen. Der kommt schon wieder von seinem hohen Ross runter. Er hat eindeutig Verlustängste, wenn du mich fragst.“ „Sag so etwas nicht über Matt, du kennst ihn doch gar nicht richtig“, zischte Tai seine Freundin an. „Jetzt mach mich doch nicht an, nur weil ich die Wahrheit sage!“ „Die Wahrheit? Das ist doch nicht die-“ „Tai! Hey, Taichi!“, rief Satoshi vom Flurende und rannte auf das Pärchen zu. „Wer ist das, Tai?“, fragte Sakuya neugierig. „Satoshi, er ist in Matts Band. Hey Satoshi, was gibt’s denn?“ „Meine Güte“, schnaufte der Musiker. „Bin durch das ganze Schulgebäude gerannt und habe nach dir gesucht.“ „Warum denn nach mir?“, fragte Tai perplex. „Wegen Matt. Hast du ihn gesehen?“ Satoshi wirkte hektisch, als er dies fragte. Er musste wohl schon eine ganze Zeit nach dem Blonden gesucht haben. „Uhm, nein... er ist... gegangen“, antwortete der Braunhaarige und atmete einmal tief ein. „Gegangen? Hat er sich bei dir auch so aufgeführt oder was?“ „Ja, hat er“, warf Sakuya ein und schaute genervt. „Sakuya...! Wieso ‚auch‘?“, fragte Tai und schaute Satoshi irritiert an. „Er hat die Band geschmissen", sagte der Musiker knapp und gab einige verzweifelte Seufzer von sich. „Er hat was?“, schrie der Braunhaarige und riss seine Augen auf. „Was meinst du mit ‚Band geschmissen‘?“ „So wie ich es gesagt habe... Er hat seit einigen Wochen keine Liedtexte mehr geschrieben und unser Manager wollte nun jemanden engagieren, der für uns schreibt. Und... Mann, du kennst ihn doch?! Niemand darf ihn in seine Musik reinreden. Als wir es ihm dann gesagt haben, ist er ausgeflippt und hat gemeint, dass er aus der Band aussteigen wird.“ „Einfach so?“, hakte Tai nach. Das konnte Tai einfach nicht glauben. Die Band war Matts Leben! Er liebte es Musik zu machen und auf der Bühne zu stehen. Seine Wort der Welt zu präsentieren und dafür gelobt zu werden. Und vielleicht war auch genau das der Punkt. SEINE Musik und nicht Musik von anderen, die er nur singen sollte. „Ja, einfach so. Könntest du vielleicht mit Matt reden, wenn du ihn siehst? Du bist der Einzige, der ihn vielleicht noch umstimmen kann. Schließlich kennt ihr euch schon seit einer halben Ewigkeit.“ „Das ist... vielleicht... etwas schwierig“, sagte Tai zögernd und wusste nicht so recht, was er sagen sollte. „Warum schwierig?“, fragte der Musiker und wirkte verwirrt. „Wir haben uns glaube ich gestritten, ich weiß nicht so recht...“ Satoshi raufte sich die Haare. Er sah wirklich am Ende aus, musste Tai zugeben. So gestresst hatte er den Bassisten noch nie erlebt. „Na toll, unser Manager wird Matt umbringen, wenn er davon erfährt. Könntest du nicht vielleicht doch versuchen mit ihm zu reden?“, bettelte der Musiker. „Ich...“, fing Tai an und kratzte sich am Kopf. „Er wird nicht mit ihm reden!“, warf die bisher ruhig gebliebene Freundin von Tai in die kleine Runde. „Sakuya...?“, fragte Tai verwirrt und sah in ein Gesicht, dass er bei ihr bisher noch nie gesehen hatte. Kapitel 8: Ein Dandy oder auch nicht? ------------------------------------- „Du brauchst nicht mit ihm reden. Das ist schließlich sein Leben“, fauchte das hübsche Mädchen regelrecht. „Ja, aber du hast doch gehört, was alles passiert ist! Meinst du nicht auch, dass sein bester Freund ihm da nicht helfen sollte? Wenn du es vergessen hast, ICH bin immer noch sein bester Freund“, sagte Tai und versuchte dabei ruhig zu bleiben. „Ja, aber er ist in dich verknallt, wenn du das vergessen hast!“ „Matt... verknallt in dich?“, fragte Satoshi leise und zog seine Augenbrauen nach oben. „Das ist doch gar nicht bewiesen, Sakuya", geiferte Tai weiter. „Nicht bewiesen? Du hast doch auch gehört, was er gesagt hat.“ „Ja, das habe ich, aber das heißt noch lange nicht, dass er das damit auch gemeint hat.“ „Na und ob er das damit gemeint hat. Tai, wenn er reden will, dann kommt er schon zu dir, aber du solltest ihm nicht noch nachlaufen und ihm damit irgendwelche Hoffnungen machen.“ „Hoffnungen? Sag mal von was zum Henker redest du da? Ich mach ihm doch durch so was keine Hoffnungen. Und überhaupt.... warum führen wir so eine Diskussion? Matt ist schließlich mein Freund.“ „Ein Freund, der Schwul ist und auf dich steht!“ Was zum Teufel war heute nur los? Erst ist Matt wochenlang ruhig und wortkarg gewesen, nun hat er seine Band geschmissen und jetzt war er auch noch mitten im Klassenzimmer ausgetickt und hat wirres Zeug geredet. So war Tais Freund doch nicht! Matt war immer besonnen gewesen und hatte selten Leute angeschrien und erst recht nicht ihn. „Also... die Schule ist ja wohl kaum der richtige Ort um das zu bereden", giftete Tai seine Freundin böse an. „Das sehe ich auch so, Leute“, sagte Satoshi zaghaft. „Ihr solltet das vielleicht auf Nachher verlegen. Ein paar gucken schon.“ Sakuya war eindeutig genervt und kreuzte ihre Arme vor der Brust. Schmollend schaute sie in jede Richtung, außer in die von Tai, der sich gerade durch die Haare raufte. „Ok, Satoshi, hör mal“, seufzte Tai. „Ich kann dir im Moment nicht versprechen, dass sich Matt anhören wird, was ich zu sagen habe, aber ich werde es versuchen.“ „Danke, Tai“, sagte der Musiker und schenkte ihm ein halb verzweifeltes Lächeln. Matt war in der Zwischenzeit in seiner Wohnung angekommen und lag auf dem Sofa, während nebenbei eine Fernsehsendung im Hintergrund lief. Gleich nachdem er zu Hause angekommen war, kramte er die Vertragsunterlagen hervor und hatte sich irgendwie gewünscht sie nicht gefunden zu haben. „4 Mio Yen“ stand dort groß, fett und leuchtend. Das waren ein paar Nullen zu viel, die er am liebsten nicht dort gesehen hätte. Eine Summe, die ganz und gar nicht für ihn bezahlbar war. Ergo: er steckte tief in der Scheiße. Irgendwas musste er sich einfallen lassen, doch was? Er war nicht die Sorte Mensch, die erst etwas sagten, was sie auch so meinten und am Ende zurück nahmen. Es war einfach gegen seine Prinzipien, das jemand anderes seine Lieder und Musik schrieb. Es war SEINE Musik und er wollte nicht, dass jemand anderes die Arbeit übernahm, die eigentlich er machen sollte... wollte. Wollte? Ja, verdammt, wollte. Er liebte Musik und er liebte es komponieren, auch, wenn er seit einiger Zeit nicht wirklich in der Lage dazu war. Seine Augen fielen langsam zu. Am liebsten würde er schlafen bis alles vorbei war, doch sein Handy klingelte und vibrierte penetrant auf dem Couchtisch. War heute etwa der „lasst Matt nur nicht in Ruhe“-Tag? „Hallo?“, sagte Matt genervt. „Yamato Ishida... weißt du eigentlich, was du dabei bist zu tun?“, hörte der Blonde am anderen Ende des Hörers. Scheiße, sein Manager. Der Tag konnte ja nur besser werden. „Hey... uhm, wie geht’s dir?“ „Wie es mir geht, fragst du? Nja, so wie es mir halt geht, wenn man mir sagt, dass die derzeit am meisten Geld einbringende Band sich vor hat zu trennen, wegen eines bestimmten Sängers, der anscheinend seine Periode hat.“ „Das ist... also, wie soll ich es sagen...“ „Ist das die Wahrheit? Und wage es ja nicht mich anzulügen!“ „Also... ja das ist die Wahrheit...“ „Ok...“, konnte man leicht aggressiv am anderen Ende hören. „Ich hoffe dir ist bewusst, was das bedeutet?“ „Geld zahlen?“, fragte Matt vorsichtig. Eigentlich wusste er die Antwort bereits. „Ganz recht. Also überlege es dir lieber zwei mal. Entweder du schwingst deinen Arsch hier her und flehst mich an, dass ich unserem Präsidenten nichts sage und du fein unserem Ghost-Writer annimmst ODER du kommst her und krachst mir das Geld auf den Tisch.“ „Beides... kann ich nicht.“ „Dann würde ich sagen, dass du ERSTERES GEFÄLLIGST TUST, WENN DU NOCH BEI VERSTAND SEIN SOLLTEST“, schrie sein Manager plötzlich. „Ich lass mir nicht sagen, was ich tun soll!“, zischte Blonde unruhig. „Dann weißt du, dass du mit einer netten Klage rechnen kannst?“, kam es nun etwas ruhiger, aber trotzdem wütend von seinem Noch-Manager. „Ja, das weiß ich.“ „Gut, wenn dir das bewusst ist, dann wirst du wohl von unserem Anwalt hören.“ Ohne noch etwas zu sagen, legte sein Manager auf und man hörte nur noch ein monotones Piepgeräusch, das Matt in den Ohren weh tat. Wie sollte es jetzt weitergehen? Langsam wurden seine Augen wider wässrig. Was war das nur für ein abgefuckter Tag?! Das „wie sollte es weitergehen“ fragte sich Matt jede Stunde der nächsten Tage. Er lungerte zu Hause rum, sah Fernsehen, hatte sein Handy ausgeschaltet und versuchte zu ignorieren, dass ein gewisser Taichi Yagami seither jeden Tag vor seiner Haustüre stand und Sturm klingelte. Zwei mal war er kurz davor gewesen ihm sogar die Tür zu öffnen, aber dann fiel ihm ein, dass er gar nicht wusste, was er sagen sollte. Er war anscheinend Meister im Weglaufen. Gelangweilt lutschte er an einem Wassereis und blätterte in einer Musikzeitschrift, als er hörte, dass die Tür aufgeschlossen wurde. Der einzige, der sonst einen Schlüssel hatte, war sein Vater. Jetzt war wohl der Moment gekommen in dem er sich einmal mehr der Realität stellen musste, die nicht nur aus herumsitzen und ignorieren bestand. „Ich bin wieder zu Hause“, hörte man aus dem Flur rufen. „Matt, bist du da?“ „Ja~ bin ich...“, antwortete er kleinlaut. „Und ich dachte, das mit dem Schulschwänzen war nur ein Scherz“, lachte sein Vater halbherzig. „Hallo, Matt.“ „Hallo, Paps“, antwortete Matt und legte die Zeitschrift zurück auf den Tisch. „Hast du eine gute Fahrt gehabt?“ „Nein, nicht wirklich. Stau über Stau. Aber jetzt, wo ich wieder da bin, kannst du mir ja sagen, warum mein Sohn nicht in der Schule ist und lieber ein Eis lutscht, anstatt was zu lernen.“ „Das ist eine lange Geschichte", seufzte Matt, als er die letzten Eisstücke in seinem Mund zerlaufen ließ. „Jetzt, wo ich wieder da bin, habe ich Zeit. Also lass hören, was du für Dreck am Stecken hast“, lächelte sein Vater und setzte sich neben seinen Sohn. „So schlimm kann es doch gar nicht sein.“ „Was willst du zu erst hören? Dass ich einen Streit mit Tai hatte, der dazu führte, dass ich mich nicht mehr in der Schule blicken lassen kann oder, dass ich aus der Band ausgestiegen bin und deswegen höchstwahrscheinlich eine Klage am Hals haben werde.“ „Was hast du da gesagt? Ok, das anscheinend Schlimmste zuerst: du bist aus der Band? Warum das denn?“ „Die wollten einen Ghost-Writer engagieren, weil ich keine Texte mehr geschrieben habe.“ „Und dann bist du ausgetickt und hast sofort gesagt, dass du aus der Band aussteigen wirst, richtig?“ „Ja, woher weißt du das?“ „Du bist mein Sohn. Noch mehr Fragen?“ Matt konnte erkennen, wie sein Vater eine Zigarette anzündete. Normalerweise rauchte sein Vater nur nach der Arbeit. Dies konnte also nur eins bedeuten: sein Vater versuchte seine Nerven zu beruhigen und mit der Situation klar zu kommen. „Ach, richtig. Hätte ich beinahe vergessen“, lächelte Matt schräg. „Also, wenn ich das richtig verstehe, bist du aus der Band ausgestiegen und dein Agency findet das ganz und gar nicht toll, also hängen sie dir jetzt eine Klage an den Hals und wollen für den Vertragsbruch Geld?“ „Ganz richtig...“ „Toll, wie viel?“, fragte sein Vater und fuhr sich durch die Haare. „4 Mio Yen.“ „Ok~ das ist nicht gerade wenig. Hast du wirklich gründlich drüber nachgedacht, ob du aus der Band raus willst?“ „Ich... ja. Ich kann es einfach nicht auf mir sitzen lassen, dass jemand anderes meine Lieder schreibt.“ „Hätte ich auch nicht anders von dir erwartet, wenn ich ehrlich bin", seufzte Herr Ishida, während er in Gedanke die Ersparnisse zusammenrechnete, die sie hatten. „Also macht es dir nichts aus, dass ich nun eine erhebliche Summe aufbringen muss?“ „So würde ich das nicht nennen... du handelst für meine Verhältnisse zu impulsiv, ohne darüber nachzudenken. Aber...“ „Aber?“ „Aber... ich kann es wenigstens halb nachvollziehen, dass du lieber ein paar Millionen Yen bezahlst, als einen Ghost-Writer deine Arbeit machen zu lassen... doch... ich werde da schon was regeln. Ein alter Studienfreund von mir ist Anwalt und ich werde mal mit ihm reden. Das Geld wirst du rechtlich zahlen müssen, aber vielleicht wird er was regeln können, dass du nicht alles auf einmal bezahlen musst.“ „Danke, Paps“, lächelte Matt und lehnte sich zurück und die Couch. „Also~? Was ist nun mit Tai passiert?“ Tai war in der Zwischenzeit mächtig sauer und verzweifelt. Die Sache mit Matt machte ihm ziemlich zu schaffen. Schon seit Tagen hatte er diesen versucht zu erreichen, doch ging dieser nicht ans Telefon, hatte sein Handy ausgeschaltet oder öffnete einfach nicht die Haustür. Er wusste nicht, was er davon halten sollte. Matt wollte anscheinend wirklich nicht mit ihm reden. In der Schule war dieser auch nicht mehr gewesen. OK, das war kein Wunder. Nach dieser „kleinen“ Auseinandersetzung mitten im Klassenraum würde sich Tai auch nicht mehr in die Schule trauen, obwohl er es nicht verstehen konnte, dass Matt ihn eindeutig mied. Grummelnd schaute er auf sein Handy. Zehn nicht angenommene Anrufe von Sakuya. Es war ja nicht so, dass sie nervte, aber sich mischte sich in Dinge ein, die sie nichts angingen. Das war etwas, was nur Matt und ihn betraf und das erst recht, wenn Matt... wenn Matt in ihn... Tai seufzte und schluckte hart. Wenn Matt wirklich in ihn verliebt war, dann konnte er doch mit ihm drüber reden. Es war ja nicht so, dass Tai ihm gleich hassen würde. Nein, ganz sicher nicht. Er würde vielleicht etwas Zeit brauchen, um mit der neuen Situation klar zu kommen, aber warum sollte das ihre Freundschaft belasten? Nur, wegen so was würde er Matt doch nicht gleich vor den Kopf stoßen, auch, wenn es ungewohnt war. Plötzlich klingelte die Tür und Tai stand nur widerwillig auf. Musste er ja auch irgendwie, da sonst keiner zu Hause war. Langsam öffnete er die Tür und ihn traf beinahe der Schlag. „Hallo, Tai.“ Dort stand Matt. Der Braunhaarige war ein wenig baff. Noch vor wenigen Sekunden hatte er sich seinen Kopf darüber zermartert, wo der Blonde nur war und nun stand dieser einfach so vor seiner Haustür? „Matt... wo zum Henker hast du die ganze Zeit gesteckt?“, fragte er aufgeregt. Tai war völlig aus dem Häuschen und wollte seinen Freund beinahe anspringen, doch dieser wich zurück und schaute zur Seite. „Wir müssen reden, Tai“, sagte Matt ernst, während er seine grüne Sonnenbrille absetzte. Matt saß vor dem Besuch bei Tai mit seinem Vater auf dem Sofa und hatte überlegt, wie er ihm von dem Streit mit seinem besten Freund erzählen sollte. Sein Vater hatte nach dem Schock, dass Matt mit Schulden, die so hoch wie der Mount Everest waren, erst einmal die Arbeit angerufen und sich einige Tage frei genommen. Nach drei Tage Ruhe hatte er sich nun wieder mit seinem Sohn zusammengesetzt und ihn wegen Tai gefragt, da er bei jedem Gesprächsversuch gegen eine Wand gelaufen war. „Die Sache ist so...“, begann der Blonde zögernd und nahm seinen Mut zusammen. „Ich und Tai.... Ich glaube... oh die Haustür!“ Matt unternahm beinahe einen Fluchtversuch, als er jemanden an der Tür hörte. Ihm war es im Moment scheißegal wer davor stand. Hauptsache jemand, der dieses „delikate“ Gesprächsthema noch etwas herauszögern konnte. Matt öffnete die Tür und sah einen hochgewachsenen Mann, der wohl Ende zwanzig war, einen ziemlich teuren Anzug trug und ein Gesicht hatte, das wusste, was es wollte. Nicht nur das Gesicht, welches markante männliche Züge hatte, einen kleinen Bart und ein leicht arrogant wirkendes Lächeln aufwies, nein, die ganze Körperhaltung strahlte förmlich eine Zielstrebigkeit aus. „Bitte? Was wollen Sie?“, fragte Matt und zog seine Augenbrauen höher. „Yamato Ishida, richtig?“, konnte man in einer dunklen Stimme hören. „Wenn ich mich vorstellen darf... ich bin Majima Ritsuko von G-Music. Hätten Sie vielleicht einige Minuten Zeit für mich?“ Der fremde Mann hielt ihm eine Visitenkarte entgegen, die Matt zögerlich annahm. „Uhm ja, kommen Sie doch rein“, stutzte Matt und ließ Majima in die Wohnung eintreten. „Sehr schön haben Sie es hier. Oh, Ishida-san? Ihr Vater, wenn ich mich nicht irre?“ „Sie irren nicht“, sagte Matts Vater und reichte Majima die Hand. „Darf ich fragen, was Sie von meinem Sohn wollen?“ „Könnten wir das womöglich im sitzen besprechen? Und bei was zu trinken, ich falle gleich um“, lachte Majima. „Öh...“, Matt war von dem Auftreten des Mannes irritiert. Auf der einen Seite war dieser eindeutig ein Business-Mensch und auf der anderen wirkte er beinahe wie ein Dandy. „Natürlich, das Wohnzimmer ist gleich hier. Ist ein Fruchtsaft in Ordnung? Oder nur Wasser?“ „Wasser reicht mir“, antworte Majima und setzte sich auf das Sofa. „Also das ist ja wirklich Schicksal, dass Sie hier sind Ishida-san. Ich hatte schon die Befürchtung, dass ich zweimal den selben Weg machen muss.“ „Wie bitte? Ich versteh nicht ganz“, sagte der Angesprochene und sah zu Matt, der gerade wieder ins Zimmer kam. „Ich bin wegen Yamato hier. Um ehrlich zu sein... das dürfte ich eigentlich nicht so sagen, aber“, Majima beugte sich ein wenig nach vorn und sprach leise, „ich habe Informationen erhalten, dass Yamato mit der Band aufgehört hat.“ „EH?“, schrie Matt. „Das dürfte doch noch keiner wissen. Ich glaube nicht, dass eine Pressemeldung bereits die Runde gemacht hat.“ „Das ist es ja“, bestätigte Majima. „Aber bitte, bitte, meine Quellen sind streng geheim. Mann, ich kling wie die Polizei.“ Majima lachte und Matt und sein Vater sahen sich nur stirnrunzelnd an. „Also warum ich hier bin... Yamato hat die Band verlassen und ich möchte ihm da ein wenig helfen, wenn man das so nennen kann.“ „Helfen?“, wiederholte Matt. „Nun helfen ist das eine Wort, abwerben das andere.“ „Abwerben?!“, fragte Matts Vater verwirrt. „Um ehrlich zu sein, der Präsident unsere Firma, Hanazawa-san, hat schon lange ein Auge auf Sie geworfen. Er ist beinahe vor Glück aufgesprungen und hätte im Büro getanzt, als ich ihm gesagt habe, dass Sie nun nicht mehr in ihrem alten Label sind. Wäre nicht gut gewesen, wenn man sein Alter bedenkt... also um es kurz zu machen: Ich bin hier, um sie unter Vertrag zu nehmen, als Solo-Künstler.“ „Moment mal“, mischte sich Matts Vater ein. „Inwieweit helfen Sie da meinem Sohn?“ „Ah, das hätte ich beinahe vergessen. Mein Boss ist bereit die Summe des Vertragsbruchs, der soweit ich weiß bald auf Sie zukommen wird, zu begleichen. Um wie viel handelt es sich eigentlich?“, fragte Majima verlegen. „Um wie viel... ihr Boss sagt das einfach und weiß nicht mal wie hoch die Summe ist? Aber, wenn Sie es wissen wollen: 4 Mio Yen.“ „4 Mio Yen?“, fragte Majima nach und betrachtete Matt skeptisch. „Hätte mehr erwartet.“ „EH?“, schrie Matt. „Oke~... aber sagen Sie, ihr Boss muss doch irgendwelche Konditionen haben. Er wird nicht einfach für mich bezahlen und mich als Solo-Künstler unter Vertrag nehmen.“ „Schlauer Junge. Zum Glück ist Ihr Vater da, da muss ich nicht alles zwei mal erzählen“, lachte Majima und öffnete seinen Aktenkoffer, um einen Vertrag hervor zu holen und auf den Tisch zu legen. „Nun, dann werde ich mal anfangen. Der Vertrag ist recht knapp gehalten, aber hat es in sich, wenn Sie verstehen, was ich meine. Als Gegenleistung für die 4 Mio Yen ist natürlich das abschließen dieses Vertrages nötig. Sie sind an uns 5 Jahre gebunden, bekommen einen monatlichen Lohn, unabhängig, ob sie gerade tätig sind oder nicht. Sprich Konzerte geben oder einfach nur am Lieder schreiben sind. Lohn klingt so plump, nicht wahr? Aber keine Angst, wenn Sie sich gut machen, ist natürlich immer wieder eine Erhöhung des Lohns drin. Und natürlich dann die Rechte für die Lieder, die Sie schreiben, die zusätzlichen Verdienste bei verkauften CDs, Konzerten und so weiter. Andere Punkte sind, dass Sie sich für die nächsten Monate erst mal einem Training unterziehen sollen. Stimmtraining, erlernen verschiedener Instrumente ect. ect. Ja~ das wär's erst einmal mit den größeren Sachen. Alles andere steht im Vertrag. Und was halten Sie davon?“ „Das klingt eigentlich nicht schlecht...“, sagte Matt zögernd. „Was meinst du Paps?“ „Hmm... das stinkt mir irgendwie.“ „Ah, bitte bitte, Ishida-san, ich lass Ihnen den Vertrag natürlich hier zum durchlesen. Aber um ehrlich zu sein, und das ist meine persönliche Meinung, hat mein Boss schon etwas im Auge“, seufzte Majima und lehnte sich in das Sofa zurück. „Unser Label ist kein Major Label. Das wissen Sie, denke ich. Wir haben bisher eine Menge guter Bands und Solo-Künstler auf den Markt gebracht, aber noch nie den ultimativen Durchbruch geschafft. Ich glaube Hanazawa-san sieht in Ihnen, Yamato, diesen Durchbruch. Sie wissen... Ihr Talent ist sein Profit und sein Profit ist Ihr Profit. Aber das ist eigentlich in jedem Label so, nicht wahr?“ „Ja...“, sagte Matt leise und blätterte durch den Vertrag. „Ich möchte Sie nicht drängen, Yamato, aber mein Boss möchte Sie kennenlernen. Unbedingt. Wenn es nicht zu schnell für Sie ist, würden wir ihre Entscheidung gerne Morgen hören, bei einem persönlichen Gespräch.“ „Das geht ziemlich schnell... ich...“, stotterte Matt und nahm erst einmal einen großen Schluck aus seinem Glas. „Majima-san, mein Sohn und ich werden den Vertrag gründlich prüfen und Ihnen dann Morgen Bescheid geben. Ist dir das recht, Matt?“, fragte sein Vater, der merkte, dass Matt leicht überfordert war. „Aber natürlich! Oh, es ist schon reichlich spät. Ich habe noch ein Geschäftsessen. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, werde ich jetzt gehen“, sagte Majima bereits halb auf den Weg zum Flur. Dieser Manager war eindeutig nicht wie normale Business-Menschen. Eindeutig nicht, dachte sich Matt und sah zu wie sich Majima die Designer-Schuhe zuband. „Also...“, begann Majima, „ich warte auf Ihren Anrufen. Wenn sie mich entschuldigen, einen schönen Tag noch“, beendete er und gab beiden die Hand, bevor er aus der Haustür verschwand. Matt und sein Vater standen verwirrt im Flur und schauten sich mit dem gleichen verdutzten Gesichtsausdruck an. „Der war...“, sagte Matt und blinzelte. „Einzigartig“, beendete sein Vater den Satz. „Matt? Willst du den Vertrag unterschreiben? Du darfst nicht vergessen... der Vertragsbruch...“ „Ich weiß. Können wir erst einmal den ganzen Vertrag zusammen durchgehen?“ „Geht klar, ich setze uns schon mal einen Kaffee auf. Scheinen recht viele Seiten zu sein“, grinste sein Vater ihn an. Verträge hatten eine eigene Sprache. Eine völlig eigene. Matt verstand zwar etwas, doch sein Vater übersetzte beinahe jeden Satz in eine, für den Menschen normal verständliche Sprache. Wer hätte gedacht, dass der Tag so eine Wendung nehmen könnte? „So wie es scheint soll dieses genannte Training minimal 5 Monate dauern. Ich befürchte, dass das mit deiner Schule nicht ins Reine kommen wird. Wenn du diesen Vertrag JETZT unterschreibst, wirst du die Highschool vorerst nicht beenden können.“ „Das dachte ich mir schon...“, nuschelte der Blonde und schlürfte daraufhin an seinem schwarzen Kaffee. „Also, was wirst du tun?“ „Paps, normalerweise würde ich sagen, dass ich eine Nacht drüber schlafen will, aber... das ist DIE Chance meines Lebens. Auf der einen Seite ist es beinahe zu schön um wahr zu sein... auf der anderen, ich weiß nicht. Fünf Jahre... und hast du dir mal die Summe beim Vertragsbruch angeguckt? Da ist die, die ich jetzt berappen müsste ein Witz dagegen.“ „Du hast recht, aber Matt, das ist ganz allein deine Entscheidung und das weißt du. Ich möchte dir nicht die Zukunft versperren. Wenn du dir Sorgen um die Schule macht, die du übrigens sowieso gerade schwänzt, wenn ich mich recht erinnere, dann sollst du wissen, das du deinen Abschluss jeder Zeit auf einer Abendschule nachholen kannst.“ Matt atmete tief ein. Das war wirklich seine Chance zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Die erste Fliege war das Geld, die zweite war die Schule... und der Sportunterricht, durch den er eh gefallen wäre, wenn Tai... Oh shit, TAI! Ok, denken! Keine Schule, kein Tai. Tai, der mit Sakuya zusammen war, die Matt anscheinend auf den Tot nicht ausstehen konnte. Tai, der nun wusste, das Matt mehr für ihn fühlte als nur Freundschaft. Matt, der nicht wusste wie er da rauskommen sollte. Obwohl das „rauskommen“ jetzt in einem Vertrag vor ihm lag, der für beinahe ein halbes Jahr zusicherte, dass Matt hundertpro keine Freizeit mehr hat. Was sollte er tun? Was? Er wollte Tai nicht unglücklich machen, mit dem Druck, den er auf ihn ausübte. Druck im Sinne von gewissen Beichten mitten in der Klasse. Es war ja nicht so, dass sich Matt je vorgestellt hätte, dass Tai seine Gefühle irgendwie erwidern könnte. Vielleicht sollte er einfach zu Tai gehen und ihm sagen: „Hey, ich bin zwar in dich verliebt aber du brauchst das nicht erwidern, wenn du lieber auf Frauen stehst. Wir können ja trotzdem Freunde bleiben.“ Matt musste beinahe selber über diesen Gedanken lachen. Das würde nie funktionieren. Jedenfalls von Matts Seite aus. Er wollte Tai entweder ganz oder gar nicht. Und das „ganz“ würde nicht gehen. Das „gar nicht“ würde weiterhin vielleicht Freundschaft bedeutet und ewigen Herzschmerz. Tai jeden Tag zu sehen und die Gewissheit zu haben, dass er nie etwas erwarten durfte, tat einfach zu weh. Er würde Tai nie bekommen, schließlich war Matt ein Mann, hatte keine Titten, keine uhm ja... Matt lachte aus Verzweiflung. „Bist du jetzt völlig durchgedreht, mein Sohn?“, fragte sein Vater besorgt, als er die schrägen Geräusche seines Sohnes wahrnahm. „Ah, tut mir Leid, ich musste nur an was denken. Paps, ich gehe für ein paar Minuten an die frische Luft und denke über das alles hier nach.“ „Mach das, ich werde dann mit dem Abendessen auf dich warten. Es ist eine Ewigkeit her, dass ich für dich gekocht habe.“ „Aber bitte lass nicht alles anbrennen“, grinste der Blonde und zog sich die Schuhe an. Er öffnete die Haustür und da war er nun. In der brennenden Nachmittagssonne und überlegte, was er tun sollte. Kapitel 9: Kaffee ----------------- Was sollte er tun? Das war der einzige Gedanke, der ihm gerade durch den Kopf ging. In letzter Zeit war einfach zu viel passiert, das eigentlich nicht hätte passieren sollen. In Gedanken versunken schlenderte er durch die Straßen und schaute ab und zu in einige Geschäfte, bis er auf einmal eine Hand auf seiner Schulter spürte und er erschrocken zusammen zuckte. „Hallo... Matt“, sagte Satoshi ruhig und lächelte ihn sanft an. „Wo hast du die ganze Zeit gesteckt?“ „Ich war zu Hause“, antwortete der Blonde und war schon drauf und dran ohne ein weiteres Wort zu gehen, als ihn der Musiker am Arm festhielt. „Hey, ich will mit dir reden.“ „Was gibt es denn noch zu bereden?“, geiferte Matt, als er sich versuchte aus dem Griff zu befreien. „Bist du echt in Taichi verknallt?“, fragte Satoshi gerade heraus. „Wa- WAAAAAS?“, schrie der Blonde und einige Passanten drehten sich nach den beiden um. „Woher... wieso weißt du das denn schon wieder?“ „Dann ist es also wahr oder was?“, stutzte sein Gegenüber und hatte einen neugierigen Gesichtsausdruck. „Ich... argh shit...“, fluchte Matt und fuhr sich mit den Fingern durch die Haare. „Komm, lass uns irgendwo einen Kaffee trinken gehen, damit wir ungestört sind. Ich werde dir auch keine Standpauke halten wegen der Band, obwohl ich da doch so einige Fragen hätte.“ Matt nickte und folgte Satoshi, der zielstrebig auf das nächste Café zuging. Zum Glück saßen, wegen dem schönen Wetter, die meisten Gäste draußen. Aber Matt bevorzugte einen Raum mit Klimaanlage. Sobald beide ein gemütliches Plätzchen gefunden hatten, kam auch schon die Kellnerin und nahm ihre Bestellung entgegen. „Zwei Kaffee, bitte“, sagte Satoshi. „Das geht auf mich, Matt.“ „Danke“, nuschelte der Blonde und spielte mit der blauen Serviette, um ein wenig Ablenkung zu finden. Wie konnte er nur von allen Menschen in Tokyo in Satoshi reinlaufen? Das konnte man doch nicht glauben. Zog er das Pech eigentlich an, wie das Licht die Motten? „Und nun von Anfang an. Warum bist du aus der Band? Ist es wirklich nur wegen dem Ghost-Writer?“, fragte der Musiker und sah seinen Freund wartend an. „Ich war an dem Tag ohnehin schon nicht gut drauf und dann das... ich kann so etwas einfach nicht auf mir sitzen lassen“, knirschte Matt mit den Zähnen und starrte aus dem Fenster. „Ja, aber das ist doch kein wirklicher Grund! Du hättest mit dem Typen doch erst einmal reden können...“ „Ich lass mir da nicht reinreden, Satoshi! Ich habe auch meinen Stolz.“ „Wie kann man nur so stur sein? Ist es dir denn völlig egal, was aus den anderen wird? Wir kennen uns nicht erst seit einem Jahr, nein, seit ganzen vier Jahren und dann wirfst du alles so weg, ohne richtig drüber nachzudenken.