Out of Time von MajinMina (In der falschen Zeit!) ================================================================================ Kapitel 5: Verstehen -------------------- Huhu ^^ naaa, seid ihr immer noch dabei? es geht spannend weiter - schnell geupdated nur wegen roter Mondschein *g* danke für deine Kommies! Out of Time Kapitel 5: Verstehen 1878 Sano saß neben Yahiko und aß sein Frühstück. Megumi hatte es gekocht, da sie im Dojo übernachtet hatte, um Kenshin regelmäßig seine Medizin zu verabreichen. Battousai war kurz vor Sonnenaufgang erschöpft wieder eingeschlafen und Sano hatte ihn nicht geweckt. Immerhin schien er an die Wand gelehnt besser zu schlafen als auf einem Futon. Yahiko schaufelte wie immer das Essen gierig in sich hinein, aber Sano aß langsamer und war in Gedanken ganz wo anders. Er dachte über Kenshin beziehungsweise Battousai nach. Irgendwie schien dieser Junge - trotz seines Aussehens - noch älter als Kenshin zu sein, alt und erschöpft. Es war, als ob er überhaupt keine Kindheit gehabt hatte. Sano hielt mit dem Essen inne, als er sich an das Gespräch mit Kenshin auf der Brücke erinnerte. Er hatte Kenshin gefragt, ob er nie als Kind Mutproben-Spiele gemacht hatte. Kenshin hatte nicht geantwortet und plötzlich verstand Sano, warum. Trotz all seiner Kenntnis über Battousais militärische Vergangenheit war ihm bisher noch nie der Gedanke gekommen, dass jemand, der schon im Alter von fünfzehn so wie Battousai hatte töten können, niemals eine Kindheit gehabt haben KONNTE. “Was ist denn jetzt wieder mit dir los?”, kam Megumis Stimme von hinten, genau als Sano sich mit der flachen Hand an die Stirn schlug. „Was?“ entfuhr es ihm aus, seinen Gedanken gerissen. Die Frau lächelte ihn verschmitzt an. „Du isst wie ein normaler Mensch. Irgendwas kann nicht stimmen. Hast du Fieber wie Ken-san?“ Sano schenkte ihr ein grimmiges Lächeln. Yahiko hielt mit den Stäbchen zum Mund inne und fragte überrascht, „Kenshin ist krank?“ „Jaah,“ sagte Sano. „Du hast wieder mal alles verschlafen, Kleiner.“ Wütend wollte Yahiko schon fast das Essen auf Sano werfen. „Nenn mich nicht Kleiner!“ rief er. „Jemand mit einem Hahnen-Kopf wie du.“ Sano knirschte mit den Zähnen und wollte sich gerade für diese Bemerkung rächen, als Kaoru und Misao den Raum betraten. Misao ließ sich gleich zwischen die beiden Streithähne fallen und begann zu essen. „Lecker,“ murmelte sie mit vollem Mund in Megumis Richtung. Kaoru setzte sich neben Sano. „Wie geht es ihm?“ fragte sie sofort mit beunruhigter Stimme. Sano zuckte mit den Schultern. „Es ist Kenshin. Dem geht’s bald wieder besser. Er ist noch ein bisschen müde und noch etwas verpeilt, aber heute Morgen war er kurz wach und seine Laune hatte sich verbessert.“ „Er ist wach?“ fragte Megumi alarmiert. „Warum hast du mir das nicht gesagt?“ Sie verpasste Sano mit ihren Essstäbchen eine Kopfnuss. „Hey,“ rieb sich Sano den Kopf, „beruhig dich erst mal. Er schläft doch schon wieder. Denkst du, ich hätte ihn alleine gelassen, wenn er wach wäre?“ Kaoru sah immer noch besorgt aus. Ihr Essen stand noch unberührt vor ihr. „Ist... ist er immer noch so verwirrt? Hat er immer noch Angst... so wie letzte Nacht?“ Yahikos Augen weiteten sich. „Kenshin und Angst? Niemals. Wie krank ist er denn?“ “Er hatte hohes Fieber,” wollte Megumi antworten aber Sano unterbrach sie. „Ihm geht es gut. Er ist nur nervös, wenn alle um ihn herumstehen. Es fällt ihm schwer, die Gesichter zuzuordnen. Das Fieber hat ihn wirklich ganz schön mitgenommen. Aber er hat keine Angst und er ist auch nicht gefährlich, also warum lasst ihr ihn nicht einfach eine Weile in Ruhe?