Küchengeflüster von Benjy ================================================================================ Prolog: In der Luft hängend (überarbeitet) ------------------------------------------ Der junge Mann rutschte nervös auf seinem Sitzplatz hin und her. Sein Mund öffnete sich leicht, nur um dann im nächsten Moment die zierlichen Lippen fest aufeinander pressen zu können. Dem folgte ein leichtes Knabbern an der Unterlippe, bevor das Schauspiel mit einem einleitenden Seufzen von vorn beginnen konnte… Kouya seufzte hörbar. Zu seiner Erleichterung war die Sitzreihe neben ihm frei, so dass er sich nach Herzenslust benehmen konnte. Dieses Alleinsein ersparte ihm die ungewollte Unterhaltung, auf die er sich seit dem Abflug sowieso nicht hätte konzentrieren können, denn er war mit den Gedanken bereits daheim gelandet. Er strich sich mit einer Hand das rotbraune Haar hinter die Ohren, und blickte gedankenverloren aus dem Bordfenster. Der dichte Wolkenteppich versperrte ihm die Sicht nach unten, und lenkte auf diese Weise den Blick in die schier endlose blaue Ferne. Kouya blinzelte. Um sich nicht in der grenzenlosen Weite zu verlieren, schloss er die Augen, und richtete den Blick nach innen. Dort war, im Gegensatz zum friedlichen Wolkenmeer zu seinen Füßen, ein Sturm losgebrochen, der sich kontinuierlich verstärkte und, wenn er in weniger als einer Stunde landen würde, alle Rekorde auf der Mess-Skala brechen könnte. Den älteren Bruder zum ersten Mal nach einem Jahr wiedersehen zu können, war natürlich aufwühlend. Vor allem nach dem offenbarenden Telefongespräch, das inzwischen mehr als eine Woche zurücklag. Dennoch verursachte dieser Umstand weniger Bauchschmerzen, als die Tatsache, dass er dem besten Freund des Bruders ebenfalls wiederbegegnen würde. Der Gedanke an diese Person ließ sein Herz augenblicklich schneller schlagen. Und obwohl Kouya den Moment dieses langersehnten Aufeinandertreffens kaum noch erwarten konnte, zog sich gleichwohl sein Magen aus Furcht zusammen. Er seufzte erneut. Die aufreibende Auseinandersetzung am Telefon mit seinem Bruder Hiroki schoss ihm durch den Kopf. Diese war bis zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht zu Ende geführt, und Kouya befürchtete, dass dies ihr erstes Treffen auf ungemütliche Weise überschatten würde. Der Grund für die Verstimmung seines Bruders lag in dem geplanten Vorhaben, das er erst vor einer Woche gestehen konnte – seinen Auszug. Dass er ausziehen und unabhängig leben wollte, war notwendig, auch im Hinblick auf eine ihm wichtige Person. Aber Hiroki tat sich sehr schwer mit dieser Angelegenheit. Bis heute hatte Kouya keine klare Antwort, oder gar Zuspruch von ihm erhalten. Er war sich bewusst, dass er dessen Erlaubnis nicht brauchte, denn er war ja bereits volljährig. Dennoch würde es ihm deutlich besser gehen, wenn Hiroki hinter seinem Vorhaben stehen könnte. Kouya liebte, ja verehrte, den einzigen Bruder. Daher tat die fehlende Anerkennung weh. Er suchte schon die ganze Zeit nach einem Weg, der es ihnen ermöglichte, unbeschwerter mit dem bevorstehenden Ereignis umgehen zu können. Aber seine Suche war bisher erfolglos. Und wenn er sich in Hirokis Lage versetzte, fiel es ihm gleich noch schwerer, eine Lösung zu finden. Kouya konnte das Verhalten seines Bruders sehr gut nachvollziehen. Schließlich folgte der Freude über das Wiedersehen nach einem Jahr der Trennung, prompt die Trauer über das plötzliche Verlassen des Familiensitzes. Aber daran führte kein Weg vorbei. Hiroki musste sich damit abfinden, ob dieser nun wollte oder nicht. Kouya hoffte inständig, dass sich dieser innerhalb der vergangenen Woche ein wenig an diesen Gedanken gewöhnen konnte. Er war schließlich nicht aus der Welt, sondern nur örtlich von Hiroki und dem Familiensitz getrennt. Ein wenig schwermütig wurde ihm schon dabei. Besonders wenn er daran dachte, dass er dann nicht mehr die Möglichkeit besaß, Kimura Yuu zu sehen. Aber dieses Problem hoffte Kouya auf wagemutige Weise lösen zu können, indem er dem besten Freund seines Bruders endlich die Liebe gestand. Mit erröteten Wangen und klopfendem Herzen richtete Kouya seine Aufmerksamkeit wieder nach draußen. Das Flugzeug war inzwischen in den breiten Wolkenteppich eingetaucht, und schien an Höhe zu verlieren. Nahe und ferne Wolkenfetzen zogen unterschiedlich schnell am Bordfenster vorbei, und hüllten nicht nur den Flieger ein. Denn für einen unerträglichen Moment verdunkelte sich auch Kouyas Gemüt. Seine Ängste und Befürchtungen nutzten diese Chance, sich hemmungslos in ihm auszutoben. Aber just in dem Augenblick, bevor sie völlig die Kontrolle zu übernehmen drohten, verließ das Flugzeug den Wolkenschleier, und Kouya hatte wieder freie Sicht. Seine Augen weiteten sich bei dem atemberaubenden Anblick. Während er sah, wie die Erdoberfläche kontinuierlich näher kam, und auf diese Weise das Ende seiner Reise ankündigte, befreite sich sein Gemüt vollends von der dunklen Sturmfront. Und als wollte der Pilot seine Beobachtung persönlich bestätigen, kündigte dieser auch schon den Landeanflug an. Kouya schob alle aufwühlenden Gedanken und Gefühle zur Seite, und versuchte sich stattdessen auf die eigenen Vorbereitungen für den Landeanflug zu konzentrieren. Dennoch konnte er nicht verhindern, dass sein Herzklopfen mit jedem sinkenden Meter zunahm. Der Anschnallgurt erlaubte zwar nicht das nervöse Hin- und Herrutschen des jungen Mannes, aber er hatte keinerlei Macht über das dazugehörige Schauspiel. Ein Seufzen war zu hören… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)