“ „Satoshi, mein Traum war es Musik zu machen. Musik, die ICH geschrieben habe... allein, ohne Hilfe.“ „Wir hätten doch noch einige Zeit warten können, bis du wieder fähig bist zu schreiben. Jeder hat mal ein kreatives Tief. Auch du. Vielleicht hätten wir mit unserer Agency auch noch Mal reden kön-“ „Dafür ist es jetzt wohl zu spät... die Sache hat bereits seine Runde gemacht“, seufzte Matt und nahm einen Schluck des Kaffees, den die Kellnerin gerade gebracht hatte. „Wie ‚Runde gemacht‘? Was meinst du damit?“, stutzte Satoshi und schaute Matt drängend an. „Dass ich aus der Band bin. Das hat die Runde gemacht.“ „Ach, red' nicht. Wer soll denn schon davon wissen? In der Presse stand bisher kein Wort davon geschrieben.“ „Anscheinend weiß G-Music davon.“ „G-Music? Das Label meinst du?“, fragte Satoshi neugierig und sein Freund nickte. Matt versuchte seine Gedanken zu sammeln. „Vor gut einer Stunde kam ein Manager von denen zu mir und meinte, dass sie mich unbedingt unter Vertrag nehmen wollen. Als Solo-Künstler.“ „Bitte? Das ist doch wohl ein Scherz?“ „Nein, wieso? Bist du mir jetzt noch mehr böse?“, lachte Matt müde. „Das ist es nicht, aber... Moment mal, lass mich das kurz verarbeiten. G-Music will DICH?“ „Ja~ wie oft denn noch?“, sagte Matt und rollte mit den Augen. „Aber das ist ja... das ist-“ „Wie ein Stich in den Rücken?“, feixte der Blonde und fuhr sich über das Gesicht. „TOLL!“ Matt fiel beinahe vom Stuhl, als er das hörte. Hatte Satoshi da gerade wirklich „toll“ gesagt. Anscheinend war nicht nur Matt völlig verwirrt, sondern auch sein Freund. „Ganz ehrlich, Matt, das ist doch toll oder?“ „Inwieweit... findest gerade DU das toll? Ich meine, ich bin aus der Band ohne drüber nachzudenken, was aus euch werden wird, das hast du doch gerade selber noch gesagt.“ „Ja, natürlich, aber das ist die eine Sache. Es ist ja nicht so, dass du der einzige Sänger auf Erden bist.“ „Wie darf ich das denn jetzt verstehen? Deine Stimmungsschwankungen sind ja schlimmer als die von einer Frau...“, schmollte der Blonde. „Stell dich doch nicht dumm. Nachdem du gesagt hast, dass du raus bist, ist unser Manager ausgetickt und später noch unser Präsident, was wohl dazu führte, dass sich unser Manager nur noch mehr angestachelt fühlt. Ich glaube sie haben vor nach einem neuen Sänger zu suchen, um dich so schnell es geht zu ersetzen und sich irgendwas einfallen zu lassen wegen der Presse. So ganz im Sinne ‚Private Konflikte in der Band‘, die dazu führten, dass du gegangen gegangen bist. Irgend so etwas wird es wohl werden.“ „Aber inwieweit findest du das dann ‚toll‘, dass G-Music mich will? So oder so werden wir wohl nicht mehr in einer Band spielen...“ „Um ehrlich zu sein habe ich mir mehr Sorgen um dich gemacht, als um die Band. Die letzten Tage warst du wirklich wie vom Erdboden verschwunden. Was sollte denn unser kleiner Matt so ganz ohne Musik machen? Und, wenn du nun bei G-Music einsteigst und weiter Musik machst, hat sich das Problem ja wie von selber gelöst. Aber mal so am Rande... was ist eigentlich mit deiner Schreibblockade? Auch, wenn du in einem neuen Label bist, wird sich das doch nicht von einem Tag auf den anderen ändern.“ „Erst einmal: Ich weiß noch gar nicht, ob ich den Vertrag überhaupt unterschreiben will und zweitens: die Schreibblockade ist... mehr oder weniger... Tais Schuld.“ „Aaaaha, jetzt kommen wir mal zum interessanten Punkt des Gesprächs.“ „Woha, schau mich nicht so süffisant an. Woher weißt du das mit Tai eigentlich?“ „Diese... ach, keine Ahnung wie sie heißt... die Freundin von Tai hat das irgendwie ausgeplappert, als ich mit ihm in der Schule geredet habe. War ganz schön baff, um ehrlich zu sein.“ „Na toll, jetzt weiß es wirklich die ganze Schule oder was?“ „Mehr oder weniger. Gerüchte und Tratsch eben, aber das dürfte sich nach einigen Tagen wieder gelegt haben. Aber inwieweit ist nun Tai Schuld, dass du nicht mehr schreiben kannst? Ist das so ein ‚ich bin so verliebt und verwirrt‘-Geschichte? ‚All meine Gedanken sind nur bei ihm und ich kann mich auf nichts mehr konzentrieren‘?“ „Ey... das ist nicht lustig“, nuschelte Matt und wurde rot. „Du hast ja keine Ahnung wie ich mich fühle. Alles war super zwischen ihm und mir, bis diese Sakuya auftauchte und ihn mir praktisch weg nimmt! Wie kann ich Tai denn in so einer Situation überhaupt noch sagen, was ich für ihn fühle? Und... WISCH DIR DAS DÄMLICHE GRINSEN AUS DEM GESICHT!“ Matt wollte diese Diskussion eigentlich nicht führen. Aber, dass er jemanden davon erzählen konnte, fühlte sich auch ein wenig gut an. Die ganze Sache abzuwinken würde wohl nicht funktionieren, da Satoshi schon zu viel von der Geschichte wusste. Diese Ziehe kann aber ihr Maul auch gar nicht halten! „Sorry...“, lachte Satoshi und versuchte seine Gesichtsmuskeln zu kontrollieren. „Aber mal ehrlich, warum sagst du es ihm nicht einfach und schaust was passiert? Selbst, wenn dieses Mädchen zwischen euch steht, sollte dich das nicht davon abhalten.“ „Du hast ihn nicht gesehen, wenn die beiden allein sind. Rumturtelnd, scherzend, beinahe widerwärtig romantisch. Wie kann ich da noch zwischen die Beiden gehen, wenn es hier um Tais Glück geht.“ „Oh bitte, jetzt komm mir nicht mit der ‚sein Glück, ist mein Glück‘-Masche, die ist völlig out.“ „Hier geht’s nicht um out oder nicht-out, Idiot. Hier geht es darum, dass Tai glücklich ist und ich nicht reinfunken will.“ „Ja, aber, wenn du dich da nicht aktiv einmischt, wird sich nichts ändern. Was willst du denn nun überhaupt tun?“ „Ich weiß es nicht. Ich habe eigentlich schon genug Probleme... der Vertragsbruch und jetzt noch G-Music...“ „Matt, ich weiß, dass ich so was eigentlich nicht sagen sollte... aber irgendwann musst du dich entscheiden. Früher oder später. Du hast zwei Optionen: bei G-Music einsteigen und versuchen als Solo-Künstler zu starten oder zu Tai gehen und ihm endlich sagen, was Sache ist und auf eine positive, aber sehr unwahrscheinliche, Antwort hoffen. Beides wird wohl kaum unter einen Hut passen, schon alleine wegen dem Stress, der dir bei einer neuen Karriere blühen dürfte. Das weiß ich selber gut genug.“ „Ich weiß. Ich werde dann wahrscheinlich ziemlich beschäftigt sein...“ „Beschäftigt ist noch freundlich ausgedrückt“, bestätigte Satoshi. „Also was wirst du tun?“ „Was würdest du tun?“, fragte Matt und seufzte. „Ich... würde die Musik wählen“, sagte Satoshi ohne zu zögern. „Liebe kann immer wieder kommen.“ Matt schloss seine Augen und lehnte sich ein wenig zurück. Satoshi hatte schon recht. Beides würde nie gehen. Wenn er bei G-Music einsteigt und noch dazu was mit Tai anfangen sollte (was sowieso abwegig war), könnte er sich seine Karriere gleich an den Nagel hängen. Und wenn er den Vertrag nicht unterschreibt, bleiben er und sein Vater auf einen riesigen Berg von Schulden sitzen. Also ging es hier nicht nur um ihn. Aber Tai... wollte er ihn wirklich verlieren? Und selbst wenn er Tai alles erzählen sollte, die Wahrscheinlichkeit, dass der Braunhaarige freudestrahlend "Ja, ich liebe dich auch" sagen würde, ist so hoch wie die vom Blitz erschlagen zu werden. Eine negative Antwort ist am wahrscheinlichsten. Er kannte Tai und er ahnte bereits, was dieser sagen würde. „Matt, das ist in Ordnung, mir macht das nichts aus, wir können ja weiterhin Freunde bleiben.“ Genau das war es, was er nicht wollte. Etwas täglich vor sich zu haben, was man unbedingt wollte, aber nicht haben konnte, war einfach die Hölle. „Satoshi, ich glaube ich habe eine Entscheidung getroffen“, sagte der Blonde bestimmend. „Hast du? Und wie lautet diese?“ „Das kann ich dir noch nicht sagen, ich muss erst einmal mit Tai reden.“ „Du musst es aber auch immer so spannend machen, mein Freund“, lachte Satoshi und trank seinen Kaffee aus. Und da war Matt nun. Wieder auf den Straßen von Tokyo. Er hatte noch eine ganze Zeit mit Satoshi im Café gesessen und über alte Zeiten geredet. Er hatte seinem Freund zum Abschied versprochen, dass egal, was passiert, er sich auf jeden Fall melden würde. Nur widerwillig machte er sich auf den Weg zu Tais Haus. Aber er MUSSTE es tun, er musste einfach. Erstens, weil er sein Gewissen beruhigen wollte und zweitens, weil er, so dachte er zumindest, eine Entscheidung getroffen hatte. Würde er Menschen damit verletzen? Ganz sicher! Die Sonne brannte auf seinen Kopf und umso länger er durch die Straßen ging umso mehr schwitzte er sich zu Tote. Er hätte sich vielleicht doch etwas leichteres, als eine Jeans und Hemd, anziehen sollen. Nach gut einer halben Stunde stand er dann endlich vor Tais Haustür. Er zögerte. Sollte er den Klingelknopf drücken? Nein, ja.... Nein.... JA, verdammt! Mit zugekniffenen Augen zerquetschte er beinahe den kleinen Knopf. Toll, jetzt gab es kein Zurück. Matt konnte ein Geräusch hinter der Tür hören und wie diese langsam aufgemacht wurde. „Hallo, Tai“, war alles, was Matt sagen konnte, als er den Wuschelkopf sah. Oh verdammt, der Wuschelkopf sah einfach zu gut aus. Vielleicht lag es auch daran, dass er ihn seit Tagen nicht gesehen hatte. „Matt... wo zum Henker hast du die ganze Zeit gesteckt?“ Tai reagierte wie so oft übertrieben. Er sprang den Blonden beinahe an, doch Matt wusste nicht, was er tun sollte und nahm einen Schritt zurück. Er sammelte all seinen Mut und nahm seine Sonnenbrille ab, um Tai direkt in die Augen zu sehen. „Wir müssen reden, Tai“, sagte der Blonde ernst. Hoffentlich würde seine Stimme nicht versagen. „Ja, natürlich...“, sagte Tai stotternd und öffnete ihm die Tür. „Öhm, möchtest du was trinken? Du bist sicher durstig, nicht wahr? Heute ist es wieder furchtbar heiß.“ „Gerne. Ein Wasser, bitte.“ Die Stimmung zwischen den Beiden war irgendwie unbehaglich. Matt wusste nicht genau, wo er anfangen sollte oder was genau er eigentlich sagen sollte. Noch vor wenigen Minuten waren seine Gedanken so geordnet gewesen und nun reichte ein Blick zu Tai aus und sein ganzer Kopf schien alles vergessen zu haben. „Aber klar. Geh doch schon einmal ins Wohnzimmer. Ich komm gleich nach.“ Matt zog sich seine Schuhe aus und stellte sie zu den anderen. Sein Herz klopfte wie wild und schien am liebsten aus seinem Brustkorb springen zu wollen. Wie im Schlaf fand er den Weg ins Wohnzimmer und setzte sich auf die Couch. Kaum eine Sekunde später kam Tai aus der Küche und setzte sich neben Matt. „Du... du warst nicht mehr in der Schule“, sagte Tai und stellt das Glas auf den Tisch. „Ich hab mir Sorgen gemacht. Wo warst du?“ „Zu Hause. Ich musste über einiges nachdenken“, nuschelte der Blonde und nahm einen Schluck Leitungswasser. „Matt, hör mal“, Tai atmete hörbar ein und drehte seinen Kopf zu seinem Freund. „Die Sache da in der Schule... also, was passiert ist...“ „Tai, lass mich erst einmal was sagen, ja?“ „Öhm, natürlich. Was gibt’s denn?“ Matt schloss seine Auge. Er versuchte seine verwirrten Gefühle und Gedanken zu ordnen und Tai das mitzuteilen, was er ihm sagen wollte. Er wollte und musste es tun! „Du hast sicher mitbekommen, dass ich die Band verlassen habe...“, sagte Matt leise. „Das habe ich, aber-“ „Um ehrlich zu sein. Ein andere Agency will mich unbedingt haben.“ „Aber das ist doch toll, oder?“, fragte Tai unsicher. „Das ist es“, lächelte Matt schwermütig. „Aber das heißt auch, dass ich nicht mehr zur Schule kommen kann, weil ich einfach nicht die Zeit finden werde und, dass wir uns... wahrscheinlich auch nicht mehr so oft sehen werden... wenn überhaupt noch....“ Verflucht, wie sollte er es Tai sagen. Sein Kopf war total leer und gleichzeitig überfüllt. „Moment mal.... das ging mir gerade zu schnell! Das klingt für mich so, als ob du mich nicht mehr sehen willst!“ „Ja...“, kam es leise über die blassen Lippen. „Aber... Matt, was war das dann in der Schule... was du gesagt hast? Dass du mich-“ „Tai, das ist etwas anderes. Du solltest nicht alles immer so ernst nehmen“, lachte Matt und trank sein Glas Wasser leer. „Vielleicht ist das die einzige Chance auf eine richtige Musikkarriere. Ich will mich nur noch darauf konzentrieren und Freunde... stören mich da nur.“ „Stören?“, schrie Tai und stand vom Sofa auf. „Hab ich da gerade richtig gehört? Du meinst ich würde dich stören?!“ „Ja“, sagte Matt fest und schaute Tai ernst an. „Egal, was ich da in der Schule gesagt habe, vergiss es einfach wieder. Ich hatte damals einfach einen beschissenen Tag und wusste wahrscheinlich nicht, was ich rede.“ „Das ist doch alles nicht wahr, Matt. Du lügst mich an!“, sagte Tai aufgebracht. Matt bekam Kopfschmerzen. Was hatte er erwartet? Dass Tai wortlos zuhören und ihm zustimmen würde? Nie im Leben. So war Tai nicht. Kampflos würde er ihn nun nicht mehr gehen lassen, das wusste der Blonde, also holte er seine letzte Karte hervor, die er noch hatte. Vielleicht war es mehr als eine letzte Karte, eher der letzte, kleine Hoffnungsschimmer, den er hatte. „Was würdest du denn sagen, wenn es wahr wäre, dass ich in dich verliebt bin. Würdest du diese Sakuya verlassen und mit mir zusammen sein wollen? ‚So‘ zusammen sein wollen?!“ „Ich... ich weiß nicht. Wir waren immer beste Freunde, da kann ich dir so was doch nicht beantworten. Aber nur, weil ich das nicht kann, heißt es doch nicht, dass du fortgehen musst...“ „Ich muss nichts, Tai. Ich will das tun. Es ist die Chance auf einen Neuanfang, fort von allem und ich würde das gerne wagen.“ „Ohne mich...?“, fragte Tai nun um einiges ruhiger. „Ohne... dich. Auch, wenn es mir schwer fällt das zu sagen, aber dich zu sehen macht mein Leben nur noch schwerer. Du hast jetzt eine Freundin, die mich nicht mag, ich habe meine Band geschmissen, mein Vater wird nächste Woche wieder für Monate wegfahren. Ich will einfach nur einen Neuanfang.“ Was tat er da nur, fragte sich Matt. Er war gerade dabei Tai zu sagen, dass dieser sein Leben zerstörte? Irgendwie stimmte es ja auch. Seit sich Matt seiner Gefühle zu Tai bewusst war, waren nur noch die braunen Augen in seinem Kopf. Er hatte keine Kontrolle mehr über sein Leben, aber diese brauchte er. Unbedingt. Und, wenn er schon nicht Tai haben konnte, so wollte er wenigstens sein Leben wieder haben und damit machen, was er wollte und, wenn es eben hieß ein neues Leben anzufangen. „Matt, ich... verstehe.“ „Das... tust du?“, Matts Augen weiteten sich. Damit hatte er nicht gerechnet. „Ich will dir nicht im Weg stehen. Auch ich will dein Glück... und, wenn es dein Wunsch ist ein neues Leben anzufangen, dann unterstütze ich dich dabei.“ Nachdem Tai diese Worte gesagt hatte, stand Matt wortlos auf und starrte seinen Freund an. Waren es wirklich diese Worte, die er aus Tais Mund hören wollte? Und warum lächelte Tai ihn so an? Tief im Innern hatte er gehofft, dass Tai rumschrie, ihn zurückhielt, ihn nicht gehen lassen wollte... aber das?! Erst hatte sich der Braunhaarige so aufgeregt und nun war er die Ruhe in Person. Bedeutete er ihm denn wirklich so wenig? Störte es ihn kein Stück, dass Matt aus seinem Leben verschwinden wollte? „Dann... werde ich jetzt gehen“, sagte Matt und setzte sich seine Sonnenbrille wieder auf, damit Tai nicht die aufkommenden Tränen sah. „Gut. Ich wünsche dir viel Glück, Matt“, sagte der Braunschopf und lächelte ihn weiter an, als ob nichts gewesen wäre. „Wenn irgendwas sein sollte...“ Matt hob seine linke Hand und drehte sich um. Er ging wieder in den Flur, um sich seine Schuhe anzuziehen. Tai stand hinter ihm und beobachtete jede Bewegung. Sein Lächeln war wie eingefroren. Matt ging, ohne noch ein Wort zu sagen. Die Tür fiel lautlos ins Schloss und Tai stand immer noch im Flur und starrte diese an, als ob alles ein Traum gewesen wäre. Kapitel 10: Party Tonight ------------------------- - - - Zwei Jahre später - - - „Ich hätte ihn nicht gehen lassen sollen... ich hätte etwas sagen sollen.... bleib hier... oder... willst du mich alleine lassen?... Irgendwas in der Art hätte ich ihm sagen sollen.“ Tai raufte sich die Haare und ließ sich zurück auf sein Bett fallen. Es waren nun schon beinahe 2 Jahre, seit er Matt das letzte Mal gesprochen hatte und doch gingen ihm diese Gedanken immer wieder durch den Kopf. Vor allem in solchen Momenten. Solche Momente waren das Einschalten des Fernsehers und die unfreiwilligen Informationen über seinen alten Freund, die er dort sah. Mittlerweile war es nichts mehr Außergewöhnliches, dass Matt im TV war. In Variety Shows, neue Musikvideos oder einfach nur in einem Interviews. Beinahe überall schien dieser zu sein. Aber als ob das Fernsehen nicht genug wäre, sah er Poster oder Clips von ihm überall in der Stadt, neben all den andren Stars, die Japan mit ihrer Musik oder Filmen überfluteten. Es war einfach schlichtweg zum Haare raufen. Wenn er Matt damals gebeten hätte nicht zu gehen, wäre dieser dann geblieben oder trotzdem gegangen? Er konnte ihn nicht mehr fragen, die Chance hatte er längst verspielt. Seufzend ließ er seine Hand durch die braunen Haare gleiten und schloss seine Augen. Als Matt vor mehr als einem Jahr sein Debut hatte, wusste er nicht ob er weinen oder lachen sollte. Zum einen war er überglücklich, dass sein Freund es endlich geschafft hatte Musiker zu werden, aber zum anderen dachte er daran, dass er ihm nicht einmal persönlich gratulieren konnte. Tai hatte Matt stattdessen eine Glückwunschkarte geschrieben, ziemlich überflüssig, dachte er sich im Nachhinein. „Ich freue mich, dass du deinen Traum endlich erreicht hast! Bleib der, der du immer warst und spiele deine Musik. Tai.“ Er hatte nie eine Antwort bekommen. Wahrscheinlich hatte Matt die Karte nicht einmal gelesen oder vielleicht hatte er sie auch gar nicht bekommen. So richtig hatte er nie verstanden, was in seinem alten Freund vorging. Die letzten Tage bevor dieser „abgehauen“ war, kamen ihm im Nachhinein immer merkwürdiger vor. Matt hatte Tai gemieden, hatten diesen angeschrien und hatte ihm mehr oder weniger die Freundschaft gekündigt. Aber was ihm am meisten Gedanken machte war, dass Matt anscheinend in ihn verliebt gewesen war. Stimmte das eigentlich? Matt hatte ihm damals nie eine wirkliche Antwort drauf gegeben, aber so richtig verneint hatte er es auch nie. Aber nun war es... zu spät ihn noch einmal zu fragen. Und was hätte das auch bringen sollen? Das schrille Klingeln der Haustür ließ ihn aus seinen Gedanken aufschrecken. Ein weiteres Seufzen entwich seinen Lippen und er rappelte sich hoch, um zur Haustür zu gehen. „Ja bitte?“, sagte er während er die Tür öffnete. „Hallo Tai-chan!“, jauchzte Sakuya ihm entgegen, während sie ihm um den Hals fiel. „Ah, du bist es“, meinte der Braunhaarige beifällig. „Wolltest du heute nicht eigentlich mit deiner Schwester shoppen gehen?“ „Freust du dich denn gar nicht mich zu sehen?“, schmollte die junge Frau und zog sich ihre Schuhe aus. „Und nein, das war Morgen.“ „Sei nicht sauer, ich hab nur einfach einen schlechten Tag“, antwortete Tai und kratzte sich am Kopf. „Was ist denn passiert?“, fragte Sakuya, während sie in das Wohnzimmer von Tai ging. Beiläufig viel ihr Blick auf den Fernseher. „Ist es deswegen? Wegen diesem Ishida?“ Sakuya schaute böswillig auf den flackernden Bildschirm und streckte ihre Hand nach der Fernbedienung aus, die auf dem Tisch lag, doch Tai war schneller und schaltete auf ein anderes Programm um. „Fang nicht schon wieder damit an, Sakuya, das hatten wir schon zu Genüge.“ „Wahrscheinlich nicht, denn du trauerst deinem BESTEN Freund immer noch nach.“ „Beton das nicht so! Er war mein BESTER Freund und er ist es immer noch. Schließlich bin ich derzeit mit niemanden so befreundet wie ich es mit ihm war“, zischte Tai unwillkürlich seine Freundin an. „Die Betonung liegt nun hier bei WAR“, sagte sie schnell. „Ihr SEIT mal beste Freunde GEWESEN. Soweit ich mich erinnern kann hat er dir doch persönlich gesagt, dass du sein Leben kaputt machst und er nicht mehr dein Freund sein will.“ „Sakuya...“, sagte Tai und atmete tief ein, „wenn das jetzt schon wieder losgeht dann schmeiße ich dich raus!“ „Ist ja gut, ist ja gut. Ich sag doch nur die Wahrheit. Ich will einfach nicht, dass du wieder so deprimiert bist wie vor einem Jahr“, schniefte das schwarzhaarige Mädchen. „Du warst damals Tagelang am Trübsal blasen. Ich mein, als du zu seinem Konzert gegangen bist. Ich habe dir doch gesagt, dass du nicht hingehen sollst. Ich habe dir...“ „Ist ja gut! Nun hör endlich damit auf“, sagte Tai und setzte sich neben seine Freundin. „Dieses Gespräch hatten wir schon hundertmal.“ „OK, dann hör ich damit auf“, grinste sie. „Ich habe uns was zu Essen gekauft. Soll ich es für uns aufwärmen? Dann können wir uns einen gemütlichen Abend machen. Ich habe auch einen Film mitgebracht!“ Diese Frau war einfach unglaublich. Ihr Gemütszustand konnte sich von einer Sekunde auf die andere ändern. Wenn Sakuya gerade mal nicht zickig war, konnte sie unglaublich lieb und fürsorglich sein. Wahrscheinlich war das der Grund warum Tai noch immer mit ihr zusammen war. Der Grund war weiß Gott nicht, dass er keine andre abbekommen könnte. Seit Tai zur Uni ging - ja, er ging wirklich zu Uni und er konnte es selber noch nicht richtig fassen - liefen ihm die Frauen regelrecht nach. Nachdem er die High School beendet hatte, bekam er einen Haufen von Einladungen verschiedener Fussballvereine aus Tokyo. Nach langem Überlegen hatte er dann jede abgelehnt und seinen Wunsch professionell Fußball zu spielen einige Jahre nach hinten verlegt. Natürlich trat er dem Universitätsverein bei, doch war seine Priorität das Studieren. Die kleine Stimme in seinem Hinterkopf hatte ihm damals geraten etwas zu lernen, denn mit spätestens 30 würde er langsam zu alt fürs Fußballspielen sein, dann ohne Ausbildung dastehen und nichts mehr mit seinem Leben anfangen könnten. Also hatte er sich wie ein Irrer an den Tisch gesetzt, gelernt und ein halbes Jahr später die Universitätsprüfungen überraschenderweise bestanden. Nun studierte er Englisch und Japanisch. In der Schule mag er ein kleiner Idiot gewesen sein, doch mit Sprachen stand er immer auf gutem Fuß. Er erinnerte sich an die Reaktionen seiner Eltern als er denen sagte, dass er nun offiziell Student war. Seine Mutter hatte den Teller, den sie gerade auf den Tisch stellen wollte, fallen gelassen und sein Vater war kreidebleich geworden, als hätte er einen Geist gesehen. Seine Schwester jedoch klopfte ihm auf die Schulter und sagte: „Na, dann bist du ja doch kein Muskel-Idiot“. „Was grinst du so dumm?“, fragte Sakuya als sie die Suppe auf den Tisch stellte. „Es ist nichts“, lächelte Tai und nahm sich einen Löffel. So sah Tais Leben also aus. Er ging zur Uni, spielte immer noch Fussball, verbrachte Zeit mit seiner Freundin... und... dachte an Matt. Kurz dachte er daran, ob es immer so bleiben sollte. „Uhmargh“, sagte Tai mit vollen Mund und schluckte schnell das Essen runter, „Ich muss dich dann doch raus schmeißen!“ „Und warum das bitte?“, fragte Sakuya bissig. „Ist nichts gegen dich, keine Angst, aber ich bin dann noch mit meinen Freunden verabredet.“ „Aber da kann ich doch mitkommen!“, viel sie ihm sofort ins Wort. „Es ist einer unsrer Männerabende...“ „Achso“, schmollte Sakuya und aß weiter. „Dann wünsche ich euch viel Spaß.“ „Danke, den Spaß werde ich haben. Ich war schon lange nicht mehr mit meinen Jungs weg.“ Kaum eine Stunde später verabschiedete sich Sakuya und gab Tai einen Kuss. Der Braunhaarige winkte ihr noch kurz nach und verschwand dann in seinem Schlafzimmer, um sich für den Abend umzuziehen. Schnell fand er auch das richtige. Eine schwarze enge Hose und ein rotes Tanktop. Er war schon ziemlich spät dran und musste sich beeilen, denn er wusste, dass seine Kumpels nie lange auf ihn warteten. Tai war früher immer viel zu spät gekommen und daher hatten sie nun ausgemacht, dass wenn er nicht pünktlich war, sie einfach ohne ihn gehen würden. Allemal besser als 2 Stunden auf eine unverbesserliche Trantüte warten zu müssen, hatten sie ihm damals gesagt. Schnell fuhr er sich noch einmal durch die Haare, was jedoch wie immer vergebens war und verließ seine Wohnung. Er hatte es bis zur U-Bahn-Station Gott sei Dank nicht weit und auch bis zum Treffpunkt war es nur noch ein Kurzes Stück zu laufen oder besser gesagt zu rennen. Von weitem konnte er schon eine kleine Gruppe von jungen Männern erkennen, die auf ihn warteten. Leicht außer Atem kam er schließlich bei ihnen an. „Ihr braucht gar nichts zu sagen, ich bin pünktlich“, sagte Tai und nahm tief Luft. „Es sagt ja gar keiner was“, grinste Toto, ein liebenswürdiger, etwas klein geratener Halbjapaner. Er klopfte dem Braunhaarigen auf die Schulter. „Jungs, ich weiß ihr geht gerne in Clubs und ich habe da ja auch nichts gegen“, sagte Tai, der sich von seinem kurzen Sprint erholt hatte, „aber Kabukicho?“ „Tai, Tai, mein Freund, mein liebster Studienkollege, ich möchte dir mal was sagen: Kabukicho ist der beste Ort zum Frauen aufreißen“, warf nun Shinji ein, er war ein großgewachsener, wasserstoffblonder Junge mit einem frechen Grinsen. „Ich hab aber schon eine Freundin“, sagte Tai lachend, während sich seine drei Freunde bereits in Bewegung setzten. „Wir aber nicht“, sagte der dritte im Bunde, Taka, ein Frauenheld mit aufgestylten schwarzen Haaren und ebenso stylishen Klamotten, die jeden Host hätten alt aussehen lassen können. „Keine Angst, Tai“, sagte Shinji, „wir werden dich schon nicht zwingen mit einer Frau rumzumachen, wir wollen nur unseren Spaß haben.“ „Na, wenn du das sagst“, sagte Tai und folgte den dreien in Richtung eines Clubs. Tai kannte seine „Männergruppe“ schon einige Zeit. Zu erst hatte er Toto kennengelernt, da dieser auch Japanisch studierte. Sie verbrachten die meiste Zeit in der Uni miteinander und durch Toto hatte er dann auch Shinji und Taka kennengelernt. Später hatte er festgestellt, dass Taka ebenso Englisch studierte und sie viele gemeinsame Kurse hatten. Es dauerte nicht lange und bald unternahmen sie größtenteils nur noch zu viert etwas. Umso mehr umso lustiger, hieß es bekanntlich. Bald kam das Vierer-Gespann bei einem Club an und gingen hinein. „Ich schwöre euch, Leute, dieser Club ist der Hammer“, sagte Taka und war bereits ganz hibbelig vor Aufregung. „Hier gibt es die hübschesten Mädels.“ „Na das will ich auch hoffen, so teuer wie das hier aussieht“, fügte Shinji hinzu, der sich gerade seine Jacke auszog. Taka schien nicht gelogen zu haben. Der Club war wirklich Klasse. Er war riesig groß, unglaublich viele Menschen waren auf der Tanzfläche inmitten des Raumes, im hinteren Teil des Clubs standen edle Sofas und Tische und die Bar war auch nicht von schlechten Eltern. Es gab wohl auch eine zweite Etage, doch der böse dreinblickende Mann am Fuß der Treppe schien zu bedeutet, dass da nur VIPs hoch konnten. „Taka, du bist genial, ich hätte den Club nie entdeckt. Wer hätte gedacht, dass es so ein Schmuckstück in so einer abgewrackten Gasse gibt?“, schrie Toto, da die Musik jeglich normales Sprechen nicht mehr möglich machte. „Lasst uns erst mal was an der Bar holen und dann ein Sofa klarmachen“, sagte Tai, der nun auch ganz aufgekratzt war und sich durch die Menge schob. Gesagt getan. Kurze Zeit später waren alle vier mit Alkohol bewaffnet und ergatterten ein leeres Sofa, von dem aus sie einen super Blick auf die Tanzfläche hatten. Tai nippte an seinem Bier und ließ seinen Blick durch den Club schweifen. Es gab wirklich eine Menge hübscher und auch leicht bekleideter Frauen, doch keine davon war Tais Geschmack. Er hatte ja auch schon eine Freundin, ermahnte er sich und lauschte nun dem Gespräch, dass Taka und Shinji führten. Es drehte sich darum, welches Mädchen wohl am leichtesten zu haben sei und wie man diese an den Klamotten erkannte. „Sag mal, Tai“, sagte Toto dicht an seinem Ohr, „wie läuft es eigentlich mit Sakuya? Das letzte Mal als wir uns sahen hattest du dich doch heftig mit ihr gefetzt.“ Tai seufzte. „So wie immer, denke ich? Ich meine wir haben uns heute wieder gestritten aber das war... nicht von Belang.“ „Und wenn es nicht 'von Belang' war, warum machst du dann so ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter?“ „Keine Sorge“, sagte Tai und winkte kurz ab. „Es war wirklich nichts schlimmes.“ „Na, wenn das so ist... komm lass uns tanzen!“, schrie ihm Toto entgegen und nahm ihm am Arm, um ihn Richtung Tanzfläche zu ziehen. „Du sollst heute Abend Spaß haben und dich betrinken und nicht rumheulen!