Wie das Leben so spielt von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 11: Kapitel 8 --------------------- Kapitel 8 Es war 06:00 Uhr morgens, als Swentje schliesslich in ihr Zimmer schlurfte. Im Gehen streifte sie sich die Klamotten vom Körper und liess sich aufs Bett fallen. Mit geschlossenen Augen fuhr sie mit einer Hand suchend über das Laken und fand ihr T-Shirt schliesslich unter ihrem Kopfkissen. Mehr als umständlich kroch sie hinein, da sie sich nicht wirklich wieder aufrichten wollte. An der gegenüberliegenden Wand schnarchte Jyri leise war sich hin und sie dankte ihm in Gedanken, dass er ihre Bettdecke in Ruhe gelassen hatte. Am Abend hatte sie diese nur unordentlich zur Seite geknüllt, sodass sie sie nun lediglich über sich zu ziehen brauchte. Sie war bereits eingeschlafen, bevor sie die Bewegung ganz zuende geführt hatte... Irgendetwas bewegte sich in ihren Haaren... Mit einer fahrigen Bewegung hob sie die Hand und wollte das Getier vertreiben, als sie gegen ein Hinderniss prallte und ihre Hand kraftlos wieder auf die Matratze fiel. Verwirrt hob sie den Kopf und blinzelte in Jyris lächelndes Gesicht. „Morgen, Songwriter“, begrüsste er sie und legte wieder eine ihre Haarsträhnen um. Swentje grummelte etwas unverständliches und liess den Kopf wieder ins Kissen fallen. Jyris Lächeln verwandelte sich in ein leichtes Grinsen, als sie schliesslich die unausweichliche Frage ins Kissen murmelte: „Wie spät?“ „Es ist 13:05 Uhr an einem wunderschönen wolkigen Sonntagmorgen! Das Mittagessen steht fast auf dem Tisch und der Nachtisch wartet bereits im Kühlschrank“, informierte er sie in professionell freundlicher Hotelpagenart. Nun konnte auch Swentje nicht mehr anders, als ebenfalls leicht zu grinsen. „Und was bietet Uns der Chefkoch heute?“, spielte sie das Spielchen mit. Jyri richtete sich zu seiner vollen Grösse auf, verschränkte in feinster Kellnermanier einen Arm vor der Brust und einen hinter dem Rücken, bevor er mit fachmännischer.Stimme fortfuhr: „Der Hauptgang des heutigen Menüs besteht aus knusprig goldbraun gerösteten Kartoffelscheiben, in einem Mantel aus schaumig geschlagenem Ei, versehen mit fein gewürfelten Tomaten. Verfeinert wird das Ganze mit auserlesenen Kräutern und Gewürzen. Als Dessert bieten wir Ihnen heute die Delikatesse des Hauses: feinste Mousse au Chocolait mit einem Hauch von handgeschlagener Sahne.“ Wie auf Kommando knurrte Swentjes Magen und tat seine Meinung zu den Ausführungen kund. Jyri verbeugte sich daraufhin formell. „Wie Sie wünschen! Das Essen wird sofort aufgetragen. Wenn Sie mir bitte zum Tisch folgen wollen!?“ Erwartungsvoll sah er auf sie herab. Mühsam, aber immernoch grinsend, stemmte sich Swentje hoch und schob die Beine aus dem Bett. „Gehen Sie bitte schonmal vor, ich werde mich ankleiden und sofort nachkommen“, wies sie Jyri formell an, welcher sich mit einer weiteren Verbeugung und einem verstehenden Senken des Kopfes verabschiedete und den Raum verliess. Swentjes Blick blieb daraufhin an Kim hängen, der immernoch stumm in der Ecke stand und weiterhin alles mit der Kamera aufzeichnete. Hatte ihn Jyri also wieder dazu angestiftet... Sie hob nur schweigend eine Augenbraue, wobei sie das Grinsen nicht völlig aus dem Gesicht verbannen konnte. “Das hättest du wohl gerne, dass ich jetzt, wo’s richtig interessant wird, aus dem Zimmer verschwinde”, weigerte sich Kim, der unausgesprochenen Forderung Folge zu leisten. „Wenn du nicht von selbst willst, dann werd ich dich halt zum wollen bringen“, deutete Swentje zuckersüss lächelnd an. „Hmm~...“, machte er daraufhin nachdenklich, ohne allerdings den Blick von dem Display zu nehmen, auf dem Swentje auf dem Bett sitzend zu sehen war. „Du bist gerade erst aufgewacht, hast ein oder zwei durchwachte Nächte hinter dir, wirst deshalb höchstwährscheinlich noch nicht viel Kraft haben und nicht sehr schnell, sondern eher unbeweglich sein,...