“ Einen Moment lang herrschte Schweigen, bis Megumi sanft meinte: „Keiner hat gesagt, das er gefährlich ist...“ Sie sah besorgt Sanosukes verbundene Schulter an. Dem Kämpfer blieb jedoch eine Antwort erspart, denn Battousai selbst stand plötzlich in der Tür. Sein langes, rotes Haar war offen und floss über seine Schultern und er trug nur seine Hakama. Die üblen Wunden auf seiner Brust, seinen Armen und seinem Rücken steckten immer noch in Megumis Verbänden, wenn auch an manchen Stellen bereits Blut durchzuschimmern schien – ein Zeichen, dass die Verbände bald gewechselt werden mussten. Dennoch sah er jetzt gesünder und stärker aus, wenn auch Sano nicht entging, dass der Junge sich noch zur Unterstützung am Türrahmen festhalten musste. Yahiko starrte Battousai an und sagte nichts. Doch Kaorus Augen weiteten sich vor Freude. „Kenshin!“ Er spannte sich für einen Moment an, schien sich dann aber wieder zu beruhigen und schaffte es sogar, kurz in ihre Richtung zu nicken. Das schien für Kaoru schon mehr als genug zu sein. Doch Megumi war nicht so leicht zufrieden zu stellen. „Ken-san. Warum läufst du schon herum? WILLST du nicht gesund werden?“ Battousai wandte ihr seine kalten, blauen Augen zu. „Mein Gi,“ sagte er mit ruhiger Stimme, ihre Besorgnis ignorierend. „Wo ist er?“ Misao schlug sich die Hand an die Stirn und sprang auf. „Mein Fehler!“, rief sie aus. „Opa wollte, dass ich dir deine Sachen ins Zimmer lege, aber ich hab’s gestern Nacht vor lauter Aufregung vergessen!“ Sie eilte aus dem Zimmer und hätte Battousai fast umgerannt. Megumi funkelte ihn immer noch wütend an. „Du brauchst deinen Gi nicht, Ken-san. Du bist krank und wirst dich wieder hinlegen.“ Ihr Blick wurde noch drohender. Sano zuckte zurück. Er kannte diesen Blick gut genug, um Angst davor zu haben. Natürlich funktionierte das bei jemandem, dessen eigener Blick in der Revolution berüchtigt dafür war, Soldaten in Angst und Schrecken zu versetzen, überhaupt nicht. Battousai sah einfach weg. Misao kam wenige Minuten später mit einem kleinen Bündel wieder zurück. Sie fingerte den Gi heraus und reichte ihn Kenshin, bevor sie mit dem Rest wieder davoneilte. „Ich leg’s dir ins Zimmer! Entschuldigung, Himura.“ Battousai stand stumm da und schaute auf den magenta-farbenen Gi in seinen Händen. Er schien seine Sprache verloren zu haben. Nach einem Moment schaute er langsam auf, in Richtung Sano. „Das ist nicht meiner.“ Sano hielt sein Lachen angesichts Battousais fassungslosem Gesicht zurück. Natürlich konnte sich der Hitokiri nicht vorstellen, jemals freiwillig rosa zu tragen. Kaoru schaute von dem Gi zu Battousai. „Was ist los, Kenshin? Natürlich ist das deiner.“ Seine Brauen zogen sich vor Verwirrung und Frustration zusammen. „Er ist pink.“ Sano versuchte sein Gelächter hinter einem plötzlichen Hustenanfall zu verbergen. Auch ein böser Blick von Battousai half da nichts. Der Rotschopf atmete einmal tief durch. „Ich hätte gerne meinen Gi. Er ist dunkelblau und ich habe ihn letzte Nacht getragen.“ „Ach, den meinst du!“ schaltete sich Megumi ein. „Der ist immer noch nass und muss geflickt werden. Danach kannst du ihn wieder haben.“ Sano hielt die Luft an, denn er rechnete jeden Moment damit, dass Battousai einen Wutanfall bekommen könnte angesichts Megumis kommandierendem Ton. Aber er verbeugte sich nur kurz und verließ dann das Zimmer. Nachdem er gegangen war, meinte Kaoru zögerlich, „Sano... woher hat er denn überhaupt den blauen Gi? Den hab ich vor letzter Nacht noch nie an ihm gesehen.“ „Hiko Seijuro,“ rief Sano aus, die erstbeste Ausrede, die ihm in den Sinn kam. „Sie... haben jetzt das Ritual eingeführt, sich gegenseitig Souvenirs mitzubringen.