“ Ohne Gegenwehr ließ sich Tai auf die von Menschen gefüllte Tanzfläche ziehen und tanzte mit Toto, der es einfach nicht lassen konnte und ab und an einige Frauen anmachten, was jedoch scheiterte. Von weiten konnte Tai erkennen, dass sich Shinji eine Frau geangelt hatte und Taka ein Glas nach dem anderen kippte. Nach gut einer halben Stunde nonstop tanzen und mit Toto rumalbern, war Tai aus der Puste und die stickige Luft machte es nicht wirklich besser. Schwerfällig schlug er sich einen Weg durch die Massen, zurück zum Sofa und gesellte sich zu Taka, der schon mächtig einen in der Krone hatte. „Ich glaube du solltest aufhören zu trinken“, sagte Tai und nahm ihm das Glas aus der Hand. „Ja, Mama~“, lallte Taka. „Ich glaube es wird langsam Zeit, dass ich mir auch eine Frau suche. Dieser Shinji hat einfach Glück gehabt... normalerweise bin ich doch immer derjenige, der als erstes eine Bekanntschaft hat. Hui~ was geht denn da ab?“ Tai richtete seinen Blick auf den Eingang des Clubs. Eine Meute Frauen hatte sich dort versammelt und schien ziemlich außer sich zu sein. „Ist wohl irgendwer Berühmtes“, winkte Tai ab und nahm einen Schluck von Takas Getränk, das er ihm zuvor aus der Hand genommen hatte. „Und ob der berühmt ist! Alter, wenn ich nicht schon zu besoffen bin, würde ich sagen, dass das Yamato Ishida ist!“ „WAS?“, sagte Tai beinahe einem Herzinfarkt gleich. Blitzschnell schaute er wieder zum Eingang. Nein, da war nichts mehr. Weiter nach links. Ja, genau da war die „Frauen“-Traube und da war... Matt. Er war weit weg und hatte eine Sonnenbrille auf, doch es war sein Matt. Oh scheiße! Besagter Blondhaariger ging mit einigen Männern und Frauen die Treppe zum VIP-Bereich hoch und winkte der zurückbleibenden Menge noch kurz zu. Es war wirklich Matt, sein Matt. Er hatte ihn seit über einem Jahr nicht gesehen, doch er war es. Dank des Fernsehens und der unglaublichen Werbung in der Stadt, hatte er mehr oder weniger zwanghaft mitbekommen wie sich dieser verändert hatte. Auch beim Konzert vor mehr als einem Jahr, dass er aus dem Affekt heraus besucht hatte, hatte ihm gezeigt wie sich dieser Äußerlich immer mehr veränderte. Aus einem Jugendlichen war unverkennbar ein junger Mann geworden, der nun leicht markante Züge im Gesicht hatte. Er war auch ziemlich gewachsen und schien trainiert zu haben, denn sein Körper war eindeutig nicht mehr so schmächtig wie vor zwei Jahren. Die Haare hatte er etwas länger, aber sie waren immer noch blond, so wie damals. Ja, das war eindeutig Matt und die kreischenden Frauen schien ihm das nur zu bestätigen. Auf einmal wurde Tai schlecht. Ganz toll, er sah Matt nach einer Ewigkeit „live“ wieder und ihm war zum Kotzen zumute. Dabei hatte er doch gar nicht so viel getrunken... Kapitel 11: Tee --------------- Und da war Tai nun – kotzend über der Toilettenschüssel. Es hätte nicht schlimmer kommen können, dachte er, als sich sein Mageninhalt entleerte. Krampfhaft umschlossen seine Finger die Toilettenbrille, als Taka ihm auf die linke Schulter klopfte. „Du hast doch nur ein Glas Bier getrunken oder irre ich mich?“, fragte er und hockte sich neben Tai in die enge Kabine. „Hab ich auch“, antwortete Tai gepresst. Anscheinend hatte er sich endlich „ausgekotzt“, denn er entließ die Toilettenbrille seiner Umarmung und setze sich mit den Rücken an die Kabinenwand gelehnt hin. „Also was ist dann los? Ich hab dich noch nie so gesehen. Sei froh, dass Toto und Shinji nicht hier sind. Die würden dich nach Strich und Faden aufziehen. Außerdem müsste ich viel betrunkener sein als du...“ „Mit mir ist nichts. Ich hatte heute nur einen anstrengenden Tag“, sagte Tai und versuchte sich währenddessen einige Haarsträhnen aus dem Gesicht zu streifen. Einzelne Schweißperlen lagen auf seiner Stirn und sein sonst so gebräuntes Gesicht sah blass aus. „Soll ich dich nach Hause bringen?“, fragte Taka und stemmte sich an seinen Knien auf. Anscheinend war dieser wieder ein wenig nüchterner – eine halbe Stunde jemanden beim Kotzen zusehen hatte wahrscheinlich einen Beitrag dazu geleistet. „Das wär' mir im Moment eine große Hilfe“, sagte Tai und streckte ihm seine Hand entgegen. „Hilf mir mal eben hoch.“ Torkelnd schaffte es Tai mit Takas Hilfe aufzustehen und aus dem Club zu verschwinden. Auf dem Weg zur Hauptstraße schrieb Taka an ihre beiden Freunde, die im Club zurückgeblieben waren eine SMS, um Bescheid zu geben, dass er Tai nach Hause brachte. Der Schwarzhaarige harkte sich noch ein Stück fester in Tais Arm, weil er Angst hatte, dass dieser zur Seite fiel. Nach weniger als zwei Minuten waren sie an der Hauptstraße angekommen und schafften es relativ schnell ein Taxi zu kriegen, mit dem sie in Richtung von Tais Wohnung fuhren. Während der ganzen Fahrt herrschte Schweigen. Tai sah aus dem Fenster des Wagens und Taka schaute ab und an in seine Richtung nur um festzustellen, dass dieser sich keinen Zentimeter bewegt hatte. Nach gut einer viertel Stunde waren sie vor dem Wohnblock angekommen und stiegen aus. Taka wühlte in seiner Hosentasche und zog einige Scheine heraus, die er dem Fahrer gab. „Ich geb' dir Morgen das Fahrgeld wieder“, sagte Tai und machte sich auf in Richtung Haustür. „Lass stecken. Lass mich die Nacht einfach auf deinem Sofa schlafen und dann sind wir quitt“, rief ihm Taka zu und rannte zu Tai, der dabei war den Schlüssel mit immer noch leicht zitternden Händen in das Schlüsselloch zu stecken. „Warte ich mach das“, sagte Taka und übernahm die Aufgabe des Türöffnens. Bei solch einer ruhigen Hand hätte man gar nicht denken können, dass dieser den halben Abend getrunken hatte. Tai wollte aus Gewohnheit den Treppenaufgang nehmen, der zur Rechten lag, doch der Schwarzhaarige hielt ihn am Arm fest und gab ihm einen Gesichtsausdruck, der zu sagen schien: „Wir sollten besser den Fahrstuhl nehmen.“ Schweigend fuhren beide in das dritte Stockwerk und liefen zum Ende des Gangs wo Tais Wohnung lag. Auch hier übernahm Taka wieder die Aufgabe die Tür zu öffnen und schob Tai in seine Wohnung. „Setze dich erst einmal aufs Sofa oder so“, sagte Taka während er sich die Schuhe auszog. „Ich geh dir solange einen Tee machen, der deinen Magen hoffentlich beruhigt.“ Taka und Co. besuchten Tai oft, da dieser der einzige war, der eine Wohnung hatte, die groß genug war um kleine Partys zu feiern. Von daher hatte der Schwarzhaarige keine Probleme sich in der Küche und in den restlichen Zimmern zu orientieren. Zielsicher führten ihn seine Schritte daher in die kleine Küche, welche in der Ecke des Wohnzimmers lag. Kurz warf er noch einen Blick auf Tai, der seine Schuhe sorgfältig nebeneinander stellte und ihm ins Wohnzimmer folgte. „Geht's dir mittlerweile besser?“, fragte Taka und stöberte im Schrank um zwei Tassen zu finden. Der Wasserkocher brodelte bereits und ließ verlauten, dass der Tee nicht mehr lange auf sich warten ließ. „Du warst im Club ja doch recht fertig.“ „Es geht“, sagte Tai kurz angebunden und entließ seinen Lippen einen Seufzer. Er lag jetzt halb auf dem Sofa und starrte die weiße Decke an. Ein Klicken des Wasserkochers durchfuhr die Stille und Taka goss den Kräutertee auf. Für sich hatte er seinen Lieblings-Früchtetee gemacht. Er nahm die beiden Tassen und gesellte sich mit diesen zu Tai auf das Sofa. „So“, sagte Taka und reichte ihm die Tasse. „Jetzt erzählst du mir mal schön, was los ist. Hast du Stress mit deiner Freundin? Ich hab dir schon ein paar mal gesagt, dass du die besser abschießen solltest. Ich hab hunderte Telefonnummern von süßen Mädels, die viel besser zu dir passen würden.“ „Nein~“, antwortete Tai und nahm die Tasse. Er setzte sich auf und trank einen Schluck. Leicht verzog er seinen Mund wegen dem bitteren Geschmack. „Es ist wirklich nichts.“ „Veräppeln kann ich mich selber“, scherzte Taka und stellte seine Tasse auf den Tisch. „Wenn du es nicht von dir aus sagen willst, tu ich es... Yamato Ishida.“ Nach diesen Worten herrschte für einige Sekunden eisiges Schweigen. Takas Blick ruhte die ganze Zeit auf Tai. Dieser blickte wie gebannt in seine Teetasse und schien den Atem angehalten zu haben. Nach einer gefühlten Ewigkeit unterbrach er dann aber das Schweigen. „Wie kommst du da drauf?“ „Man muss da nicht wirklich ein Sherlock Holmes sein“, grinste Taka und nahm einen kleinen Schluck seines Tees. „Seit wir uns kennen frag ich mich was da mit diesem Ishida läuft. Das ist auch den anderen schon aufgefallen. Wir sind in der Stadt und da läuft irgendeine Werbung mit ihm: du starrst drauf. Wir laufen an einem Laden vorbei und seine Musik wird gespielt: du bleibst stehen. Und jedes Mal, wirklich jedes Mal hast du dann diesen komisch Blick drauf. Keiner von uns hat sich je getraut zu fragen, was in solchen Momenten in deinem Kopf vorgeht. Und heute taucht der Typ da im Club auf, du siehst ihn und kaum eine Minute später kotzt du dir die Seele aus dem Leib.“ „Was für einen Blick meinst du?“, fragte Tai und stellte seine Tasse zu der von Taka auf den Tisch. Seine Augen waren dem Boden zugewandt. „Einen ganz komischen. So als ob du dich freuen würdest, aber auch am liebsten heulen magst. Ganz merkwürdig halt.“ „Ist das so...“, seufzte Tai und vergrub sein Gesicht die Hände. „Ich hab also ins Schwarze getroffen“, fügte Taka hinzu. „Und was soll das nun? Sag's mir doch einfach, wenn es irgendwas schlimmes ist, dann verspreche ich dir auch den anderen nichts zu erzählen.“ „Das wär' mir lieb“, sagte Tai nach einer längeren Pause. „Ich weiß nicht so recht wo ich anfangen soll.“ „Sag einfach was Sache ist, wenn du nicht alles erzählen willst. Musst du nicht.“ „Yamato Ishida war früher mal mein bester Freund, mein aller bester Freund“, sagte Tai knapp und schluckte. „Hm... dann hast du ihn gekannt, wie ich es mir schon gedacht habe. Und warum redest du in der Vergangenheitsform? Hat er sich nicht mehr gemeldet, als er berühmt wurde?“, fragte Taka halb im Scherz. „Das ist glaube ich komplizierter... Ich hoffe du bist noch nicht allzu müde, denn es wird schwer sein davon eine Kurzfassung zu liefern.“ „Ne, ich bin hellwach und beinahe nüchtern. Also sag an.“ Als Tai erst einmal anfing zu erzählen, hörte er gar nicht mehr auf. Es sprudelte regelrecht aus ihm heraus. Noch nie hatte er mit jemanden darüber reden können. Mit keinem Freund und erst recht nicht mit seiner Familie oder mit Sakuya. Er erzählte Taka praktisch alles. Von der Zeit als er und Matt beste Freunde waren, von dem Beziehungsanfang mit Sakuya, wie Matt seine alte Band hinschmiss, wie sich Matt und Sakuya gestritten hatten, wie Matt tagelang nicht erreichbar war und wie er ihn dann regelrecht die Freundschaft gekündigt hatte. „Also, wenn ich das richtig verstehe, war der in dich verknallt?“, fragte Taka verwirrt. „Also um ehrlich zu sein, hab ich keine Ahnung. Er hat es nie eindeutig gesagt...“ „Woha fuck, du stehst auch tierisch auf dem Schlauch, oder?“, sagte Taka während er sich die Hand vor die Stirn schlug. „Also so wie ich das verstehe war er damals in dich verliebt. Dann kam Sakuya und hat in ihm ein Konkurrenzverhalten ausgelöst und da machen die Menschen echt die dümmsten Sachen. Und dann als er einen echt beschissen Tag hatte und von je~edem provoziert wurde, ist er ausgetickt und hat es eben auf seine Art gesagt. Und du... du raffst mal wieder nichts und er wird sich wohl so etwas in der Art gedacht haben wie 'nach all dem hab ich bei dem eh keine Chance mehr und hau lieber ab'. Und, dass er da auch noch den Musikvertrag bei G-Whatever bekommen hat, kam ihm gerade recht.“ „Das hab ich mir auch schon gedacht.“ „So... hast du? Dann beantworte mir mal bitte die Frage warum du ihn hast gehen lassen?“ „Er hat mir gesagt, dass ich ihm im Weg stehen würde...“, sagte Tai leise. Es ging ihm gerade echt beschissen. Er hatte gedacht, dass es ihm eventuell helfen würde, jemanden davon zu erzählen doch im Endeffekt fühlte er sich nur noch beschissener. „Und wie sollte ich denn irgendwas machen, wenn er mir nicht gesagt hat, was Sache ist? Ich wollte ihn ja fragen! Bin aber nicht wirklich dazu gekommen und bevor ich dann doch noch was gemacht hätte, was die ganze Situation hätte verschlimmern können, hab ich ihn lieber gehen lassen. Ich denke oft drüber nach was gewesen wäre wenn ich ihn nicht hätte gehen lassen und ihn aufgehalten hätte. Aber er meinte ich würde ihm im Weg stehen... wie auch immer er das damals gemeint hat und wenn er nun glücklich ist und seinen Weg gehen kann, dann bin ich damit zufrieden.“ „Nein, bist du nicht“, sagte Taka in einem ernsten Ton. „Wie kommst du darauf?“ „Weil du schon wieder diesen 'Blick' hast.“ „Hab ich das?“, fragte Tai und strich mit seinen Fingern über sein Gesicht, als ob er testen wolle wie dieses im Moment aussah. „Geh ins Bett, Tai“, sagte Taka und klopfte ihm leicht auf die linke Schulter. „Nimm erst einmal eine gute Mütze voll Schlaf und morgen Früh reden wir dann noch mal miteinander.“ „Ok“, sagte Tai leise und stand von der Couch auf. „Danke, dass du zugehört hast.“ „Kein Ding“, winkte der Schwarzhaarige ab und krallte sich die Decke, welche hinter dem Sofa verstaut war. „Ich werde noch ein bisschen TV gucken und dann auch schlafen. Und morgen essen wir dann was schönes.“ Auf Tais Lippen lag ein kleines Lächeln während er in sein Schlafzimmer ging. Mit einem klickenden Geräusch fiel die Tür ins Schloss. Taka nahm sich derweilen die Fernbedienung und schaltete wahllos einen Sender ein. So richtig achtete er nicht auf die Figuren und die Stimmen, die aus dem Fernseher kamen – viel lieber kramte er in seiner Hosentasche nach seinem Handy. Zögerlich klappte er dieses nach einiger Zeit auf und tippte eine Nachricht ein. Der nächste Morgen kam grell und laut. Einer der Nachbarn schien mit der Bohrmaschine die Wand einreißen zu wollen. Tai drehte sich im Bett herum und versuchte ein Kissen auf sein Ohr zu pressen, um den Lärm nicht mehr hören zu müssen. Er hatte die Nacht mehr schlecht als recht geschlafen – das lag nicht nur daran, dass er zu spät ins Bett gegangen war, sondern auch an seinem rumorenden Magen. Er entließ seinen Lippen ein genervtes Stöhnen. Sichtlich angefressen stand er von seinem weichen Bett auf und schleifte sich ins Badezimmer. Ein kurzer Blick in den Spiegel verriet ihm, dass er sich den ganzen Tag nicht in der Öffentlichkeit blicken lassen konnte, wobei eine große Sonnenbrille eventuell Abhilfe schaffen würde. Was gestern passiert war, kam ihm vor wie ein schlechter Traum und ebenso surreal machten sich seine Kopfschmerzen bemerkbar. Nachdem er eine Schmerztablette eingeworfen hatte, machte er sich auf ins Wohnzimmer, um zu sehen ob Taka schon wach war. Überrascht stellte er fest, dass dieser nicht auf dem Sofa lag und auch in der Küche sah er niemanden. Die ganze Wohnung war leer und still – nun bis auf das Geräusch des Bohrers. Schwermütig setzte er sich auf das Sofa und betrachtete die zusammengefaltete rote Kuscheldecke, die neben ihm lag. Anscheinend hatte sich Taka aus dem Staub gemacht und war zu sich nach Hause gegangen. Ein Seufzen, das gefühlte hundertste an diesem Morgen, drang aus seinem Mund und er schaltete den Fernseher ein. Gelangweilt sah er auf die flimmernden Bilder und erkannte nach einiger Zeit, dass es sich um die Nachrichten handelte. Was sollte er heute tun? Es war Wochenende und er hatte nichts vor. Er musste nichts für die Uni erledigen und ebenso wenig brauchte er bei seiner Familie vorbei zu schauen, da diese irgendwo im Süden von Japan Urlaub machen. Gerade wollte er aufstehen, um im Kühlschrank nachzusehen was er noch zu essen hatte, als er hörte wie jemand die Haustür aufmachte. „Hey, Tai!“, rief ihm Taka entgegen und tappte in die Wohnung. „Ich war nur kurz im Convenience Shop und habe uns was fürs Frühstück gekauft.“ Leicht bedröppelt schaute Tai seinen Freund an, der eine Plastiktüte in die Luft hielt. „Ich hab nicht sonderlich viel gekauft“, fuhr Taka fort und ging an Tai vorbei in die Küchenecke. „Nur Reis zum warmmachen, Ramen und ein bisschen was zum Knabbern.“ Kaum hatte er diesen Satz beendet war der Reis auch schon in der Mikrowelle und das Wasser kochte für die Instantnudeln. Tai hatte sich derweilen zu Taka in die Küchenecke gesetzt und schaute ihm beim „Handwerken“ zu. Er gab es ungern zu, aber er freute sich, dass Taka wieder in seiner Wohnung aufgetaucht war. „Shinji und Toto haben mir eine SMS geschrieben und nachgefragt wie es dir geht. Hab' ihnen erzählt, dass du nur ein wenig zu viel getrunken hast und du deinen Rausch ausschlafen musst“, sagte der Schwarzhaarige und stellte den Reis und die Ramen auf den Tisch. „Danke, dass du einkaufen warst“, sagte Tai kleinlaut und betrachtete das Essen. „Ich war mir nicht mehr sicher, ob ich noch was zu Essen habe.“ „Hattest du nicht wirklich. Deswegen bin ich einkaufen gegangen“, fügte Taka an und fing an die Nudeln zu schlürfen. Tai tat es ihm gleich und ließ sich das Frühstück schmecken. Während dem Essen herrschte eine wohlige Ruhe. So empfand es jedenfalls Tai, der sich gerade die letzten Krümel seines Reis vornahm. Irgendwie fühlte es sich gut an, wenn sich jemand um ihn sorgte und nicht so aufdringlich und bestimmend war wie Sakuya. „So“, sagte Taka auf einmal. „'So' was?“, fragte Tai mit Reis im Mund. „Ich glaube du solltest das mit diesem Ishida aus der Welt schaffen.“ „Was meinst du damit?“, harkte der Braunhaarige nach und runzelte die Stirn. „Das hab ich doch schon. Wir gehen seit zwei Jahren getrennte Wege.“ „Nein, nein, so meinte ich das nicht“, lachte Taka und stellte die leere Ramenschüssel auf den Tisch. „Ich meinte damit, dass du ihn treffen solltest und mit ihm reden. Du hängst einer Freundschaft hinterher und hast unbeantwortete Fragen, die seit damals an dir nagen und ich bezweifle, dass sich das in den nächsten Jahren ändern wird. Du machst dir dein Leben dadurch einfach schwerer und schwerer.“ „Ich weiß nicht was du meinst. Wieso mache ich mein Leben dadurch schwerer?“ „Ach tu doch nicht so! Ich habe doch deinen Gesichtsausdruck gesehen, wenn du an Ishida denkst oder irgendwo ein Bild von ihm siehst. Du vermisst ihn.“ Tai legte seine Essstäbchen auf den Tisch und richtete seinen Blick nach unten. Er fühlte sich beschämt so etwas gesagt zu bekommen. Ja klar vermisste er Matt und wünschte sich nichts mehr als ihn wieder zu sehen und mit ihm reden zu können. Doch was dann? Matt würde ihn wohl kaum mit offenen Armen empfangen. „Und deswegen“, sagte Taka und zog sein Handy aus der Hosentasche, „habe ich meiner Schwester eine SMS geschickt und die hat wiederum einer andren Freundin eine geschickt, die zufälligerweise bei G-Music als Produktionsassistentin arbeitet. Hier!“ Taka reichte ihm das Handy. Tai sah vom Boden auf und schaute auf das hell erleuchtete Display, was mit Zahlen und Buchstaben vollgeschrieben war. Eine Nachricht an den Schwarzhaarigen war zu erkennen, die für Tai kryptisch war. „Hey Taka, ja klar kann ich dir helfen. Dafür musst du aber mit mir ausgehen und mir einen netten Abend bereiten! Bye Naoko.“ „Was soll das?“, fragte Tai und schob Takas Hand mitsamt dem Handy zur Seite. „Bei was soll sie dir helfen?“ „Nun, ich hab gestern Nacht meine Schwester gefragt, ob ihre Freundin, die mir übrigens nur wegen ihrer Brustgröße in Erinnerung geblieben ist, immer noch bei G-Music arbeitet. Sie hat mir geantwortet mit „ja“ und dann hab ich sie nach der Handynummer gefragt und darauf hab ich ihr dann folgendes geschrieben...“ Taka durchforstete einige Sekunden sein Handy und las dann die SMS vor, die er an diese Naoko geschrieben hatte. „Hi Naoko, hier ist Taka, der kleine Bruder von Juri. Ich hoffe du erinnerst dich an mich?! Ich würde dich gerne um einen riesigen gefallen bitten. Ich habe einen guten Freund, der früher mit Yamato Ishida befreundet war und irgendwann hatten die sich mal in der Wolle und nun will er die Sache wieder gut machen. Kannst du da eventuell was organisieren? Ich würde dir natürlich auch einen Gefallen tun – Wünsche dir was du willst. Ah und es wäre gut, wenn du Ishida nichts davon sagen könntest.“ „Spi-... SPINNST DU?!“, schrie Tai und stand so abrupt auf, das sein Stuhl umfiel. „Du hast ihr DAS alles gesagt? HAST DU SIE NOCH ALLE?“ „Ganz ruhig... Ich hab schließlich nur erwähnt, dass du ein alter Freund bist und du mit ihm mal Streit hattest und das nun wieder gut machen willst. Ich sehe darin kein Problem.“ „Trotzdem... das... das hättest du nicht tun sollen“, sagte Tai mit zitternder Stimme und stellte seinen Stuhl wieder auf. „Nun ist es eben passiert und sind wir mal ehrlich: hätte ich das nicht gemacht, wäre doch nie was passiert.“ „Hmm...“, grummelte Tai und setzte sich wieder hin. „Und? Was machen wir nun?“, fragte Taka und legte sein Handy zur Seite. „Ich kann Naoko im Laufe des Tages anrufen und sicher was Konkretes klarmachen.“ „Ich weiß nicht so recht...“, nuschelte Tai und seufzte hörbar auf. „Ich bezweifle, dass das klappt.“ „Ja mal sehen. Vielleicht hast du ja Glück? Ich ruf sie jedenfalls gerne an, schon allein, weil ich mit ihr ausgehen will“, grinste Taka. „Also was willst du tun?“ Tai fuhr sich durch die braunen Haare und sah zur Zimmerdecke. Tausend Gedanken rasten ihm gerade durch seinen Kopf. Hätte er nicht schon eine Kopfschmerztablette intus, müsste er spätestens jetzt eine nehmen. Die Wahrheit war, dass ihm bewusst war, dass wenn er Matt nie wieder sah, er nie über ihn hinweg kommen würde. Wie sich ihre Wege getrennt hatten war ihm einfach zu extrem gewesen. Sein bester Freund war weg und er vermisste ihn. Aber was würde passieren, wenn dieser vor ihm stand? Was würde er denken, wenn Matt mit ihm redete oder was würde er fühlen, wenn Matt einfach nichts sagt und wie vor zwei Jahren einfach weggeht und ihn ignoriert. Nervös begann Tai an den Innenseiten seiner Wangen zu kauen. Nach einiger Zeit hatte er den Geschmack von Blut in seinem Mund und schluckte es herunter. Sollte er sich wirklich trauen und Matt treffen? Zweifelnd sah er Taka an, der darauf wartete Naoko anrufen zu können. „Mach halt“, sagte Tai und schlug sich die Hände über den Kopf zusammen. Er hatte es gesagt. Kapitel 12: Am anderen Ende der Stadt ------------------------------------- Seit dem Besuch von Taka, und seinem beinahe aufdringlichen Angebot Matt vielleicht wiedersehen zu können, war nun bereits eine Woche vergangen. Er hatte seine Unikurse wie gewohnt besucht und machte sich von Zeit zu Zeit Gedanken, ob das alles überhaupt klappen würde und nicht ein großer Fehler war. Taka hatte ihm bisher auch noch keine neuen Informationen sagen können, denn auch dieser schien auf eine Antwort von dieser Naoko zu warten. Und so saß Tai mal wieder, wie so oft in den letzten Tagen, seufzend und in Gedanken verloren an einem Tisch in der Kantine und stocherte in seinem Salat herum. „Dumm wie Brot“, sagte er zu sich selber und schmiss die Gabel regelrecht auf den Teller. „Warum sollte ich mir überhaupt Hoffnungen machen?!“ Leicht verärgert über sich selber raufte er sich die braunen Strubbelhaare. Dieses merkwürdige Bild und die Geräusche die Tai währenddessen von sich gab, zog die Aufmerksamkeit der halben Kantine auf sich. Leise tuschelnd lief eine Gruppe von Studentinnen an ihm vorbei und mussten sich zusammenhalten nicht laut los zu lachen. „Was zum Geier machst du da?“, fragte eine Stimme hinter ihm verwirrt. „Eh?“, gluckste Tai und drehte sich überrascht um. Vor ihm standen Shinji und Taka – und beide hatten einen mehr als irritierten Gesichtsausdruck. „Juckt dir dein Kopf oder was sollte das gerade?“, fragte Shinji und setzte sich auf den Stuhl gegenüber von Tai. Taka tat es seinem Freund gleich und setzte sich neben den Braunhaarigen. „Was meinst du?“, fragte Tai naiv und versuchte sich die Haare so gut es ging glatt zu streichen. „Die halbe Kantine hat sich wohl das Selbe gefragt wie wir: Aus welcher Anstalt ist der Typ da entlaufen?“, lachte Shinji und nahm sich eine Tomate von Tais Salatteller. „Ah, DAS? Sorry, aber ich hatte nur über was nachgedacht“, grinste Tai als ob gar nichts gewesen wäre. „Über was hast du denn nachgedacht?“, harkte Taka nach und sah seinen Freund allwissend an. „An nichts wichtiges“, presste Tai heraus und stieß mit seinem Fuß an Takas Bein, um diesem zu verdeutlichen, dass er nicht mehr weiter fragen sollte. Mit einem unterdrücken Schmerzenslaut hielt sich Taka das Bein und schaute den Braunhaarigen beleidigt an. „Ich geh mir auch was zu Essen holen“, sagte Shinji und stand von seinem Stuhl auf. „Du auch Taka-chan?“ „Ne, du. Ich hol mir später was.“ Mit einem kurzen Handzeichen verschwand Shinji dann auch schon wieder und stellte sich an die von Studenten überfüllte Kantinenschlange an. Tai verfolgte ihn mit seinen Augen und bekam mit, dass Shinji schon wieder dabei war ein Mädchen nach der Telefonnummer zu fragen. Wer war der Typ denn? Der japanische Casanova? „Hey, Tai“, flüsterte Taka und wedelte mit seiner Hand vor Tais Augen. „Ich hab was für dich.“ „Und was?“, fragte Tai genervt. „Wieder eine von deinen 'grandiosen' Ideen, die ins Nichts verlaufen? Vergiss es. Da drauf kann ich gerne verzichten.“ „Wer sagt denn, dass die Idee ins Nichts verlaufen ist?“, grinste Taka schief. „Und das heißt...?“, harkte Tai nun neugierig nach. „Sag es.“ „Was?“ „Das ich der Beste bin und es niemanden gibt, der dir sonst helfen kann“, lachte Taka beinahe laut heraus. „Wenn du mir nicht sofort sagst was das soll, verspreche ich dir, dass du den morgigen Tag nicht unbeschadet erleben wirst“, drohte Tai ihm mit einer eindeutigen Miene. „Ist ja gut“, winkte Taka ab, da er merkte, dass diese Masche nicht bei dem Braunhharigen zu funktionieren schien. „Musst nicht gleich böse werden. Ich habe eine Nachricht von Naoko bekommen, du weißt schon, die von G-Music.“ „Und was hat sie gesagt? 'Vergiss es'?“ „Ganz im Gegenteil“, sagte Taka und setzte sich ein wenig näher an Tai, da nicht jeder mitbekommen sollte worüber diese sich unterhielten. „Sie hat mir gesagt, dass Ishida in zwei Tagen ein neues Album rausbringt – ich kriege davon nichts mit, bin kein Fan von ihm – und nach der Veröffentlichung gibt es eine Party, wo auch Fans dabei sein können. Und jetzt rate mal wer noch dort sein wird?“ „Wer?“, fragte Tai. Er fühlte sich so als ob er auf heißen Kohlen sitzen würde. „Na du, du Dummerchen. Nja und ich, weil ich das Versprechen mit Naoko einlösen will“, grinste Taka süffisant und klopfte dem Braunhaarigen auf die Schulter. „Die Pässe um da reinzukommen hab ich schon. Also was meinst du?“ „Zwei Tage...“, flüsterte Tai und senkte seinen Blick. Die Aufregung, die er einige Sekunden vorher noch empfunden hatte war einem merkwürdigen Gefühl gewichen. Sein Herz klopfte bei dem Gedanken Matt sehen zu können - so nah sehen zu können. Nervös spielte er mit seinen Fingern und überlegte, was er machen solle. So eine Chance würde wohl nicht noch einmal kommen. „Und du gehst auch wirklich mit?“, fragte Tai ein wenig unbeholfen. „Klaro, ich war noch nie auf so einer Party und...“ „Ja, ja Naoko. Männer in der Blüte ihrer Jahre sind echt schrecklich“, scherzte Tai mit einem leichterem Herzen. „Überleg' du dir mal schön, was du zu Ishida sagen wirst und dann schaffen wir das schon.“ Kaum hatte Taka den Satz beendet, war Shinji auch schon wieder mit einem voll beladenem Tablett am Tisch aufgetaucht. Aufgeregt erzählte dieser von dem Mädchen und der Telefonnummer, die er bekommen hatte. Tai war derweilen mit seinen Gedanken bereits zwei Tage voraus. Am andren Ende der Stadt starrte ein gewisser blonder junger Mann aus dem Fenster des 10ten Stocks und beobachtete die Menschen wie diese durch die Straßen schlenderten. Sein Körper schmerzte von den Anstrengungen der letzten Tage. Das alles war er jedoch gewohnt und kannte es nicht anders. Vor jeder neuen Veröffentlichung, ob Album, Single oder auch Konzert herrschte Stress und Trubel. Es wurden an Feinheiten gefeilt, Meetings abgehalten und so weiter. „Wenn ich dich suche, dann finde ich dich immer hier“, sagte eine ihm vertraute Stimme. „Lass mich in Ruhe, Majima“, fauchte Matt und gab seinem Manager zu verstehen, dass dieser abhauen sollte. „Warum bist du heute denn so schlecht gelaunt?“, fragte der Angesprochene besorgt und verschränkte seine Arme vor der Brust. „Bist du nervös wegen dem Album? Brauchst du nicht. Du bist populärer als jemals zuvor und einige Regisseure wollen dich sogar als Schauspieler für ihre Dramas.“ „Das ist es nicht! Lass mich einfach in Ruhe.“ „Ok, ok“, versuchte Majima den Blonden zu beruhigen. „Ich geh dann mal zurück in die Agency und bespreche die letzten Details wegen der Party. Vergiss nicht, dass es dort ein Meet-and-Greet mit einigen Fans gibt, die bei dem Ausschreiben gewonnen habe. Also hab bis dahin am besten wieder gute Laune.