Somewhere von -Amalthea- ================================================================================ Kapitel 1: Dunkelheit --------------------- Disclaimer: „Yellow“ und seine Charaktere gehören nicht mir sondern Makoto Tateno (hätte mir auch keiner geglaubt ;-) Das Lied „Somewhere“ stammt ursprünglich aus der West Side Story von Leonard Bernstein. Diese FF ist eigentlich aufgrund einer anderen entstanden ^^ die ich zufällig im Netz gefunden und gelesen hatte... und die war so schrecklich traurig, dass ich in der Nacht eine Fortsetzung geträumt habe... Anscheinend wollte mein Unterbewusstsein das traurige Ende partout nicht akzeptieren. Nun gut, hier ist das Ergebnis ;-) ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ There’s a place for us Somewhere a place for us Peace and quiet and open air Wait for us Somewhere There’s a time for us Some day a time for us Time together with time spare Time to learn, time to care Some day Somewhere We’ll find a new way of living We’ll find a way of forgiving Somewhere... Das Lied verfolgt mich. Seit Tagen geht es mir im Kopf herum, immer wieder. Oder seit Wochen. Ich weiß es nicht mehr. Mein Gott, wie hat sich alles verändert... Zwei Jahre haben wir zusammen gelebt, zusammen gearbeitet, uns gegenseitig aus Gefahren geholfen. Sind uns gegenseitig auf die Nerven gefallen, haben gestritten, fanden kaum Gemeinsamkeiten. Mit dir in einer Wohnung, das kam mir manchmal vor wie in einem Zirkus. Deine Anwesenheit war weder zu übersehen noch zu überhören. Deine Schlamperei war kaum zu ertragen. Deine Essgewohnheiten, deine ungesunde Lebensweise zerrten an meinen Nerven. Dafür durfte ich mir deine Wutanfälle anhören, wenn ich mitten in der Nacht eine Frau mitbrachte. Deine Angewohnheit, minderjährige Jungs zu verführen, war schlimm genug. Aber dann musstest du dich auch an mir vergreifen. Weiß Gott, wie oft ich dich deswegen geschlagen, angepöbelt, mit der Knarre bedroht habe. Ich wollte nicht mit dir schlafen. Aber du wolltest kein „nein“ verstehen. Dann kam immer mehr von dir, immer mehr Wärme, mehr Zärtlichkeit. Deine Jungs sah ich immer seltener. Du schienst nur Augen für mich zu haben, deine Frechheit zielte auf mehr als auf meinen Körper ab. Du wolltest mich ganz haben. Ich war wie ein einsamer Wolf, gewöhnt, mich allein durchzuschlagen. Seit ich von meinen Zieheltern davongerannt bin, war ich allein auf der Welt. Du wolltest mich nicht allein lassen, nicht allein auf der Welt sehen. Irgendwann konnte ich mich nicht mehr wehren. Ich war müde, abgekämpft. Mir war kalt, und du hast mir Wärme angeboten. Ein einziges Mal konntest du mich verführen. Ich hatte keine Kraft mehr für Zweifel oder Vorbehalte. Mann oder Frau, du warst jemand, der mir etwas anbot, wonach ich mich verzweifelt sehnte. Nun gut, und ganz nüchtern war ich an diesem Abend auch nicht mehr. Aber es war nicht so, dass du dir das zunutze gemacht hättest, ich wusste noch ganz genau, was ich tat. Danach war ich verwirrt, überrascht. Und glücklich. Ich hatte nicht geahnt, dass es wirklich schön sein könnte. Du hast mich, uns beide mit deinen Gefühlen erfüllt und überschwemmt. Währenddessen und danach fühlte ich mich so wohl wie seit Jahren nicht mehr. Ich habe sehr viel erfahren in dieser Nacht, über dich und auch über mich. Am anderen Morgen bin ich von deinen Küssen aufgewacht. Ich lag auf dem Bauch, weil ich noch leichte Schmerzen hatte, aber ich schlief tief und ruhig; dann habe ich deine leichten Küsse auf meinem Rücken, meinen Schultern gespürt und musste beim Aufwachen lächeln. Ich habe mich verändert – in meiner Seele war danach mehr Tiefe als vorher. Viel mehr. Ich hatte in mir keinen Platz für all diese Gefühle, und konnte nichts anderes tun als den Raum in meinen Gedanken, in meinen Gefühlen zu