“ Er stand auf und streckte sich. Megumi sah amüsiert aus. “Ein Gi als Souvenir?” Schulternzuckend lief Sano zur Tür. „Kenshin hatte das Bedürfnis, vier Meilen weit zu einem Dorf laufen zu müssen, nur um für seinen Meister Sake zu kaufen.“ Er grinste. „Was soll man dazu noch sagen? Sie sind beide seltsam. Naja, ich sehe jetzt besser mal nach ihm, er wirkt immer noch ein bisschen überfordert.“ Schnell lief Sano den Flur entlang zu Battousais Zimmer. Der Junge hatte den Gi achtlos auf den Boden geworfen und war gerade dabei, einige seiner Wunden neu zu verbinden. Sano setzte sich neben ihn auf die Tatami. „Du musst den Gi tragen, wenn du nicht willst, dass jemand Verdacht schöpft.“ Battousai sah nicht auf. „Er ist pink,“ murmelte er nur. „Das gehört sich so,“ sagte Sano. „Der legendäre Hitokiri Battousai trägt pink. Und das schon seit einer ganzen Weile. Anscheinend magst du die Farbe.“ Sano grinste, aber der Junge sah ihn nicht einmal an. „OK, pink ist nicht unbedingt eine männliche Farbe und selbst Megumi, Misao und Kaoru haben nichts so rosafarbenes in ihrem Kleiderschrank. Na und? Hast du Angst, dass dich die Farbe weniger stark wirken lässt oder so? Denn das kannst du mir glauben, die Farbe deines Gi’s hat nie etwas an deiner Stärke verändert.“ “Wovon sprichst du?” fragte der Rotschopf, während er vorsichtig seinen Brustverband abwickelte. „Mir ist die Farbe meiner Kleidung egal. Es ist nur so, dass pink zu hell ist. Ich kann nicht in Kyoto mit dieser Farbe herumlaufen, nicht einmal Nachts. Es sei denn, ich möchte sofort entdeckt und getötet werden.“ Sano seufzte. „Niemand wird dich hier töten, Himura. In der Regel versucht man dich nur drei Mal pro Jahr umzubringen und das hast du dieses Jahr schon hinter dir. Also, zieh den Gi an und entspanne dich. Ich passe auf, dass dich keiner verletzt.“ Battousai ignorierte den letzten Satz. „Ich brauche noch mehr Verbände.“ Sano stand auf, holte welche aus dem Koffer, den Megumi im Zimmer stehen gelassen hatte und warf sie dem Jungen zu. „Gott, was genau ist mit dir passiert?“ murmelte er mehr zu sich selbst, als er einen genaueren Blick auf Battousais Wunden werfen konnte. „Du bist ja fast so bandagiert wie Shishio.“ Er hatte nicht erwartet, dass Kenshin seinen Kommentar hören wurde. „Was ist mit Shishio Makoto?“ Blaue Augen trafen Braune. „Nichts. Vergiss, was ich gesagt habe.“ Battousais Augen verhärteten sich. „Verstehe,“ sagte er mit eisiger Stimme. „Ken—,“ Sano unterbrach sich und versuchte es noch einmal. „Himura!“ Als der Rothaarige nicht reagierte, riss ihm Sano die Verbände aus der Hand. Der Junge starrte ihn nun mit einer Mischung von Überraschung und Wut an und die Spannung zwischen ihnen war gerade zu fühlbar. Sano holte tief Luft. „Es ist nicht so, dass ich es dir nicht erzählen will. Du bist mein Freund, ich würde dir fast alles erzählen! Es gibt nur Dinge, die du einfach nicht zu wissen brauchst. Du kannst mich dafür hassen, aber du musst noch zehn Jahre warten. Jetzt hat das überhaupt keine Bedeutung für dich.“ Battousai blickte finster. „Gut. Kann ich jetzt die Verbände wiederhaben?“ Sano unterdrückte ein frustriertes Seufzen. Er wollte nicht das wenige Vertrauen, das er Battousai inzwischen schon hatte abringen können, verspielen. Er trat hinter den Jungen und lächelte versöhnlich. „Entspann dich. Ich werde dir beim Verbinden helfen. Deinen Rücken kannst du dir ja nicht selbst verbinden, oder?” „Doch,“ meinte Battousai knapp. Dann, nach einer Pause, sprach er mit einer weniger kühlen Stimme weiter. „Normalerweise verarztet mich Okami-san. Aber sie ist nicht hier. Und ich glaube, Megumi ist noch wütend auf mich.“ „Hmpf,“ grummelte Sano. „Arme hoch!