“ Grummelnd sah Matt seinem Manager nach, wie dieser sein Apartment verließ und die Tür hinter sich schloss. Er hatte im Moment wirklich keinen Nerv für irgendwelche Gespräche, die sich um das Album drehten. Seine Nerven brauchte er, um den Abend von vor einer Woche zu verarbeiten. Wie so oft war er mit seinen Freunden von G-Music in einen Club gegangen. Das letzte Mal war es einer von den Schmuckstücken Tokyos, die in einer versteckten Ecke lagen. Man machte also einen coolen Auftritt und ging dann lässig in die VIP-Lounge. Doch diesmal war es komplett anders gewesen. Er hatte mit seinen Kumpels den Club betreten und war wie immer sofort von Menschen umgeben und wurde nach Autogrammen befragt. Alles ganz normal und gewohnt. Doch dann, als er gerade dabei war die Treppe zum VIP-Bereich hochzugehen, traf es ihn wie der Schlag und alles war gar nicht mehr normal und gewohnt, sondern beschissen. Er wollt sich nur kurz umsehen, als sein Blick für einen Moment an einem braunen Wuschelkopf hängen blieb. Taichi, sein ehemals bester Freund saß auf einer Couch am anderen Ende des Clubs. Normalerweise hätte er ihn gar nicht gesehen, doch die Clublichter waren für einige Sekunden genau auf den Braunhaarigen gefallen und hatten den Bereich um diesen herum erhellt. So als ob ihn das Schicksal nicht nur auslachen wollte, sondern auch erblinden. Er versuchte seine coole Miene zu behalten und weiter die Treppe hoch zu gehen. Es schien zu funktionieren. Doch als er oben angekommen war und sich umringt von seinen Freunden hinsetze, dachte er, dass er dem Herzinfarkt nahe war. Seine Brust fühlte sich an als ob diese jeden Moment aufspringen müsse. Den ganzen Abend hatte er kaum ein Wort geredet und hatte ein Glas nach dem anderen gekippt. Dieses schreckliche Gefühl hatte er nach dem Abend von Zeit zu Zeit immer noch und genau in diesem Moment erdrückte diese Beklommenheit ihn wieder. Zwei Jahre. Zwei verdammte Jahre hatte er Tai nicht gesehen oder etwas von ihm gehört. Nun das war nicht ganz richtig. Einige Wochen nach seinem Debut hatte er zusammen mit Fanpost, die er nie wirklich las, eine Karte von dem Braunhaarigen bekommen. Er erinnerte sich an die Situation von damals. Müde durchwühlte er die Fanpost und legte die ungeöffneten Briefe einem nach dem anderen zur Seite, bis er eine Karte entdeckte auf der der Name seines damaligen Freundes geschrieben stand. Es war mehr Zufall als Absicht gewesen, dass er die Karte entdeckt hatte, denn normalerweise übernahm seine Agentur die Fanpost. Doch aller paar Wochen zwang ihn sein Manager einige Briefe zu lesen und zu beantworten. „Fanservice“ nannte es Majima. Entgegen seines eigentlichen Absicht die hell grüne Karte wegzuschmeißen hatte er diese behalten. Seither trug er sie immer zusammengefaltet in der Hosen oder Jackentasche und las diese ab und an. Diese paar kleinen Worte, die darauf standen, munterten ihn jedes Mal auf, wenn er einen schlechten Tag hatte. „Ich freue mich, dass du deinen Traum endlich erreicht hast! Bleib der, der du immer warst und spiele deine Musik. Tai.“ Ja, er hatte seinen Traum erreichtm doch um welchen Preis? Er hatte die Hoffnung gehabt, dass er Tai mit der Zeit vergessen könne, doch das war bis Heute nicht geschehen. Immer, wenn er alleine war, dachte er an den braunen Wuschelkopf und die Zeit, die sie miteinander verbracht hatten. Es gab Momente in denen er sich selbst hasste – dafür, dass er ein Feigling war und nicht den Mumm hatte auszusprechen, was ihm damals auf der Seele lag und dafür, dass er praktisch vor allem weggerannt war. Mit seinem Vater hatte er nach wie vor ein gutes Verhältnis und traf sich mit diesem aller paar Wochen und auch mit seinem kleinen Bruder Takeru unternahm er etwas, wenn sich Zeit fand. Doch das wichtigste in seinem Leben fehlte ihm: sein bester Freund, der ihn in und auswendig kannte. Jappsend schnappte Matt nach Luft und hielt diese kurz an. Er versuchte das Gefühl der aufkommenden Tränen zu unterdrücken und diese herunter zu schlucken. Er durfte nicht weinen. Immer cool bleiben, sagte er sich selber und schaffte es beinahe mit routinierter Leichtigkeit die Tränen zurückzuhalten. „So ist gut“, flüsterte Matt und entfernte sich von dem Fenster um auf das Sofa zuzusteuern und sich dort fallen zu lassen. Er brauchte unbedingt einige Stunden Schlaf und Ruhe. Mit der Ruhe dürfte es in spätestens zwei Tage zu Ende sein. Früh am Morgen würde das Album auf dem Markt sein und Abends war dann die Party und am nächsten Tag der erste Show-Auftritt und danach und danach... Sein Kopf platzte allein schon bei den Gedanken. Wenn er nicht so viel Spaß dabei hätte Musik zu machen, vor Menschen zu spielen und viele Freiräume zu haben, hätte er das alles schon hingeschmissen. Mit den gemischten Gedanken an Tai und den Verpflichtungen, die in zwei Tagen wieder auf ihn zukommen würden, schloss er seine Augen und versuchte sich zu entspannen und vielleicht sogar ein wenig Schlaf zu finden. Die zwei Tage vergingen beinahe wie im Flug. Matts neues Album war auf dem Markt und wurde gekauft wie warme Brötchen. Überrannt von diesen Verkaufszahlen feierte seine ganze Agency bereits am Nachmittag den Erfolg. Ihm wurde von jedem auf die Schulter geklopft oder sogar umarmt. Ihm kam es jedes Mal surreal vor, wenn ihn Menschen für seine Musik SO lobten und gratulierten. Für kurze Momente war er auf Wolke sieben und fühlte sich wie ein bejubeltes Genie. An seinen Schreibkünsten hatte er mit der Hilfe seines Managers gefeilt und war nun ein gefragter Liedtextschreiber und Soloartist. Er konnte sich also mit Fug und Recht ebenfalls selber auf die Schultern klopfen oder sich als kleines Genie bezeichnen. „Du bist mir einer“, sagte Majima, der gerade die dritte Flasche Champagne öffnete. „Wenn du die nächsten Jahre so weiter machst, kannst du dir alles kaufen, was du willst... und ich mir auch!“ „Sehr charmantes Kompliment“, grinste Matt und ließ sich von seinem Manager ein Glas einschenken. „Versuch einfach deinen Job zu machen.“ „Das tu ich, das tu ich“, lachte Majima und stieß mit ihm an. „Sei nur vorsichtig, dass du nicht zu viel trinkst. Schließlich geht in circa einer Stunde die Party los und da musst du nüchtern sein.“ Matt nickte ihm zu und trank sein Glas aus. Er sah auf die Uhr und bemerkte, dass sein Manager recht hatte. Die Party würde in etwas mehr als in einer Stunde los gehen. Er sollte er am besten noch einmal einen kurzen Besuch in der Agency eigenen Maske machen, sich die Augenringe weg schminken lassen und etwas anderes anziehen. Mit einem fröhlichen Gesicht macht er sich daher auf in Richtung Fahrstuhl und betrat den Glaskasten. Es ging ihm im Vergleich zu den letzten Tagen um einiges besser und das machte sich in seinem Verhalten eindeutig bemerkbar. Er fühlte sich beinahe ausgezeichnet und das war auch gut so – vor allem heute sollte er einen erfolgreichen Tag haben und Grund zum feiern. Mit einem 'bing' öffnete sich die Fahrstuhltür und er betrat den vierten Stock von G-Music, wo er beinahe überschwänglich von der dortigen Visagistin begrüßt wurde, die am Getränkeautomaten einen Eiskaffee zog. „Yamato, WOW!, sagte Asuka und umarmte ihn kurz. „Ich habe gerade die News gehört. Einfach unglaublich.“ „Danke“, sagte Matt und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. „Du, ich muss nur kurz mal mein Gesicht auffrischen für die Party. Wenn's geht recht schnell, sonst bin ich noch spät dran.“ „Ah, kein Problem. Ich mach das für dich“, sagte sie und drängte ihn zu ihrem „Arbeitsplatz“. Mit Leichtigkeit verwandelte sie einen leicht müde aussehenden Yamato Ishida in den coolen Artist, den die Fans kannten. Jedes mal, wenn er sich seine Verwandlung betrachtete, kam er sich vor wie eine andere Person. „Sag mal, hast du etwa trainiert?“, fragte sie und deutete auf seinen Oberarm. „Egal was du gemacht hast, es sieht auf jeden Fall besser aus als zu Beginn.“ „Hm ja... du kennst doch Majima. Der schleift mich regelrecht dreimal die Woche ins Fitnessstudio. Auch wenn ich mich jedes Mal mit Händen, Füßen und Zähnen wehre, schafft er es immer irgendwie. Und...“, Matt machte eine kurze Pause und betrachtete seine neuen schwarzen Schuhe, „... hatte ich mal einen Freund, der unglaublich gerne Sport gemacht hat. Ich bin damals wegen Sport beinahe sitzen geblieben und er wollte mir helfen. Ziemlich dumm, wenn ich dran denke, dass ich die Schule eh geschmissen habe. Aber im Hinterkopf habe ich seither behalten, dass ich doch was für meine Gesundheit tun sollte.“ „Das stimmt allerdings“, sagte Asuka während sie eine Ladung Haarspray auf Matts Kopf verteilte. „Du hattest echt einen netten Freund, wie es scheint.“ Matt nickte stumm und fasste sich unbewusst an die rechte Hosentasche, wo er wusste, das Tais Karte versteckt war. Ja, Tai war wirklich der netteste Mensch, den er jemals gekannt hat. Mit dieser Erinnerung schloss er kurz die Augen und öffnete sie schnell wieder. Heute sollte er nicht an Tai denken, sondern an sich! „Ich bin fertig“, lächelte Asuka und stellte sich mit einer zufriedenen Pose neben Matt. „Du solltest dir noch was anderes anziehen und dann schnell zur Location gehen, bevor du noch deine eigene Party verpasst.“ „Tu ich nicht“, lachte Matt sie an. „Ich hab ein paar Klamotten in Majimas Büro gebunkert und die Party findet sowieso hier im Obergeschoss statt.“ „Na dann musst du dir echt keinen Stress machen. Ich wünsche dir noch eine tolle Party und trink nicht zu viel.“ „Mach ich nicht“, sagte Matt und nickte ihr zum Abschied noch kurz zu. Mit schnellen Schritten nahm er die Treppe ein Stockwerk tiefer in Richtung von Majimas Büro. Dort stand sein sogenannter „Notfallschrank“, wo er Klamotten lagerte, wenn er denn mal vergessen hatte sich umzuziehen oder ein Loch in der Hose war. Schnell fand er ein Outfit, das er für die Party anziehen konnte. Eine dunkelgraue Jeans mit einem leicht grünen Ton, ein schwarzes Shirt mit der Beschriftung „too fast to live too young to die“ und ein schwarzes langärmliges Hemd, welches er über das Shirt anzog. Zufrieden mit seinem Outfit suchte er seinen Manager Majima, mit dem er sich zur Party-Location auf machte. Nicht nur angestellte von G-Music waren dort, auch andere Künstler, die Matt im Laufe der Jahre kennengelernt hatte und mit denen er sich bestens verstand. Eigentlich schien er bei jedem gut anzukommen, denn bisher musste er keinen Zicken oder Neider ertragen – jedenfalls nicht frontal. Die Party war schnell im Gang und die Atmosphäre war der Hammer. Einige Fans, die bei der Verlosung gewonnen hatten wollten ihm die Hand schütteln oder ein Foto mit ihm zusammen machen. Er hatte seit langem nicht mehr so viel Spaß. Er unterhielt sich mit seinem Co-Producer und mit Majima als dieser wie wild in der Luft wedelte. „Hey, Naoko-chwan!“, schrie er durch den halben Raum. „Komm her, komm her!“ Matt verdrehte die Augen. Er hatte bereits mitbekommen, dass Majima sich ein wenig in die hübsche Produktionsassistentin verguckt hatte. Matts Blick wanderte von einem überschwänglich fröhlichen Majima direkt zu Naoko, die gerade aus dem Fahrstuhl in den riesigen Partyraum kam. Sie sah echt nicht schlecht aus – das musste sogar Matt zugeben. Lange Beine, große Augen und wie immer recht sexy angezogen. Matt fing an schief zu grinsen als er daran dachte, dass Majima sowieso keine Chance bei der flüggen Produktionsassistentin hatte. Gerade wollte er seinen Blick von dem Fahrstuhleingang abwenden und sich seinem Co-Producer zuwenden als er förmlich vom Blitz getroffen wurde. Aus dem Fahrstuhl kam gerade ein brauner Strubbelkopf. Das war doch sein Tai! Korrigiere: sein ehemals bester Freund Tai. Was verflucht nochmal machte er hier? Sein Tag hatte so gut angefangen und nun schien alles den Bach runter zu gehen. Kapitel 13: Übereinkunft ------------------------ Für Matt hätte es wirklich nicht schlimmer kommen können. Dort in der Ecke des Partyraums stand Tai zusammen mit Naoko und einem anderen Typen und die ganze Zeit sah der Braunhaarige zu ihm. Matt beobachtete ihn aus dem Augenwinkel, da er viel zu schockiert war diesen direkt anzusehen. Was machte Tai hier? Warum war er hergekommen? Warum heute? Jetzt? Warum überhaupt??? „Hey, Yamato, alles in Ordnung?“, fragte Majima, der seine Aufmerksamkeit nun auf Matt legte. „Du siehst ein bisschen blass um die Nase aus.“ „Ich-... nein... ja alles in Ord-... Ordnung“, stotterte Matt und lächelte ihn schief an. 'Gar nicht's ist in Ordnung', dachte Matt und grummelte in sich hinein. „Ich geh mal kurz zu Naoko und frag, ob sie was zu trinken haben möchte“, sagte Majima und richtete sich den Kragen. „Wenn es dir nicht gut geht, solltest du es mir sagen und ich fahr dich nach Hause.“ „Hab doch gesagt, dass es mir gut geht“, winkte Matt ab und blickte kurz in Naokos Richtung, wo auch Tai stand. „Ich geh mir nur schnell ein Wasser holen.“ Mit diesen Worten verschwand Matt in der Menge, um sich zur Partybar zu flüchten. Was sollte er in so einer Situation tun? OK, erst einmal nachdenken. Tai war hier! So viele Gründe kann es dafür nicht geben. Nach der barschen Abfuhr von vor zwei Jahren hatte er ihn weder gesehen noch ein Wort mit diesem geredet. Und so ein Zufall wie vor einer Woche im Club kann das nicht sein. Das konnte also nur eins bedeuten! Matt sog scharf die Luft ein. Tai war hier um ihn zu treffen! Was sollte es andres sein? Tai war mit Absicht hier! Das war so logisch wie das Einmaleins. In der Zwischenzeit kaute Tai nervös an seiner Unterlippe. Was hatte er sich da nur eingebrockt? Er war tatsächlich hier her gekommen und das auch noch freiwillig. Was Matt davon hielt, konnte er sich bereits denken. Als er den Raum betrat sah er den Blonden sofort und dieser strahlte eindeutig nicht über beide Ohren. Ganz im Gegenteil. Seine Gesichtszüge waren Matt buchstäblich entglitten und dann haute dieser auch noch aus Tais Sichtfeld ab. Er war geflüchtet - seine Spezialität. „Oh Gott! Da kommt er“, sagte Naoko leicht in Panik und setzte ein gezwungenes Lächeln auf. „Hallo... Majima-san. Sie haben ja eine wunderbare Party organisiert.“ Tai blickte auf die Person mit der Naoko sprach. Der Mann, der sich gerade vor Naoko platziert hatte, sah irgendwie... gefährlich aus, wenn man das so nennen konnte. Dunkler Nadelstreifenanzug, extrem gut gestylte Haare und ein kleines Ziegenbärtchen. Hätte Tai diesen Mann auf der Straße gesehen, wäre sein erster Gedanke Yakuza gewesen, aber nachdem der Mann seinen Mund aufmachte kam ihn noch ein zweites Wort in den Kopf. „Naoko-chwan, ich habe doch vorhin gerufen. Warum bist du nicht zu mir rüber gekommen?“, lächelte der Mann verführerisch und strich sich die Haare nach hinten. Dandy... Also ein Yakuza-Dandy? Tai musste sich bei seinem Gedankengang zusammenreißen nicht laut los zu lachen. „Sorry, ich hab dich nicht gesehen“, sagte Naoko sichtlich unbehaglich. „Na, das hat sich ja jetzt geändert“, grinste Majima und schlang einen Arm und Naokos Schulter. „Wollen wir nicht vielleicht zusammen was trinken?“ „Vielleicht später“, sagte Naoko gezwungen. „Aber erst könntest du mir einen kleinen Gefallen tun und dann sehen wir weiter.“ Taka, der sich in der Zwischenzeit ein Glas Champagne geholt hatte, stieß Tai in die Seite und zwinkerte ihm zu. „Was denn für einen?“, fragte Majima und schluckte hart. „Ich habe hier“, fing Naoko an und krallte sich Tais Arm, „einen Freund von Yamato. Taichi Yagami. Sie haben sich seit Ewigkeiten nicht gesehen und da dachte ich, dass es toll wäre, wenn ich ihn mit zur Party bring. Könntest du ihn vielleicht zu Yamato bringen? Es wäre so schön, wenn die beiden sich mal wieder sehen könnten.“ „Ist das so?“, fragte Majima und sah Tai mit zugekniffenen Augen an. „Ja, genau so ist das“, bestätigte Naoko und näherte sich Majimas Gesicht um ihm etwas ins Ohr zu flüstern. „Die beiden haben sich vor langer Zeit mal in den Haaren gehabt und es wäre doch zu schade, wenn sich zwei so gute Freunde nicht wieder wieder vertragen, richtig?!“ „Hm ja...“, stotterte Majima, der im Moment einen super Blick auf Naokos Dekolleté hatte. „Wie war noch mal dein Name? Yagami?“ „Ja“, sagte der Angesprochene trocken und wusste nicht so recht was er tun sollte. Naoko ging ja gleich in die Vollen! „Gute, dann bring ich dich mal zu Yamato. Der müsste hier irgendwo herumschwirren“, lächelte Majima und klopfte Tai auf die recht Schulter. „Und du, Naoko, wartest hier schön auf mich. Ich bin gleich wieder da.“ Naoko zwinkerte ihm zu und entließ Tai ihren Griff. Dieser wurde wiederum nun von Majima am Arm genommen und ein Stück in den Raum gezogen wo er aus dem Sichtfeld von Naoko und Taka war. „So, so... du wirst also mit Majima trinken?“, fragte Taka schelmisch. „Ach iwo, ein Glas und das war es. Den Rest des Abends bin ich dann nur für dich da“, sagte sie mit einem süffisanten Lächeln auf den Lippen. „Will meine Belohnung.“ „Die kriegst du“, antworte Taka und trank einen weiteren Schluck aus seinem Champagneglas. In der Zwischenzeit hatte Majima Matt genauesten lokalisiert. Der Blonde saß an der Partybar und hatte sich entgegen den Besuchern dem Fenster zugewandt. Mit starren Blick sah er aus den riesigen Wandfenstern, die einen Blick auf die Stadt boten. „Hey, Yamato, ich habe hier eine Überraschung für dich“, sagte Majima, der nun einen halben Meter von Matt entfernt war. „Komm dreh dich um und guck wer hier ist.“ „Ich kann im Fenster sehen wer neben dir steht“, sagte Matt emotionslos. „Ah ist das so?“, lachte Majima und strich sich wieder durch die Haare. „Los sag doch irgendwas, Yagami-kun.“ Tai jedoch blieb stumm und sah auf Matt. Er fühlte sich als ob sein Mund mit Kleber zugeklebt wäre. Er brachte kein Wort heraus. Stattdessen sah er auf die blonden Haare von Matt und hoffte, dass dieser sich umdrehen würde. „Oke~, also ich lass euch beide mal allein. Ihr habt sicher viel zu bereden“, sagte Majima in einem merkwürdigen Ton. Dieser hatte das Gefühl, dass er die Luft mit einem Messer durchschneiden könnte, so angespannt schien es hier zu sein. Tai stand immer noch hinter Matt und sagte nichts. Sein ganzer Körper war steif und fühlte sich seltsam gelähmt an. Warum sagte Matt nichts zu ihm? Oder sollte er vielleicht anfangen? Was sollte er sagen? Hallo? Wie geht’s dir? Schöne Party? Tai kniff seine Augen zusammen und ließ seinen Kopf nach unten senken. Verdammt, verdammt, verdammt! „Was machst du hier?“, fragte Matt monoton. Er hatte sich immer noch nicht zu Tai umgedreht. „Ich...“, fing Tai an und stotterte leicht. „Ich wollte dich sehen... glaube ich.“ „Glaubst du?“, harkte Matt nach. Er fühlte sich wie die Maus in Kafkas „Kleine Fabel“. Er war blauäugig in eine Ecke geflüchtet und konnte nun nicht mehr zurück. Es musste ja irgendwann so kommen. Irgendwo hatte er den falschen Weg gewählt. Doch wann war das gewesen? „Ja, ich will nicht... hach, verdammt!“, sagte Tai laut und raufte sich die Haare. Das gab's doch einfach nicht. Er versuchte hier mit Matt zu reden und stellte sich an wie ein Idiot. „Sag doch irgendwas! Ich weiß nämlich nicht was ich sagen soll. Wir haben uns verfluchte zwei Jahre nicht gesehen und ich steh hier wie ein Trottel. Können wir nicht einfach reden?“ Tai hatte die letzten Worte beinahe herausgeschrien, doch Matt hielt ihn davon ab noch mehr zu sagen und die Blicke aller auf sich zu ziehen. Wie von der Biene gestochen hatte sich der Blonde umgedreht und Tais Mund zugehalten. „Sei verdammt noch mal Still oder willst du mich hier lächerlich machen?“, zischte der Blonde und lies nun wieder von Tai ab. Er versucht seine Fassung zu bewahren und ruhig zu reden. „Wir sollten das nicht hier bereden. Lass uns woanders hingehen. Dass du jetzt hier bist, kann man nicht mehr ändern...“ Matt packte Tai grob am Handgelenk und versuchte ihn so unauffällig wie es ging aus dem Raum zu bugsieren. Hecktisch drückte er den Fahrstuhlknopf und entließ seinen Lippen einen Seufzer, da er sich nun wenigstens nicht mehr so beobachtet fühlte. Schlimm genug, dass einige es schon mitbekommen hatten und ihnen fragende Blicke zuwarfen. Lange konnte er nicht von der Party wegbleiben. Mit dem typischen Fahrstuhlgeräusch öffnete sich die Tür einige Stockwerke tiefer und Matt zog den Braunhaarigen in den Flur und einige Türen weiter in Majimas Büro. Dort wusste er wenigstens, dass niemand unangemeldet auftauchen würde. Majima hatte schließlich genug mit der Party zu tun. Mit einem lauten Klicken schloss er die Tür des Büros und blieb mit dem Rücken zu Tai gewandt stehen. Dieser war leicht verwirrt von der unbeabsichtigten Erkundungstour und stand nun unbeholfen einige Fuß von Matt entfernt. „Was...“, krächzte Matt mit einer rauen Stimme, „... was tust du hier? Du wolltest mich sehen? Hast du vergessen was ich dir damals gesagt habe?“ Matt war außer Atem. Warum eigentlich? Er fühlte sich schrecklich. Seine Brust zog sich zusammen und seine Hände zitterten. Gekonnt versuchte er dies zu überspielen. Cool bleiben, sagte er zu sich selber und atmete scharf die Luft ein, um wieder Kontrolle über seinen Körper zu erlangen. „Nein, das hab ich nicht vergessen“, sagte Tai schloss seine Augen. Das letzte Gespräch mit Matt, bevor dieser verschwunden war, ging ihm durch den Kopf. „Aber...“ „Aber was?“, harkte Matt nach und versuchte weiterhin so emotionslos wie es nur ging zu klingen. „Ich hatte gedacht, ich schaff das. Wir waren Freunde, die besten und mit Freundschaften hat es sich nun mal so, dass diese irgendwann abbrechen oder auseinander gehen. Also dachte ich mir, dass es bei uns nicht anders war, nur halt radikaler, wenn man es so nennen mag.“ Tai atmete tief ein und setzte sich auf einen Stuhl, der in der Nähe von ihm war. „Irgendwann kommt man damit klar und man lebt halt weiter. Aber ich... ich hab das glaube ich nicht geschafft. Es sind zwei beschissene Jahre und ich vermisse dich, Matt! Ich vermisse es, dass wir zusammen rum albern, dass wir einfach nur dasitzen und nichts machen, dass wir zusammen was essen, dass wir reden. Das alles vermisse ich.“ „Sei nicht so egoistisch“, sagte der Blonde. „Es kann nicht immer alles nach dir gehen.“ „Nein, das soll es auch nicht und weißt du warum?“, fragte Tai nun etwas lauter und stand wieder vom Stuhl auf und machte einige Schritte auf Matt zu. „Dir geht es doch nicht anders als mir, nicht wahr? Oder warum willst du mich nicht ansehen?“ Matt drehte sich bei diesen Worten um und sah ihn bestimmend in die Augen. Schwer versuchte er seine Atmung zu kontrollieren und das Gefühl in seiner Brust zu ignorieren. „Ich kann dich ansehen! Es macht mir gar nichts aus. Ich habe neue Freunde und komme sehr gut ohne dich zurecht. Warum sollten wir wieder was zusammen unternehmen?“, fragte Matt eher rhetorisch. „Wir können doch nicht einfach wieder dort weiter machen, wo wir aufgehört haben. Nicht nachdem, was passiert ist...“ „Und was ist passiert?“ „Das weißt du ganz genau“, sagte Matt und senkte seinen Blick für einige Sekunden. Er fühle sich beschämt, wenn er an die Schmach in der Schule dachte. Er hatte sich damals praktisch vor der ganzen Klasse geoutet und einfach alles falsch gemacht, was man nur falsch machen konnte, um sein junges Leben zu zerstören. „Nein, das weiß ich nicht. Nicht genau, um ehrlich zu sein“, fügte Tai hinzu. „Ich versteh, dass du damals keine andre Wahl hattest zu G-Music zu gehen. Aber warum bist du dann auch noch vor mir geflüchtet? War es wegen dem Zwischenfall in der Schule? Wegen Sakuya und ihren Sprüchen? Kann es sein, dass du damals wirklich in mich verliebt warst? Ich wäre damit sicher klar gekommen.“ „Das sagst du heute“, lachte Matt. „Kannst du es nicht verstehen? Ich habe es einfach nicht länger ertragen in deiner Nähe zu sein und ich habe keine Zukunft gesehen. Weder für mich und meine Karriere noch für unsere Freundschaft, die ich durch blöde Gefühle kaputt gemacht habe. Es ist besser so, so wie es jetzt ist.“ „Du hast nichts kaputt gemacht. Nicht für mich“, sagte Tai und legte seine Hand auf Matts rechte Schulter. „Ich habe dir damals deine Entscheidung gelassen, weil ich wollte, dass du glücklich wirst. Aber mich stört es nicht, dass du damals mehr als Freundschaft für mich empfunden hast.“ „Warum stört dich das nicht?“ „Weil egal was kommt, du immer der Matt sein wirst, den ich kenne und lieb hab.“ Matt seufzte und machte sich von Tai los. Mit schweren Schritten ging er hinter Majimas Schreibtisch und schrieb etwas auf den Notizblock, der dort lag. Mit einem ratschenden Geräusch riss er das oberste Blatt ab und ging wieder zu Tai. „Hier“, sagte Matt und reichte Tai den Zettel. „Was ist das?“, fragte Tai. „Meine Handynummer und Mailadresse. Damit kannst du mich erreichen. Wenn dir so viel dran liegt, dass wir wieder Freunde werden, dann lass es uns versuchen. Wir sehen ja dann was daraus wird.“ Tai nahm den Zettel und sah ihn an. Konnte das wirklich sein? Da stand Matts Handynummer und er wollte es mit ihrer Freundschaft wieder versuchen. Tai musste unwillkürlich anfangen zu lächeln. Matt hingegen fühlte noch immer die Beklommenheit in seiner Brust. War er gerade zu weit gegangen? Es fühlte sich so an als, ob er sich ein weiteres Mal selber in die Scheiße reiten würde. Aber was sollte er tun? Vor ihm stand Tai und redete mit ihm in seiner tiefen Stimme, die jeden umhauen könnte. Er wollte es nicht zugeben aber all die Zeit hatte er sich insgeheim gewünscht Tai wieder sehen zu können. Wenigstens hatte er es geschafft nicht wie ein kleines Kind los zu heulen, so fühlte es sich nämlich die ganze Zeit an. „Wann hast du denn Zeit?“, fragte Tai vorsichtig. Matt überlegte kurz. „Übermorgen Abend. Ich muss die nächsten Tage von einem Studio ins andere, aber übermorgen Abend so gegen 20 Uhr habe ich frei.“ „Ok, dann schreib ich dir nachher eine Nachricht, damit du meine Nummer auch hast“, sagte Tai und faltete den Notizzettel zusammen. „Ich freue mich.“ „Ich... mich auch“, sagte Matt und zwang sich zu einem Lächeln, obwohl im gar nicht danach war. „Tai... die Party...“ „Ah, stimmt. Dann ist es wohl besser, wenn ich jetzt gehe?“, fragte der Braunhaarige chaotisch. „Ja, das denke ich. Geh du schon mal vor. Ich bleib noch ein wenig hier.“ „Oh, ja klar. Dann geh ich mal“, sagte Tai und wollte Matt umarmen, doch er hielt sich zurück. Die Hand geben? Was sollte er tun? Stattdessen hob er seine linke Hand und winkte dem Blonden zum Abschied. Matt tat es Tai gleich und hob seine Hand zum Abschied. Er hörte das Klicken der Tür und der braune Wuschelkopf war verschwunden. „Oh, mein Gott“, schrie Matt und ließ sich auf den Stuhl fallen. „Das ist doch nicht wahr!“ Tai wollte wieder mit ihm befreundet sein und so tun als ob nichts gewesen wäre. Wie zum Henker sollte er das packen? An Tai zu denken war ja schon der Horror gewesen und nun das? Mit einem Stöhnen fasste sich Matt an die Brust und krallte sich dort fest. Dieses verdammte Gefühl. Während er mit Tai gesprochen hatte, dachte er, dass er ohnmächtig werden müsse. Das konnte doch nicht wahr sein! Nach all dieser Zeit war er immer noch in Tai verliebt?! Und das auch noch stärker als vor zwei Jahren! „Scheiße“, zischte Matt wutentbrannt und trat gegen den Tisch. Kapitel 14: Beinahe so wie Früher --------------------------------- „Hey, Matt! Bleibt es bei heute Abend? Soll ich zu dir kommen oder du zu mir? - Tai“ Matts linkes Auge fing an zu zucken. Das war einfach zu viel Stress. Gerade hatte er eine SMS von Tai bekommen und hatte sie in der Pause zwischen der Aufnahme gelesen. „Du hast noch fünf Minuten Zeit“, sagte Majima und zündete sich eine Zigarette an. „Du solltest vielleicht lieber was trinken oder essen und nicht an deinem Handy rumspielen.“ „Ja, ja, mach dir keine Sorgen. Ich esse nach der Aufnahme was“, sagte Matt genervt. Seit nunmehr zwei Stunden war der Blonde im Studio und brachte ein Interview hinter sich. Nun das Interview an sich brauchte nicht lang aber die ewige Prozedur davor und die Absprachen zogen immer ewig in die Länge. Gleich nach dem Interview musste er noch zu einer Musikshow und seinen neuen Song vorstellen und danach hatte er endlich Frei. Frei... ganz genau und dann wollte sich Tai auch noch mit ihm treffen. Er konnte wohl kaum einen Rückzieher machen. Feige sein war zwar seine Spezialität, aber auf ein schlechtes Gewissen und noch mehr Selbsthass hatte er keine Lust. Mit dem Daumen tippte er nervös auf seinem Handy herum und überlegte was er schreiben sollte. „Zu mir oder zu dir?“ Das bedeutet, dass er mit Tai dann alleine sein würde! Nein das konnte nicht gehen. Das durfte und sollte er nicht tun. „Kennst du das Café Aristo in Shibuya? Ich werde ab 20 Uhr dort sein und drinnen auf dich warten.