Küchengeflüster von Benjy ================================================================================ Kapitel 21: Wer hätte das gedacht... ------------------------------------ „Und?“ „Na ja, dann bin ich wutentbrannt weggerannt…“ „Wirklich?!“ Yuus amüsiertes Lachen hallte durch die geräumige Einzimmerwohnung. „Lach nicht! Mir ist das echt ernst!“, schnappte Kouya, der am Tisch in der Mitte des Raumes saß und zu Yuu rüber starrte. Dieser befand sich in der Kochnische und brühte Tee auf. „Und was war mit Shino? Hast du nicht erzählt, dass ihr zwei alleine wart? Das hieße dann ja, du hast ihn mit deiner Flucht völlig allein gelassen.“ Yuu hörte Kouyas verächtliches Schnaufen. „Vielleicht ist ja Hiroki geblieben, und hat sich an meiner statt um die diversen geschmacklosen Filme gekümmert! Zu wünschen wäre es ihm allemal, also dem Hi-chan jetzt!“ Yuu sah auf und fixierte Kouya. Er war überrascht gewesen, seinen Freund aufgelöst und auf 180 vor seiner Tür wartend vorzufinden. Mehr noch überraschten ihn aber dessen bissige Bemerkungen, die vor nichts und niemanden Halt zu machen schienen. Yuu fragte sich, wann wohl die erste in seine Richtung schießen würde, da er bisher verschont geblieben war. Ein schiefes Grinsen erschien auf seinen attraktiven Lippen. Die letzte halbe Stunde zumindest war seinem besten Freund gewidmet gewesen, was ihn nicht im Geringsten störte. „Hm… Shino hat auf jeden Fall mein vollstes Mitgefühl! Ist bestimmt nicht einfach gewesen, zwei laute Sturköpfe unauffällig im Hinterzimmer zu verstecken!“ „Hey! Auf wessen Seite bist du eigentlich?!“, rief Kouya übertrieben empört. „Wenn überhaupt, dann bin ich auf meiner Seite! Ich lass mich doch nicht in einen Streit zwischen Brüdern reinziehen, von denen der eine mein Geliebter, und der andere mein bester Freund ist!“, erwiderte Yuu arrogant, der beladen mit einem Tablett zum Tisch kam, und Kouya gegenüber Platz nahm. „Und Shino ist in diesem Fall nun mal die leidtragende Perso-“ Kouya stöhnte genervt und ließ den Kopf auf den Tisch sinken. Er ignorierte bewusst Yuus Schmunzeln. „Ja, ja. Schon gut…“ „Hier! Für dich!“ Kouya blickte verdutzt auf den quadratischen Gegenstand, der plötzlich vor seinen Augen erschien. Das handgeschöpfte beigefarbene Geschenkpapier bestach hinreißend durch die getrockneten Blütenblätter, die liebevoll darin eingearbeitet worden waren. Am olivgrünen Geschenkband, welches den Gegenstand locker umschloss und farblich hervorragend dazu passte, war eine kleine Karte befestigt, auf der etwas geschrieben stand. FÜR GEMEINSAME STUNDEN Kouya richtete sich auf und sah irritiert zu Yuu, der ihm ein unergründliches Lächeln schenkte, welches das vertraute Herzklopfen auslöste. „W-wie komm ich dazu?“, stotterte Kouya, der innerlich mit Schmetterlingen zu kämpfen hatte, die ungefragt in alle Richtung zu flattern versuchten. „Darf ich meinem Liebsten kein Geschenk machen?“ „Doch, doch, natürlich. Aber, na ja, ich komme mir nur so, also, es fühlt sich wunderbar an…“, sprach Kouya immer leiser werdend, der es jetzt tunlichst vermied, Yuu in die Augen zu sehen. „Dann ist ja gut. Ich dachte nämlich schon, du würdest es nicht nehmen wollen, weil du vielleicht das Gefühl hast, es wäre eine Art Versöhnungsgeschenk von mir. Immerhin habe ich mich wegen Takashi ziemlich daneben benommen.“, gestand Yuu, der am liebsten rüber zu Kouya geeilt wäre, um endlich dessen Mund leidenschaftlich mit seinem versiegeln zu können – er hatte sich bisher nämlich nicht getraut, sich Kouya auf diese Weise zu nähern, seit dieser hier früher als erwartet aufgetaucht war. „Daran hatte ich bis eben gar nicht mehr gedacht…“, murmelte Kouya, der zaghaft nach dem Geschenk griff. Yuu konnte Kouyas glühende Ohren unter den frechen rotbraunen Haaren hervorblitzen sehen und richtete bezaubert seine Augen auf das dazugehörige Gesicht, das nicht weniger glühte. „Ich versuche mich zu bessern, was mein…ähm, nun, eifersüchtiges Verhalten betrifft.“, sprach Yuu leise. „Woah, das klingt so dämlich…“ Yuu fuhr sich verlegen durch die schwarzen Haare. Er beobachtete Kouya dabei, wie dieser schweigsam das Geschenk auspackte. Kouya starrte auf den wunderschönen Teebecher in seiner Hand und hörte kaum, was Yuu sagte. Unbewusst breitete sich Erleichterung in ihm aus, und ein leises Seufzen entschlüpfte seinen Lippen. Er wusste nicht wieso, aber irgendwie hatte er mit etwas ganz anderem gerechnet – etwas mit einem mehr sexuelleren Zusammenhang. Kouya hatte keine Ahnung, warum sein Kopf während des Auspackens voll von diesen Dingen war. Für gemeinsame Stunden konnte schließlich alles und nichts bedeuten. Vielleicht war er mit seinen Gedanken einfach noch ungewollt bei Shinos geschmacklosen Filmen gewesen, mit denen er sich heute hatte auseinandersetzen müssen – die nicht nur bei ihm eine Wissenslücke gefüllt hatte, wenn er da an seinen Bruder dachte. „Der ist wunderschön!“, hauchte Kouya entzückt. „Er gefällt dir?! Dann bin ich ja beruhigt. Es war nicht einfach gewesen, den richtigen Becher zu finden.“ „Aber warum? Also, nicht, dass ein Teebecher nicht toll wäre, aber-“ Kouya verstummte, als er zu Yuu blickte. Was er dort sah, raubte ihm schlicht den Verstand. Yuus Wangen überzog eine leichte Röte, die wunderbar mit den schwarz schimmernden Augen harmonierte, in denen er sich auf der Stelle verlieren könnte. Kouya riss sich von dem Anblick los, und betrachtete erneut die Tasse in seiner Hand. „Du sollst einfach deine eigene haben, wenn du hierher kommst.