“ Battousai gehorchte. „Sie ist nicht wirklich wütend auf dich. Es ist nur ihre Art, sich Sorgen zu machen. So sind sie: Megumi wird wütend, Kaoru weint entweder oder schlägt dich. Und Misao nervt herum.“ Er knotete das Ende der Verbände aneinander. „Arme runter!“ Battousai tat, wie geheißen und befühlte Sanos Verband. „Gute Arbeit,“ sagte er. Mit einem Achselzucken registrierte Sano das Kompliment. „In meinem alten Beruf hab ich das ständig gemacht.“ „Alter Beruf?“ „Ja,“ sagte Sano und stand auf. „Ich war ein Auftrags-Kämpfer.“ Er grinste. „Siehst du, wir sind gar nicht so verschieden.“ Battousai antwortete nicht. Sano lehnte sich gegen die Wand. „So, wer ist diese Okami-san eigentlich? Du hast sie jetzt schon ein paar Mal erwähnt.“ Er versteifte sich, als ihm plötzlich ein Gedanke in den Sinn kam. „Ist sie deine Mutter?“ Battousais Gesichtsausdruck wäre fast schon komisch gewesen, wenn nicht soviel Trauer darin zu sehen gewesen wäre. „Blut von den Wänden abwaschend?“ fragte er. „Das war der Zusammenhang, in dem ich das letzte Mal ihren Namen erwähnt habe.“ Seinen Augen nahmen einen abwesenden Ausdruck an. „Meine Eltern starben an der Cholera, als ich sechs Jahre alt war.“ „Oh,“ sagte Sano. „Tut mir leid.“ Eine weiterer Punkt auf der Liste mit unfairen Dingen, die diesem Jungen im Leben passiert waren. Sano dämmerte es gerade, wie viel Kenshin von sich eigentlich NICHT erzählte. „Es ist egal.“ Sano konnte sich nicht einmal mehr aufregen und antwortete nur mit erschöpfter Stimme, „ist es nicht. Es ist nicht egal. Es gibt Dinge, die nicht egal sind.“ Battousai hob mit spitzen Fingern den Gi vom Fußboden auf und warf ihm einen pikierten Blick zu, bevor er ihn schließlich, sich seinem Schicksal fügend, anzog. Als er sich umschaute, fand er einen Kamm und ein Haarband und begann, sich seine roten Haare zu einen Pferdeschwanz hochzubinden. „Nein,“ sagte Sano und lachte wieder. Battousais Blick verdüsterte sich erneut. „Was denn NUN schon wieder?“ „Kein Pferdeschwanz nach oben. Du trägst dein Haar unten.“ Zögernd ließ Battousai seine Haare los. „Wie?“ fragte er unsicher. Er war es gewöhnt, genaue Anweisungen zu befolgen und diese vage Beschreibung half ihm nicht weiter. Sano kam zu ihm herüber und band ihm die Haare im Nacken zu einem losen Zopf zusammen. Dann trat er einen Schritt zurück und beäugte den Jungen. „Dein Haar ist länger und... gepflegter. Kenshin macht sich um seine Haare nicht so viel Aufwand wie du. Aber ich glaube nicht, dass das irgendjemand bemerken wird.“ Battousais Hand glitt vorsichtig über seine Haare, während er an ein Fenster trat und sich in der Reflexion des Glases begutachtete. Es war ihm, als ob er einen völlig Fremden sehen würde. „Ich denke,“ sagte er langsam, „dass ich den Sinn jetzt verstehe.“ Sano trat neben ihn. „Was für einen Sinn?“ Wie hypnotisiert starrte Battousai sich weiterhin an. „So wie ich aussehe, bin ich viel zu auffällig,“ meinte er mit sanfter Stimme. „Normalerweise kann ich das im Dunkeln verbergen. Aber in der...Meiji-Zeit... musste ich wahrscheinlich lernen, auch am Tage draußen zu sein, wo man mich am leichtesten erkennt.“ Er lächelte, eines seiner seltenen, sanftmütigen Lächeln. „Zu dieser Zeit verstecke ich mich, in dem ich auffalle. Ich ziehe so viele Blicke auf mich durch mein Erscheinungsbild, dass sich niemand vorstellen kann, dass ich Hitokiri Battousai sein könnte.“ Er drehte sich vom Fenster weg. „Vielleicht habe ich mich gar nicht so sehr verändert.“ Sano starrte ihn mit einem verwunderten Gesichtsausdruck an. „Du denkst eindeutig zu viel nach,“ sagte er. Dann lächelte er besserwisserisch. „Aber habe ich dir nicht das selbe gesagt? Du bist Kenshin, egal wann und wo. Verstehst du jetzt, warum ich immer noch dein Freund bin?