“ Matt klickte auf senden und ließ sein Handy wieder in der Hosentasche verschwinden. Öffentlichkeit war gut. Super. Grandios! Mit einer Mütze und Brille würde das schon gehen. Solang er nicht mit Tai irgendwo alleine war, war alles großartig. Nach einem für Matt endlosen Tag rannte er praktisch aus seinem Apartment. Es war bereits kurz vor 20 Uhr und er war mehr als nur spät dran. Nachdem er mit seiner Arbeit fertig war, kam er erschöpft nach Hause und wollte eigentlich nur ein kleines Nickerchen machen, doch aus dem Nickerchen war ein längerer Schlaf geworden und nun hatte er sich zu dem Treffen mit Tai verspätet. Auf der Suche nach einem Taxi hatte er seine schwarze Brille und eine dünne Strickmütze aufgesetzt. Meistens half dies bereits, um nicht erkannt zu werden. Mit einer fordernden Stimme trieb er den Taxifahrer an schneller zu fahren. Er knirschte mit seinen Zähnen. Er hasste es zu einem Treffen, egal welchem, zu spät zu kommen. Auf der einen Seite wollte er Tai ja gerne sehen, auf der anderen hoffte er irgendwie, dass das Taxi eventuell in einen Stau geraten würde. Leider hatte sich dies nicht bewahrheitet und er war „nur“ eine halbe Stunde zu spät vor dem Café angekommen. 'Ok, tief Luft holen', sagte er zu sich selber und öffnete die Tür. Sein Blick schweifte durch den Raum, welcher gemütlich eingerichtet war und mit einem warmen Licht bestrahlt wurde. Es gab gemütliche Stühle und vereinzelt auch einige Sofas. Nach einigen Sekunden Suchen entdeckte in einer versteckten Ecke den Braunhaarigen, der gelangweilt an einem Strohhalm zog. Er hatte Tai warten lassen. Sicher dachte der Braunhaarige, dass Matt ihn versetzt hatte. Mit lockeren Schritten ging der Blonde zu dem von ihm lokalisierten Tisch und versuchte so gut es ging die Ruhe zu bewahren. Worüber sollte er mit Tai reden? Wie der Tag war? Wie das Wetter so ist? „Hallo“, sagte Matt nervöser als beabsichtigt. 'Shit, denk dran, Matt, locker und cool bleiben.' „Matt“, sagte Tai und stand von seinem Stuhl auf. „Ich dachte du... du hättest es vergessen.“ „Nein“, antwortete der Blonde gelassen und setzte sich auf den Stuhl gegenüber von Tai. „Ich musste nur länger arbeiten, als ich gedacht habe.“ „Oh“, kam es leise von Tai zurück, der nun auch wieder saß und mit dem Strohhalm seines undefinierbaren Saftes spielte. Wie aus dem Nichts tauchte auf einmal eine Kellner auf, stellte Matt in Glas mit Wasser hin und fragte ihn nach seiner Bestellung. „Eine Tasse Kaffee und einen Salat“, sagte Matt und sah zu seinem Gegenüber. „Du möchtest nichts mehr?“ „Uhm, doch. Für mich auch auch ein Kaffee und ein Sandwich.“ Die Kellnerin notierte ihre Bestellungen und verschwand wieder. Der Blonde sah zu Tai, der ab und zu an dem Strohhalm sog. Es verging einige Zeit bis er anfing zu sprechen. „Und... wie war dein Tag so?“, fragte Matt, da ihm nichts besseres einfiel. Das Gefühl hier mit Tai zu sitzen war einfach zu surreal und kam ihm merkwürdig vor. In seinem Kopf hatte er bereits das ganze Café ausgecheckt und einen Fluchtplan kreiert. „Eigentlich ganz gut“, antwortete der Wuschelkopf. „Ich musste ein Essay abgeben und war ziemlich unter Stress, da ich ganz vergessen hatte, dass ich eins schreiben sollte. Aber sonst war der Tag recht gut.“ „Essay?“, fragte Matt verwundert und verstand nicht genau, was Tai da erzählte. „Ich studiere Japanisch und Englisch.“ „Oh wow, das hätte ich nicht erwartet. Ich kann mich erinnern, dass du mit Sprachen einigermaßen gut ausgekommen bist, aber dass du jetzt studierst hätte ich nicht gedacht.“ „Ja, hätte ich auch nicht“, lachte Tai. „Jeder hat gedacht, dass ich mal Fußballer werden würde, aber nun spiele ich nur noch zum Vergnügen.“ „Finde ich gut. Du weißt, was du machen möchtest und nun studierst du sogar. Deine Eltern und deine Schwester müssen sich gefreut haben.“ „Das haben sie. Du glaubst gar nicht wie sehr“, grinste der Braunhaarige und man merkte regelrecht wie sich seine Anspannungen auf einen Schlag gelöst haben. Es fühlte sich merkwürdig an. Matts Gefühl weglaufen zu wollen verschwand zumal und die ganze Situation fühlte sich vertraut an. So wie damals, als sie sich praktisch jeden Tag sahen. Trotzdem hatte er weiterhin dieses Gefühl in der Brust. Das Gefühl erinnerte ihn daran, dass er für Tai immer noch viel empfand aber nie etwas erwarten durfte. „Und wie geht es dir so?“, fragte nun Tai. „Du siehst ziemlich müde aus.“ „Das bin ich auch“, sagte der Blonde. „Ich bin den ganzen Tag hin und her gescheucht wurden. Aber mir geht es gut; ich bin das ja mittlerweile gewohnt.“ „Das sehe ich“, grinste Tai. „Du bist wirklich erfolgreich. Es freut mich, dass du das machen kannst was du willst.“ „Ja, ich darf meine Musik machen und tun was ich will. Die ganzen Shows und Fernsehauftritte und das was dazu gehört nehme ich dafür liebend gern in Kauf.“ „Du solltest es aber nicht übertreiben“, sagte Tai, der im Augenwinkel sah wie die Kellnerin auf sie beide zusteuerte und die Bestellungen dabei hatte. Mit geübten Bewegungen stellte sie die Teller und die Tassen auf den Tisch und verschwand wieder. Nachdem die Kellnerin außer Reichweite war, begann Tai wieder zu reden. „Ich hab schon gesehen, dass du wahrscheinlich Sport gemacht hast, aber für meine Verhältnisse bist du immer noch zu dünn. Du musst wirklich mehr essen.“ Matt grummelte und stocherte in seinem Salat herum. Tais Augen konnte man aber auch nie täuschen. Es stimmte. Matt aß nur das Nötigste, nicht weil er keinen Hunger hatte, sondern weil er keine Zeit hatte und weil es seine Agency nicht gerne sah, wenn ihre Musiker zu dick wurden. Und zum Sport wurde er ja beinahe gezwungen. „Schlackig ist nicht sexy, Andeutungen von Muskeln und dünn sein ist sexy“, hatte ihm Majima damals gesagt. Gut, es gab viele Musiker und Schauspieler, die nicht dünn waren, aber das schien bei G-Music nicht zu ziehen. Also hatte er sich deren Vorstellungen zähneknirschend angepasst. „Du musst dir da keine Gedanken drum machen“, sagte Matt und nahm nun einen Bissen. „Ich-“ Matts Worte wurden durch ein penetrantes Handyklingeln unterbrochen. Es schien Tais zu sein, denn dieser fing an in seiner Hosentasche zu stöbern. „Sorry“, sagte er kurz und ging an das hervor gezogene Handy. „Ich habe dir doch gesagt, dass ich unterwegs bin... Nein... Das geht dich nichts an. Ich ruf dich morgen an, ok?... Ja... Ja... Mach ich. Bis Morgen.“ Tai legte wieder auf und steckte das Handy zurück in seine Hosentasche. Matt versuchte desinteressiert zu schauen, doch innerlich fragte er sich, wer das wohl war. „Tut mir leid. Ich habe vergessen mein Handy auszumachen und Sakuya nervt immer, wenn ich mich nicht melde“, sagte Tai und realisierte danach erst, was er gesagt hatte. Er hatte Sakuya erwähnt und das auch noch vor Matt! Wie konnte man nur so bescheuert sein?! „Du bist also noch... mit Sakuya zusammen“, fragte Matt und merkte den übergroßen Kloß in seinem Hals. „Ja, irgendwie schon“, antwortete Tai und sah betrübt zu Matt. „Tut mir Leid.“ „Warum entschuldigst du dich?“, lachte Matt gezwungen und nahm einen Schluck seines Kaffees. „Ist doch schön, dass ihr nach all der Zeit noch zusammen seit.“ „Hm...“, nuschelte Tai. „Und wie sieht es bei dir aus? Hast du eine Fr-... uhm Beziehung?“ Dumme Frage Tai, sehr dumme Frage. Ein Fettnäpfchen war nicht genug und nun trat er schon in das nächste. „Nein, ich hätte auch keinen Nerv für eine Beziehung. Außerdem weiß man nie, ob derjenige mit dir zusammen ist, weil du so bist wie du halt bist und nicht weil man berühmt ist.“ Matt aß gelangweilt an seinem Salat weiter. Tai war also noch mit dieser Ziege Sakuya zusammen. Er hätte es ja ahnen müssen. Matt erinnerte sich an ihre Blicke und Häme. Er hatte nie viel von Mädchen gehalten und sie hatte nur bestätigt, was er immer gedacht hatte: Frauen waren schrecklich. Beide saßen noch eine ganze Weile so da. Sie unterhielten sich über Tais Studium und was er für Kurse besuchte und wie Matts Alltag aussah wie wie viel Arbeit sie mit dem neuen Album hatten. Nach einer guten Stunde seufzte Tai und lehnte sich nach hinten. „Es tut mir wirklich Leid, dass ich die Stimmung vorhin runter gezogen habe“, sagte Tai. Er war mittlerweile seine Sandwichs verschlungen und machte sich wieder Vorwürfe. Er wusste doch ganz genau wie Matt zu Sakuya stand. „Wie kann ich das gut machen?“ „Gut machen?“, fragte Matt verwundert. „Du musst nichts gut machen. Außerdem sind wir keine Kinder mehr. Warum sollte ich damit nicht klar kommen, dass du noch mit ihr zusammen bist?“ „Egal. Ich will dir was gutes tun. Also wünsche dir was“, lächelte Tai ihn schelmisch an. 'Shit, schau mich nicht so an', schrie Matt buchstäblich in Gedanken. „Wenn du unbedingt willst...“, seufzte der Blonde und legte nun auch seine Gabel zu Seite. Er war derweilen auch mit seinem Essen fertig und mehr schlecht als recht pappsatt. „Dann lass uns Spazierengehen und kauf mit unterwegs irgendein Eis oder so. Mir fällt nichts besseres ein.“ „Ja?“, fragte Tai überrascht. Er hatte ehrlich gesagt etwas mehr erwartet. Wild fuchtelnd winkte er die Kellnerin an den Tisch und bezahlte in Windeseile. „Ich hab nicht gesagt, dass du für mich Bezahlen sollst“, fauchte der Blonde und fühlte sich unterbuttert. „Ich lade dich ein“, grinste der Braunhaarige und steckte seine Geldbörse wieder ein. „Dafür bezahlst du das nächste Mal. Und ich erwarte ein 5-Sterne Essen.“ Matt sah zu Tai, der ein verschmitztes Grinsen aufgesetzt hatte. Was war das? Tai benahm sich so... so wie immer! So wie Matt ihn kannte und es fühlte sich großartig an. Seine Müdigkeit und Schmerzenden Glieder waren wie weggeblasen. Hieß das, Tai hatte sich nicht verändert und konnte mit Matt so umgehen wie er es immer tat? Spielerisch, ernst, freundschaftlich, herzlich. Irgendwo tief in dem Blonden schmerzte es, dass es ihm nicht so leicht viel. Er wollte in seiner Nähe sein, ihn berühren, mit ihm unbeschwert reden. All das, was sie immer schon getan hatten. „Na los, lass uns Spazierengehen und den Bauch mit Eis voll schlagen!“ „Ja, Moment, ich muss noch meinen Kaffee austrinken“, sagte Matt und trank die bittere, jetzt kalte, Flüssigkeit in einem Zug aus. „Du musst aber auch immer so eine Hektik machen.“ „Du kennst mich doch“, lachte Tai und ging zusammen mit dem Blonden aus dem Café. Es war so als hätten sie sich keine zwei Jahre nicht gesehen. Es fühlte sich so alltäglich und gut an. Matt lächelte merklich und ging neben Tai auf den Straßen von Shibuya spazieren. Ab und an wurde Matt von einer Frau um ein Autogramm gebeten, doch solang sich keine Schar um ihm bilden würde, war ihm alles egal. Auf die schwarze Hornbrille und seine Mütze war halt immer Verlass. Nach circa einer halben Stunde hatten sie auch schon einen Eisladen gefunden, wo Tai Matt ein Fruchteis ausgab. Genüsslich leckte der Blonde an der gefrorenen Köstlichkeit. „Ich gehe hier oft hin“, sagte Tai. „Meine Unikumpels und ich sind hier praktisch Stammkunden.“ „Mhm“, ließ Matt verlauten und sah sich um. „Wollen wir uns auf die Bank da setzen? Ich habe keine Lust mir die Beine in den Bauch zu stehen.“ Tai nickte und ging mit Matt zu einer freien Bank am Rand der Fußgängerzone. Von hier hatten sie einen netten Blick auf die Menschen, die an ihnen vorbei liefen und auf die hell beleuchteten Reklameschildern, die die Stadt in ein groteskes Licht tauchten. „Ich freue mich“, sagte Tai wie aus dem nichts. „Du freust dich? Worüber?“, fragte Matt neugierig und leckte weiter an seinem Eis. „Nja, mit dir hier zu sitzen und zu reden. Du warst so komisch im Café und jetzt bist du ganz und gar nicht mehr so. Es freut mich einfach, dass du lockerer bist“, grinste Tai, während er an seinem Schokoladeneis mit Waffeln knabberte. Matt schaute ihn überrascht an. Er müsste sich eingestehen, dass er irgendwann wirklich vergessen hatte, dass sie sich Jahre nicht gesehen hatten und ihm die Absicht cool zu bleiben ebenso entfallen war. Als er daran dachte wurde er nachdenklich. Es gab nur eine Möglichkeit um wieder mit Tai befreundet zu sein: er musste seine Gefühle unterdrücken, sie vergraben. Diesmal endgültig. Wenn er mit Tai zusammen war, wie jetzt, dann musste er verdrängen, was er immer noch für den Wuschelkopf fühlte, und musste an den freundschaftlichen Gefühlen festhalten und sich an diese praktisch klammern. Alles andere durfte er einfach nicht mehr zulassen. Sonst würde er ein weiteres Mal alles zerstören. „Über was denkst du nach?“, fragte Tai der merkte wie Matt ihn anstarrte. „Um ehrlich zu sein wusste ich nicht genau, ob wir da weitermachen können, wo wir mal waren“, seufzte Matt. „Aber du hast diese Art an dir, die mich irgendwie einnimmt. Es macht Spaß mit dir zusammen zu sein und ich möchte das nicht länger missen. Ich habe das glaube ich die ganze Zeit irgendwie vermisst – diese Zeit mit dir.“ „Heißt das wir können wieder Freunde sein?“, fragte Tai aufgeregt und ließ sein Eis beinahe fallen. „Mach jetzt bitte keine Witze oder ich sterbe sofort.“ „Idiot“, lachte Matt und gab ihm einen leichten Schlag auf den Hinterkopf. Beide fingen an zu lachen. 'Ja, so ist gut. Lass dir nichts anmerken und verhalte dich einfach normal. So wie Früher“, dachte Matt. „TAI?!“, schrie jemand aus der Fußgängerzone. Beide Augenpaare fuhren erschrocken zu der Stimme, die Tais Namen praktisch geschrien hatte. 'Oh nein, bitte nicht. Das ist... DAS IST NICHT WAHR!!! Kann mir bitte jemand eine Waffe geben? Ich erschieße mich auch selber.' Aus der Menge kam doch wirklich Sakuya mit Einkaufstüten beladen. Sie schritt zielsicher auf Tai zu, der ebenfalls aus allen Wolken gefallen war. 'Nicht heute, nicht HIER', schrie der Braunhaarige innerlich. „Was machst du hier, Sakuya?“ „Ich war einkaufen. Hier guck, hab neue Schuhe. Und was machst du hier? Du hast doch gesagt, dass du was vor hast und dann treffe ich dich hier? Das muss Schicksal sein. Wollen wir nicht zu dir gehen? Ich wollte jetzt eh nach Hause“, quaselte die junge Frau buchstäblich herunter und wollte Tai am Arm nehmen. Ein Wasserfall war nichts gegen ihre Redegewalt. „Tut mir Leid, aber wie du siehst bin ich mit jemanden unterwegs und habe daher sehr wohl was vor“, sagte Tai mit aller Anstrengung und hoffte, dass sich Sakuya damit zufrieden geben würde. Doch entgegen all seiner Hoffnung beäugte Sakuya den Mann, der neben ihren Tai saß und sich halb abgewendet hatte. Ihre Augen wurden zu Schlitzen. Nach einigen Sekunden fiel der Groschen und sie erkannte wer da vor ihr saß. „Das... ist jetzt nicht...“, fing sie an. „Ist das dein erst, Tai? ER? Tai, der ist Schwul und will was von dir und-“ „Sei ruhig Sakuya“, zischte Tai sie an und hielt ihr den Mund zu. „Amdhhdi schwefdnf jnsa da“, nuschelte sie. „Ist schon in Ordnung“, sagte Matt und stand auf. „Ich geh nach Hause. Es ist eh schon spät und ich muss morgen Früh arbeiten. Bis dann, Tai.“ Mit diesen Worten ging der Blonde mit schnellen Schritten von den beiden weg und verschwand zwischen den Passanten. „Warum hast du das getan, Sakuya?!“, schrie Tai sie nun an. „Was hab ich denn getan? Ich hab nur die Wahrheit gesagt. Und was machst du? Du laberst mit ihm und weißt ganz genau, was er von dir will. Ich kann es einfach nicht fassen! Zwei Jahre! Und auf einmal steckt ihr wieder zusammen? Findest du das etwa in Ordnung, dass er auf dich steht und dich wieder um den Finger wickelt? Ich dachte du hättest ihn abgeschossen!“ „Woha, Sakuya, kannst du nicht einfach ruhig sein?“, schrie Tai ein weiteres mal. „Ich geh ihm jetzt hinterher und WIR BEIDE sprechen uns noch.“ „Aber Tai-“, rief sie ihm mit einen mehr als nur beleidigten Gesichtsausdruck nach. Mehr konnte sie nicht sagen, denn der Braunhaarige war schon in die selbe Richtung wie zuvor Matt verschwunden. Hier irgendwo musste der er doch sein! Mühsam schlängelte sich Tai durch die Passanten, bis er die Mütze von Matt entdeckte. Zielsicher steuerte auf diese zu und hielt den jungen Mann an der rechten Schulter fest. „Matt...“, war alles was Tai hervorbringen konnte. Der Blonde jedoch drehte sich nicht um. Er musste sich zusammenreißen. Sakuya, diese Zicke, hatte ihn bloß gestellt und das in einem Moment, wo er sich nach Ewigkeiten wieder gut gefühlt hatte. „Tut mir leid, dass ich abgehauen bin“, sagte Matt zusammengepresst und drehte wie in Zeitlupe um. Er versuchte nicht wegzulaufen, sondern sich der Sache zu stellen. „Nein, mir tut es Leid, was Sakuya gesagt hat. Sie ist einfach... hach, ich weiß nicht. Um ehrlich zu sein hab ich nicht mal mehr eine Ahnung, warum ich noch mit ihr zusammen bin“, lachte Tai gezwungen und fuhr sich durch die Haare. „Seit einigen Monaten ist sie einfach nur noch anstrengend und was sie vorhin zu dir gesagt hat, hat das Fass zum überlaufen gebracht.“ Matt blieb stumm und traute sich nicht den Braunhaarigen anzusehen. Dieser jedoch packte Matt am Arm und zog ihn in eine Seitengasse, wo sie beide alleine waren. „Nun schau mich schon an. Dir muss das nicht peinlich sein“, sagte Tai völlig normal. „Ihr sollte es peinlich sein! Du hast nichts gemacht und das weißt du. Na los, sei doch nicht so.“ „Ich hasse sie“, sagte Matt auf einmal. Er versuchte emotionslos und gelassen zu klingen. Es sollte wie eine belanglose Aussage klingen. Tai dachte einen Moment nach. Es gab genügend Gründe warum Matt sie hasste und jeder davon war berechtigt. Sie hatte sich über ihn lustig gemacht, ihn gedemütigt und in einer Art und Weise Tai entzogen, auch wenn er es erst nach dem Verschwinden von Matt verstanden hatte. Tai fühlte sich schlecht und dachte daran, was Matt wohl gerade fühlten musste. Unbewusst tat er das, was er immer tat, wenn sich dieser schlecht gefühlt hatte. Er nahm ihn in den Arm – einfach so. Matts Augen weiteten sich. Was machte Tai da nur? Er umarmte ihn. Das konnte er doch nicht einfach tun! Nicht hier, wenn man sie sehen könnte. Ok, sie waren in einer Seitengasse, aber man wusste ja nie. Der Blonde spürte wie sein Herz anfing zu rasen und ihm beinahe aus der Brust sprang. Überrumpelt drückte der Blonde Tai schließlich von sich. „Oh“, sagte Tai und sah auf seine Hände. „Sorry, ich hab einfach... ich habe nicht nachgedacht.“ „Macht nichts“, sagte Matt und setzte seine coole Miene auf. „Ich sollte nach Hause fahren. Ich muss morgen wirklich früh aus dem Bett.“ 'Super, Rückfall ins alte Schema', dachte er sich. „Ist gut, ich bring dich noch zum Taxi.“ Beide gingen aus der Seitengasse zur Fußgängerzone und stellten sich an den Straßenrand, um nach einem Taxi Ausschau zu halten. „Tai, mach dir keinen Stress wegen Sakuya. Sie kann nicht anders“, sagte Matt und richtete sich die Mütze. „Ich melde mich, wenn ich Zeit habe.“ Mit diesen Worten winkte Matt ein Taxi an die Seite und öffnete die hintere Autotür, um in das Auto zu steigen. „Komm gut nach Hause“, sagte Tai zum Abschied und sah zu wie Matt die Tür schloss und wegfuhr. „Sakuya...“, grummelte Tai und knirschte mit seinen Zähnen. Kapitel 15: Schokoladenkekse ---------------------------- Seit einer Stunde saß Tai tierisch angepisst auf seinem Sofa. Er wollte irgendwas kaputt schlagen, zerdeppern, einfach nur zerstören. Seine Hände ballten sich zu Fäusten und man konnte deutlich die Adern erkennen, welche dadurch hervortraten. Der Tag hatte mal wieder super begonnen. Seit dem Treffen mit Matt waren bereits einige Tage vergangen. Es war wunderschön gewesen. Sie hatten über vieles geredet und Spaß gehabt. Die anfänglichen Ängste, die Tai hatte, waren im Nachhinein unbegründet gewesen, denn nach einer Weile war Matt aufgetaut und er verhielt sich wieder beinahe so wie früher. Doch dann... kam Sakuya, wie aus dem Nichts! Als hätte sie es gerochen, dass sich ihr Freund mit ihrem Hassobjekt traf. Frauen und ihre Intuition waren einfach nur die Hölle. Tai hatte das Gefühl irgendetwas tun zu müssen. Schnell stand er vom Sofa auf und ging in Richtung Küche, um sich eine Chipstüte mit Käse Geschmack zu nehmen. Kalorien waren genau das, was er brauchte – und er musste auf was herumkauen. Also öffnete er noch während dem Gehen die Tüte und griff hinein. Diese Sakuya! Er konnte es einfach nicht fassen. Zähneknirschend erinnerte er sich an den heutigen morgen. Er war Sakuya einige Tage aus dem Weg gegangen, weil er das Gefühl hatte, dass wenn er sie sah, er total ausrasten würde. Er gönnte sich also einige Tage, um sich zu beruhigen. Dann irgendwann früh am Morgen, nach dem Aufstehen, schrieb er Sakuya eine SMS, dass sie vorbeikommen solle. Und dies tat sie dann auch. Es war kaum zwei Stunden her, dass sie wie eine Irre durch die Haustür kam und auf ihn zu stürmte. „Tai“, fing sie an. „Wie konntest du nur? Du hast nicht auf meine Anrufe geantwortet und auch nicht auf meine SMS und wenn ich in deine Wohnung wollte hat der Schlüssel gesteckt und ich konnte nicht rein. Was hab ich denn getan?“ „Das weißt du ganz genau!“, sagte Tai und versuchte so ruhig wie möglich zu klingen. „Nein, das weiß ich nicht. Aber da ich nun wieder her darf heißt das wohl, dass du nicht mehr sauer auf mich bist“, lachte sie und wollte ihm einen Kuss auf die Lippen geben. Tai jedoch drückte sie von sich und schloss seine Augen. Wie konnte sie das nur tun? Sie stellt sich dumm und tat so als hätte sie nichts gemacht! Tai hatte sich die letzten Tage immer wieder gefragt, warum er eigentlich noch mit Sakuya zusammen war. Die Antwort war einfacher als gedacht und er wunderte sich darüber wie es dazu kommen konnte. Nachdem Matt aus seinem Umfeld verschwunden war, war Sakuya weiterhin für ihn da. Sie war lieb und zuverlässig. Man konnte mit ihr Spaß haben, kein Zweifel, aber jedes Mal, wenn das Gespräch auf Matt fiel wurde sie zur zickigen Furie. Nicht nur, wenn es um Matt ging bei gemerkt, auch wenn es um seine Männerabende ging oder er sich länger nicht meldete. Sie hatte außerdem schreckliche Phasen von Eifersucht, wenn sich Tai in ihrem Beisein mit einer anderen Frau unterhielt. Also warum war er noch mit ihr zusammen? Die Antwort war höchstwahrscheinlich Gewohnheit und die Nähe, die ihm nur ein Beziehung geben konnte. „Was soll das denn, Tai-chan?“, nuschelte sie bedrückt. „Ich wollte dich doch nur küssen.“ „Sakuya, ich will dir keine Standpauke abhalten, aber was du da vor ein paar Tagen mit Matt abgezogen hast-“ „Woha, Tai, NEIN! Warum redest du von ihm?“ „Weil er der Grund ist, dass ich sauer auf dich bin“, sagte Tai nun um einiges lauter. „Du tauchst auf, siehst ihn und pöbelst ihn an! Das kannst du nicht machen. Er ist mein Freund!“ „Ein 'Freund', der schwul ist, noch dazu auf dich steht und dich vor zwei Jahren weggeschmissen hat. Und nun seit ihr wieder Friede-Freude-Eierkuchen? Ich sollte DICH fragen, was das alles soll“, fauchte Sakuya und richtete sich ihre Haare zurecht. „Du kannst mir doch nicht erzählen, dass ihr euch ZUFÄLLIG getroffen habt und ein Eis essen gegangen seit.“ „Nein, so war das auch nicht“, antwortete Tai und atmete tief ein. „ICH bin zu ihm gegangen und hab ihm gesagt, dass ich wieder mit ihm befreundet sein will und alles vergesse, was damals geschehen war. Und das, weil ICH nicht mehr länger ohne meinen besten Freund leben will. Ich habe ihn vermisst und das weißt du ganz genau. Also warum kannst du das nicht akzeptieren?“ „Weil er dich mir wegnehmen will“, schrie sie und schluchzte gespielt. „Er wird dich irgendwie rumkriegen und dich anschwuchteln. Du weißt doch, dass er in dich verknallt ist!“ „Das war vor zwei Jahren, Sakuya, meine Güte, komm damit klar!“ „Das will ich aber nicht!“, sagte sie stur und sah Tai herausfordernd an. „Ich oder er? Wen willst du? Uns beide im Kombipack wird es so nicht geben! Aber sei dir im klaren, dass, wenn du weiterhin mit ihm befreundet sein willst, ich dich verlassen werde.“ „Alles klar“, sagte Tai und seufzte. Im Augenwinkel konnte er sehen wie Sakuya bereits auf ihn zukam und ein kleines Lächeln auf den Lippen hatte. „Dann geh halt.“ „Eh?“, fragte sie verwundert und stoppte in ihrem Vorhaben. „Du willst, dass ich... WAS?! Das meinst du nicht ernst.“ „Doch das tu ich. DU hast mich vor die Wahl gestellt und ich entscheide mich für meinen Freund. Also geh jetzt“, sagte Tai locker und war innerlich froh, dass Sakuya ihm die halbe Arbeit abgenommen hatte, um mit ihr Schluss zu machen. „Ich... du! Ich fasse es einfach nicht! Bist du etwa auch schwul?“, sagte sie mit Abscheu. „Was zum Henker hat das damit zu tun?“ „Na, du entscheidest dich für ihn! Was für einen andren Grund sollte es sonst geben?“ „Vielleicht, dass er und ich uns seit kleinauf kennen und befreundet sind?“ „Aber... du liebst mich doch!“ „Sakuya“, seufzte Tai und fuhr sich durch die braune Wuschelmähne. „Ich könnte damit leben, wenn du ihn einfach nur nicht magst und ihn nicht sehen willst, aber du machst jedes Mal so einen Aufstand, wenn ich ihn erwähne und außerdem... kann ich es einfach nicht mehr abhaben wie du ihn runter machst. Mein Geduldsfaden ist echt gerissen.“ „OK, wie du willst“, sagte sie bösartig und ging in den Flur, um sich ihre Schuhe anzuziehen. „Das wirst du noch bereuen! Du wirst schon merken, was du an mir hattest.“ Das war das Letzte, was er von ihr gehört hatte bevor sie die Haustür hinter sich zukrachen ließ. Er war so wütend gewesen auf sie, dass er sich vorerst hinsetzen musste und nachdenken. Die einzige Veränderung zu der vorherigen Stunde war nur, dass er jetzt eine Chipstüte in der Hand hielt und alles in sich hineinfraß. Mit einem zerknirschten Gesicht nahm er die Fernbedienung und schaltete die Nachrichten ein. Vielleicht konnten ihn irgendwelche News über Wirtschaft und Politik runterbringen. Die Chips verfehlten ihre Wirkung nicht, denn er fühlte sich zusehends besser und entschied sich nun einen Kaffee zu machen, um seine Lebensgeister anzuregen und sich für die Uni wach zu trinken. Der Streit mit Sakuya hatte zwar bereits einen Beitrag dazu geleistet, doch ohne Kaffee würde er es nie über den Tag schaffen. Die Kaffeemaschine in der Küche gab ihr altbekanntes Geräusch von sich und ließ die schwarze Herrlichkeit durchlaufen. Gerade als er seinen Lieblingsbecher aus dem Schrank holen wollte, streifte sein Blick den Fernseher und erkannte darin ein bekanntes Gesicht. Es schienen immer noch die Nachrichten zu sein, aber es ging um seinen Freund. Sicher wieder irgendwas wegen seinem neuen Album. Neugierig ging er zur Flimmerkiste, um ein besseres Bild zu haben und zu hören, was man über ihn erzählte. „... Yamato Ishida, der letzte Woche sein Comeback mit dem Album 'Black Room' feierte, wurde gestern Abend in ein Krankenhaus eingeliefert. Unserem Reporter zufolge scheint er nach einer Showaufnahme einer lokalen Fernsehsendung zusammen gebrochen zu sein. Nach einigen Stunden Aufenthalt im Krankenhaus scheint er dieses heute Früh jedoch wieder verlassen zu haben. Eine konkrete Stellungnahme von G-Music gibt es bisher noch nicht. Und so kann man nur abwarten, ob Yamato Ishida seine Promotions unterbricht oder...“ Tai starrte gebannt den Fernseher an. Matt hatte also einen Zusammenbruch. Er erinnerte sich, dass dies nicht der Erste war. Schon früher hatte er in den News gesehen, dass sein Freund für eine Nacht im Krankenhaus bleiben musste, wegen Schwächeanfällen. Das einzige, was sich jetzt geändert hat war, dass Tai die Möglichkeit hatte zu fragen wie es ihm ginge. Mit besorgter Miene, zog er sein Handy aus der Hosentasche hervor und tippte ein Nachricht ein. „Hey Matt, ich habe gerade in den Nachrichten gesehen, dass du im Krankenhaus warst. Geht des dir gut? Ich hoffe es war nichts schlimmes – Tai“ Er steckte sein Handy wieder ein und ging in die Küche, um sich den mittlerweile fertigen Kaffee einzuschenken. Mit Matt sollte nichts Schlimmeres sein, da dieser heute früh ja wieder entlassen wurde. Trotzdem durfte er so schnell mit einer Nachricht von Matt nicht rechnen, da dieser schon immer langsam war, wenn es um so was ging. Gedankenverloren und in leichter Sorge ging er mit seiner Tasse zurück zum Sofa und wollte sich gerade hinsetzten, als sein Handy in der Hosentasche vibrierte. Überrascht davon, dass sich sein Handy bemerkbar machte, ließ er seinen Kaffee beinahe fallen. Schnell stellte er die Tasse auf den Tisch und zog sein Handy hervor, um auf das Display sehen zu können. Sein Blick erhellte sich als er den Namen seines Freundes auf diesem sah und sein Lächeln wurde sogar noch breiter als er erkannte, dass es sich nicht um eine SMS, sondern um einen Anruf handelte. „Matt?