“, sprach Yuu leise. Kouya hatte das Gefühl, ihm müsse beim Klang der Stimme das Herz endgültig übergehen. Er stellte den Becher behutsam ab, stand auf, um sich wenige Sekunden später in einer leidenschaftlichen Umarmung wiederzufinden, die nur durch Yuus zuckersüßen Kuss übertroffen wurde. Wohlige Wärme breitete sich in Kouyas Körper aus, und er umschlang Yuu fester. Am liebsten hätte er auf das Luftholen verzichtet, um damit die Berührung ihrer Lippen nicht unterbrechen zu müssen. „Yuu…“, wisperte er atemlos. „Kouya…“ Yuu sah berauscht auf Kouya hinab, der mit freiem Oberkörper und geöffneter Hose unter ihm lag und bei jeder Berührung erzitterte. Sein Geliebter hielt die Augen geschlossen, und biss sich in freudiger Erwartung sanft auf die Unterlippe. Yuu begann zu lächeln. Er setzte sich auf, und zog nun ebenfalls sein T-Shirt aus – er hatte zwar keine Ahnung, wie weit sie gehen würden, aber es würde wohl nicht schaden, mit Kouya gleichzuziehen. Yuu fuhr sanft mit den Fingern über Kouyas entblößte Brust, auf der sich allmählich seine hinterlassenen Liebesmahle zeigten, und entlockte auf diese Weise den feucht glänzenden Lippen unter ihm ein heiseres Stöhnen. Er lehnte sich gerade zu diesen hinab, als ihm unerwartet grüngraue Augen entgegensahen, die sich beim Anblick seines nun ebenfalls nackten Oberkörpers abrupt weiteten. „Oh…?!“, hörte er Kouya ausrufen. „Was OH?!” Yuu starrte fragend herab, während er die Distanz zwischen ihren Lippen immer mehr verringerte. Er spürte, wie mit jedem schrumpfenden Zentimeter Kouyas Erregung zunahm und entschied grinsend, sie gnadenlos weiter in die Höhe zu treiben. Verspielt küsste er Kouyas Nasenspitze, während er gleichzeitig unangekündigt seine Hand in dessen Unterhose schob. Das Ergebnis seiner Handlung war äußerst erregend. „Ngh…“ Kouya stöhnte auf und suchte berauscht seinen Blick. „Gehe ich richtig in der Annahme, dass dir das gefällt?“, neckte Yuu verliebt, der sah, dass Kouya bei seinen Worten dunkelrot anlief. Er verstärkte den Druck seiner Hand, und genoss die leidenschaftliche Reaktion seines Liebsten – Kouya langte bebend mit einer Hand nach seinem Gesicht. Yuu fuhr sich verlangend mit der Zunge über die Lippen und ließ sie anschließend sanft über Kouyas wandern, bevor er im nächsten Moment erstarrte. Er richtete sich schlagartig auf und starrte bestürzt zur Tür. Die Klingel erklang ein weiteres Mal, und wurde nun von einem aufdringlichen Klopfen begleitet, dem ein genervtes Rufen folgte. „Yuu!?! Ich weiß, dass du da bist! Also mach auf…oder besser, schick Kouya gleich raus!“ „Das ist jetzt nicht wahr, oder…“, flüsterte Yuu und blickte gepeinigt auf Kouya hinab, der ernüchtert zu ihm aufschaute und die Lippen wütend aufeinander presste. „Das kann er sich abschminken!“, rief dieser einen Atemzug später und krabbelte Verwünschungen ausrufend unter ihm hervor, schnappte sich das T-Shirt und rannte die Hose festhaltend zum Bad. Yuu hörte das absperrende Geräusch der Badezimmertür und wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte. Kouya und er waren in so guter Stimmung gewesen. Er zog ernsthaft in Betracht, Hiroki für dessen unwillkommene Störung einfach vor der Tür versauern zu lassen – aber natürlich tat er dies nicht. Er griff fluchend nach seinem T-Shirt, und überprüfte mit einem Blick die Gegend unterhalb seiner Gürtellinie. „Der Anblick müsste noch als tragbar durchgehen…“, sprach Yuu leise, ehe er sich schief grinsend zur Tür aufmachte, um den älteren Bruder seines Geliebten einzulassen. Er machte sich nicht die Mühe, Kouya darüber in Kenntnis zu setzen, denn dieser hatte ihm mit der überstürzten Flucht ins Bad längst eine Antwort darauf gegeben. „Guten Abend, Hiroki! Was führt dich hierher?“, begrüßte Yuu Hiroki freundlich, der ihm übelgelaunt entgegen starrte. „Mein Bruder, was sonst!“ Die Antwort war schärfer als beabsichtigt. Hiroki hob entschuldigend die Hand. „War nicht so gemeint, Yuu. Ich komme natürlich auch dann hierher, wenn sich mein kleiner Bruder gerade nicht hier versteckt. Und jetzt sag mir bitte nicht, er wäre nicht hier, nur weil er das so von dir verlangt hat. Shino hat mir nämlich gesagt, dass er vorhatte dich zu besuchen.“, erklärte Hiroki nun mit ruhiger Stimme, der durch die Tür trat, da Yuu ihm inzwischen Platz gemacht hatte. „Er ist hier. Aber zu seiner Verteidigung sollte ich sagen, dass er nichts dergleichen von mir verlangt hat. Kouya hat sich lediglich im Bad eingeschlossen und ich befürchte, da kommt er vorerst nicht wieder raus.“ Yuu konnte den erneuten Stimmungsumschwung an Hirokis Augen ablesen. Denn genau wie bei Kouya, hatte er auch bei dessen älterem Bruder kein Problem damit, die rasch wechselnden Launen zu erfassen. „Eingeschlossen im Bad sagst du?! Wie alt war er noch mal?!“, rief Hiroki ungläubig, der ohne auf eine Antwort zu warten in den Wohnraum stürmte und zielstrebig auf das Bad zusteuerte. Yuu sah ihm kopfschüttelnd nach und murmelte amüsiert vor sich hin. „Ich frag mich wirklich, welcher sich kindischer benimmt…“ „Hey! Jetzt mach schon die Tür auf, Kouya! Ich will mit dir reden! Und zwar von Angesicht zu Angesicht!“, rief Hiroki sichtlich genervt. „Nur wenn du mir versprichst, dich aus dieser Sache rauszuhalten.“, antwortete Kouya entschlossen. „Wie könnte ich! Ich lasse dich nicht an einem Platz arbeiten, wo- wo von Sekt und Kaviar die Rede ist!