“ „Nicht wirklich.“ Ein großer Schweißtropfen erschien auf Sanos Stirn. „Das werden wir schon noch hinkriegen. Lass jedenfalls die Anderen glauben, das du ihr Kenshin bist – in der Zwischenzeit überlegen wir uns eine Möglichkeit, wie du wieder nach Hause kommen kannst. So wie du jetzt aussiehst, bist du Kenshin ziemlich ähnlich. Außer...“ Sano druckste einen Moment herum. „Himura, wenn ich dir dein Schwert zurückgebe, versprichst du dann, es nicht zu ziehen?“ Battousais Augen verschmälerten sich. „Das ist wichtig, Himura,“ sagte Sano schnell. „Die Polizei ist nicht gerade glücklich damit, dass du ein Katana trägst, aber sie haben ihre Befehle, dich in Ruhe zu lassen. Wenn du das Schwert ziehst und sie sehen, das es kein Sakabatou ist, dann...“ Bei Sanos letzten Worten hatten sich Battousais Augen wieder geweitet und kurz war die Ausdruckslosigkeit aus seinem Gesicht gewichen. „Warum würde ich ein Sakabatou tragen? Ist das trotz des Schwertbannes legal?“ „Naja, nein. Nicht ganz. Aber man weiß, dass dein Schwert ein Sakabatou ist, und deswegen sind selbst die Leute, die dich als Battousai erkennen, einigermaßen beruhigt. Das Schwert ist ein Symbol deines Schwures, nie mehr zu töten. Es weiß fast keiner hier, wer du bist, aber für diejenigen, die es wissen, ist das sehr wichtig.“ Battousai sah ihn einen Moment lang schweigend an. „Ich werde mein Katana nehmen, Sanosuke. Ich kann zwar nichts versprechen aber... ich werde es nicht ziehen, es sei denn aus einem wichtigen Grund.“ Sano zögerte und wägte im Geiste die Alternativen gegeneinander ab. Er wusste, eine große Wahl hatte er nicht. Kenshin war zwar weitaus freundlicher und vertrauenswürdiger wie Battousai, aber selbst er war nie ohne sein Schwert in den Strassen unterwegs. Und wenn das Schwert hier im Dojo herumstand, würde vielleicht noch jemand entdecken, dass es kein Sakabatou war. „OK, ich hole es dir,“ erklärte Sano. Kurze Zeit später kam er mit dem Katana wieder zurück. Der Jugendliche nahm es aus seiner Hand. „Und mein Wakizashi?“ fragte er. „Das musst du im Fluss verloren haben, du hattest nur das Katana bei dir.“ Battousai fixierte Sano kurz, um festzustellen, ob er auch ehrlich zu ihm war, aber dann nickte er. Als er endlich das Katana in seinen Obi steckte, fühlte er sich zum ersten Mal wieder sicher und erleichtert. Sano lächelte, als er sich daran erinnerte, wie nervös Kenshin immer war, wenn er sein Sakabatou nicht bei sich hatte. „Nein, ihr zwei seid gar nicht so verschieden.“ -- 1865 Mit hämmernden Kopfschmerzen wachte Seijuro Hiko spät am Morgen auf. Er war sich sicher, dass dies der heftigste Kater war, den er je gehabt hatte, seit er mit dem Sake-Trinken angefangen hatte. Sein einziger Trost war, dass es Kenshin, der noch tief und fest am schlafen war, wohl noch viel schlimmer gehen musste, wenn er aufwachen würde. Hiko beobachtete ihn ein paar Minuten während er versuchte, sich an alle Einzelheiten des gestrigen Abends zu erinnern. Er war sich sicher gewesen, dass die reine Seele seines baka Deshi durch den Krieg zerstört worden wäre. Aber jetzt wusste er, dass die Revolution zwar ihre Spuren auf ihm hinterlassen hatte, aber ein Teil des unschuldigen Jungen, Shinta, immer noch lebte. Der Krieg hatte ihn für immer gezeichnet und Hiko konnte überall die sichtbaren und unsichtbaren Narben sehen – seine Stimme, seine Augen und die Art, wie er sich selbst gab, verrieten die Wunden auf seiner Seele. Aber der starke Geist, der es damals dem kleinen Jungen möglich gemacht hatte, all die Körper zu begraben, war nie gebrochen worden. Und wenn Kenshins Ideale auch oftmals nervend waren war es doch für Hiko eine Erleichterung zu sehen, das sie nicht von Strömen aus Blut hinweggespült worden waren. Der Rothaarige Mann kam langsam zu sich und öffnete die Augen. Er bewegte sich nicht sondern starrte nur an die allzu vertraute Decke, blinzelnd im hellen Sonnenlicht. „Shishou?