“, fragte Tai und grinste über beide Ohren. „Hey, Tai, ich habe gerade deine SMS gelesen.“ „Ja, und nun sag: wie geht es dir? Was war los?“ „Nichts schlimmes. Ich habe die letzten Tage nur nicht viel geschlafen und hatte einen kleinen Schwächeanfall. Nichts aufregendes.“ „Oh... aber du solltest das nicht so runter spielen! Pass auf, dass du heute wenigstens viel schläfst.“ „Mach ich, mach ich, kein Stress.“ Es herrschte eine längere Pause in der sich Tai auf das Sofa setzte und in die Kissen zurück sinken ließ. Kurz dachte er nach, was er ihn noch fragen könnte. Es fühlte sich gut an nach einigen Tagen mal wieder die Stimme des Blonden zu hören, auch wenn der Anlass nicht gerade ein erfreulicher war. „Matt?“ „Uhm, ja?“ „Kann ich dich besuchen?“ „Das... uhm, Tai, ich habe dir doch gesagt, dass es mir schon besser geht und du dir keine Sorgen machen sollst.“ „Ach komm, ich bring dir auch was von mir selbst Gebackenes mit.“ „Von dir.... selbst Gebacken? Tai, ich glaube du solltest wirklich nicht kommen“, sagte Matt und man hörte, dass dieser leicht lachte. „Nein, ist ok. Ich merk schon, wenn ich nicht zusage, dann nervst du mich weiter – ich kenne dich ja. Ich schick dir später eine Nachricht mit meiner Adresse. Du kannst dann irgendwann Abends vorbeischauen.“ „Wow, cool. Also bis nachher.“ „Bis später.“ Tai freute sich wahnsinnig. Matt hatte seinem Vorschlag zugestimmt! Was sollte er backen? Kekse? Er erinnerte sich, dass Matt gerne Schokoladenkekse aß. Mit leichten Füßen ging er daher mit seiner Kaffeetasse im Schlepptau in die Küche und suchte nach den Zutaten. Er hatte noch circa zwei Stunden Zeit, bevor er zur Uni musste. Zum Glück hatte er nur am späten Nachmittag ein Seminar. Matt hingegen fühlte sich bescheuert. Er wollte Tai eigentlich nur sagen, dass es ihm gut ging und dann rief er ihn doch glatt an und ließ sich so einfach breitschlagen zu einem weiteren Treffen – und das bei ihm! Dabei hatte er sich doch vorgenommen nicht mit Tai alleine zu sein. Man rufe in Erinnerung, dass Öffentlichkeit super und grandios ist! Mit Selbstvorwürfen belastet kuschelte er sich tiefer in sein Bett. Er musste schlafen, verdammt noch mal schlafen und sich mental auf Tai vorbereiten. Ok, viel durfte nicht passieren. Tai würde herkommen, er würde versuchen das Zeug runter zu kriegen, das sein Freund da fabrizieren würde und dann würden sie ein bisschen reden. Das war alles und nichts weiter! Seufzend nahm er wieder sein Handy in die Hand und tippte seine Adresse ein, um diese dem Wuschelkopf zu schicken. Er sollte das lieber jetzt tun als später, bevor er sich umentschied. Tief atmete der Blonde ein und legte sein Handy auf den Nachttisch. Er musste jetzt wirklich schlafen! Leicht gähnend zog er seine Decke ein Stück höher und schloss seine Augen. „-to... Yamato? YAMATO!“ „Was, wo?“, schrie Matt überrascht und fiel beinahe aus seinem Bett. „Majima?! Verdammt warum weckst du mich, ich wollte gerade schlafen.“ „Es ist 18 Uhr, Yamato. Meines Wissens habe ich dich heute Früh hier ins Bett gesteckt, was wohl heißt, dass du den ganzen Tag geschlafen hast.“ „Oh, OH!“, rief der Blonde und schaute auf seine Nachttischuhr. „Was machst du eigentlich hier?“ „Ich wollte schauen wie es dir geht“, sagte Majima und hielt eine Plastiktüte hoch. „Ich habe dir sogar was vom Chinesen mitgebracht. Also los, raus mit dir und iss das jetzt.“ „Ist ja gu~ut“, seufzte Matt und stand aus seinem Bett auf. Er sah völlig zerzaust aus und sein schwarzes Shirt hing ihm schräg von der Schulter. „Hast du nichts besseres zu tun, als mir Essen zu bringen?“ „Nein, habe ich nicht“, antwortete Majima und ging in die Küche um einen Teller für die angebratenen Nudeln zu suchen. „Los, setzt dich auf den Stuhl da!“ Matt tat wie befohlen und setzte sich in seine kleine Essecke. Uninteressiert sah er zu, wie sein Manager den Teller mit den noch heißen Nudeln vor ihn setzte und ihm Stäbchen reichte. Missmutig nahm er diese und fing an zu essen. Überraschenderweise schmeckte es besser als es aussah. Vielleicht lag es auch daran, dass er seit gestern nichts mehr im Magen hatte. „So ist gut“, sagte Majima und setzte sich auf den Stuhl gegenüber von Matt. „Du musst schnell wieder zu Kräften kommen. Ich gebe dir noch Morgen Zeit zum ausruhen, aber Übermorgen solltest du wieder arbeiten.“ „Ja, ja! Meine Güte, du bist ja schlimmer als ein Sklaventreiber.“ „Hey, Jüngelchen, ein Sklaventreiber würde dir keine Zwei Tage Ruhe geben“, zwinkerte Majima und wühlte in seiner Jackentasche nach Zigaretten. „Ich habe heute Früh ein bisschen herum telefoniert. Von daher kannst du dich echt ausruhen. Ich habe deine Termine für den Rest der Woche ein bisschen runtergedreht aber danach erwarte ich, dass du wieder voll dabei bist. Wir müssen bald über das Konzert reden. Also vergiss nicht, dass uns noch ein paar Lieder dafür fehl-“ „Oh mein Gott, texte mich doch bitte nicht zu während ich esse!“, schrie Matt und fuchtelte mit seinen Essstäbchen vor Majimas Gesicht herum. „Ich sag ja nur“, lachte Majima und wurde in seinem Reden von einem Klingeln unterbrochen. „Besuch?“ „Uhm ja, ja ich...“, stotterte Matt und versuchte sich unauffällig die Haare zu richten, da diese immer noch wie ein Vogelnest aussahen. Geschockt stellte er fest, dass er auch noch seine Schlafsachen an hatte. „Oh nein, ich! Uhm, Majima, kannst du bitte zur Tür gehen? Ich zieh mir nur schnell was anderes an.“ „Oh Mann, du willst dich umziehen? Ist es etwa eine Frau?“, fragte Majima belustigt als er zur Haustüre ging. „Ich hoffe nicht, denn wenn doch dann-... dich kenne ich ja!“ In der Haustür stand Tai und sah verwundert auf den Mann, der ihm da gerade die Tür geöffnet hatte. Etwas verwirrt trat er in den Flur. „Wie war deine Name noch mal? Yagami oder so?“ „Ja, Taichi Yagami, wir haben uns auf der Party kennen gelernt.“ „Stimmt, du bist der verschollene Freund oder so. Uhm, Matt zieht sich gerade etwas andres an, warum auch immer. Ich gehe dann auch mal“, sagte Majima und suchte seine Schuhe zusammen. „Ich glaube du kannst reingehen und wenn du mir einen Gefallen tun könntest?“ „Worum geht es denn?“, fragte Tai, der sich seinen Schuhen entledigte. „Kannst du Yamato dazu zwingen das restliche Essen runterzuschlingen, was er in der Küche stehen hat. Er soll wieder fit werden.“ „Mach ich“, sagte Tai und nickte Majima zum Abschied freundlich zu. „Matt, wo bist du?“ „Ich bin im Schlafzimmer, geh doch bitte solang ins Wohnzimmer und warte dort auf mich.“ Tai zuckte mit der Schulter und ging in Richtung des Wohnzimmers, der mit dem Flur verbunden war. Matt hatte die Wohnung echt stylisch eingerichtet oder einrichten lassen, wie auch immer. Die Schränke waren Weiß und die Möbel entweder in Schwarz oder Rot gehalten. Auf dem Fußboden thronte ein riesiger Teppich und an den Wänden hingen einige schwarz-weiß Fotografien und Picasso-ähnliche Gemälde. Nachdem er sich das Zimmer genau angesehen hatte, setzte er sich auf das Sofa und stellte seine Tasche auf den Fußboden. „Hey, Tai“, sagte Matt leicht außer Atmen als er den Raum betrat. Er hatte eine Jeans angezogen und ein schwarzes Top. Die Haare waren so gut gerichtet wie es das Vogelnest zugelassen hatte. „Du bist früher da, als ich dachte.“ „Ich hoffe das ist in Ordnung?“, fragte Tai nach und stand auf, um mit Matt auf der selben Höhe zu sein. „Ich wusste nicht genau wann ich auftauchen sollte, also bin ich gleich nach dem Seminar hergekommen.“ „Macht nichts. Es ist nur“, fing Matt an und kratze sich am Hinterkopf. „Ich habe bis vor einer halben Stunde noch geschlafen.“ „Und gegessen.“ „Wie bitte?“ „Dein Manager hat mir gesagt, dass ich dich zum Essen nötigen soll. Also hopp hopp zurück zum Abendbrot“, grinste Tai ihn an und schob ihn aus dem Wohnzimmer. Seine Tasche hatte er mitgenommen und unter den Arm verstaut. „Wo ist deine Küche?“ „Hier...“, sagte Matt und zeigte ihm den Weg. „Und ich habe eigentlich keinen Hunger mehr.“ „Von wegen. Du isst jetzt... was ist das?!“, fragte Tai als er das undefinierbare Essen auf dem Tisch sah. „Chinesisch“, lachte Matt und setzte sich auf den Stuhl. „Willst du DAS essen oder lieber, was ich mitgebracht habe?“, fragte Tai verschmitzt und setzte sich zu Matt. „Was hast du mir denn.... mitgebracht?“ Tai grinste und zog aus seiner Tasche eine durchsichtige Tüte, gefüllt mir Keksen, die gespickt waren von Schokoladenstückchen. Präsentierend legte er sie vor seinem Freund auf den Tisch und sah diesen erwartungsvoll an. „Schmecken die auch so, wie sie aussehen?“, fragte der Blonde zweifelnd. „Aber natürlich! Matt, ich lebe seit zwei Jahren nicht mehr zu Hause und glaub mir, mittlerweile weiß ich genau, was man in der Küche machen muss.“ „Sehr witzig“, lachte Matt schief und öffnete die Tüte, um einen Keks heraus zu nehmen. „Dann werde ich mal einen probieren.“ Tai sah zu wie Matt erst einen kleinen Bissen nahm und dann einen größeren. Einige Sekunden später nahm er einen zweiten Keks aus der Tüte und verputzte auch diesen. „Schmeckt ganz ok“, nuschelte Matt und knabberte weiter an dem Gebäck. „Habe ich dir doch gesagt“, sagte Tai und sah seinem Freund zu wie er beinahe die halbe Tüte leerte. „Du solltest besser auf dich aufpassen, wenn du nicht willst, dass ich dir jeden Tag eine SMS schreibe und dich frage, ob du gegessen und geschlafen hast.“ „Bloß nicht!“, winkte der Blonde ab und fühlte sich beschämt. „Ich habe mir sorgen gemacht...“, nuschelte Tai auf einmal. „Ich habe dir doch schon gesagt, dass das unnötig ist. Ich gebe auf mich Acht, also mach dir lieber Gedanken über dich und nicht um mich“, sagte Matt und legte seine Hand unbewusst auf den Unterarm von Tai. Tai sah von Matts erschöpftes Gesicht auf seinen Arm, wo dessen Hand ruhte. Er starrte die Hand buchstäblich an! Die Haut seines Freundes war noch immer so weich wie früher und fühlte sich gut an. Auf einmal zog der Blonde seine Hand zurück. „'tschuldigung“, nuschelte er und sah zur Seite. „Matt...“, sagte Tai ruhig und fuhr sich durch die Haare. „Du kannst mich ruhig anfassen.“ „Es ist nur... ich dachte es wäre dir unangenehm.“ „Ist es nicht...“, sagte Tai mit einem Lächeln auf den Lippen. „Ich habe es vermisst von dir berührt zu werden.“ „Woha, Tai“, schrie Matt und spürte wie er rot wurde. „Sag doch so etwas nicht! Du weißt ganz genau, dass ich...“ „Was? Dass du in den unglaublich attraktiven, braungebrannten, sportlichen, charmanten, liebenswerten Taichi Yagami verknallt warst?“, grinste Tai ihn an. „Genau das“, sagte Matt ernst. Wie konnte Tai das mit so einem grinsen im Gesicht sagen? Und dann auch noch in der Küche! Matts Herz schlug wie wild als er dieses Gesicht sah. Was hatte er sich nur dabei gedacht seine Hand auf Tais Arm zu legen. Das war doch bescheuert gewesen. Sein Unterbewusstsein war bescheuert! Er machte es sich durch solche Aktionen doch nur schwerer. „Matt?“, warf Tai nun in die Ruhe. „Hm?“ „Ich habe mit Sakuya Schluss gemacht“, sagte Tai so gelassen wie man nur sein konnte. „Du hast WAS? Warum?“, schrie Matt vor Überraschung. Damit hatte er nicht gerechnet. „Ich glaube das war längst überfällig. Sie hat... ach egal. Der Punkt ist, dass ich es nicht mehr ertragen habe wie sie über dich gesprochen und dich behandelt hat.“ Matt seufzte und fuhr sich über das Gesicht. Tai hatte also mit Sakuya Schluss gemacht – wegen IHM! Warum hatte Tai das nicht schon zwei Jahre früher machen können. Am besten wäre es ja gewesen, wenn er erst gar nicht mit ihr zusammen gekommen wär. Dann wäre alles wahrscheinlich anders verlaufen. Er würde heute vielleicht nicht hier sitzen, sondern mit seinen alten Bandkollegen in irgendeiner Bar und ihm hätten zwei Jahre mit Tai nicht gefehlt. „Hey, alles in Ordnung? Du siehst so bedrückt aus. Ich dachte du würdest dich erleichtert fühlen?“, fragte Tai ein wenig verwirrt. „Warum erleichtert?“ „Weil du sie jetzt nicht mehr sehen musst.“ „Ah, das stimmt. Ja, wenn du es so haben willst, dann bin ich erleichtert.“ Matt versuchte sich ein Lächeln auf die Lippen zu zwingen, was mehr schlecht als recht gelang. Dass Sakuya nun die fliege gemacht hatte war sicherlich toll. Keine Beschimpfungen oder Bloßstellung mehr. Seine Freundschaft mit Tai würde dadurch um einiges einfacher werden. Ändert aber weiterhin nichts dran, dass der Blonde auf Tai stand und dieser stock-hetero war. „Ich habe uns übrigens noch einen Film mitgebracht“, sagte Tai nun und wühlte in seiner Tasche. „'46-okunen no Koi'. Den können wir doch jetzt angucken, nachdem du dir deinen kleinen Bauch vollgeschlagen hast. Also hol' uns am besten was zu trinken und dann ziehen wir uns den Film rein.“ „Tai... der Film naja... ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist“, sagte Matt und wurde immer leiser. Was zum Henker dachte sich sein Freund nur dabei so einen Film anzuschleppen?! „Ja? Was ist damit? Ich finde den künstlerisch genial.“ Kapitel 16: Überraschung im Elternhaus -------------------------------------- Matt saß auf seinem Sofa mit einem Keks im Mund, auf welchem er bereits seit einigen Minuten darauf herum kaute. Er musste zugeben, dass die Kekse auf jeden Fall besser schmeckten als das chinesische Essen. Nach Essen war ihm eigentlich gar nichts zu Mute, aber er musste irgendetwas tun, um sich von seiner Nervosität abzulenken, da er nicht der einzige auf dem Sofa war. Tai saß viel zu nah an ihm und schaute gebannt den Film, den er da mitgebracht hatte. Ok, man musste jetzt hier anfügen, dass es KEIN Schwulen-Porno war. Gott sei Dank, das wäre ja noch schöner gewesen! Aber nichts desto trotz... schwul, eingepackt in verwirrtem Kunstkram! Tai war so ein Idiot. 'Das macht der doch mit Absicht', dachte Matt in sich hinein, als er eine bereits weiche Stelle des Kekses aß. „Woha, der Regisseur ist echt genial“, juchzte der Braunhaarige und nahm sich ebenfalls einen Schokokeks. „Wie findest du den Film, Matt?“ „Geht so...“, nuschelte Matt und sah unauffällig zur Seite. „Was ist los? Geht es dir nicht gut oder warum bist du so still?“, fragte Tai nun mit einer leicht besorgten Stimme. „Soll ich gehen?“ „Nein, nein, mir geht es prima!“, sagte Matt und schüttelte seinen Kopf. „Sag mal, Matt, ich wollte dich die ganze Zeit schon was fragen“, platzte es wie aus dem Nichts aus dem Braunhaarigen heraus. „Wa- Was denn?“ „Bist du jetzt glücklich?“ „Was?“, fragte Matt überrascht und sah Tai verdutzt an. „Was genau meinst du damit?“ „Naja“, fing Tai an und kreuzte seine Arme hinter dem Kopf. „Du hast deinen Traum doch erfüllt, oder? Deswegen wollte ich dich das fragen.“ „Hm, ich denke schon das ich glücklich bin“, antwortete der Blonde mit einer hochgezogenen Augenbraue. „Bist DU denn glücklich?“ „Natürlich! Ich kann studieren, spiele nebenbei weiterhin Fußball, habe Freunde, mit denen ich was unternehmen kann und...“, sagte Tai und hielt für einen kurzen Moment inne, „ich kann hier neben dir sitzen und mich mit dir unterhalten. Es gibt nichts, was mich im Moment glücklicher machen könnte.“ „I- Idiot!“, stammelte Matt. „Wie kann man nur so einfach gestrickt sein?!“ „Was denn? Ist doch die Wahrheit. Hätte man mich das vor einigen Wochen gefragt, würde ich nicht so einfach sagen können, dass ich glücklich bin. Doch jetzt bin ich es. Aber Matt, versprich mir eines.“ „Was denn?“, fragte der Angesprochene und rückte ein Stück weiter weg von Tai, da sich dieser zu ihm gedreht hatte. „Verschwinde bitte nicht wieder. Ich habe dich ein Mal gehen lassen, aber ein zweites Mal werde ich das nicht zulassen.“ Matt sah wie der Wuschelkopf ihm seine Hand mit einem ausgestreckten kleinen Finger hinhielt und ihn ernst ansah. „Ist ja gut, nun schau deinen Film weiter!“ „Oke“, schmollte Tai und widmete sich wieder der Flimmerkiste. Matt lugte unauffällig zu seinem Sitznachbarn herüber. War Tai etwa beleidigt, weil er nicht weiter auf die Sache eingehen wollte? Hätte er ihm etwa ebenfalls seinen kleinen Finger reichen sollen und sie miteinander verhaken, um das Versprechen zu besiegeln? Pinky Promise? So etwas macht man doch nur, wenn man ein kleines Kind ist. Na toll, auf einen schmollenden Tai hatte er aber auch keine Lust. Das würde dann Ewig so weitergehen, bei dem Sturkopf. Kaum hörbar seufzte der Blonde und fuhr sich durch die Haare. „Tai?“, fragte Matt und wartete auf eine Antwort, die jedoch nicht kam. „Tai, hey, ich ruhe mich Morgen und Übermorgen noch aus, aber wenn du willst können wir in zwei Tagen in den Park gehen und ein bisschen Laufen. Ich muss zwar keine beschissene Sportprüfung machen, aber so ein bisschen Bewegung kann nicht schaden.“ „Hmmm“, grummelte Tai und sah weiter auf den Bildschirm. „Du würdest eh nicht kommen, so faul wie du bist.“ „Ach iwo. Du wolltest doch mehr Zeit mit mir verbringen. Ich verspreche dir, dass ich eine Runde mit dir Laufen werde. Aber nur eine.“ Tai war nun derjenige, der aus seinem Augenwinkel zu seinem Freund sah und ein Lächeln auf die Lippen bekam. Just war es nämlich der Blonde, der ihm seine Hand mit dem ausgestreckten kleinen Finger hinhielt. „Aber übertreibe es nicht“, sagte Tai mit einem besorgten Unterton und verhakte seinen Finger mit dem von Matt, während er weiter auf den Bildschirm sah. „Iss vorher genug und komm erst dann.“ „Das werde ich“, lächelte der Blonde ihn an und besah sich seine Hand, die immer noch mit der von Tai verbunden war. „Kann ich deine Hand noch ein bisschen halten?“, fragte der Braunhaarige frei heraus. 'NEIN!' „Mach, was du nicht lassen kannst“, antwortete Matt instinktiv. 'Shit, shit, shit!', dachte Matt und biss sich auf die Unterlippe. 'Du bist so ein Trottel. Warum tu ich mir das nur selber an?! Ich habe doch nein gesagt... gedacht... gesagt... ach egal!' Matts Blick verharrte starr nach vorne gerichtet, während er versuchte das wilde Klopfen in seiner Brust zu verdrängen. Das konnte doch alles nicht war sein. Wieder mal selber in die Scheiße geritten. Egal was Tai damit beabsichtigte, es tat Matt im Moment nichts Gutes. Ganz im Gegenteil. Sein Herz pochte immer wieder hart gegen seinen Brustkorb und verursachte ein schreckliches Gefühl in ihm, was eigentlich hätte schön sein sollen. Doch das war es nicht, nicht für den Blonden. Alles, was er hoffen konnte war, dass Tai nichts merkte. Doch dieser war bereits damit beschäftigt die ganz Hand von Matt zu umfassen und sie zu drücken. 'Das ist doch jetzt nicht wahr!', schrie Matt innerlich und schloss für einen kurzen Moment die Augen. So unauffällig wie es ging sah der Blonde wieder zur Seite, um zu testen, ob das wieder mal so eine Verarsche von Tai war, wie dieser es früher gerne gemacht hatte. Doch was er da sah ließ ihn für einen kurzen Moment den Atem stocken. Tai hatte seinen Blick weiterhin auf den Film fixiert, doch seine Lippen umschmeichelte ein seliges Lächeln. Machte ihn das etwa so glücklich?! Machte es Tai wirklich so glücklich einfach nur in seiner Nähe sein zu können und seine Hand für ein paar Minuten zu halten? War das Früher auch so gewesen? Matt drehte seinen Kopf von Tai weg und kniff seine Augen zusammen. Warum war ihm jetzt nach Heulen zumute? Wie aus Reflex fing nun auch er an die ihm gebotene Hand zu drücken. „Ich glaube ich geh nach Hause“, sagte Tai auf einmal und löste den Griff. „Es ist schon nach 12 und du solltest wieder ins Bett gehen und dich ausruhen.“ Matt sah ihn wie aus allen Wolken gerissen an und nickte dann stumm. Was zum Geier ist denn jetzt falsch gelaufen? „Ja, das denke ich auch. Bleibt es bei dem Treffen in zwei Tagen?“, fragte Matt mit einer merkwürdigen Stimme nach. „Na klar, ich werde dir eine SMS schreiben und dir sagen, wo wir uns treffen. Aber... ist das auch ok?“ „Warum fragst du? Mir geht es bereits besser.“ „Nein, ich meine nur...“, sagte Tai leise. „Ach egal, wir gehen einfach dort hin, wo kaum Menschen sind.“ Matt nickte abermals und stand vom Sofa auf, um Tai, der es anscheinend sehr eilig hatte, in den Flur zu begleiten. Dieser zog sich flink seine Schuhe an und schulterte seine Tasche auf. Mit einem für ihn typisches Grinsen winkte er Matt kurz zu und verließ dann die Wohnung. Matt, der ebenfalls seine Hand gehoben hatte, betrachtete nun diese. Er hatte irgendwas falsch gemacht, doch was war es gewesen? Verärgert biss er seine Zähne schmerzhaft aufeinander und ließ seine Hand nach unten fallen. Wieder einmal Mist gebaut, aber diesmal wusste er nicht was für einen Mist. Zudem hatte Tai auch noch den Film vergessen, da dieser weiterhin im DVD-Spieler lief und das Wohnzimmer mit leisen Geräuschen erfüllte. Tai stand währenddessen wie außer Atem vor dem Apartmentkomplex. Er war praktisch aus der Wohnung geflüchtet. Er hatte genau das gemacht, was er Matt verboten hatte. Er war weggerannt. Wie in Trance sah er auf die Hand, die einige Augenblicke zuvor noch in der von Matt gelegen hatte. Es hatte sich gut angefühlt diese halten zu können. Sie war warm gewesen und weich und weckte so viele Erinnerungen in ihm. Dann auf einmal als der Blonde seine Hand fester drückte schien etwas in dem Braunhaarigen Klick zu machen und er wusste nicht genau warum, aber er musste aus der Wohnung raus. Mit einem schlechten Gewissen hatte er eine Entschuldigung gestammelt, sich seine Sachen geschnappt und war weg gerannt wie ein kleines Mädchen. Matt musste ihn für einen völligen Deppen halten oder noch was schlimmeres. Wer weiß, was der Blonde nun dachte, nach solch einer Aktion. Mit einem schweren Seufzen machte er sich auf zur U-Bahn-Station, um nach Hause zu fahren. Er würde Morgen seine Eltern und Kari besuchen, da diese wieder aus dem Urlaub zurück waren. Sie würden sicher merken, dass irgendwas passiert war und ihn ausfragen. Neugierige Sippe, konnte man da nur sagen. In Gedanken stieg er in die U-Bahn und fuhr nach Hause. Was war nur mit ihm los? Er war doch derjenige gewesen, der die Initiative ergriffen hatte und dann wie von der Tarantel gestochen verschwand, als Matt seine Geste erwiderte. Immer wieder besah er sich seine Hand und hob eine Augenbraue. Der nächste Tag verlief für Tai nicht anders. Er war mit diesen Gedanken ins Bett gegangen und ebenso aufgestanden. Immer wieder schweiften seine Gedanken zu Matt und dessen überrumpelten Gesichtsausdruck, als Tai gehen wollte. Für einige Stunden jedoch musste er diese Gedanken beiseite schieben und sich auf das Bevorstehende konzentrieren. Langsam hob er seinen Arm und betätigte die Türklingel. Oh Gott, hoffentlich hatten sie ihm keine tausend Souvenirs mitgemacht. „Taichi!“, schrie ihm die Person, welche die Tür geöffnet hatte, entgegen. „Komm rein und lass dich ansehen. Kari, Susumu, Tai ist da!“ Seine Mutter hatte ihn praktisch in die Wohnung gezogen und umarmt. Mit einem gekonnten Fußtritt schloss sie die Tür wieder und besah sich ihren Sohn. „Wir haben uns ewig nicht mehr gesehen. Bist du noch mehr gewachsen oder bilde ich mir das nur ein?“ „Das bildest du dir ein, Mama“, lachte Tai und befreite sich aus der Umarmung. „Hallo, Papa.“ „Hey, mein Sohn“, sagte dieser und klopfte ihm auf die Schulter. „Kari kommt gleich, sie wollte sich nur noch was anderes anziehen. Sie ist erst vor einer halben Stunde aufgestanden, hat die ganze Nacht durchgemacht und nun den ganzen Tag geschlafen.“ „Die kleine Schlafmütze“, grinste Tai und zog sich seine Schuhe aus. „Und wie war es im Urlaub? Habt ihr viel Spaß gehabt?“ „Oh ja, es war unglaublich warm und das Essen erst! Aber das erzählen wir dir später. Komm erst mal rein!“, sagte seine Mutter und brachte ihm ein Glas Cola aus der Küche, welches sie auf den Wohnzimmertisch stellte. Sein Vater setzte sich auf den eingesessenen Sessel und schlug seine danebenliegende Zeitung auf, die er anscheinend vor dem Klingeln gelesen hatte. „Du solltest dich hier öfters blicken lassen. Dann würde deine Mutter nicht jedes mal so einen Trubel machen, wenn du herkommst“, sagte Tais Vater der die Zeitung vor sein Gesicht hielt. „Trubel?“, fragte Tai verwirrt und setzte sich auf die Couch. „Sie kocht ein Festessen mit allem, was wir in Nagasaki gekauft haben.“ „Sei doch froh, dann kriegen du und Kari mal was Ordentliches zu essen.“ Man hörte nur ein leichtes Grummeln hinter der Zeitung hervorkommen und ein angedeutetes Schulterzucken, soweit man das beurteilen konnte. Tai gab sich mit diesem nichtssagenden Kommentar zufrieden und wollte gerade die Cola nehmen und einen Schluck trinken als ihm seine kleine Schwester um den Hals fiel. „Tai! Ich habe dich vermisst“, jauchzte sie und gesellte sich zu ihm auf das Sofa. „Wie geht es dir?“ „Besser, wenn ich was trinken darf“, scherzte er und stupste seiner Schwester an die Stirn. „Tai, wir haben dir ganz viele Souvenirs mitgebracht“, sagte sie und lachte ihn an. „Die werden dir sicher gefallen.“ „Sicher werden sie das“, grinste Tai schief und lehnte sich nach hinten. „Du bist gewachsen.“ „Hm nein, nicht wirklich“, seufzte sie und hielt ihre Hand zur Verdeutlichung über ihren Kopf. „Nicht mal einen Zentimeter.“ Aus dem kleinen Mädchen war mittlerweile eine junge Frau geworden, die bereits einige Liebesbriefe in ihrem Schuhschrank in der Schule vorgefunden hatte. Für große Brüder war es immer schwer festzustellen, dass die kleine Schwester nun zur Frau wurde, doch für Tai schien das kein Problem zu sein. „Ich meinte auch dort“, sagte Tai und zeigte auf ihre Oberweite. „Perversling“, sagte sie und gab ihm eine angedeutet Kopfnuss. „Das kannst du mit Sakuya machen.“ „Hmmm“, seufzte Tai und sah nach unten. „Was ist denn los, Taichi? Du siehst so bedrückt aus“, sagte seine Mutter, die mit Snacks beladen ins Wohnzimmer kam. „Haben du und Sakuya sich gestritten oder was ziehst du da für ein Gesicht. Ich habe gerade ihren Namen fallen hören.“ „Naja“, fing der Braunhaarige an und kratzte sich am Kopf. „Wir haben uns getrennt.“ Das schien nun auch seinen Vater zu interessieren, denn dieser schielte über die Zeitung hinweg zu seinem Sohn. Kari und seine Mutter waren aus allen Wolken gefallen und sahen ihn mit schockierten Gesichtern an. „Aber warum denn? Sie war doch so hübsch und sie war immer nett zu mir“, sagte Kari und wollte nun eindeutig mehr wissen. „Ja, zu dir war sie nett“, nuschelte der Braunhaarige und nahm wieder einen Schluck von der Cola. „Aber nicht zu... Matt.“ „Matt? Der Matt?“, fragte seine Mutter verwundert, während sie Chips und Knabberstangen auf den Tisch stellte. „Ja~ 'der' Matt“, bestätigte Tai und seufzte. „Was hat er denn damit zu tun? Ihr habt euch doch seit Jahren nicht gesehen... nicht nachdem...“, sagte Kari und sah Tai traurig an. „Naja, es ist so einiges passiert“, antwortete der Braunhaarige und fing an von dem zu erzählen, was in den letzten beiden Wochen passiert war. Seine ganze Familie hörte seiner Erzählung zu und Karis Augen wurden immer größer, was nichts Gutes bedeuten konnte. Ihre Neugier konnte man nicht so einfach befriedigen, wenn sie erst einmal diesen Blick drauf hatte. „Dann sind du und Matt also wieder Freunde? So einfach?“, harkte sie nach. „Hm... ich denke schon... so einfach“, grinste er sie an und nahm sich eine Knabberstange. „Deswegen kann man dir also nicht das Grinsen aus dem Gesicht wischen“, stellte sein Vater fest. „Hm?“, fragte Tai mit vollem Mund nach. „Nja, wenn man sich von seiner Freundin trennt erwartet man eigentlich einen übermüdeten und deprimierten Menschen, doch du siehst nicht sonderlich danach aus, was wohl Matt zu verdanken ist“, stellte sein Vater fest und las weiter in der Zeitung. „Wow, das ist echt Schicksal“, lachte Tais Schwester. „Wie meinst du das?“ „Nja du bist wieder mit Matt befreundet und nun rate mal, wer heute noch kommt?“ „Uhm, keine Ah-“, sagte Tai, der seinen Satz wegen der Türklingel jedoch nicht beenden konnte. „Ah, da ist er ja schon“, sagte Kari und ging zur Tür. Aus der Ferne konnte Tai eine männliche Stimme hören, die ihm mehr als nur bekannt vorkam. Das konnte doch nicht sein! Freudig stand er auf und ging zum Eingangsflur um den Besucher zu begrüßen. „Takeru, lange nicht mehr gesehen“, sagte Tai und reichte dem angesprochenen seine Hand. Vor Tai stand ein junger Mann, der beinahe so groß war wie er selber. Es waren nun auch schon beinahe zwei Jahre als sich die beiden das letzte mal gesehen hatten. Tai hatte durch Telefonate und gelegentliche Besuche mitbekommen, dass er und Kari ein Paar waren, doch hatte er den Jungen selber nicht mehr gesehen. „Taichi? Oh WOW, das gibt es doch nicht“, lachte TK und erwiderte die Geste. „Was machst du denn hier?“ „Ich besuche MEINE Familie und was machst DU hier?“ „Ich besuche MEINE Freundin.