“ Hirokis Stimme hatte die Zimmerlautstärke längst überschritten, aber er schien es selbst kaum zu bemerken. Yuu, der in Gedanken noch immer bei Sekt und Kaviar war und sich fragte, was es damit wohl auf sich hatte, räusperte sich lautstark, ehe er zu sprechen begann. „Hiroki, etwas leiser, wenn es geht.“ Der Angesprochene drehte sich um, und funkelte für einen Moment wütend in Yuus Richtung. Dieser lehnte lässig an der Wand gegenüber Badtür, und beobachtete vergnügt seit mehr als fünf Minuten die Szene vor ihm. „Ja, schon klar. Entschuldige!“, entgegnete Hiroki nun mit gemäßigter Lautstärke und wandte sich wieder der Tür zu. „Ya-chan, ich bitte dich! Ich bin einfach der Meinung, dass du bei mir an der Uni viel besser aufgehoben bist.“ „Kannst du mir mal den wahren Grund verraten, warum ich nicht in der Videothek arbeiten soll?! Der SEKT und der KAVIAR allein können es ja nicht sein, oder?“, schoss Kouya eisig zurück, der keine Anstalten machte, das Bad zu verlassen – wie kindisch er das auch letztendlich selber fand, vor allem in Hinblick auf seinen Liebsten, der irgendwo da draußen stehen musste. „Red nicht ständig von Sekt und Kaviar, sonst wird mir noch schle-“, begann Hiroki flehend, dem Yuu nun neugierig ins Wort fiel. „Was hat es eigentlich mit Sekt und Kaviar auf sich? Entschuldigt bitte, wenn ich da jetzt so dazwischenplatze, aber meine Neugier bringt mich fa-“ „Musst du nicht wissen!“ „Frag lieber nicht!“ Yuu hob erstaunt die Augenbrauen. Die Antworten der beiden kamen wie aus einer Pistole geschossen, und ließen ihn schmunzeln. Hinzukamen die glühenden Ohren seines besten Freundes, die darauf schließen ließen, dass dessen Gesicht nicht weniger leuchten musste. Wenn Hiroki davon schon peinlich berührt war, wie mochte es dann Kouya wohl ergehen. Yuu hoffte, dass er das Rätsel um den Sekt und den Kaviar mit Hilfe von diesem später lüften konnte. „Okay, habe schon verstanden. Aber Hiroki, also, nicht das ich mich einmischen will, aber was ist eigentlich so schlimm daran, dass Kouya Shino aushelfen möchte? Es ist ja nicht so, dass er entschieden hat, für immer dort zu arbeiten. Es ist ja nur für solange, bis Shinos Fuß wieder in Ordnung ist.“, meinte Yuu, der gespannt war, ob sein bester Freund sich offenbarte. Aber wenn er ehrlich war, dann konnte diese Erklärung durchaus auch noch auf sich warten lassen. Denn je schneller Hiroki sie verließ, umso früher konnten er und Kouya dort fortfahren, wo sie unterbrochen worden waren. „Es ist nicht schlimm, im Sinne von verwerflich oder dergleichen. Aber ich bin der Meinung, wenn er jetzt schon ein ganzes Jahr außerhalb unserer Gesellschaft gelebt hat, dann sollte er sich wenigstens mit Hilfe einer Arbeit an der Uni wieder in selbige eingliedern.“ „Hm. Klingt nachvollziehbar, aber ich denke, dass du den Arbeitsplatz letztlich beliebig austauschen kannst, wenn du von Gesellschaft sprichst. Da spielt es keine Rolle, ob du an der Uni, als Reinigungskraft oder in der Videothek arbeitest. Die Gesellschaft hast du überall, lediglich der Standpunkt ist ein anderer.“, meinte Yuu sinnierend. „Ahhh… Verschon mich damit, Yuu! Das ist mir alles selbst auch klar, aber ich denke, die Uni ist einfach der bessere Or-“ „Damit du mich wenigstens dort weiter bevormunden kannst, wenn ich schon nicht mehr daheim wohne!“, rief Kouya triumphierend durch die Tür. „D- das stimmt doch gar nicht! Was denkst du bloß von mir?“, erwiderte Hiroki entrüstet. „Habe ich dir jemals irgendetwas getan, was dein jetziges Verhalten mir gegenüber rechtfertigen könnte?“ „Und ob!“ „Hah?! Und was bitte schön?“ „Mich vom Baden ausgeschlossen!“ „Machst du Witze?“ Hiroki sah irritiert von der Tür zu Yuu, der unwissend mit den Schultern zuckte. „Kannst du das näher erläutern?“ „Als wir noch jünger waren und Yuu zu Besuch bei uns war, habt ihr gemeinsam gebadet und mich, trotz meines Flehens, dabei ausgeschlossen. Und das, obwohl du es mir vorher noch versprochen hattest!“ Es herrschte kurz Stille, ehe Hirokis und Yuus lautes Gelächter den Raum erfüllten. „Ja, genau. Sehr lustig! Fand ich damals nämlich auch schon…“, schnappte Kouya beleidigt. „Das meinst du doch nicht wirklich ernst, oder?“, entgegnete Hiroki noch immer lachend, dem es schwer fiel, sich wieder zu beruhigen. „Ich mein, das ist mindestens 15 Jahre her! Wie kannst du dich überhaupt noch an so etwas erinnern?“ „Erst auslachen und dann so tun, als ob meine Erinnerungen falsch wären. Und du auch, Yuu! Schön, dass du das genauso lustig findest.“ Kouya seufzte innerlich. Als wäre das Einschließen im Bad nicht schon kindisch genug, musste er nun auch noch mit so etwas anfangen. Kein Wunder also, wenn selbst Yuu die Beherrschung verlor und ihm dadurch ungewollt in den Rücken fiel. Wenigstens hatte sein Geliebter abrupt aufgehört zu lachen, als dessen Name fiel. Wäre sonst ja auch noch schöner. Kouya verdrängte die Gedanken an dieses vergangene Ereignis und konzentrierte sich auf das Hier und Jetzt. Er musste zurück zum eigentlichen Thema kommen. „Ich sage es jetzt ein letztes Mal: Ich werde solange in der Videothek aushelfen, bis es Shinos Fuß wieder besser geht. Da kannst du dich von mir aus auf den Kopf stellen, Hi-chan! Ich habe nichts weiter zu sagen. Entweder du akzeptierst das jetzt hier auf der Stelle, oder du musst mich eben aus dem Familienregister streichen lassen.