“ fragte er vorsichtig, ohne sich umzusehen. Als Antwort bekam er mit einem Krachen ein Sake-Schälen auf den Kopf geworfen, natürlich perfekt gezielt. „Autsch!“ rief Kenshin aus und setzte sich auf, während er seinen schmerzenden Kopf mit beiden Händen festhielt. Er warf Hiko einen seiner giftigsten Blicke zu. „Was sollte denn das, Shishou?“ Hiko packte ein weiteres Schälchen und warf es erneut auf Kenshin, der zu verdutzt war, um auszuweichen. Mit einem Zähneknirschen schien er etwas zu murmeln, was fast an einen farbenfrohen Fluch zu grenzen schien. Hiko schmunzelte. „Baka. Ich hab dir doch gesagt, du sollst mich Hiko nennen. Hast du das vergessen? Wir haben letzte Nacht nicht viel zustande gebracht, es sei denn, uns gewaltig zu betrinken.“ Kenshin stand wütend auf und hielt seinen schmerzenden Kopf, während er mit düsterem Blick alle noch verbliebenen Sake-Schälchen einsammelte und so weit wie möglich von Hiko weg in eine Ecke der Hütte stellte. Dann setzte er sich wieder. „Wir haben immerhin herausgefunden, dass es keinen Grund für diese Zeitreise gibt... Hiko.“ Hiko versuchte sich, seine Belustigung nicht anmerken zu lassen. Für einem Moment hatte der Mann, der fast in einem Alter war, wieder wie sein baka deshi gewirkt, trotzig und wütend. Nur war er jetzt bei weitem auch intelligenter. Aber das würde er natürlich Kenshin niemals sagen. „Und,“ fuhr Kenshin leise fort, “Ich denke, ich habe allein dadurch schon etwas erreicht, dass ich es geschafft habe, durch eure Tür zu treten.“ „Was?“ Kenshin seufzte. „Ich weiß noch, wie wir uns getrennt haben. Ich wusste, dass ich nicht willkommen war, wenn ich wieder zurück kommen würde. Und ich habe auch erkannt, dass ich mein Training gegen all eure Prinzipien einsetzte. Ich war mir nicht sicher, ob ihr mich aufnehmen würdet, auch wenn ich nicht mehr getötet habe, seit....“ Er dachte, er wäre nicht mehr willkommen, wunderte sich Hiko überrascht. Natürlich, den Hitokiri hatte er nicht wiedersehen gewollt, einfach nur deswegen, weil er nicht wissen wollte, was sie dem Jungen angetan hatten – und ob sie ihn zerbrochen hatten. Aber dennoch, er blieb sein baka deshi... Kenshin.... dieser Baka war immer willkommen, alleine nur deswegen, damit er ihm eine kräftige Kopfnuss für seine Dummheit verpassen konnte. „Ich habe niemals gesagt, dass du nicht mehr zurückkommen kannst,“ grummelte Hiko. „Warst du ein solcher Idiot, dass dir das nicht in den Sinn gekommen ist?“ Kenshin schaute endlich zu ihm her. „Ihr hättet mich wieder trainiert?“ Hiko schnaubte. „Nein. Aber ich hätte immerhin mit dir gesprochen.” „Gesprochen?“ Hikos Gesicht verfinsterte sich angesichts Kenshins irritiertem Blick. Anscheinend war seine Vermutung, sein Schüler wäre mit der Zeit schlauer geworden, übereilt gewesen. „Ja, Kenshin. Miteinander reden! So wie letzte Nacht.” Er zögerte. „Denkst du denn wirklich, dass so etwas wie dir noch nie jemandem vorher passiert ist?!“ Kenshin sagte nichts aber seine Augen weiteten sich ein bisschen. Hikos Blick wurde noch finsterer. “Jetzt verstehst du es endlich. Denkst du, ich wüsste nicht, wie sie dich im Krieg benutzen würden? Warum sonst hätte ich versuchen sollen, dich am Gehen zu hindern? Baka.