“, zählte Kim auf, während man auf dem Display Swentjes Augenbrauen immer höher wandern sehen konnte. „Auch, wenn du ziemlich lange Judo gemacht hast und jetzt diesen anderen offensiven Kampfsport machst, räume ich mir doch gute Chancen ein, meine Stellung hier verteidigen zu können“, endete er und fuhr mit der Aufnahme fort. Die Kamera zeichnete sowohl ihren leicht spöttischen Blick unter den hochgezogenen Augnebrauen auf, als auch die Stille, die sich zwischen ihnen für einen Moment ausbreitete. Bis zu dem Moment, wo sie blinzelte, lautlos seufzend durch die Nase ausatmete und sich erhob, um auf ihn zuzugehen. Dann wurde der Display schwarz, als Kim sein Heil in der Flucht suchte. Fast schon wehmütig kratzte er den Rest des Thaiessens aus dem Topf. Selbst den Teil, den er etwas anbrennen lassen hatte, wollte er nicht verschwenden. Das Essen war eh viel zu schnell aus dem Kochtopf verschwunden... Nachdem er ihn so gut wie möglich mit dem Löffel bearbeitet hatte, stellte er den gefüllten Teller in die Mikrowelle und schaltete sie ein. Während er darauf wartete, dass es warm wurde, griff er wieder nach dem Topf und begann ihn nun mit einem Finger auszuwischen. Dieser Anblick wäre etwas, was kein Mensch wirklich glauben würde, hätte er es nicht mit eignenen Augen gesehen. Der erwachsene Tuomas Holopainen stand tatsächlich in der Küche und leckte quasi einen Kochtopf aus, wie kleine Kinder es mit einer Kuchenschüssel der Mutter taten... Nun wanderte der Finger mit den restlichen Überbleibseln des Käng Khiao Wan in regelmässigen Abständen fast schon hingebungsvoll in seinem Mund. Wieder einmal machte Tuomas seinem Ruf, ein ewiges Kind zu sein, alle Ehre... Gesättigt lag Swentje mehr auf ihrem Stuhl, als dass sie darauf sass und auch den anderen schien es ähnlich zu gehen. Auch, wenn es “nur” Bratkartoffeln mit Rühei gewesen war, war es doch sehr lecker gewesen, sodas alle Jyris Kochkünste mit einem Überfressen gewürdigt hatten. Besagter Koch war unterdessen damit beschäftigt, den Tisch abzuräumen und das Geschirr in die Spülmaschine zu stellen, während der Rest der Gruppe ihm schweigend dabei zusah. „Was haltet ihr von einem kleinen Verdauungsspaziergang?“, durchbrach er schliesslich das gesättigte Schweigen. Schweres Seufzen und tiefes Einatmen waren die Antwort. Träge bewegten sich seine Freunde auf den Stühlen, doch nur Swentje machte wirklich Anstalten, sich zu erheben. Fragend blickte sie zu den Anderen hinüber. Sie bekam nur ein träges Kopfschütteln oder ein ablehnendes Heben der Hand zur Antwort. „Geht ohne uns“, sagte Bastian und winkte ihnen schwach zu. „Ich will mich grad nicht bewegen“, stimmte ihm Stefan zu und sackte noch etwas mehr in sich zusammen. Kim winkte ihnen nur ebenfalls verabschiedend zu und liess den Kopf auf die Stuhllehne sinken. Seufzend erhob sich Swentje und schlurfte hinter Jyri her. Dieser konnte nur den Kopf über die Trägheit seiner männlichen Bandkollegen schütteln. Gut! Wenn sie den ganzen Tag drinnen hocken wollten... Swentje im Schlepptau begab er sich wiedermal zum See, wo er sich genüsslich seufzend am Ende des Steges niederliess. Swentje tat es ihm gleich und zog sich ein paar Minuten später die Trekkingsandalen von den Füssen, um diese dann vom Steg ins Wasser baumeln zu lassen. Ob ihres vollen Magens ächzend liess sie sich nach hinten sinken und verschränkte die Arme hinter dem Kopf, um in den Himmel zu blinzeln.Der Wind schob die Wolken über den Himmel und liess sie immer wieder die Sonne verdecken. Die Landschaft um sie herum wurde abwechselnd in Licht und Schatten getaucht und beide Freunde genossen den Anblick des Kampfes von Sonne und Wolken auf der Wasseroberfläche. Es war atemberaubend, wenn vereinzelte Sonnenstrahlen durch die teilweise dichte Wolkendecke brachen und der Landschaft