“, meinte Kouya schließlich übertrieben. „Idiot! Als ob ich das würde – mal davon abgesehen, dass ich das überhaupt nicht dürfte! Aber wie du willst, dann gehe ich eben jetzt! Sich mit einer Person ernsthaft unterhalten zu wollen, die sich im Bad eingeschlossen hat und sich weigert raus zu kommen, ist sowieso schlicht unmöglich. Lass es mich wissen, wenn sich dein Verhalten wieder normalisiert hat. Kannst dich dann ja melden, oder eben nicht…“ Hiroki wandte sich resigniert an Yuu, der ihm ein entschuldigendes Lächeln schenkte. „Vielleicht kannst du ihm ja ein wenig Vernunft einreden – zumindest dieses Verhalten hier betreffend…“ „Wohl kaum. Ich glaube, mein Lachen hat ihn ebenfalls verärgert. Ich werde warten müssen, bis er von allein das Bad verlässt.“, entgegnete Yuu schief grinsend, der es nun ernsthaft bereute, sich sein amüsiertes Lachen nicht verkniffen zu haben. Er wusste, dass ihm das sein Geliebter unter die Nase reiben wird, sobald sie wieder allein waren. Yuu verfluchte sich, denn das bedeutete, sie würden definitiv nicht dort weitermachen, wo sie vorhin abbrechen mussten. „Kann sein. Bis später!“ Während Hiroki sich mürrisch verabschiedete, sah er hoffend für einen Moment zur Badtür, ehe er enttäuscht die Wohnung verließ. „Komm schon, Kouya! Ich habe mich doch schon längst entschuldigt…“, rief Yuu kleinlaut, der sich inzwischen von außen an die Badtür gesetzt hatte und seit mehr als einer viertel Stunde mit seinem Liebsten diskutierte. „Ich konnte damals doch nicht ahnen, wie wichtig dir das war! Selbst Hiroki war sich dessen nicht bewusst. Wir wollten einfach unter uns sein und über…keine Ahnung…Erwachsenenthemen sprechen. Da hätten deine Ohren definitiv gestört…“ „Meine Ohren hätten also gestört!? Und worüber habt ihr euch denn so schön unterhalten? Welcher größer ist? Wer schneller is-“ „Woahhh…halt, halt! Wo denkst du hin?! Kouya!?! Nichts dergleichen! Zumindest nicht zu diesem Zeitpun-“ „Ha! Dann gibst du also zu, mal mit meinem Bruder um die Wette onaniert zu haben?!“ „…“ „Kann ich dein Schweigen als Zustimmung ansehen?!“, rief Kouya bebend durch die Tür. „I-, ich weiß nicht, was ich sagen soll. Mir ist noch immer schleierhaft, wie du plötzlich auf so etwas kommst, wenn es doch eigentlich, ich fasse es jetzt mal so zusammen, um den Ort des Sekts und Kaviars ging. Du machst mich echt fertig…“ „Schön, dass ICH dich fertig mache! Und was ist mit mir? Ich erfahre mal eben so, dass mein Bruder und sein bester Freund gemeinsam sexuelle Abenteuer erlebt haben!“ „Jetzt übertreibst du wirklich! Wenn du das SO sagst, klingt es, als hätten Hiroki und ich eine sexuelle Beziehung geführt, was aber nicht mal annährend stimmt!“, rechtfertigte sich Yuu eisern, dem diese Situation mit jeder weiteren verstreichenden Sekunde unwirklicher vorkam. Yuu beklagte sich innerlich. Er wusste, dass sein Geliebter ein Meister der Ausdauer war und befürchtete, dass sie heute Nacht um 12 noch hier sitzen würde, wenn er nicht schnellstens einen besänftigenden Weg fand, um Kouyas verbohrte Haltung aufzubrechen. „Wie wär’s, wenn ich dir drei Dinge zur Auswahl anbiete?“ „Was meinst du?“, fragte Kouya, der trotz seiner Verärgerung neugierig klang. „Baden, gemeinsam onanieren oder über unsere Kindheit sprechen?!?“, erläuterte Yuu, der darüber grinsen musste. „Hm, wir könnten die drei Dinge auch kombinieren!?! Was denkst du?“ „Ich denke, ich sollte jetzt lieber nach Hause gehen.“, schoss Kouya augenblicklich zurück. „WAS! Wie- wieso?“, rief Yuu entgeistert, der nicht das Gefühl gehabt hatte, dass sein Geliebter aufgrund der jüngsten Ereignisse so stark gekränkt sei. Da war es dann auch kein Wunder, wenn sein Angebot auf absolut taube Ohren traf, und er in den Augen seines Geliebten jetzt ziemlich blöd aussehen musste. Yuu krallte sich hilflos mit beiden Händen in die vollen schwarzen Haare und überlegte krampfhaft, wie er diese Situation soweit entspannen konnte, dass Kouya zumindest nicht sofort nach Hause ging. „Hör mal… Du hast recht. Das Angebot war wirklich daneben. Ich habe deine Gefühle nicht ernst genommen. Es tut mir leid…“ „Schon gut. Mein Verhalten war auch nicht besser.“ Während Yuu überrascht die beschämte Stimme seines Geliebten hörte, nahm er zusätzlich wahr, dass dieser die Badtür endlich entriegelte. Erleichtert stand er auf und wartete. Einen Moment später ging die Tür auf und Kouya erschien im Türrahmen. Dieser sah ihn mit der vertrauten Mischung aus Verlegenheit und Trotz an. Yuu lächelte und konnte nicht anders, als Kouya blitzschnell in seine Arme zu ziehen, und stürmisch dessen weiche Lippen mit seinen zu bedecken. Yuu parkte den Wagen am Straßenrand, stellte den Motor ab und blickte fragend zu Kouya, der auf dem Beifahrersitz saß. Dieser sah angespannt aus der Windschutzscheibe rüber zur Videothek, die, im Gegensatz zur spärlichen Straßenbeleuchtung um sie herum, hell aufleuchtete und der Dunkelheit trotzte. Yuu folgte schweigsam dem Blick seines Geliebten, und ließ für einen Moment die letzten Stunden Revue passieren. Es war in der Tat so gekommen, wie er es befürchtet hatte. Kouya hatte selbst nach dem befreiten Kuss, den sie nach dessen selbst auferlegtem Badaufenthalt geteilt hatten, darauf bestanden, nach Hause zu gehen und somit ihrem leidenschaftlichen Treiben, das noch nicht einmal annährend in Fahrt gekommen war, ein jähes Ende gesetzt. Immerhin hatte sich sein Liebster zu einer weiteren Tasse Tee überreden lassen, so dass sie wenigstens noch etwas Zeit zu zweit am Tisch genießen konnten – zumindest hatte er sie genossen. Natürlich war Yuu über den Ausgang ihres ersten gemeinsamen Abends in seiner Wohnung als Liebespaar enttäuscht. Aber er konnte