“ Er stand auf und versuchte, den Schmerz in seinem Kopf zu ignorieren, während er die Tür der Hütte öffnete und einen Blick ins Freie warf. „Deswegen habe ich mir geschworen, niemals mehr einen Schüler aufzunehmen,“ murmelte er. „Es tut mir leid, Shishou. Ich wusste das nicht.“ Hiko ballte die Fäuste. „Ich habe dir doch gesagt, du sollst aufhören, mich-“. Er seufzte und gab es auf. „Egal.“ Aus der Ecke des Raumes holte er einen neuen Sake-Krug und trank einen Schluck. „Wenn du noch länger hier bleibst, werde ich noch zum Alkoholiker,“ grummelte er, als er über Kenshin hinwegstieg und sich wieder setzte. „Oro? Ihr trinkt um diese Uhrzeit...?“ “Ruhe, Kenshin!” bellte Hiko. „Aber Shi...“ Seufzend unterbrach er sich. “Hiko, trinken wird meine Situation nicht verbessern.” Hiko nickte und nahm einen weiteren, großen Schluck. „Gut. Dann konzentrieren wir uns und überlegen. Um dich wieder zurückzuschicken, müssen wir herausfinden, wie du überhaupt hergekommen bist. Was hast du gemacht, als es passiert ist?“ Kenshin legte seine Stirn in Falten. „Ich war auf einer Brücke am Stadtrand von Kyoto mit Sanosuke, einem Freund. Er balancierte auf dem Geländer, und als er ausrutschte, zog er mich mit ins Wasser. Dann als ich auftauchte, war Sanosuke weg und ich... war hier... jetzt...“ „Und?“ Kenshin blinzelte ihn an. „Oro?“ Hikos Augenbraue zuckte vor Ungeduld. „Und gibt es noch etwas? Irgendwas, was uns vielleicht WEITERHILFT? Deine Beschreibung erklärt nämlich nichts. Gibt es irgendwas in dieser Zeit, was du mit dem Vorfall in Verbindung bringen kannst?“ Kenshin schüttelte den Kopf. Dann hielt er inne. „Der Junge,“ sagte er sanft. „Welcher Junge?“ „Als ich noch Hitokiri war, habe ich einmal versucht, einen Jungen davon abzuhalten, sich von der Brücke ins Wasser zu stürzen. Als ich mit Sanosuke über genau die selbe Brücke gegangen bin, habe ich mich daran erinnert. Der Junge ist damals ins Wasser gefallen. Ich dachte, er wäre tot... aber als ich in diese Zeit kam, konnte ich ihn aus dem Wasser ziehen.“ Er sah zu Hiko auf. „Glaubt ihr, der Junge hat etwas mit der Zeitreise zu tun?“ Hiko zuckte mit den Schultern. „Woher soll ich das wissen? Aber es ist ein Anfang. Weißt du, wer der Junge ist? Wo er sein könnte?“ Kenshin schüttelte den Kopf. „Nein. Ich hatte nicht das Gefühl, dass er aus der Gegend kommt. Er könnte von überall her sein.“ „Und das war’s? Willst du schon aufgeben?“ Der Rurouni sah zurück zu Hiko, Entschlossenheit in den Augen. „Das habe ich nicht gesagt,“ verteidigte er sich. „Ich meinte bloß, dass es schwierig wird, ihn zu finden. Aber wenn er die einzige Möglichkeit für mich ist, wieder zurück zu koommen, werde ich ihn finden. Es gibt Menschen, die Zuhause auf mich warten.“ Sein Gesicht legte sich in Sorgenfalten, vor allem, als er an Kaoru dachte. „Je schneller ich wieder zurück komme, desto besser.“ Hiko bemerkte die Besorgnis seines ehemaligen Schülers. Kenshin stand auf und verbeugte sich. „Danke für alles. Wenn es gut geht, dann werden wir uns für eine lange Weile nicht mehr sehen.“ Hiko schnaubte und setzte seinen Sakekrug ab. „Ich bin am Boden zerstört,“ sagte er trocken. Dann nickte er zu Kenshin. „Du willst doch so nicht raus gehen, oder?“ Kenshin blinzelte ihn an. „Oro?“ „Du trägst pink,“ sagte er. „Willst du im hellen Tageslicht mit einem pinken Gi durch Kyoto marschieren? Warum gehst du nicht gleich zu einer Shinsengumi-Einheit mit einem Schild um den Hals, auf dem steht: Ich bin Himura Battousai, bitte tötet mich!“ Er schnaubte. „Baka.“ Er stand auf und schlurfte zu einer großen Kiste, die an der Wand stand, vor sich hinmurmelnd. „Deswegen nenne ich dich baka deshi.“ Kenshins Gesicht gefror in einem Ausdruck von Verärgerung. „Ich habe leider meinen Kleiderschrank nicht mitgenommen, Shishou.