“ „Ah, stimmt ja“, sagte Tai und schlug sich die Hand vor die Stirn. „Beinahe vergessen. Na los, komm schon rein.“ „Hey TK, willst du mal was ganz Verrücktes hören?“, fragte Kari hinter dem Rücken ihres Bruders. „Was denn?“ „Tai und Matt haben wieder Kontakt.“ „Was?“, fragte Takeru verwundert. „Taichi, ist das wahr?“ „Wenn sie es sagt, muss es ja wohl stimmen.“ „Nein wirklich, ist das wahr?“ „Ja, ist es.“ „Aber wie... wann... wo?“ Tai seufzte und setzte sich wieder auf die Couch. Er wollte die Geschichte nicht zweimal erzählen müssen. „Wir reden nachher mal miteinander, ja?“, versicherte ihm Tai. „Belassen wir es vorerst damit.“ „Na, wenn wir das jetzt geklärt haben, können wir doch essen“, sagte Frau Yagami und ging in die Küche. „Los, Kinder, bevor ich es mir anders überlege.“ Alle folgten ihr in die Küche und setzten sich auf die freien Stühle. Das Essen sah wirklich grandios aus und man musste sich beinahe zurückhalten nicht alles auf einmal zu verschlingend. Mit Freude hörten sich TK und Tai die Urlaubsgeschichten an. Auch Tai erzählte, wie es mit der Uni und dem Fußball lief. Im großen und ganzen war es ein schöner Abend gewesen, den Herr Yagami mit einer Flasche Asahi Bier ausklingen ließ und seine Mutter und Kari mit dem Abwasch, den sie freiwillig übernahmen. Tai ging derweilen mit TK in sein altes Zimmer und setzte sich auf das Bett. Seine Mutter schien ab und an hier sauber zu machen, denn es war kaum Staub zu sehen. Mit einem wohligen seufzen ließ er sich nach hinten fallen und fasste sich an den Bauch. „Ich glaube ich kann eine Woche lang nichts mehr essen“, sagte Tai und lachte. „Geht's dir auch so?“ „Tai... du und Matt ihr seit also wieder befreundet?“, fragte TK und setzte sich neben ihn aufs Bett. „Ja“, sagte Tai ernst und sah zu TK. „Ist das schlimm oder warum benimmst du dich so?“ „Nein, es ist nur... jedes Mal, wenn ich dich erwähnt habe, wurde Matt eiskalt und hat alles abgeblockt.“ „Ist das so?“ „Tai“, fing Takeru an und machte eine längere Pause, „ich weiß, was damals passiert ist.“ „Was?“, fragte Tai verwundert und setzte sich wieder auf. „Hat Matt es dir erzählt?“ „Nein, es war Satoshi und keine Angst, Kari weiß nichts davon. Ich glaube du hast ihr und deiner Familie nur erzählt, dass ihr euch gestritten und auseinandergelebt habt oder irgend so was war es, meiner Erinnerung nach. Kari hat mir jedenfalls immer nur gesagt 'wie kann man sich nur so streiten und dann die Freundschaft beenden'. Mehr wusste sie anscheinend nicht.“ „Nein, ich habe ihr auch sonst nichts darüber gesagt und du hast es also von Satoshi gehört?“ „Ja, die ganze Story. Ich habe Satoshi vor vielleicht anderthalb Jahren in der Stadt getroffen und wir sind einen Kaffee trinken gegangen. Da hat er mir all das erzählt, wovon er wusste auch, dass Matt in dich naja...“ „Verliebt war?“ „Mhm... nun naja, er hat es mir persönlich nie gesagt. Um ehrlich zu sein habe ich ihn einmal gefragt, ob das stimmt.“ „Und was hat er gesagt?“ „Nichts“, lachte TK mit verzerrtem gesicht. „Er hatte sich verabschiedet und sich dann Wochenlang nicht gemeldet. Seither habe ich versucht dich nicht zu erwähnen. Aber jetzt... jetzt seit ihr wieder Friede-Freude-Eierkuchen oder wie muss ich mir das vorstellen?“ „Also so ganz nicht. Es ist etwas merkwürdig wieder mit ihm zu reden und so, aber ich würde sagen, dass wir auf einem guten Weg sind.“ „Dann ist er also... normal, wenn ihr zusammen seit?“ „Was meinst du mit normal?“ „Er“, seufzte TK hörbar. „Ist nach der ganze Geschichte von damals irgendwie anders geworden. Vor allem nach seinem Debut. Mir gegenüber war er eigentlich so wie immer, aber wenn ich ihn mit anderen Menschen reden sah, kam er mir vor wie eine andere Person.“ „Das hat Berühmt sein wohl so an sich. Man versucht sich von den Leuten zu distanzieren, damit man nicht angegriffen wird. So ähnlich kann ich mir das jedenfalls vorstellen.“ „Hm vielleicht, aber er kam mir eine ganze Zeit lang so merkwürdig vor, als ob er alles bereuen würde.“ Tai sah zur Decke und dachte daran wie ihr erstes Gespräch nach zwei Jahren verlaufen war. Ja, Matt war distanziert und kalt gewesen. Anders als der Matt den er früher gekannt hatte. Aber jetzt war das nicht mehr so. Nach einigen Stunden des Redens war er eigentlich beinahe der Alte, dachte Tai. „Ich habe mir eine Zeit lang ziemliche Sorgen um ihn gemacht. Besonders, wenn er diesen abwesenden traurigen Blick im Gesicht hatte, wenn er sich unbeobachtet fühlte. Ich wette mit dir, dass das alles wegen dir war.“ „Na danke“, grinste Tai schief. „Ich kann mir ein besseres Kompliment vorstellen.“ „Warum seit ihr eigentlich wieder Freunde?“ „Ich wollte es. Er ist damals gegangen und hat das getan, was er wollte. Ich bin glaube ich einfach nur schwach, wenn man es so sehen mag. Ich bin ihm schlussendlich doch nachgelaufen - viel zu spät aber besser als nie“, lächelte Tai. „Ich bin derjenige, der nicht ohne ihn zurecht kommt.“ „Das sehe ich nicht so.“ „Ja?“ „Ja, ich glaube er hat dich jeden einzelnen Tag vermisst und ich glaube, dass wenn er...“, TK hielt in seinem Satz inne und sah nach unten. „Was wenn er?“ „Tai, versteh das jetzt nicht falsch, aber wenn Matt damals wirklich ein bisschen in dich verliebt war“, nuschelte der Blonde und machte eine lange Pause, „denkst du nicht, dass er es immer noch ist?“ „Wie kommst du da drauf?“, fragte Tai verwundert. „Das ist zwei Jahre her. Denkst du wirklich, dass man nach zwei Jahren noch so für jemanden empfindet obwohl man zu dieser Person nicht mal mehr Kontakt hat? Das bezweifle ich.“ „Tai, ich will da jetzt keinen Gedanken in deinen Kopf pflanzen, der vielleicht falsch ist, weil Matt mit mir nie drüber geredet hat. Aber ich bin immer noch sein Bruder und ich habe dieses Gefühl, dass wenn es nicht so wäre, er sich anders verhalten würde. Er hätte sicher irgendwann mal über dich geredet oder eine Erinnerung von dir mit mir Geteilt, doch seine Lippen waren stets versiegelt. Es war als ob er dich vergessen wollte, aber nicht kann.“ „Das ist Schwachsinn, TK“, sagte Tai und winkte diesen Behauptung ab. „Das würde er mir doch sagen.“ „Bist du echt so dumm? Ich meine, das ist mein Idee, aber guck doch mal: wenn ich Matt wäre, würde ich kein Wort drüber verlieren aus Angst irgendwas wieder kaputt zu machen.“ „TK das ist-“ „Tai, ich sage nicht, dass es stimmt, ich sage dir nur, was ich die letzten zwei Jahre empfunden habe, wenn ich mit meinem Bruder zusammen war. Wie er sich verhalten hat, wie er sich verändert hat. Er hatte keine einzige Beziehung! Ich wüsste nicht mal von einer Affäre oder Ähnlichem. Findest du das nicht komisch? Tai, ich will nur, dass wenn du wieder mit ihm befreundet bist, du diesen Gedanken, so absurd er vielleicht auch ist, nicht verdrängen solltest. Ich kann wie gesagt falsch liegen und mir einfach nur was einbilden, aber ich will nicht, dass mein Bruder wieder so eine Scheiße baut wie mit dir damals.“ „Ich habe da bisher noch nicht drüber nachgedacht und ehrlich gesagt ist es egal, ob er in mich verliebt ist oder nicht. Das würde nichts zwischen uns ändern. Ich würde das nicht zulassen“, sagte Tai und ballte seine Faust aus Frust. „Vielleicht ist genau das der Fehler gewesen“, seufzte TK. „Ich habe damals darüber nachgedacht und so wie ich Matt kenne ist er gegangen, weil er nicht mehr in deiner Nähe sein konnte, wegen diesen Gefühlen und weil er wusste, dass du sie nicht erwidern hättest können, sondern einfach weiter mit ihm befreundet geblieben wärst. Er war doch noch nie jemand gewesen, der seine Gefühle offen nach außen trägt und sagt, was sich in seinem Kopf abspielt. Wenn er Probleme hat dann frisst er diese in sich hinein und versucht sie selber zu lösen. Vielleicht tat es ihm damals zu sehr weh zu sehen wie du mit deiner Freundin glücklich warst und er es nicht konnte. Und vielleicht tut es ihm jetzt auch wieder weh und frisst alles in sich hinein.“ „TK, bitte hör auf“, sagte Tai forsch und fuhr sich mit der rechten Hund über das Gesicht. „Gut, ich höre damit auf“, sagte TK und legte sich auf das Bett neben Tai. „Tut mir leid, dass ich mich so in Rage geredet habe.“ „Nein, ich kann mir vorstellen, dass dir das schon lange auf der Seele lag. Es ist gut, dass du es mir erzählt hast.“ „Nein, ich hab dir deine Stimmung versaut. Du wolltest nur deine Eltern und deine Schwester besuchen und mit ihnen ein bisschen Zeit verbringen und ich rede mit dir über solche Sachen“, sagte TK und sah Tai auf einmal ernst an. „Tust du mir aber trotzdem einen gefallen?“ „Welchen denn?“ „Pass bitte gut auf Matt auf. Ich sehe ihn nicht so oft und frage mich andauernd, was er für einen Mist baut. Ich komme mir ehrlich gesagt ab und an wie der große Bruder vor und nicht wie der kleine.“ „Keine Sorgen, ich passe schon auf ihn auf.“ Kapitel 17: Das ist doch alles nicht wahr! ------------------------------------------ „Ok, wo zum Henker fahren wir hin?“, fragte Matt in einem müden Ton, als er neben Tai in einem gemieteten schwarzen Auto saß. „In den Wald“, sagte dieser völlig normal und grinste ihn komisch an. „Bitte was? Willst du mich dort umbringen und verscharren?“ „Meine Güte, Matt, reg dich ab! Wir können ja wohl kaum in einen Park gehen wo hunderte von Menschen sind! Hast du dir mal das Wetter angesehen? Das schreit gerade zu nach Außenaktivitäten.“ Für Matt viel zu früh hatte Tai ihn von seinem Apartment abgeholt und ihn zu einem Auto geschoben. So hatte er sich den Beginn des Tages nicht vorgestellt. Die Sonne brannte viel zu heiß vom Himmel und man konnte wohl nicht damit rechnen, dass eine Wolke die gewünschte Abkühlung bringen würde. 'Hm, Tai benimmt sich so wie immer', dachte Matt und schaute aus dem Beifahrerfenster. „Und hast du auch brav gefrühstückt, so wie ich es dir gesagt habe?“ „Wie denn? Ich kriege Mitten in der Nacht eine SMS, in der steht 'bin in einer Stunde bei dir und hole dich an'. Denkst, ich hatte da Zeit zum essen?“ „Matt“, lachte Tai und sah ihn kurz an. „Ich habe dir die SMS gestern Abend geschrieben und jetzt ist es 8 Uhr früh. Du hattest Weißgott genug-“ „Ist ja gut“, seufzte Matt und besah sich das gemietete Auto nun genauer. „Ich habe mir so was schon gedacht und was zu Essen eingepackt. Wenn wir da sind, frühstücken wir erst einmal.“ Matt nickte zustimmend und sah wieder nach draußen. Tai hatte wahrscheinlich wirklich vor aus der Stadt zu fahren. Wenigstens hätten sie dort ihre Ruhe und würden nicht belagert werden von nervigen Fangirls. Der Blonde hatte sich die letzten beiden Tage die ganze Zeit gefragt, was mit Tai los gewesen war. Er war so überstürzt gegangen – er war weggerannt, so wie er es immer getan hatte. Doch was war verflucht nochmal der Grund gewesen? Es konnte ja wohl kaum der Selbe gewesen sein wie bei Matt. Der Gedanke kam Matt einfach nur zu lustig vor und so lachte er kurz in sich hinein. Eher würde der Papst protestantisch werden! „Was ist denn so lustig?“, fragte Tai. „Ich will mitlachen.“ „Es ist nichts. Ich musste nur an etwas denken“, antwortete der Blonde. „Wie lange fahren wir?“ „Nicht sehr lang. Vielleicht noch eine halbe Stunde“, sagte Tai und setzte nach einer kurzen Pause erneut an. „Ich war Vorgestern bei meinen Eltern und... und Takeru war auch da.“ „Takeru? Mein Bruder?“ „Ja, soweit wir beide keinen anderen mit den Namen Takeru kennen?“ „Was hat er denn dort gemacht?“ „Uhm... meine Schwester besucht, würde ich mal so sagen.“ „Ach, ist das so?“, sagte Matt nachdenklich. „Und sonst? Wie geht es ihm?“ „Anscheinend gut. Wir haben uns ein bisschen“, Tai machte wieder eine kurze Pause und schien zu überlegen, „unterhalten und gegessen wie die Fürsten. Meine Mutter hat mal wieder gekocht wie eine Irre.“ „Ist sie denn mittlerweile von ihrem Ökotrip runter?“ „Schon lang. Mein Vater und Kari sind vor einem Jahr in den Hungerstreik getreten und seither kocht meine Mutter nichts mehr, was auch nur annähernd ihrem alten Ökofraß ähnelt.“ „Ah so?“, sagte Matt und sah aus dem Fenster. „Und TK? Worüber habt ihr euch, naja, unterhalten?“ „Über nichts wichtiges. Wir hatten uns lange nicht gesehen, von daher haben wir Erinnerungen aufgefrischt“, log Tai ohne mit der Wimper zu zucken. 'Meine Güte, ich kann ihm ja wohl kaum die Wahrheit sagen, worüber wir uns unterhalten haben!' Tai bog in die nächste Hauptstraße ein und nutzte die Gelegenheit, um Matt aus dem Augenwinkel ansehen zu können. Der Blonde schien in Gedanken versunken zu sein. Wenigstens schien es ihm wieder besser zu gehen, denn seine Gesichtsfarbe war wesentlich gesünder als sie vor zwei Tagen war. Vor zwei Tagen... na toll. Er hatte beinahe jede freie Minute damit zugebracht über seine strohdoofe Aktion nachzudenken. Der Blonde schien es ihm nicht übel zu nehmen, oder jedenfalls tat dieser so - denn er hatte kein Wort darüber verloren. In Kombination mit TKs Worten, die mehr oder weniger diesen Gedanken, dass Matt immer noch in ihn verliebt war, in seinen Kopf gesetzt hatten, machte es die Situation nicht einfacher. So muss sich wohl auch Stephen Hawking gefühlt haben, als sich die Idee der notwendigen Existenz von Singularität in der allgemeinen Relativitätstheorie in seinen Hirn festgesetzt hatte und er es einfach nicht mehr verwerfen konnte. Glücklicher Mann – er konnte das wenigstens beweisen. „Was guckst du so komisch, Tai?“ „Habe gerade an Stephen Hawkings gedacht“, sagte der Angesprochene und merkte erst nach einigen Sekunden was er da von sich gegeben hatte. „Uhm, soll ich das Radio anmachen?“ „Tai, du bist ein Freak, weißt du das?“ „Ja~, ich weiß“, grinste der Braunhaarige und schaltete das Autoradio an. Der Wageninnenraum wurde von leisen Melodien erfüllt, die nicht genug Ablenkung schenkten, aber dafür eine unangenehme Stille durchbrachen. Irgendwas musste sich Tai einfallen lassen. Dieser dumme Gedanke wollte einfach nicht mehr aus seinem Kopf. 'Er hatte keine einzige Beziehung! Ich wüsste nicht mal von einer Affäre oder Ähnlichem. Findest du das nicht komisch?' hatte TK ihm aufgeregt erzählt. Ok, das war wirklich komisch. Ist ja nicht so, dass Matt keine Frau abbekommen würde. Frau... Frau? Mann? Was eigentlich? War Matt schwul, weil er mal in ihn verliebt war oder ihn vielleicht sogar noch liebte? Das würde erklären, warum dieser keine Beziehung hatte. Eigentlich konnte es ihm doch egal sein, oder? Was genau würde es schon ändern, wenn Matt immer noch in ihn verliebt wäre? Nichts! Genau! Sie würden weiterhin Freunde sein und Matt würde an den Gefühlen ersticken. „Shit“, zischte Tai leise. „Was ist? Hast du ein Eichhörnchen überfahren?“ Tai blinzelte Matt an und ihm wurde klar, dass er dies Wort laut gesagt hatte. Ein gezwungenes Lächeln legte sich auf seine Lippen und er schüttelte den Kopf. „Nein, aber wir sind da.“ „Oh, wirklich?“, fragte Matt und betrachtete sich die Umgebung. Sie waren aus dem städtischen und in das nächste halbwegs wäldliche Gebiet gefahren. Matt erinnerte sich schwach, dass er, Tai und ihre beiden Familien einmal hier spazieren waren. Da war er circa 14 Jahre alt gewesen, soweit er sich daran erinnern konnte. Es gab nicht viele solcher grünen Flächen in der Nähe Tokyos. Die bereits viel begangenen Trampelpfade führten in den kleinen Wald und hatten links oder rechts im Abstand von einigen hundert Metern Sitzbänke aus Holz. Zu Matts Überraschung parkten nur zwei andere Autos auf dem provisorisch errichteten Parkplatz. Tai fuhr zu einer freien Stelle und schaltete den Motor aus. „Siehst du, kaum einer hier. Im Stadtpark hätten die Leute dich tot getrampelt.“ „Hast recht“, nuschelte Matt und stieg aus dem Auto aus um sich die Glieder zu strecken. „Und was machen wir jetzt? Eine Runde durch den Wald laufen und dann wieder zurück?“ „Ich hab dir doch gesagt, dass wir es nicht übertreiben. Ich habe keine Lust einen Krankenwagen zu rufen, weil du dich mal wieder falsch einschätzt.“ „Tz“, sagte Matt und schnürte seine Laufschuhe enger. „Ich denke wir laufen 2 oder 3km, mehr nicht und dann können wir ja zurück gehen.“ „Was ist denn mit dir los? Du bist doch immer der Hyperaktive von uns beiden gewesen.“ „Ja, aber du bist auch derjenige, der nicht mehr durch Sport fallen kann.“ Matt grinste schief bei dieser Erinnerung und setzte sich seine Sonnenbrille auf, die er im Shirtausschnitt hatte. Unauffällig musterte er Tai, der eine Knielange dunkelbraune Sporthose und ein weißes Tanktop an hatte. Wenn es die Hölle auf Erden wirklich gibt, dann war sie hier – an einem Waldstück gelegen und mit Vogelgesängen ausstaffiert. Matt rückte seine Sonnenbrille noch ein Stück höher und ging dann Richtung Wald zum Trampelpfad. „Kommst du?“, fragte er unsicher, als er merkte, dass Tai noch immer am Auto stand. „Ja Moment“, sagte Tai und schloss die Autotür ab, um Matt hinterher zu laufen. „Da hat es aber jemand eilig.“ „Ich will das nur schnell hinter mich bringen“, sagte der Blonde als er vom Gehen zum Laufen ansetzte. „Hey hey“, lachte Tai nun. „Ich bin nicht derjenige gewesen, der das hier vorgeschlagen hat. Das warst du!“ „Ich muss kurzzeitig nicht ganz zurechnungsfähig gewesen sein“, sagte Matt schielte zu Tai. „Aber du magst das doch. Sport, meine ich.“ „Ja, aber das Frühstück. Sollten wir vorher nicht was essen?“ „Das können wir auch danach. Also komm!“ Nach gut einer Stunde waren Tai und Matt wieder beinahe an dem Parkplatz angekommen. Matt war schneller aus der Puste gewesen, als er es von sich selber gedacht hätte. Muss wohl noch an dem Stress liegen - schließlich durfte er heute Abend wieder zum Appell antreten. Oder weil er dummerweise das Frühstück auf Danach verlegt hatte. „Alles ok? Hätten wir vorher doch essen sollen?“, fragte Tai besorgt als er das fertige Gesicht seines Freundes sah. „Nein, ist in Ordnung. Wir können ja jetzt frühstücken“, grinste ihn Matt an und sah wie das Ende des Waldes in Sicht kam. „Ich hoffe du hast was Leckeres eingepackt.“ „Habe ich“, sagte Tai freudig, da er sah wie sich Matts Gesicht langsam wieder erhellte. Der Wuschelkopf fing an in seiner Hosentasche nach dem Schlüssel zu wühlen und das Auto von Weitem mit einem Klick zu öffnen. Nach einigen Schritten waren sie beide bei diesem angelangt und Tai öffnete den Kofferraum, aus welchem er eine große Kühltasche hervorzog. „Na, da ist aber jemand vorbereitet“, grinste Matt ihn schelmisch an. „Wo wollen wir essen?“ „Hm“, sagte Tai und sah sich um. Hinter dem Parkplatz war ein kleiner Hügel und hinter diesem eine Wiese mit einigen vereinzelten Bäumen. „Dort hinten?“ Matt sah in die Richtung, die Tais Finger wiesen und nickte daraufhin. Mit einigen Schwierigkeiten, die sie der Kühltasche zu verdanken hatten, überquerten sie den Hügel und suchten sich ein Plätzchen auf der Wiese, wo sie sich auf den Boden fallen ließen. „Ich glaube den heutigen Tag sollte ich genießen“, sagte Matt während er die Kühltasche öffnete. „Ich muss heute Abend arbeiten und weiß nicht wann ich wieder so einen Tag frei haben werde.“ „Ist das so?“, sagte Tai leicht betrübt. „Dann sollten wir vielleicht noch länger hier bleiben und das Wetter auskosten.“ „Ja“, lächelte Matt ihn an und nahm sich ein Käsesandwich. „Hast du das gemacht?“ „Wer sonst?“ „Es ist nur so -“, fing Matt an und überlegte, was er sagen sollte, „- ungewohnt. Ich meine, dass DU mal derjenige bist, der kocht und all das.“ „Tja, da kannst du mal sehen“, schmunzelte Tai und nahm sich nun auch ein Sandwich heraus. „In den letzten beiden Jahren hat sich viel verändert.“ „Ja, das hat es allerdings“, stimmte der Blonde ihm nüchtern zu und fing an sein Sandwich zu essen. 'Wenn sich meine Gefühle auch geändert hätten, wäre es perfekt.' Nach gut drei weiteren belegten Broten, einigem Obst und zwei geleerten Wasserflaschen ließen sich die beiden nebeneinander ins Gras fallen und seufzten. „Tai, bitte sag mir, dass du in Zukunft immer für mich Essen machen wirst. Das gibt mir ein gutes Gefühl der Faulheit.“ „Gerne doch“, grinste Tai ihn verspielt an und rieb sich den Bauch. „Essen nach Sport ist einfach das Beste. Ein Schläfchen würde das ganze noch abrunden.“ „Dann schlafe doch ein bisschen. Würde ich jetzt auch gerne machen.“ „Können wir das denn machen? Du musst doch zur Arbeit?“ „Ja, natürlich, es ist jetzt“, Matt sah auf sein Handy, „kurz nach 12 Uhr. Wir haben noch genug Zeit bevor ich antreten muss.“ „Gut, dann werde ich es mir mal gemütlich machen“, sagte Tai, legte sich auf seinen Bauch und nahm seine Arme als Kissen. „Am besten stellst du das Handy, bevor wir verschlafen.“ „Mach ich“, sagte Matt und tippte einige Sekunden auf dem Display herum bis er dieses neben sich ins Gras fallen ließ und ebenfalls seine Augen schloss. 'Hoffentlich kann ich überhaupt schlafen. Der Idiot musste sich ja auch genau neben mich legen!' Nach einigen Minuten öffnete Tai seine Augen jedoch wieder und sah wie Matt mit leicht geöffnetem Mund, nicht weit entfernt neben ihm, im Gras lag. Vorsichtig stützte er sich mit dem Ellenbogen ab um eine bessere Sicht zu haben. Wieder musste Tai an TKs Gehirnwäsche denken. '...wenn ich Matt wäre, würde ich kein Wort darüber verlieren, aus Angst irgendwas kaputt zu machen.' Matt hatte damals nichts direktes zu ihm gesagt und jetzt würde er das auch nicht tun, oder? Doofer Takeru und seine Flausen! Die bekam Tai doch nie wieder aus seinem Hirn heraus. Mit einem tiefen Seufzen besah er sich das schlafende Gesicht seines Freundes genauer. Die selbe Haut, die selben Augen, die selben Lippen, die selben Haare - alles war noch genauso. Nun, er sah erwachsener und männlicher aus, aber das hatte die Zeit nun mal so an sich. Zaghaft hob er seine freie Hand und strich Matt durch das blonde Haar. 'Und immer noch so weich...', dachte er und musste schmunzeln, bevor seine Hand die Haut an den Wangen erreichte. Kurz zögerte er, doch dann strich er leicht über diese. Er spürte die kleinen Härchen, welche sich dort befanden und er musste sich zurückhalten nicht weiter über diese zu streichen. 'Was würde ich tun, wenn du mich immer noch liebst?', fragte sich Tai in Gedanken. 'Dich von mir stoßen? Nein... ich glaube, nein das würde ich nicht tun.' Vorsichtig hob er seine Hand wieder und streifte wie zuvor die blonden Haare. 'Ich habe nie drüber nachgedacht. Warum eigentlich? Könnte ich mir überhaupt eine Beziehung mit einem Mann vorstellen? Sexuell? So mit Liebe und allem?', wunderte sich Tai und seufzte. 'Matt ist zwar ein Mann, aber er ist Matt, und nicht irgendein Mann. Irgendeinen Mann würde ich nie im Leben küssen. Würde ich Matt küssen? Könnte ich ihn küssen? Ich könnte, oder? Mit einem anderen Mann könnte ich mir das nicht vorstellen, doch mit ihm?!' „Was machst du da, Tai?“, fragte eine verschlafene Stimme. „Ich ähm“, stotterte der Wuschelkopf und wurde rot. „Ich habe...“ „Du hast irgendwas mit meinem Haar gemacht, das hast du“, sagte Matt in einem ernsten Ton und setzte sich auf, so dass Tai nur noch den Blick auf seinen Rücken hatte. „Ja, ich... hach shit! Kann ich dich was fragen?“, fragte der Braunhaarige unsicher. „Und was?“ „Ich wollte wissen, ob du... nein, ob ich dich... kü- kü- küssen könnte?“, fragte Tai mit einer immer leiser werdenden Stimme. „Bitte was?“, schrie Matt. „Hast du vergessen, dass ich-“ „Nein, deswegen ja.“ „Wie deswegen? Das fragt man nicht so einfach... außerdem bist du hetero, warum solltest DU gerade MICH küssen wollen?“ „Ich weiß nicht genau“, seufzte Tai und setzte sich nun auch auf. „Ich habe dir beim Schlafen zugesehen und mich gefragt wie es wäre dich zu küssen. Hör zu... es tut mir Leid, dass ich das erwähnt habe, ok? Sei nicht böse. Vergiss einf-“ Weiter kam Tai nicht, denn auf einmal hatte er die Lippen des Blonden auf seinen. Nach einer Schocksekunde fing Tai an seine Lippen leicht zu bewegen und es Matt damit gleichzutun. Der Braunhaarige konnte an nichts anderes denken, als dass es sich atemberaubend anfühlte. Matts Lippen waren weich und feucht und zitternden merklich. Hatte sich Küssen schon immer so angefühlt? Leicht zögernd strich der Braunhaarige mit seiner Zunge über Matts Lippen und bat um Einlass, der ihm auch sofort gewährt wurde. Die rechte Hand des Blonden griff in den Nacken von Tai und fing an ihn näher als er bereits schon war an sich zu ziehen. „Hn“, stöhnte Tai merklich und merkte, wie sein Herz immer schneller schlug. „Tai...“ „Hmm...“ „Tai, hey! Hey?!! „Mhm?“ „Jetzt wach schon auf, du Schlafmütze!“ „Was?!“, schrie Tai und öffnete seine Augen und sah Matt vor sich. „Was Schlafmütze?“ „Der Wecker hat geklingelt und du“, sagte Matt und sah mit einem merkwürdigen Gesichtsausdruck zur Seite, „du sabberst.“ „Was?“, fragte Tai und befühlte seinen Mund. Tatsächlich. „Tut mir leid, Matt.“ „Was tut dir Leid?“ „Dass ich... uhm... sabber?“, sagte Tai, da ihm nichts besseres einfiel. 'Was zum Henker? Ein Traum? Ich habe... im Traum...! Oh Gott, nein! Das hab ich doch nicht wirklich geträumt oder? Dieser verdammte Takeru. Das ist seine Schuld! Er hat mir den Gedanken in den Kopf implantiert, dass Matt noch immer in mich verliebt ist und dann träume ich SO ETWAS?!' „Kommst du jetzt, oder bist du noch im Traumland?“, fragte Matt und stand auf, um die Kühltasche zu packen. „Ich komme“, sagte Tai noch leicht benebelt und stand dann ebenfalls auf. 'Der Abend... als ich abgehauen bin! Als ich seine Hand gehalten habe, da hatte ich das selbe Gefühl. Dieses Herzklopfen. Oh bitte, sag mir jetzt nicht, dass es NICHT Takerus Schuld ist, dass ich so ein Zeug geträumt habe. Sondern, dass ich... ne, oder?!' Kapitel 18: Brett vorm Kopf gehabt ---------------------------------- Matt saß zwischen seinen Arbeitskollegen und besprach das Programm für die nächste Woche. Majima hatte ihm vor einigen Tagen versprochen die Termine ein wenig runter zu drehen und dies schien er auch eingehalten zu haben. Hier und da waren nur einige kleinere Showauftritte, ein Fanmeeting, und ein paar wenige Interviews. Das sollte genug Promotion für das neue Album sein. „Ich glaube, das war es dann für heute“, sagte Majima und schloss seinen Terminkalender. „Ihr könnt euch jetzt alle verziehen, wenn ihr wollt. Matt, du bleibst noch ein bisschen hier, ok?“ Matt nickte und setzte sich bequemer auf den Stuhl. Er hatte eigentlich im Moment gar keinen Nerv für das Ganze. „Ah und Miya? Vergiss nicht, dass du morgen ein bisschen eher da sein musst, wegen dem Makeup“, sagte Majima zu Matts Visagistin, bevor diese mit einem Nicken aus dem Meetingraum ging. „Also was ist?“, fragte Matt und sah seinen Manager gelangweilt an. „Hab ich irgendwas angestellt?“ „Hm, nicht wirklich“, antwortete Majima und setzte sich zu Matt. Gekonnt zog er seine Zigarettenschachtel hervor und zündete sich einen Glimmstängel an. „Ich habe mich nur gefragt... Taichi Yagami war seine Name, richtig? Ihr beide seit ziemlich dicke, oder?“ „Wie kommst du da drauf?“, fragte Matt mit einer hochgezogenen Braue. „Als ich bei dir war und dein Freund aufgetaucht ist, da warst du“, sagte Majima und nahm einen langen Zug von der Zigarette, „durch den Wind? Hm, nein, das ist das falsche Wort. Aufgeregt? Ich meine, ihr seit doch befreundet oder so was in der Art und dann ziehst du dich extra um, nur weil dein Freund kommt? Das kam mir irgendwie komisch vor.“ „Das geht dich nichts an“, seufzte Matt. „Wolltest wohl keinen schlechten Eindruck hinterlassen?“ „Bitte?“ „Eigentlich zieht man sich nur etwas anderes an, wenn man keinen schlechten Eindruck hinterlassen will. So wie, wenn man die sonst chaotische Wohnung aufräumt, wenn man weiß, dass Besuch kommt.“ „Denk doch was du willst“, sagte der Blonde schnippisch und sah beschämt zur Seite. 'Verdammter Poirot-Verschnitt! Kann der nicht wie jeder normale Mensch durchs Leben laufen und nicht auf solche Details achten?!' „Und dann habe ich mich auch noch gefragt...“ „Was denn noch?“, stöhnte Matt und warf seinen Kopf nach hinten. „Das ist das erste Mal, dass dich jemand in deiner Wohnung besucht hat. Ich finde das ein bisschen verdächtig.“ „Woher willst du das denn wissen? Hast du eine Kamera in meinem Apartment versteckt?“ „Nein, hab ich nicht“, schmunzelte sein Manager. „Aber ich hole dich jeden Tag aus deiner Wohnung ab und bin doch recht häufig dort. Von daher dachte ich mir nur, dass dich noch nie einer von deinen Freunden besucht hat.“ „Kann schon gut sein. Ich habe es nicht so gern, wenn mich Menschen stören. Und mein Apartment ist der einzige Ort, wo ich meine Ruhe habe. Du bist dort erlaubt, weil ich dich nicht mehr los werde.“ „Oi, nicht so viele Komplimente auf einmal“, lachte Majima. „Und warum durfte dann dieser Yagami in deine Wohnung, wenn sonst jeder von dort verbannt wurde?