Kouya sehr gut verstehen, denn schließlich hatte dieser nicht den besten Tag gehabt – selbstverständlich bezogen auf den älteren Bruder. Wenn Yuu jemand Schuldigen für diesen halbwegs schiefgegangen Abend bestimmen müsste, dann würde es Hiroki mit dem plötzlichen Auftauchen definitiv auf Platz eins schaffen, aber dicht gefolgt von ihm selbst, da er sich in der ein oder anderen Situation nicht hatte beherrschen können. Er ärgerte sich selbst jetzt noch über das eigene Verhalten, aber es war kein Weltuntergang und ihr nächstes Treffen hatten sie auch schon beschlossen. Es blieb nun also nichts mehr zu tun, als Kouya sicher nach Hause zu bringen, und sich auf das nächste Mal zu freuen. Bevor er dies aber tun konnte, musste er zuvor einen Zwischenstopp in der Videothek einlegen. Sein Geliebter hatte beschlossen, sich unbedingt heute noch einmal persönlich bei Shino für das Weglaufen zu entschuldigen. Yuu fragte sich zwar, warum Kouya das nicht bis morgen zum Frühstück aufheben wollte, aber er war letztlich dem Wunsch seines Freunds kommentarlos nachgekommen, und nun saßen sie hier. Yuu strich sich eine störende Haarsträhne aus dem Auge, und sah erneut zu Kouya, der noch immer zur Videothek blickte. Er räusperte sich leise, ehe er das Wort an seinen Geliebten richtete. „Kouya?“ „Hm?“ „Wir sind da.“ „Hm.“, entgegnete Kouya, der gedankenverloren an der Unterlippe knabberte und ihn weiterhin ignorierte. Yuu schloss für einen Moment die Augen und seufzte leise. „Das ertrage ich nicht länger…“, murmelte er sehnsüchtig und beugte sich vernarrt zu Kouya rüber. Die bunte Beleuchtung der Videothek spiegelte sich sanft auf dem attraktiven Gesicht seines Liebsten und dessen rotbraunen Haaren wider und sorgte so für einen atemberaubenden Anblick, der Yuus Herz mit schwindender Distanz schneller schlagen ließ. „Was hast du gesa-“ Sich zu Yuu umdrehend, brach Kouya mitten im Satz ab, als plötzlich das Gesicht seines Liebsten auf ihn zukam. „Yuu?!“ Einen Augenblick später spürte er die warmen Lippen seines Geliebten, und begrüßte sie mit klopfendem Herzen. Zu Yuus Lippen gesellten sich überraschend schnell dessen warme Hände, die selbstbewusst über seinen Körper fuhren – die eine verweilte an seinem Nacken, wo sie verliebt mit seinen Haaren spielte, während sich die andere an seiner Oberschenkelinnenseite langsam nach oben arbeitete, und dabei einen elektrisierenden Schauer nach dem anderen durch seinen Körper sandte. Kouya genoss Yuus Berührungen und ergab sich dem Gefühlsrausch. Aber so plötzlich wie dieser angefangen hatte, war er auch schon wieder vorbei. „Ngh...ha… Wa- Yuu?!?“ „Bestrafung.“, neckte Yuu. „Was?“ Kouya sah irritiert zu Yuu, der sich wieder in den Fahrersitz zurückgelehnt hatte und ihn frech angrinste. „Du wolltest doch nach Hause, oder? Da musst du dich schon mit dem Bisschen zufrieden geben. Mehr gibt es nur bei mir in der Wohnung.“ Yuus Grinsens wurde anzüglicher. „Wobei ich es hier im Auto auch ganz reizvoll finde…“ „Pah, kannst du vergessen! Und sag mir noch mal, ich würde mich kindisch benehmen.“ „Das war nicht ich, sondern Hiroki. Schon vergessen? Er wollte, dass ich dir ein wenig Vernunft einrede, oder…küsse. Hmmm, Küssen fällt wohl nicht darunter, zumindest nicht nach Hirokis Vorstellungen…“, erwiderte Yuu schmunzelnd. „Da kannst du dir aber sicher sein!“ „Bin ich.“ „Schön, dass wir das geklärt hätten.“, meinte Kouya sarkastisch, der gerne weiter von Yuus Lippen genascht hätte. „Was ist nun? Willst du noch kurz mit rein?“, fügte er hinzu, und wunderte sich über Yuus gute Laune. „Da fragst du noch? Wenn mich nicht alles täuscht, dann müsste Hikaru heute Abend hier sein. Glaubst du wirklich, ich würde dich allein in die Höhle des Löwen gehen lassen?“, antwortete Yuu bedeutungsvoll und stieg beschwingt aus. Draußen traf er auf Kouyas ungläubige Miene. „Was?“ „Irgendwie klingt das ziemlich schräg, wenn DU das sagst. Die Sache mit der Höhle meine ich. Vielleicht solltest du dich mal an die eigene Nase fassen!?“ „Findest du?“ Während Yuu fröhlich fragte, trat er auf Kouya zu. „Vielleicht sollte ich lieber deine Nase küssen?“ „Uwahhhhhh…“ Kouya wich hastig einen Schritt zurück und funkelte Yuu argwöhnisch an. „Idiot! Nicht hier draußen! Was ist, wenn uns jemand sieht?“ „Und wenn schon! Es gibt keinen Grund, sich zu verstecken!“ „Sag das mal meinem Bruder…“, entgegnete Kouya seufzend. „Würde ich ja gerne, damit wir mit diesem Versteckspiel endlich aufhören können. ABER-“, meinte Yuu für einen Moment lauter, als er sah, dass sein Liebster protestierend dazwischen reden wollte. „…aber ich beuge mich natürlich deinem Willen. Ich könnte nie etwas tun, was du nicht möchtest.“ Yuu sah Kouya auf einmal durchdringend an. „Das ist mein Ernst, Kouya! Ich liebe dich!“ „A- also echt mal, d- du schaffst es doch immer wieder, mich zu überraschen.“, stammelte Kouya verlegen, dem das Herz heftig schlug. Die Schmetterlinge in seinem Bauch erzeugten mit ihrem aufgeregten Flattern reichlich Wärme, die ihm zu Kopf stieg und seine Ohren rot färbte. Er sah Yuus bezauberndes Lächeln und langte betört mit einer Hand nach dessen Gesicht, konnte sich aber im letzten Moment bremsen. „Kouya?“ „Ahhh…nichts. Wir sollten endlich reingehen.“ Kouya wich den fragenden Augen aus. „Ach übrigens, Hikaru ist ziemlich nett und gutaussehend.“, sprach er übertrieben bedeutungsvoll. „Kouya!?!