“ „Was denkst du, was ich hier hole, Baka?“ schnappte Hiko zurück. „Ich glaube nicht, dass mir irgendetwas von eurer Kleidung passt,“ sagte Kenshin und versuchte, das demütigende Bild von sich selbst in Hikos großem Umhang aus seinen Gedanken zu verdrängen. „Du bekommst nichts von meinen Sachen,“ grummelte Hiko, drehte sich herum und warf Kenshin einen blauen Gi zu. „Das hier sind deine eigenen Klamotten. Hier, zieh den an.“ Kenshin hielt den Gi vor sich. „Als ich den getragen habe, war ich dreizehn,“ betonte er. „Und?“ Der Rotschopf seufzte, zog seinen magenta-farbenen Gi aus und schlüpfte in den Blauen. „Er passt bestimmt nicht mehr.“ Hikos Lippen kräuselten sich in einem Lächeln. „Natürlich passt er noch. Du siehst nicht so aus, als ob du seitdem jemals gewachsen wärst. Eigentlich siehst du sogar noch kleiner aus.“ Kenshins Augenbraue zuckte und er verkniff sich eine beleidigende Antwort. Zu seinem Missfallen war es genauso, wie Hiko prophezeit hatte: der Gi passte fast perfekt. Vielleicht ein bisschen eng an den Schultern, aber sonst... Er seufzte. „So wird es gehen,“ gab er zu. „Ich weiß,“ sagte der große Schwertmeister und wandte sich erneut um, um etwas zu holen. „Hier.“ Er ging zu Kenshin herüber und klebte ein Pflaster auf seine Narbe. Dann trat er einen Schritt zurück und beäugte ihn kritisch. „Schon besser. Jetzt nur noch deine Haare. Die Leute werden dich an ihnen trotzdem erkennen und wahrscheinlich macht dich ein Hut nur noch verdächtiger. Du wirst das Risiko einfach eingehen müssen. Halte dich einfach an die Schatten, bevor die Nacht hereinbricht. In der Dunkelheit sieht dein Haar fast braun aus.“ Für einen kurzen Moment zeigte sein Gesicht fast so etwas wie Besorgnis. „Du kannst noch bis Sonnenuntergang hier warten, wenn du willst. Es wäre sicherer.“ Kenshin schüttelte den Kopf. „Danke, aber nein. Je länger ich warte, desto unwahrscheinlicher ist es, dass ich den Jungen noch finde. Wenn ich mich wie ein Schatten bewege, dürfte alles glatt gehen. Immerhin habe ich das lang genug geübt.“ Hikos Blick verdüsterte sich. „Denk dran, dass ich nicht komme um dich zu retten, wenn du Mist baust. Sobald du mich verlässt, werde ich vergessen, dich jemals getroffen zu haben.“ Der Rotschopf verbeugte sich mit einem Lächeln. „Ich verstehe.“ Dann wandte er sich zum Gehen. „Kenshin.“ Der Rurouni wandte sich genau rechtzeitig um, um den Sakekrug noch auffangen zu können, den Hiko nach ihm geworfen hatte. Hiko grinste, als er Kenshins fragenden Gesichtsausdruck sah. „Der ist dafür, um dich bei klarem Verstand zu halten.“ Kenshin lächelte und band den Sakekrug an seinem Gürtel fest. „Danke,“ sagte er noch einmal, bevor er schließlich ging. Hiko beobachtete, wie der Mann, der einstmals sein baka deshi gewesen war, zwischen dem Bäumen verschwand. Als die Schatten ihn verschlungen hatten, wandte Hiko sich um und ging wieder in die Hütte. Es kam ihm plötzlich sehr still vor. Er würde lieber sterben als zuzugeben, dass er seinen Schüler vermisst hatte. Und er würde niemals zugeben, dass der Grund für seinen großzügigen Sakekonsum letzte Nacht Freude gewesen war. Der Sake hatte endlich wieder gut geschmeckt. Hiko verdrängte jedoch all diese Gedanken, hob den pinken Gi vom Boden auf und packte ihn in die Kiste, in der er die restlichen sachen seines Baka Deshis aufbewahrte. -- NÄCHSTES KAPITEL: Battousai ist nicht Kenshin – und nicht nur Sanosuke fällt das auf. Inzwischen trifft Kenshin in Kyoto auf die Personen, die er am meisten vermeiden wollte: die Shinsengumi! Wird er sein Schwert ziehen, um zu kämpfen? Bis dahin, LG, Mina Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)