“ „Weil er...“, fing Matt an und überlegte kurz. „... er ist was Besonderes.“ „So, so. Etwas Besonderes?“, lachte Majima süffisant. „Das hast du noch nie von jemanden gesagt.“ „Gibt es sonst noch was oder wolltest du nur sinnlosen Smalltalk halten?“ „Ne, ich wollte nur wissen, ob es dir wieder gut geht und ein wenig mehr über diesen Yagami erfahren“, sagte Majima und drückte seine Zigarette im Aschenbecher aus, der auf dem Tisch stand. „Aber anscheinend geht es dir besser, sonst wärst du nicht so impulsiv.“ „Tz. Ich geh dann mal zurück und arbeite an meinen neuen Liedtext“, sagte Matt und stand auf. „Ah und Majima? Danke, dass du mir noch ein bisschen Freizeit gibst.“ „Kein Stress“, lächelte ihm Majima zu, der beobachtete wie Matt den Raum verließ. „'Etwas Besonderes'? Das ich nicht lache.“ Matt schlenderte derweilen mit beiden Händen in den Hosentaschen den Gang entlang. Seine Gedanken schweiften wie schon so oft während den letzten Stunde zu den heutigen Geschehnissen hin. Es war schön gewesen wieder Zeit mit Tai verbringen zu können. Vor allem alleine, ohne gestört zu werden. Doch gleichzeitig war es ihm vorgekommen wie die Hölle. Er wollte Tai am liebsten alles sagen, sich alles von der Seele reden, doch dann würde er das, was sie sich in letzter Zeit aufgebaut hatten, wieder zerstören. Mit geübten Fingern setzte sich Matt die Sonnenbrille auf, bevor er sein Agency-Gebäude verließ und sich auf den Weg nach Hause machte. Zum Glück musste er nur circa 5 Minuten von hier aus laufen. Es hatte eben seine Vorteile, wenn die Agency ein ganzes Wohngebäude besaß, wo ihre Künstler untergebracht waren. Während der Blonde an der Kreuzung wartete, musste er wieder an eine bestimmte Szene denken, die sich heute Mittag ereignet hatte. Sie beide waren ein wenig erschöpft vom Laufen gewesen und die leckeren Sandwiches hatten ihren Beitrag dazu geleistet, dass sie sich zu einem Nickerchen ins Gras gelegt hatten. Tai war wie immer schnell eingeschlafen und im Land der Träume gewesen. Matt jedoch hatte kein Stück schlafen können. Starr beobachtete er, wie vereinzelte weiße Wolken über sie vorbeizogen. Dass Tai schmatzend neben ihm lag und schlief war das Grauen pur gewesen. Sein Blick war immer wieder zu dem braunen Wuschelkopf geschweift, der friedlich schlief und irgendwann anfing unverständliches Zeug zu brabbeln. 'Wahrscheinlich träumte Tai von Essen', hatte sich Matt gedacht und musste leicht schmunzeln. Doch dann erstarrte sein Gesicht als er hörte, wie Tai mehr als nur eindeutige Geräusche von sich gab. Also, wenn er wirklich von Essen geträumt hatte, dann sollte er so schnell wie es ging einen Psychologen aufsuchen. Tai gab weiterhin nicht jugendfreie Laute von sich und fing leicht an zu sabbern. Matt spürte wie sein Gesicht immer heißer wurde. Das war das erste mal, dass er solche Geräusche von Tai hörte. Nervös hatte er sein Handy gesucht und nach der Uhrzeit geschaut. Das konnte nicht so weiter gehen! Das Handy würde in 13 Minuten klingeln. Scheiß auf die viertel Stunde, hatte sich der Blonde gedacht und seinen Freund ohne mit der Wimpern zu zucken geweckt. Matt musste andauernd an das Gesicht von Tai denken, als dieser aufwachte und ihn verwirrt ansah. Es schien zu sagen „warum hast du mich aus diesem mehr als guten Traum geweckt?“ 'Memo an mich: Tai nie wieder beim Schlafen zusehen', ermahnte sich Matt als er die Kreuzung überquerte und weiter in Richtung seines Apartmentkomplexes lief. Seufzend fuhr sich Matt durch die Haare. Das konnte ja noch lustig werden, wenn er sich weiterhin mit Tai traf. Er sollte wirklich aufpassen, dass er sich nicht zu sehr treiben ließ und irgendwas sagte, was ihn verriet. Der Gedanke allein daran ließ seinen Magen schmerzen. Sie waren doch wieder Freunde! Das war besser als gar nichts. Es war besser als wieder alleine mit seinen Fantasien zu sein und sich zu fragen, wie es dem Wuschelkopf ging und was dieser tat. Ja, es war besser so zu tun, als würde er nicht mehr in ihn verliebt sein. So würde nichts mehr zwischen ihnen stehen und sie konnten dort weitermachen, wo sie aufgehört hatten. Zur gleichen Zeit saß Tai am anderen Ende der Stadt im Hörsaal der Universität und hörte sich eine Vorlesung zur englischen Literatur des 19ten Jahrhunderts an. Wenn er nicht schon vorher gewusst hätte, dass dies das Thema war, hätte er es nicht mal annähernd mitbekommen. In seinem Kopf war alles wirr und durcheinander. Dieser Traum! Dieser Kuss... IM TRAUM! Nervös spielte Tai mit seinem Kugelschreiber und kritzelte ab und an geometrische Figuren auf sein Blatt. 'Du musst runterkommen, Idiot', ermahnte sich Tai abermals. 'Es war nur ein Traum. Ein verdammt guter Traum. NEIN! War es nicht. War es doch...' Tai seufzte und sah zur rechten Seite. Taka schrieb aufmerksam Notizen und lauschte der Vorlesung. Sein Blick wanderte wieder zu seinem eigenen Blatt. Vollgekritzelt. Heute würde er nichts mehr zustande kriegen. 'Das kann doch nicht sein, dass ich mich in Matt ver- ver- verkna- verknallt habe! Das kann nicht angehen! Ich muss da einfach was verwechseln. Womöglich sind meine Emotionen einfach zu überschwänglich, weil ich wieder mit ihm befreundet bin. Das wird es wahrscheinlich sein. Ich habe ihn schließlich zwei Jahre nicht gesehen und immer wieder an ihn gedacht. Und dann als ich ihn nach so langer Zeit wieder getroffen habe, war ich einfach so froh und und... ja das war's. Das muss es sein.' „... an diesem Punkt dürfen wir nicht vergessen, dass Oscar Wilde große Anerkennung für seine Geschichten und vor allem für seine Bühnenstücke geerntet hatte. Wichtig wäre an dieser Stelle noch, dass das im Jahr 1885 in Kraft tretende Gesetz „Criminal Law Amendment Act“ besagte, dass Homosexualität mit Zuchthaus bestraft wurde. Da Wilde in der Gesellschaft als homosexueller Mann weitaus bekannt war, dauerte es nicht lange, bis er aus eben diesem Gründen für einige Jahre ins Zuchthaus inhaftiert wurde. Nach der Inhaftierung...“ 'Oh Gott, bitte nein! Was ist das denn für ein Tag? Wenn es wirklich einen Gott gibt, dann ist er dabei mich zu quälen', schrie Tai innerlich und ließ seinen Kopf auf den Tisch fallen. Einzelne Strähnen fielen ihm in die Augen und verdeckten sein Sichtfeld. 'Ich bin nicht schwul! Ich hatte eine Freundin und ein gutes Sexleben mit ihr und nur, weil ich mir im Traum vorgestellt habe wie es wäre Matt zu küssen und das dann auch gemacht habe... im Traum... IM TRAUM... heißt das nicht, dass ich tatsächlich auf Matt stehe. Ich meine, dann müsste ich das alles doch auch hier in der Realität machen wollen, o- oder?!' Tais merkte wie sich seine Brust zusammenzog und ein Gefühl hinterließ, das er bisher noch nicht kannte. 'Ich sollte eine Checkliste machen...', seufzte Tai innerlich und schloss seine Augen. Der Englischprofessor erzählte im Hintergrund weiter von englischer Literatur und schwang von Oscar Wilde zu Robert Luis Stevenson. 'Wenn ich in ihn verliebt wäre, dann... dann... hm, was dann? Was würde ich alles tun wollen? Das was ich auch mit einer Frau machen wollen würde, wenn ich in eine verliebt wäre, oder? Ihn anfassen? Check. Ihn sehen wollen? Check. Mit ihm noch mehr... noch mehr Zeit verbringen? Check. Ihn nie wieder gehen lassen? Check. Mit ihm allein sein? Check. Ihn küssen wollen? Che- check...? Mit ihm mehr machen, als nur küssen? Ch- che- SCHEISSE?! Nein, das ist...' Auf einmal stellte sich Tai vor, wie Matt unter ihm lag. Nackt. Verschwitzt. Zitternd. Mit roten Wangen. Tais Gesicht fing an zu brennen und er konnte nur erahnen, dass er im Moment wohl wie eine Tomate aussehen musste. Verzweifelt musste er ebenso feststellen, dass seine Hände schweißnass waren. 'Das war's. Ich gebe auf', dachte der Wuschelkopf, als er merkte, dass er langsam Kopfschmerzen bekam. 'Deswegen habe ich dich so vermisst, nicht wahr?' Tai setzte sich wieder gerade hin uns sah zur Hörsaaldecke hinauf, nur um von den Lampen geblendet zu werden. Auf seinen Lippen begann sich ein schmerzliches Grinsen abzuzeichnen. „Deswegen habe ich beinahe jeden verdammten Tag an dich denken müssen. Wie heißt das Sprichwort? 'Du weißt erst was du an jemanden hattest, wenn du ihn verloren hast'.“ „Tai, was nuschelst du da?“, fragte Taka mit zusammengekniffenen Augenbrauen. „Geht's dir nicht gut?“ „Alles bestens. Ich habe nur laut gedacht“, flüsterte Tai und schenkte seinem Kumpel ein Lächeln. 'Jetzt sitze ich aber gehörig in der Scheiße. Hast du mal wieder toll gemacht, Taichi Yagami.' Mit einem Seufzen schloss er seinen Notizblock und legte den Stift daneben. Spätestens jetzt würde er sich gar nicht mehr auf die Vorlesung konzentrieren können. 'Hat sich Matt auch so gefühlt? Irgendwie. Ich bin echt ein Dummkopf. Kein Wunder, dass er damals so fertig war', seufzte Tai und fuhr sich über das Gesicht. 'Und was mach ich jetzt? Ich kann es ihm doch nicht einfach sagen oder ihn fragen, ob er noch immer in mich verliebt ist. Damit grabe ich mir im schlimmsten Fall mein eigenes Grab.' „Hey, Taka“, flüsterte Taichi. „Was ist denn? Ich schreibe gerade mit“, antwortete der Angesprochene genervt. „Hast du nach der Vorlesung Zeit?“ „Nja, ich will eigentlich dann nach Hause, weil meine Lieblingsserie läuft.“ Tai überlegt kurz und sah ihn dann mit seinen schockobraunen Augen bittend an. „Ist ja gut, kannst mit zu mir kommen“, seufzte Taka und schrieb weiter. „Danke“, lächelte Tai. Tai wusste nicht mit wem er sonst hätte reden sollen. TK wäre auch eine Option gewesen, da dieser ebenfalls die ganze Geschichte wusste. Doch Tai hatte vergessen nach seiner Nummer zu fragen. Wenn er Kari anrufen und nach dessen Nummer fragen würde, wäre diese sicher hellhörig geworden und hätte ihn ausgefragt. Teenager waren einfach zu neugierig. Die Vorlesung war nach gut einer weiteren halben Stunde zu Ende und Tai hängte sich an Takas Fersen. Dessen Wohnung war nicht weit vom Campus entfernt und so nutzten Tai die Zeit, um sich von Taka eine Kurzfassung der Vorlesung geben zu lassen, da er nur körperlich anwesend gewesen war. Nach einer viertel Stunde waren sie bei ihm zu Hause angekommen und ein von der Klimaanlage gekühltes Zimmer begrüßte ihn. „Willst du auch was zu trinken?“, fragte Taka und ging Richtung Küche. „Ja, gerne“, antwortete Tai und stellte seine Tasche neben dem Sofa ab. „Was für eine Serie ist denn so wichtig, dass du sie nicht verpassen willst?“ „Doctor Who“, rief der Schwarzhaarige aus der Küche. „Heute fängt die neue Staffel an. Japan ist immer ein bisschen langsamer mit dem übersetzten ausländischer Serien, von daher kann ich es kaum erwarten die neue Folge zu sehen.“ „So, So... Science Fiction ist also dein Ding?“, fragte Tai beiläufig. „Jap, genau“, antwortete Taka, der gerade mit zwei Gläsern Cola aus der Küche kam und eines davon Tai reichte. „Also sag schon was es so dringendes gibt. Du hast noch genau 20 Minuten bis meine Serie anfängt.“ „Es geht um Matt“, nuschelte Tai und sah nach unten. Vielleicht war es doch eine schlechte Idee gewesen gerade Taka für so ein Gespräch auszusuchen. „Yamato Ishida? Wie läuft es denn mittlerweile zwischen euch beiden? Alles locker flockig?“ „Uhm, ja“, krächzte der Braunhaarige und kratzte sich am Kopf. „Wir treffen uns und unternehmen ein bisschen was zusammen.“ „Na das ist doch cool“, sagte Taka und trank einen Schluck Cola. „Du solltest froh sein, dass ihr wieder Freunde seit. Hätte nicht gedacht, dass das so einfach klappt.“ „Ich auch nicht, um ehrlich zu sein, aber wir haben uns irgendwie wieder zusammengerauft. Es ist zwar ab und an noch ein bisschen komisch, aber sonst läuft es gut.“ „Willst du mir jetzt nur davon erzählen, dass es zwischen euch gut läuft?“, fragte Taka belustigt. „Das hättest du mir auch in der Uni sagen können.“ „Das ist es nicht. Ich glaube, ich stecke in der Scheiße“, sagte Tai schließlich und raufte sich die Haare. „Und das wäre?“, fragte Tais Freund ein wenig neugierig. „Ich glaube, ich bin in ihn verknallt“, kam es verzweifelt aus Tais Mund. Entgegen siner Erwartung fing Taka laut an zu lachen. Der Braunhaarige sah ihn mit großen Augen an wie dieser beinahe eine Minute prustete. „Das ist... das ist“, sagte Taka und wischte sich eine Träne weg. „Einfach zu lustig. Sorry, Tai, aber du müsstest mal dein Gesicht sehen!“ „Ich finde das gar nicht so lustig“, sagte Tai ernst und knirschte mit seinen Zähnen. „Doch, das ist es. Das klingt wie eine Tragödie“, sagte Taka und sah Tai belustigt an. „Die blonde Schönheit ist unsterblich in seinen besten Freund verliebt, doch dieser hat bereits eine Freundin und sieht nicht, was sein Freund für ihn empfindet. Auf tragische Weise trennen sich ihre Wege für zwei Jahre und der Holzkopf merkt, dass er die blonde Schönheit liebt und sie zurückhaben will. Entschuldige, Tai, aber das IST lustig.“ „Oh, Gott“, stöhnte Tai und schlug seine Hände über seinen Kopf zusammen. „Sag das doch nicht so. Ich komm mir schon bescheuert genug vor.“ „Und? Wann hast du es gemerkt? Ich meine, dass du dich in Ishida verknallt hast?“ „Ich weiß nicht genau, um ehrlich zu sein“, sagte Tai nachdenklich. „Aber so richtig bewusst ist mir das erst vorhin geworden.“ „Vorhin?“ „In der Vorlesung.“ „Ach, das hast du die ganze Zeit getrieben?“ „Ja~ ich... ich habe mich heute Früh mit ihm getroffen und wir sind ein bisschen im Wald laufen gegangen und haben danach eine Runde im Gras geschlafen - Taka, schau nicht so amüsiert. Ich versuch dir hier gerade zu erzählen, was passiert ist! Und als ich geschlafen habe, da hatte ich diesen Traum...“ „Oh, was denn für einen?“, grinste Tais Studienkollege süffisant. „Im Traum habe ich Matt ge-... gekü-“, stotterte Tai und hielt sich die Hand beschämt vor den Mund, „geküsst...“ „Ahso“, sagte Taka ein wenig enttäuscht. „Nicht mehr?“ „NEIN!“, schrie der Braunhaarige wütend und verlegen zugleich. „Hm, nja aber dann hast du echt ein Problem“, sagte Taka nachdenklich. „Ich kann verstehen, warum du unbedingt reden wolltest.“ „Was soll ich jetzt machen?“, fragte Tai in einem hoffnungslosen Ton. „Es ihm sagen“, sagte Taka, als ob es das Normalste auf der Welt wäre. „Spinnst du? Ich kann ihm doch nicht einfach sagen, dass ich ihn SO mag!“ „Tai, ich weiß, dass du manchmal ein bisschen auf den Schlauch stehst, aber ich glaube du solltest derjenige sein, der es ausspricht. Du hast schließlich nicht vergessen, was vor zwei Jahren geschehen ist, richtig? Das selbe sollte nicht zweimal passieren. Menschen lernen schließlich aus ihren Fehlern, wenn sie nicht ganz bescheuert sind.“ Taka nahm einen großen Schluck aus seinem Glas und stellte es auf den Tisch, um seinen Freund nun fest anzusehen. „Meinst du nicht, dass sich die Geschichte gerade wiederholt? Nur mit vertauschten Rollen. Damals war es Matt, der in dich verliebt war und nun bist du es“, sagte Taka und strich sich einige Haare aus dem Gesicht. „Krieg das nicht in den falschen Hals, aber man sieht es dir an, wenn etwas nicht in Ordnung ist. Früher oder später würde Ishida etwas merken oder es in den falschen Hals kriegen - ich habe ja keine Ahnung wie er tickt. Von daher denke ich, dass die Karten offen auf den Tisch gelegt werden sollten, bevor einer von euch beiden Scheiße baut. Das ist jedenfalls alles, was ich dazu sagen kann und nun Ruhe, ich will meine Serie schauen.“ Kapitel 19: Was ist los, Tai? ----------------------------- Tai sah grübelnd auf sein Handy. Matt und er hatten sich das letzte Mal vor zwei Wochen gesehen. Dieser war trotz seines herunter geschraubten Terminplans zu beschäftigt gewesen. Von daher war es bei Anrufen und SMS-Nachrichten geblieben. Sie hatten beinahe jeden Abend telefoniert und gegenseitig ausgetauscht, was sie am Tag zuvor gemacht hatten. 'Ich sollte ihm antworten', überlegte Tai und besah sich die letzte SMS seines Freundes: „Ich habe heute Abend frei. Wenn du willst kannst du zu mir kommen. Außerdem hast du deinen Film das letzte Mal hier liegen lassen, du Trantüte. Grüße, Matt.“ Zwei verfluchte Wochen hatte er Matt nicht gesehen und es war ihm wie eine Ewigkeit vorgekommen. Natürlich wollte er ihn besuchen gehen oder etwas mit ihm unternehmen. Doch irgendetwas in ihm wollte am liebsten wegrennen. „Shit, wenn ich ihn jetzt sehe dann merkt er doch, dass was mit mir nicht stimmt“, fluchte der Braunhaarige laut und schmiss sein Handy zur Seite. Nach dem Streit-Monolog in seinem Kopf und dem Gespräch mit Taka war ihm eins klar geworden: Er fühlte eindeutig mehr als nur Freundschaft für Yamato und musste es ihm irgendwie beibringen. Ja, beibringen war wohl das beste Wort dafür, wenn man bedenkt was alles passiert war. Matt würde sicher nicht sonderlich begeistert sein, wenn ihm Tai seine Liebe gestand. Er konnte es schon vor sich sehen, beziehungsweise hören. „Das sagst du mir jetzt? Das hättest du mir nicht vor zwei Jahren sagen können?“, mimte Tai seinen Freund in Gedanken. Mit zerknirschtem Gesicht griff er sich wieder sein Handy und tippte eine Nachricht an Matt ein, in der er ihm sagte, dass er gegen 20 Uhr bei ihm vorbeikommen würde. 'Toll, jetzt hab ich es abgeschickt', seufzte der Braunhaarige, als er merkte, dass seine Finger aus Gewohnheit auf Senden gedrückt hatten. Nach einem weiteren qualvollen Geräusch,was einem Seufzen stark ähnelte und welches seine Lippen verließ, setzte er sich vor sein Notebook und klappte dieses auf. Er musste unbedingt noch einen Report für die Uni schreiben, bevor er heute Abend aus dem Haus ging. Matt saß mit einer Tasse Kaffee auf seinem Sofa. Endlich hatte er wieder Zeit für sich. Es würde zwar nicht mehr lange dauern, bis Tai herkam, aber so in der Zeit konnte er es sich mit einer Musikzeitschrift und den Nachrichten, welche im Hintergrund dudelte, gemütlich machen. Ein wenig gelangweilt blätterte er eine Seite um und besah sich die Bilder und überflog die Artikel. Er konnte sich beim besten Willen nicht auf die Artikel konzentrieren und sich die News der Entertainment Branche ansehen. Aber irgendwas musste er ja tun. Er hatte Tai schon so lange nicht mehr gesehen und freute sich unglaublich den Wuschelkopf heute Abend wieder für sich allein zu haben. Dieses besitzergreifende Verhalten hatte bei ihm noch nie was gutes gebracht, doch so einfach konnte er es nicht abstellen. Zum Glück konnte er alles andere abstellen, was ihm im Weg stand – so wie die Gefühle für Tai, die er mit Erfolg unterdrückte. Jedenfalls so lang Tai in seiner Nähe war, wenn er alleine war, so wie jetzt, ging das nur schwer. Er konnte ohne sich beobachtet zu fühlen denken und machen was er wollte. Und so schweiften seine Gedanken, während er einige Bilder in der Zeitschrift betrachtete, zu dem Braunhaarigen ab. 'Vielleicht sollte ich was kochen. Gebratener Reis wäre zur Abwechslung nicht schlecht', dachte Matt und trank den letzten Schluck seines Kaffees. Gesagt, getan. Er legte die Zeitschrift beiseite und machte sich auf in Richtung Küche, um den Kühlschrank nach den gewünschten Zutaten zu durchstöbern. Er hatte seit Jahren, ja Jahre, nichts mehr für Tai gekocht. Irgendwie kam er sich bescheuert vor. Warum war er so aufgeregt? Nur weil er etwas für seinen Freund kochte? Weil er Angst hatte, dass es diesem nicht schmecken würde? Nein, das ist dumm. Tai schmeckt alles, was nicht gerade ein Jahr über dem Verfallsdatum war. „Jetzt noch die Sojabohnen...“, nuschelte Matt und schwenkte geschickt die Pfanne, in der bereits einige Zutaten brutzelten. Mit flinken Fingern war er gerade dabei die Tüte mit den Sojabohnen zu öffnen, als es an der Haustür klingelte. Leise fluchte der Blonde und stellte den Herd auf eine niedrigere Temperatur, um zur Tür gehen zu können. „Hey“, sagte Matt, als er sah wer sich dahinter verbarg. „Hallo, Matt. Was riecht hier denn so gut?“, fragte Tai und schlängelte sich in den Flur. „Gebratener Reis. Kein Wundern, dass du genau jetzt kommst. Dein Magen muss dir gesagt haben, dass es was zu Essen gibt“, schmunzelte Matt und ging zurück in die Küche, um das Abendessen fertig zu braten. „Ganz recht“, lachte Tai und trat, nachdem er sich seinen Schuhen entledigt hatte, in das Wohnzimmer. „Mein Magen sendet mir geheime Signale, dass für mich Essen gekocht wird.“ „Idiot“, sagte Matt und stellte zwei gefüllte Teller auf den kleinen Esstisch. „Na los, komm. Deswegen bist du doch sicher hier – um mein Essen zu genießen.“ Tai besah sich Matts Kunstwerk. Gebratener Reis. Matts Spezialität von Früher. Der Wuschelkopf merkte wie sein Mund wässrig wurde und er beinahe anfing zu sabbern. Schnell setzte er sich an den Esstisch zu Matt, um seinen Bauch voll zu schlagen. „Hm, mitunter?“, grinste Tai und leckte sich über die Lippen. „Aber eigentlich bin ich hier, weil du mich doch sehen wolltest, nicht?“ „Uhm... ja“, stotterte Matt bei dem plötzlichen Themenwechsel überrascht und nahm sich eine Gabel. „Es tut mir Leid, dass ich nicht öfter Zeit habe.“ „Mascht nischt“, sagte Tai mit gefüllten Hamsterbacken und schluckte den ersten Bissen herunter. „Du kannst ja nichts dafür.“ „Stimmt“, bestätigte der Blonde und nahm nun auch einen Happen. Er hatte seit Monaten keinen gebratenen Reis mehr gemacht, aber verlernt schien er es nicht zu haben. „In vier Wochen dürfte sich das ändern. Dann ist die Promotion für mein Album vorerst zu Ende. Ich werde nur an neuen Songs arbeiten und mir ein Paar Skripte zu Serien durchsehen. Vielleicht ist was dabei.“ „Ist das so“, nuschelte Tai und sah seinem Freund dabei zu wie er aß. Wie gebannt blickte er auf die Lippen von Matt. Während er sie anstarrte, kam ihm wieder der Traum und der Kuss in den Sinn. 'Verflucht! Denk an etwas Anderes!' „Hab ich irgendwas im Gesicht?“, fragte Matt, als er merkte, dass Tai ihn ansah und aufhörte zu essen. „Ein Reiskorn?“ „Nein, uhm, nein, hast du nicht. Ich habe nur nachgedacht“, stotterte der Braunhaarige und fing wieder an zu essen. 'Gott, soll ich es ihm wirklich sagen? Das ist doch Selbstmord!' „Nachgedacht? Worüber?“ „Über uns, glaube ich.“ „Glaubst du? Tai, du müsstest schon wissen, worüber du nachdenkst“, lachte Matt nervös. „Über uns also?“ „Nur, dass ich glücklich bin, weil ich dich wieder sehen kann“, sagte Tai und merkte, wie wie eine leichte Röte seine Nase zierte. „Tai, das hast du jetzt schon ein paar Mal gesagt“, seufzte Matt. „Aber... ich bin auch glücklich, wenn du es unbedingt wissen willst.“ „Wirklich?“, fragte Tai aufgeregter als beabsichtigt. „Ja... ja?! Warum benimmst du dich so komisch?“, fragte Matt, der nun seine Gabel zu Seite legte, da er seinen Teller leer geputzt hatte. „Du weißt doch, dass es meine eigene Entscheidung war wieder mit dir befreundet zu sein. Ich bereue es nicht.“ „Das freut mich“, lächelte Tai ihn an und schaufelte den restlichen gebratenen Reis in seinen Mund. „Ich mache mir nur ab und an Sorgen, ob es dir auch so geht.“ „Ich dachte du weißt das.“ „Nein, ich weiß nicht. Du bist ab und an noch ein wenig distanziert und du erzählst mir nicht mehr so viel wie früher. Ich meine, wir schreiben uns zwar SMS und wir telefonieren, wenn wir uns nicht sehen können, aber so richtig weiß ich trotzdem nie wie du über mich denkst.“ „Mach dir keine Gedanken, Tai“, sagte Matt mit fester Stimme, während er beide Teller vom Tisch nahm und sie zur Spüle brachte. „Du denkst zu viel über unwichtige Dinge nach.“ Tai stand kurz nach Matt von seinem Stuhl auf und folgte ihm in die Küche. Dort stand sein blonder Freund an der Spüle und war dabei Wasser für das schmutzige Geschirr einzulassen. Tai merkte wie sein Herzschlag sich beschleunigte. Das konnte doch nicht sein! Jetzt brauchte er seinen Freund nur von hinten sehen, wie dieser Geschirr abwusch, und sein Herz schlug Purzelbäume?! Das war doch zum Haareraufen. Langsam trat er an den Blonden ran und legte eine Hand auf die rechte Schulter seines Freundes, der vor Schreck zusammenzuckte. „Erschrecke mich nicht so“, japste der Blonde und atmete schnell ein. „Du solltest dich nicht so von hinten anschleichen, wenn ich gerade dabei bin ein Messer abzuwaschen.“ Tai sah von Matts überraschtem Gesicht zu dessen Hand, welche gerade ein Messer umfasst hatte und zur anderen Hand, die einen Lappen hielt. Ein flüchtiges Grinsen legte sich auf seine Lippen, als er wieder in Matts Gesicht sah. „Tai?“, fragte Matt besorgt, als er merkte, dass dieser kein Wort sagte und seine Hand weiterhin auf seiner Schulter ruhte. „Mit dir ist doch irgendwas...“ Schlussendlich ließ Matt alles, was er in den Händen hatte, in das Wasser fallen und dreht sich zu Tai. Seine Hände wischte er sich grob an seiner Jeans ab und legte nun die Halbwegs trocknete Hand auf Tais Arm, um diesen von sich zu drücken. Viel zu gern hätte er weiterhin die Berührung von Tai gespürt, doch dessen Verhalten bereitete ihm zusehends Sorgen. „Was hast du?“ 'Reiß dich zusammen, Tai!', schaltete er sich innerlich. Er wusste, dass er es Matt irgendwie sagen musste. „Tai, jetzt sag mir verflucht noch mal was mit dir los ist“, grummelte Matt und fuhr sich durch die Haare. „Du benimmst dich die ganze Zeit schon so merkwürdig.“ „Ich...“, fing der Braunhaarige an und traute sich nicht in die blauen Augen zu sehen. „Es ist nicht unwichtig.“ „Was? Rede bitte in ganzen Sätzen, Tai“, lachte Matt. Die Situation kam ihm irgendwie komisch vor. Vor ihm stand der Wuschelkopf mit gesenktem Blick und traute sich anscheinend nicht ihn in seine Augen zu sehen. „Geht es dir nicht gut?“, fragte Matt reichlich besorgt. „Komm, lass uns ins Wohnzimmer gehen. Dort kannst du mir sagen, was was dich bedrückt. Matt ging an Tai vorbei in sein Wohnzimmer, um sich auf das Sofa fallen zu lassen. Mit zusammengekniffenen Augenbrauen sah er wie Tai aus der Küche zu ihm schlürfte und sich mit einigem Abstand neben ihm setzte. „Du hast gesagt, dass ich nicht über unwichtige Dinge nachdenken soll. Dass ich mir keine Gedanken machen soll, wie du über mich denkst aber das ist... das ist mir wichtig, Matt.“ „Ja, ich versteh schon“, seufzte Matt. „Ich erwähne das nicht wieder.“ „Das ist es nicht“, jammerte Tai und und fuhr sich wie Matt zuvor durch die Haare. „Was ist es dann?“, fragte der Blonde unruhig. Tai benahm sich nicht so wie sonst. Wo war sein Selbstvertrauen, seine Direktheit. Normalerweise druckste dieser nie so herum. „Ich weiß nicht wie ich es sagen soll... ich...“, stotterte der Braunhaarige und merkte wie seine Hände wieder nass wurden. 'Frag ihn, verdammt! FRAG IHN!' „Gott, Tai, jetzt rücke schon mit der Sprache raus. Hast du irgendeinen Mist gebaut? Sollte ich böse auf dich sein? Was hast du angestellt?“, fragte Matt nun genervt, da ihm die Situation gar nicht gefiel. „Ich habe die letzten Wochen nachgedacht und wollte dich fragen, ob du... ob du...“ „Scheiße, Tai, jetzt sag es doch endlich!“, rief Matt aufgebracht. Warum zum Henker wollte sein Freund nicht mit der Sprache rausrücken? Früher hatte dieser doch nie ein Blatt vor den Mund genommen und jetzt stotterte er herum wie ein kleines Schulmädchen. „Ob du...“, stotterte Tai weiterhin und schluckte hart. „Matt, versteh das nicht falsch. Es sind zwei Jahre, aber ich will gerne wissen, ob du mich vielleicht noch lie- liebst? Ich habe mit, uhm, TK geredet. Du weißt schon, vor einigen Wochen und er hat gesagt, dass du wahrscheinlich noch in mich verliebt wärst.“ Matt blieben alle Worte ihm Hals stecken. Was hatte Tai da gerade gesagt? Das war doch nicht wahr. Hatte er irgendwas getan, was ihn verraten hatte? Nein, er hatte etwas von TK erzählt. Sein bescheuerter kleiner Bruder wusste irgendwas. Aber warum? Matt hatte ihm doch nie was erzählt. Der Blonde merkte, wie ihm buchstäblich alle Farbe aus dem Gesicht wich und ihm der Schweiß kalt über den Rücken lief. Tais Kopf drehte sich zögerlich zu Matt, der ihn weiterhin geschockt ansah. Die Augen von Tai waren nicht deutbar. Was sollte er jetzt tun? Er musste es verneinen, das war es. Würde er ihm die Wahrheit sagen, dann wäre alles aus. Dann würden die letzten Wochen ins Nichts verlaufen und das wollte er nicht. Er wollte weiterhin mit Tai befreundet sein. Aber vielleicht war es auch DIE Chance ihm alles sagen zu können. Sich alles von der Seele zu reden und die Wahrheit endlich auszusprechen. „Tai, ich-“ „So, so“, sagte plötzlich jemand im Wohnzimmereingang. Tai drehte seinen Kopf zu der Stimme und auch Matt sah in die Richtung. Dort stand Majima, Matts Manager, mit verschränkten Armen vor der Brust. „Es ist also wahr? Du bist in Taichi Yagami verliebt?“, fragte Majima und nahm seine Sonnenbrille ab. „Was tust du hier?“, fragte Matt verblüfft und stand von dem Sofa auf. „Und was heißt hier >wahr