einen von Gott gesegneten Anblick verleihten. Sanft benetzten die leichten Wellen ihre Fusssohlen und schnappten verspielt nach ihren Zehen. Swentje genoss das kalte Nass an ihren Füssen und den Wind in ihrem Haar. Irgendwann rollte sie den Kopf zur Seite und liess ihren Blick auf den See und in dem Lichterspiel darüber verlieren. Jyri sass neben ihr, ein Bein angewinkelt und beide Arme locker darum geschlungen. Schweigend genoss sie den Anblick. Worte waren mehr als überflüssig. Langsam wusste Swentje diese Art von Jyris „Spaziergängen“ echt zu schätzen. Irgendwann vernahm Jyri Swentjes leise ruhige Stimme. „Meinst du, dass es diesmal klappen wird?“ Immernoch völlig entspannt wandte er den Kopf und lächelte sie optimistisch an. „Klar! Die Songs sind super geworden.“ Er wuschelte ihr durchs Haar. „Und die paar Fehler oder besser kleinen Unstimmigkeiten, die dir noch unterlaufen sind, hab ich korrigiert. Du hast gute Arbeit geleistet!“ Lächelnd strich er ihr die Haare, die er ihr zuvor ins Gesciht gezaust hatte, wieder heruas. Swentje seufzte in Gedanken versunken. „Ich mag diese neue Fassung von >In Memory< trotzdem noch nicht wirklich...“ Jyri antwortete ebenfalls mit einem Seufzen und zupfte an einer ihrer Strähnen. „Was stört dich denn so daran?“, fragte er schliesslich ergeben. Einige Zeit antwortete sie nicht und schien zu überlegen. Schliesslich meinte sie: „Ich weiss nicht... IS nur so ein Gefühl.. dass es nicht ganz passt...“ Er runzelte die Stirn und blickte auf sie herab. Für ihn war die Fassung völlig in Ordnung. „Ich mein...“, sie verstummte jkurz und suchte nach Worten. „... Zum Beispiel das Fehlen des Verses >I take you with me, down to the crematorium<… Das entzieht dem Lied mehr als nur etwas der Mystik... es klingt wie ein stinknormales Trauerlied...“ Sie verstummte und hob schliesslich nur hilflos die Schultern. Kurz dachte Jyri über das Gesagte nach und tippte ihr dann aufmunternd auf die Nasenspitze. „Ich versteh, was du meinst, aber das Lied ist für mich nicht standartmässig:, verteidigte er ihre Arbeit. „Auch, wenn du einige Passagen umändern musstest, ist es immernoch gut. Und heute werden wir mal wieder ordentlich proben!“, wechselte er enthusiastisch grinsend das Thema. „Vorrausgesetzt, deine Hand macht das mit...“ Leicht besorgt warf er einen Blick auf ihre 4 cm breite lederne Armmanschette, woraufhin Swentje nur leichthin abwinkte. „Das sollte kein Problem sein. Seit drei Wochen kann ich wieder normal klettern und hab kaum Beschwerden.“ Sie richtete sich wieder auf und liess den Blick ein letztes Mal über den See wandern. „Ich geh mich mal seelisch auf die Probe vorbereiten“, lächelte sie schief, nahm die Füsse aus dem Wasser und streifte Jyris Schulter mit einer Hand, bevor sie die Sandalen in einer Hand den Steg in Richtung Ufer entlangging. Es war still im Haus, als Swentje über die Veranda eintrat. Verwundert steckte sie den Kopf in die Küche, nur um festzustellen, dass niemand mehr am Tisch sass. Überrascht runzelte sie die Stirn. Waren die Drei etwa schon unten, um sich, wie sie, auf die Probe einzustimmen? Sie betrat die Küche vollends und hob die Hand zur Gegensprechanlage, die neben der Tür an der Wand hing. Sie drückte auf die Taste mit der Aufschrift Keller. Erschrocken zuckte sie zusammen, als ihr plötzlich lautes Gitarrengekreische entgegenschlug. Augenblicklich löste sich ihr Finger wieder von der Anlage und das Gekreische verstummte. Irrationalerweise kam ihr die Stille danach umso lauter vor... Tief einatmend beruhigte sie ihren Puls wieder. Dass die Gegensprechanlage in beide Richtungen gleichzeitig funktionierte, hätte Jyri ihr ja mal früher sagen können, dachte sie grummelnd und nahm die Hand wieder von der Brust. Als sie das nächste Mal die Durchwahltaste drückte, war sie auf den Geräuschpegel vorbereitet. Worauf sie nicht vorbereitet war, war die zweite Gitarre, die sie fast sofort heraushören konnte und die fast schon schmerzhaft hoch Stefans Bass übertönte... Ihre Gitarre... Swentje merkte gar nicht, wie sich ihr Mund leicht öffnete, als sie wie erstarrt die Musik auf sich niederprasseln liess. Das war ihre Gitarre. Ganz eindeutig ihre Gitarre! Irgendetwas in ihre machte Klick. Was machte da jemand mit ihrer Gitarre?! WER ZUM HENKER HATTE UNERLAUBT IHRE GITARRE GENOMMEN????? „HEY!!!!