vergrößern, um für das alles Platz zu schaffen. Ich dachte, jetzt beginnt ein neues Kapitel in meinem Leben. Ein besseres, wie ich hoffte. Auch für dich. Ich dachte, wir hätten alle Zeit der Welt. Um uns gegenseitig zu entdecken, vielleicht eine Entscheidung zu treffen. Irgendwann. Wir hatten keine Zeit mehr. Ich konnte nicht ahnen, dass nur fünf Tage später alles vorbei sein würde. Wir waren in einem neuen Fall verwickelt. Handel mit explosivem Material. Sollten unauffällig recherchieren. Es dauerte nicht lange, bis wir begriffen, dass wir es mit einem Verrückten zu tun hatten. Einem, der nicht zögern würde, tausende Menschen zu töten, um den einen zu treffen, auf den er es abgesehen hatte. Wir hatten uns vor dem Nataki-Hochhaus postiert, erwartet, den Verdächtigen gleich herauskommen zu sehen. Wir kannten ihn aus einem Bild von der Online-Personalakte der Firma, in die wir uns gehackt hatten: ein Mann mittleren Alters, durchschnittliches Aussehen, eher klein gebaut. Wir wussten, dass er auf das Material aus war, aber ahnten nicht, dass seine Zielperson in dem gleichen Gebäude war. Einer der Führungskräfte, von dem er sich ausgenutzt und weggeworfen fühlte. Mit einem seltsamen Sinn für Ironie hatte er das Material von der gleichen Firma entwendet, für die er jahrelang gearbeitet hatte und die ihn dann unter einem Vorwand an die Luft gesetzt hatte. Eine Firma, die mit... Chemikalien handelte. Er war mit deutlichen Drohworten gegangen, die aber niemand ernst genommen hatte. Bis jemand zufällig mitbekam, dass er gewisse Bauteile und Komponente nach und nach unter der Hand erwarb, von einem ehemaligen Kollegen, der nicht wusste, was er damit auslöste. Itsuki. Der Name hat sich genau so in mein Gedächtnis gebrannt wie alles, was ich von diesem Tag noch weiß. Scheinbar kannte er das Gebäude in- und auswendig: noch an Ort und Stelle bastelte er heimlich das Material zusammen und verließ das Gebäude, nachdem er die tödliche Gerätschaft unauffällig irgendwo untergebracht hatte. Aber das wussten wir nicht. Wir sahen ihn nur von unserem Versteck aus das Gebäude verlassen und erkannten ihn nach dem Bild wieder. Du warst vorausgegangen, um ihn unauffällig anzusprechen und nach der Uhrzeit oder dem Weg zu fragen. Wir beide zusammen, das wäre zu auffällig gewesen. Ich rief inzwischen über Handy schnell bei Hatozaki an. Er oder ein paar seiner Leute waren mit Sicherheit daran interessiert, sich ein wenig mit ihm zu unterhalten, und du konntest inzwischen unauffällig wieder verschwinden. Ich sehe dich noch die Straße überqueren, dann habe ich kurzzeitig nicht aufgepasst. Ich dachte, bald würde alles vorbei sein, und wir könnten... vielleicht miteinander sprechen. Das stand noch aus nach unserer gemeinsamen Nacht. Ich war noch durcheinander, aber ich ahnte bereits etwas, tief in mir. Dann ging das Gebäude in die Luft. Ein fürchterlicher Krach ist alles, woran ich mich erinnere. Etwas Hartes traf mich an der Schläfe und mir wurde schwarz vor Augen. Ich kam im Krankenzimmer von Tsunega’s Bekannten wieder zu mir, dem Arzt, der uns beide manchmal auch behandelt hat. Ich hatte nur eine leichte Verletzung. Du warst nicht da. Ich brauchte lange, um zu begreifen, warum. Richtig begriffen habe ich es bis heute nicht. Wie... es passieren konnte. Und warum. Das ganze Gelände war abgesucht worden. Es bestand nur noch aus Schutt und Asche. Es wurde alles abgetragen, alles durchgesucht. Nichts. Auch nichts von Itsuki. Der Mann musste wirklich von Hass zerfressen sein, dass er die Detonation ausgelöst hatte, während er noch nahe genug war, um von der Druckwelle selbst erfasst zu werden. Niemand hatte überlebt. Wer sich zum Zeitpunkt der Explosion dort befunden hatte, war völlig verbrannt. Kaum menschliche Überreste. Nichts identifizierbares. Itsuki