“ Yuu schloss die Tür und sah seinem Liebsten, der freundlich rufend zum Ladentisch schritt, argwöhnisch hinterher. Zu seinem Missfallen konnte er dort Hikarus Kopf unter dem Tresen hervorlugen sehen, auf dessen Gesicht sich ein unheilvolles Grinsen ausbreitete, als dieser ihn und Kouya erblickte und sich dabei elegant aufrichtete. Während Hikaru sprach, strich er sich das schulterlange schwarze Haar hinter die Ohren und lehnte sich lässig an den Tisch. „Huh?! Was macht ihr denn hier? Ich dachte, ihr hättet heute euren großen Tag?“, rief dieser freundlich, dessen Augen schelmisch blitzten. „Sagt bloß, es hat nicht geklappt?!“ Yuu rollte genervt mit den Augen. Er kannte Hikaru inzwischen gut genug, um zu wissen, dass dieser es bei der einen Bemerkung nicht belassen würde. Yuu wollte den attraktiven Mann gerade in seine Schranken weisen, als er Kouyas ausgelassene Antwort vernahm, die ihn überraschte. „Ganz so würde ich es nicht umschreiben…“, entgegnete Kouya lachend, dessen Gesicht, ungeachtet seiner ungenierten Worte, eine leichte Röte überzog. „So? Und wie würdest du es umschreiben?“ Hikaru warf Yuu über Kouyas linke Schulter hinweg einen frechen Blick zu, während er seine Frage stellte. „Äh- also, wie soll ich sa-“ „Du sollst gar nichts sagen! Und schon gar nicht zu diesem fragwürdigen Geschöpf, das da so engelsgleich vor dir steht!“, rief Yuu arrogant dazwischen. Er trat dicht hinter Kouya und zog diesen in eine feste Umarmung, welche sein Geliebter nach kurzem Protest zuließ. „Er muss nicht alles wissen! Und schon gar nicht etwas, was uns betrifft. Stimmt´s, Hikaru?“ Yuu unterstrich sein besitzergreifendes Verhalten Kouya gegenüber, indem er geräuschvoll einen Kuss auf dessen Hinterkopf platzierte. „Yuu!?!“, platzte es ungläubig aus Kouya heraus. Erneut schlug Protest in ihm hoch, der dazu führte, dass er sich mühselig aus der Umarmung seines Liebsten befreite. „Also echt mal!“ Während sich Kouya entnervt neben Yuu stellte, hinderte er murmelnd dessen Hand daran, ihn ein weiteres Mal in dessen Fänge zu ziehen. „Hatten wir nicht erst über solch ein Verhalten gesprochen?!“, raunte er leise. „Stimmt, aber du hast eben draußen ein Wort zuviel über Hikaru verloren! Was erwartest du?“ Yuu setzte eine Unschuldsmiene auf, während er lauter als nötig Kouyas Frage beantwortete. „Gehe ich richtig in der Annahme, dass ich Auslöser dieser zuckersüßen Auseinandersetzung bin? Was hat Kouya denn Schönes über mich gesagt?“ „Nichts Besonderes. Lediglich, dass du unfreundlich und schlecht aussehend bist!“, schoss Yuu mürrisch in Hikarus Richtung. Dass er sich nun lächerlich benahm, wusste er, aber es war ihm unmöglich dieses Verhalten abzustellen. Am liebsten hätte er Kouya geschnappt und die Videothek mitsamt Hikaru, der seinem Geliebten gerade ein unverschämtes Lächeln schenkte, hinter sich gelassen. Er seufzte lautlos, schloss für einen Moment die Augen und hörte Kouyas Stimme, die neben ihm erneut den Raum belebte. „Das ist überhaupt nicht wahr, Yuu! Ich habe genau das Gegenteil von dem gesagt! Auch wenn ich es nicht so gemeint habe, wie du vielleicht denkst, dass ich es gemeint haben könnte...also…ähm-“ Kouya brach verunsichert ab und starrte zu Boden. „Oh, ich fühle mich geehrt, Kouya! Heißt das etwa, ich könnte bei dir landen, wenn der Kerl neben dir nicht wäre?“ „Hikaru! Pass auf, was du sagst!“, zischte Yuu. „Wir sind hier, weil Kouya mit Shino sprechen will, mehr nicht. Ich nehme an, er ist nicht da?“ „Ah ah ah, schon gut, Yuu-chan!“, entgegnete Hikaru augenzwinkernd, der wusste, dass seine Namenswahl den Mann vor ihm an den Rand des Ausbruchs brachte. „Du musst nicht gleich so kühl werden. Und nein, Shino ist nicht nicht da. Er ist hinten im Büro.“ Er sah ermutigend zu Kouya, der ihm ein schiefes Lächeln schenkte. „D- danke. Dann geh ich mal kurz zu ihm. Bin gleich wieder da, Yuu…“, sprach Kouya hastig und ging eiligen Schrittes nach hinten. Yuu blickte Kouya sehnsüchtig nach. Sobald sein Geliebter im Gang um die Ecke verschwand und nicht mehr zu sehen war, ließ er unbewusst ein lautes Stöhnen über seine anziehenden Lippen gleiten. Er erntete damit Hikarus amüsiertes Lachen. „Oh man, du bist echt bis über beide Ohren verliebt! Du solltest dich mal sehen…“ „Sei du bloß still! Ich werde wohl nicht anders aussehen als du, wenn sich Shino in deiner Nähe aufhält.“, schoss Yuu hitzig zurück. „Und lass bloß die Finger von Kouya. Ich werde noch verrückt, wenn sich die Zahl seiner Verehrer weiter erhöht.“ „Du solltest eigentlich wissen, dass ich mich nie in eine bestehende Beziehung drängen würde, Yuu.“, meinte Hikaru ernsthaft. „Aber ich kann deine Besorgnis durchaus verstehen. Dieser junge Mann ist wirklich eine Augenweide – und nicht nur äußerlich, wenn ich deinen vielen Erzählungen glauben schenken kann. Du bist echt zu beneiden. Und was Shino betrifft, der ist überraschenderweise mit jemand neuem beschäftigt.“ „Echt? Was Ernstes?“ „Hm, wenn ich mir Shino so angucke, dann würde ich behaupten, mehr als ernst…“ „Hooo!? Das interessiert mich jetzt aber. Ich sollte ihn deswegen bei der nächsten Gelegenheit mal anhauen.“ „Ja, das solltest du tun.“, sprach Hikaru amüsiert, der sich entschuldigte, um eine Kundin zu bedienen. „Was sollte dieses Grinsen jetzt…“, murmelte Yuu unzufrieden, während er zu dem Regal mit den Neuerscheinungen schlenderte. „Wa- Aaaah.. Nicht. Das ist zwar äußerst charmant, Hi- Hiroki, aber ich glaube, noch immer der absolut fa- haaaaa… Wa- was machst du?! Aua… Warte, mein Fuß-“ „Du redest mir gerade eindeutig zu viel, Shino!“ „Wie!?!