“, brüllte sie in das Mikro, wurde allerdings durch einen gleichzeitig einsetztenden hohen Gitarrengriff übertönt. Wo gabs denn sowas!? Die Kerle wussten ganz genau, dass sie es nicht leiden konnte, wenn man einfach so ihr Instrument benutzte! Besonders, nachdem ihre alte Gitarre erst vor kurzem geschrottet worden war. Stinksauer wollte sie gerade den Finger von der Taste nehmen, um in den Keller zu stürmen, als das Gekreische etwas leiser wurde und man Stefans Stimme vernehmen konnte. „Geh mal lieber etwas sanfter mit ihrer Gitarre um, sonst reisst sie dir nachher noch den Kopf ab…” „Dazu müsste sie erstmal mitkriegen, dass ich sie benutzt habe“, drang Bastians schnippische Antwort aus dem Lautsprecher. Swentje wirkte wie festgefroren und in ihrem Magen begann sich ein flaues Gefühl auszubreiten. Bastian??? Was machte Bastian mit ihrer Gitarre??? Und seit wann konnte er überhaupt Gitarre spielen??? Mit einem stärker werdenden ungutem Gefühl im Bauch lehnte sie sich etwas wackelig an die Wand und liess den Finger auf der Taste. „Früher oder später wird sie das mitbekommen“, prophezeihte ihm Stefan und schlug ein neues Lied an. „Lieber später, als früher“, konnte sie Bastian daraufhin antworten hören. „Ich hab noch keine eigene und ausserdem werd ich sie schon nicht kaputtmachen.“ Swentje konnte seine wegwerfende Handbewegung vor ihrem inneren Auge geradezu sehen. „Jyri hat sie geschrottet, schon vergessen!?“ „Nein, aber du hattest sie davor noch benutzt, also kanns theoretisch auch an dir gelegen haben, dass Swentjes alte Gitarre den Geist aufgegeben hat.“ Swentje bekam Bastians Antwort gar nicht mehr mit. Bitte was?!?!? Wie vom Donner gerührt stand sie da, die Augen ungläubig aufgerissen. Das war jetzt nicht wahr! Blut begann in ihren Ohren zu rauschen und langsam bildete sich Schweiss auf ihren Handflächen. Ihr Kopf schwirrte und langsam drangen wie aus weiter Ferne wieder Bastians Stimme an ihr Ohr. „-nichts dafür, wenn das Teil nix aushält. Lass uns nochmal meinen letzten Song durchspielen, bevor die Beiden zurückkommen.” Swentje wurde schlecht und ihre Beine drohten fast unter ihr nachzugeben. Was ging hier ab? Mein Song? Bastian schrieb doch gar keine Lieder... Wie durch Watte hörte sie, wie ein ihr schrecklich vertrauter Song angespielt wurde. Ihr Magen begann sich zu einem Knoten zusammenzuziehen. Wie betäubt vernahm sie Bastians Interpretation des Liedes >Demons and Angels<. Ihres Liedes... Langsam und mit erstarrten Gesichtszügen rutschte sie mit der Schulter an der Wand herunter und sackte wie ein Häufchen Elend am Boden in sich zusammen. Ihre Gedanken schienen zäh und klebrig wie Sirup zu sein und drehten sich immer wieder im Kreis. Selbst als ihre Hand sich schon lange von der Gegensprechanlage gelöst hatte, hämmerte das Lied weiter in ihren Ohren und fesselte ihre Gedanken. Was war hier los? Warum probten die Drei ein Lied, dass sie so noch nie vorher gehört hatte? Warum probten sie nur zu Dritt? Seit wann spielte Bastian so gut Geitarre? Und seit wann schrieb und komponierte er an ihren Lileder rum? Ihr Magen rebellierte. Langsam sank sie nach vorne, bis ihre Stirn den kalten Fliesenboden berührte. In ihrem Kopf begann sich alles zu drehen und in ihrem Hals bildete sich langsam ein stacheliger Kloss, der ihr die Tränen in die Augen treiben wollte... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)