hat seine Rache bekommen, wenn auch zum Preis seines eigenen Lebens. Und zum Preis des Lebens und des Unglücks zahlreicher anderer Menschen. Wochenlang hing über dem Café eine fast unheimliche Stille. Nur ich konnte nicht reagieren. Ich war nicht in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen. Noch weniger, etwas zu fühlen. Wir haben nach einer Weile einen Grabstein als Erinnerung aufgestellt. Wir dachten, es würde helfen, aber eigentlich war es sinnlos. Manchmal besuche ich den Friedhof, manchmal kommt einer der anderen mit, aber das bringt mir nichts. Ich bin ruhig. Zu ruhig. Fast wie ein Schlafwandler. Mir ist nichts ist von dir geblieben. Nichts außer dem, was ich in meiner Erinnerung habe, und die paar Habseligkeiten, die in unserer Wohnung waren. Das Leben geht weiter. Ich arbeite jetzt mit Kidaka zusammen. Er ist ganz in Ordnung, schlau und zieht sich vor nichts zurück. Aber ich kann es kaum ertragen, dass er deinen Platz eingenommen hat. Er ist auch schwul, und manchmal zieht er abends seine Lederjacke an und geht, und ich weiß, er zieht durch die Bars und reißt jemanden auf. Er glaube, er sieht ganz gut aus, aber ich kann mich kaum an sein Gesicht erinnern. Er sagt mir nichts. Ich bin jetzt in deinem ehemaligen Zimmer, ich wollte deine Sachen nicht wegwerfen. Kidaka ist in meinem Zimmer, daran liegt mir nichts. Das hier war auch das Bett, in dem wir beide miteinander geschlafen hatten. Ich beneide ihn manchmal, wenn er ausgeht. Am Anfang schlug Kidaka vor, wir könnten mal zusammen ausgehen, in der Stadt gäbe es schließlich Läden und Clubs für jeden Geschmack. Dabei zwinkerte er, er weiß, dass ich nicht auf Männer stehe. Aber für Frauen ist auch kein Platz. Ich weiß nicht mehr, auf wen der was ich stehe. Es ist mir auch egal. Kidaka geht allein aus, ich kann es ihm nicht verdenken. Er nimmt es mir nicht krumm. Eigentlich ein anständiger Kerl. Die Typen, die er manchmal mitgebracht hat, waren in seinem Alter, Anfang oder Mitte zwanzig, keine sechzehnjährigen Bubis. Außerdem fängt er keinen Streit an, lässt die Finger von mir, ist sogar leidlich ordentlich. Ich vermisse dich. Du fehlst mir so höllisch, alles, was mich an dir früher zur Verzweiflung gebracht hat. Es ist ein halbes Jahr vergangen und ich kann es noch immer nicht fassen, dass du ganz einfach nicht mehr da bist. Wir waren beide so jung, ich dachte, wir hätten alle Zeit der Welt. Ich bin es gewohnt, allein zu sein. Aber erst jetzt schmerzt es. Erst nachdem ich dich gekannt habe, merke ich, dass der Mensch nicht dazu geschaffen ist, immer allein zu sein. Noch etwas, was du mich gelehrt hast, über das Grab hinaus. Du hast mich gelehrt, was wirkliche Einsamkeit ist. In unserer gemeinsamen Nacht war ich durcheinander, aber der Grund dafür wurde mir erst viel später klar. Es lag nicht daran, dass ich noch nie mit einem Mann zusammen gewesen war. Es lag daran, dass ich vorher noch nie verliebt gewesen war. Wie und wann hast du so tief in mein Inneres gegriffen, und warum habe ich es nicht bemerkt? Erst jetzt weiß ich, dass zwischen uns etwas schönes und ernstes war. Jetzt, wo du nicht mehr da bist, ist alles in mir wie eingefroren. Wenn ich Wind um mich streichen fühle oder unerwartet eine traurige Melodie an mein Ohr dringt, fühle ich mich, als wärst du bei mir. Als wärst du noch am Leben und derjenige, der tot ist, bin ich. Manchmal gehe ich am Strand entlang, allein, sehe den Möwen nach, schaue auf das Wasser und lasse Erinnerungen an mir vorüberziehen. Dann fühle ich etwas in mir, einen dumpfen Schmerz, eine Melancholie, die kein Ende findet. Irgendwann werde ich auch das satt haben. Ich weiß es. Nur was dann aus mir wird, weiß ich noch nicht. Somehow Some place Somewhere... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)