“ Kouya zog die Hand zurück und starrte verblüfft auf die Tür zum Büro. Hier plötzlich den Namen seines Bruders zu vernehmen, war schon eine Überraschung. Aber die Art und Weise dieser Unterhaltung setzte dem noch eine Krone mit Sternchen auf, und ließ ihn zu einer Salzsäule erstarren. Lediglich seine Gedanken waren frei und rasten daher unweigerlich in eine bestimmte Richtung, die ihm zwar nicht unvertraut war, aber dennoch ein beunruhigendes Gefühl hervorrief. „Ngh… Wa- warte… Wir sind hier nicht allein! Hikaru ist vorn.“ „Ah, dieser schwarzhaarige Schönling? Er weiß nicht, dass ich hier hinten bin.“ „Was?! Umso schlimmer! Was, wenn er jemanden hierher schickt?“ „Willst du mir damit sagen, dass du häufiger so spät abends hier hinten Besuch bekommst? Ich wusste gar nicht, dass Vertreter so ungünstige Arbeitszeiten haben...“ „Blödmann! Sei nicht so ignorant, und hör-…nghhhhaaaaa… Ni-nicht gut. Nimm bitte deine Hand da raus…“ „Wow! Du bist sogar noch in der Lage BITTE zu sagen…“ Kouya schluckte. Häufig hatten er und Yuu über die Möglichkeit, ob Hiroki und Shino etwas miteinander haben könnten, gescherzt. Aber Kouya hatte ihren Scherzen niemals einen zweiten, ernsthaften Gedanken eingeräumt, so dass ihn diese unfreiwillige Entdeckung mehr erschütterte als ihm lieb war. Es fiel im schwer zu glauben, dass sein Bruder, der große Schwierigkeiten damit gehabt hatte, dass er in eine WG zog in der ein schwules Pärchen lebte, dieser ihn sogar ständig vor Kia gewarnt hatte, nun tatsächlich selbst etwas mit einem Mann hatte. Ein Lächeln erschien auf seinen Lippen, als er darüber nachdachte, ob er sich für Shino freuen sollte oder nicht. Immerhin hatte es sein Mitbewohner mit einem äußerst exzentrischen Menschen zu tun, der kein Blatt vor den Mund nahm, und zudem neue Maßstäbe in Sachen Dickköpfigkeit setzte. Kouya unterdrückte ein Schmunzeln. Vielleicht würde sich diese Entwicklung ja positiv auf sein aufgeschobenes Coming-Out innerhalb der Familie auswirken. Er spürte seinen Mut anwachsen, aber das war nicht alles. Seine Ohren begannen zu glühen, während die Geräusche fortwährend gedämpft durch die Tür zu ihm durchdrangen und er nicht im Stande war, sich fortzubewegen. „Lass mich doch mal los! Das geht so nicht! Hiroki!?! … Ahhh…“ „Ich dachte, du würdest dich darüber freuen? Halt doch mal still…“ „Idiot! Ist dir entgangen, dass ich einen verletzten Fuß habe?! Und was…Ohhh… Ich geb´s au-“ „Das sind die Worte, die ich hören wollte! Hast du vielleicht Kon-“ „Halt! So habe ich das nicht gemeint! Du bist mir ein Rätsel! Erst abhauen und mich einfach so stehen lassen. Wiederkommen. Mich mit Fragen nach Kouyas möglichem Aufenthaltsort löchern. Erneut verschwinden, und nun eine Nummer im Büro verlangen?“ „Das klingt ganz schön sexy, wenn du das so sagst… Und ich dachte schon, meine Erregung kann sich nicht mehr stei-“ „Hiroki!?! Ngh… W- was ist nun mit Kouya? Hast du ihn gefunden?“ „Was soll mit Kouya sein? Müssen wir gerade jetzt über meinen Bruder sprechen?“ „Ja, müssen wir! Es interessiert mich eben. Mich interessiert alles, was mit dir zu tun hat.“ „…“ „Hi- roki?“ „Ich glaub´s nicht. Ich bin gekommen… Die Worte haben mich kommen lassen!?! Wie unbefriedigend ist das denn…“ „Ist das jetzt ein gutes, oder schlechtes Zeichen?“ „Was weiß denn ich! Passiert mir das erste Mal.“ „Hm… Dann kann ich mich also geehrt fühlen?“ „…“ „Jetzt guck nicht so! Ich wollte von Anfang an nicht hier, aber du…“ „Stimmt, aber ich bin noch nicht fertig. Du sollst auch etwas davon haben!“ „Wie? Nicht nötig. Verschieben wir´s auf´s nächste Mal… Hiroki? Was hast du vor?“ „Dir die Sinne rauben, was sonst?“ „…“ „Klappt doch ganz gut…“ „Ahhh… Ngh…“ Kouya presste aufgewühlt die Lippen aufeinander, und entfernte sich langsam mehrere Schritte von der Tür. Mit dem Rücken zum Büro holte er tief Luft und versuchte sich in Gedanken krampfhaft von den beiden Personen zu lösen, deren enthüllender Unterhaltung er gerade ungewollt Zeuge geworden war. Kouya wartete einige Sekunden, bevor er murmelnd zurück nach vorn ging. „Oh mein Gott… Ich glaub´s nicht…“ Yuu sah von der DVD auf und entdeckte Kouya, der mit einem seltsamen Gesichtsausdruck und roten Ohren wieder im Laden erschien. Er fragte sich, ob Shino seinem Liebsten als Strafe die Leviten gelesen hatte, schob diesen Gedanken aber sofort an die Seite, als ihm Kouya mit Handzeichen zu verstehen gab, dass er sofort gehen wollte. Yuu stellte die DVD zurück ins Regal, rief Hikaru einen Abschiedsgruß zu, zu dem sich Kouyas gesellte, und folgte seinem Geliebten bereitwillig aus dem Laden. Draußen angekommen, blickte er fragend in die grüngrauen Augen. „Ist etwas passiert?“ „Äh, nein. Es ist alles in Ordnung. Ich hatte nur das Bedürfnis zu gehen.“, entgegnete Kouya gefasster, als er tatsächlich war. „Das Gefühl habe ich aber nicht! Shino wird doch wohl nicht etwa-“ Yuu brach ab und riss die Augen auf. Mit grimmigen Worten auf den Lippen, drehte er sich wieder dem Eingang zu, um die Videothek zu stürmen. „Verdammt! Das hätte ich nicht von Shino erwartet! Der kann was erle-“ „Hast du eine Klatsche? Was glaubst du denn bitte, was Shino gemacht haben soll?“ Während Kouya eindringlich sprach, hinderte er seinen Liebsten daran, zur Tür zu gelangen. „Ich weiß zwar nicht, was dir da im Kopf rumschwirrt, aber ich kann dir versichern, dass Shino nichts getan hat. Und selbst wenn, dann würde ich es nicht wollen, dass du losrennst und dich für mich prügelst! Aus dem Alter sind wir raus, oder?!“ „Aber dann erklär mir bitte mal, warum du so seltsam ausgesehen hast, als zurückgekommen bist und vor allem sofort gehen wolltest!“, erwiderte Yuu aufgebracht, dem es schwer fiel, sich von den unschönen Gedanken Shino gegenüber loszureißen. „Ich mein, ist es da nicht naheliegend zu denken, dass-“ „Nein, es ist ganz bestimmt nicht naheliegend sofort anzunehmen, dass Shino mich angegrabscht hat! Ich dachte immer, du besitzt Verstand und Menschenkenntnis! Vor allem wenn ich bedenke, dass du Shino inzwischen so lange kennst… Also echt, wenn er das hört, ist er bestimmt total enttäuscht, oder wird dich bis in alle Ewigkeit damit aufziehen, was ich dir übrigens glatt gönnen würde.“ „Ja ja, schon gut! Habe verstanden und es tut mir leid.“, sprach Yuu besänftigt, der mit einer Hand nach Kouya langte. Er berührte sanft dessen Wange, strich ihm eine wild abstehende rotbraune Haarsträhne hinter das Ohr zurück und genoss die kurze Berührung ihrer Haut. „Ich habe wohl etwas überreagiert.“ „Etwas ist gut, aber egal. Würdest du mich jetzt nach Hause bringen?“ „Nur, wenn ich einen Kuss bekomme!“ „Yuu!!!“, rief Kouya genervt, den es noch immer erstaunte, dass Yuus Persönlichkeit so widersprüchlich und facettenreich war. Bei jedem Aufeinandertreffen lernte er Neues und begann jedes einzelne Puzzlestück, aus denen sich sein Geliebter zusammensetzte, innig zu lieben. „Im Auto oder Fahrstuhl, und auch nur, wenn uns keiner sieht.“ „Woher kommt denn jetzt bitte der Fahrstuhl? Aber dein Wunsch soll mir recht sein! Dann jetzt gleich im Auto und später also im Fahrstuhl, da ich dich bis an die Wohnungstür bringen werde, wie es sich für ein ordentliches erstes Date gehört!“, meinte Yuu verliebt, der Kouya an die Hand nahm und ihn ungezwungen zum Auto führte. „Das ist nicht unser erstes Date!“, rief Kouya lachend. „Egal. Aus dieser Abmachung kommst du jetzt jedenfalls nicht mehr raus…“ Hikaru verabschiedete sich gerade gut gelaunt von einem guten Freund am Telefon, als er im Augenwinkel Shino wahrnahm, der endlich aus dem Büro zurückkam. Eine bissige Bemerkung auf den Lippen, wandte er sich in dessen Richtung, nur um im nächsten Moment wortlos den Mund offenstehen zu lassen. Hinter Shino erschien eine weitere Person, die ihm zwar bekannt vorkam, er sich aber nicht daran erinnern konnte, wo er sie schon einmal gesehen haben könnte. Hikaru setzte ein weiteres Mal an, etwas in Shinos Richtung zu rufen, aber verstummte erneut. Verblüfft sah er zu den beiden rüber. Der Unbekannte beugte sich zu Shinos Ohr und flüsterte etwas hinein, was bei dem älteren Mann dazu führte, dass sich dessen Wangen leicht röteten. Hikaru zog erst skeptisch, dann aber wissend die Augenbrauen nach oben, während sich ein breites Grinsen auf seinen Lippen ausbreitete. Er beobachtete, wie Shino und der andere Mann, der ohne Zweifel dieser ominöse Hiroki sein musste, sich verabschiedeten. Der eine verließ ohne einen Blick zurück den Laden, während der andere sehnsüchtig hinterher starrte. „Müssen eigentlich alle um mich herum so schmachtend durch die Gegend glotzen…“, brummelte Hikaru, der nun endlich seine Sprache wiederfand. „Hey Shino! Schön, dass du dich hier vorn auch noch mal blicken lässt! Wer war denn dieser stattliche junge Mann? Den hast du mir überhaupt nicht vorgestellt!“, rief er übertrieben beleidigt und musste lachen, als er das entsetzte Gesicht seines Chefs sehen konnte. „Wow! Das wird ja immer besser…“ Shino setzte sich ächzend auf den Stuhl hinter der Theke, stellte die Krücken an die Wand und blickte gespannt zu Hikaru, der ihn nun schon seit geraumer Zeit mit einem vieldeutigen Grinsen anstarrte. „Was ist?“ „Hast du meine Frage nicht gehört?“ „Die da wäre?“ „Nun, ob dieser junge Mann zufällig Hiroki gewesen ist?“ „Und wenn es so wäre?“ „Ich habe gar nicht mitbekommen, dass du da hinten Besuch hattest. Na ja, da wird es hoffentlich nicht schlimm gewesen sein, dass ich Kouya-“ „Was ist mit Kouya?“, unterbrach Shino Hikaru misstrauisch, den ein ungutes Gefühl beschlich. „Äh? Er war doch vorhin bei euch hinten, schon vergessen?“, entgegnete Hikaru seelenruhig, dem das Ganze langsam Spaß machte. Er konnte sehen, wie sich Shinos Gesichtsfarbe von blass zu rot, und dann wieder zurück verfärbte. „Sag bloß, ihr wart da hinten unanständig?“ Hikaru begann erneut herzlich zu lachen, als er Shinos gepeinigten Gesichtsausdruck sah. „Dacht ich´s mir doch!“, rief Hikaru triumphierend. „Kein Wunder also, dass der Kleine so schnell verschwunden war.“ „Hat Kouya etwas gesagt?“ „Nö. Ist einfach auf und davon, nachdem er und Yuu mir einen Abschiedsgruß zugeworfen haben.“ „Yuu!?! Der war auch hier?“ „Yepp. Aber keine Angst, er war nur hier vorn bei mir. Obwohl ich natürlich keine Ahnung habe, wie geschwätzig der Rotschopf mit seinem Liebsten umgeht.“ „Das wüsste ich auch gern…“, entgegnete Shino leise, dem das alles zwar ein wenig peinlich war, aber sein Hochgefühl nicht schmälerte. Hiroki schien ernsthaft an einer Beziehung interessiert zu sein, auch wenn dieser es bislang nicht eindeutig ausgesprochen hatte. Shino lächelte plötzlich. Er war also im Moment die einzige Person, die wusste, dass die Sato-Brüder Beziehungen zu Männern unterhielten und dies voreinander geheim hielten. Sein Lächeln wurde umtriebener. „Ey Shino, kannst du das mal lassen?“ „Wieso? Hat doch gerade erst angefangen…“, entgegnete er amüsiert, und sah dem schwarzhaarigen Mann belustigt in die Augen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)